moviesforlife - Kommentare

Alle Kommentare von moviesforlife

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    moviesforlife 01.09.2020, 15:59 Geändert 02.09.2020, 15:12
    über Tenet

    Eine Hollywood-Filmographie im Wandel der Zeit. Nachdem sich Christopher Nolans Inszenierungsgestus mit "Interstellar" und nicht minder konsequent durch "Dunkirk" - partiell sogar bereits im zweiten Handlungsakt von "The Dark Knight Rises" - von der trickbetrügerischen Formelhaftigkeit seines Frühwerks emanzipiert, sich von kühl verkopfter Plot-Konstruktion und oberlehrerhaften Handlungsverschränkungen distanziert hat, bleibt sein bislang elfter Spielfilm "Tenet" inhaltlich größtenteils kaum mehr als ein schläfriger Rückgriff auf längst ausgeleierte und leicht durchschaubare Dummschwätzerdidaktik. Ein Zugeständnis an die intellektuelle Gemütlichkeit Hollywoods und gleichsam das finale Bekenntnis zu einer Rezeptionskultur, die Kompliziertheit und Glätte zwar stets bejubelt, tatsächliche Komplexität aber in der Regel ablehnt. Eine cineastische Regression.

    Begleitet von leiser Violoncellomusik lenkt die Kamera in der für einen kurzen Augenblick stummen Eröffnungsszene durch die Publikumsreihen eines überfüllten Opernhauses in Kiew und über ein Zeitintervall von etwa zwanzig Sekunden verhält sich die Einstellung ruhig, bevor die Stille - und ergo zwangsläufig auch das dadurch heraufbeschworene Momentum - im nächsten Herzschlag rabiat von den Schnittsalven einer vollkommen unübersichtlich organisierten Action-Szene unterbrochen wird. Sämtliche Musikinstrumente werden durch die Willkür maskierter Angreifer zerstört, das Operngebäude soll zum chaotischen Schlachtfeld, selbst die Logen des durch Gaseinwirkung paralysierten Publikums zu provisorischen Schützengräben umgedacht werden, bevor das Gewölbe schließlich in einer dröhnenden Explosion gesprengt wird. Bereits während der Einleitung opfert "Tenet" also die Kunstfertigkeit der sanften Zwischentöne einer gewohnt hektischen Krawall-Ästhetik, übergibt die Bühne buchstäblich den vermummten Ikonoklasten, analog wächst der filmische Prolog von einer bloßen Handlungseinführung zum inszenatorischen Inbegriff, ist gewissermaßen exemplarisch für Nolans Regie in ihrer Gesamtheit zu verstehen.

    Statt die zentrale Zeitreisenlogik nämlich interessant im Visuellen zu verankern, ruht sich "Tenet" lange im Korsett eines austauschbaren und erstaunlich linear abgearbeiteten Agenten-Thrillers aus, stolpert dabei unbeholfen von Plot-Point zu Plot-Point, wirft zahllose Nebencharaktere als irrelevantes Drehbuch-Kanonenfutter ein - inklusive eines einzelnen, beinahe cameohaften Auftritts von Michael Caine - flüchtet von einer bombastischen Action-Verrenkung in die Nächste, räumt den drei Hauptfiguren derweil jedoch nie Platz zur plastischeren Weiterentwicklung ein und würgt als Hauptantagonisten obendrein einen möglichst unsympathisch skizzierten, milliardenreichen Klischee-Russen - selbstverständlich ein psychisch labiler Patriarch, der in jeder dritten Szene Wodka zu trinken hat - aus der Hollywood-Mottenkiste.

