SoulReaver - Kommentare
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Alle Kommentare von SoulReaver
[...] Was folgt, ist eine verhaltenspsychologische Analyse, wie sie nur David Cronenberg umsetzen kann. A History of Violence erforscht das Verborgene, Verdrängte und Vergessene in uns allen. Er erzählt eine Geschichte der Gewalt, die sich gleichwohl als Blick in ein von Illusionen getrübtes Americana definiert, darüber hinaus aber auch als universale Reflexion über den Verlust jedweder Unschuld erstrahlt. In der Realität gibt keine Helden, die für ihren Ruhm nicht auch einen gewissen Tribut zahlen müssen. Womöglich gibt es in der Realität auch keine echte Vertrautheit und Intimität, sondern nur ein Zusammensein vor und nach dem Ausbruch der Gewalt, die unser aller Seelen eingeschrieben ist. Alles, jeder Schritt und jedes Wort, wird von dem Gewaltpotenzial abgezirkelt, welches in unserem Inneren schlummert. Und in gewisser Weise, in der Unvorhersehbarkeit unserer Triebhaftigkeit, bleiben wir immer Fremde: Für uns und für unsere Umgebung.
David Cronenberg lässt A History of Violence von Beginn an von einem unbestimmten Gefühl durchdringen, welches sich wohl am ehesten als 'merkwürdig' beschreiben lässt. Er arbeitet mit Schlüsselreizen, die den Zuschauer zu klaren Assoziationen aufbringt – eben wie die überhöhte Darstellung einer reingewaschenen Familie. In Wahrheit aber ist A History of Violence die bittere Zerlegung dieser Trugschlusses. Familie Stall lernt sich erst über und durch das Ausüben von Gewalt kennen. Selbst der Sex transformiert sich mit dem ersten Blutvergießen: Er wird animalisiert. Er trägt all das Unbekannte in uns an die Oberfläche. David Cronenberg schafft es dabei, Genre-Mechaniken zu bedienen und doch, wie man es von dem Kanadier gewohnt ist, niemals einen reinen Genre-Film zu entwerfen. Der Blick geht über den Tellerrand hinaus, über die bloße, räudige Gewalt-Komposition und führt zur Bedeutung, die hinter all der Gewalt steht. Sie führt zum Menschen selbst. [...]
[...] Lubezki bettet sich in 40 Tage in der Wüste auf der Erkenntnis, dass die Kraft in der Ruhe begraben liegt und gibt so den Takt für einen Film vor, der inmitten der Entschleunigung des Tempos über die überzeitlichen Rollen von Vätern und Söhnen sinniert. Irgendwann nämlich trifft Jesus auf eine Eremiten-Familie, innerhalb dessen Zirkel sich der gleiche Vater-Sohn-Konflikt wiederspiegelt, wie ihn auch Jesus mit Gott austrägt. In den Zwiegesprächen, die Jesus gerade in der Nacht mit sich führt, formuliert 40 Tage in der Wüste die teuflischen Verlockungen und unterstreicht noch einmal Ewan McGregors differenzierte Performance. Vergegenwärtigen allerdings muss Jesus in 40 Tage in der Wüste nicht, den Versuchungen immerzu Widerstand zu leisten, sondern die Wüste als ein Instrument der Erleuchtung zu nutzen: Hier nämlich, im ewigen, alles umrahmenden Sand, lernt man, sich von allen Illusionen abzunabeln und seiner Bestimmung zu folgen. [...]
