Framolf - Kommentare
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Alle Kommentare von Framolf
Oscar Madness Film 55 (2 Auszeichnungen, 4 weitere Nominierungen)
Biopic über einen politischen Aktivisten und einen vermeintlichen Mitstreiter, der es – wie der Titel bereits verrät – nicht unbedingt gut mit ihm meint.
Eine Besonderheit der Inszenierung liegt vielleicht auch darin, dass Autorenfilmer Shaka King den Rassenkampf (ein an und für sich abscheulicher Begriff) als Klassenkampf präsentiert und gerade auf diese Weise Akzente setzt, die weit über die gesellschaftlichen Dimensionen einiger ähnlich gelagerter Filme hinausgehen. Auf diese Weise adressiert er Zuschauer völlig unabhängig von deren ethnischer, kultureller oder religiöser Zugehörigkeit und vermeidet somit eine künstliche Spaltung jener Publikumssegmente, die eigentlich im selben gesellschaftlichen Boot sitzen. Die Handlung an sich bietet eher konventionellen Stoff bzw. eine „klassische“ Dramaturgie, bei der jedoch auch nuanciert eigene Akzente gesetzt werden.
Prämiert wurde Shaka Kings Inszenierung mit Oscars für den besten Filmsong ('Fight For You' von H.E.R.) sowie für Daniel Kaluuya als besten Nebendarsteller. Lakeith Stanfield, der in derselben Kategorie nominiert wurde und für die zweite der beiden Titelrollen besetzt wurde, glänzt mit einer nicht minder ambitionierten Leistung und wäre sicherlich ein ähnlich würdiger Gewinner der Trophäe gewesen. Speziell die Restaurant-Szene, in der er die sprichwörtlichen 30 Silberlinge erhält, bietet ihm großen Raum zur Entfaltung, den er mit bemerkenswerter Hingabe nutzt.
Darüber hinaus fuhr 'Judas and the Black Messiah' Nominierungen in den Kategorien „Bester Film“, „Bestes Originaldrehbuch“ sowie „Beste Kamera“ ein.
Brasilianische Dokumentation über das Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff, deren Titel nicht zufällig an das gleichnamige Werk Franz Kafkas erinnert.
Maria Ramos wirft in 'O processo' das Publikum mehr oder weniger unvermittelt in die Szenerie und verzichtet dabei auf Kommentare aus dem Off ebenso wie auf Namenseinblendungen. Ein gewisses Vorwissen wird also unabdingbar vorausgesetzt, den Rest kann bzw. muss sich der Zuschauer selbst erarbeiten; wobei sich aber konstatieren lässt, dass diese Dokumentation ihre Rezipienten durch die Art der Montage gut an die Hand nimmt.
Wer vor der Sichtung nur oberflächlich mit der Thematik vertraut ist, tut womöglich gut daran, sich zuerst Petra Costas oscarnominierte Dokumentation 'Am Rande der Demokratie' anzusehen und im Anschluss zur Vertiefung zu 'Der Prozess' zu greifen. Costas Film bietet den etwas umfassenderen Überblick, während Ramos Beitrag (zumindest in mancherlei Hinsicht) stärker ins Detail geht. Im Verbund liefern beide Produktionen eine mehr als solide Basis zur Auseinandersetzung mit der Thematik.
→ Für Zuschauer mit Interesse an internationaler Politik absolut empfehlenswert.
Oscar Madness Film 54 (1 Auszeichnung, 5 weitere Nominierungen)
Die Minari-Pflanze (Wassersellerie) ist robust, genügsam und vielseitig einsetzbar. Zudem erweckt sie oft den Anschein, „nur“ einjährig zu sein, doch in vielen Fällen gelingt ihr ein Comeback und sie kehrt sogar gestärkt zurück. Doch bei aller Genügsamkeit gedeiht sie am besten an Orten, die ihren Bedürfnissen am stärksten entsprechen. Und all das lässt sich – man ahnt es schon – auch über den Protagonisten und seine Familie sagen.
Während sich in den 1980er Jahren der amerikanische Traum inmitten der Präsidentschaft Ronald Reagans auf das Sterbebett begibt, um dort sein langewährendes Siechtum zu beginnen, versucht Jacob Yi, ein Familienvater koreanischer Abstammung, ihn für sich um seine Angehörigen so lange wie möglich am Leben zu erhalten. Kein einfaches Unterfangen, wenn die Ehe mit seiner Frau Monica aktuell ohnehin eher steinig verläuft. Nachdem die beiden mit ihren Kindern von Kalifornien nach Arkansas gezogen waren, um dort in einem zu Hause zu leben, das dem Auflieger eines Sattelschleppers gleicht. Um nicht falsch verstanden zu werden: Der amerikanische Traum wird hier keinesfalls beerdigt, doch ein Selbstläufer ist er eben auch nicht (mehr). Vielmehr ist er (zumindest indirekt) der Gegenstand vieler Diskussionen zwischen den Eheleuten im Zentrum der Geschichte.
Lee Isaac Chungs Inszenierung ist durchzogen von einer stark religiös aufgeladenen Symbolik, die in einem kreuztragenden Nachbarn gipfelt, aber auch in den Namen der Familienmitglieder Ausdruck findet. Während der Name der Mutter auf die Mutter des Augustinus (die ebenfalls fernab von zu Hause lebte) anspielt, war Anna (Entsprechung zu Anne) Jesus Großmutter. Die Namen der beiden männlichen Familienmitglieder verweisen hingegen auf das Alte Testament, deren Konnotationen sind aber ebenfalls nur oberflächlich mit ihren Namensgebern verknüpft. Jacob in dem Sinne, dass er ein hart arbeitender Wanderer ist; List und Tücke legt er allerdings kaum an den Tag. David, der Name des Sohnes, zeigt natürlich in erster Linie an, dass sich dieser eines immens großen Problemes erwehren muss, weitere Implikationen erscheinen in diesem Zusammenhang allenfalls von untergeordneter Bedeutung.
Yoon Yeo-jeong wurde für ihre Darbietung 2021 mit dem Oscar als beste Nebendarstellerin bedacht. Während ihre Rolle anfangs recht kauzig, aber doch unscheinbar ausfällt, bietet sich ihr im späteren Verlauf die Möglichkeit, in einem schwierigen Part groß aufzutrumpfen, was ihr auf beeindruckende Weise gelingt.
Hauptdarsteller Steven Yeun ('The Walking Dead'), dessen Leistung mit einer Nominierung honoriert wurde, spielt in einer – im wahrsten Sinne des Wortes – bodenständigen Rolle ebenfalls überzeugend auf und verkörpert seine Figur absolut glaubhaft.
Eine weitere Nominierung kann 'Minari' in Sachen Filmmusik verbuchen. Diese dient hier in allererster Linie zur Untermalung von Stimmungen und erweist sich wiederholt als Vorbote kommender Ereignisse. Mal wird auf diese Weise herannahendes Ungemach angedeutet, mal nimmt sie dem Publikum in einer potenziell heiklen Szene die allergrößten Sorgen; fast so als wollte Komponist Emile Mosseri auf bittersüße Weise sagen: „Alles wird gut.“
Des Weiteren befand sich 'Minari' auch im Rennen um die begehrten Goldjungen für das beste Originaldrehbuch, die beste Regie sowie für den besten Film, womit die vielleicht bemerkenswerteste Qualität dieser Produktion gewürdigt wird: Der rundum gelungene Spagat zwischen Realismus und Poesie.
Durch die Prämierung mit einem Oscar sowie fünf weitere Nominierungen hat es sehr stark den Anschein, dass 'Minari' als Film ebenso erfolgreich Wurzeln schlagen können wird wie das Gewächs, das als Namenspate für diese Geschichte fungiert.