    Während sich Nolan mit seinen beiden vorherigen Regiearbeiten vollends von der Vorgaukelei vermeintlicher Komplexität mittels antichronologischer Narrationsteppiche und parallel überlagerter Erzählebenen abwendet und sein Schaffen stattdessen einer Ausrichtung auf das Stilpotenzial des Sinnlichen unterordnet, sich in "Interstellar" sogar zu einer Ode an die Menschlichkeit bekennt - und die Inszenierung infolgedessen auch unmittelbar auf das Menschsein konzentriert - stellt "Tenet" eine radikale Fortbewegung von Humanismus und emotionalen Empfindsamkeiten dar. Ähnlich wie "Inception" oder in Teilen "Memento" ist auch "Tenet" pseudo-intellektuelles Schwurbelkino, dessen Interesse an den Figuren sich auf deren Funktionalität als Aushängeschilder und Plot-Staffage beschränkt, das das Subjekt also zum bloßen Beiwerk, zur Ausrede diverser Drehbuch-Ideen und zum Action-Stuntman, degradiert. Oft buchstabiert Nolan zwar die Grundmotivationen beziehungsweise -ambitionen der zentralen Charaktere aus, bemüht sich aber nicht im Ansatz um deren filmische Transparenz. Wiederholt wird beispielsweise die Liebe der weiblichen Hauptfigur zu ihrem Sohn als handlungstreibendes Motiv betont; zu einer Szene, die deren emotionale Verbundenheit aber tatsächlich formsprachlich etabliert, sei es nur über einen raschen Augenblick der Zwischenmenschlichkeit, lässt sich die Regie allerdings nicht herab.

    Erst im letzten Filmdrittel weicht die generische Spionage-Geschichte schließlich nach und nach einer berechnend konfusen Zeitschlaufenverkettung, deren Verlauf jedoch lediglich Konfliktträger des Äußerlichen bleibt - und durch die in einem halben Nebensatz abgefrühstückten Verweise auf den anthropogenen Klimawandel oder der Andeutung einer Emanzipationshandlung verzweifelt gesellschaftspolitische Relevanz zu suggerieren sucht - nicht aber den inneren Zwist der Figuren trägt oder den Inhaltskontext zumindest subtextuell weiterdenkt. Inhalt versteht "Tenet" ohnehin als Plot, als rein narratives Puzzlespiel, nicht aber als audiovisuelle Auseinandersetzung mit dem Sujet: Auffällig ist insbesondere das Fehlen eines kohärenten Leitthemas und ebenso der Mangel jedweder ästhetischen Substanz; nur selten greift die Arbeit der Kamera hinter aufwändig arrangierte Technik-Puppenspielereien, unterminiert gar die lobenswerte Handwerklichkeit der Regie, bis selbst die praktischen Spezialeffekte, räumlichkeitsfern abfotografiert und durch die andauernd ruckelnden Schnittbewegungen ausgehöhlt, steril erscheinen. Ja, im Grunde ist "Tenet" Christopher Nolans inhaltslosester Film. Allenfalls interessant für Gelegenheits- und Spektakelkinogänger oder Innovationsjunkies, eben für alle Robert Hofmanns und Steven Gätjens, deren höchstes intellektuelles Tagewerk sich auf das Lösen des morgendlichen Kreuzworträtsels in der BILD-Zeitung beschränkt, die sich nach der Überfütterung mit zwanzig MCU-Filmen aber dank "Tenet" zumindest für 150 Minuten wie Universitätsprofessoren fühlen dürfen.

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    • Trotz langer, in Praktikumsstress begründeter Verzögerung gibt es von meiner Seite aus auch im Jahr 2020 wieder ein Filmtagebuch.

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      • Als Übergang zweier Jahrzehnte läutet 2019 nicht nur das Ende einer Dekade ein, sondern schließt ebenfalls mit dem filmischen Vermächtnis der 2010er-Jahre ab - einer Epoche massenkompatibler Studioproduktionen, zunehmenden marktwirtschaftlichen Kalküls und kunstfeindlicher Franchise-Phantasmagorie - behält dabei aber eine überraschend optimistische Note: 2019 war ein gutes Jahr für das Kino. Gewiss um Nuancen besser als 2018 und sogar deutlich erfreulicher als das katastrophale Kinojahr 2017. Neben dem gewohnt generischen Blockbuster-Abfall Hollywoods und trotz der Industriedominanz Disneys entbehrt das Kinojahr 2019 sowohl großer cineastischer Bankrotterklärungen als auch den Anbiederungsversuchen falscher Künstler und überrascht stattdessen mit ambitioniertem Genre-Kino, raffinierten Dekonstruktionsversuchen, zahllosen interessanten Regie-Neuentdeckungen und insgesamt einer unerwarteten Breite guter Filme. Die zehn Besten sollen in dieser Liste geehrt werden.

