Jimi Hendrix - Kommentare
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Alle Kommentare von Jimi Hendrix
LITTLE CHILDREN ist ein äußerst gelungenes sozial-kulturelles Suburbia-Drama, welches in betrachterisch-tragischer Weise die Sehnsucht nach Selbstverwirklichung und dessen Konflikt und Scheitern in eingeschränkten Konformitätsrahmen zeigt. Die Peripherie als reale Horrorvision der Heterogenität.
Todd Fields Beitrag zum Leben und Scheitern in den amerikanischen Vorstädten, den spießbürgerlichen Mittelschichts-Ghettos und suburbanen Fantasialändern, wo jedes Streben nach Unkonventionellem zu einem drückenden Stein der Intoleranz im eng geschnürten und blank polierten Schuh der Homogenität wird, zeigt dies beispielhaft an dem Hausmann Brad und der Hausfrau Sarah, sowie an einer Vielzahl von Randstorys.
Alle streben sie nach Akzeptanz, Honoratioren ihrer selbst oder dem, was sie als erweckte Sehnsucht neu entdecken. Sie verzehren sich nach Liebe und Bedeutsamkeit in einer kleinen beschränkten Vorort-Welt, wo sie sich von ihren Ehepartnern längst entfremdet haben, während diese in den Städten, gedanklich so weit entfernt wie ein fremdes Universum, ihren beruflichen Verwirklichungen hinterher rennen.
Dabei zeichnet Fields um einiges schärfer und humorloser die Dystopie der DESPERATE HOUSWIFES und ihrem Vorstadt-Horror, aus Ausgrenzung, Vorurteilen und Gesellschaftsdruck. Da wo die Serie zur reinen Unterhaltungssendung verspielt wird, greift LITTLE CHILDREN an und fühlt sich mit ordentlicher Charaktertiefe in die Gefühlswelten seiner Figuren ein, sodass selbst die pädophile Bestie zum zerbrechlichen Wesen mit Gefühlen enthüllt wird.
Die schauspielerischen Glanzpunkte von Winslet, Haley und Wilson gehen etwas verloren, ob der bedrückenden Wolken, die dort den strahlend blauen Himmel der Suburbs verdunkeln.
Teilweise trägt mir dieses Drama an manchen Stellen zu dick und konstruiert auf, dennoch trübt das die Qualität des Films nur minimal und man bekommt einen vagen und teils erschreckenden Endruck davon, was es heißt seine Gefühle und Wünsche in diesen künstlichen Gesellschaft zu entdecken, auszuleben und zu erfüllen.
Mit Schneiders unverwechselbar-kautzigem Humor-Nihilismus zu skurrilen Höhenflügen und narrativen Bruchlandungen. In teutonisch-ruhrpottesker Kaurismäki-Schrulligkeit, minderbemittelt Kommissar 00 in seinem neusten Fall wieder neue Schandtaten ans Tageslicht. Ein Film, der obschon aus den 70ern, gekonnt das nostalgisch-muffige Asthmaspray der 50er-Polizeikrimis aus Frankreich inhaliert und dabei nur gelegentlich allgemeinkompartible Gags krächzt.
"Diese verdammten Verbrecher. Aber ohne sie wäre ich sicherlich arbeitslos. Und würde sicherlich schon Hartz IX oder X bekommen."
Meine erste Kontaminierung mit Schneiders Filmkosmus ist eigentlich Liebe auf den ersten Blick, suchte ich doch lange vergebends nach einem Roy Anderson oder Jim Jarmusch in unseren Landen, das wir filmlandschaftsmäßig wohl oft schlechter machen, als es wirklich ist.
Helge Schneider, der wohl humorwohnsitzloseste Pseudo-Obdachlose und Ehrenpenner der Nation beweist mit seinem neusten und doch so verstaubten Werk erneut, dass Witz und Humor zur avantgardistischen Antikunst gehören können, die in unerklärbarer Weise funktionieren.
IM WENDEKREIS DER EIDECHSE zerpflückt in stoischem Eigensinn genau dies, die Inhaltsleere und der formvollendete Schwachsinn, mit welchem hier aufgefahren wird, ist großartig erfrischend und hat mich zumeist bestens unterhalten.
Der Film hat einige wirkliche magische Momente, wie der Zahnartzbesuch oder das erstmalige Erscheinen des Antagonisten Jean-Claude Pillermann, der in graziler eleganz von der Rolltreppe auf die Welt gespuckt wird und vom famosen Rocko Schamoni interpretiert wurde.
Für mich ist dieser Film nur der Startschuss, um mir auch die anderen Werke des von mir so vernachlässigten Helge Schneiders anzusehen. Empfehlen kann ich den Film genausowenig, wie eine ausgebuffte Magen-Darm-Krankheit, doch was einen nicht umbringt...
Leicht überdurchschnittliches Krebs-Drama aus deutschen Landen.
Durch Zufall beim zappen hängen geblieben, was an sich schon ein Qualitätsmerkmal verrä, vielleicht fand ich aber auch nur das Mädel kurzfristig geil. Die gängige Story von Schicksalserkrankungen kränkelte vor allem in der Charaktertiefe, hustet Marc Rothemund uns doch eine Hauptdarstellerin ins Thema, die wenig Empathie bei mir weckte und schauspielerisch blass blieb.
Nichtsdestotrotz weiß die Thematik zu berühren und auch sonst liefert HEUTE BIN ICH BLOND, mit den klassischen deutschen Filmtugenden, der Authentizität, des rationalen Grundtons und dem bescheidenen Einsatz von Gefühlsduselei, zumeist ab.
Zusätzlich wird der fast dokumentarische Krankheitsverlauf, mit ganz amüsanten, auflockernden Einschlägen versehen, die dem Geschehen eine bitter-schöne Note verleihen und den Lebensmut ungekünstelt filmisch verbalisieren.
Mich hat, trotz aller Aversionen gegen diese Art Mitleidsstimulation, das dargestellte letztendliche schon berührt und das lag vornehmlich am Schlusspunkt des Films, sowie der natürlichen Art diesen Weg zu begleiten.
Deutungsvielfältiges, unverbrauchtes Coming-of-H Filmchen, dass eingerahmt in der Berliner Techno-Jugendszene mit bummernd-hämmernden Sound- und Bildschlagbohrern, irgendwo zwischen witzig-unheimlicher Drogentrip-Groteske und ernsthafter Teen-Psychoanalyse gekonnt raved.