Oscar Madness Film 53 (2 Auszeichnungen, 4 weitere Nominierungen)
Eindringliches Musikerdrama über eine Two-Piece Band, deren Drummer einen massiven Verlust seines Gehöres hinnehmen muss. Wer eine moderne Version von Beethovens Biographie erwartet, wird sich schnell getäuscht sehen; stattdessen biegt die Geschichte in eine völlig andere Richtung ab. Vielmehr steht hier die Entwicklung von Bewältigungsstrategien im Vordergrund, wobei die vermeintlich überwundene Suchtproblematik des Protagonisten stets als Elefant im Raum steht. Bezeichnenderweise punktet die Inszenierung auch und gerade mit ihren leisen Tönen und Zwischentönen und hebt sich nicht zuletzt auch deshalb von zahlreichen anderen Produktionen mit Bezug zu Musikern ab.
Riz Ahmed & Paul Raci: Beide Darsteller (besonders letzterer) setzen auf ein nuanciertes Spiel und logischerweise bewusst leise Töne, statt der Versuchung zu unterliegen, das Thema Taubheit plakativ auszuschlachten. Raci kommt dabei zugute, dass Gebärdensprache sozusagen seine Muttersprache ist, da es die erste Sprache ist, die er von seinen tauben Eltern erlernt hatte. Ahmeds Spiel kulminiert in einem nonverbal vorgetragenen Finale, währenddessen er mit minimalistischen mimischen Regungen vermittelt, dass er sich gerade seiner Situation in vollem Umfang gewahr wird. Großes Kino (wenn auch nicht auf der Leinwand)!
Bester Ton: Die Nominierung in dieser Kategorie ist naturgemäß fast selbsterklärend; schließlich bietet die Thematik beste Voraussetzungen für eine ambitionierte Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten und räumt dem Tontechniker überdies die Gelegenheit ein, sich Wege abseits der üblichen Pfade zu suchen. Fast schon meisterhaft gelingt es Phillip Bladh (et. al.), die Empfindungen des Protagonisten für das Publikum hörbar zu machen; u. a. auch den titelgebenden Sound of Metal (in zweierlei Hinsicht).
Bester Schnitt: Analog zur Vertonung sind ist auch die Montage sehr darum bemüht, den Spagat zwischen einer gewissen (zwangsläufigen) Distanz zu den Figuren und und einer Möglichkeit des „Miterlebens und -leidens“ bzw. Mitfühlens zu bewerkstelligen. Dies gelingt Mikkel E. G. Nielsen auf eine gleichsam unaufdringliche und glaubwürdige Weise.
Bester Film, bestes Originaldrehbuch: Die Prämisse ist bei einem derartigen Projekt eigentlich schon die halbe Miete. Und dennoch gelingt Autorenfilmer Darius Marder - vor allem durch den gewählten Modus der Informationsvermittlung – die Schaffung einer versiert inszenierten Tragödie, deren Grundkonstellation bei vielen Zuschauern bei weitem nicht der erinnerungswürdigste Faktor bleiben dürfte. Man darf gespannt sein, welche weiteren Projekte er noch in petto haben wird.
Nachtrag: In den Kategorien "Bester Schnitt" und "Bester Ton" wurde 'Sound of Metal' dann auch tatsächlich mit den begehrten Trophäen bedacht und dürfte ohne Zweifel einen würdigen Gewinner abgeben.
Oscar Madness Film 52 (1 Auszeichnung, 4 weitere Nominierungen)
'Promising Young Woman' ist einer jener Filme, bei denen eigentlich jedes Wort zur Handlung, das über die Einordnung als „Rachedrama“ hinaus geht, schon unnötige Spoiler enthalten würde. Daher ausnahmsweise direkt zu den Oscarnominierungen, mit denen dieser Film 2021 bedacht wurde:
Vorneweg: 'Promising Young Woman' gehört zu den Kandidaten, von denen man eigentlich nur die Anzahl der Nominierungen wissen muss und sich nach der Sichtung mit einer hohen Trefferwahrscheinlich schon selbst ausmalen kann, um welche Kategorien es sich dabei handeln dürfte; derart bemerkenswert (wenn auch nicht perfekt) sind die erzielten Leistungen in den betreffenden Sparten.
Beste Hauptdarstellerin: Carey Mulligan liefert eine durchdachte, engagierte und überzeugende Vorstellung ab, dürfte es bei der Vergabe der Trophäe gegen die extrem hochkarätige Konkurrenz in Person von Frances McDormand und ganz besonders Vanessa Kirby alles andere als leicht haben.
Bester Schnitt: Die Montage spielt hier gekonnt mit Auslassungen und der Setzung von Assoziationen, wodurch die Finessen des Drehbuches erst in vollem Umfang zur Geltung kommen. Auf den ersten Eindruck wirken mögen die Schnitte vielleicht etwas konservativ wirken, doch im Verlauf der Sichtung wird immer stärker offenbar, wie versiert und akkurat hier zu Werke gegangen wird.
Bester Film, beste Regie, bestes Originaldrehbuch: Das Drehbuch und die Regie spielen hier fast schon leidenschaftlich mit den Erwartungen des Publikums. Entwicklungen werden angedeutet und mal konkret, aber manchmal auch nur vage ausformuliert. Dabei kommt Emerald Fennell ohne die in vielen ähnlich gelagerten Produktionen gezogenen Taschenspielertricks aus. Stattdessen wird die Handlung „redlich“ und stilistisch sauber erzählt und kann dennoch so manche plausibel präsentierte Überraschung bieten. Dazu gesellt sich ein Inszenierungsstil, der betont geerdet daherkommt und auf diese Weise einen gewissen Realismus vermittelt, ohne an Kunstfertigkeit einzubüßen. Fennells Spielfilm-Regiedebüt weist den ungeschliffenen Charme eines Rohdiamanten auf, dessen Natürlichkeit offenbar ganz bewusst bewahrt wurde. Die entsprechenden Nominierungen erscheinen in diesem Licht nur konsequent.
Nachtrag: In der Kategorie "Bestes Originaldrehbuch" wurde 'Promising Young Woman' mit der begehrten Trophäe ausgezeichnet.
Oscar Madness Film 51 (1 Nominierung)
Ganz schwer zu bewerten. Einerseits betont plakativ, andererseits gehört Klappern bei solch gewichtigen Themen sicherlich auch zum Handwerk – erst recht, wenn man partout nicht anders Gehör findet. 'Hunger Ward' zeigt drastische Bilder von mangelernährten Kindern; ganz offenkundig um Spenden für die entsprechenden Kliniken einzuwerben. Dadurch wirken die Schockmomente hier ganz bewusst kalkuliert; allerdings lässt sich diese Kurzdoku auch deutlich als filmischer Hilfeschrei einordnen.
Natürlich setzt die hier vorliegende Präsentation auf bewusst drastische Bilder und selbstverständlich kann man es als geschmacklos erachten, wenn die Kamera kaum Diskretion kennt und selbst dann noch gnadenlos draufhält, wenn Kinder erfolglos reanimiert werden. Dennoch stellt sich die Frage, wie man anderweitig auf eine Problematik aufmerksam machen könnte, die von vielen Medien seit Jahren systematisch ignoriert wird – nicht zuletzt wohl auch aufgrund der treibenden Rolle eines Landes, das nicht wenige „westliche“ Staaten als Verbündeten betrachten. Von der Verwicklungen einiger Industrienationen, die eine aktive oder indirekte Rolle in dem Konflikt spielen, ganz zu schweigen. Nicht unerwähnt lassen sollte man in diesem Zusammenhang auch das massive Volumen, das Rüstungsdeals zwischen Deutschland und Saudi Arabien in den vergangenen Jahren angenommen haben. Auch und gerade im Wahljahr 2021 kann man gar nicht oft genug darauf hinweisen, dass laut Medienberichten alle fünf Parteien, die in den vergangenen drei Dekaden in der Regierungsverantwortung standen, sich diesbezüglich „stark hervorgetan“ hatten.