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          Das Kino ist tot, lang lebe das Kino! Mit "The Irishman" beschwört Martin Scorsese das letzte wütende Aufbegehren eines sterbenden Sub-Genres, gedenkt selbstsicher seiner strukturellen Prägung als New-Hollywood-Regisseur, bricht gleichsam aber mit etablierten Milieu-Stereotypen und entmystifiziert konsequent konservative Inszenierungs- wie Erzählschemata. Als zirkelförmige Rückblendenerzählung konzipiert, verbindet "The Irishman" drei antichronologisch entschlüsselte Handlungsebenen zur filmischen Chimäre: Ein Alterswerk der Rückbesinnung, des Sehnens, des Begehrens und zugleich ein sentimentaler Lebewohlgesang an das Mafia-Genre.

          Bereits die einleitende Plansequenz, durch leicht ruckelnde Auf- und Abbewegung des Kameraobjektivs die Gangart menschlicher Schritte simulierend, trägt Scorseses stetes Streben nach einem Dialog zwischen Werk und Publikum, nach intellektueller Integration als Plädoyer gegen die Passivität des Betrachters. Über den sporadischen Bruch der vierten Wand und die Imitation von Interviewsituationen, zur unmittelbaren Kommunikation mit dem Zuseher anmahnend, überführt "The Irishman" die Expositions- und Gegenwartshandlung in eine Binnenerzählung; lose Segmente einer langen Autofahrt, deren zahllose Zwischenstationen durch Rückblendenherleitung in weitere Inhaltsebenen untergliedert werden.

          Fragmentarisch zieht Scorsese einen narrativen Bilanzstrich unter die narzisstischen Daseinsentwürfe des im organisierten Verbrechen tätigen Protagonisten Frank Sheeran. Wird dem Mafioso innerhalb der tieferen Erzählstufen noch gestattet, seine patriarchalische Herrschsucht auszuleben - als Vater und Familienoberhaupt zwängt sich Sheeran zwar in eine altertümliche Beschützerrolle, handelt aber die Scheidung von seiner langjährigen Ehefrau, einer Bagatelle gleich, in zwei knappen Nebensätzen ab - sind in höheren Chronologieebenen bereits erste Andeutungen weiblicher Emanzipation erkennbar. Exemplarisch demontiert die Frau von Joe Pescis Charakter schon zu Beginn des Films in einem stillen Akt der Rebellion die Fassaden alberner Männlichkeitsrituale und Treueeide, während es Sheerans Tochter in einer weniger auffälligen Szene lediglich eines stummen Blickes bedarf, die Egomanie ihres Vaters zu durchdringen, um sich demonstrativ von dessen Lebensstil abzukehren.

          Die Inszenierung entfernt sich unterdessen nur selten von der ambivalenten Hauptfigur, kreist ständig um Sheeran oder seine Kontaktmänner, saugt sich an deren Gesichtern fest - spiegelt somit beiläufig die Selbstzentriertheit des Mafia-Milieus - und hievt den Rezipienten unter Verwendung ausschweifender Kamerafahrten und eines Rausches rascher Montagen grob aus der passiven Beobachterrolle. In der Gegenwartshandlung folgt der Glorifizierung alsbald jedoch die Desillusionierung: Die sozialen Bindungen des Protagonisten werden als kalte Trugbilder enttarnt, die vermeintliche Selbstbestimmtheit der Mafia als kapitalistisches Spinnennetz und deren Mikrokosmos als vergängliche Scheinwelt demaskiert. Visuell kommuniziert "The Irishman" die Nichtigkeit von Sheerans Existenzform unter anderem durch die Äußerlichkeitsvernarrtheit der Regie. Die Absurdität dieses Oberflächenfokus' transportiert eine Schlüsselszene zwischen dem Anzug und Krawatte tragenden Jimmy Hoffa und dessen aufmüpfig in kurze Hosen und Hawaiihemd gekleideten Geschäftsrivalen Tony Pro unmittelbar auf die Dialogebene; weniger explizit stellt Scorsese im finalen Filmdrittel Sheerans und Hoffas Oberbekleidung, analog zu einem inhaltlichen Wendepunkt, in entgegengesetzten Primärfarben dar.