[...] In Blutige Seide geht das Visuelle mit dem Auditiven eine symbiotische Beziehung ein, was beide Ebenen im Verlauf der 90-minütigen Laufzeit gleichermaßen zu Trägermedien erklärt, die Angst, Unbehagen und Schrecken vermitteln sollen. Das Inhaltliche, die Suche nach dem Mörder, die hier nach einem durchaus bekannten Whodunit-Prinzip abgewickelt wird, spielt trotz einiger (für damalige Verhältnisse) unkonventioneller Finten nur die zweite Geige. Blutige Seide besticht als sensorische Seherfahrung, und spannt den Zuschauer in ein hochgradig stimmungsvolles Farbenspiel, in dem das satte, durchdringende Rot von besonderer Symbolträchtigkeit veräußerlicht wird. Man könnte sagen, dass sich in Blutige Seide Edgar Wallace (Die Geheimnis der grünen Stecknadel) und Alfred Hitchcock (Psycho) die Hand reichen. Bava nämlich transzendiert das kriminalistische Narrativ und präsentiert stattdessen ein Werk, in dem voyeuristische Verlangen im zelebrierten Todeskampf bestätigt und hinterfragt werden. [...]
[...] Der deutsche Beititel, Der kalte Hauch der Todes, jedenfalls trifft den Nagel ziemlich genau auf den Kopf. Für Dario Argento wird Rom von weißen Nächten heimgesucht. Von Feuer, Wasser und Blut, welche in Kombination einen traumwandlerischen Cocktail des Wahnsinns ergeben. Wenn sich gegen Ende alle Hinweise dann schließlich verdichten (und letztlich auflösen), werden die tumben Psychologismen des Drehbuchs zwar offen ausgestellt, Tenebrae aber lenkt dieser naiven Herleitung von Motiven entschieden entgegen, indem er einen Bezug zum Hund von Baskerville bemüht und aufweist: Das Unmögliche mag versponnen und wirklichkeitsfremd erscheinen, doch die Wahrheit ist immer möglich. Den Rest erledigt eine majestätische, von Goblin exakt untermalte Kranfahrt, die die Architektur eines Hauses dermaßen akkurat inspiziert, dass es umso erschreckender erscheint, wie clever es Argento in dieser Szene gelingt, den Zuschauer zum Mittäter zu erklären. [...]
[...] Villeneuve gelingt es mit Bravour, den Geist der Vorlage in Ehren zu halten, anstatt sich diesem sklavisch zu beugen. Blade Runner 2049 unterliegt, trotz seines Referenzraumes, nie dem Anspruch, sich voll und ganz auf das Original zurückfallen zu lassen, sondern fungiert in der Funktion, das Blade–Runner-Universum auszubauen, es weiterzuspinnen – und dafür nutzt er sorgsam arrangierte Bild- und Tonwelten, die den Zuschauer wie einen von schöpferischer Sprengkraft angetrieben Strudel in sich saugen. Radioaktiv verstrahlte Wüsten, in denen vom Sand beinahe verschlungene Objekte an eine Vergangenheit gemahnen, die die Gegenwart in nahezu jedem Frame rekapituliert. Verfallene Großstädte, die sich als in Regen, Smog und Neonlicht verschlungener Betonmatsch abbilden. Endlose, synthetisch angelegte Wirtschaftsplantagen, die sich zum Horizont erstrecken. Die Welt, von der Blade Runner 2049 berichtet, ist eine, in der zwischenmenschliche Wärme vollkommen abhanden gekommen ist.
Und genau diese Leere spiegelt sich in der Architektur, in den Ruinen der Zivilisation, in den Interieurs und Exterieurs wieder, für die Blade Runner 2049 dem Zuschauer die nötige Zeit einräumt, um all die Details, Finessen und Stimmungen zu erkunden, zu entdecken, zu erfassen und in sich aufzunehmen. Und genau diese ausgeprägt-elegante Bedachtsamkeit, diese entschleunigte Akkuratesse, mit der Villeneuve seinen Bildern Raum zur Entfaltung schenkt, wird vielen Zuschauern vor den Kopf stoßen. Blade Runner 2049 nämlich interessiert sich nicht dafür, die von Übersättigungseffekten bestimmte Wohlfühlzone des modernen Blockbusters zu hofieren. Blade Runner 2049 fordert Konzentration ein, gibt aber ebenso viel Erhellendes zurück und kreiert unter tieffrequentem Dröhnen nicht nur sensationelle, durch und durch suggestive Illustrationen und Einstellungen, er setzt auch den inhaltlichen Diskurs fort, den Blade Runner 1982 in feingeistiger Genialität bemühte.