Doch zurück zum Film: Einbettende Informationen über die besagten Kliniken werden leider nicht dargeboten, daher kann eigentlich jegliche Punktewertung bis auf Weiteres nur unter Vorbehalt stehen. Unabhängig davon ist das Leid der betroffenen Personen allerdings unermesslich und schreit nach Linderung. Solche Zustände hat kein Mensch verdient. Erst recht kein Kind.
Egal, wie man zu den Bildern auch stehen mag: Extrem wenig Fingerspitzengefühl legen die Produzenten gleich zu Beginn des Filmes an den Tag: Während gegen Ende des Abspanns „MTV Documentary Films“ als präsentierende Firma genannt wird, wird zu Beginn das Label von „MTV Entertainment Studios“ eingeblendet. Man kann von 'Hunger Ward' und den Methoden der Produzenten halten, was man will, aber das Etikett „Unterhaltung“ ist angesichts derart drastischer Bilder und einer unfassbar ernsten Situation schlichtweg fehl am Platz.
7,5 Punkte für die extrem hohe Relevanz der Thematik, die hierzulande ansonsten leider mehr oder weniger aus vielen Medien getilgt ist.
Oscar Madness Film 50 (1 Nominierung)
Biopic über die erfolgreiche Jazzsängerin Billie Holiday (bürgerlich: Eleanora Fagan), die (zumindest vorgeblich) wegen ihrer Heroinsucht – in Wahrheit aber vermutlich aufgrund einiger regierungs- und gesellschaftskritischer Songtexte - immer wieder auf Grundlage neugeschaffener Gesetze in Konflikt mit Bundesbehörden geriet.
Fast noch gewichtiger als das Nachzeichnen einer tragischen Künstlerbiographie dürften jedoch die politischen Implikationen dieses Falles sein. Denn die hier erzählte Geschichte pointiert durch Personalisierung so manche Blüten, die der institutionalisierte Rassismus während der McCarthy Ära trieb. Im Zentrum des Geschehens – wie so oft bei derartigen Fällen – Harry J. Anslinger.
In diesem Sinne finden sich dann auch zwei indirekte Parallelen zu den thematisch durchaus mit 'The United States vs. Billie Holiday' verwandten Biographien 'Citizen Kane' und 'Mank': Zu Beginn der Handlung wird davon berichtet, dass Orson Welles im Publikum sei und um ein Treffen mit Billie Holiday gebeten habe. Weniger augenscheinlich, da vielleicht nicht übermäßig bekannt, ist die Tatsache, dass die Finanzierung des Propaganda-Trashfilm 'Refeer Madness' (1936) sowohl mit Anslingers Behörde als auch mit William Randolph Hearst in Verbindung gebracht wird. Auch wenn die Beweislage für diese These naturgemäß recht dünn sein dürfte, so lässt sich doch konstatieren, dass Anslinger und Hearst in Sachen Cannabis ähnliche Ziele verfolgten – wenn auch aus völlig unterschiedlichen Motiven. Für Hearst sollen geschäftliche Interesse sowie persönliche Rachegelüste eine Rolle gespielt haben, für Anslinger ging es, wie spätestens seit den 1990er Jahren durch einen viel diskutierten Text eines ehemaligen ranghohen Mitarbeiters seiner Behörde als gesichert gelten dürfte, um die Schaffung eines Vorwandes für Hausdurchsuchungen und sonstige Maßnahmen gegen politische Gegner aus dem linken Spektrum sowie um eine erweiterte Möglichkeiten, Handlungen kultureller Minderheiten kriminalisieren zu können. Und auf eben diesen Sachverhalt legt Lee Daniels ('Der Butler') Inszenierung ein ganz besonderes Augenmerk.
Hauptdarstellerin Andra Day wurde für ihre Hauptrolle in einem Live Action Film, für die sie nicht zuletzt auch wegen ihrer Gesangskünste geradezu prädestiniert erscheint, auf Anhieb für einen Oscar nominiert. Am Ende des Abspanns läuft – nebenbei bemerkt – mit „Tigress & Tweed“ auch eine ihrer Eigenkompositionen, die in der „1950s Vocal Version“ auch Eingang in den den Film an sich fand.
Fun Fact: Tyler James Williams ('Alle hassen Chris', 'The Walking Dead') mausert sich langsam aber sicher immer mehr zu einem Erwachsenendarsteller. Wie doch die Zeit vergeht.
7 – 7,5 Punkte.
Oscar Madness Film 49 (1 Nominierung)
Kindgerechte Parabel über individuelle Bedürfnisse, partikuläre Begehrlichkeiten, sozialen Druck und kollidierende Interessen. Aber so viel sei schon verraten: Die niedlich gezeichneten Charaktere aus dem Tierreich finden eine höchst charmante Lösung.
Die Wohnwelten der Erdenbewohner (bewusst zweideutige Bezeichnung) sind verhältnismäßig detailreich gestaltet, werden aber nur kurz gezeigt, sodass man sich diesen kleinen Kurzfilm bedenkenlos auch zwei mal hintereinander anschauen kann. Bei einer Laufzeit von ungefähr sechs Minuten macht man damit auch rein gar nichts falsch.
Innerhalb der ohnehin schon überdurchschnittlich kreativen Animationsfilmschmiede Pixar pustet die SparkShorts-Reihe nochmal zusätzlich frischen Wind in die Kurzfilmsparte. 'Burrow' hebt sich dabei nochmal zusätzlich von einigen anderen Beiträgen der Reihe ab. So gesehen ist die Nominierung für den Oscar 2021 auch als Signal an etwaige Newcomer in diesem Segment zu verstehen. Eine Kinoauswertung blieb 'Burrow' in sehr vielen Ländern ebenso verwehrt wie dem ebenfalls oscarnominierten Hauptfilm 'Soul', sein Publikum sollte er durch diese prominente Berücksichtigung zum Finale der Award Season aber somit dennoch gefunden haben. So gesehen ein versöhnlicher Abschluss – für die Filmemacher ebenso wie für ihren kleinen Protagonisten.
7,5 – 8 Punkte.
Oscar Madness Film 48 (2 Auszeichnungen, 8 weitere Nominierungen)
David Finchers 'Mank' erweist sich als stark stilisierte und akribisch durchgeplante Replik auf Orson Welles 'Citizen Kane'. Replik in zweifacher Hinsicht: Denn einerseits bildet das Drehbuch die schneckenartige Struktur des Originals (mit allen Zeitsprüngen und Verwebungen der Erzählebenen) nach und erzählt auch diverse Geschehnisse erneut – jedoch zumeist aus einem anderen Blickwinkel und vor allem mit einer anderen Akzentuierung. Viele der Szenen wirken, als wollten David Fincher und „sein“ Drehbuchautor, sein Vater Jack Fincher (nebenbei bemerkt eine weitere Doppelung zu den Brüdern Herman J. und Joseph L. Mankiewicz, ihres Zeichens ebenfalls Autor und Regisseur - wobei in deren Fall natürlich keine gemeinsamen Arbeiten an 'Citizen Kane' verbrieft sind)] ergänzende Kommentare zur filmischen Biographie über William Randolph Hearst von 1941 hinzufügen. Ganz besonders die Dialogregie wirkt dabei enorm gewitzt und glänzt mit einer schieren Unzahl an pointierten Bemerkungen und Aphorismen, für deren Verarbeitung im Stakkato der Dialoge oftmals nur wenige Augenblicke Zeit bleiben. Eine angemessene Auseinandersetzung mit dem Inhalt erfordert daher nicht nur höchste Aufmerksamkeit, sondern vermutlich auch eine wiederholte Sichtung – oder zumindest eine gelegentliche Unterbrechung zur Sortierung der eigenen Gedanken. Denn hier werden derart viele Andeutungen und Anregungen zu weiterführenden Gedanken ausgestreut, dass nur wenige Zuschauer alle dieser Ideen nach der Sichtung noch im Kopf haben dürften [mir war es jedenfalls unmöglich].
