LuAnne - Kommentare

Alle Kommentare von LuAnne

  • 9

    Hätte Dante Alghieri sich in seiner "Göttlichen Komödie" nicht nur den drei Bereichen des Jenseits - Hölle, Fegefeuer, Paradies - gewidmet, sondern hätte mit seiner poetischen Feder ebenfalls das Diesseits erkundet, so wäre wohl höchstwahrscheinlich ein Werk der berührenden Menschlichkeit und komplexen Klarheit eines "Nebraska" dabei herausgekommen.
    Denn um aus einer auf den ersten Blick ziemlich banalen Geschichte, die sich in einem Satz - "Alter Mann bricht von Billings, Montana auf nach Lincoln, Nebraska, um einen vermeintlichen Millionengewinn einzulösen" - zusammenfassen lässt, das zu machen, was man dann letzlich erwartet, bedarf es schon so etwas wie einer "göttlichen" Inspiration. Es wurde in meinen Augen ein sehr tiefgründiges und bewegendes Roadmovie, wie man es so lange und (leider) sobald wohl kaum wieder sehen wird. Denn Alexander Payne ist mit seiner zwölften Regiearbeit meiner Ansicht nach zweifelsohne ein Meisterwerk gelungen, dessen Grautöne die Farben, Nuancen und Schattierungen der menschlichen Existenz bestens wiedergeben. Die Weite der Felder des Midwest und des Mount Rushmore sind seit Hitchcocks "North by Northwest" nicht mehr so wirkungsvoll gefilmt worden.
    Dabei kann man "Nebraska" als sozialkritisches Werk über die Mittelschicht des Midwest, das Verpuffen des amerikanischen Traumes, die Unausweichlichkeit des Altwerdens oder tieftraurige Familienchronik deuten.

    Nach dem bittersüß(lich)en Familiendrama vor idyllischer Hawaii-Kulisse "The Descendants" wendet sich Payne bereits zum wiederholten Mal: Nach "About Schmidt" in dem er schon Jack Nicholson eine Paraderolle um die Thematik des Älterwerdens vor Roadmovie-Hintergrund bot, kehrt er erneut zu diesen Zutaten zurück und macht jedoch etwas ganz Spannend-Anderes daraus.
    Es sind vor allem die punktgenauen und zuweilen wundervoll abgehobenen, gar absurden Dialoge die den Figuren Relief und Menschlichkeit verleihen. Auch wenn man weder in der Trostlosigkeit des amerikanischen Midwest beheimatet ist, noch kleinkriminelle Cousins hat, fühlt man sich diesen Grants, ihren Problemen, Sorgen und Träumen nicht fremd.

    Und dass Kameramann Phedon Papamicheal ursprünglich aus dem Fotojournalismus stammt, ist nicht nur an seinem poetischen Realismus zu erkennen, der zwar nicht mit der starken Kontrastgebung der alten Schwarz-Weiß-Filme aufwartet, hierfür aber harmonisch wirkungsvoll die Grau-Nuancen vertieft.

    Ein einfühlsamer, wundervoll trauriger und gleichzeitig von einem leuchtenden Humor beseelter Film über das Leben, Lieben und Leiden.

    1
    • 6
      über Her

      Der Computer oder Roboter, der menschliche Regungen empfindet, gehört seit Jahrzehnten zum Arsenal der Science-Fiction. Mal Prometheus, mal Pygmalion, zeigt sich der Mensch darin den Geistern, die er rief, nur unzureichend gewachsen. Im Grunde geht es dabei um die Frage, was das Menschsein denn nun eigentlich fundamental vom Maschinensein unterscheidet, und ob Gott nicht genauso an uns versagt hat wie wir an den Bewusstsein entwickelnden elektronischen Schaltkreisen.

      Der Entwicklung auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz folgend, zeigt Spike Jonzes "Her" keine blinkenden Lämpchen und Oszillographenkurven. Jenseits der Genremerkmale des Science-Fiction-Films geht es ihm eher darum, eine (wenn auch im Endeffekt leider konventionelle) Romanze im technologischen Zeitalter zu erzählen.

      "Her" ist gar weniger eine skurrile Komödie über ein zum Leben erwecktes Sprachprogramm als eine Reflexion über das Abwandern von Beziehungen in virtuelle Räume. Regisseur Spike Jonze treibt diese Entwicklung in seinem Film mit fast schon erschreckender Glaubwürdigkeit auf die Spitze. Er erzählt von der Beziehung zwischen Mensch und Maschine als wäre es das normalste der Welt. Dass dies gelingt, hat viel mit der großartigen Leistung von Scarlett Johansson zu tun, die allein durch ihre Stimme zur vollwertigen Protagonistin wird. Und von der wunderbar komponierten, lichtdurchfluteten Bildgestaltung her ist "Her" wahrlich ein Augenschmaus. Leider zieht sich die Liebesgeschichte am Ende ziemlich zäh dahin und von der anfänglichen Emotionalität und der Sympathie für den phlegmatischen Liebeskranken Theodore bleibt nicht mehr viel übrig.

      Es ist nun einfach sehr schade, der Stoff hätte nämlich soviel mehr hergegeben. Als Satire auf unser von Computern und sozialen Medien dominiertes Zeitalter greift er in meinen Augen jedenfalls zu kurz, als Reflexion über das seltsame Gefühl, das Menschen Liebe nennen, bleibt er zu unverbindlich. Und für ein romantisches Drama, das die Empathie des Zuschauers weckt, sind die gezeigten Emotionen dann letzten Endes doch zu flach.

      2
      • 5

        Keine Ecken, keine Kanten, keine Reibungsflächen – so würde ich letzlich die Verfilmung von Marcus Zusaks Bestseller zusammenfassen: "The Book Thief" ist eher gefälliges Kino, in der Linie eines "The Boy with the Striped Pyjamas" von Mark Herman, bei dem handwerkliches Können den Mangel an Wagemut und Inspiration so weit aufzuwiegen vermochte, dass ich, wenn schon nicht wirklich begeistert, zumindest auch nicht gänzlich enttäuscht den Saal verlassen habe.

        Dabei scheitert der Film vornehmlich daran, eine Antwort auf die grundlegende Problematik der Verfilmung von Bestsellern zu finden. Denn, um ein unabhängig vom Roman existierendes und somit gerechtfertigtes Werk zu sein, dafür mutet er sich nicht genügend zu, aus der literarischen Vorgabe eine eigene Welt zu schaffen, und, um als ein ebenbürtiger, visueller Widerhall zu gelten, dafür ist er zu konventionell und weit entfernt vom fesselnden Ton des Buches.

        Regisseur Percival geht in seiner Umsetzung zu sehr auf Nummer sicher und liefert einen Film klassischer Faktur ab. Dass er dabei nicht zögert, "ad nauseam" benutzte Klischees – arische Blondschopfdarsteller, der lodernde Haufen brennender Bücher, der unvermeidbare bellende Schäferhund, Juden, die mit Koffern in der Hand durch die Straße ziehen – aufzutischen, wird nur – und zum Glück – durch die Handwerklichkeit der visuellen Erzählung aufgewogen.

        Leider kommt der überaus stimmigen Arbeit von Kameramann Florian Ballhaus und Cutter John Wilson jedoch John Williams' allzu nachdrückliche Musik in die Quere, und statt Emotionen zu beflügeln, tötet sie sie meiner Meinung nach sogar zuweilen ab.

        Erschwerend hinzu kommt, dass die deutsch-amerikanische Koproduktion sich auch nicht wirklich entscheiden kann, ob sie sich vornehmlich an ein Jugendlichen- oder doch an ein Erwachsenen-Publikum richten will, wodurch am Ende ein abgefeilter Mischmasch herauskommt, der die Erwartungen beider Altersgruppen nicht wirklich zu erfüllen vermag.

        In der schlüssigen Besetzung, allen voran Geoffrey Rush und Emily Watson als Hans und Rosa Hubermann, gebührt allerdings ein besonderes Lob den beiden jungen Darstellern Sophie Nélisse und Nico Liersch, die stimmig Liesel und deren Freund Rudy geben.

        Summa summarum, ein leider viel zu konventionell geratener, aber durchaus stimmiger Film, den man aus meiner Sicht sich am besten generationenübergreifend im Familienkreis ansehen sollte.

        2
        • 8

          Am besten umschreiben kann man Wes Andersons Filme wohl mit der englischen Redewendung: "Once you have seen one, you’ve seen them all." Meist würde man diesen Ausdruck in Zusammenhang mit wenig Erbaulichem, wenig Kreativem in Zusammenhang bringen. Bei Wes Anderson ist aber genau das Gegenteil der Fall. Gerade weil man dann weiß, was auf einen zukommt, ist die Vorfreude umso grösser. Auch bei "The Grand Budapest Hotel" bleibt er seinem Stil treu und erfüllt demgemäß mühelos die Erwartungen seiner Fans, die sich über komplexe Kamerafahrten, ungewöhnliche Reißschwenks sowie den Einsatz von Miniaturmodellen freuten. Aber nicht nur visuell, sondern auch inhaltlich weicht Anderson kaum von seinem bislang beschrittenen Weg ab. Wer also mit seinen vorherigen Filmen und dem eigenartigen Regie-Stil nie wirklich warm werden konnte, wird sich wohl auch mit seinem nächsten Opus schwer tun.

