moviesforlife - Kommentare

Alle Kommentare von moviesforlife

  • Danke an Marvelpilot für diese relevante Mitteilung!

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      Die allgegenwärtige Stille, die gemächliche Statik, die harmonische Stilsprache sind es, in denen "A Ghost Story" sowohl die wundersame Schönheit als auch die große Tragik der menschlichen Existenz verortet. Behutsam nähert sich David Lowery in erstaunlicher Symbiose von Nüchternheit und Eskapismus einer universellen und unverkennbar von Fatalismus geprägten Thematik; mal durch einen hinreißenden Monolog-Erguss, mal in schierer Rücksichtnahme auf seine beiden Hauptfiguren mittels kühler, meist unbewegter Fotografie, nur um Sekundenbruchteile später das Trugbild der Kontinuität durch radikale Zeitsprünge zu konterkarieren. Erhalten bleibt stets die Konfrontation mit der materiellen wie existenziellen Vergänglichkeit, der Unfähigkeit des Individuums, das Hier-und-Jetzt in anderer Form als einer zunehmend verblassenden Erinnerung festzuhalten. Und wenn selbst diese verschwunden ist - was bleibt dann überhaupt noch?

      Setzt man sich im Vorfeld nur oberflächlich mit dessen Prämisse auseinander, so könnte man dem Trugschluss erliegen, bei "A Ghost Story" handle es sich um klassisch aufbereitetes Grusel- beziehungsweise Horrorkino. Diese Annahme wirkt angesichts der unaufgeregten Kommunikation von Bild- und Erzählform, trotz konzeptioneller Anleihen an diverse Spukhausfilme, natürlich vollkommen absurd, erscheint das Thema betreffend auf den zweiten Blick jedoch gar nicht allzu fehlgeleitet. Im Horrorgenre geht es schließlich seit jeher um Existenzialistisches: Sei es die durch plötzlichen Tod ausgelöste Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit, das in Geister- und Zombiefilmen prominente Problem eines möglichen "Danach" oder das daraus erfolgende philosophische Dilemma.

      Dabei interessiert sich "A Ghost Story" wohlgemerkt nicht für die Charakterisierung des "Danach", entbehrt allein die naive, beinahe kindliche Verkörperung des Geists, mittels weißem Leintuch und darin eingeritzten Augenhöhlen, jedem vermeintlichen Realismus. Eben jene Darstellung ermöglicht obendrein, nicht zuletzt dank der ständigen Vermummung, eine gewisse Distanz gegenüber der Hauptfigur, was sich nicht minder in der Bildsprache manifestiert - häufig erblickt die Kamera den Protagonisten durch barrierenartige Fenster oder gläserne Fronten - und das ungeschönte Vermitteln existenzieller Güter gewährleistet. Im Unterschied zu einem Horrorfilm aber, der im Normalfall immer von der Angst vor dem Tod zehrt, geht es in "A Ghost Story" um die Angst davor, zu sterben ohne etwas hinterlassen zu haben.

      Der Zuschauer als Geist - so verbindet "A Ghost Story" sein Publikum untrennbar mit Casey Afflecks verstorbener Figur. Bereits zu Anfang versetzt ein aus der Vogelperspektive aufgenommenes Bild des im Bett liegenden Ehepaars den Betrachter in die Position eines über der Szenerie schwebenden Voyeurs; ein unsichtbares Gespenst, das auch im Voranschreiten des Films, vergleichbar mit der Situation des Protagonisten, zur Gänze unbemerkt bleibt, zum machtlosen Beobachter degradiert wird. Wie die Hauptfigur muss auch der Zuseher hilflos die Zerstörung allen Vermächtnisses im unbarmherzigen Fluss der Zeit, das Zermalmen von Häusern, das Erlöschen von Leben, gar den Fall ganzer Zivilisationen miterleben. Durch Projektion in den Geist - das weiße Laken gleicht in diesem Kontext einer Leinwand - erwirkt der Film also eine zwingende Identifikation.

      Von der im ersten Drittel beschworenen Intimität ausgehend, vollzieht "A Ghost Story" allerdings, analog zur rasch verstreichenden Zeit, eine erstaunliche Metamorphose. Beginnt der Film noch im Mikrokosmos eines kleinen, auf dem Land angesiedelten Haushalts und zeichnet Bilder idyllischer Graslandschaften, warmer Sommersonnen oder tiefblauer Sternenhimmel, so wird später deren Verfall sowie der Übergang zum menschlichen Fortschritt in den Makrokosmos potenziert: Die Menschheit entwickelt sich von Jägern, Sammlern und Landwirten hin zur futuristischen, industriellen Einheit, nur um schlussendlich wieder an den Anfang, zur primitiven Agrargesellschaft, zurückzukehren. Dieser Zyklus gleicht einer Rückbesinnung auf die Natur, den Ursprung; ähnlich wie er beispielsweise von Christopher Nolan in "Interstellar" beschrieben wird.