Man sollte sich den Namen Akiz Ikon gut merken, ist er doch einer dieser Phänomene mit Seltenheitswert in der deutschen Filmlandschaft, voll künstlerischem Drang unbändiges, freies Kino zu schaffen, ohne den leider typisch pseudo-autentischen Kraut-Stock im Arsch stecken zu haben. Nein, Ikon liefert mit DER NACHTMAHR einen heißen Kandidaten zum besten deutschen Filmbeitrag dieses Jahres ab.
Denn er vereint in visuell sehr eindringlicher Aggro-Strobo-Bildsprache à la Noé oder Refn, die an sich abgegriffene Story eines Mädchens in der Adoleszenz und Selbstfindung. Dabei wählt DER NACHRMAHR eine für unsere Lande recht surreale Herangehensweise an dieses Thema, indem er die nicht greifbare psychische Verfassung der pubertierenden Hauptdarstellerin Tina (bitte merken: Carolyn Genzkow) personifiziert in einer kleinen süß-ekelhaften Kreatur. Diese lässt weiträumige Gedankenspiele zu, die dem Film somit eine sehr persönliche Ebene geben können, da jeder unabhängig von den Intentionen des Regisseurs antworten finden kann. Sei es, dass es sich hierbei um eine Traumbewältigung einer Abtreibung, Fehlgeburt handelt, oder die unbestimmten Ängste vor dem Erwachsenwerden, oder einfach den psychologischen Folgen von übermäßigem Drogenkonsum.
Was bleibt ist ein faszinierender, farbengreller und geräuschintensiver Atmosphärenfilm welcher den Gang in deutsches Kino wieder mit Freude begleitet. Wer also interpretatives und realitätsverebnendes Ambientekino mag, darf auf DER NACHTMAHR seine Hoffungen setzen.
https://www.youtube.com/watch?v=7ZkejDqTuSM
Danke lieber Filmclub 813, dass du auch solche Filme über deine Leinwand rutschen lässt. Längenmäßig war der Film ganz annehmbar, auch wenn mein Sehzäpfchen an der ein oder anderen Stelle schon zu schlucken hatte und einem die Luft wegblieb, bei solch schlechtem narrativen Interieur – Mund abputzen und weiter.
Doch wie so oft im Leben bleibt das Ejakulat oft schon in der Verpackung hängen und dringt nicht vor bis zum eigentlichen Inhalt, so auch in Kan Mukais Verfilmung. Die Geschichte ist so simpel wie genial! Der Sohn eines alten reichen Geschäftsmannes heiratet und stellt seine Angebetete seinem Vater vor. Dieser ist voll der Sorge um seinen Sohn und dessen Sexualleben, lädt(in Wahrheit zwingt) das junge Paar ein, unter seinem Dach zu Leben und sendet den Sohn auf Geschäftsreise, um sich eindringlich um seine neue Schwiegertochter kümmern zu können..
Doch bleibt einem als Zuschauer leider in keiner Weise der Film im Halse stecken und somit hat er seine Wirkung bei weitem verfehlt. Man geht mit Druck in den Film rein und kommt ohne Druck wieder raus - ohne nasse Hose oder vollen Mund, oder (hier andere beliebige Körperöffung einfügen).
DEEP THRAOT IN TOKYO ist einer dieser ekelhaft unkonkreten Filme die ich eigentlich hasse, denn er ist weder Wichsvorlage, noch ästhetisches Feuerwerk und bleibt in vielen Momenten eher ein mittelmäßiger Hybrid, mit einem netten Schlussakkord.
Schlingensief inszeniert das letzte Zucken des Nationalsozialismus, als ein sodomistisches Infernal. Als den braun-befederten Schwanengesang des Dritten Reichs in Amateurfilmkunst-Trash gerupft, ist 100 JAHRE ADOLF HITLER das sardonische Lachen, welches selbst in den Gaskammern noch lebendig Widerhall findet.
„Diese Sau, diese deutsche Sau!“
So haben wir Hitler (standesgemäß stark: Udo Kier) und seine faschistoiden Bluthunde noch nie gesehen: fickend, geifernd, jaulend, röchelnd bis in den Freitod sich schleppend hält der kleine, wackelige Lichtkegel voll drauf auf das nihilistische Spektakel. Oben fängt der Volkssturm aus Kindern und Alten Kugeln, unten empfängt Goebbels Tochter den notreifen Samen ihres Vater Joseph, während Göring zwischen Allmacht und ergebener Ohnmacht hin und her taumelt.
Nur Adolf Hitler interessiert das alles nicht mehr sonderlich, er wankt voll gedröhnt in die Götterdämmerung, nur um des Bärtchens beraubt von Eva als GröFaZ beerbt zu werden.
Dies krude, schmutzige Auftaktfilmchen der Deutschland-Trilogie, zerstört ohne Gnade alles an Verklärung und kotzt auf die Trümmerteile des Bunkers in experimentell grobkörnigen Bröckchen und beißend-komischer Inhaltsbotschaft und hat dabei nur das lauthalsene Hohngelächter auf die deutsche Geschichte übrig, das reicht aber auch vollends.
Besser als alle anderen Bunker-Filme, da nicht nur künstlerisch ansprechend gestaltet und theatherreif umgesetzt, sondern in der minimalistischen Ausführung, dem durchweg fanatischen Schauspiel und der grotesken Atmosphäre nicht wirklich Konkurrenz furchtsam, ist 100 JAHRE ADOLF HITLER einer der wertvollen deutschen Filmbeiträge, die eine Sichtung locker legitimieren und glorifizierte Gedanken an die gute alte Zeit liquidiert.
https://www.youtube.com/watch?v=heg8l0zspSg
Sehr solide Dokumentation, über die Anfänge des wohl umstrittensten musikalischen Subgenres: des Black Metal. Für Interessierte der Musik bietet die Doku einen guten ersten Anlaufpunkt, für Fans eröffnen sich aber wenig neues, erdunkelndes.
Ich habe und hatte eigentlich immer ein sehr breites Beutespektrum, was Musik anbelangt, da ist von klassischer Musik zu Post-, Psychedelic-, Progressiv/Experimental und Garagen-Rock, sowie Doom, Thrash Metal, NWoBHM, über New (Cold) Wave bis hin zu Marschmusik und Rock`n`Roll alles dabei.
Black Metal steht aber separiert und mit Sonderstatus versehen etwas abseits dieser ganz verschiedenen Stil-Facetten, ist sie doch wie kaum eine andere, ideologisch durchsetzt und ließ dieser verbalen Ideologie, ähnlich wie dem widerwärtigen Rechtsrock, auch Taten folgen, bis hin zu den bekannten Szenemorden und Kirchenbrandstiftungen in Norwegen Mitte der 90er. Die Skandalband GORGOROTH ließ früher (der reinen Provokation halber) verlauten, dass sie nicht Musik der Musik wegen machten, sondern um den Satanismus in die Welt zu tragen, weiter würden sie Leute verachten - wie mich - die ihre Musik nicht der Ideologie wegen hören würden, das beschreibt die Szene eigentlich sehr gut.