K, der immer wieder von einer Erinnerung heimgesucht wird, in der er ein hölzernes Pferd in einem stillgelegten Schmelzofen versteckt, wird von Blade Runner 2049 als eine (unechte) Persönlichkeit begriffen, die Teil einer (Nicht-)Welt ist, die sie nicht versteht und dennoch zu ihr gehört. Unter bedrückender Melancholie und Schwermut streift K durch die versifften Häuserschluchten, verrichtet seine Arbeit und kommt abends in eine Wohnung, in der ihm eine holografische Projektion (Ana de Armas, Knock Knock) die menschliche Zuneigung suggeriert, die das Jahr 2049 längst nicht mehr bereithält. Denis Villeneuve setzt K auf eine Suche nach Spuren des Lebens aus; nach einer Möglichkeit auf Hoffnung, auch wenn die Antworten auf die eigene Selbstfindung bedrückender Natur sind. So muss man doch kein Mensch sein, um Menschliches zu tun. Blade Runner 2049 berichtet von einer Chance, und sei sie noch so minimal. Er berichtet von der Chance, Menschlichkeit zu stiften. [...]
[...] Wie so häufig lässt sich in eXistenZ ein (populär-)wissenschaftlicher Grundstock entdecken, der sich vor allem mit der stetig wachsenden Relevanz digitaler Medien und deren Auswirkung auf die Gesellschaft beschäftigt. Vorrangig das pathologische Suchtverhalten wird deutlich, wenn sich Allegra, wie erwähnt, um ihre Gewebekonsole wie ein Neugeborenes kümmert. Die philosophische Komponente allerdings ist es, die aus eXistenZ eine wahrhaft und wahnhaft furiose Meditation über die Deformierungsmöglichkeiten unserer Realität erhebt. eXistenZ, das Spiel, offeriert dem Spieler die Chance, er selbst zu bleiben, sich aber jedweder Verantwortung zu entziehen, indem er sich in einen virtuelle Kosmos begibt, in der alles so realistisch erscheint, dass die Wirklichkeit vollkommen überflüssig wird. Womöglich auch aus dem Grund, weil unser irdisches Dasein keinen Sinn ergibt. Keinen Sinn ergeben kann. Und dort wird der Verlust von Konsequenzen zum Schlüsselreiz. Im Prinzip stellt David Cronenberg mit eXistenZ einen Lösungsvorschlag in Aussicht, mit dem die Welt zu einem friedlichen Ort heranreifen könnte: Nämlich, wenn sich alle Menschen in die Tiefen der virtuellen Welt begeben und in der Wirklichkeit als starre Hüllen vor sich hin vegetieren. So verkopft sich David Cronenberg hier in seinen stofflichen Anlagen auch geben mag, der Mann zeichnet sich, trotz aller Komplexität, durch sein ungemein geschmeidiges, dem Genre-Kino entlehnten Storytelling aus, was wohl auch dem Umstand anzurechnen ist, dass Cronenberg nicht nur das satirische Potenzial seiner Geschichte aufleben lässt und so gekonnt humoristische Spitzen in sein Narrativ einwebt. Die derben Analogeffekte, für die Cronenberg seit jeher mit seinem Namen einstand, sind auch in eXistenZ allgegenwärtig und akzentuieren weitergehend: Wenn das Fleisch formbar ist, ist es auch der Geist. [...]