      Dennoch bedarf es keinerlei Veranlagung zum Spirituellen, um in der von Lowerys Regie-Klaviatur besungenen Symphonik aufzugehen, schließlich versinnbildlicht das Gespenst nichts als einen Platzhalter. Ja, ignoriert man den Tod von Casey Afflecks Charakter, so könnte "A Ghost Story" genauso gut von Trennung oder Entfremdung einem geliebten Menschen gegenüber handeln, ohne dass der Film dabei wesentlich an Substanz einbüßen müsste. In Anbetracht dessen erscheint der Zirkelschluss am Ende - hier erneut eine Referenz auf den Geist in "Interstellar" - womöglich etwas plump und erzwungen, vermittelt andererseits aber nach eineinhalb der Melancholie frönenden Stunden auch durchaus etwas Erlösendes.

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        moviesforlife 14.03.2018, 16:28 Geändert 02.05.2021, 23:56

        Oh, armer Zuschauer, wie wenig will man dir denn noch zutrauen? Anstatt anfangs ruhig und subtil die Verlustbewältigung einer verwitweten Frau nachzuzeichnen, bedarf es in "Auslöschung" gleich eines aufdringlichen, bräsig aus dem Off eingedudelten Musikstücks, um simultan zu einer Nahaufnahme der verzweifelt schluchzenden - und dabei erschreckend talentlos agierenden - Natalie Portman sicherzustellen, dass selbst der letzte Zuseher den tiefen Kummer der Figur verstanden hat. Statt das Gefühl aufrichtiger Liebe transparent und plastisch zu vergegenwärtigen, bedient sich "Auslöschung" unzähliger kitschig abinszenierter Rückblenden, um selbst dem letzten Netflix-Abonennten die Gefühlswelt des Hauptcharakters offen darzulegen. Nie bleibt in "Auslöschung" das Offensichtliche unausgesprochen. Nie verweilt ein Sinneseindruck oder eine Emotion, ohne augenblicklich vom Drehbuch verbalisiert zu werden. Zu keinem Zeitpunkt darf Kunst einfach nur Kunst sein, ohne sich im nächsten Moment dem vermeintlich so begriffsstutzigen Publikum als möglichst groß und bedeutungsschwer aufzwängen zu müssen.

        Zeichnete sich Alex Garlands großartiges Regiedebüt "Ex Machina" noch durch erzählerisches Feinfühligkeit und in erster Linie auch eine tiefere emotionale Ambivalenz aus, so scheint der Regisseur mit "Auslöschung" beinahe sämtliche Sensibilität eingebüßt zu haben. Allzu verzweifelt bewegt sich Garlands zweiter Spielfilm auf den Spuren großer Poeten wie Andrei Tarkowski oder Arkadi und Boris Strugazki, begreift aber trotz allem angestrengten Nacheifern nie die Beschaffenheit seiner offenkundigen Vorbilder. Wenig gekonnt bemüht sich "Auslöschung" beispielsweise, die jeglichem Bewusstsein der Räumlichkeit widersagende Kamera aus "Stalker" zu adaptieren, scheitert allerdings bereits beim einfachsten Visualisierungsversuch an basalen Formalismen, reiht unbeholfen eine überhastete Einstellung an die Nächste, verfängt sich alsbald in der eigenen Ideenarmut und erliegt letztlich dem hochnotpeinlichen Größenwahnsinn von Regie und Drehbuch.

        Die tragische Ironie ist überdeutlich: Ständig sucht "Auslöschung" nach der großen Schönheit des Widernatürlichen, des Abstrakten, des Paranormalen, findet unterdessen aber lediglich simple Antworten auf noch simplere Fragen - wodurch ab und an tatsächlich inhaltliche Tiefe suggeriert werden will - und missversteht dabei die Praxis des visuellen Erzählens fundamental. Denkbar selten fördert "Auslöschung" allerdings, zwischen plumpen Dialogfragmenten und biologischem Halbwissen manövrierend, tatsächlich brauchbare philosophische Erkenntnisse und noch seltener glückt es diesen, den sterilen Glanz der grellen Zuckerguss-Ästhetik zu konterkarieren.

