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Alle Kommentare von moviesforlife
Das Kino.
"Hero" ist eine vollendete Ode an die Sinnlichkeit; eine Tatsache, die anfangs verwunderlich scheint, schließlich zeichnet die Handlung aufgrund ihres über weite Strecken geringen Gehalts an Sensibilität - die Hauptfiguren bewilligen, mit Ausnahme des finalen Akts, kaum emotionale Interaktion, stattdessen werden Konflikte stets mit dem Schwert, politische Differenzen sofort durch einen Eroberungskrieg gelöst - einen deutlichen Kontrast ab. Je länger sich diese nicht enden wollende Flut an Gewalt, Zerstörung und bis zur Besinnungslosigkeit ästhetisierten Kampfchoreographien allerdings auf den Zuseher ergießt, umso deutlicher wird Yimou Zhangs wahres Motiv: Die visuelle und auditive Gestaltung soll nicht die Handlung rechtfertigen, nein, sie dient als Rechtfertigung ganz für sich alleine, gibt sogar ihrerseits den Plot vor und nicht umgekehrt. Anders gesagt spielt es keinerlei Rolle, was in "Hero" gezeigt wird - sei es beispielsweise ein Duell mit dem Schwert oder eine Sex-Szene - sondern einzig und allein wie es gezeigt, beziehungsweise inszeniert wird.
Entsprechend redundant wirkt die als Parabel konzipierte Rahmenhandlung; sogar derart austauschbar, dass sie dies mittels eines geschickten Meta-Kommentars selbst zugibt. Interessant ist dahingehend auch der inhaltliche Vergleich mit Akira Kurosawas "Rashômon", der sich einer ähnlichen Erzählstruktur bemächtigt, also ein Szenario aus mehreren subjektiven Perspektiven beleuchtet und damit die Unerreichbarkeit vollkommener Objektivität charakterisiert. Im Gegensatz zu "Rashômom" überantwortet "Hero" dem Zuseher jedoch nicht das Urteil über Realität und Fiktion, sondern überlässt dies einer richterlichen Instanz, einem Monarchen, was einerseits die Konzentration auf das inhaltlich Wesentliche bedeutend erleichtert, gleichzeitig aber auch herauskristallisiert, wie platt, generisch und vernachlässigbar die meisten Handlungsstränge des Films im Grunde sind. Spannend wird die Geschichte nämlich erst, wenn man sich ihr bildsprachlich annähert, die visuelle Gestaltung Szene für Szene detailliert analysiert sowie die Bedeutung der immer präsenten Farbsymbolik entschlüsselt. Spätestens dann wird klar: "Hero" ist einer der schönsten Filme des bisherigen Millenniums.
Und das liegt nicht nur in der epochalen Gewalt der Bilder, ihrer unvergleichlichen Dynamik oder der poetischen Farbgestaltung jeder einzelnen Szene begründet, sondern vor allem in der Art und Weise, wie hier das Visuelle die Aufgabe des Narratives, eine mitreißende Geschichte zu erzählen, übernimmt. Ja, permanent herrscht in "Hero" Kommunikation zwischen Bildern und Betrachter, weitaus mehr als es von Seiten der Handlungsebene passiert, was die nach Perfektion lechzende Regie konstant bis hin zur absoluten optischen Ekstase treibt. Wenn in "Hero" zwei Menschen gegeneinander kämpfen, dann kämpft gleichsam die gesamte Umgebung, ähnlich einer Art Naturgewalt, mit ihnen mit - Wassertropfen werden zur Waffe umfunktioniert, ein Windstoß voll Blätter fegt zwischen die Kontrahenten und das gelbe Blattwerk der Bäume färbt sich im Augenblick des Todes plötzlich scharlachrot.
Auch hier gilt wieder: Die Inszenierung wird zu keinem Zeitpunkt durch den Plot, sondern allein durch ihre ausgefallene Ästhetik legitimiert. Der Film geht sogar einen Schritt weiter und löst gängige Drehbuchkonventionen sowie physikalische Gesetze der Choreographie Willen restlos auf. Ein Schwertkampf wird hier zur Metapher, das Duell kann selbst noch dutzende von Metern hoch über der spiegelglatten Wasseroberfläche eines Sees ausgetragen werden und fühlt sich nie nach einer willkürlichen Action-Szene, sondern vielmehr nach einer Allegorie, einer symbolischen Abhandlung, an - nicht zufällig wird in besagter Szene immer wieder auf die Reflektionen im Wasser fokussiert - und auch häufige Verweise zur Kalligraphie besitzen in diesem Zusammenhang ihre Berechtigung.
Die Action strebt in ihrem Aufbau nach totaler visueller Vollendung, sucht die vervollkommnete Schönheit in jedem Schwerthieb, jedem Konterangriff, jedem Sprung. Beinahe scheint es so, als wolle Yimou Zhang durch die über alle Grenzen hinauswachsende Dynamik der Kampf-Sequenzen unterschwellige Kritik an der Konventionalität und Eingeschränktheit des standardisierten Actionkinos üben - allein der Filmtitel "Hero" kann als zynischer Seitenhieb auf die Mystifizierung des typischen Actionhelden verstanden werden.
Während "Hero" also auf den ersten Blick grobschlächtig und mit wenig Feingefühl erzählerische Exposition betreibt, ist das bildsprachliche Vorgehen weitaus eleganter und wie bereits beschrieben - in Symbiose mit der betörenden Titelmelodie von Tan Dun - um Längen zielführender. So trägt die farbliche Szenengestaltung beispielsweise enorm zur emotionalen Charakterisierung der Hauptfiguren bei. Die Farbe Rot, welche häufig im ersten Drittel des Films Verwendung findet, steht etwa für intensive Gefühle wie Wut, Hass, Missgunst, Mordlust und sicherlich auch (unerwiderte) Liebe, wohingegen Blau als Zeichen von innerer Ruhe, Harmonie, Ausgeglichenheit, Melancholie eingesetzt wird, während Grün aufkeimende Hoffnung nach einer besseren Zukunft und Schwarz zwischenzeitlich immer wieder eine tödliche Gefahr versinnbildlicht. Schließlich bleibt noch das im letzten Drittel oft genutzte Weiß, eine Verkörperung von Nüchternheit und Objektivität, indirekt aber gleichzeitig eine Metapher für Reinheit, ähnlich wie der Schlussakkord von "Hero" für sämtliche Figuren einen reinigenden, beinahe befreienden Charakter einnimmt.
Dabei liegt es jedoch nahe, das Ende des Films als moralisch fragwürdige Kriegsverherrlichung zu interpretiert, schließlich wird hier der Krieg als eine durchaus sinnvolle Lösung angeboten, um damit letztlich das Land China zu vereinigen. Doch strebt die Botschaft von "Hero" eigentlich in die exakt gegenteilige Richtung: Der Namenlose entscheidet sich gegen das Attentat und bleibt damit die wohl selbstloseste Figur des gesamten Films, was sogar der Monarch tiefgerührt und voller Respekt anerkennen muss. Zu einem Krieg kommt es natürlich dennoch, aber bezeichnenderweise zeigt Zhang keine einzige Szene davon - lediglich das Resultat, China als Einheit, wird am Ende angeführt - was nicht nur etwaige moralische Vorwürfe gegenüber "Hero" relativiert, sondern auch verdeutlicht, dass der Krieg im Kontext des Films nicht als Krieg im herkömmlichen Sinne gedacht ist. Vielmehr geht es um das Erreichen eines noblen Zieles, der glücklichen Vereinigung aller Menschen unter einem Himmel, zu dessen Erfüllung ein Krieg die einzige Lösung ist, die der König aus seiner subjektiven Perspektive wahrnimmt. Für den Film zählt also lediglich die Entscheidung für das Wohle aller zu kämpfen, der Willen, die Welt besser zu machen und nicht die fragwürdigen Mittel, die der König schließlich dafür einsetzen mag.
Der oft zitierte Satz "Alle unter dem Himmel" erfasst außerdem die eigentliche Essenz von Yimou Zhangs Werk relativ prägnant. "Hero" ist ein Film, der sich um das Wohlergehen jedes einzelnen seiner Charaktere sorgt, sie immer und immer wieder vor dem grausamen Sog der Historie zu retten versucht, ihnen selbst während der in allen Szenarien unvermeidbaren Schlusstragödie noch ausreichend Ehrerbietung zollt. Es ist ein philanthropischer Film, der sich nicht minder um das Individuum besorgt zeigt als um die Menschheit als nationale Einheit. Denkbar passend gewählt ist deswegen die Schlusseinstellung, eine Aufnahme der chinesischen Mauer, die symbolisch einerseits für Sicherheit, Hoffnung und eine Gemeinschaft steht, andererseits aber von ihren Schöpfern, eben genau wie dieser Film, als ein Monument für die Ewigkeit erdacht wurde.
"I met a traveller from an antique land
Who said:
Two vast and trunkless legs of stone,
Stand in the desert...
Near them on the sand,
Half sunk,
a shattered visage lies,
whose frown and wrinkled lip,
and sneer of cold command.
Tell that its sculptor well those passions read,
Which yet survive, stamped on these lifeless things.
The hand that mocked them, and the heart that fed.