Ich für meinen Teil höre Black Metal nicht, um mich aufzustacheln Kirchen anzuzünden, meiner Freundin das Kreuz zwischen die Beine zu schieben oder Asylbewerbern aufzulauern. Mich ekelt die Ideologie vielmehr an, der Gruppenzwang, die Zugehörigkeit zu irgend einer homogenen Gruppierung mit Kodex und Erkennungszeichen. Black Metal ist für mich Privatsache, ich kaufe keine Platten, gehe auch nicht auf BM-Konzerte, sondern höre es nur in den eigenen vier Wänden für mich selbst, weil die musikalisch Komponente des Genres unglaublich vielschichtig und einzigartig ist.
https://www.youtube.com/watch?v=NC3QnAcBsbg
Und da ich dennoch immer gerne Hintergrundinfos zu dem habe, was ich höre war UNTIL THE LIGHT TAKES US schon lange auf meinem Klemmbrett. Wie zu erwarten zeigt uns die Doku wenig neues. Die alten geistigen Väter der Szene (sofern sie nicht ermordet wurden), dürfen unkommentiert über dieses Subgenre reden und für sich vereinnahmen, wie sie es aus blutig-feuriger Taufe hoben zur politisierten, radikalen Kunstform. Fenriz führt uns dann durch die Untiefen der Szene, vorbei an alten Weggefährten, wie Frost, Euronymous, Varg und ergründet die Legenden und Mythen, die sich um BM ranken.
Die Inszenierung ist dabei recht gelungen, manche Interviews sind total daneben, andere bringen nette kleine Storys zu Tage und Bilder, die einen, ob der unfreiwilligen Komik, schmunzeln lassen, wie Fenriz im Museum umherstreift oder Frost im Flugzeug verkrampft versucht, sein hartes Image zu zelebrieren, obwohl neben ihm ein kleiner Junge seinen bohrenden Blick auf ihn richtet.
Wer sich für die Musik und die tiefere Entstehung interessiert, wird enttäuscht sein, doch für eine generelle Informationsquelle zur Geschichte des Black Metal, ist Aites und Ewells Dokumentation bestens geeignet.
https://www.youtube.com/watch?v=hFfB3QXVHRE
yes, endlich sachdienliche hinweise! da scheinen ja einige brokatkarpfen darunter zu sein, die den japanophilen teich filmisch bereichern könnten :)
https://www.youtube.com/watch?v=D_3NqUHUwoU
Terayamas Reise in seine Kindheit, ist ein Farbbomben gesprengter Zelluloid-Regenbogen aus unwahrscheinlich viel Fantasie und künstlerischer Freiheit, im Stile eines japanischen Jodorowsky. Ein knallbunter filmischer Ausdruckstanz von Erinnerungen, Wünschen und der Aufarbeitung seiner Vergangenheit.
Terayama hat Terrorkama!!
Der nun dritte von ihm und langsam manifestiert sich bei mir der Unmut, wie unbekannt und vergessen dieser Regisseur doch scheint. Denn auch dieser Film zeigt Bilder, wie sie wohl in ihrem Expressionismus niemals zuvor und auch selten danach so derartige Präsenz zeigen. Wo Ōshima kopflastig-subtil anprangert, Yoshishige in sperriger Klugheit Ästhetik mit Intellekt verknüpft und Wakamatsu Politik und Frauenbilder radikal-ironisch brutalisiert, ist Shûji Terayama die schrille, mitreißend-punkige Woge im Japanese New Wave gebrause!
So verarbeitet er in PASTORAL: TO DIE IN THE COUNTRY seine Kindheit, aber nicht etwa im depressiv-anklagenden Stil von Truffauts SIE KÜSSTE UND SIE SCHLUGEN IHN, sondern in surrealen Traumreisen voll schräger Figuren, die sein eigenes Ich im jugendlichen Alter begegnen.
Dabei wird viel chargierbar und losgelöst von Realität und Vergangenheit betrachtet, wo sich alles vermischen kann und man sich selbst wieder findet, schwelgt, ergründet. Alles erneut wie auch in THROW AWAY YOUR BOOKS, RALLY ON THE STREETS mit einem fantastisch progressiven Score Takaaki Teraharas unterfüttert.
Ich kann Terayama wirklich jedem nur wärmsten ans Herz tackern, wen man geil auf Farben, Leben und der Sprengung von ästhetischen Konventionen ist.
https://www.youtube.com/watch?v=kVV3A1gyddM
Schlingensiefs juckend gesellschaftskritische Film-Hämorrhoide tut oft weh, ist stellenweise narrativ schwer entzündet, nässt in den richtigen Momenten handwerklich gekonnt, aber ist schwer zu ignorieren, auf dem Stuhlgang nach Canossa deutscher Geschichtstheorie.
"Wenn dein Bruder vor der Tür steht, dann fragst du auch nicht, was er dich kosten wird, sondern du läßt ihn ein." und frisst ihn auf. - frei nach Ernst Jünger
Mein erster Kontakt mit dem bösen Bruder Fassbinders, machte auf perfide Art und Weise irgendwie Spaß, da ich schon länger nicht mehr dieses eigenartig-widerliche Kribbeln in der Magenregion verspürte, Christoph Schlingensief gab es mir wieder.
Wir sind irgendwie in Tarkowskis "Zone". In der Zone zwischen Ost- und Westdeutschland, auch hier gibt es eine Fabrik, in der die geheimsten Wünsche in Erfüllung gehen, allerdings eher die des Wessis: es soll ein wahres Wünschefestival werden, provokativ, stimmig und unheimlich blutig. Die Darsteller sind durchweg grandios in ihrem Schauspiel, welches fast theaterhafte Züge zeigt. Diese geben dem Film, trotz des unverdaulichen Inhalts, eine sehr künstlerisch-geschmackvolle Note voll Authentizität.
"Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört" - Willy Brandt
Die zynische Thematik der Wiedervereinigung von Ost und West, löst Schlingensief mit einem höhnisch fahlen Grinsen. Denn die verarbeitete Bruder-Ostblockwurst, landet kurzerhand im Magen des Wessis - eine morbide Wiedervereinigung, voll evolutionstheoretischer Würze. Doch wie heißt es so schön, Liebe geht durch den Magen.