          Parallel zur substanziellen Weiterentwicklung des Films setzt Scorsese eine allmählich voranschreitende Rückbildung der von Sheeran getragenen Kleidungsstücke bis hin zur metaphorischen Nacktheit. In den tieferen Erzählebenen trägt der Protagonist etwa, sein soziales Umfeld nachahmend, meist noble Abendgarderobe, die im Laufe der Binnenhandlung durch ein leichtes T-Shirt ersetzt wird - seine Augen aber bleiben nach wie vor unter den getönten Gläsern einer Sonnenbrille verborgen - und weichen im Schlussakt schließlich dreckigen Sportjacken und zerlumpten Pullovern. Im Kontext dessen gebärden sich selbst die unästhetischen CGI-Gesichtszüge Robert De Niros und Joe Pescis als Ausdruckselemente mit konkreter künstlerischer Bewandtnis, außerhalb rein narrativer Notwendigkeiten, fügen sich durch den entfremdenden, leicht künstlichen Charakter der Computerverjüngung und die auffallende Unehrlichkeit des dadurch generierten Schauspiels beständig in das Gefüge filmischer Subtexte.

          Während sich Scorseses vorangegangene Regiearbeit "Silence" bemüht, Plakativität als filmische Unmittelbarkeit zu kostümieren, schlussendlich aber an fürchterlicher Religionsaffirmation scheitert, gelingt es "The Irishman", den für das Schaffen des Regisseurs charakteristischen Katholizismus zu transzendieren. Im Verlauf der Rückblendenerzählung sind in Hintergründen häufig Marienskulpturen oder Kruzifixe arrangiert, leere Requisiten, die das Drehbuch letztlich als bloße Staffage entlarvt: Auf dem obersten Chronologieniveau besucht der greise Sheeran, der als letztes Rudiment eines längst erloschenen Zeitgeistes im Altersheim vereinsamt, regelmäßig einen katholischen Priester und legt in dessen Gegenwart mühsame Beichten ab, stottert, verhaspelt sich ständig, vermag kaum das "Ave Maria" nachzusprechen. Simultan stiehlt sich eine große Traurigkeit in De Niros Mienenspiel, eine sinnliche Wehmut, die nicht minder einfühlsam in der Bildsprache Ausdruck findet. Anfänglich verhält sich das Kameraauge in der Regel dynamisch - die Binnenerzählung nutzt das Motiv der Autofahrt sogar unverwandt als Fortschritts- beziehungsweise Bewegungssymbol - und schwebt durch die Gewölbe weiter Innenräume, die Perspektiv- oder Szenenwechsel sind frenetisch, scharf, beinahe aggressiv, wohingegen die Inszenierung der Gegenwartshandlung von Statik dominiert wird. Mit Ausnahme einer finalen, sich als Spiegelbild der Eröffnungsszene begreifenden Plansequenz, bleibt die Kamera während der letzten Filmpassagen eingefroren, der Schnitt wirkt träge, kraftlos und schwerfällig, derweil die Dramaturgie in einer breit angelegten Antiklimax kulminiert, den Figuren keine spektakulären Showdowns gewährt und stattdessen mit bewusst sensationslosen Auflösungen, Zeitsprüngen und Off-Screen-Toden hantiert.