And on the pedestal these words appear:
My name is Ozymandias! King of kings!
Look on my works, ye Mighty, and despair!"
"Kann das noch übertroffen werden?"
Ja. ;-)
Da: https://www.moviepilot.de/liste/das-beste-am-filmjahr-2017-moviesforlife
Noch mehr Rankings - yay! Dieses Mal mit den acht schönsten Serien, die ich im Jahr 2017 zum ersten Mal gesehen habe.
Jetzt wird sich vermutlich der eine oder andere Experte provoziert fühlen, da sein absoluter Lieblingsfilm aus 2017 hier gelistet ist. Aber hey, das ist mir relativ egal. ¯\_(ツ)_/¯
Und ab in Runde 2 mit dem bewährten Filmtagebuch!
Um ein wenig gegen den Strom der ganzen obligatorischen Jahresbestenlisten zu schwimmen: Hier mal ein Ranking meiner schönsten filmischen Neuentdeckungen des Jahres. Sprich die besten Filme, die ich 2017 zum ersten Mal gesehen habe. Have fun!
Warum "Star Wars: Episode VIII" kein guter Film ist - Eine analytische Betrachtung (ohne Spoiler)
Rian Johnsons "Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi" ist bis zum jetzigen Zeitpunkt zweifelsohne das Schlechteste, was je kanonisch unter dem Titel "Star Wars" veröffentlicht werden durfte. Ja, dieses Werk ist - wie es im Vorfeld bereits zu erahnen war - ein Disneyfilm durch und durch: Mutlos, naiv, inkonsequent, erzkonservativ und selbstverständlich frei von der erzählerischen Kraft oder der emotionalen Tragweite eines ernstzunehmenden "Star Wars"-Vermächtnisses, ganz zu schweigen der Größe von George Lucas' Originaltrilogie.
Wenn es zu Anfang aber eine Sache gibt, die man Rian Johnson nebst aller berechtigten Kritik ganz gewiss nicht zum Vorwurf machen kann, dann ist es das Fehlen von Originalität in Form aufrichtiger künstlerischer Ambitionen. Gerade im Vergleich zur relativ feigen Erzählung eines J.J. Abrams in "Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht" gibt sich Johnson redlich Mühe, nicht allzu sehr durch permanente Reminiszenzen, aufdringliche Querverweise oder berechenbaren Fanservice anzubiedern und stattdessen eine eigene, individuelle Vision seines Films zu verwirklichen, welche im besten Falle völlig losgelöst von narrativem Kalkül funktioniert. Was nun auf dem Papier nach eigenwilligem Blockbusterkino im Geiste eines Christopher Nolan anmutet, entpuppt sich in der Ausführung jedoch rasch als katastrophale Fehleinschätzung. Gewiss, "Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi" ist zwischenzeitlich durchaus originell und bewegt sich weit weniger nah an der Grenze zum dreisten Plagiat als es noch die beiden Vorgänger unter der Produktion Disneys taten. Allerdings besitzt der Film gleichzeitig ein weitaus gravierenderes Defizit als mangelnde Originalität. Und das ist Inkonsistenz.
Während es J.J. Abrams nämlich trotz der zu großen Teilen abgekupferten Geschichte gelang, einen wunderbar flüssig erzählten und in sich durchaus stimmigen "Star Wars"-Film zu inszenieren, so will "Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi" aller Liebesmüh zum Trotze partout nicht als Gesamtwerk funktionieren; zu unschlüssig ist sich die Handlung, zu schizophren erscheint das Drehbuch und viel zu disharmonisch präsentiert sich der Film im Ganzen. Vergleichbar mit zerrissenen Figuren wie Kylo Ren oder Luke Skywalker ist auch "Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi" im Kern ein Film, der ständig mit sich selbst im tiefen Zwiespalt zu stehen scheint.
Der narrative Zwist gibt sich bereits von Anfang an rasch zu erkennen: Einerseits strebt die Handlung merklich danach, ein packendes Gefahrenszenario aufzubauen, die Protagonisten also mit einer ernsthaften Bedrohung zu konfrontieren, auf der anderen Seite wird aber gleich in der Einleitungsszene mehr Selbstironie platziert als es je zuvor in einem anderen Film der "Star Wars"-Saga der Fall war. Und auch im späteren Verlauf wankt das Drehbuch behelfsmäßig und nur wenig akrobatisch zwischen düsteren und albernen Momenten hin und her, die Stimmung kippt häufig nahezu willkürlich von ernsthaft zu unpassend locker und vice versa, der Film bewegt sich teilweise gar am Rande der peinlichen Selbstparodie. So viel steht fest, Humor war in "Star Wars" in unterschiedlicher Form schon immer omnipräsent, im Gegensatz zu "Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi" aber in wohldosierter Menge und mit feinsäuberlichem Augenmerk auf die jeweils priorisierte Tonalität.
"Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi" zeigt diesbezüglich aber nur selten echtes Fingerspitzengefühl, walzt hingegen lieber allen Inhalt mit zwei thematischen Extrema nieder - entweder kalt und ungewohnt düster oder eben grell, kunterbunt und mit extra viel vorgehaltener Coolness, garniert durch gewaltige Mengen an Disneys wohlbekanntem Zuckerguss-Kitsch. In erster Linie ist es aber die Dramaturgie des Films, die unter dessen schierer Janusköpfigkeit zu leiden hat. Kaum ernst zu nehmen ist eine Bedrohung durch die "Erste Ordnung", sobald man an der Front damit beginnt, muntere Kommunikation miteinander zu betreiben, ein schlechter Scherz nach dem anderen fällt und schließlich sogar ein abgewandelter "Deine Mutter"-Witz gerissen wird. Dramatik kommt dabei so gut wie nie auf, das Gefühl einer wirklichen Gefahr macht sich bloß in wenigen Szenen bemerkbar und selbst die sympathischen Charaktermomente büßen dank der mäßig geschriebenen, überstrapazierten Gags viel von ihrem eigentlichen Charme ein. Ja, im Vergleich dazu wirkt sogar der vielkritisierte "Star Wars: Episode I - Die dunkle Bedrohung" wie ein bodenständiges, ausgeglichenes und bierernstes Manifest an atmosphärischer Dichte.
Zugegeben, in seinen besten Momenten wagt "Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi" durchaus interessante Dekonstruktion, spielt nicht ineffizient mit den Erwartungen seines Publikums und auch das Drehbuch offenbart hin und wieder ungeahnt mutige Entwicklungen. Doch die kompromisslose Inkonsequenz dieser raren Lichtblicke bleibt zum Haareraufen. Denn: Wieso geht Johnson überhaupt so weit, mit ungewöhnlichen Regieentscheidungen potenziell anzuecken, wenn er schließlich doch davor scheut, diesen Stil konsequent von vorne bis hinten durchzuexerzieren? Warum fallen häufig biedere und gefällige Szenen auf, die ganz klar an den grölenden "Star Wars"-Fandome adressiert sind, wenn Johnson den Mut zu haben scheint, nicht immer konform mit den Erwartungen der Nerdkultur zu gehen? Wieso fügt er der Geschichte langweilige, absolut uninteressant gestaltete und nichtssagende Figuren hinzu, wenn er das Schreiben von ambivalenten, doppelbödigen Charakteren - man betrachte als Beispiel Kylo Ren - recht gut zu beherrschen scheint? Ja, warum nur kneift und buckelt Johnson ausgerechnet in den entscheidenden Momenten so sehr? Wiederspricht sich der Film damit nicht in höchstem Maße selbst, seiner eigenen Ideologie?
Doch ist die spürbare Drehbuchinkonsistenz lediglich der Größte von vielen Makeln, denn auch insgesamt kann die Handlung, Versatzstück für Versatzstück betrachtet, nur selten überzeugen. Zu schlecht und berechenbar geschrieben ist das Drehbuch an verschiedener Stelle, zu langweilig die neuen Charaktere - ganz zu schweigen von den nach primitivstem Kindchenschema designten Merchandise-Figuren, welche zum tatsächlichen Handlungsverlauf rein gar nichts beitragen - zu charakterlos der zum bloßen Plot-Device funktionalisierte Hauptantagonist, zu sehr stagniert die Rahmenhandlung von Anfang bis Ende, zu kraftlos und versöhnlich geben sich die wenigen dramatischen Szenen des Films.
Gerade der letzte Punkt ist äußerst bedauerlich, denn ab und zu hätte sich "Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi" in der Tat eine gewisse Tragik erarbeiten können. Doch leider schreit die Realität viel eher nach durchschaubarem Drehbuchhandwerk aus dem Kindergarten: Die wichtigsten Hauptfiguren sind meterdick in Plotrüstung eingepackt, ein pathetischer "Deus ex machina"-Moment jagt den Nächsten, manche Figuren überleben gleich mehrfach völlig unbeschadet unmöglich konstruierte Gefahrensituationen und selbst wenn es in ein oder zwei Momenten absolut sicher scheint, dass "Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi" eventuell doch noch mit einem konsequenten Charaktertod überraschen könnte, zieht der Film kurzerhand die weiße Fahne und kapituliert in erbärmlichster Manier vor Disneys familienfreundlicher Kinopolitik.