          So finden sich demnach alle typischen Zutaten, die diesen Autor auszeichnen, auch hier wieder: eine bunte Palette von liebenswert-skurrilen Charakteren, die irgendwie aus Lewis Carrolls Wunderland, einem Kunst- oder Filmgeschichtsbuch entwischt sind und die an einem nicht minder eigenartigen Ort zusammenfinden. Sie alle sind Teil einer großen dysfunktionalen Familie, wobei jeder Einzelne den Titel des seltsamsten Familienmitglieds für sich beanspruchen könnte.

          Anderson hat seiner Geschichte aber diesmal den Stefan-Zweig-Stempel aufgedrückt. Das Werk des österreichischen Schriftstellers jüdischer Abstammung, der 1942 im brasilianischen Exil den Freitod wählte, assoziiert man gemeinhin mit Tragik und Melancholie. Diese beiden Elemente finden sich dann auch in Andersons "Budapest Hotel", allerdings in wesentlicher abgeschwächter Form. Das Drama wird mit Komödie kombiniert und die Melancholie mit Nostalgie gepaart. Heraus gekommen ist ein durchaus nachdenklicher, aber auch humorvoller Film, eine Hommage an eine längst vergangene Zeit.

          Ich persönlich konnte mich der kindlich-frohlockenden Freude in Andersons neues farbenprächtiges Puppenhaus hineinzublicken, letztlich nicht mehr entziehen. Vor allem, wenn der Regisseur dessen Wänden einreisst und das Publikum in eine wundersame kleine Welt eintauchen lässt, in der verschneite Berge mal pittoresker Hintergrund, dann wiederum Schauplatz einer wilden Verfolgungsjagd sind.

          Grandios, furios und einfach nur wundervoll durchgeknallt.

          2
          • 7 .5

            Barney Panofsky ist ein Zyniker, wie er im Buche steht – nichts scheint ihn zu erschüttern. Im Gegenteil, bei jedem Schicksalschlag, besonders in Sachen Liebe, verpackt er seine Gefühle einfach noch tiefer unter einen Mantel voll politisch unkorrekter Bemerkungen. Nur gegenüber seinen Kunstfreunden und seinem Vater benimmt er sich äusserst loyal, bis zum Tag seiner 2. Hochzeit. Da begegnet er Miriam, in die er sich verliebt. Er setzt sich zum Ziel, sie, koste es was wolle, zu erobern.

            Der Film ist nun wirklich nicht leicht in eine bestimmte Kategorie einzusetzen, doch er schafft einen herrlich anzusehenden Spagat zwischen Drama, Liebeskomödie und sogar einem sehr leichtem Ansatz eines Thrillers.

            Wie Regisseur Richard J. Lewis es schafft sein Plädoyer für an Alzheimer erkrankte Menschen in die Geschichte einzuflechten, ist ebenfalls eine Kunst für sich. Zudem trägt das überzeugende Schauspiel von Paul Giamatti und Rosamund Pike in den Hauptrollen seinen Teil zu einem angenehmen stimmigen Werk bei.

            • 3 .5

              Hatten die beiden ersten Teile eigentlich verlauten lassen, dass Filme, die an kräftig begossenen Abenden unter Kumpels aus einer durch Bierseligkeit befeuerten Fantasie entstehen, durchaus etwas Erfrischendes haben können, so erweisen sich nicht alle von Pints genährten Ideen als standfest. Wer weiß, vielleicht hätten Edgar Wright und Simon Pegg aber auch das eine oder andere zusätzliche Ale trinken sollen, bevor sie ihr drittes gemeinsames Drehbuch filmisch umsetzten. Denn entgegen der beiden ersten Zusammenarbeiten fehlt es "The World’s End" in meinen Augen nicht nur an der gewinnenden Leichtigkeit einer Filmcrew, die Spass daran hat ihr gemeinsames Delirium auszuleben, sondern vor allem an den notwendigen witzigen Einfällen, um dies dann am Ende interessant umzusetzen.

              Ungleich und demzufolge zerhackt präsentiert sich der Rhythmus des Films, und leider reichen die einigen – allzu wenigen – witzigen Momente , die kleinen filmischen Referenzen - wie das Nachstellen einer Prügelszene von John Cleese aus "Fawlty Towers" oder das Einspielen eines Peter Fonda Dialogs aus Roger Cormans "The Wild Angels" – und selbst der eigentlich geschickte Humoransatz eines gesellschaftskritisch anmutenden Diskurs über das "Starbucking" der heutigen Welt nicht aus, um die durchgehende Ungleichheit des irgendwie an einen Carpenter Verschnitt anmutenden Opus aufzuwiegen.

              Selbst die Besetzung, allen voran Simon Pegg, scheint einerseits nicht wirklich an das zu glauben, was sie da gerade verkörpern soll, und andererseits auch nicht wirklich Freude daran zu verspüren, mal so richtig in einer hanebüchenen Geschichte (was ja eigentlich das As im Ärmel hätte sein können) auf die Pauke zu hauen.

              Schade, um die verpasste Gelegenheit der ansonsten sympathischen Trilogie noch mal einen richtigen Höhepunkt zu bescheren.

              • 8

                In der Silvesternacht 2008 wurde der vorbestrafte Kleinkriminelle Oscar Grant von einem Polizisten in der "Fruitvale"-Bahnstation erschossen. Eine Kurznachricht wie eine andere, vor allem in einem Land wie den Vereinigten Staaten – könnte man meinen: Hätten nicht die Linsen mehrerer Handys festgehalten, dass dem 22-Jährigen, ohne jeglichen Grund, in den Rücken geschossen wurde.

                Und so löste eine traurig-banale Lokalnachricht dadurch nicht nur einen Sturm der Entrüstung aus, sondern lieferte den Stoff für einen beim letzten Sundance-Filmfestival von Jury und Publikum gleichermaßen geschätzten und ausgezeichneten Film.

                Der Film präsentiert ein wenngleich von einer (verständlicherweise) wohlwollenden Perspektive ausgehendes, doch realistisch anmutendes und zugleich – an einigen Stellen etwas dick aufgetragenes – menschliches Bild eines bis in sein Fundament erschütterten Amerikas, das von Armut gezeichnet, Angst regiert und – auch staatlicher – Gewalt geprägt ist.

                Meisterlich gelingt es dem Regisseur den Spannungsbogen über die 85 Minuten nicht allein zu halten, sondern zudem zu steigern. Denn verrät die Eröffnungssequenz gleich, auf welch dramatischen Höhepunkt die Handlung hinausläuft, erscheint der Gang dorthin dennoch wie der unausweichliche und das Gefühl der Zeit irgendwie aufhebende Weg des zum Tode Verurteilten zum Schafott.

                Je normaler und alltäglicher auch die gezeigten Szenen sind – die Tochter zur Schule bringen, eine Geburtstagskarte für die Mutter besorgen, den Zug dem Auto vorziehen, um ungehindert "abfeiern" zu können, – umso tragischer muten sie auf der Leinwand an. Dabei pflegt die Kameraführung von Rachel Morrison überaus gekonnt (wirkungsvolle Handkamera!) einen dokumentarisch ausgerichteten Ansatz.

                Im selben, so lebensnah wie möglich gehaltenen Ausgangspunkt bestechen die Schauspieler, allen voran Michael B. Jordan als Oscar Grant und die "The Help"-Oscar-Preisträgerin Octavia Spencer als seine Mutter Wanda, durch ihre Natürlichkeit und bedienen die bewusst gewöhnlich gehaltenen Dialoge sehr überzeugend.

                Auch wenn die gesellschaftliche Situation, um nicht von Zuständen zu sprechen, im guten, alten Europa (noch) meilenweit von der des vom berüchtigten "Second Amendment", dem Zweiten Zusatzartikel zur US-Verfassung bezüglich des Waffenbesitzes, geprägten USA ist, dürfte "Fruitvale Station" eine doppelt pädagogische Mission erfüllen.

                Schließlich lernt der Zuschauer hier die recht unbequeme und aufrüttelnde Lektion, dass der Preis für ein (schwarzes) Menschenleben eine Haftstrafe von zwei Jahren und nur reell abgesessene elf Monate Gefängnis ist.

                Ein filmisch beachtlich gemeistertes und gesellschaftskritisch relevantes Regiedebüt, das man sich definitiv ansehen sollte. Auch wenn es mit dem zivil-couragierten Eingreifen meist noch hapert, sollte zumindest das Nicht-Wegschauen elementare Bürgerpflicht sein.