[...] So wie der sattrote Strick über den Boden gleitet, sich verkeilt und von allen Widrigkeiten befreit, fällt Dolls gleich zu Anfang einer betörenden Poesie anheim, die, so die stilistische Marschroute des Films, Sinn und Sinnlichkeit auf audiovisueller Plattform austrägt und infolgedessen einen sensorischen Kanal filmischer Kommunikation erschafft, der das (motivische) Band zwischen dem Werk und seinen Zuschauern enger und enger knüpft. Dolls aber kann sich in seinen künstlerischen Ansprüchen einer gewissen Prätention kaum verwehren, gerne mal kanalisieren sich die – in der Theorie – tiefen Emotion in artifiziellen Fallstricken, was die anmutige Wirkung der Inszenierung zuweilen ungemein hemmt. Am besten ist Dolls eben dann, wenn er kleinteilig und feingliedrig bleibt; wenn er ganz bei sich und seiner Alltagspoesie bleibt, um überhaupt aus sich herauszukommen. [...]
[...] Unsere Seelen bei Nacht formuliert auf äußerst einfühlsame Art und Weise, wie die Angst eines Menschen davor aussehen kann, jedweden sozialen (oder besser: zwischenmenschlichen) Anschluss zu verlieren. Wie es ist, wenn sich die Nächte noch schwärzer präsentieren, seitdem die Liebe des Lebens beerdigt wurde. Seine besten Momente erschafft Ritesh Batra genau dann, wenn er Robert Redford und Jane Fonda vollkommen ungezwungen dabei belauscht, wie sie nebeneinander im Bett liegend ihr Leben rekapitulieren. Wenn er auf kleine Gesten achtet und das wachsende Vertrauen dokumentiert. Genau dann wachsen innerhalb der zaghaften Annäherungsversuche eine liebliche Romantik und Offenheit, die einen deutlich gefühlvolleren Niederschlag evozieren, als es die hier ebenfalls angesprochene generationsübergreifende Freundschaft oder Addies Beziehung zu ihrem Sohn (Matthias Schoenaerts, Blood Ties) vermögen. [...]
Vielleicht sind die Lehren, die wir aus der Trauer ziehen, genau die Antworten, denen wir Zeit unseres Lebens hinterherspüren.
[...] Was danach folgt, ist ein Ein-Frau-Stück, verabschiedet sich Gerald doch schnell durch ein Herzinfarkt neben das Bett, tritt aber immer noch gelegentlich als innere Stimme Jessies auf, die mit sich selbst eine regelrechte Konfrontationstherapie austrägt, in der sie sich Lebenslügen und verdrängte Geschehnisse zurück ins Bewusstsein ruft und so gleichwohl ihren Überlebenswillen befeuert. Neben einer körperlich unfassbar unangenehmen Szene, die Jessies Versuch, sich aus den Handschellen zu befreien, beschreibt, funktioniert Das Spiel als psychologisches Kammerspiel, in dem der Zuschauer in Jessies Gedanken- und Empfindungsraum eindringt und so ihre körperlichen wie seelischen Anstrengungen erfährt. Im Zuge einiger Rückblenden, die sich auf ein Vorkommnis während einer schicksalhaften Sonnenfinsternis beziehen (hier offenbart der Film auch einen Querverweis zu Dolores, ebenfalls von Stephen King), baut Das Spiel den traumatischen Grundstock seiner Erzählung weiter aus. Unverkennbar jedoch ist, dass es der Inszenierung Flanagans bereits nach der Hälfte der Laufzeit an Dynamik mangelt, eben weil er dem Konzept der Erzählung keine neuen Impulse abverlangt – oder weil sich die Ebenen dann doch etwas zu sehr im Wege stehen, ganz zum Leidwesen des anfangs wirklich sauber getakteten Pacings. [...]