Die Dialoge bewegen sich hierbei konstant auf einem Niveau zwischen mal mehr, mal weniger amüsanten One-Linern, unpassend esoterischen Monologversatzstücke und lächerlich stumpfen, nichtssagenden Plattitüden von der intellektuellen Tiefe eines "Twitter"- oder "Tumblr"-Zitates, in ihrer Subtilität lediglich untertroffen durch die subtextuellen Handlungsansätzen. Besonders grausig ist die vorgehaltene Kapitalismuskritik im Mittelteil des Films: Wohlwollende Stimmen dürften diesen trögen Zwischenakt inhaltlich noch als nett gemeint - wenngleich schlecht umgesetzt - abschätzen, ein kritischerer Betrachter könnte aber leicht nach dem Vorwurf der ideologischen Doppelzüngigkeit greifen, schließlich ist Produzent Disney selbst das Musterbeispiel schlechthin für Kapitalismus in seiner reinsten Form.
Freilich, "Star Wars" steht und stand noch nie für virtuos geschriebene Drehbücher oder anmutige Dialoge, aber selbst die sich sowohl in der Prequel- als auch in der Originaltrilogie abzeichnenden, von minderer Drehbuchqualität zeugenden Plotmechanismen fallen quantitativ kaum ins Verhältnis, verglichen mit all den elenden und auf verschiedenen Ebenen entsetzlichen Patzern im Drehbuch von "Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi", was besonders schade ist, wenn man bedenkt, dass es Rian Johnson gewiss nicht an Talent oder der nötigen Erfahrung mangelt, schließlich erbrachte er bereits mit "Looper" einen Beweis von mindestens grundsolider Science-Fiction und erschuf sowohl "Die Fliege" als auch "Ozymandias", zwei der herausragendsten Episoden aus der Serie "Breaking Bad".
Was ist es also, das schlussendlich von "Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi" bleibt? Nicht viel, fürchte ich. Zumindest aber sollte der angestrengte Versuch eines nicht talentlosen Regisseurs, ein Stück weit gegen die Erwartungen seiner Fangemeinde und die gängigen Blockbuster-Konventionen zu rebellieren, an dieser Stelle kurz honoriert werden. De facto kann man sich einer grundlegenden Sympathie für Johnsons größtenteils unbeholfene Gehversuche gar nicht erwehren, so erfrischend ist es, einen Filmemacher bei dem verzweifelten Versuch zu beobachten, sich provokativ wie ein bockiges, kleines Kind einer Armada an "Star Wars"-Fans entgegenzustellen und schlussendlich seiner eigenen Zielsetzung - und vielleicht auch dem einschüchternden Schatten Disneys - zu unterliegen.
Trotz dieses Umstandes ist "Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi" aber dennoch eine durchweg deprimierende Angelegenheit. Der Film hätte ein inoffensives, schön anzusehendes Märchen werden und damit an J.J. Abrams' siebten Teil anknüpfen, ebenso gut aber auch ein zielstrebiges, gnadenloses "Fuck you!" an die Gefälligkeit eben jener siebten Episode darstellen können - eine destruktive Antithese. Jedoch strauchelt "Star Wars: Episode VIII - Die letzten Jedi" dauerhaft über zweieinhalb Stunden hinweg zwischen der einen und der anderen Möglichkeit hin und her, will sich selbst ganz zum Schluss beim besten Willen nicht entscheiden.
Es ist traurig, aber wahr: Rian Johnsons "Star Wars" ist weder Fisch noch Fleisch. Sicher, der Film bietet eine Handvoll interessanter Ideen und Handlungsansätzen, hübsche Bilder, zwei bis drei spannend gestaltete - aber nur spärlich weiterentwickelte - Charaktere, sowie allerhand netter technischer Spielereien. Aber dennoch ist es ein schlechter Film.
Yes, gerne mehr Liebe für "Die rote Schildkröte"!
Mich überrascht aber ehrlich gesagt, dass es "Moonlight" nicht auf die Liste geschafft hat. Funktioniert in meinen Augen als Drama sogar noch um Nuancen besser als "Manchester by the Sea".
Nur ein weiterer Beweis dafür, dass 2017 ein fantastisches Jahr für das Serienmedium, gleichzeitig jedoch ein katastrophales Jahr für das Kino war.
Selbst unter den Titeln der größten und bedeutsamsten Meisterwerke der nunmehr über hundertzwanzig Jahre alten Filmgeschichte findet sich eine kleine Gruppe herausragender Werke, die sich in ihrem schieren Wert von allem abheben, was das Kino als solches definiert, das Filmmedium in unendlicher kreativer Freiheit bereichern, ja, der Menschheit wahrhaftig ein künstlerisches Erbe hinterlassen. Wie dem auch sei, sogar unter diesen Filmen existieren einige Ausnahmefälle und selbst unter diesen Ausnahmefällen gibt es noch Andrei Tarkowski. Nicht umsonst gehört der sowjetische Filmemacher für viele Cineasten zu den erstaunlichsten Visionären der Kunstgeschichte, unter dessen Schaffen sich beeindruckende Werke wie "Iwans Kindheit", "Nostalghia" und "Andrej Rubljow" an bewusstseinserweiternde Jahrhundertfilme wie "Solaris", "Der Spiegel" oder eben "Stalker" reihen.
Nein, es wäre mit Sicherheit nicht vermessen, "Stalker" als den fraglos außergewöhnlichsten Film zu bezeichnen, der jemals von Menschenhand geschaffen wurde. Ihn derweil jedoch als ein Meisterwerk zu kategorisieren, gleicht bestenfalls einer mehr als schmälernden Herabwürdigung von Tarkowskis Kunst - in etwa so als würde man DaVincis "Mona Lisa" nur als ein Bild oder Michelangelos "David" als eine bloße Skulptur bezeichnen - bewegt sich "Stalker" doch weit außerhalb aller Grenzen des für die menschlichen Sinne Erfassbaren, des Greifbaren und in Worte zu fassenden, durchbricht sämtliche Barrieren, die das Medium Film üblichwerweise in Fesseln halten und schafft ein filmisches Konstrukt, frei losgelöst von vergleichsweise redundanten Dingen wie Zeit, Ort, Kohärenz, Rationalität und Logik. Alles nur Banalitäten, an die sich viele Rezipienten aus reinem Komfort zu klammern scheinen, wenngleich Derartiges in einem Film prinzipiell absolut nicht vonnöten ist, es die Kunst gewissermaßen sogar in ihrer bedingungslosen Freiheit einschränkt.
Das Erste, was in "Stalker" - noch während des Vorspanns - zu sehen ist, ist eine sich öffnende Tür. Und genau so fühlt sich auch das Erleben des gesamten Filmes an: Wie das Öffnen einer Tür. Es ist eine Tür hinein in das menschliche Unterbewusstsein, in die Tiefen des Verstandes, in das intimste Seeleninnere. Will man diese Tür durchschreiten, sollte man sich dem Film und dessen schwer fassbarer, meditativer Schönheit jedoch voll und ganz hingeben, seinen Geist von Bekanntem freisagen, um ihn für das Neue zu öffnen und sowohl bereit für die vielen Wunder als auch für die nicht minder zahlreichen Schrecken sein, die sich hinter besagter Tür - und damit hinter dem Individuum Mensch - verbergen mögen.
"Stalker" ist, so seltsam und paradox dies auch klingen mag, ein Film, auf den man sich zwingend mit jeder Faser seines Körpers konzentrieren sollte, von dem man sich zeitgleich aber auch unbesorgt davontragen lassen kann. Hat man sich "Stalker" nämlich geöffnet, fällt es fortan denkbar leicht, von dessen Bildpoesie, den langen, (alp-)traumähnlichen Einstellungen und der Unverfälschtheit seiner visuellen Ästhetik mitgerissen zu werden. Sowohl der Verzicht auf narrative Konventionen als auch die jedwedem Gefühl der Räumlichkeit widersagende Kamera mag anfangs irritieren, entfaltet alsbald aber eine kaum verbalisierbare, zutiefst sinnliche Sogwirkung. "Stalker" zu sehen fühlt sich weniger wie das Schauen eines Films als vielmehr wie eine Odyssee in den eigenen Geist an. Es ist nur schwer greifbar, kaum real oder verarbeitbar, ähnlich dem Traum eines Traumes oder der Erinnerung an eine Erinnerung.
Den einzigen konstanten Anhaltspunkt zur Entschlüsselung des Films stellt die sogenannte "Zone" dar; ein Ort mystischen Zaubers, in welchem die Naturgesetze außer Kraft gesetzt sind, der kürzeste Weg nie der Einfachste ist und oft die reine Willkür regiert. Dieses sagenumwobene Territorium steht symbolisch zweifelsohne für den menschlichen Verstand, also ebenso für all das, was sich hinter jenem verbirgt: Das Unterbewusste, Assoziative, Unfassbare, das elementar Menschliche, vor allem aber das Rohe und Natürliche. So zeugt die "Zone" vom Triumph der Natur über die Zivilisation, dem Sieg des Okkulten über das Rationale und Berechenbare. Ähnlich wie in "Der Spiegel" wird der Natur in "Stalker" etwas Göttliches, beinahe Schicksalsbestimmendes zugesprochen. Sie hat - als weitere Parallele zur menschlichen Natur - eine Schöpferposition inne, formt die Menschen, die sich in ihr aufhalten, wird aber nichtsdestoweniger auch von ebendiesen Menschen geformt.