Das Resultat ist demnach nicht nur eine reine Fortschreibung oder Rahmengeschichte von 'Citizen Kane', sondern vielmehr ein Hybrid aus Ergänzung, Replik und versiertem Spiel mit verschiedenen Meta-Ebenen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Kategorien, für die 'Mank' mit Oscar-Nominierungen bedacht wurde, in weiten Teilen mit den entsprechenden Nominierungen für 'Citizen Kane' korrespondieren. Ausnahmen: Statt des Schnitts und des Drehbuches (in Orson Welles Verfilmung) wurde Finchers Werk in den Sparten „Beste Nebendarstellerin“, „Bester Ton“ und „Bestes Kostümdesign“ berücksichtigt.
Beste Filmmusik: Trent Reznor (Nine Inch Nails) hat für 2021 gleich zwei Nominierungen in derselben Kategorie in seiner Vita stehen: Neben dem Soundtrack zu 'Mank' wirkte er auch am Score zum Pixar-Animationsfilm 'Score' mit (gemeinsam mit Jon Batiste und Atticus Ross). Letzterer war ebenfalls an der Produktion diverser Nine Inch Nails Alben ebenso beteiligt wie an der Filmmusik für David Finchers 'The Social Network', wofür er 2011 gemeinsam mit Reznor bereits einen Oscar gewann.
Bester Hauptdarsteller: Gary Oldman (2017 für 'The Darkest Hour' prämiert) spielt in manchen Szenen, als ob es um sein Leben ginge. Mal nuanciert, mal brachial. Seine Rolle bietet ihm durch die körperlichen Gebrechen und die Suchtproblematik viel Spielraum, den er virtuos zu nutzen weiß.
Beste Nebendarstellerin: Amandy Seyfried hingegen setzt hier ganz bewusst auf ein überwiegend nuanciertes Spiel; wohl auch, um ein Gegengewicht zu ihren extravaganten Kostümen zu setzen und der Rolle eine gewisse Erdung zu verleihen.
Bestes Szenenbild, bestes Kostümdesign, bestes Make-up und beste Frisuren: In allen drei Kategorien strotzt Finchers Inszenierung geradezu vor Kreativität. Speziell die Kostüme wirken deutlich verspielter als in Orson Welles Inszenierung. In den anderen beiden Sparten bleibt 'Mank' teilweise nahe am Original, frönt mitunter aber auch ganz eigenen Extravaganzen und meistert so den Spagat zwischen „Werktreue“ (sofern man dieses Begriff hier überhaupt anbringen kann) und Eigenständigkeit.
Bester Ton & Beste Kamera: Ähnlich wie schon in Welles Film gehen Bild und Ton hier auf ambitionierte Weise Hand in Hand. Im Vergleich zu einigen anderen Kategorien (wie etwa „Beste visuelle Effekte“) nach der ersten von Covid-19 geprägten Award Season erweisen sich beide Sparten jedoch als recht hochkarätig besetzt.
Beste Regie und bester Film: Die beiden besonders prestigeträchtigen Nominierungen ergeben sich fast schon zwangsläufig aus der handwerklichen Qualität und der offensichtlich dahinterstehen Akribie. Dennoch bleibt am Ende der Eindruck, dass sich 'Mank' zur Academy womöglich ähnlich verhalten könnte wie David Lynchs 'The Straight Story“ zu Walt Disney Pictures. Das besagte Studio soll seinerzeit zahlreiche Entwürfe Lynchs wieder einkassiert haben, woraufhin dieser eine Reihe düsterer Ideen im Subtext unterbrachte und den Film mit dem zynischen Titel einer geradlinigen Geschichte überschrieb. Fincher wiederum dürfte sich die ausgeprägte Affinität der Academy zu selbstreferenziellen Stoffen zunutze gemacht haben, um eine Produktion prominent zu platzieren, die letztlich auch beißende Kritik an Hollywood und indirekt auch an der Vergabepraxis der Jury äußert. Neben den Buhrufen, die es seinerzeit für 'Citizen Kane' während der Verleihung 1942 gab, sollte in diesem Zusammenhang auch die Ambivalenz nicht unerwähnt bleiben, in deren Zeichen die Nominierungspraxis Mitte der 1940er Jahre stand, als reihenweise auch (teils regierungsfinanzierte) Propagandafilme zu Wahl standen.
Nachtrag: In den Kategorien "Bestes Szenenbild" und "Beste Kamera" wurde 'Mank' die begehrte Trophäe dann auch tatsächlich verliehen.
Oscar Madness Film 47 (1 Auszeichnung, 8 weitere Nominierungen)
Die schier unsterbliche Legende unter den Filmen.
Man mag trefflich darüber streiten können, ob 'Citizen Kane' denn nun der beste Film aller Zeiten ist (wie von vielen Kritikern behauptet), eines ist er jedoch ganz gewiss: Eines der stilprägendsten Werke der (zur Produktionszeit noch recht jungen) Tonfilmära ist Orson Welles Erstling allemal – ganz besonders im Dramenbereich. Das Drehbuch und die Inszenierung folgen einem zu jener Zeit höchst unkonventionellem Stil und in handwerklicher Hinsicht werden nicht einfach nur Grenzen ausgelotet; vielmehr werden sie mit einer derart ausgeprägten Kunstfertigkeit und Raffinesse neu vermessen und definiert, dass Cineasten auch im darauffolgenden Jahrhundert nicht viel anderes übrig bleibt, als respektvoll den Hut zu ziehen.
In dramaturgischer Hinsicht werden dabei in einer verschachtelten Erzählung einige wesentliche Stationen aus der Biographie des „fiktiven“ Medienmoguls Charlie Kane nachgezeichnet. Die Setzung der Anführungszeichen erfolgt natürlich ganz bewusst, da Kanes Lebensweg verblüffende Parallelen zu jenem des Magnaten William Randolph Hearst aufweist...
Bei der Oscar-Verleihung 1942 wurde 'Citizen Kane' mit neun Nominierungen bedacht, die seitens des Publikums wiederholt mit Unmutsbekundungen quittiert wurden, was auf eine Einflussnahme durch William Randolph Hearst zurückgeführt wurde, und somit nicht einer gewissen Ironie entbehrt, denn er hätte kaum anschaulicher darlegen können, dass die im Film geäußerten Vorwürfe der Manipulation und Stimmungsmache ganz offenkundig alles andere als haltlos sind. Orson Welles himself war dabei die erste Person, der vier persönliche Nominierungen für ein und denselben Filmt zuteil wurden („Bester Film“, „Beste Regie“, „Bester Hauptdarsteller“ und „Bestes Originaldrehbuch“). Letztere Auszeichnung gewann er dann auch tatsächlich; und zwar gemeinsam mit Herman J. Mankiewicz, dem rund 80 Jahre später David Finchers Drama 'Mank' gewidmet werden sollte, das schließlich sogar zehn Nominierungen erhielt. Das Drehbuch folgt dabei einer für das Produktionsjahr äußerst ungewöhnlichen Struktur, die in 'Mank' als schneckenförmig bezeichnet wird. In gewisser Hinsicht wurden damit Türen aufgestoßen, durch die der Weg zu zahlreichen Produktionen frei wurde, an die zuvor noch nicht einmal ansatzweise zu denken war. Eine Entwicklung, die auch 80 Jahre später noch fortgeschrieben wird.