          Die abschließenden Kapitel von "The Irishman" lassen Sheeran schließlich als gebrochenen, alleingelassenen Mann, als die hohle Hülle des toten Patriarchates, zurück. Ein Gespenst, das sich nach wie vor verbissen an sinnlose Vergangenheitsriten, an das Vorzeigen vergilbter Familienfotos oder das Offenhalten seiner Zimmertüre vor dem Zubettgehen klammert; kleine Gesten, die dem Charakter, aller amoralischen Taten zum Trotze, ein kleines Quäntchen menschlicher Eigenheit zugestehen und infolgedessen eine immense Verletzlichkeit, die heimliche Sehnsucht nach Kontakt und Bindung zur Außenwelt, formulieren. Doch selbst den Zuseher, den letzten Zeitzeugen und Begleiter des Protagonisten, verbannt die Kamera mit einem abschließenden, schroffen Schnitt vor die Türschwelle, degradiert den Rezipienten vom aktiven Teilhaber auf vielsagende Weise zurück zum fernen Beobachter. Für Sheeran bleiben indes, eingesperrt in den tristen Korridoren des Altersheims, weder Würde noch Ruhm oder Genugtuung. Nur die verbitterte Vorbereitungen auf seinen nahenden Tod. Und Leere.

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          • Wird Zeit, dass einige User hier langsam in das Jahr 2019 finden. Das Mittelalter ist vorbei.

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            • moviesforlife 14.05.2019, 04:16 Geändert 14.05.2019, 22:33

              Gewiss, innerhalb des törichterweise selbstauferlegten Korsetts einer sechs Episoden umfassenden Abschlussstaffel erscheint die Vorbereitung des finalen Konflikts sprunghaft, die Auflösung vieler Handlungsstränge übereilt, die Weiterentwicklung einzelner zentraler Figuren zu zaghaft ausgereift. Sicher, die Konfrontation zwischen Jaime und Euron mag sich als schwach konstruierter Selbstzweck und das Auftreten der Goldenen Kompanie als unnötiger Zierrat entlarven. Doch schließt die achte Staffel in ihrem fünften Kapitel mit einer konsequenten Kulmination, entwirft ein - speziell im Vergleich zur fürchterlich chaotischen dritten Episode - übersichtliches, in flackernde Grün- und Orangetöne gewandetes Schlachtengemälde, distanziert sich dabei schließlich gar von Daenerys' zuvor nur selten hinterfragter Figur. Die reichlich kitschige Illusion der (Sklaven-)Befreiung durch Eroberung weicht einem Bild von Vergewaltigung und Mord, von Elend und Asche, von Affekthandlung und Plünderung. Überraschend ist dabei in erster Linie das immense Interesse der Inszenierung an menschlichen Einzelschicksalen, sodann die Kamera, unermüdlich auf sowohl Zivilisten als auch Fußsoldaten fokussierend, ständig Empathie evoziert, während Daenerys im Bildhintergrund zum aggressiven, stetig präsenten Fremdkörper degradiert wird. Gleichermaßen führt die Episode das Schicksal zweier Geschwisterpaare zu einem sich gegenseitig stimmig ergänzenden Symbolbildnis und findet in Form des von Ruß bedeckten weißen Fells eines verängstigten Pferdes, als augenscheinlich einzigem lebendigen Wesen inmitten von Tod und Trümmern, zu einer sinnstiftenden Schlusseinstellung.

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              • Hilfe, was war das denn? Über eine Zeitspanne von mehr als 80 Minuten malträtiert diese unbedachte und erschreckend gefallsüchtige Blockbuster-Episode sowohl Verstand als auch Sehnerv mit sich der vollkommenen konzeptionellen Willkür unterwerfenden Bilderlawinen, stets die zentralen Charaktere schonend, stets nach den pathetisch konstruierten Heldentoden entbehrlicher Nebenfiguren lechzend. Geistlos tänzelt die hyperaktive Kamera von Perspektive zu Perspektive, getrieben durch den hektisch dirigierten Schnitt, verwehrt jedwede Projektion von Räumlichkeit, schafft keinerlei Volumen, stellt keine Kausalität und keine Dimension. Strukturell scheitert die Schlacht bereits an ihrer fragmentarischen Architektur sowie der scheinbar beliebigen Positionierung sämtlicher Protagonisten - nur selten herrscht Kohärenz, keiner Aktion folgt eine Reaktion - und kulminiert schließlich unter schrillen "Deus ex machina"-Fanfaren in einem die Charaktere restlos zu Drehbuch-Marionetten degradierenden Materialfeuerwerk. Berechenbarer und entsinnlichter war "Game of Thrones" selten.