So gesehen vereinigt die "Zone" den vom Menschen aktiv kontrollierbaren Teil seines Wesens mit dem, was darüber hinausgeht; das Unbeeinflussbare, nahezu Unergründliche, das nicht selten eine Qual darstellt, uns aber dennoch gerade durch seine allgegenwärtige Präsenz zu menschlichen Wesen, zu zwiespältigen und ständig mit sich selbst im Konflikt stehenden Existenzen macht. Immer wieder finden sich in der "Zone" Beweise des menschlichen Schaffens: Hier ein schmutziger Kanal, dort ein verfallenes Bauwerk oder an anderer Stelle eine Gruppe alter, längst verrosteter Panzer, repräsentativ für den im gesamten Film elementaren Konflikt zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein, zwischen Wissenschaft und Glauben, den die "Zone" als Schnittstelle versinnbildlicht.
Versteht man die "Zone" als Metapher hierfür, so symbolisiert das Zimmer in ihrem Zentrum, welches angeblich die geheimsten Wünsche erfüllen soll, wohl nichts anderes als den individuellen Lebenssinn und die mühselige Reise dorthin eine lebenslange Sinnsuche. Schließlich geht es den Hauptfiguren in "Stalker" in erster Linie nicht etwa darum, einen Wunsch erfüllt zu bekommen, ganz im Gegenteil. Es geht um das Ergründen der eigenen Bedürfnisse, der intimsten Wünsche. Nicht die Frage, ob die Magie dieses Zimmers real oder lediglich ein Schwindel ist, rückt in den Vordergrund, sondern vielmehr das Sehnen nach Sinn, das unstillbare Verlangen nach Antworten und Verständnis. Umso passender fällt am Ende die Konklusion aus: Jeder der drei Hauptfiguren findet wohl auf seine Weise eine Antwort, sei es auch nur die triste Bestätigung, dass es auf diese Sinnsuche eben keine Antworten gibt.
Die drei Hauptfiguren, ein Schriftsteller, ein Professor sowie der titelgebende Stalker, bleiben zudem den gesamten Film über namenlos. Als Anrede dienen lediglich ihre Berufsbezeichnungen und von eben diesen ausgehend werden sie auch charakterisiert. So gesehen reduziert "Stalker" die Protagonisten absichtlich auf Oberflächliches und Weltliches, legt sie als Spiegelbild ihres jeweiligen Berufes an, entmenschlicht sie damit sozusagen. Es geht nicht um das Individuum selbst, sondern um das, was die Gesellschaft in ihm zu sehen glaubt beziehungsweise aus ihm macht. Entsprechend sachlich und unpersönlich bleibt ebenfalls der gesamte Film, ausgenommen seine letzte Viertelstunde, welche wahrhaftig einen erzählerischen Wendepunkt markieren. Hier offenbart sich der Stalker erstmals als ein fragiler, in seinem Glauben erschütterter Geist. Es ist wohl die intimste Szene des Films, gleichbedeutend aber auch sein emotionalster Moment. Denn gerade wenn Trostlosigkeit, Pessimismus und Hoffnungslosigkeit zu triumphieren scheinen, zeichnet Tarkowski im Schlussakt eine überraschend positive, geradezu lebensbejahende Entwicklung auf.
Während der Schriftsteller und der Professor nämlich beide an sich selbst zu scheitern scheinen, beide das Vertrauen in die Welt und die Gesellschaft verlieren, hält der Stalker an seinem Glauben fest. Und das nicht einzig im religiösen Sinne - obgleich Tarkowskis Werke so gut wie immer von religiösen, hauptsächlich christlichen Inhalten durchzogen sind - sondern auch durch seinen Glauben an das Wunder, das Überirdische, das Gute und an den Menschen selbst. Aber selbst dieser Glaube entwickelt sich zu einer Glaubenskrise, findet sich am Ende doch kein anderer Mensch, der seine Überzeugungen teilen oder überhaupt erst nachvollziehen will. Einziger Hoffnungsschimmer bleibt Stalkers Frau, welche ihm, obwohl sie ihn offen als einen "Besessenen" bezeichnet, bedingungslose Zuneigung und Geborgenheit entgegenbringt. Die Botschaft könnte schöner nicht sein: Die Rettung aus einer Existenzkrise ist der Glauben. Die Rettung aus einer Glaubenskrise ist hingegen die Liebe.
Was aber wäre das Leben ohne Krisen und Zweifel noch wert? Wie ließe sich ein Zustand, in dem nichts Negatives mehr existiert, überhaupt noch als positiv bezeichnen? Und entbehrt ein sorgenloses Leben frei von Angst und Ungewissheit nicht auch dem Glauben und der Hoffnung? So fasst die Frau des Stalkers den menschlichen Existenzkonflikt und somit eines der Leitmotive des Films in einem eindringlichen, aber nicht weniger hoffnungsvollen Schlussmonolog mit dem Bruch der vierten Wand zusammen. Überboten wird dieser letzte Eindruck einzig durch die unsagbar poetische, mit einem Off-Gedicht unterlegte finale Einstellung, welche als symbolische Zusammenfassung des gesamten Films gedeutet werden kann.
Beachtenswert ist hier neben den angedeuteten telekinetischen Fähigkeiten von Stalkers Tochter, die für all das Übersinnliche und Ungreifbare stehen, das die "Zone" definiert, auch die Tatsache, dass ausgerechnet das leere Glas vom Tisch und damit hinter das Sichtfeld der Kamera geschoben wird, während das vermutlich mit Wein - als Allegorie zum Glauben und der Religion - gefüllte Glas auf dem Tisch stehen bleibt. Interessanterweise steht dieses befüllte Glas durch seine Beschaffenheit für genau das, um was es in "Stalker" geht: Um das Aufeinandertreffen verschiedener Menschen, verschiedener Weltanschauungen und verschiedener Lebensphilosophien. Das Glas, das sowohl halb leer als auch halb voll sein könnte, symbolisiert daher als Objekt die vielfältige und teils radikal unterschiedliche Wahrnehmung des Subjekts, also des Menschen. Sieht man das Glas als halb leer oder halb voll, betrachtet man die Zone als Wunder oder als Fluch, ist das Leben eine Aneinanderreihung von Tiefpunkten oder ein ständiges Hoffen auf neue Hochpunkte, geht man als Pessimist oder als Optimist durch die Welt? All diese Fragen bleiben zum Schluss hin stehen, denn Antworten zu liefern sieht Tarkowski ganz gewiss nicht als seine Aufgabe. Ohnehin sollte dies jeder Mensch für sich selbst ergründen. Wichtig ist nur, dass man sich damit auseinandersetzt. Es mag zwar schmerzen, aber wenn man sich selbst irgendwann gefunden hat und fest im Leben steht, dann gelingt es vielleicht auch zu glauben ohne zu wissen, zu hoffen ohne zu zweifeln, zu sehen und nicht nur zu schauen.
Wie können Leute allen Ernstes noch "Stranger Things" schauen, wenn so etwas wie "Black Mirror" auf Netflix existiert?
Oh je, die Argumentationsstrategie, die hier teils in den Kommentaren aufkommt, ist ja mal wieder mehr als gruselig.
Sicher, wer ernsthaft glaubt, der Erfolg eines Films an den Kinokassen würde automatisch für dessen Qualität - und entsprechend ein fehlender Erfolg für mindere Qualität - sprechen, dem kann nicht mehr geholfen werden. Die Einnahmen am Box-Office haben zunächst einmal nur recht wenig damit zu tun, wie gut oder wie schlecht ein Film tatsächlich ist, sondern treffen lediglich eine Aussage über dessen Massenkompatibilität und manchmal auch über das dahinter stehende Marketing. In der Filmgeschichte und auch in der momentanen Kinolandschaft gibt es genügend Beispiele hierfür. Künstler sind schließlich auch keine Ökonomen. Natürlich ist es schön und sogar notwendig, dass man durch seine Werke Geld verdienen kann, aber wer einen Film nur darauf auslegt, möglichst viel Gewinn zu erwirtschaften und in deswegen völlig auf den Geschmack der breiten Masse abstimmt, der zählt mit zu den größten Problemen, die das Kino im Moment hat. Solche Kalkuliertheit gleicht einer Kastration der künstlerischen Freiheit, ja der Kunst selbst.
Auf der anderen Seite ist "Blade Runner 2049" aber mit Sicherheit nicht gleich ein Meisterwerk oder eine Revolution des Blockbusterkinos, so wie es viele Leute hier in der Kommentarsektion darstellen. Nur weil "Blade Runner 2049" einen Blockbuster darstellt, der zur Abwechslung mal nicht komplett dumm, konstruiert und uniform ist - also gleich wieder in die Abfalltonne darf - ist er damit nicht gleichzeitig ein herausragender Film und garantiert nicht die Rettung des Kinos oder der Kunst. Wenn ein Film heutzutage bereits als Jahrhundertwerk abgefeiert wird, nur weil es im Mainstream sonst nichts Schlaueres gibt, dann ist das Kino wahrlich verloren. Und nein, ihr seid nicht cool, wenn ihr für "Blade Runner 2049" bezahlt habt und alle anderen doofen Blockbuster im Kino streng meidet, weil diese ja nicht so "tiefgründig" wie Villeneuves Filmchen sind. Also kriegt euch mal wieder ein.