[...] Nachdem Es sich also darum bemüht hat, die mehrfach codierte Drohkulisse zu etablieren und durch diese die jugendliche Verbundenheit zu porträtieren, in der nicht nur die innigen Freundschaftsbande tonangebend sind, sondern auch das Konkurrenzdenken gärt, offenbart Es zusehends seine erheblichen Mängel: Die inszenatorische Marschroute verkommt zum mechanischen Abarbeiten von Zugeständnissen. Der Retro-Chic wirkt alsbald nicht mehr charmant, sondern anbiedernd. Ja, Es stellt seine zeitgemäßen Insignien vielmehr aus, anstatt sie organisch in sein Narrativkonstrukt einzuweben, was sich im nächsten Schritt auch auf Pennywise beziehen lässt, der, in der Theorie, als Symbol unserer unterbewussten Ängste und Sorgen fungiert, in der hiesigen Umsetzung aber größtenteils zum unter lärmendem Gepolter aufschreckenden Ungetüm reduziert wird. Was eigentlich zur Meditation unserer Wahrnehmung im Zustand bedrückender Todesängste, in dem jedes Mentalisieren versagt, hätte werden sollen, reicht in diesem Fall nur zum repetitiven Jump Scare. [...] Dass Pennywise also auch physisch deutlich zu omnipräsent eingesetzt wurde, versperrt dem Film oftmals die Möglichkeit, den Horror im Kopf zur Entfaltung zu bringen. Dass die Jugendlichen als Individuen kaum grundiert worden sind, im Kollektiv dafür aber einige berückende Augenblicke zugesprochen bekommen, offenbart zwar weitere Drehbuch-Defizite, ein derart umfangreiches Buch jedoch akkurat zu adaptieren – gerade dann, wenn man sich auch noch als Horror-Film verdient machen möchte – scheint im Umkehrschluss nicht nur schwierig, sondern regelrecht unmachbar. Seine stärksten Eindrücke hinterlässt Es sicherlich im Coming-of-Age-Sektor, der das Gemeinschaftsgefühl im übertragenen Sinne auch als psychologischen Prozess der Trauma-Bewältigung anschneidet, wenn auch nur oberflächlich. Nichtsdestotrotz, abseits seiner gelungenen Momentaufnahmen, bleibt Es ein irgendwie schizophrener Film, der durchgehend auf Nummer sicher geht; der vorwiegend nach marktwirtschaftlichem Kalkül funktioniert und sich dem Anspruch hingibt, möglichst massenkompatibel auszufallen. Eben doch ein Film, der Angst machen will, anstatt das Wesen der Angst zu ergründen.
Eine Mordsgaudi. Was Roberto San Sebastián hier abfeuert, ist jenseits von Gut und Böse und wird in nächster Zeit mit ziemlicher Sicherheit für reichlich Gesprächsstoff sorgen. Allerdings nicht aus dem Grund, weil The Night of the Virgin zwanghaft Tabus brechen und Grenzen überschreiten möchte, sondern weil The Night of the Virgin dermaßen viel Laune macht, dass diese perversen Kaskaden der Geschmacklosigkeit nur die logische Konsequenz eines Werkes sind, in dem das schelmische Grinsen über jeder Einstellung thront. Hier ist ein Regisseur zu Werke geschritten, der nicht krampfhaft arbeitet, um Aufmerksamkeit zu erregen, sondern ein Künstler, der sich losgelöst von allen Normen scheckig lacht. Eben weil lachen gesund ist – vor allem über Dinge, die absolut ungesund sind. Und die hiesige, fast 120 Minuten in Anspruch nehmende Sauerei, die den Zuschauer in einen hysterischen Rausch aus Kotze, Pisse, Wichse, Blut und sonstigem Körperschleim entführt, ist ein derartig passioniert arrangiertes Ekelpaket geworden, dass man applaudieren, grölen, würgen möchte. The Night of the Virgin allerdings gelingt deshalb so gut, weil sich Hauptdarsteller Javier Bódalo voll und ganz ins Zeug legt und die Performance des Jahres abliefert. Unglaublich, was der Mann hier veranstaltet. Unglaublich, was dieser Film veranstaltet.