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                • Sollte "Black Panther" tatsächlich den "Best Picture"-Oscar gewinnen, lösche ich mein Profil.

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                  • Wie gewohnt wird das möglichst akkurate Nachahmen historisch beziehungsweise kulturell relevanter Persönlichkeiten als großes Schauspiel geadelt.

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                            • Die Kommentar-Sektion ist, wie gewohnt, Unterhaltung auf filmreifem Niveau.

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                              • Seltsames Voting - finden sich die schlechtesten Filme des Jahres doch beinahe ausnahmslos unter den Auswahlmöglichkeiten in der Abstimmung zum besten Film 2018.

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                                • Sag sofort etwas über "The House That Jack Built", sonst box ich dich!

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                                  • Robert "Videospiele sind keine Kunst" Terwilliger gefällt das nicht.

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                                        Eine todsichere Regie: Mit betörender Präzision lotet Quentin Tarantino die formale Architektur des exploitativen Kinos aus, tastet sich moderat von ausgefeilten Jump-Cuts, verwackelten Dialogverschnitten, fingierten Eröffnungssequenzen und einer körnig-rauen Bildästhetik über das Schwarz-Weiß-Segment zu Beginn des zweiten Aktes und den anschließenden Übergang in jäh hochauflösendes Bild, bedachte Statik sowie minutenlang ausgedehnte, sanft die Figuren umgarnende Einstellungen. Kein stilistischer Konventionsbruch bleibt unversucht, keine Positionierung scheint der Kamera zu radikal, kein Erzählmechanismus dem Drehbuch zu subversiv. Und dennoch träumt "Death Proof" selbst im hektischsten Perspektivwechsel, selbst in der Unmittelbarkeit des grobschlächtigsten Dialogs noch von der schmutzigen Sinnlichkeit, der unbeschwerten Extravertiertheit eines voll Übermut entfesselten Kinos.

                                        So lädt bereits der anfänglich geführte Diskurs - als Angelpunkt der Dialogdynamik dient, gleich einem Sinnbild des gesamten Films, ein fahrendes Auto - die bildsprachliche Textur zum besinnungslosen Ballett: Wild tanzt die Kamera von einem wahnwitzigen Winkel in den nächsten, verbindet oder unterbricht Gespräche, zentriert eine Figur, um eine andere demonstrativ auszublenden, rückt nahe und dann wieder in weite Distanz, fotografiert von innen, von außen, von hinten, von vorne, schneidet vom Jetzt in das Danach, vom Sinn in den Unsinn, vom Irgendwo in das Nirgendwo.

                                        Exzessiver noch als "Kill Bill" oder "Jackie Brown" exponiert "Death Proof" die Körperlichkeit des Weiblichen, um die von erotischer Spannung dominierte Inszenierung alsbald gegen Weltbild und Wahrnehmung des Publikums auszuspielen. Bewusst saugt die Kamera an langen, grazilen Beinen, fixiert aufreizend geschwenkte Hüften, enge Hosen, gepflegte Füße und volle Lippen, findet schließlich in der für die Handlung zentralen Lapdance-Szene ein audiovisuelles Extremum. Vorgeführt wird zunächst immer erst das Fleischliche, selten oder nur zweitrangig das Individuum. Ähnlich wie die überlebensgroßen Plakate am Straßenrand, die Bilder im Modemagazin oder die heimlichen Fotografien des Antagonisten Stuntman Mike die filmschaffenden Hauptfiguren als Objekte ausstellen, gibt "Death Proof" als Film sie in geradezu parodistischer Manier dem Zuseher feil und regt infolgedessen zur Reflektion an, gleichermaßen über das Selbst als auch über die oberflächliche mediale Zurschaustellung der Frau im Gesamten.

                                        Unterschiede zwischen der Perspektive des Patriarchen Stuntman Mike und derjenigen des Zuschauers zieht der Film in seiner subjektiven Präsentationsform kaum. Unmittelbar vor dem ersten großen Gewaltexzess wird Letzterer unter mimischem Bruch der vierten Wand gar zu Mikes Mitverschwörer geadelt und wenig später vielsagend mittels Point-of-View-Shot durch einen Fotoapparat an dessen aggressivem Stalking beteiligt. Speziell an diesem Punkt gibt sich "Death Proof" am transzendentesten: Eine Kamera filmt eine Kamera, die gleichzeitig den Handlungsverlauf dokumentiert - die debattierenden Frauen, welche ihrerseits über die Filme reden, in denen sie vor der Kamera auftreten, also in gewisser Weise ebenfalls exponiert, auf das Körperliche reduziert, werden.