Bitte einen NOCH dunkleren Filter und NOCH mehr Bildstörung! Am besten so, dass man gar nichts mehr erkennt. Dann wird der Film bestimmt richtig gruselig!
Gute Idee, dann könnte Scott die Reihe tatsächlich wieder zu interessanten Drehbüchern zurückführen und wie bereits mit "Prometheus - Dunkle Zeichen" einen Blockbuster kreieren, der wertvollem Science-Fiction-Kino sehr nahe kommt. Aber nein, vermutlich geht es stattdessen weiter mit uninspiriertem Murks wie "Alien: Covenant", der so gut wie jede künstlerische Vision des Vorgängers im Keim zu ersticken droht und letztlich nichts als billigen, berechenbaren Fanservice abliefert. Schon traurig, wenn man als Regisseur dazu gezwungen wird, von seinen eigenen Filmen zu klauen, nur weil die Fans mit neuen, innovativen Ansätzen nicht fertig werden. Naja, gut geklaut soll angeblich immer noch besser sein als schlecht erfunden. Leider ist der bis dato neueste Film des Franchises zu allem Übel nicht einmal gut geklaut.
"Homo homini lupus."
Kaum ein anderes Zitat könnte den Kern des sträflich unterbewerteten Found-Footage-Horrorfilms "Creep" besser zusammenfassen, als diese bekannte Sentenz des englischen Philosophen und Staatstheoretikers Thomas Hobbes. Übersetzt aus dem Lateinischen bedeutet der Satz in etwa so viel wie "Der Mensch ist dem Mensch ein Wolf" und beschreibt einen Zustand des menschlichen Beisammenseins, in dem jedes Individuum seinen Nächsten als Raubtier fürchten muss, sich die Menschen gegenseitig misstrauen, aggressiv miteinander konkurrieren, sich bekämpfen und einander nichts als Schaden zufügen. Der Theorie nach schlummert in jedem Menschen ein innerer Wolf, etwas Animalisches und Primitives, das nur schwer unterdrückt werden kann und sich zwangsweise immer wieder einen Weg an die Oberfläche bahnt.
Freilich, Hobbes' obiges Zitat trifft neben "Creep" auch unzählige andere Horrorfilme oder Thriller in ihren Grundzügen recht gut, zu "Creep" passt allerdings sowohl die Aussage als auch die damit verbundene Theorie ein Stück weit besser. Der Grund hierfür ist denkbar simpel: Kaum ein anderer Horrorfilm aus diesem Jahrzehnt setzt zwischenmenschliche Akzente so gekonnt, so subtil, aber vor allem so lebensecht in das recht einfach konstruierte Handlungsgefüge ein - unterstütz durch den zugrundeliegenden Konflikt zwischen Güte, Empathie, Mitleid und unkontrollierbaren Instinkten beziehungsweise animalischem Trieb - und generiert dadurch derartig effizienten psychischen Terror wie es bei "Creep" der Fall ist.
Formal ist "Creep" aber zunächst ein Found-Footage-Film und beginnt als solcher gleich mit unangenehm verwackelten Naturaufnahmen sowie einem Protagonisten, der die vierte Wand durchbricht und beim Reden seine Kamera und damit ebenso den Zuschauer adressiert. Die zu Anfang sehr billig wirkende Optik sollte jedoch keinesfalls abschrecken, denn der Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Patrick Brice nutzt den im Horrorkino mittlerweile überpräsenten Stil nicht etwa aus Gründen der Kostenreduzierung, sondern um damit zweierlei zu bewirken: Einerseits ist es durchaus sinnvoll und konsequent, den in vielen Szenen als Kammerspiel angelegten Film nicht mittels einer objektiven, räumlichen Kamera zu fotografieren und den dadurch allwissenden Zuseher in Sicherheit zu wägen. Nein, "Creep" wirft sein Publikum ähnlich wie seinen Protagonisten völlig hilflos und desorientiert in ein rapide intensiviertes Horrorszenario, in dem es nirgendwo und zu keinem Zeitpunkt Sicherheit vor der scheinbar omnipräsenten Bedrohung, dem Psychopathen Josef, zu geben scheint.
Andererseits versteht sich "Creep" nicht minder als eine makabre Abrechnung mit dem von vielen Cineasten so verabscheuten Found-Footage-Stil, wofür exemplarisch allein die Handlung genüge tut. Die Prämisse des Films wird nämlich in dessen Verlauf invertiert. Was mit einem Kameramann anfängt, der die letzten Tage eines krebskranken Mannes als Video dokumentieren soll, endet mit einer Dokumentation der letzten Tage eben jenes Kameramannes und schließt letztlich genau so, wie es auch beginnt - mit einer Person, die die vierte Wand durchbricht, sich mit der Kamera und demzufolge indirekt mit uns als Zuseher unterhält. Anders gesagt ist "Creep" ein Dokument über den Tod, sowohl über den fleischlichen Tod als auch über den Tod des Found-Footage-Genres selbst.
Denn am Ende wird das gezeigte Filmmaterial nicht von der Polizei oder etwa einer Privatperson geborgen wie beispielsweise in "Grave Encounters", "Paranormal Activity", "V/H/S" oder "Blair Witch Project", sondern verkommt zu nichts als einem weiteren Stück in der grotesken Videosammlung eines Psychopathen. Aussagestärker könnte die Meta-Ebene kaum untermauert werden; ganz abgesehen davon, dass am Schluss zumindest naheliegt, dass der gesamte Film dem Publikum von keinem Geringeren als Josef vorgeführt wurde, wir also unbewusst die ganze Zeit über einen Film im Film gesehen und vollkommen hilflos in Josefs Hände gespielt haben.
Neben seiner Meta-Ebene funktioniert "Creep" aber nicht weniger gut als für sich allein stehender Gruselfilm. Bereits von den ersten Minuten an ist es unangenehm, den intimen, beinahe voyeuristischen Kameraaufnahmen beizuwohnen, die - getragen durch zunehmend beängstigendere Dialoge - immer wieder einen Blick in seelische Abgründe eröffnen, bis hin zum absoluten psychologischen Martyrium im dritten Akt. Besonders herausragend fällt die Interaktion zwischen den zwei Protagonisten aus, welche als unberechenbares zwischenmenschliches Wechselspiel inszeniert ist, das erzählerisch lange Zeit im Zwielicht verharrt und selbst am Ende noch mehrdeutig bleibt. Damit einher geht in perfekter Symbiose die manchmal verwackelte und dynamische, im angenehmen Kontrast aber öfter völlig statische Kamera - eine visuelle Manifestation der gleichsam wechselhaften Dynamik zwischen den beiden Hauptpersonen.
Nicht zuletzt ist es aber der Charakter des Josef, interessant und facettenreich gemimt von Mark Duplass, der "Creep" zu einem großartigen Film macht. Bis zuletzt bleibt dieser eine höchst ambivalente Figur, die sich nur schwer einordnen lässt und damit gleichermaßen etwas Mysteriöses wie Unberechenbares an sich hat; manchmal hassenswert und manchmal schrullig bis liebenswert. Tragisch bleibt jedoch vor allem anderen die Tatsache, dass sich Josefs Charakter permanent im Konflikt mit sich selbst befindet. Ständig versucht er so gut es geht, das Animalische in seinem Inneren zu kontrollieren und zu bändigen - versinnbildlicht, durch die mit Pinsel auf Leinwand gebannten Bären oder die ausgestopften Tiere in seinem Haus - an anderer Stelle gibt er sich seinen - teilweise durchaus sexuellen - Trieben hin, versteckt sich bezeichnenderweise hinter einer Wolfsmaske und tut genau das, was seiner Meinung nach auch ein Wolf tun würde: Er verletzt und zerstört alle Dinge, die er liebt.
"Creep" stellt infolgedessen also nicht lediglich einen kritischen Kommentar auf den Found-Footage-Stil dar, sondern illustriert ebenso den fundamentalen Kampf des Menschen gegen die Natur, das Primitive, in sich selbst. Letzten Endes ist dies selbstredend ein mehr oder weniger aussichtsloser Kampf, denn schließlich unterliegen sowohl Josef als auch in gewisser Weise der Protagonist ihren Instinkten - Ersterer indem er seinem animalischen Selbst die Oberhand überlässt, Letzterer indem er entgegen jedweder Rationalität seinem Mitgefühl und damit seiner Menschlichkeit nachgibt.
"Welches Jahr haben wir?"
Jetzt weiß ich also endlich, wie sich die Leute damals beim berüchtigten Cliffhanger am Ende der zweiten Staffel von "Twin Peaks" gefühlt haben müssen.
Oh Junge, das hier dürfte wohl eine der wenigen Fortsetzungen sein, auf die ich mich tatsächlich freue. "Creep" gehört mit zu den beunruhigendsten und zugleich schlausten Horrorfilmen der letzten zwei bis drei Jahre.