Als mindestens ebenso bemerkenswert stellen sich die Errungenschaften in den Kategorien „Beste Kamera“, „Bester Schnitt“ und „Bestes Szenenbild“ dar. Die Szenenbildner erschaffen dabei einige bewusst artifizielle Entwürfe, die trickreich von der Kamera eingefangen werden (wie etwa in der Anfangssequenz oder gegen Ende während der Verbrennung der Hinterlassenschaften). Nicht minder sehenswert ist der Matchcut mit den Redaktionsmitgliedern der ehemaligen Konkurrenz (40:30). Gerade in visueller Hinsicht werden in 'Citizen Kane' vielerlei Grenzen ausgelotet oder in vorherigen Produktionen angedeutete Entwicklungen vorangetrieben und in mehreren Fällen auf ein höheres künstlerisches, handwerkliches und technisches Niveau gehoben.
Überdies gab es Nominierungen in den Kategorien „Bester Ton“ und „Beste Filmmusik“; besonders in letzterem Bereich beschreitet Bernard Herrmann hier teilweise sehr skurrile Wege, indem er wiederholt Dissonanzen erzeugt, die an musikalische Motive aus Komödien der Wendezeit zwischen Stumm- und Tonfilm angelegt sind - und auf diese Weise auch einen gewissen Spott gegenüber dem Protagonisten zum Ausdruck bringen.
→ (Fast) Zeitloser Klassiker, den man als Cineast einmal gesehen haben sollte.
Oscar Madness Film 46 (3 Auszeichnungen, 3 weitere Nominierungen)
'Nomadland' erzählt eine (leider) auf wahren Umständen beruhende Geschichte von „hauslos“ (nicht: obdachlos!) gewordenen Tagelöhnern, die von Stadt zu Stadt und von Staat zu Staat ziehen, um sich ein halbwegs ausreichendes Einkommen zu schaffen. In der Vorweihnachtszeit im Lager eines Versandhändlers, in der wärmeren Jahreszeit als Erntehelfer und dazwischen mal hier, mal da. Man kennt sich. Denn die Wanderarbeiter geben sich gegenseitig Tipps, wo es Jobs geben könnte und überhaupt ist der Zyklus ohnehin Jahr für Jahr in groben Zügen derselbe. Die Aktionäre der großen Unternehmen freut es, den Preis bezahlen die Gelegenheits-Angestellten.
Ist das wirklich nur Amerika bzw. vielleicht zusätzlich auch China, wie der Regisseurin aus dem Reich der Mitte argwöhnisch vorgeworfen wird? Oder vielleicht sogar ein internationales Phänomen, das sich wieder stark auf dem Vormarsch befindet – und in diesem Sinne auch ein Blick in die Zukunft manch anderer Länder? Auch wenn man rhetorische Fragen eigentlich nicht zu beantworten braucht: Letzteres ist stark zu befürchten.
Das Resultat: Sechs Oscar-Nominierungen im Rahmen der Award-Season 2020/2021:
Die Nominierungen in der Sparten Kamera, Schnitt, (adaptiertes) Drehbuch und Regie gehen im Fall von 'Nomadland' im Grunde genommen Hand in Hand, in dem eine semidokumentarische Atmosphäre geschaffen wird, die der aus David Simons Serien-Meisterwerken (allen voran 'The Wire') in nichts nachsteht. Ebenso wie Simon setzt auch Regisseurin, die mit vier persönlichen Nominierungen für denselben Film übrigens auf den Spuren von Orson Welles ('Citizen Kane') wandelt, setzt auch Chloé Zhao (Regie, Drehbuch, Schnitt, Film) bei der Besetzung auf eine Mischung von professionellen Schauspielern und Laiendarstellern, die Rollen verkörpern, die ihrer eigenen Biographie möglichst nahekommen sollen. Zur Abrundung dieses „ganzheitlichen“ Ansatzes zeichnet ihr Lebensgefährte Joshua James Richards für die Kameraführung verantwortlich.
Darüber hinaus wurde auch Frances McDormand für ihre fast schon beängstigend lebensnahe Darstellung mit einer Nominierung bedacht. Wie man es von ihr gewohnt ist, trumpft sie am stärksten auf, wenn sie einen zwar etwas kauzigen, aber doch (bzw. gerade deshalb) sehr realitätsnahen Charakter verkörpern darf. Viele Darsteller können mit derartigen Geschenken durch die Regie und das Drehbuch nicht übermäßig viel anfangen, Frances McDormand aber läuft dann erst so richtig zur Hochform auf, wovor man gar nicht genügend Hüte zücken kann. Die Berücksichtigung in der Kategorie „Bester Film“ ist bei derart geballter Qualität dann eigentlich nur noch die logische Konsequenz.
Nachtrag: In den drei Hauptkategorien "Bester Film", "Beste Regie" und "Beste Hauptdarstellerin" konnte 'Nomadland' die begehrte Auszeichnung auch tatsächlich einheimsen. Chloe Zhao ist damit die erst zweite weibliche Gewinnerin der Regie-Trophäe.
Oscar Madness Film 45 (2 Auszeichnungen, 1 weitere Nominierung)
Pixar lässt einmal mehr die Muskeln spielen und demonstriert erneut, was im Animationsgenre auch abseits von singenden Prinzessinnen (selbstverständlich Halbwaisen) und sonstigen Geschichten aus der Retorte möglich ist. Ähnlich wie schon in 'Alles steht Kopf' und Disneys 'Coco' wird hier ein abstraktes Thema in konkrete Bilder übersetzt und somit anschaulich visualisiert. Überhaupt: Die Qualität der Animationen kann sich nicht nur sehen lassen, sie setzt (zumindest in den Szenen, die in „unserer“ Welt spielen) fast schon neue Maßstäbe in Sachen Detailtreue. Die Handlung wiederum beschäftigt sich auf familiengerechte Weise neben der offenkundigen Musik-Thematik (wie der doppeldeutige Titel nahelegt) auch mit dem Leben vor der Geburt und nach dem Tod und somit im Grunde auch mit der Frage, was den Kern des menschlichen Seins eigentlich ausmacht. Fast müßig zu erwähnen, dass – wie bei Pixar fast schon üblich – nicht alles auf eine einzige Zielgruppe zugeschnitten ist, sondern dass man ganz offenkundig darum bemüht ist, neben den Kindern auch ihre Eltern mit uns Boot zu bekommen. Die Kleinen bekommen hier eine Körpertauschkomödie mit einigen skurrilen Situationen und die Großen eine Tragikomödie über Lebensträume und -ziele sowie über die bereits eingangs erwähnte Fragestellung.
In einer kurzen post credit scene wird es abschließend (vermutlich unfreiwillig) ironisch. Einer der Charaktere sagt am Ende dieses Filmes, der aufgrund der Covid-Pandemie in vielen Ländern über Disneys hauseigenen Streamingdienst veröffentlicht wurde: „Hey, der Film ist zu Ende. Geht nach Hause!“
Im Rahmen der Oscar-Verleihung 2021 nominiert in den Kategorien Bester Ton, Beste Filmmusik und Bester Animationsfilm. Vor allem in der letztgenannten Sparte dürfte die Chancen auf einen Gewinn der Trophäe außerordentlich hoch stehen. [Nachtrag:] Und so kam es dann auch tatsächlich. Abo-Sieger Disney (bzw. Pixar) erhielt die begehrte Auszeichnung für den besten Animationsfilm sowie eine weitere für die beste Filmmusik. In letzterer Kategorie konnten sich Trent Reznor und Atticus Ross (die zusammen mit Jon Batiste nominiert wurden) unter anderem gegen sich selbst durchsetzen, da sie zusätzlich auch für die Gestaltung der Filmmusik zu David Finchers 'Mank' nominiert waren.