                2
                • Schöne und sympathische Idee!

                  Top 5 Filme:

                  1. GoodFellas
                  2. Taxi Driver
                  3. Once Upon a Time in America
                  4. Casino
                  5. Cape Fear

                  Top 5 Rollen:

                  1. Taxi Driver
                  2. Raging Bull
                  3. The King of Comedy
                  4. The Deer Hunter
                  5. The Godfather: Part II

                  1
                  • 6 .5

                    Auf den ersten Blick – und vorweg einmal abgesehen von der hochkarätigen Besetzung – liest sich die Handlung von "The Counselor" für mich wie die eines x-beliebigen, doch recht uninteressanten Hollywood-Drogen-Thrillers – wäre da nicht, in den Kulissen des Films, die Zusammenkunft zweier wahrer Riesen des Films und der Literatur – Ridley Scott und Cormac McCarthy, die für Regie bzw. Drehbuch verantwortlich zeichnen.
                    Dass sich der Pulitzer-Preisträger höchstpersönlich erstmals ans Schreiben für die Leinwand wagt, dürfte die Spannung auf das Werk gehörig befeuert haben. Und das Resultat entspricht – was Form und Inhalt, kurz Anspruch und Qualität anbelangt – durchaus meine Erwartungen.

                    McCarthy zeichnet hier seine Figuren durch Dialoge, die ähnlich einem Diamanten gleich meisterlich geschliffen und facettenreich sind, aber genauso wie der Begehrenswerteste aller Edelsteine eine Perfektion zutage legen, die irgendwie undurchdringlich und somit eben auch theatralisch-kühl wirkt. Es war demnach zwar eine sprachlich-intellektuelle Freude, ihnen zu lauschen, nachempfindbare Empathie für die Figuren lösen sie indes nicht aus.

                    Regisseur Scott, der nach Filmen wie "Alien", "Blade Runner" oder zuletzt "Prometheus" zweifelsohne keiner Vorstellung bedarf, zeigt aus meiner Sicht seine Größe, indem er genau bei den Dialogszenen, dem Text und dem diesen überaus schlüssig bedienenden Schauspielerreigen den Vortritt überlässt. Seinen Nahaufnahmen der Gesichter, die zu Seelenlandschaften werden, gibt er derweil durch seine anderweitig bildgewaltige Erzählweise einen Handlungsrahmen, für dessen Wirkungskraft maßgeblich Scotts langjähriger und wiederholter Cutter Pietro Scalia und Dariusz Wolski hinter der Kamera verantwortlich sind.

                    Zusammengenommen liegen die Stärken des Films also klar in den Charakteren, die keine Identifikationsmöglichkeiten bieten und deren skrupellose Gier nach Reichtum kein Mitgefühl auslöst. Der erkleckliche Fall der Titelfigur vom paradiesisch wirkenden Hotelbett im Prolog bis in die tiefsten Abgründe der Gesellschaft im Epilog hat Ridley Scott bildsprachlich adäquat umgesetzt, auch wenn diverse längere Dialogpassagen viel Aufmerksamkeit verlangen und den Geduldsfaden einiger Zuschauer verständlicherweise etwas überstrapazieren können.
                    In Sachen Gewalt geht es dagegen kompromisslos, brutal und zynisch zu. Szenen, die durchaus selbst für ein kinoerprobtes Publikum nur schwer erträglich waren.

                    "The Counselor" ist ein inhaltlich zwar sehr vorhersehbares und sperrig erzähltes Drama geworden (wo ich tatsächlich einige Zeit benötigte, um hineinzufinden), das aber letzlich in meinen Augen dennoch eindrucksvoll unterstreicht, dass ein Menschenleben in der Drogen- und Mafiaszene absolut nichts wert ist.

                    3
                    • 8 .5

                      Llewyn Davis ist ein Verlierer, wie er im Buche steht. Sein Leben ist die Folkmusik, doch der große Durchbruch will ihm nicht gelingen. So tingelt er durch die Clubs von Greenwich Village, die Gitarre in der Hand, seine Balladen auf den Lippen, und erntet höflichen, aber spärlichen Applaus. Das Jahr ist 1961, der Ort New York. Es ist die Übergangszeit zwischen Beatniks und dem gesellschaftlichen - und musikalischen - Umbruch der 60er Jahre, die den Hintergrund für den neuen Film der Gebrüder Ethan und Joel Coen liefert.
                      Mit dem wunderbar gefilmten und beeindruckend gut geschriebenen "Inside Llewyn Davis", das dabei sehr melancholische und schräg-humorvolle Töne anschlägt, beweisen die Brüder wieder einmal, dass sie auf kein Genre festlegbar sind, sondern betreten erneut völlig neues Terrain.

                      Die Farben sind gesättigt, und langsame Kamerafahrten erzeugen eine ganz eigene, ruhige Stimmung, die gleichzeitig bestens zur melancholischen Grundstimmung des Protagonisten passt: Llewyn Davis lässt sich ohne festen Wohnsitz und Fixpunkt durchs Leben treiben, hofft auf immer neue Chancen zum Erfolg und scheitert doch jedes Mal. Dabei gelingt es den Coen-Brüdern allerdings, dem Werk trotz aller Tragik den für sie berühmten lakonischen Humor zu bewahren. In Details und einzelnen Bildern erkennen sie das Absurde und Skurrile und bringen die Zuschauer damit immer wieder zum Lachen.

                      In der Hauptrolle glänzt Oscar Isaac schauspielerisch wie musikalisch – Llewyn Davis, so scheint es, ist ein Mensch, der sich nur durch seine Musik vermitteln kann, im wirklichen Leben aber völlig versagt. Isaac weiss ihm die richtige Mischung aus Teilnahmslosigkeit und Melancholie zu verleihen, die der Figur ihren eigenartigen Loser-Charme gibt. Doch auch Erfolgsmusiker Justin Timberlake und Schauspielerin Carey Mulligan können mit ihren kleineren Parts durchaus Akzente setzen.

                      Die Coens inszenieren dieses Stück Musikervita erstaunlich geradlinig und ernsthaft. Nur die leeren Landschaften des Midwest, die Llewyn in beide Richtungen durchquert, erinnern auf Anhieb an das Setting früherer Filme. Kameramann Bruno Delbonnel hat sie in Farben eingefangen, die an die im Film zu sehenden LP-Cover anknüpfen. Der Titel einer dieser Platten lautet wie jener des Films "Inside Llewyn Davis". In erster Linie ist er wohl ironisch zu verstehen: Wie es wirklich in Llewyn aussieht, weiß der Zuschauer am Ende genauso wenig wie der Betroffene selbst.

                      3
                      • 8
                        über Gravity

                        Fast wäre es Alfonso Cuarón geglückt, aus seinem filmischen "tour de force" einen, zumindest in meinen Augen, weiteren Meilenstein der Filmgeschichte zu machen. Doch dann kamen ihm leider überflüssige, nahe an der Pathos-Schmerzensgrenze gelagerte Musikeinsätze, eine Actionszene zu viel und ein Schluss, den er sich lieber hätte sparen sollen, in den Weg. Dennoch ist ihm sein Experiment durchaus gelungen – und sei es wegen der Möglichkeiten, die es vielleicht anderen Filmemachern aufzeigt.

                        Was Cuarón aus der gemeinsam mit Sohnemann Jonás – dessen Literaturstudium im Spannungsbogen der Geschichte, trotz einer schleichenden Action-"Machtübernahme", spürbar ist – entwickelten Idee macht, ist ein Lehrstück in Sachen Film:

                        Selten wird nämlich das Vokabular der Filmsprache so akribisch und wirkungsvoll auf der Leinwand durchexerziert. Dabei erweist sich der Filmemacher teuflisch wirksam in seiner Verschmelzung von Bild (bis auf ein paar allzu metaphorische Ausrutscher, wie die klassische Fötalposition) und Ton – der hier zu Beginn überaus wirkungsvoll eingesetzt wird (der hämmernde Herzschlag steigert unweigerlich auch den Puls des Zuschauers!), später jedoch leider einer immer präsenter werdenden und allzu emphatischen Musik zum Opfer fällt.

                        Auch überaus selten seit Daves' "Dark Passage" und vor allem Robert Montgomerys "Lady in the Lake" wurde subjektive Kameraeinstellung meiner Meinung nach so wirkungsvoll – und beklemmend! – eingesetzt wie hier, wo Bullocks Panik den Zuschauer mit buchstäblichen 4G körperlich nahezu schmerzhaft intensiv in den Kinosessel presst.