Wer arisches Selbstzerfeischungskino mag, sowie einen Faible für Stihl-Kettensägenmodelle und den hinein gefressenen Hass gegen dem zweckentfremdete Soli kanalisiert haben möchte, der sollte einschalten und Spaß haben.
https://www.youtube.com/watch?v=pnVaaKT9tg4
Totale Entschleunigung und Erlebnisphilosophie, bietet uns Sono in stringenter und beschwerlicher Reduziertheit von Bild und Ton. Still und schön schweben wir mit dem Androiden Yoko durch ihren monotonen All-Tag und streifen dystopische Gedankenkonstrukte.
Eines gleich vorweg: ja der japanische Film-Avantgardist bleibt seiner Radikalität treu und überrascht mit einer Antithese zu seiner eigenen Werkschau. Denn der hektische, knallbunte Genre-Jongleur, entschlackt seine sonst so pralle, sexuelle, brutale und psychopathische Bildsprache auf ein absolutes Minimum. Jede Bewegung ein Zelebrieren des Momentums, jedes Geräusch ein taub machendes Getöse und jedes Schattenspiel in schwarz-weiß ein optischer Hingucker. Selten war Kino so leise, gedrosselt und ja auch ermattend, man wagte sich kaum zu rühren, meine Lederjacke knarrte schnurrend unter meinen Atemzügen. Nach zehn Minuten holten die ersten gelangweilten Smartphonezombies ihre elektronische Bibel raus und wischten sich einen, nach dreißig Minuten verließ auch der ein oder andere den Saal, bevor sich wirklich Stille über Medium und Zuschauer legte und man zu meditieren begann.
Sion Sono führt uns in eine Zukunftsvision, in welche Teleportation zur lapidaren Normalität wird und das mit radikalsten Folgen. Wie uns berichtet wird, hat diese so gefeiert visionäre Entwicklung dramatische Folgen, denn wenn jeder Ort, jede Ware beliebig schnell in Reichweite ist, verliert der Mensch seinen Antrieb, seine Motivation und existiert, vegetiert nur noch als aussterbende Lebensform. Und genau durch dieser Welt begleiten wir Yoko (Sonos Busen-Muse: Megumi Kagurazaka) auf ihrer Reise, sie liefert Pakete durchs Universum an Menschen, die trotz Teleportation scheinbar belanglose oder persönliche Gegenstände durch sie versenden lassen.
Was dabei gezeichnet wird kann durchaus als beispielhafte Kritik an der fatalen Evolution des Menschen verstanden werden, denn die hier gezeigte Teleportation ist nur die logische Entwicklungskonsequenz, die sich aus bahnbrechenden Errungenschaften, wie dem Internet ergeben. Sono zeigt in THE WHISPERING STAR die Konsequenzen unseres Fortschritts. Wenn permanente Verfügbarkeit durch das weiter gedachte physische Internet, also die Teleportation zur Alltäglichkeit wird, ist Zeit obsolet und Wünsche sterben im Keim, da man sich alles materielle, physische mit einem Klick beschaffen kann.
Die Menschen, die dem weiblich geprägte Android Yoko auf ihren Zustellungen begegnet sind von eben jener Depression geplagte Kreaturen, wartende, Zombies. Sie haben jegliche Motivation verloren und nur Yoko beschert ihnen einen Moment des Glücks, wenn sie ein Paket, mit Jahren Verspätung und ebenso gewachsener Vorfreude, öffnen können. Yoko fungiert dabei als sterile Beobachterin, der sich der Sinn nach Zeitvertreib nicht erschließt, da für sie als "endlos lebender" Android Zeit nie eine Rolle spielt.
Man muss sich in jedem Fall auf dieses Experiment einlassen, oder man langweilt sich schlichtweg fast zwei Stunden lang, da storymäßig fast nichts passiert, sondern man zum gedanklichen Exkurs eingeladen wird.
ALTERNATIVE DAUERWERBESENDUNG
https://mubi.com/
Für nur 3,33€ im Monat bekommst du alles, was dein cineastisches Herz begehrt. Jeder Film ist 30 Tage on, nicht wie bei Netflix, wo man einen guten Film im Kopf hatte, ihn sehen will und er unvermittelt aus der Datenbank genommen wurde und man sich ärgert.
- diese Werbetext wurde Ihnen präsentiert von Gattung- und Arthaus.de, dem Kalauerservice in Ihrer Nähe! -
ich muss dannydiaz recht geben, ich finde auf moviepilot sollte der kommentar der woche eben ein filmischer sein, dafür gibt es doch extra movie- und gamespilot.
man wird hier schon genug mit anderem nonsense-müll zugeschissen, schleich- und normaler werbung in news, da kommt das filmisch substanzielle sowieso zu kurz.
ansonsten kann man bald auch in den news einen kommentar der woche zu den neusten beauty-trends, youtube-hits oder dem neuen album von rihanna einbetten.
ich vermute dahinter eher, dass gamespilot so angekurbelt werden soll, was wirtschaftlich natürlich vertretbar ist, ich aber dennoch nicht geil finden muss.
#15 der Amos-Vogel-Reihe: Film als subversive Kunst
"Ich wünschte, ich würde dich nicht lieben, oder viel mehr lieben."
Die schwermütige Melancholie-Metapher der verlorenen Gefühle, in einer auseinander driftenden, unverständlichen Welt, wo der zart lodernde Funke aufflammender Liebe im Staub der Entfremdung immerzu droht, ausgetreten zu werden, noch bevor er das Herz wärmen kann. Ein zeitloser, immer aktueller Klassiker des italienischen Kinos.
In der ersten Einstellung zerbricht bereits der Spiegel, welcher in den thematischen Vorgängern der losen Trilogie schon länger Risse aufwies. Bodenfrost lässt alles in einer Szene erstarren, lähmen, nur der elektrische Ventilator belebt die Physis der Fremden und ihres Partners, der nicht versteht, nie verstanden hat, was sie schon lange um treibt. Dabei war doch alles wie immer, denk er sich. Habe ich nicht immer versucht, es ihr recht zu machen? Sie schien glücklich zu sein, oder ich sah sie immer nur durch den Spiegel, anstatt auch nur einmal einen tiefen Blick in ihre Seele zu werfen. Doch warum will sie plötzlich weg, ohne logischen Grund?