        Entgegen der Aussage des eigenen Produzenten, "Auslöschung" sei angeblich zu anspruchsvoll für eine breite Zuschauerschaft, treibt der Film also ein leicht durchschaubares Spiel. Gerne möchte Garland sein Publikum unter Zuhilfenahme herkömmlicher inszenatorischer Strategien blenden, suggeriert verzweifelt Subtext um Subtext, stolpert aber rasch tollpatschig über das Ego seiner eigenen Ambitionen. In Wirklichkeit verachtet "Auslöschung" nämlich die Kunst. Es ist ein affektiertes Werk, ein Manifest der Manipulation, das sowohl dem Rezipienten als auch dem eigenen Inhalt nie den dringend benötigten Raum zur freien Entfaltung zutrauen möchte. "Auslöschung" also soll tatsächlich ein Film sein, dem die breite Masse kognitiv unterlegen ist, die intellektuelle Speerspitze des modernen Science-Fiction-Blockbusters? Dann ist das kontemporäre Kino tatsächlich tot. Und wir haben es ermordet.

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        • moviesforlife 08.03.2018, 22:26 Geändert 08.03.2018, 22:26

          Widmest du dich jetzt also endlich Tarkowski? Wäre toll.

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          • moviesforlife 05.03.2018, 05:52 Geändert 05.03.2018, 05:52

            Tja, Captain_Cobana. Das war's jetzt für dich...

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            • Ich entschuldige mich jetzt schon mal bei allen Leuten, deren Dashboard ich heute Nacht zerstört habe. Bitte löscht mich dafür nicht! :-/

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              • Bald entscheidet sich also, ob Captain_Cobana bleiben darf!

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                • Guillermo del Toro ist einfach so ein süßer, nerdiger Fratz. Man muss ihn lieben. <3

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                  • Warum wurde eigentlich "Wonder Woman" noch nicht ausgezeichnet? Will die Academy twentyfour schikanieren?

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                    • moviesforlife 05.03.2018, 04:50 Geändert 05.03.2018, 04:50

                      Jedes Mal, wenn "Blade Runner 2049" gewinnt, erschieße ich ein Katzenbaby!

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                      • "Get Out" ist ganz okay. Kein großes Werk und bestimmt kein herausragender Film, aber insgesamt kann ich damit leben.

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                        • Wieso kann die Community eigentlich nicht immer so lebendig sein wie in dieser Kommentarsektion? :(

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                          • Was für eine Überraschung - "Coco" hat gewonnen!

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                              • Danke für die Gänsehaut beim "Interstellar"-Score! ♥

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                                  • Ansage im Voraus: Wenn "Dunkirk" nicht gewinnt, werde ich das Profil von Captain_Cobana löschen!

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                                    • Jetzt nennt er "Blade Runner 2049" auch noch ein Meisterwerk. Der Typ ist bei mir unten durch.

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                                      • Laura Dern sollte man dank 2017 selbstverständlich kennen. Aber bestimmt nicht durch diesen Müll, der sich "Star Wars" nennt, sondern für ihre Rolle als Diane in "Twin Peaks: The Return"!

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                                          • moviesforlife 04.03.2018, 23:50 Geändert 04.03.2018, 23:50

                                            Ich habe eigentlich zu wenige der nominierten Filme gesehen, um mir ein faires Urteil über die Berechtigung eines bestimmten Werks auf einen Oscar bilden zu können, aber schreibe trotzdem willkürliche #teamirgendwas-Kommentare hier rein. So funktioniert das doch, oder?

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                                                Ich halte die dritte Staffel von "Six Feet Under" übrigens für den uninteressantesten Teil der Serie. Staffel 4 hat mir im Vergleich dazu wieder deutlich mehr gegeben - diese beinhaltet mit "That's My Dog" auch die in ihrem Spannungsaufbau gelungenste Episode der gesamten Serie - und Staffel 5 wird für mich ohnehin bis in alle Ewigkeit unvergesslich bleiben. Mach dich also auf Großes gefasst.

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                                                • Jetzt bitte noch Yann Arthus-Bertrands "Human - Die Menschheit" ansehen, um diese Erfahrung zu komplettieren. Dann verzeihe ich dir eventuell auch den Fricke-Diss.

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                                                    Wie immer wenn sich "kluge" Leute zu Marvel äußern.

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