Oscar Madness Film 44 (1 Nominierung)
Leicht verdauliche Mischung aus Action, Fantasy, Klamauk, Trash und ein paar kleineren Science Fiction Elementen. 'Love and Monsters' kommt mehr oder weniger im Fahrwasser von Filmen wie 'Infestation' oder 'Zombieland' daher und die Produzenten bemühen sich gar nicht erst groß um tiefgreifende Innovationen.
In einem (post-)apokalyptischen Setting macht sich ein junger Mann, der nicht gerade im Ruf steht, auf sich allein gestellt überlebensfähig zu sein, auf die gefahrvolle Reise zu seiner Herzensdame. So weit, so unterhaltsam. Allerdings bringt das Drehbuch die Produktion um eine bessere Wertung, denn neben einer ganzen Reihe an unplausiblen Ereignissen wird beispielsweise auch mehrfach der „Kniff“ mit dem Abbruch der Funkverbindung bemüht – jedes mal just in dem Moment, zu dem eigentlich wesentliche Informationen vermittelt werden sollten.
Eine Oscar-Nominierung gab es 2021 dennoch; und zwar in der Kategorie „Beste visuelle Effekte“, für die es jedoch auch nicht besonders viele ambitionierte Bewerber (hinsichtlich der Spezialeffekte) auf die Shortlist geschafft hatten.
Oscar Madness Film 43 (1 Nominierung)
Bunter Animationsfilm, der die Form weit über den Inhalt stellt. Die Handlung die ohnehin schon auf eine Haftnotiz passen würde, kommt nicht gerade originell daher. Dafür wirkt die Visualisierung umso greller und (wie der Titel schon sagt) bunter, aber trotzdem ähnlich konventionell wie die Charakterzeichnung. Darüber hinaus wird zu so ziemlich jeder sich bietenden Gelegenheit gesungen, ganz egal, wie passend oder unpassend sie auch sein mag.
Unter dem Strich steht hier solides Mittelmaß – sofern man in Hinblick auf die Lieder hart genug im Nehmen ist...
2021 nominiert für einen Oscar in der Kategorie „Bester Animationsfilm“.
Oscar Madness Film 42 (1 Nominierung)
Charmant umgesetzte Dokumentation, die zunächst im Stile einer Agentenparodie startet und sich im weiteren Verlauf zu einem warmherzigen Drama wandelt.
Bereits die Prämisse lässt schon aufhorchen, da sie sich als höchst unkonventionell erweist. Ein kauziger chilenischer Senior wird in ein Altersheim eingeschleust, um von dort nach außen über die Zustände zu berichten. Begleitet wird er von einem Kamerateam, das wiederum vorgibt, den Neuankömmling während seiner Zeit im Heim porträtieren zu wollen. Und ohne unnötig viel vorwegnehmen zu wollen: Der besagte Herr erweist sich erwartungsgemäß als lausiger Detektiv, aber dafür als empathischer Zuhörer, der sich seine Rolle als Hahn im Korb zunutze macht, um in Kontakt mit den Bewohnerinnen der Einrichtung zu kommen. Viele von ihnen fühlen sich geplagt von Leere, Einsamkeit und Enttäuschung. Die allermeisten von ihnen beklagen sich nicht, doch nach einem oftmals entbehrungsreichen Leben liegt auf der Hand, das diese Art von Lebensabend nicht erfüllend sein kann.
Bei seinen Begegnungen macht der Undercover-Bewohner immer wieder Erfahrungen, die sich auch hierzulande im Pflegealltag beobachten lassen oder aus Gesprächen ergeben. Das gilt für Chile ebenso wie für Deutschland und sicherlich für viele Dutzend anderer Länder auch.
Dennoch dürften die Chancen auf einen Gewinn der Trophäe in der Sparte „Bester Dokumentarfilm“ vermutlich ähnlich begrenzt sein wie des anderen Beitrages, der unter deutscher Beteiligung entstanden ist ('Collective'). Nicht spezifisch genug auf den US-Markt zugeschnitten und letztlich vermutlich auch nicht mit einer ausreichend starken Lobby im Hintergrund. Die Vergabe der Trophäe dürften daher mutmaßlich 'My Octopus Teacher' und 'Time' unter sich ausmachen, wobei ersterer als Favorit ins Rennen gehen dürfte.
(Nachdem mein ursprünglicher Kommentar von 2016 offenbar irgendwo in den Weiten des MP-Archivs verloren gegangen ist und ich sowieso gerade Lust auf eine Zweitsichtung hatte, hier nochmal ein neuer Text zum Film. Die Punktewertung behalte ich unverändert bei.)
Bizarre Groteske über eine Geschichte, wie sie eigentlich nur die Gier schreiben kann... Zwei Möchtegern-Waffenschieber steigen mit absurden Methoden in ein Business ein, das ihre Kapazitäten in jeglicher Hinsicht übersteigt. Zwar hoffnungslos überfordert, aber auch mit einer großen Portion Glück und mit pfiffigen Einfällen, umgehen sie eine Vielzahl an Vorschriften, die aber scheinbar ohnehin kaum jemand kontrollieren mag. Bei manchen Geschäften schaut eben auch der Staat ganz gerne mal weg. Todd Phillips legt dies in 'War Dogs' auf humorvolle Weise offen und legt auch immer wieder einen Finger in so manche eiternde Wunde eines völlig aus den Fugen geratenen Kapitalismus, für den gerade in Kriegszeiten nochmal ganz eigene Regeln zu gelten scheinen.
Etwas problematisch ist natürlich, dass die Waffenschieberei hier teilweise als großes Abenteuer dargestellt wird und dass die Verfilmung mit den allermeisten Beteiligten noch verhältnismäßig milde ins Gericht geht. In dieser Hinsicht wären noch deutlich mehr Biss und Schärfe möglich gewesen. Natürlich gibt es eine ganze Reihe satirischer und auch zynischer Zwischentöne, die diesen Film so sehenswert machen, aber hier und da hätte man angesichts der Tragweite der Ereignisse durchaus noch etwas deftiger austeilen können.
Nebenbei bemerkt: 2022 endet die Liefersperre, die gegen AEY verhängt wurde...
Mein ursprünglicher Kommentar von vor ein paar Jahren ist leider verschwunden. Habe den Film zur Auffrischung aber kürzlich nochmal nebenher laufen lassen. Doch irgendwie wird es auch im dritten Anlauf nicht besser. Aber vielleicht liegt es auch nur an der Erwartungshaltung, mit der man an eine Sichtung herangeht. Betrachtet man 'Kingsman' einfach nur als überlangen Werbespot (das ungenierte product placement legt diesen Maßstab zumindest nahe) und vergleicht ihn dann mit irgendwelchen TV-Trailern für Waschmittel oder Online Casinos, kann man hier natürlich gar nicht genug Superlative bemühen. Wer zudem die Chuzpe der Autoren zu unzähligen Wiederholungen, Unplausibilitäten und (zugegeben visuell edel verpackten) Übertreibungen als mutig empfindet, kann hier sicherlich ebenfalls bestens unterhalten werden. Wenn man sich darüber hinaus noch mit einem schablonenhaften Holzhammer-Score und kruden gesellschaftspolitischen Implikationen anfreunden kann, kann eigentlich nicht mehr viel schiefgehen. Wohl bekomm's!
Runter von 4,5 Punkten auf 4.
++ Leichte SPOILER ++
Poetisches Fantasydrama, das den Grenzbereich zwischen Leben und Tod in metaphorische Bilder übersetzt.