Hat er nie gemerkt, wie oft er mich in letzter Zeit alleine ließ mit meinen Gefühlen, meiner Körperlichkeit. Sah er es nicht, oder wollte er es nicht sehen, dass ich fortgerissen wurde, wie in einem reißenden Strom aus Unerfülltheit und Gefühlsleere. Wir raubten uns die unbeschwerten Momente am Anfang unserer Beziehung und sie werden nie wiederkehren, deshalb ist es sinnlos, jedes weitere Wort darüber ist sinnlos, aber er will es nicht verstehen. Ihm war der Status Quo immer genug und mir reichte er am Ende gerade so zum flachen atmen, doch nun ist auch das letzte Sauerstoffatom veratmet und mir zieh es die Kehle zu, ich bekomme keine Luft mehr, kannst du das nicht verstehen, es ist zu spät, viel zu spät...
Michelangelo Antonioni ist auch in LIEBE 1962 kein großer Geschichtenerzähler, sondern ein genauer Beobachter menschlicher Zwischentöne, des lautstarken Nonverbalismus, der unser Leben meist komplizierter werden lässt, als alles andere. Wo Sprache versagt, fängt Antonioni an szenisch, bildhaft, symbolisch zu erzählen. da wird das Ufo-ähnliche Gebäude, auf das Vittoria (der schönste Blick aller Zeiten: Monica Vitti) schaut, zum Sinnbild für die Fremdheit der Welt und den irdischen Außerirdischen, die auf ihr leben müssen. Es weckt in ihr eine freudige, erleichternde Sehnsucht, wenn sie zu fremdartigen, afrikanischen Rhythmen tanzt, die so ursprünglich und natürlich klingen, instinktiv und rein in ihrem Gefühl. Da bricht sich nach langem Schweigen, die tosend lautstarke Börse voll Trubel und Hektik den weg ins Bild und Vittoria meint, sie habe eigentlich nie verstanden, was es damit eigentlich auf sich hätte, diesem Mysterium der globalisierten Welt, oder dem Mysterium der Liebe, in welcher alle Aktien kaufen, es wird spekuliert, es wird gewonnen und verloren und keiner weiß, wo der Gewinn eigentlich her kommt, oder wo der Verlust hin geht. Ein riskantes Spiel, wo alle mitspielen wollen, nur nicht Vittoria. Aber Piero (mein All-time Traumtyp: Alain Delon) spielt mit und zwar mit Haut und Haaren, voll Leidenschaft und abgeklärtem Fatalismus besegelt er die wüsten Wellen aus Geschrei der tosenden Stimmen, bis plötzlich alles still steht und die Welt für eine Minute den Atmen anzuhalten scheint.
Die atmosphärische Linguistik, ist gerade in den Börsenszenen grandios stimmgewaltig, als große Parabel auf den verloren Menschen in einer ihm sich nicht mehr erschließenden Umwelt, wo man dahin treibt in seinem Windkanal Namens Leben, irgendwo zwischen Suche und Furcht vor dem, was man meint zu brauchen für sein seelisches Glück und doch unfähig es zu ergreifen, wenn es schutzlos vor einem liegt und nach Empathie verlangt.
Für mich bisher der stärkste Antonioni, da er zwischen den Zeilen so viel zu erzählen hat, wenn man nur den Wille oder den Mut hat hin zuhören, zuzuhören. Dennoch kann ich jeden verstehen, dem LIEBE 1962 eine zu hoch gegriffene Cineastenwichsvorlage ist. Doch ich will selbst Leuten, die wie ich aus dem Bildungsslum der Realschule entstammen, zeigen, dass man kein studierter Intellektueller sein muss, um Antonioni zu spüren.
https://www.youtube.com/watch?v=LZDJUTYDiq8
"Entführungen sind so romantisch. - Leider ist es nicht mehr so wie einst.
Vor langer Zeit wurden wunderschöne Mädchen von Pferden entführt. Von Schwänen vergewaltigt, von Schlangen verführt. Auseinander gerissen von Bullen. Vergangene Freunden, bedauerlicherweise."
Federleicht, bizarr und großartig gefilmt, in sexuell-surrealem Entree, unterjocht Robbe-Grillet die Narration, dem dominant-radikalen Impuls aus Optik und Akustik und schafft ein skurriles Kunstwerk, musikalisch unterlegt mit wiederkehrendem Wehrmachtsliedergut und portugiesischem 70er-Lounch-Sound. Dabei positioniert Robbe-Grillet die Szenerie, oftmals wie ein konstruiertes Stillleben der Lust und Gewalt, hoch-inszeniert, gemäldehaft arrangiert und mit viel nackter Frauenhaut und doch mit einem Schuss Ironie abgeschmeckt.
Endlich kein verkopftes, kaltes Kino aus Frankreich, sondern wie ich es mag, voll warmblütiger Körperlichkeit, voll bildlichem Animalismus und der instinktiven Triebhaftigkeit der ästhetischen Bilder, die alles überrollt und restlos verschlingt.
Alain Robbe-Grillet steckte mir bei unserem ersten Kontakt den Finger unvermittelt in den Po und ich juchzte, da er mich dort berührte, wo ich es am wenigsten erwartete. Doch suchte ich den Gang nicht zufällig zu ihm, schrieb er doch das legendäre "Drehbuch" zum LETZTES JAHR IN MARIENBAD und gut aufgehoben sollte ich mich bei ihm fühlen.
So präsentiert er uns in PLAYING WITH FIRE eine krude, irrsinnige Entführungsgeschichte, in welcher eine dubiose, höchst erigierter Organisation junge, attraktive Mädchen stilecht verschleppen, um dann der zahlungskräftigen und moralschwachen Kundschaft den Raum für sexuelle Freibriefkästen zu bieten. Hier her verfrachtet der wohlhabende George de Saxe (Phillipe Noiret), seine hübsche Tochter Caroline, ob aus inzestuösen oder monetären Gründen blieb mir unklar, offiziell wollte er sie dort vor einer sich andeutenden Entführung präventiv penetrieren, öhm schützen natürlich. Und zusammen mit Caroline streifen wir durch das Anwesen, die Zimmer, hinter denen wir so einiges an Kontroversem entdecken dürfen.
Dieser unkonventionelle Film, verdient unbedingt mehr Aufmerksamkeit! Zu schön und subversiv sind doch die Bilder, die hier gezeigt werden möchten, also ran an den Speck.
https://www.youtube.com/watch?v=l4G8eN72Slw
Das Klagelied eines jungen verlorenen Yakuza, gewohnt anmutig fotografiert, erreicht leider nicht die Klasse und das witzig-feinsinnige Charisma von BRANDED TO KILL, ist aber dennoch noch sehenswert frisch.