Zu Beginn von Denis Villeneuves "Blade Runner 2049" streift der von Ryan Gosling verkörperte Protagonist "K" durch ein karges, trostloses und menschenleeres Ödland. Mit Ausnahme einiger kahler, vertrockneter Bäume scheint in dieser unwirtlichen Gegend kein Leben möglich zu sein. Es regiert die Leere. Und genau so fühlen sich auch die gesamten 163 Minuten von "Blade Runner 2049" an: Farblos, steril, eintönig, substanzlos und inhaltsleer.
Doch dies muss nicht zwangsläufig als negativer Kritikpunkt verstanden werden. Schließlich ist die unerquickliche und schleppende Inszenierung durchaus intendiert und wird von Villeneuve bewusst dafür eingesetzt, dem Film beinahe gewaltsam eine unangenehme, bedrückende Atmosphäre aufzuzwängen sowie den Moloch von Stadt, in welchem sich die Handlung von "Blade Runner 2049" abspielt, auch im Kinosaal greifbar erscheinen zu lassen. Mit virtuoser Filmkunst hat diese forcierte Strategie freilich nur wenig zu tun - Villeneuve ist derweil auch beileibe kein Meister seiner Zunft - dafür zeugt sie allemal von einem gewissen Verständnis für das filmische Handwerk und hebt "Blade Runner 2049" dahingehend zumindest deutlich von so gut wie allen anderen Blockbustern der vergangenen Jahre ab.
Ebenfalls zugutehalten muss man "Blade Runner 2049" seine stylishe Optik. Wie bereits in "Enemy" dominieren zumeist Braun-, Gelb-, Gold- und Sepiatöne das Szenenbild. Ästhetisch macht das auf der großen Leinwand natürlich einiges her, will sich inhaltlich allerdings nur wenig elegant in den filmischen Subtext einfügen. Während die farbliche Gestaltung in "Enemy" nämlich einen warmen Kontrapunkt zur kalten und emotionsarmen Gefühlswelt der bindungsunfähigen Hauptperson schafft, so erscheint sie in "Blade Runner 2049" mehr zweckmäßig als zweckdienlich und taugt allenfalls als netter Gegenpol zur meist in dunklem Grau oder trübem Schwarz gehaltenen Großstadtkulisse. Insgesamt bleibt von den Bildern aber nicht viel mehr als eine blasse, eher künstliche Schönheit, die eben nur der Schönheit wegen existiert und deswegen stark an Bedeutung verliert, was auf Dauer sehr enervierend werden kann - repräsentativ für den gesamten Film.
Am interessantesten ist "Blade Runner 2049" aber dann, wenn er sich ab und an tatsächlich mit existenzialistischen Denkansätzen auseinandersetzt, über die Beschaffenheit von menschlichen Gedanken sinniert oder mit wohl dosierten und ordentlich choreographierten Action-Szenen brillieren kann. Beinahe unerträglich wird der Film hingegen, wenn er kläglich an dem Versuch scheitert, eine emotionslose und qualvoll konstruierte Liebesgeschichte irgendwie mit Substanz aufzublähen oder den ikonischen Charakter des Rick Deckard bestenfalls zum müden Plot-Device degradiert. Denn seien wir ehrlich, für die Geschichte von "Blade Runner 2049" ist Harrison Fords Figur fast vollkommen ohne Belang und fühlt sich - sogar noch mehr als die langweilige Antagonistin - nach einem biederen Fremdkörper an.
Spannend ist auf der anderen Seite wiederum die von der ersten Minute an präsente, leider viel zu selten aufgegriffene christliche Symbolik. Ja, "Blade Runner 2049" ist bisweilen auch ein religiöser Film. Nicht zufällig steht im Handlungsmittelpunkt die Suche nach einem wie durch ein Wunder geborenen Kind, einer Art Jesusfigur, die von manchen angebetet, von anderen aber gefürchtet und verfolgt wird. Auch tauchen immer wieder Verweise auf den Garten Eden, die Engeln oder eine biblische Sintflut auf; Letztere findet sogar am Ende des Films - und das nicht nur symbolisch - ihre Verwendung. Auch der wiederholt gezeigte Baum aus der Einleitungsszene steht zweifelsohne als Sinnbild für den Baum der Erkenntnis aus der Paradieserzählung des Buches Genesis. Das macht den von "K" anfangs entnommenen und transportierten Augapfel - wenn man so will - zum Sündenapfel, der im Endeffekt dafür sorgt, dass "K" aus seinem persönlichen "Garten Eden", aus seinem augenscheinlich paradiesischen Leben, vertrieben wird. Konsequent wäre dieser Gedankengang jedenfalls, schließlich spielen Augen in "Blade Runner" schon seit jeher eine wichtige symbolische Rolle.
Doch ruht sich Villeneuve zu sehr auf diesen verheißungsvollen Denkansätzen aus, entwickelt sie nicht in befriedigendem Maße weiter und konzentriert sich stattdessen unnötig stark auf Ryan Goslings Präsenz, welcher den Film mit seiner hölzernen Darstellung und der nur wenig facettenreichen Mimik so gut wie gar nicht zu tragen weiß. Zumindest aber passt das bestenfalls zurückhaltende Schauspiel Goslings gut zu seiner Figur - einem Replikanten - und verleiht dem Charakter des "K" eine stimmungsvoll mechanische, leicht inhumane Ausstrahlung. Ob dieser Umstand wohl von Villeneuve beabsichtigt wurde? Es sei dahingestellt.
Sicher, in vielen Momenten bemüht sich "Blade Runner 2049" redlich darum, großes Kino zu sein - ein sichtlich erzwungener Versuch, der nur selten Früchte trägt. Denn wenn beispielsweise mit der Großaufnahme eines Auges eine kleine Reminiszenz an Ridley Scotts "Blade Runner" als erste Einstellung gewählt wird, wenn der Protagonist gleich mit zwei Frauen, einer Echten und einer Virtuellen, den Geschlechtsakt vollführt oder wenn "K" am Ende des Films im Schnee liegt und den Blick gen Himmel richtet - eine fragwürdige Kopie der Schlussszene von "Under the Skin", einem wesentlich intelligenteren Film - so ist das vielleicht eine Augenweide, ein Genuss für die Sinne. Aber großes Kino? Nein, das sieht bedeutend anders aus und entwickelt sich vor allem wesentlich freier und unbeschwerter.
So bleibt schlussendlich von "Blade Runner 2049" nichts als Leere. Eine große, zweieinhalbstündige Leere, die sich unter vielen hübschen Bildern und einigen netten Gedankenausflügen zu verstecken versucht, sich am Ende jedoch selbst entlarvt, sich als nichtig und irrelevant preisgibt. Denn lange Zeit im Gedächtnis bleiben wird "Blade Runner 2049" mit Sicherheit nicht. Und obgleich dies aus Villeneuves Werk nicht unbedingt einen schlechten Film macht - ganz im Gegenteil, "Blade Runner 2049" ist sogar ein überdurchschnittlicher Film - bleibt er letztlich alles andere als ein bedeutsamer Eintrag für die jüngere Filmgeschichte. Ja, der Film hat nicht wenige Vorzüge und ist unbestreitbar einer der besten Blockbuster des Jahres 2017. Aber macht ihn dieses Faktum gleichzeitig zu einem herausragenden Film? Nein, das tut es gewiss nicht.
Das Faszinierende an Stephen Kings umfangreicher Romanvorlage ist in meinen Augen ihre äußerst tiefgründige Auseinandersetzung mit der Gedanken- sowie Gefühlswelt der sieben Hauptprotagonisten. Kaum einem anderen Buch gelingt es ähnlich beeindruckend, die verspielte Mystik, den naiven Abenteuerdrang oder die vielen Sorgen und Ängste der Kindheit im Kontrast zur emotionalen Sterilität und dem blanken Horror der Erwachsenenwelt derart detailliert abzubilden wie dem knapp 1500 Seiten mächtigen Meisterwerk "Es": Sind die Hauptfiguren als Kinder anfangs ausgegrenzte, unsichere und dem Anschein nach schwache Individuen, erfolgt die mentale Adoleszenz und damit der Sprung ins Erwachsenenalter umso konsequenter. Verfolgte sie früher etwa noch die irrationale Angst vor dem dunklen Keller, einem verlassenen Haus oder einer überdimensionalen Holzfällerstatue, so entwickeln sich ein bis zwei Dekaden später vollkommen neue, aber nicht minder quälende Ängste. Etwa die Angst vor emotionalen Bindungen, die Angst vor dem Versagen, die Angst vor der Zukunft oder sogar vor der eigenen Vergangenheit.
Durch den kontinuierlichen Wechsel zwischen zwei elegant miteinander verflochtenen Erzählebenen, also dem Erzählteil der Kinder und dem der Erwachsenen, gelingt es King beispiellos, die geistige Weiterentwicklung seiner Figuren - insbesondere bezogen auf den eher dunklen Teil ihrer Psyche - zu portraitieren, was seinen Roman beinahe als eine psychoanalytische Abhandlung zum Thema Angst ausweist. Das Wesen ES ist hierbei weniger eine physische Entität als ein Symbol für alle Sorgen, Unsicherheiten und Befürchtungen, die einen Menschen in seinem Leben belasten können. ES steht sozusagen für die Angst an sich und kann infolgedessen nicht bekämpft werden, kämpft man nicht zuerst gegen sich selbst, gegen seine eigenen inneren Dämonen.