                                        Umso mehr gleicht die finale Hetzjagd einer innigen Wunschvorstellung, einem emanzipatorischen Aufbegehren, einem tollkühnen Akt der Rache und entlarvt Mike in letzter Konsequenz als erbärmliche Existenz. Sekundenbruchteile nach seinem Ableben endet, dem Gedanken der subjektiven Perspektive folgend, gleichsam auch der Film und schließt andächtig mit in den Abspann integrierten "Shirley Cards"; Rudimenten aus filmtechnischer Frühzeit, verwendet vornehmlich in den 40er- und 50er-Jahren zur Kamerakalibrierung auf eine möglichst "europäische" Abbildung von Hauttönen. Erstmals eingesetzt wurde diese Technik bei einem weiblichen Model und entspricht somit einer weiteren Zurschaustellung der Frau, in diesem Fall allerdings nicht aufgrund optischer Reize, sondern mit rassistischem Hintergedanken.

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                                          moviesforlife 01.07.2018, 14:08 Geändert 08.07.2018, 23:06

                                          Über ein Monat liegt nun bereits zwischen mir und der letzten Episode von "Die Sopranos". Über ein Monat und immer noch fühle ich mich ungemein bereichert. Viel hat mir die Serie gegeben, sowohl im Intellektuellen als auch auf emotionaler Ebene. Oft zwar Unangenehmes und Erschreckendes, doch nicht weniger häufig Wärme und Geborgenheit. Daher scheint es an der Zeit, "Die Sopranos" etwas für die zahllosen wertvollen Lektionen zurückzugeben. Und zwar in Form einer analytischen Besprechung:

                                          https://www.moviepilot.de/news/die-sopranos-ein-serielles-therapeutikum-1106936

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                                          • moviesforlife 26.05.2018, 14:47 Geändert 26.05.2018, 15:02

                                            Puh, also ursprünglich hatte ich nicht vor, unter diesem Artikel etwas zum Thema zu schreiben, aber da in der Kommentarsektion mittlerweile drei völlig unbedenkliche Beiträge gemeldet wurden - wohingegen andere mit Sicherheit fragwürdigere Posts noch nicht gesperrt sind - und ich gestern außerdem eine drollige PN-Drohung erhalten habe (http://www.bilder-upload.eu/show.php?file=78dcf8-1527335558.png) ist es jetzt womöglich an der Zeit für ein paar Worte.

                                            Wie einige Individuen hier die Kollektivfrustration über zahlreiche Beschuldigungen beliebter Hollywood-Stars missbrauchen, um ihre unverhohlene Frauenverachtung zu kanalisieren, ist schlichtweg untragbar. Hier wird mittels dreistester Täter-Opfer-Umkehrung behauptet, das weibliche Geschlecht sei doch selber schuld, wenn es von Männern belästigt würde; an anderer Stelle wird gesagt, dass sich Frauen gefälligst nicht so anstellen und anzügliche Kommentare oder ungewollten Körperkontakt geflissentlich über sich ergehen lassen sollen, schließlich würde ein Mann in derselben Situation genauso reagieren. Einige erlesene Menschenkenner meinen allem Anschein nach sogar, ein Pauschalurteil darüber fällen zu können, dass es keinen Mann dieser Welt je gestört habe, von einer Frau im Intimbereich berührt zu werden, wohingegen sämtliche Frauen natürlich viel schlimmer seien, ständig sexuell provozieren und damit Männer belästigen, im Gegenzug aber bei jedem Blickkontakt sofort mit einem Gerichtsverfahren wegen Vergewaltigung drohen würden.

                                            Merkt ihr eigentlich, was für ein gruseliges Weltbild ihr da verbreitet?

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