Seijun Suzukis vorletzter Film für Nikkatsu, trägt erneut einiges an atmosphärischer Emanzipation und geschichtlicher Rebellion in sich. Energisch weg driftend, vom schnöden, immer gleichen Mief, des japanischen Fließband-Gangsterfilms der 50er und 60er, blinzelt der Film in eine frische Ära, der optischen Progression von Bild und Ton und dem moralisch anklagenden Inhalt von einem Yakuza, der trotz seiner unabdingbaren Loyalität zu seinem Heeren von eben diesem verraten und benutzt wird.
So stark und wichtig die Aussagen des TOKYO DRIFTER sind, weißt er trotz seiner geringen Laufzeit dennoch ab und an Längen auf und Tatsuya Watari besitzt leider nur den Bruchteil der stylischen Eleganz eines Joe Shishido. Gerade wenn man BRANDED TO KILL kennt und das wild ausgeschöpfte Potenzial von Suzuki, darf man vermuten, dass bei diesem Werk immer noch viele konventionelle Fesseln die Kreativität des Regisseurs knebelten. Dennoch wird hier und da kurz sichtbar, welche Inszenierungsklasse Suzuki offeriert, wenn man ihn nur lässt, wie die parlierenden Gangster im jazzigen Swingclub, oder die chaotisch-ironische Kneipenkeilerei gegen Ende haben genauso etwas zu bieten, wie der melodierende Hauptdarsteller auf seiner rastlosen Reise in die Desillusion von Moral und Kodex.
Was ich aber hier auch wieder feststellen musste ist, das ich rbrn ein kleiner s/w-Fetischist bin. So bekam ich in der Anfangsszene eine cineastische Erektion, die sich gewaschen hatte, die dann jäh in sich zusammen sackte, als der Streifen vollends mit Farbe befruchtet wurde.
Ansonsten ist TOKYO DRIFTER für mein dafürhalten leicht überschätztes, doch immer noch sehr solides und ab und an auch visionäres Klassikerkino aus Japan.
https://www.youtube.com/watch?v=PXvGxqX7I84
Ein experimenteller, wie progressiver Torture-Antonioni, der eine abgehalfterte Rotkäppchengeschichte, in ein schwer erträgliches Foltermartyrium laufen lässt und hier wie da die Luft des Genrespezi Koji Wakamatsu inhaliert. Optisch und atmosphärisch nahe am Kunstwerk, ist die Story jedoch eine Totgeburt, die dennoch ihren Grabstein verdient.
Mich wundern ehrlich gesagt die vielen sehr, sehr, sehr schlechten Bewertungen und ich frage mich, was meine gute Bewertung über mich selbst aussagt und ob ich mir da vielleicht doch mal Gedanken machen müsste, ÜBER EUCH!
Alleine visuell, als auch akustisch, haute mich THE BUNNY GAME - von dem ich vorher noch nie etwas mitbekam - mal total aus den Latschen. Unter donnernd-thraschigem Black Metal-Geschrei, stolpert die verlorene und drogenabhängige Monica „Bunny“ Vitti(verstörend gut: Rodleen Getsic), durch das in schwarz-weißer Sonne liegende Los Angeles und verkauft ihren Körper.
Sie wird von Männern vergewaltigt, beklaut, benutzt, weggeworfen und steigt dann beim "bösen Wolf" einem Trucker (leicht erinnernd an Dennis Hopper in BLUE VELVET) ein und erlebt die Hölle auf Erden. Nicht diese Art Hölle, wie sie uns Lucifer Valentine in die Fresse kloppt, in übertrieben-absurden Gore-Szenen. Rehmeier foltert und verletzt vielmehr psychisch als körperlich und kommt dabei in manchen Szenen durchaus einem David Lynch nahe, was die beunruhigende Wirkung des Gesehenen angeht, freilich nicht deren Subtilität wie Geschichtsintelligenz.
Wie auch in Wakamatsus Filmen kann man sich fragen, ob das misogyn ist, was uns dort geboten wird, doch auch in THE BUNNY GAME sind Männer schwache, lustvolle und im Falle des Truckers stets ekelhafte tiertriebige Wesen, mit Schweinsmaske und scheinbarer Impotenz. In seiner gestörten Hilflosigkeit eine Frau nicht sexuell nehmen zu können, verliert er sich in masochistischen Folterungen an ihr. Wen das geil macht, bitte. Bei mir weckte dies durchaus gefühlsstarke Empathie für Bunnys Schicksal.
Wer außergewöhnliches Kino in surrealem Look mag und kein Problem mit Folter und schwachen Storys hat, der sollte sich diesen Streifen nicht entgehen lassen, er ist viel besser, als sein Ruf und meine Vorredner haben alle absolut keine Ahnung, oder haben sich gegenseitig mit ihren Schmäh-Wertungen befruchtet!
Zielstrebig überschätztes White-Trash-Familienschicksal, mit viel Mut zur Länge, aber wenig Bereitschaft, diese bedeutsam und unkonstruiert zu bespielen.
Wenn ich an THE PLACE BEYONDE THE PINES als filmische Kost denke, fällt mir immer irgendwie die Beschreibung "vegan" ein, ist der Tofustreifen doch in hippen Kreisen so gefeiert worden, als berührend-philospohische Parabel über vorgezeichnete Schicksale, denen man nicht entkommen kann. Doch den erhabenen Geschmack guter Cineastenspeisung im Fair Traid Look, sowie den Magen der Erwartungshaltung zu füllen, schafft er schlussendlich nicht.
Zu fade, geschmacksneutral ist die synthetisch zusammengezimmerte Story von verflochtenen Bestimmungen, der eingemeißelten Charakter-Prototypen, die so abgegriffen erscheinen, das selbst U-Bahnhaltegriffe Jungfräulichkeit ausstrahlen.
Lediglich das erste Filmdrittel versprühte wirklich gute organische Substanz, dürfen wir recht authentisch eintauchen in das triste Leben, des ebenso tristbestückten Intellekts von Luke, dem sympathischen König der weißen Unterschicht auf seinem zweirädrigen Thron. Ryan Gosling sitzt diese Krone erstaunlich gut, so tätowiert und blondiert, mit leicht proletarisch-lässiger DER WILDE-Attitüde eines Brando, nur leider ohne dessen Charisma und erotischer Strahlkraft.
Kaum kommt - und nun spoilerisch aufgepasst - Luke jedoch der Story abhanden, fragt man sich als uninformierter Zuschauer: "Huch, der Film geht noch weiter?" Doch auch dieses Spielen mit den Erwartungen fand ich nicht schlecht. Schnell danach hängt THE PLACE BEYOND THE PINES aber mächtig die Zunge raus, denn der reichhaltig mit Talentfreiheit spielende Bradley Cooper, lässt die Spannung merklich absinken. Denn ab diesem Hauptrollenwechsel, verkommt Derek Cianfrances Film zur vollkommen absehbaren Geschichtenattrape, auf deren Lösung man dann Zweidrittel des Films warten kann.