                        Visuell ist "Gravity" nun wahrlich atemberaubend – und zwar nicht nur weil er sich im luftleeren Raum und den unendlichen Weiten des Weltraums abspielt. Die Umsetzung hilft zuweilen über die etwas konventionell daherkommende Geschichte (Überlebenswille, der im Angesicht des Todes wieder aufflackert, altruistisches Heldentum) hinweg, die eine gehörige Portion willentlicher Aussetzung der Ungläubigkeit vom Zuschauer einfordert.

                        Schauspielerisches Können beweisen Bullock und Clooney mehr noch als durch ihre darstellerischen Fähigkeiten, durch eine beeindruckende Beherrschtheit ihrer Stimme und Atmung.

                        Es ist letztlich diese Akribie, die gelungene Mischung und die recht spektakuläre Optik, die "Gravity" zu einem durchaus faszinierenden und packenden Film gemacht hat, den man aber vor allem im Kino auf einer großen Leinwand genießen sollte.

                        3
                        • 6

                          In Sam Garbarskis neuer Komödie "Vijay and I" spielt Moritz Bleibtreu den frustrierten Schauspieler Will, der die Chance bekommt sein Leben neu zu erfinden, als er versehentlich als tot erklärt wird. Anstatt das Missverständnis aufzuklären, verkleidet er sich als Wills angeblich lang verschollenen Freund Vijay aus Indien und sucht seine Familie heim.

                          So nimmt die Farce ihren Lauf. Doch nicht nur Wills Ehefrau Julia verfällt dem charmanten Inder. Während Will nach und nach einige unbequeme Wahrheiten über sich selbst entdeckt, findet auch er sein Dasein als Vijay immer sympathischer. Man kann es ihm auch nicht übel nehmen, scheint Will doch auf den ersten Blick liebenswürdig, dann aber eher egozentrisch, leicht cholerisch und nicht zuletzt etwas kindisch. Vijay ist die Rolle seines Lebens, die letzteres gehörig aufmischt.

                          Es ist kein Zufall, dass der Protagonist in der Samsa-Film-Koproduktion Wilhelm "Will" Wilder heißt. Der Film ist nämlich eine kleine Hommage an die Komödien der 50er- und 60er-Jahre im Stil Billy Wilders, inklusive Verwechslungen und Verkleidungen. Ein stiller Humor zieht sich hier durch den Film, wie man ihn in den Blockbusterkomödien seit "The Hangover" wohl nicht mehr so schnell findet. Etwas kurios und drollig kommt Will als Vijay daher ohne aber als zu lächerlich zu wirken.

                          Man muss sich als Zuschauer dennoch auf die Geschichte einlassen können, die sich auf der Leinwand entfaltet, da sie manchmal doch kräftig an den Haaren herbeigezogen scheint. Ebenso wie man es beispielsweise Marilyn Monroe in "Some Like It Hot" abkaufen muss, dass sie die als Frauen verkleideten Jack Lemmon und Tony Curtis nicht entlarvt, so muss man hier auch akzeptieren, dass Will seine Freunde und Familie länger an der Nase herumführt, als man es für möglich hält.

                          Und wo man bei den übertriebensten Hollywoodstreifen die unglaublichsten Szenarien hinnimmt, ist das in dieser kleinen Komödie nicht immer einfach, gerade weil sie sich, durch ihr unscheinbares Setting und Figuren die aus dem Leben gegriffen sind, auf der Schwelle zur Wirklichkeit bewegt.

                          Trotz seiner charmanten Art hat das Drehbuch des Films viele kleine Schwächen, nicht zuletzt weil Will als Will auch nach seinem Tod durch die Straßen New Yorks schlendert, scheinbar ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass er eigentlich tot sein sollte. Die Teenager-Tochter Lily fristet ein Dasein zwischen Nebendarsteller und Statist und manchmal fragt man sich, warum sie überhaupt da ist. Dann wären da noch Wills Agent, seine Eltern, Julias Eltern, eine ehemalige Geliebte und Kollegen, die in der Peripherie herumschwirren ohne auch überhaupt einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
                          Highlight unter den Nebendarstellern sind Wills Frau Julia, überzeugend gespielt von Patricia Arquette, und Wills bester Freund und Komplize Rad, der ihm bei seiner Verwandlung hilft.

                          "Vijay and I" ist ein Film, wie man ihn heute nicht mehr oft zu sehen bekommt, und wenn man über die doch etwas große Anzahl an kleineren Mängeln hinwegsehen kann, bietet sich ein durchaus kurzweiliges und charmant-amüsantes Vergnügen mit einem Hauch Nostalgie für das goldene Zeitalter Hollywoods.

                          2
                          • 6

                            Schon bevor Lee Daniels' Film "The Butler" in die amerikanischen Kinos kam, wurde der Streifen zum Oscarfavoriten 2014 auserkoren. Mit seiner Mischung aus Politik- und Familiendrama hat sich Daniels aber auch viel für seinen zweistündigen Film vorgenommen - zuviel in meinen Augen, so könnte hier das Sprichwort "Weniger ist mehr" am Ende nicht zutreffender sein:

                            "The Butler" basiert auf der wahren Geschichte des Eugene Allen, der 34 Jahre lang unter acht Präsidenten im Weißen Haus diente; im Film wird er in der Figur des Cecil Gaines verkörpert. Forest Whitaker spielt Cecil, der in sklavenähnlichen Verhältnissen auf einer Baumwollplantage in den Südstaaten aufwächst und sich mit Fleiß und Beständigkeit bis zum Weißen Haus hocharbeitet.

                            Doch "The Butler" ist keine einfache Filmbiographie, sondern auch eine Chronologie der Bürgerrechtsbewegung, von einer Zeit, in der Afroamerikaner als Untermenschen behandelt wurden, bis zur Wahl Barack Obamas, des Hoffnungsträgers ganzer Generationen. Whitaker spielt dabei eher den schweigsamen Beobachter, der mit einem "Yes, Mr. President" Kaffee, Tee und Schnittchen serviert, während sieben Präsidenten im Zehn-Minuten-Takt im Weißen Haus ein- und wieder ausziehen.

                            So ist es eigentlich Cecils Sohn Louis, der die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung erzählt. Louis mausert sich vom "Freedom Rider" zum "Black Panther", der seinen Vater und dessen Dienstbotendasein verachtet. In seiner Darstellung des Konflikts zwischen Vater und Sohn, einem, der gelernt hat zu dienen, und dem, der alles ändern will, kann Daniels punkten.
                            Es sind die Szenen zwischen Whitaker und David Oyelowo, die dem Film eine menschliche und emotional ausgereifte Dimension verleihen, wo er an anderen Stellen wiederum eher platt daherkommt. In knapp über zwei Stunden Geschichtsunterricht bleibt allerdings auch nicht viel Zeit, sich mit 82 Jahren Geschichte intensiv auseinanderzusetzen. Eine Prise Marsch auf Washington hier, etwas Vietnamkrieg da und zum Schluss noch ein bisschen Ölkrise. Es sind Momentaufnahmen, die der Film aneinanderreiht, und es scheint, als könne sich Daniels nicht entscheiden, ob er die Politik oder die Familie in den Mittelpunkt stellen will, und dabei kommt leider beides zu kurz.

                            Zwischen Cecil und Louis steht Frau und Mutter Gloria, gespielt von US-Talkshowkönigin Oprah Winfrey, die jedoch wenig zum Gesamtbild beiträgt, wie so viele der Stars des Films, die in scheinbar Dutzenden Nebenrollen auftreten. Die versammelte Starpower lenkt eher ab, als dass sie den Film vorantreibt. Die Präsidenten verkommen zu Karikaturen, den guten Demokraten und den bösen Republikanern. Und dann kommt Barack Obama, der sie alle in den Schatten stellt mit seinem "Yes, we can!".

                            Daniels' Film ist nun alles in allem keineswegs schlecht - außerordentlich überzeugend inszeniert, bestechende Darstellungen - doch der Patriotismus, der stellenweise fast zur Propaganda verkommt, steht ihm etwas zu sehr auf die Stirn geschrieben. Ob das beim europäischen Publikum auch so gut ankommt, sei dahingestellt.

                            3
                            • 3 .5

                              So wie jedes Jahrhundert sich die Helden schafft, die es braucht (und demzufolge verdient) ist es gleichermaßen um seine Ikonen bestellt. Im 21. Jahrhundert scheint die Sehnsucht nach Wundern sich im Zwischenraum von vorgezeichneten (Lauf-)Bahnen und freien Elektronen abzuspielen. Visionen sind nur dann markant, wenn sie Geld einbringen, Gurus nur dann anerkannt, wenn ihr Börsengang erfolgreich war und die Gefolgschaft nur dann treu, wenn sie durch den Kauf von Massenprodukten das Gefühl von Einzigartigkeit mit ersteht.