Ein Teenager geht in einem See unter und erwacht in einer Art Zwischenwelt (kein Fegefeuer), in der sich jene Seelen treffen, von denen noch nicht klar ist, wann sie aus dem Leben scheiden werden, während sie in „unserem“ Alltag apathisch erscheinen (beispielsweise aufgrund eines komatösen Zustanden oder wegen Demenz). Interessant ist dabei der Perspektivwechsel, der hier vorgenommen wird: Den Betroffenen steht es im Jenseits frei, sich durch einen Sprung aus der Zwischenwelt zu verabschieden. Gelingt der Sprung, gehen sie in das nächste Reich über. Misslingt er jedoch (oder wird absichtlich verpatzt), führt der Weg zurück in die gewohnte Welt und das alte Leben. Der Tod als Befreiung also, wenn man so möchte. Es gibt aber noch zwei weitere Möglichkeiten: Den mittelfristigen Verbleib in der Zwischenwelt oder ein Absinken in eine Art Verdammnis (was auch immer das konkret bedeuten soll).
Am ehesten lässt sich das Wesen von 'Dust Factory' womöglich durch die Nennung thematisch und stilistisch „benachbarter“ Projekte beschreiben, als da wären: 'Hinter dem Horizont', 'Sieben Minuten nach Mitternacht' oder 'Der geheime Garten'. Wer den genannten Filmen etwas abgewinnen kann, kann sicherlich auch eine Sichtung von 'Dust Factory' wagen.
Gerade noch 7 Punkte.
Wie es die Krimi-Mode will, ist auch John River (Stellan Skarsgard), der Protagonist der gleichnamigen Serie, ein Sonderling. In diesem Fall einer, der meint, mit verstorbenen Menschen sprechen zu können. An die Seite gestellt wird ihm – auch das hat mittlerweile Tradition – ein Partner (Adeel Akhtar), der unterschiedlicher kaum sein könnte. Zusammen sollen die beiden den Mord an einer Kollegin und Freundin Rivers aufklären. Eigentlich eine erfüllbare Mission für diese beiden versierten Ermittler, wären da nur nicht ständig Rivers Aussetzer. Und so ist 'River' eigentlich auch nur eine halbe Krimiserie und zur anderen Hälfte eine Mischung aus Psychodrama und Charakterstudie. Zum Miträtseln eignet sich 'River' ohnehin nur bedingt. Die maßgeblichen Fakten werden so spät aus dem Hut gezogen, dass man sich das Gesamtbild erst gegen Ende erschließen kann. Sicherlich lassen sich zuvor bereits Vermutungen anstellen, doch letztlich gleichen frühe Spekulationen hier einem Stochern im Nebel.
Nicht zuletzt auch aufgrund der kurzen Laufzeit lässt sich diese Miniserie bedenkenlos an Krimi- und Dramen-Freunde weiterempfehlen. Alleine schon die engagierte Darstellung spricht dafür; und auch die Atmosphäre kann sich sehen bzw. erleben lassen.
→ 6,5 Punkte mit klarer Tendenz nach oben.
++ Leichte SPOILER ++
Gerichtsdrama aus Deutschland, das zwar durchaus relevante juristische und moralische Fragen aufwirft, diese aber teilweise auf einem unwürdigem Niveau abhandelt. Gezeigt wird ein Strafprozess mit einem völlig passiven Nebenklagevertreter und quasi in kompletter Abstinenz eines Staatsanwaltes. Dafür wird der Richterin und der Strafverteidigerin nahezu der gesamte zur Verfügung stehende Raum eingeräumt. Dass beide ab einem gewissen Punkt (teils bewusst und aktiv, teils tölpelhaft) daran arbeiten, den Fall zu kompromittieren, macht die Sache kaum besser.
Dabei hätte die Problemstellung durchaus das Zeug zu einem großen und bedeutungstragenden Drama: Gegenüber stehen sich zwei Parteien, deren Glaubwürdigkeit aus verschiedenen Gründen erschüttert ist. Verhandelt wird ein Fall von häuslicher Gewalt innerhalb einer offenkundig dysfunktionalen Beziehung. Dabei geht es weniger darum, ob der Beklagte grundsätzlich übergriffig wurde (dies scheint außer Frage zu stehen), sondern vielmehr darum, ob es in dem konkret verhandelten Fall zu gewalttätigen Handlungen am fraglichen Abend kam.
Und so passen sich Drehbuch und Inszenierung dem Niveau der Darsteller an. Neben einigen bemerkenswerten Momenten kommt es auch immer wieder zu qualitativen Durchhängern. Daher fällt nach dieser durchwachsenen Darbietung das Fazit gemischt aus: Einstellung des Punktevergabeverfahrens per Vergleich. ;-)
Origin Story der etwas anderen Art. Wobei... Eigentlich doch nicht. 'Mortal' erinnert zunächst ein wenig an ähnlich gelagerte Filme wie 'Fast Color', 'Midnight Special' oder (mit Abstrichen) auch 'Kin'; sowohl inhaltlich auch in Bezug auf den Tonfall der Erzählung. Eine Person mit ungewöhnlichen Fähigkeiten befindet sich – bei bedrückter Stimmung – auf der Flucht vor Verfolgern und muss ganz nebenbei versuchen, die Kontrolle über die nur schwer beherrschbaren Fähigkeiten zu verbessern.
Rein inhaltlich ist 'Mortal' unnötig wie ein Kropf, aber wer der schwermütigen Inszenierung etwas abgewinnen kann, sollte sich von einem Versuch nicht abhalten lassen.
Oscar Madness Film 41 (1 Nominierung)
Der dokumentarische Kurzfilm 'Do Not Split' nimmt die Ereignisse der Hongkonger Proteste gegen imperialistische Anwandlungen Chinas in den Fokus und folgt dabei einem ähnlichen Stil wie der 2015 ebenfalls für den Oscar nominierte Doku-Spielfilm 'Winter on Fire'. (Disclaimer: Dieser Vergleich bezieht sich einzig und allein auf den handwerklichen Stil beider Filme. Diskussionen über Propagandavowürfe an diesen oder jenen Film sollen an dieser Stelle ganz bewusst nicht thematisiert werden.)
Die Kamera begleitet die Proteste aus Sicht der Demonstrierenden und zeigt – unterbrochen von gelegentlich eingeblendeten Texttafeln - recht anschaulich an ausgewählten Szenen auf, wie sehr die Situation über einige Monate hinweg immer stärker eskaliert. Gezielten Provokationen von behördlicher Seite folgen wütende Proteste, die die Staatsmacht dann als Legitimation für drastische Maßnahmen heranzieht. Eine Strategie, die sich international bei Sicherheitsbehörden größter Beliebtheit zu erfreuen scheint. Selbst hierzulande ticken die einsatzstrategischen Uhren ganz offensichtlich nicht sehr viel anders. Wer seinerzeit am Bauzaun im Taxöldener Forst zugegen war, kann ein Lied davon singen.
Der Zynismus der Academy scheint anno 2021 kaum Grenzen zu kennen. Just in dem Jahr, in dem 'Do Not Split' ins Rennen um die begehrte Trophäe geht, wird ausgerechnet 'Mulan' eine nur schwer nachvollziehbare Nominierung für mittelmäßige Spezialeffekte hinterhergeworfen. Nur pro forma: Die Nominierung für die besten Kostüme lässt sich durchaus nachvollziehen, zeugt angesichts der Danksagung an die Sicherheitsbehörden der chinesischen Region Xinjiang während des Abspanns und der zeitgleichen Nominierung von 'Do Not Split' aber (höflich formuliert) nicht gerade von Fingerspitzengefühl. Man könnte fast meinen, die Academy wolle ABC, den zum Disneykonzern gehörenden Sender, der die Verleihung überträgt, ebenso besänftigen wie das Publikum und den Staatsapparat in China.