Doch inwiefern spiegelt sich dies in Andy Muschiettis Neuadaption der Horrorgeschichte wieder? Eines jedenfalls lässt sich gleich zu Beginn dieses Kommentars festhalten: "Es" ist ein schlechter Film. Das sage ich zwar teils als enttäuschter Liebhaber der Buchvorlage, teils aber ebenso als mehr oder minder objektiver Filmkritiker, der durchaus im Stande ist, einen guten Horrorfilm von einem Misslungenen zu unterscheiden. Und Muschiettis "Es" ist bedauerlicherweise eindeutig letzterer Kategorie zuzuordnen.
Dabei muss man "Es" zunächst in der Tat einige Qualitäten zugestehen. Einerseits funktioniert vor allem die Gruppendynamik zwischen den mit Bedacht gewählten Kinderdarstellern überraschend gut, was in den besten Momenten des Films einen relativ bodenständigen und realitätsnahen Eindruck von Freundschaft und Zusammenhalt innerhalb der Clique transportiert. In Kombination mit der wohlig-warmen Bildästhetik ergibt sich daraus eine angenehm heimelige und nichtsdestotrotz dichte Atmosphäre, wie man sie von einem Horrorfilm dieser Tage nicht mehr unbedingt erwarten würde. Spricht man über die visuellen Vorzüge von "Es", gilt es außerdem das Design des neuen Pennywise zu loben, welcher von Bill Skarsgård zwar etwas überambitioniert - manchmal beinahe an der Grenze zur Selbstparodie - aber dennoch recht packend verkörpert wird.
Verglichen mit anderen gescheiterten Remakes und Buchverfilmungen muss man "Es" daher eine gewisse Individualität zugutehalten. Nichtsdestotrotz aber ist Muschiettis Vision der king'schen Lektüre gescheitert. Und das hat vielfältige Gründe. Beginnend bei eigentlich recht trivialen Dingen, wie etwa dem Fehlen eines vernünftigen Spannungsaufbaus, über die unzureichende Charakterisierung der Kinderfiguren bis hin zu stupiden Drehbuchentscheidungen wie beispielsweise der ausnahmslosen Trennung von Kindheits- und Erwachsenenhandlung. Vor allem Letzteres versetzt dem Projekt den Todesstoß und macht es schwer zu glauben, dass Regisseur und Autoren den Kern der Buchvorlage wirklich begriffen haben. Schließlich bezieht diese ihre enorme Sogwirkung hauptsächlich aus dem geschickten Verbinden beider Erzählteile, was dem Buch stellenweise den Charakter eines Puzzles verleiht, welches der Leser Seite für Seite zusammensetzen darf, bis er die Handlung schließlich in ihrer Gänze versteht. Dass "Es" nun allerdings lediglich den Handlungsabschnitt aus der Kindheit adaptiert, beraubt den Stoff all seiner vorhandenen Komplexität. Was bleibt ist ein generischer Horrorfilm über Kinder, die sich mit einer bösen Präsenz messen und durch ihre gegenseitige Verbundenheit am Ende gewinnen.
Doch auch das will dem Film eher schlecht als recht gelingen. So funktioniert "Es" in einigen ruhigen bis subtil spannenden Charaktermomenten noch am besten, scheitert aber ausgerechnet an der Darstellung des Terrors - mit die wichtigste Komponente eines Horrorfilms - und driftet in den eigentlich unheimlichen Szenen beinahe an die Grenze zur Lächerlichkeit ab. Zu repetitiv verkommen die Auftritte von ES spätestens ab der zweiten Filmhälfte, zu berechenbar geben sich die nervtötenden und aufdringlichen Jumpscares. Laute Geräusche und enttäuschend hässliche CGI-Kreaturen sollen hier irgendwie für Angst und Schrecken sorgen, erreichen aber nichts, als das ohnehin arg trashige Gesamtbild weiter zu zementieren.
Selbst der an und für sich unheimliche Clown Pennywise verliert durch seine dauerhafte Überpräsenz rasch an Gefährlichkeit und die dümmlichen Peniswitzchen der Kinder befreien viele eigentlich ernste Szenen restlos von ihrer Dramatik. Besonders negativ bleibt aber das grässliche Finale in Erinnerung, das nicht nur die Buchvorlage mit Füßen tritt, sondern dem Film dank der billigen B-Movie-Inszenierung den letzten Rest seiner anfänglichen Seriosität raubt. Auch an Selbstironie wird in dieser Szene natürlich nicht gespart - sobald ES verschwunden ist werden gleich wieder Witze gerissen, so als wäre überhaupt nichts geschehen - und spätestens die kitschige Abschlussszene zimmert dem Film in ihrer unglaublichen Klischeehaftigkeit den letzten Sargnagel.
Jedoch bleibt "Es" nicht bloß ein schlechter Horrorfilm. Nein, auch als charakterbasierter Coming-of-Age-Film will dieses Remake kein Stück weit funktionieren. Dafür sind allein die Hauptfiguren viel zu platt und eindimensional dargestellt, wobei sich das schwache Drehbuch bereits dadurch zu erkennen gibt, dass sämtliche Charaktere entweder als abgrundtief böse oder eben als unanfechtbar gut abgezeichnet werden. Grauzonen zwischen diesen beiden Schubladen existieren nicht, was äußerst schade ist, entfaltet der Roman doch gerade durch die vielen ambivalenten und mehrschichtigen Charaktere einen erschreckenden Realismus. Am besten glückt "Es" unter diesem Gesichtspunkt noch die Darstellung von Beverly und deren Konflikt mit dem Missbrauch ihres Vaters. Ansonsten bleibt aber keiner der Protagonisten nachhaltig in Erinnerung. Besonders ärgerlich ist aber, dass ein eigentlich tiefgründiger Charakter wie Mike zum funktionslosen "Quotenschwarzen" reduziert und auch die interessante Figur von Richie als nicht mehr denn ein anzüglicher Klassenkasper charakterisiert wird.
Alles in allem ist "Es" also nichts weiter, als der missglückte Versuch, ein großartiges Buch mit moderneren Mitteln als noch bei der früheren TV-Version in eine viel zu kurze Verfilmung zu zwängen. Rasch entlarvt sich die Regie als überfordert und vergisst in ihrer überhetzten Erzählweise die Charaktere sowie die sehr breite Handlung vernünftig zu etablieren. Stattdessen ist das Narrativ gespickt mit öden Jumpscares und peinlichen Auftritten diverser ungruseliger Monster. Und wenn dann der Abspann, nach dem fremdschamverursachenden Schlussakt, ein zweites Kapitel von "Es", also eine Verfilmung der Erwachsenenhandlung, vermuten lässt, bleibt nur noch eines zu sagen: Bitte nicht!
Der größte Unterschied bleibt aber, dass der Roman toll ist. Und der Film eben nicht.
An Stanley Kubrick wird immer wieder kritisiert, er vernachlässige in seinen Filmen neben der auf absoluten Perfektionismus abgestimmten Inszenierung, der kryptischen Bildsprache und den vielen inhaltlichen Denkanstößen vor allem die Menschlichkeit seiner Hauptfiguren sträflich. Oft sind seine Charaktere weniger Charaktere, sondern vielmehr Symbolfiguren, die zur Verbildlichung bestimmter politischer, philosophischer oder auch moralischer Grundpositionen verwendet werden. So lassen zwar Filme wie beispielsweise "2001: Odyssee im Weltraum" und "Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben" vielerlei Interpretationsmöglichkeiten zu, bringen jedoch die handlungswichtigen Figuren kaum zur Geltung und kümmern sich nicht um Empathie oder zwischenmenschliche Interaktion, geschweige denn um das innere Befinden ihrer Protagonisten.
In "Uhrwerk Orange", "Full Metal Jacket" und "Shining" geht es sogar konkret um die Entmenschlichung des jeweiligen Hauptcharakters, gekennzeichnet durch dessen drastischen Wandel - in Ersterem vom Bösen zum Guten, in den letzten beiden vom Guten zum Bösen. Einzig in "Spartacus" und "Barry Lyndon" legt Kubrick sein Augenmerk verstärkt auf die Gefühle und Gedanken des jeweiligen Titelhelden, was dem Publikum allerdings, bedingt durch die historische Handlungszeit, nur wenig Möglichkeiten bietet, Kontakt mit der Innenwelt dieser Charaktere aufzunehmen.
Ironischerweise ist es ausgerechnet Kubricks letzte Regiearbeit, welche die nötige Brücke zur Realität stellt und damit die menschliche Komponente von all seinen Werken mit Abstand am stärksten in den Mittelpunkt drängt. Sicher, "Eyes Wide Shut" ist ein wundervoller Film. Aber gleichzeitig ist er auf der narrativen Ebene ein für Kubricks Verhältnisse sehr unkonventionell gestrickter und deswegen häufig missverstandener Film. Und dabei wirkt die Handlung von "Eyes Wide Shut" im ersten Moment nur wie die simple Geschichte eines Ehepaars, das sich nach viel sexueller und emotionaler Frustration - jede Partei auf ihre Weise - in exzessiven erotischen Traumvorstellungen verliert und schließlich wieder zusammenfindet.