                              Nun, spannend ist Joshua Michael Stern's "Jobs" nun natürlich von vorneherein nicht wirklich, weiß man, wie die Geschichte endet: mit dem Tod der Hauptfigur. Das und vor allem Job's Bekanntheitsgrad verleiht dem Film zwar das gewisse tragische - ansatzweise voyeuristische - Etwas, um daraus den Stoff, aus dem Legenden sind, zu spinnen; andererseits verringert es auch den Spielraum des Drehbuchs, der Schauspieler und somit letztlich des Films.
                              Eine Entschuldigung für das nicht einmal mittelmäßige Resultat ist all das (selbst zusammengerechnet) dennoch nicht, wohl aber ein Erklärungsversuch.

                              Chronologisch, doch zu oberflächlich, lose und vor allem uninspiriert (um das Wort "langweilig" nicht zu benutzen) führt der Film durch das Leben von Apple-Gründer Steve Jobs - vom abgebrochenen Studium über die ersten Apple-Schritte in der väterlichen Garage bis hin zum blind verehrten Guru.
                              Gleich die ersten Einstellungen offenbaren die quasi messianische - auf Dauer einfach nur nervtötende - Aura, die Regisseur Stern Jobs verleiht. Anstatt seinen schwierigen, gar empathielosen Charakter zu hinterfragen, zelebriert er dessen Über/Un-Menschlichkeit visuell mit Glorienschein und einer pathetischen Musik, die mir dann langsam aber sicher den Rest gab.

                              Ashton Kutcher - eher bekannt als Ex-Mister Demi Moore denn als wirklich inspirierter Schauspieler - ist redlich bemüht, dem Visionär eine menschliche Seite abzugewinnen und schlägt sich hierbei tatsächlich gar nicht mal so schlecht (beeindruckend: die physische Arbeit an der Figur). Jedoch verhindert letzlich das unrhytmische Drehbuch von Novize Matt Whiteley, dass man sich auch nur im Geringsten für die Geschehnisse und Schicksale interessiert, geschweige denn auf die Figuren einlässt.
                              Der Todesstoß folgt im Abspann mit der Gegenüberstellung von Fotos der Originalprotagonisten und der Darstellerriegen - die ultimative Ohrfeige für einen Unternehmer, der stets nach unbeschrittenen Pfaden dürstete.

                              Für Kenner der Geschichte ist "Jobs" ein romantisiertes, alles andere als akkurates Aneinanderreihen von Episoden, alle anderen Zuschauer werden nach der Sichtung wohl auch nicht wirklich mehr über Jobs und Apple wissen.
                              Kurz: für mich ein filmisches Martyrium der Langeweile, das man sich eher sparen sollte.

                              1
                              • 6

                                Eigentlich ist es kein Wunder, dass "The Lone Ranger" von Gore Verbinski floppte. Einerseits, weil das Universum wohl einfach so bestellt ist, dass es etwas wie eine ausgleichende Gerechtigkeit gibt, die selbst den erfolgreichsten Fimproduzenten lehrt, dass auch er fehlbar ist. Andererseits weil trotz aller Blockbuster-Ingredienzen, es stets eine unberechenbare Variable in der Film-Gleichung gibt: das Publikum. Und Letzteres will eben nicht immer so, wie man sich das vorstellt oder ausrechnet.
                                Denn auch wenn es dem Regisseur der drei ersten Werke aus der "Pirates of the Caribbean"-Erfolgsreihe mit ebendiesen gelang, aus einer Vergnügungspark-Attraktion, zumindest einen einigermassen kurzweiligen Film zu destillieren, so legt er mit "The Lone Ranger" ein wahrscheinlich zu splitterhaftes Werk hin, um eine einheitlich begeisterte Rezeption zu erfahren.

                                Wieso also wird er von der Kritik grösstenteils zerrissen? Eine einzige Antwort hierfür, denke ich, gibt es nicht, wohl aber mehrere Pisten, die es ansatzweise erklären könnten. Denn wie erwartet ist Verbinskis Western-Hybrid vielleicht nicht der ultimative filmische Heuler, doch er ist auch definitiv nicht der totale Reinfall, den man sich erwartet hätte, bei den Verrissen.

                                Vielleicht ist dieses Werk den meisten wohl zu unkonventionell, wohlgemerkt, unter dem Prädikat "Western" - einmal abgesehen von der zuweilen etwas zu "geleckten" Patina. Dabei schimmert hinter der ganzen Western-Hochglanzkulisse und den klar umrissenen typisierten Figuren (der Alpha-Held, der Rookie, der in diese Rolle hineinwachsen muss, der edle Wilde, der hinterhältige Schurke, die gezeichnete Prostituierte) stets eine gewisse, gar antike Tragik durch. Besonders Johnny Depp muss man zugute halten, dass er sich mit dem Jack-Sparrow-Touch bei seinem Indianer Tonto zurückhält, im Gegensatz zu Arnie Hammer, der zu oft in eine auf Dauer nervige Karikatur abgleitet.

                                Vielleicht ist die Herangehensweise des Regisseurs dem Zuschauer, der gezielt in diese Art von Popcorn-Produktion geht, auch ... nennen wir es mal ... einfach zu "überintellektualisierend" - wobei er mit seiner metaphorischen Eröffnungsszene, die in mir unweigerlich Erinnerungen an Lamorisses "Le ballon rouge" wachrief, gleich Position bezieht: Hier beschäftigt sich also zumindest ein wenig jemand auf ganz persönliche Weise mit einem Kapitel Filmgeschichte und kaut nicht wie üblich im Blockbuster-Genre einfach nur Verschlungenes wieder.
                                Nicht von ungefähr drehte der Regisseur seine in Texas angesiedelte Geschichte in der bevorzugten Kulisse des Western-Über-Ich John Ford, sprich der Monument Valley in Utah, kommt die Kavallerie "just in time" (jemand bestimmter lässt hier grüssen) und mutet der Abspann an wie ein Verschnitt zwischen dem klassischen, dem Sonnenuntergang entgegenreitenden einsamen Helden und Chaplins "Modern Times".
                                Womöglich beschwert gerade diese Fülle an filmischen Referenzen und Reverenzen das Konstrukt "Lone Ranger" letzlich zu sehr für Zuschauer, deren Spass es nicht ist, diese herauszufinden.

                                Demnach für mich keine Piraten im Wilden Westen, sondern ein durchaus schwer einzuordnender und gerade deshalb ein tatsächlich wieder sympathischerer (wenn auch leider erneut etwas zu langatmig geratener) Blockbuster-Titel.

                                4
                                • 6 .5

                                  Warum sollte man sich als Filmregisseur eigentlich auf ein einziges Genre beschränken? Ja, warum kann man nicht einfach mehrere Genres in einem einzigen Film munter miteinander vermischen? Unter anderem diese Fragen stellt sich der Zuschauer unweigerlich beim Schauen von "Trance", dem neuesten Film des englischen Regisseurs Danny Boyle.

                                  Der gerade in unseren Kinos angelaufene, aus britisch-französischer Ko-Produktion entstandene Thriller vereint gleich mehrere Filmgattungen. Er beginnt als netter, gemütlicher Kriminalfilm à la "Snatch" oder "Ocean's Eleven", nimmt dann etwas mehr "Action" und Fahrt auf, um dann im letzten Drittel vollends auf die Thriller-Schiene abzubiegen. Wobei auch Thriller eigentlich nicht die richtige Bezeichnung für das ist, was Boyle seinem Publikum über die Länge von 101 Minuten anbietet. Wenn dann ist der Film ein Action-/Heist-/Fantasy-/Psycho-Thriller. Wie gesagt eine Genre-Mischung, wenn man es gut meint, könnte man es sogar als ganz eigenes "Sub-Genre" bezeichnen.

                                  Die Handlung ist schnell erzählt: Der Kunst-Auktionator Simon hat sich auf eine Kooperation mit Kriminellen, angeführt von Ober-Gangster Franck, eingelassen. Er soll dabei helfen, ein wertvolles Gemälde zu stehlen, entscheidet sich aber im letzten Moment dazu, den Coup zu sabotieren. Simon versteckt das Gemälde, wird deshalb von den Kunstdieben bewusstlos geschlagen und kann sich später an nichts mehr erinnern.
                                  So weit so gut. Oder auch nicht. Denn ab hier wird es etwas komplizierter und anstrengender: Simon weiß also nicht mehr, wo er das Kunstwerk versteckt hat. Andererseits erinnert er sich sehr wohl an unmittelbar mit dem missglückten Diebstahl zusammenhängende Dinge. Um herauszufinden, wo denn das wertvolle Gemälde abgeblieben ist, engagiert Franck schließlich eine in Hypnose geschulte Psychologin namens Elizabeth...

                                  Der Rest des Films gleitet dann jedoch nach und nach in ein großes erzählerisches Durcheinander ab. Auf der Basis der leicht verständlichen Einleitung entwickelt sich ein dauerhaftes, schwer durchschaubares Verwirrspiel zwischen Traum und Realität, Gegenwart und Vergangenheit, das die bisherige Handlung des Films in Frage stellt und bis zum Ende leider auch nicht ganz aufgeklärt wird.