Was bleibt ist ein mittelprächtiger Indiefilm, der vieles richtig, aber auch einiges falsch macht. Er tut keinem weh, man kann ihn ohne weiteres konsumieren, doch wirklich nahrhaft ist er nicht.
Das spanische Anti-Antidepressivum und tränengaswerfende BIUTIFUL ist eine zerschmetternde Sozialstudie, über das röchelnde Vegetieren eines todkranken Familienvaters am Rande der Gesellschaft Barcelonas, fernab von Lionel Messi, Antonio Gaudi oder Enric Bernat.
Stunde null nach dem Zerwürfnis zwischen Iñárritu und seinem brillanten Drehbuchautor Guillermo Arriaga. Wer dachte, nach der ebenso grandiosen, wie viel gefeierten Trilogie AMORES PERROS, 21 GRAMM und BABEL würde auch hier eine narratives Achterbahn der Spannungsbögen warten, wird sicherlich enttäuscht. Denn Iñárritu hat wahrlich nicht die Autorenfinesse seines ehemals so symbiotischen Wegbegleiters. Doch das tut BIUTIFUL in meinen Augen nicht weh, weil sich hier auf das konzentriert wird, was der mexikanische Regisseur am besten kann: authentisches Gefühlskino mit Charaktertiefe.
Mit der Besetzung von Javier Bardem als Uxbal - der mich traurigerweise stark an meinen eigenen Vater erinnerte - atmet BIUTIFUL von der ersten Minute durch jede Pore dieses wunderschön ehrliche Gefühlskino. So hoffnungslos Uxbals Überlebensstreifzug durch den Bodensatz Barcelonas sein mag, spendet die Figur dennoch hin und wieder eine seltsame Art Trost, in ihrem unbändigen Lebenswillen getrieben durch die stärkste aller Antriebsfedern, der Liebe. Doch schlussendlich zeigt Alejandro González Iñárritu immer wieder die Krankheit, an der Uxbal als Einzelschicksal erkrankt, aber auch die sozial-moralische Krankheit, die Ausbeutung von illegalen Einwanderern, welche in westlichen Metropolen zu Tage tritt und unheilbar zu sein scheint.
Was am Ende bleibt, ist viel salzig-feuchtes Nass in meinem Herzen, ob dem letztendlichen Schicksal des Uxbal und seinem Umfeld. Gefühlsmuffel sollten also dringend fern bleiben. Wer aber von emotionalisierte Geschichten aus der Schattenseite des Lebens berührt werden möchte, darf ruhig sitzen bleiben und mitleiden.
https://www.youtube.com/watch?v=Z1g-KX3g3RU
Okamotos legendärer Jidai-geki-Genrebeitrag filmt, in schattierten Bildern, den Weg des lethargischen Rōnin Ryūnosuke Tsukue, in die Verdammnis.
"Das Schwert ist die Seele."
Ryūnosuke ist der wohl beste Schwertkämpfer der Region, nichts und niemand ist ihm gewachsen, eine nüchterne, stumme nicht aufzuhaltende Urgewalt, die sich unaufhaltsam durch das Geschehen schneidet. Doch diese fast übermenschliche Gabe hat einen Preis, denn wie es scheint, verkaufte der junge Samurai seine Seele an seine Schwertkunst. Er ist zur leeren Hülle geworden, ein Getriebener seines bluttrinkenden Schwertes, doch antriebslos im eigenen Geist, ein lebender Toter.
"Ich Ryūnosuke, vertraue einzig meinem Schwert auf dieser Welt."
Die klassische Einer-gegen-Alle-Story ist ein alter Hut, funktioniert hier aber wegen der außergewöhnlichen Präsenz von Tatsuya Nakadai gut, auch wenn THE SWORD OF DOOM eindeutige Längen aufweist. Doch wer bis zum Schluss durchhält, wird mit dem für mich fast besten Schwertkampfmassaker der Leinwandgeschichte belohnt, wo kein Kimono blutfrei bleibt und welcher eindeutig durch Kobayashis Endsequenz in HARAKIRI beeinflusst wurde.
Für jeden Liebhaber des japanischen Schwertfilms ein Pflichtwerk, für konventionelle Zuschauer wahrscheinlich zu langatmig.
(>_◕)Jimis Gitarrensolo, durch die neun Kreise der filmischen Hölle(>_◕)
Zweiter Höllenkreis: die grausam Lüsternen
https://www.youtube.com/watch?v=8vYvzZLRYJQ
Götz George liefert mit seiner denkwürdig monströsen Rolle, des massenmordenden Fritz Haarmann, sicher eine der besten schauspielerischen Leistungen, seit Klaus Kinski, ab und jagt uns das kalte Grausen über den Rücken: deutscher Film in Bestform.
"Haben Sie manchmal auch geweint?" - Ja, wenn sie so schön waren!"
Als ein packendes Verhör-Kammerspiel inszeniert, bietet die faszinierende wie schaurige Geschichte des "Vampir aus Hannover", der nachweislich 24 Jungen, meist während dem Geschlechtsakt die Kehle durch biss und sie anschließend zerstückelte, viel Gruselpotenzial ohne sich daran zu... ergötzen.
DER TOTMACHER zeigt jedoch nicht die abscheulichen Verbrechen, sondern etwas viel brutaleres: den Geist, der diese Verbrechen begehen konnte und seine krankhaft wirkende Sicht auf seine Taten.
"Erzählt was ihr wollt, ich bin anständig!"
George trägt dabei fast vollständig den Film mit seiner kraftvollen Darstellung, die eine schillernde Vielschichtigkeit des Charakters Haarmann lebhaft werden lässt. Zwischen naiv-kindlichem Geist, gaunerhafter Bauernschläue, sentimentalem Gefühlsmenschen, gottesfürchtigem Kaisergetreuen und eben der kaltblütigen Bestie, wechselt er in beeindruckendem Minen- und Sprachstil hin und her und erregt mal tiefe Abscheu, aber auch Mitleid.
Auch Hans-Michael Rehberg als um seine Fassung ringender Kommisar Rätz, sowie der Protokollant dienen uns als Reflektionsfläche für die Ungeheuerlichkeiten, die Haarmann auftischt und komplettieren die starke Darstellerriege.