In Wirklichkeit ist "Eyes Wide Shut" aber ein wahres Faszinosum, das dem Rezipienten gewiss einiges an Reflexionsvermögen abverlangt, dafür aber umso mehr zurückgibt, wagt man sich erst an seine Entschlüsselung. Dabei kündigt bereits das Oxymoron im Filmtitel an, um was es in "Eyes Wide Shut" eigentlich geht: Die beiden Protagonisten Bill und Alice gehen zwar mit weit geöffneten Augen durch ihr tägliches Leben, verschließen die Lider aber vor allen wirklich wichtigen Dingen - und in erster Linie voreinander. Sie sehen sich zwar, nehmen sich gegenseitig wahr, können sich aber nicht wirklich erkennen oder verstehen. Es ist ein vollendeter Prozess der Entfremdung. Und das nicht bloß in sexueller Hinsicht. Im Intimen drückt sich dieses Gefühl allerdings mit am deutlichsten aus.
Übertragen auf unsere Gesellschaft als solche kristallisiert sich die Botschaft von "Eyes Wide Shut" umso eindringlicher heraus: Die Menschen sollten wieder zu Menschen werden und damit aufhören, sich in leere Phrasen und plumpe Rollenbilder zu hüllen. Ansonsten bleibt von einer Person letztendlich nicht mehr übrig als eine Maske; das gilt in jeder sozialen Beziehung, nicht nur in einer Romantischen beziehungsweise Sexuellen. Hinter die Maske eines Mitmenschen zu blicken ist allerdings eine noch größere Herausforderung als seine eigene Maske vor einer anderen Person abzulegen. In der Anfangsszene von Georg Büchners Drama "Dantons Tod" fasst der Protagonist Danton dieses Dilemma in einem überspitzten Zitat zusammen; als er von seiner Geliebten gefragt wird, ob sie sich denn wirklich kennen würden, antwortet er schlicht: "Einander kennen? Wir müssten uns die Schädeldecken aufbrechen und die Gedanken einander aus den Hirnfasern ziehen."
Treffender könnte man es kaum formulieren. So sehr wir auch glauben, einander zu kennen und uns darum bemühen, den guten Schein zu wahren, so schauen wir die ganze Zeit über doch nur auf Äußerlichkeiten, auf menschliche Masken, auf plumpe Verkleidungen. Ist die berühmte Szene auf dem Maskenball in „Eyes Wide Shut“ also als Metapher für eine Gesellschaft zu begreifen, in der niemand hinter die Maske eines Mitmenschen blicken kann, ja, gar nicht erst blicken darf? Es scheint so, schließlich wird hier der Geschlechtsakt als ein beinahe okkultes Ritual dargeboten, eine Art pervertiertes Kunstwerk - vergleichbar mit Alex' sexuellen Gewalttaten in "Uhrwerk Orange" - welches wohl die vielen unterschwelligen Begierden und unterdrückten Bedürfnisse aller maskierten Mitglieder symbolisieren dürfte. Bezeichnend ist außerdem, dass die Handlung von "Eyes Wide Shut" ausgerechnet zur Weihnachtszeit stattfindet. Ein Fest, das ursprünglich zur Feier der Geburt Jesu und des Lebens selbst gedacht, mittlerweile aber zur bloßen Konsumbefriedigung umfunktioniert wurde und damit nicht repräsentativer für besagte Gesellschaft sein könnte.
Doch ist Bill, trotz seiner erkennbaren Faszination für den Maskenball, nur bedingt ein Teil dieser Gesellschaft. Beinahe hat es sogar den Anschein, als rege sich zunehmend das Verlangen in ihm, seine geschlossenen Augen zu öffnen, seine Maske abzulegen und wieder als Mensch zu leben, nicht als kostümierte Figur. Offenbar handelt es sich hier um einen unterbewussten Wunsch, denn es ist nicht Bill selbst, der letztlich die Initiative ergreift und seine Maske abnimmt. Im Gegenteil, er bleibt zunächst eher passiv. Nachdem ihn die Ereignisse auf der nächtlichen Veranstaltung aber sowohl physisch als auch psychisch heimzusuchen beginnen, offenbart er sich im Schlussakt des Films endlich seiner Frau und bricht während des Geständnisses in Tränen aus. Die Vermutung, er hege bereits von Beginn an den unterbewussten Wunsch, sich von der gesellschaftlichen Norm loszusagen, liegt daher nahe. Nicht zufällig meint Bill am Anfang des Films auch, er wolle die Tochter eines Verstorbenen besuchen und dort sein "Gesicht zeigen".
Des Weiteren kann die Zeremonie auf dem Maskenball auch als eine Metapher für die HIV-Infektion durch eine Prostituierte interpretiert werden, welcher Bill nur um Haaresbreite entgeht. Die Parallelen sind jedenfalls frappierend: Bill befindet sich während beiden Szenen in einem Etablissement voller Masken, das von sexueller Spannung dominiert wird, er muss sich in beiden Szenen ausziehen, wird aber durch den Ruf einer Frau davor bewahrt - bei der Zeremonie ist es eine maskierte Unbekannte, im Zimmer der Prostituierten ist es der Anruf seiner Frau Alice - verlässt das Gebäude und wird sich erst im Nachhinein der tödlichen Konsequenzen bewusst, denen er nur knapp entkommen konnte. An dieser Stelle lässt sich außerdem eine Beziehung zum Passwort "Fidelio" herstellen, denn auch in Beethovens gleichnamiger Oper wird der Protagonist durch eine verkleidete Frau gerettet.
Ist die okkulte Versammlung nun als gesellschaftliche Allegorie oder als Symbol für Bills Unterbewusstsein und dessen Auseinandersetzung damit zu übersetzen? War die gesamte Szene nur ein Traum, wie es der finale Dialog des Films nahelegt? Stellt sie eine Warnung vor dem tödlichen Immundefektvirus dar? Oder stimmen alle diese Deutungsansätze? Wie dem auch sei, am Ende von "Eyes Wide Shut" zählt nur, dass Bill wieder zu Alice zurückfindet, sich wieder nach Liebe, Zuneigung und Zärtlichkeit sehnt. Umso schockierender ist der Anblick einer Maske, die sich auf seinem Platz im Ehebett neben der schlafenden Alice befindet. Dass Bill daraufhin schluchzend zusammenbricht und seiner Frau alles beichtet, sich ihr völlig offenbart, hat folglich zwei Gründe. Ersterer ist offenkundig: Er hat Angst, dass Alice von seinen nächtlichen Eskapaden erfahren haben könnte, dass sie womöglich sogar selbst anwesend war. Auf der anderen Seite deutet diese Szene aber ebenso an, dass die Maske Bills Platz - und das nicht nur im Bett sondern auch in Alice' Leben - eingenommen hat. Sprich, dass Alice ihn nicht mehr als Person lieben kann, sondern nur noch seine Fassade, seinen Körper, sein Äußeres.
Doch bleibt das Ende von "Eyes Wide Shut" nicht ganz ohne Hoffnung. So ist es ausgerechnet die drohende Entzweiung, die Alice und Bill schlussendlich zusammenführt. Es ist Bills Geständnis, das die beiden wieder versöhnt und zu einer gemeinsamen Aktion, dem familiären Weihnachtseinkauf und dem angedeuteten Geschlechtsverkehr, führt. Damit beendet Kubrick seine Filmographie mit einer durchaus verträglichen, gleichsam aber reflektierten Abschlussszene, die eine erinnerungswürdige Botschaft übermittelt: Wir Menschen werden uns gegenseitig vermutlich nie vollständig kennenlernen. Selbst wenn wir es verzweifelt versuchen, können wir daran nur kläglich scheitern. Je mehr wir jedoch miteinander in Konflikt treten, je mehr wir miteinander kollidieren, desto besser verstehen wir einander, desto mehr lösen sich unsere Masken. Viel ist das nicht, aber allemal ein guter erster Schritt zur Besserung. Und wer weiß, vielleicht bietet solche Konfrontation am Ende die Möglichkeit, eine neue und bessere - eine reinere - Form von Bekanntschaft, Freundschaft oder sogar Liebe aufzubauen?
Der poetische Titel "Wovon träumt das Internet?" hat in Herzogs gelungener Dokumentation gleich zwei Bedeutungen inne: Zum einen suggeriert er einen Blick in die Zukunft, welcher sowohl den Träumen und Visionen als auch den Alpträumen und Schreckensvorstellungen des Internets genug Platz einräumt. So führt Herzog einerseits die fantastischen technischen Errungenschaften vor, die unser Leben in nicht allzu ferner Zukunft erleichtern könnten, allerdings wird später auch ein beunruhigendes apokalyptisches Szenario, verknüpft mit einem theoretisches Leben ohne das Internet, beleuchtet. Andererseits stellt der Titel ebenfalls eine interessante philosophische Frage, die dem Internet - oder auch Robotern und künstlichen Intelligenzen - ein eigenes Bewusstsein zuspricht, durch welches ein Konstrukt wie etwa ein Traum ermöglicht werden könnte. Träumt das Internet also wirklich von sich selbst, wie es im interessantesten Kapitel dieser Dokumentation so schön formuliert wird? Ich weiß es nicht.