                                  Mit "Trance" versuchte Danny Boyle den Spagat zwischen realistischem, actiongeladenem Unterhaltungskino und psychologisch-psychologisierender Thriller-Schwerkost - ein Film, der er es in meinen Augen letzlich nicht vermochte die konstante Verwirrung in eine dramatisch runde Geschichte zu verpacken.
                                  Der Engländer hat auf der Grundlage eines eher schwer verdaulichen Drehbuchs andererseits auch wieder einen optisch durchaus gut anzuschauenden Film verwirklicht. Die holprige, amüsante bis absurde Handlung wird dabei nur teilweise durch die sehr solide Darbietung der Schauspieler wettgemacht. Insbesondere Vincent Cassel sorgt dafür, dass man diesem Film die eine oder andere erzählerische Ungereimtheit verzeiht. Cassels intuitive, gewohnt starke Präsenz auf der Leinwand entschädigt aber nun nicht für alles.
                                  Vereinfacht dargelegt war, bei aller gewollten Verwirrung und gelungenen Herausforderung der Zuschauer, "Trance" für uns letzten Endes dann doch ein bisschen "too much".

                                  Was man Danny Boyle allerdings zugute halten muss, ist dass er mit diesem Film um ein weiteres Mal seine Wandlungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat. Nach so unterschiedlichen Werken wie "Trainspotting", "The Beach", "Slumdog Millionaire" oder "127 Hours" kann er nun ein weiteres mehr oder weniger gelungenes Experiment in seiner Genre-Liste abhaken.

                                  1
                                  • 8

                                    Die wohl bitterste Wahrheit im heutigen amerikanischen Mainstreamkino ist, dass es für Frauen über 30 von Jahr zu Jahr fortdauernd schwieriger wird noch ordentliche Rollen angeboten zu bekommen, da Filme mit großen Budgets immer stärker auf ein jugendliches und vor allem männliches Publikum zugeschnitten, und Menschen bereits über 25 ohnehin – so erweckt es immer wieder den Anschein - schon längst zum alten Eisen gezählt werden.
                                    Kein Wunder also, dass diesseits des großen Teiches, Schauspielerinnen im besten Alter immer häufiger bereit sind, sich unters Messer der Schönheitschirurgen zu legen und mit dem ganzen Aufwand bedauerlicherweise sich letzten Endes auch noch eine goldene Nase verdienen.

                                    Dieses Phänomen ist auch die Ausgangssituation vom israelischen Regisseur Ari Folman neuestem völlig verdrehtem Film "The Congress", in dem er ein pechschwarzes Bild von der Zukunft des Kinos zeichnet, ein Kino, das allerdings gar nicht mehr soweit entfernt zu liegen scheint (betrachtet man vor allem die Blockbuster-Fließband-Produktionen der letzten Jahre, wo man weder Herz noch Seele vorfindet).
                                    Zur Geschichte: Die Schauspielerin Robin Wright war in ihrer Jugend auf dem besten Weg mit Filmwerken wie "The Princess Bride" oder "Forrest Gump" ein großer Star zu werden, jedoch immerfort Rollen in Blockbuster-Action- und Science-Fictionfilmen ablehnte, unter anderem auch deswegen, weil sie sich um ihrern Sohn kümmern wollte. Nun hat die gute Dame mittlerweile 43 Jahre und obwohl sie nach wie vor eine sehr attraktive Frau ist, weiß ihr Studio, Miramount Pictures, partout nichts mit ihr anzufangen. Also bieten sie ihr einen diabolischen Pakt an, wie bei Goethe seinem Faust: Sie soll sich, ihr Körper und Geist scannen und auf Festplatte abspeichern lassen, an­schlie­ßend soll sie ein Kontrakt unterschreiben, worin sie sich die nächsten 20 Jahre engagiert weder in einem Film noch im Fernsehen oder gar auf irgendeiner Theaterbühne aufzutreten – sie soll einfach verschwinden und dem Studio das Recht geben ihre digitale Kopie und "ewige Jugend" für jedes fruchtbringende Filmprojekt anwenden zu können. Die Person aus Fleisch und Blut bräuchte dann nachher niemand mehr. Robin ist zunächst strikt gegen solch technologischen Auswüchse der Filmproduktion, doch sie braucht dringend Geld, ihr Sohn ist krank. Die Szene, in der sie eingescannt und zum Avatar wird, ist schließlich der emotionale Höhepunkt des Films...

                                    Vollgestopft mit Referenzen an die Filmwelt, von Kubrick und Wilder bis hin zu Max Fleischer und Roger Rabbit vermochte "The Congress" mich letztlich durch seinen ebenso pessimistischen Kern wie durch seine Form, einer Mischung aus konventionell mit Schauspielern realisierten Szenen und animierten Sequenzen, die an die Äshetik der 30er Jahre erinnert, zu verwirren. So kann die konfuse Handlung demnach einem durchaus Schwierigkeiten bereiten, den Zeitsprüngen und den vielen verschiedenen Transformationsprozessen zu folgen.
                                    Doch hat man sich einmal mit dem ganzen Durcheinander abgefunden und beschlossen, die Bilder zu genießen, wird dieses Werk zu einem wahren Ausnahmeerlebnis. Und am Schluss hat wohl doch jeder verstanden, dass der Film gesellschaftliche Prozesse beobachtet, Kritik an Hollywood übt und die alles entscheidende Frage stellt: Wie wollen wir leben? In der knallharten Realität oder in blumigen Illusionen? Künstlichen Paradiesen?

                                    "The Congress" ist wohl sicherlich nicht für jedermann und keine einfache Kost; ein Film, der ge­wis­ser­ma­ßen aus der Reihe tanzt (wie übrigens auch bereits schon Ari Folmans sehr innovativen wie ungewöhnlichen "Waltz with Bashir") mit dem man sich intensiv beschäftigen sollte, zumals wenn man sich für das Kino und seine nicht ganz rosige Zukunft interessiert.

                                    11
                                    • 8 .5

                                      Mit dieser wunderbar fotografierten und überzeugend gespielten Coming-of-Age Geschichte ist dem Regisseur aufgrund der ambivalenten Titelfigur eine psychologisch ausgereifte Studie gelungen. Der undurchsichtige Antiheld wirbelt das etwas lethargische Leben in einer Kleinstadt am Mississippi gehörig durcheinander und ist trotz seiner Lügen und Hinterlist für seinen heranwachsenden Partner ein Sympathieträger, dem es sogar gelingt, mit seiner Lebensphilosophie dessen Probleme größtenteils zu lösen.

                                      Mit viel Südstaaten-Charme und offensichtlichen Referenzen an Mark Twains Tom Sawyer- und Huckleberry Finn-Geschichten ausgestattet, kränkelt dieser Plot um Freundschaft und Pubertät, aus meiner Sicht, lediglich am überflüssigen Finale, wo es vergleichbar mit einem Western zum blutigen Showdown kommt.

                                      Der bis dahin langsame Rhythmus und die empfindsamen Szenen liessen aber über diesen Makel problemlos hinwegsehen.

                                      4
                                      • 7

                                        Erinnert man sich stets an den genauen Moment, in dem eine Liebe geboren wird - die winzige Geste, der kurze Blick, der flüchtige Kuss -, so ist ihr Ende meist eine diffuse Nebelschwade, wo nachdem sie sich gelichtet hat, man sich plötzlich (wohl bestenfalls) alleine und verlassen wiederfindet. In diese trüben Gewässer wagt sich Richard Linklater in Begleitung seines treuen Schauspielerduos Hawke/Delpy vor.

                                        Nun ist es so, dass Beziehungskisten eine ebenso lange wie breit gefächerte Tradition im Kino haben, die von der klassischen RomCom bis hin zum Psychodrama reicht. Beim dritten Akt von Regisseur Linklaters "Before..."Erforschung der Liebe findet der Zuschauer - nach dem ersten Treffen des Amerikaners Jesse und der Französin Céline in Wien 1996 in "Before Sunrise" und ihrem Pariser Wiedersehen vor neun Jahren in "Before Sunset" - das Paar dieses Mal in Griechenland wieder, wo (passenderweise) die historische Wiege des Dramas steht.

                                        "Before Midnight" ist, jedenfalls aus meiner Sicht, einer dieser Filme, bei dem die Tagesform der entscheidende Faktor der Rezeption ist. An einem "guten" Tag wird er sich nämlich von der wie von den zwei vorherigen Teilen gewohnten Redseligkeit mitreißen lassen und den Film als Meisterwerk des psychologischen Feingefühls empfinden. An einem schlechten Tag hingegen werden ihm die Dialoge als Platitüdenanreihung bis zum Erbrechen erscheinen, deren Seelenstriptease sich ins Unerträgliche steigert bis - ironischerweise - der Einzige, der nackt und schuztlos dasteht, der Zuschauer selbst ist.
                                        Dabei vereint "Before Midnight" eigentlich alle formalen Voraussetzungen eines soliden Films: ansprechende Thematik, schlüssige und zugleich überzeugend natürliche Schauspieler, gepflegte Dialoge und ansprechende visuelle Umsetzung.