Wer vom schmalzigen deutschen Film und der immer gleichen Tatort-Langweilerei genug hat und mal wieder echtes deutsches Kino sehen will, der sollte sich DER TOTMACHER nicht entgehen lassen.
Ein hypnotisch-einschüchternder, wie kritisierender Naturtrip durch den aschefarbenen kolumbianischen Urwald, der die traurige Erkenntnis still anprangert, dass imperiale Zivilisation wohl doch nicht mehr ist, als eine Geißel jener Menschheit, die den Bezug zur eigenen ursprünglichen Kultur längst erwürgt hat. Ciro Guerra zeigt einerseits die Sehnsucht des weißen Mannes, eine fremde Kultur zu ergründen, andererseits aber auch dessen klägliches Scheitern darin, welches unabdingbar in den Untergang der für uns minderwertig erscheinenden indigener Kultur führt.
Irgendwo zwischen DEAD MAN und AGUIRRE - DER ZORN GOTTES bewart sich dieser kolumbianische Film dennoch sehr viel Eigenständigkeit, zeigt er doch den Urwald in einer Weise, wie wir ihn noch nie gesehen haben: als wunderschöne, friedliche Naturgewalt, voll greiser Weisheit. Die Gewalt wird wie eh und je vom zivilisierten und aufgeklärten Menschen in die Natur getragen. Dem Mensch der alles wissen möchte, sowie alle wissenschaftlichen und intelektuellen Voraussetzungen dazu hätte und doch seiner Umwelt entkoppelt ist, ihr mit seinem rationalen Denken und effizienten Handeln entgegen steht. So bleibt ihm das, was er am innigsten wünscht, dem durchdringenden und allumfassenden Wissen, letztend Endes verwehrt. Kann er sich doch nicht trennen vom angehäuften materiellen Besitz, seiner lebensnotwenigen Ausrüstung, seinen Beweismitteln, um später in seiner Welt eine möglichst urkundlich belegte Quittung dafür zu haben, was er in der fremden Welt sah. Denn ohne Zeichnung, ohne Fotografie, hätte der Moment für den zivilisierten Menschen keine Bedeutung, als wäre er nie Existenz gewesen, sondern nur romantische Erinnerungen seines Geistes, der allen akademischen Vergleichen erliegen würde.
Und genau dies ist wohl auch die Quintessenz, dessen, was DER SCHAMANE UND DIE SCHLANGE uns in den über zwei Stunden mit auf den Weg geben möchte, die kritische Reflexion und Hinterfragung dessen, was wir als erstrebsames Ziel erachten: der Wachstum und die Entwicklung um jeden Preis und das Vergessen der eigenen Kultur, sowie die darauf basierende Abwertung anderer vor allem indigener Völker Kultur.
Das alles gefilmt in authentischen Naturaufnahmen, wirkt enorm bildgewaltig und ausdrucksstark, man wird mitgerissen auf dieses Abenteuer und will eigentlich nicht mehr so recht losgelassen werden. Somit ist Guerras Werk ein absoluter Geheimtipp dieses Jahren, den man wenn möglich auf großer Leinwand gesehen haben sollte.
TREE OF LIFE in gut und seine wesentlichen, sowie aussagekräftigen Merkmale komprimiert, ohne Eso-Ejakulationen, sondern nur seriöser Kunstbesamung.
Zimmer komplett abgedunkelt, alles versinkt in farbloser Schwärze, los gehts. Ein flackerndes und in allen Farben zerberstendes Supernova-Feuerwerk ergießt sich über die Netzhaut des Betrachters. Man fliegt durch die zertrümmerte Zeit in die Endlosigkeit des geschüttelten und durchlöcherten Faber-Castell-Spektrumsuniversums.
Wirklich starkes Spätwerk vom Altmeister, was in längerer Ausfühung sicher noch sogartiger wirkt.
#14 der Amos-Vogel-Reihe: Film als subversive Kunst
Einer der wenigen Kurzfilme von Stan Brakhage, die fast ohne expressionistische Bildkompositionen auskommt, sondern eine Person ins Zentrum der "Handlung" stellt.
Grobkörnige s/w-Aufnahmen flimmern uns gewohnt stumm nach Brakhage-Art entgegen. Ein Mann durchwandert mit uns verschiedene Naturkulissen, welchelt Kostüm, als auch Maske und redet auf uns ein, doch wir bleiben taub.
Zumindest der Buzug von Akteur zu seinem Medium, sowie zu den Medienkonsumenten, also uns Zuschauern ist interessant. Denn er dekonstruiert sich, reißt seine Maskarade, seine Bart herunter und tritt schussendlich sogar aus seinem Medium heraus und wird zur unmittelbaren, menschlichen Leinwand, auf welcher sein Film abläuft.
Für mich, ob der fehlenden Farbenspiele eines seiner schwächeren Werkbeiträge.
https://www.youtube.com/watch?v=Int_uIBAk-s
"Letzte Nacht hab ich geträumt, ein entzückender junger Mann hätte mir einen Kandiszucker angeboten, aber er war so groß, dass ich Mühe hatte, ihn mir in den Mund zu stopfen und zu lutschen.“
Sonnenbrand entflammte deutsche Männerhaut, löscht ihren Herzschmerz in den Armen und zwischen den Beinen des schockfarbenen thailändischen Vergnügungsfleisches in flauschiger Rezeptions-Jazz-Musik-Atmo. Ja, wir haben es hier mit einem echten Fremdschäm-Endgegner der 70er zu tun: deutschem Sexploitationkino aus der Feder Erwin Dietrichs, neben welchem selbst ein Uwe Boll die Stufe von Truffaut, Malle oder Godard erklimmen kann.
Zwischen purer Scham, der durchaus unterhaltsamen Belustigung und einer wirklich schrägen Faszination, für den ehrlichen Dilettantismus, chargiert dieses schmuddelige Bahnhofsfilmchen und könnte hier und da sogar als radikale Anprangerung des Sextourismus entführt werden.
In übelster Synchro, samt bayerischer, berlinerischer, schwäbischer Mundart, schickt Dietricht einen Kegelverein auf die Bier- und Bumstour nach Thailand, wo in guter alter Junggesellenmanier die Kalauer-Parade abmarschiert wird und zwischen drin ein wenig Softporn die niedersten Regungen wach halten sollen.
Ich denke, nach dem Film ist klar, warum Deutschland zurecht zwei Weltkriege verloren hat, allein die wirkliche Strafe fehlte bisher. HEIßER SEX IN BANGKOK kann getrost neben den Nürnberger Prozessen als schmerzhafte, aber wichtige Strafe für deutsches Kino bewertet werden, oder eben nur als fröhlicher Trash.