Zurück zum eigentlichen Thema der Dokumentation: An einer Stelle berichtet eine Studentin davon, dass es aktuell kaum noch Sinn mache, aktiv zu studieren, denn was sei ihre persönliche Zukunft schon wert, wenn die Zukunft der gesamten Hongkonger Gesellschaft auf den Spiel stehe? Und so zerstört Chinas Imperialpolitik nicht nur persönliche Schicksale, sondern entwirft nebenbei auch gleich eine donnernde Drohkulisse für weitere Territorien, denen in absehbarer Zukunft ein ähnliches Szenario bevorstehen könnte. Man kann im Grunde jetzt schon darauf wetten, dass in wenigen Jahr(zehnt)en ähnliche Bilder aus Taiwan um die Welt gehen werden. Derweil laufen bereits ähnliche Aufnahmen aus Myanmar über die Bildschirme, wo China nachgesagt wird, indirekt von der Situation zu profitieren. Nicht unerwähnt bleiben sollte in diesem Zusammenhang auch ein kurzer Hinweis auf die chinesische Scheckbuchdiplomatie, von der u. a. neben Sri Lanka, Laos, Tadschikistan und Kirgistan auch einige ostafrikanische Staaten ein Lied singen können. Aber das wäre ein Thema für eine eigene Dokumentation.
Oscar Madness Film 40 (1 Nominierung)
'Fragezeichen – Der Film' wäre vielleicht ein passenderer Titel für diese Produktion gewesen. Das Ende ist offen, die Backstory lückenhaft und die erzählte Gegenwart weist Leerstellen auf, die nur unzureichend gefüllt werden.
Wie so viele Science Fiction Produktionen aus dem Hause Netflix erweist sich auch dieser Film wieder als höchst durchschnittlich. Keine nennenswerten Innovationen, aber auch keine missglückten Experimente. Die Inszenierung durchzieht eine bedrückte Stimmung und bei der Besetzung geht man auf Nummer sicher (hier mit George Clooney, Felicity Jones und Demián Bichir).
Für die (an sich größtenteils eher durchschnittlichen) Spezialeffekte gab es 2021 eine Oscarnominierung. Die Awardseason unter Pandemiebedingungen macht es möglich.
Gerade noch 5,5 Punkte.
Oscar Madness Film 39 (1 Auszeichnung)
„Learn to see me as a brother instead of Two Distant Strangers...“ (Tupac)
++ Enthält SPOILER ++
Zur Ausgangslage: Carter (Joey Bada$$ aus 'Mr. Robot', von dem auch der gleichnamige Song stammt) kommt unmittelbar nach dem Verlassen eines Gebäudes in Kontakt mit vier hellhäutigen Personen. Die ersten beiden nicken ihm flüchtig zu, kurz danach gerät er in einen kurzen Konflikt mit einer dritten Person, der aber sehr zügig – wenn auch mehr schlecht als recht – wieder beigelegt werden kann. Doch dann beginnt das wahre Unheil: Ein Polizist würgt ihn in einem George-Floyd-Szenario, das albtraumhafter kaum sein könnte.
Schnell wird also klar, dass es in 'Two Distant Strangers' nicht primär um eine weiß vs. schwarz Problematik geht, sondern vielmehr um blau vs. schwarz. Die folgenden Minuten verstärken diesen Eindruck noch zusätzlich, da dort illustriert wird, dass sich schwarz und weiß notfalls auch aus dem Weg gehen oder anderweitig arrangieren können. Ganz gewiss kein Idealzustand, aber zumindest einer, in dem eine Basis für einen halbwegs ergebnisoffenen Dialog besteht. So weit, so gut – zumindest einigermaßen. Wäre da nur nicht Team blue, das ein ums andere mal gezielt den Konflikt sucht und ganz bewusst eine Eskalation herbeiführt.
Die Ironie an der Sache: Beide „Kontrahenten“ stecken in derselben Hölle fest, aber nur einer von beiden ist sich dessen bewusst. Was bleibt, ist eine Blutlache mit den Umrissen Afrikas (ca. 26:50). Und die Frage, wie man dieser Situation noch entrinnen will – sowohl als Individuum als auch als Gesellschaft. Eine konkrete Lösung hat auch dieser Kurzfilm nicht zu bieten – wie auch? Oder um ein abgewandeltes Zitat daraus zu bemühen: Es ist egal, wie lange es dauern wird, irgendwie wird es schon klappen.
Nachtrag: 'Two Distant Strangers' wurde 2021 in der Kategorie 'Best Live Action Short Film' mit einem Oscar ausgezeichnet.
Trivia: Sean Combs wird im Abspann als einer der Produzenten aufgeführt.
Oscar Madness Film 38 (1 Auszeichnung)
2021 nominiert für einen Oscar in der Kategorie „Best Documentary Short“. [Nachtrag: 'Colette' wurde im Rahmen der Verleihung mit einem Oscar prämiert und konnte sich damit gegen die vier anderen Kandidaten durchsetzen.]
Colette Marin-Catherine, deren Bruder im Konzentrationslager Mittelbau-Dora ums Leben kam, begibt sich zusammen mit einer Historikerin an die Stätte der damaligen Verbrechen. Dort angekommen trifft sie auf den ehemaligen Bürgermeister der Stadt, einen weiteren Zeitzeugen, der zu einem augenscheinlich gut gemeinten, aber unbeholfen vorgetragenen Entschuldigungsversuch ansetzt, der aber zügig unterbunden wird. Ratlosigkeit macht sich breit. Regisseur Anthony Giacchino erzeugt dabei eine Atmosphäre, die die Beklemmung regelrecht greifbar macht; allerdings auch zu dem Preis, dass er munter weiterfilmen lässt, als Colette Marin-Catherine eigentlich darum bittet, wegzusehen. An einer anderen Stelle wirft sie die Frage auf, welchen Sinn die Dokumentation solch morbider Details (in Bezug auf die von den Nazis begangenen Grausamkeiten) eigentlich haben solle. Antworten darauf gibt es nicht, niemand hat sie. Ob die Dokumentation und Vermittlung in Museen oder Kurzfilmen eine dauerhafte(!) Wirkung entfalten können wird, wird nur die Zukunft zeigen können. Einige aktuelle Entwicklungen lassen zumindest unheilvolle Vermutungen aufkommen.
'Colette' fängt die aus derartigen Grausamkeiten entstandene Trostlosigkeit ebenso ein wie die Ratlosigkeit, die daraus auch knapp acht Jahrzehnte später resultiert und folgt dabei dem Trend der Personalisierung und Emotionalisierung, der aktuell in das zeitweise recht nüchtern gehaltene Dokugenre wieder Einzug hält. Über angemessene Formen für den Umgang mit dem Holocaust wird nicht zuletzt erst seit Adornos Diktum über die Dichtung nach Auschwitz debattiert. Im Grunde genommen lässt sich jeder gewählte Ansatz dazu angreifen, da es für derart unermessliche Gräueltaten einfach keine adäquate Worte geben kann. Dennoch stellt sich die Frage, was letztlich von dieser Kurzdoku übrig bleibt. Lösungsansätze werden nicht aufgezeigt. Der ungelenke Versöhnungsversuch des Bürgermeisters wird zurückgewiesen, der Sinn von Geschichtsschreibung infrage gestellt. Aus Opferperspektive auch ganz sicher nicht zu Unrecht. Doch wie bewertet man Giacchinos Ansatz nun angemessen? Am besten vermutlich gar nicht, zumindest nicht als Spätgeborener. Dennoch: 5 Punkte mit gleichermaßen Raum nach oben wie nach unten.