                                        Das Erstaunlichste, das meines Erachtens dem Trio Linklater, Delpy und Hawke bei diesem dritten Teil gelingt, ist, den Rhythmus des Films allein durch die zuweilen Schwindel erregenden Dialoge zu betonen. Vom ausgeglichenen Gefühls-Tennis entwickelt sich der Film zum rasanten Wort-Pingpong, dessen Frequenz Maschinengewehr-Niveau und -Wirkung erreicht. Bewirkt die Nähe-bedingte Krise der beiden, einerseits eine mentale Verzerrung, die im gegenseitigen Betrachten kleiner erscheinen lässt, so machen genau diese Fehlbarkeit und hartnäckige Streben nach Zusammensein die zwei Figuren zu passenden, empathischen Projektionsflächen für das Publikum.

                                        Und wenn vielleicht sonst nichts anderes, lernt der Zuschauer, dass er in seinem alltäglichen Kampf um den Erhalt seiner eigenen Liebe nicht einsam ist. Wie heisst es doch so schön:
                                        "Tempus fugit, amor manet - Es vergeht die Zeit, die Liebe bleibt". Glücklicherweise nicht nur auf der Leinwand.

                                        5
                                        • 8 .5

                                          Der knallharte Clint Eastwood als Illustrator eines romantischen Kitschromans, der weltweit Millionen Frauen zu Tränen rührte?
                                          Wer hätte das wohl gedacht und da konnte man berechtigterweise das Schlimmste befürchten, doch Eastwood hat einmal mehr bewiesen, dass er ein Vollblutfilmemacher ist, der selbst aus einem Stein Wasser quetschen kann:

                                          "The Bridges of Madison County" zählt zu seinen einfühlsamsten Regiearbeiten und übrigens war es auch dieser Film, der Eastwood als Regisseur zum ganz großen Durchbruch beim Publikum auf beiden Seiten des großen Teiches verhalf.
                                          Mit Hilfe von Drehbuchautor Richard LaGravanese schaffte er es nämlich die eher schwülstige Vorlage in eine zugängliche Adaption umzuformen – dabei die Balance zwischen Fiktion und Realität sehr gut meistern konnte - ohne entweder im Kitsch festzukleben oder in Realismus zu ertrinken.

                                          Wie bereits bei "Perfect World" wurde diese wundervolle Liebesgeschichte in prächtige und stimmige Naturaufnahmen eingefangen, sowie von zwei überzeugenden Ausnahmedarstellern getragen:
                                          Zum einen, Meryl Streep, die vor diesem Film nicht unbedingt zu meinen Lieblingsdarstellerinnen zählte, von Clint Eastwood jedoch, in ja fast quasi neue Dimensionen eingeführt wurde (ganz nach dem Motto "weniger ist mehr") sie spielt hier ihre Rolle als reife, sensible Farmerin wahrlich eindrucksvoll. Zum anderen schaffte es Clint Eastwood selbst, neben seiner bemerkenswerten Regieleistung auch Akzente als Schauspieler zu setzen, indem er in der Rolle des einsamen Wolfs mit seiner ruhigen Darstellung viel Emotionen aufweisen und mich somit in seinen Bann ziehen konnte.

                                          Ein ergreifender Film um verlorene Liebe und ungelebte Träume.

                                          2
                                          • 7

                                            Terrence Malick ist eine ganz besondere Figur der Filmwelt. Besonderes, in dem Sinne, weil er immerzu zwei grundlegende Zutaten eines jeden Films aufhebt: Zeit und Raum.
                                            Es gibt zwar - notgedrungen - einen Anfang und ein Ende, und irgendwo auch etwas, das man als eine Geschichte bezeichnen könnte, das sich mittendrin entfaltet, doch dazwischen herrscht eine derartige Verformung des Zeitkontinuums, wie man sie wohl, rein physikalisch gesehen, so nur in einem Schwarzen Loch erleben würde. Das konnte man zuweilen zugegeben etwas schmerzhaft, wie bei "The Thin Red Line", oder aber mitreißend, wie bei der assoziativen Bildflut von "The Tree of Life" erleben.
                                            In diesem Sinne ist der amerikanische Regisseur durchaus als Philosoph, der nicht (nur) mit Worten, sondern auch, überaus modern, mit Bildern dissertiert, zu verstehen. Das setzt dann allerdings auch voraus, dass man für diese Art von metaphysisch-sinnlichem Kino empfänglich sein muss - und so liebt oder hasst man Malicks Filme; ein lauwarmes Dazwischen gibt es wohl (durchaus verständlich) eher selten.

                                            Mit "To The Wonder" wendet sich Malick nun der Liebe zu und vertieft so das bereits in "The Tree of Life" begonnene Erforschen all ihrer Facetten: körperliches und seelisches Verlangen nach Nähe und Verschmelzung, Streben nach Harmonie und Einheit, aber auch Einsamkeit, Zweifel, Schmerz und unbändige Wut.

                                            Formal gesehen etwas zurückhaltender, aber erzählerisch nicht minder verwirrend fällt auch dieser Film aus. Ersteres liegt mitunter an Hanna Townshends Komposition, die weniger episch als die des Vorfilms ist, und ist sicherlich ebenfalls der eindrucksvollen Kameraarbeit von Emmanuel Lubezki zuzuschreiben.
                                            Der Ton ist dennoch der gleiche wie in seinem letzten Opus geblieben: Gesprochen wird wieder meist im Off - die sanften Stimmen nehmen den Zuschauer an die Hand und geleiten ihn - wie Beatrice und Vergil Dante - durch die Mäander ihrer Gedankenwelten. Die sind genauso, wie man bei sich selbst erlebt - wenn man beliebt, sie eine kurze Weile etwas genauer zu beobachten: vermeintlich logisch und ungeheuer sprunghaft zugleich.
                                            Was als krasser Gegensatz erscheinen mag, ist es einerseits auch und trotzdem ist es zugleich die schlüssige Filmwerdung einer Künstlerpersönlichkeit, die auf einer Farm aufwuchs und später Philosophie in Harvard studierte und in seinen Werken diese beiden Seiten, Natur und Intellekt, auf eindrücklichste Weise zu vereinen vermag. Malicks überaus sinnliche Filme sind stets von etwas einschüchternd und für viele Zuschauer irritierend Metaphysischem durchsetzt.

                                            Selbst der Besetzung ist mit Ben Affleck als Neil, Olga Kurylenko als Marina, Rachel McAdams als Jane und Javier Bardem als Vater Quintana so etwas wie eine andächtige Zurückhaltung zu spüren, wobei die Schauspieler oftmals als regelrechte Puzzlestücke zur Projektion gezeigt werden. Sie handeln, reden und bewegen sich, wie kein normaler Mensch es je tun würde - und doch hat ihr Benehmen etwas verzaubernd Beflügelndes, über Irdisches hinaus Wachsendes, das man beim Betrachten eines scheinbar schwerelosen Tänzers empfindet.

                                            "Omnia vincit amor" - "Liebe besiegt alles" - schrieb der zuvor genannte römische Dichter Vergil, "Ich schreibe auf Wasser, was ich nicht zu sagen wage", lässt Malick seine Figur der Marina sagen - und genauso schreibt der nicht zu fassende Regisseur ins Licht des Filmvorführgeräts die lauernden Schatten und das unbegreiflich helle Leuchten der Liebe: vergänglich und ewig zugleich. Terrence Malick eben.

                                            • 6

                                              So sieht also der Moment aus, in dem die Seifenblase des amerikanischen Traums platzt: Laut, grell, bunt und flammend - wie ein explodierender Feuerwerkskörper, mit Konfetti bestäubt, von mitreißenden Rhythmen untermalt und mit Champagner durchtränkt.
                                              Das konnten nicht nur die geladenen Gäste des Eröffnungsfilms des 66. Filmfestivals von Cannes am Mittwochabend feststellen, sondern ebenfalls die Zuschauer der hiesigen Kinos, in denen "The Great Gatsby" aufgeführt wurde.

                                              Lurhmanns Film mutet dabei ein klein wenig wie das Gegenstück zur Oper an, die John Harbison, sich basierend auf Fitzgeralds 1925 veröffentlichten Roman, 1999 für die New Yorker Met komponierte, denn er ist der filmische Versuch, ein in aller Hinsicht überwältigendes Gesamtkunstwerk zu schaffen.
                                              Kein Wunder demnach, dass der Regisseur, der schon zuvor seinen Hang zu visueller Opulenz in "Romeo und Julia" und "Moulin Rouge" zur Schau stellte und der sich seit dem reichlich unbefriedigendem "Australia" eine Auszeit im Kurzfilm gegönnt hat, sich dann für sein neues Projekt, nicht nur an den Klassiker schlechthin der amerikanischen Literatur und zugleich erstmals in die dritte Dimension vorwagt - wobei er hier nicht wirklich deren Möglichkeiten ausschöpft.

                                              Was die Geschichte des Emporkömmlings Gatsby so faszinierend macht, beschreibt Leonardo DiCaprio, der in dieser Rolle in die Fußstapfen von u.a. Robert Redford tritt, wie folgt: " Gatsby ist einer dieser ikonischen Figuren, weil er auf viele unterschiedliche Arten gespielt werden kann: als hoffnungsloser Romantiker, als regelrecht besessener Wahnsinniger oder als gefährlicher Gangster, der sich an dem Reichtum klammert". So ist es DiCaprios eindeutiges schauspielerisches Verdienst - seinem zur Figur passenden, attraktiven Aussehen zum Trotz - , all diese Facetten auch glaubwürdig zu vereinen.

                                              Das Amerika der wilden 20er mutet derweil wie eine schillernde Verschmelzung von Kublai Khans Xanadu und Disneys Märchenschloss an. "Es waren schliesslich die Roaring Twenties, deshalb musste es tosen", kommentierte Luhrmann trocken, wobei er nach einer 1. Hochglanz-Halbzeit dennoch recht elegant die Kurve kriegt, um das Augenmerk auf die Figuren zu lenken und so seinen Film die erforderliche menschliche Tiefe zu geben.Wer hier allerdings eine streng am Roman haftende Verfilmung erwartet, dürfte von den Freiheiten, die Lurhmann sich herausnimmt, recht geschockt sein. Dabei gelingt es dem Regisseur und Co-Drehbuch-Autor Craig Pearce nichtsdestotrotz auf eine beachtliche Weise, wenn schon nicht Fitzgeralds nuancierten Ton, dann wenigstens ein wenig von seinem Esprit ausmachen zu können und ihn (noch erstauntlicher, da er genau eine entgegengesetzte Herangehensweise wählt!) formal nicht zu verschandeln.
                                              Dabei war für mich die Besetzung mit Leonardo DiCaprio und Tobey Maguire sowie Carey Mulligan und Joel Edgerton als Daisy und Tom Buchanan im Grunde der entscheidene Trumpf, der der - für meinen Geschmack etwas zu - glanzvollen Verpackung schliesslich einen tiefsinnigeren Inhalt bietet.

                                              "So we beat on, boats against the current, borne back against ceaselessly into the past", beschliesst Fitzgerald seinen Roman und genau diese feine Analyse des urmenschlichen Strebens nach dem, was einem scheinbar verwehrt bleibt, macht sein Werk zur ebenso zeitlosen wie unerschöpflichen Vorlage. An uns zogen die 142 Minuten zwar erstaunlich kurzweilig, doch zugleich leider ebenso emotional spurlos vorüber. Das grüne Licht bleibt ein magisch schimmerndes Versprechen in der Ferne.

                                              3
                                              • 7 .5

                                                Mit "Beasts of the Southern Wild" liefert Regisseur Benh Zeitlin ein durchaus fulminantes, kraftvoll gestaltetes Erstlingswerk ab, das sich irgendwo zwischen einfühlsamen Märchen und surrealem Leinwand-Epos einpendelt.

                                                Die Geschichte des Films ereignet sich in einem fiktiven Dorf namens Bathtub, das tief in den Sümpfen der Südstaaten, jenseits der Deiche liegt. Bilder abbrechender Eisschollen, überflutete Bayous deuten hier auf die Auswirkungen einer globalen Klimakatastrophe hin, mit der die in einem Sammelsurium aus Schrott und Technik lebenden Bewohner (welche schon immer den Naturgewalten auf unmittelbare Weise ausgesetzt sind) sich offenbar arrangiert haben. Den Alltag dieser Mischung aus Armensiedlung und Späthippie-Camp zwischen Land und Wasser inszeniert Zeitlin in seiner charakteristischen, eigenwilligen Filmfabel mit einem fast dokumentarischen Realismusbestreben.

                                                Erzählt und wahrgenommen wird dies alles aus der Sicht eines sechsjährigen Mädchens, der kraushaarigen Hushpuppy (beachtlich gespielt von der kleinen Quvhenzhané Wallis), die von einem mal fürsorglichen, dann oft heftig trinkenden und abwesenden Vater aufgezogen wird, philosophierend in die Welt hinausschaut, all die erlebten Geschehnisse interpretiert und sie zum großen Teil magisch überhöht - etwa dann wenn sie nach einer Schulstunde fantasierte Urzeitmonster aus dem schmelzenden Arktiseis zurückkehren lässt.
                                                Letztendlich ist für mich hauptsächlich auch sie diejenige, die die manchmal etwas ausfasernde Handlung des Films zusammenhält und immer wieder den Blick auf deren interessanten Kern lenkt: das schwierige Zusammenfinden eines Kindes mit seinem Vater und die Konfrontation mit Verlust und Tod.

                                                Insgesamt gesehen ist "Beasts of the Southern Wild", zusätzlich mit seinem bewegenden Soundtrack, aber eine durchaus bezaubernd einnehmende und sehr eigensinnige Produktion geworden, das nachwirkt und mich zu beeindrucken wusste.

                                                • 8

                                                  In seinem neuesten sehr zartfühlend inszenierten Werk "Jagten/die Jagd" zeigt der dänische Regisseur Thomas Vinterberg was passiert, wenn politische Korrektheit den gesunden Menschenverstand ausschaltet. Er veranschaulicht hier die Rudelmentalität der modernen Gesellschaft, die, speziell dann, äusserst schnell ausser Kontrolle gerät, wenn Kinder mit im Spiel sind. Zumals in einer Zeit in der quasi jede Woche neue pädophile Übergriffe (ja sogar beim Kirchenpersonal) bekannt werden, die dann bei der Öffentlichkeit eine solch ungeheure Empörung auslösen, so dass ein Großteil der Gesellschaft schliesslich aufgrund ihrer Sturheit partout nicht mehr gewillt ist, das Ganze aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. So wird streng nach dem Prinzip "mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen" eine Unschuldsvermutung aus dem Fenster geworfen und der potentielle Pädophile sofort zur Jagd freigegeben.

                                                  Genauso ergeht es dem Protagonisten des Films, der sich nun wirklich nichts vorzuwerfen hat und verzweifelt versucht sich mit Händen und Füßen gegen die Beschuldigungen zu wehren; die Spiral der blinden Wut und Intoleranz seiner Mitbürger jedoch, dreht sich immer weiter und schneller, bis zu dem Moment, wo alles auseinander zu brechen scheint.

                                                  Generell gesehen hält das zwar sehr einfach gestrickte Film-Drehbuch nur wenige Überraschungen parat, zumal von Anfang an klar ist, dass Lucas unschuldig ist. Doch Mads Mikkelsen - er wurde beim Festival in Cannes, meines Erachtens, wirklich zurecht als bester Darsteller ausgezeichnet, denn ihm - gelingt es, der Ohnmacht seiner Figur derart überzeugend und ergreifend Ausdruck zu verleihen, so dass mich tatsächlich regelrecht die Wut packte und am liebsten aufgesprungen wäre, um laut Partei für den zu Unrecht Beschuldigten zu ergreifen.
                                                  Nach dem Film überlegt man sich dann trotzdem, ob man nicht genauso voreingenommen reagiert hätte, wie die Menschen im Lucas Umfeld. Denn wer würde im wirklichen Leben sich schon auf die Seite eines mutmaßlichen Kinderschänders stellen?

                                                  3
                                                  • 3

                                                    Eigentlich fast eine wahre Schande, aus "Children of Huang Shi" hätte sich nämlich ein geradezu reizvolles wie anschauliches Werk herausbilden können:

                                                    Trotz aller nötigen Ingredienzen eines großen Epos – atemberaubende Landschaften, historischer Hintergrund und fesselnde Geschichte, die auf wahren Begebenheiten basiert – gelingt es dem Film zu keinem einzigen Moment, das Stadium einer blutleeren Karikatur zu übersteigen. Unglaubwürdige Dialoge, zuviele theatralische Darstellungen und ein allzu vorhersehbares Filmdrehbuch geben der Produktion den letzten Rest.
                                                    Kleiner, dennoch feiner Lichtblick: die Jungen von damals kommen im Abspann kurz zu Wort.

                                                    "The Children of Huang Shi" rangiert sich somit zu den Filmen ein, die man mittlerweile des häufigeren vorfindet: Eine bildschöne, jedoch seelenlose Hochglanz-Verpackung, deren Inhalt leider nicht im Geringsten das hält, was erstere verspricht.