Im Kern zeigt Sexy Durga die Qualen auf, die man bereit ist, für die Liebe in kauf zu nehmen. Sanal Kumar Sasidharan lässt ein Paar im von rückständigen Moral- und Wertevorstellungen geprägten Indien durch die Nacht fliehen, um ihrer Liebe eine mögliche Zukunft zu schenken. Und Sexy Durga lebt genau von diesen 'Möglichkeiten'. In jeden Moment, den diese Flucht durch die alles umfassende Finsternis aufbereitet, scheint die Gewalt eingeschrieben zu sein und nur auf die Möglichkeit zu warten, zu eskalieren. Nachdem das Paar von einem Van aufgelesen wird, verdichtet sich das Unbehagen innerhalb des Narrativ von Sexy Durga minütlich. Ach, sekündlich. Die Angst geht um. Die Angst vor dem, was möglich ist. Lange Zeit hat es kein Film mehr geschafft, die Nacht, die Finsternis, dermaßen effektiv als Terrormedium zu nutzen, was nicht zuletzt daran liegt, dass Sexy Durga seine Dialoge auf ein Minimum beschränkt und zuvorderst aus Plansequenzen besteht, die die Tiefe des Raumes, die Tiefe der Dunkelheit, in ihrem ganzen Schrecken zum Ausdruck bringt. Anspannung pur, ganz, ganz unangenehm.
[...] Führt man sich Cold Ground jedoch zu Gemüte, muss man den Glauben an das Found-Footage-Sujet in jeglicher Hinsicht endgültig aufgeben. Tausendsassa Fabien Delage besitzt keinerlei Gespür für akkurate Stimmungsbilder und verbietet seinem Werk so von vornherein jeglichen Anflug an immersiver Durchschlagskraft. Cold Ground erweckt den Eindruck, einzig und allein damit beschäftigt zu sein, vor Jahren bereits verstaubte Konventionen im lustlosen Stakkato bis zum Erbrechen zu reproduzieren: In der Nacht hallen markerschütternd Schreie durch die Dunkelheit; Das Ensemble wird nach und nach dezimiert – und wenn es schaurig werden soll, schleudert die Kamera in ihrer ganzen künstlerischen Hilflosigkeit unübersichtlich im Kreis. Das hiesige, der Öffentlichkeit über 30 Jahre vorbehaltene Material, hätte der Allgemeinheit ruhig weiterhin verschlossen bleiben dürfen. Cold Ground ist unanschubar und bündelt all das, was Found Footage so unerträglich macht. [...]
[...] Wie gesagt: Der Ägide von Chad Archibald ist durchaus anzumerken, dass hier ein Künstler zu Werke geschritten ist, der eine klare Leidenschaft zum Horror-Genre pflegt (wenn die einsame Hütte im Wald gezeigt wird, ist die liebevolle Referenz augenfällig). Geradezu absurd ist daher die Kluft, die entsteht, wenn man bemerkt, wie uninspiriert Archibald agiert. Bezeichnend ist gerade der Umstand, dass The Heretics keinerlei Gespür dafür besitzt, Bilder für sich allein sprechen zu lassen, ein Klima der Bedrohung rein über das Visuelle heraufzubeschwören, was ihn dazu nötigt, jede Szene, in der ein gewisses Maß an übernatürlicher Beklemmung aufgefächert werden soll, mit einem übermäßig penetranten Klangteppich zu überstülpen, der nicht suggestiv, sondern penetrant und enervierend auf den Zuschauer einwirkt. Und damit versinkt The Heretics im Genre-Einheitsbrei, in dem es nicht um Beklommenheit, sondern um Lärmbelästigung geht. [...]
[...] Aus der Sicht des von Shia LaBeouf (American Honey) gespielten Gabriel Drummer wird dem Zuschauer näher gebracht, wie realitätsfremd und bedrückend die Wahrnehmung einer Person sein muss, die unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Gabriel hat während seiner Zeit in Afghanistan ein Land erlebt, in dem überall Krieg ist, was ihn zu einem Menschen gemacht hat, der sich ständig im Krieg befindet. Mittels Parallelmontage, die Gabriel vor, während und nach seines Einsatzes beschreibt, wird die gestörte Seele des Mannes herausgearbeitet, der in seiner Heimat nur noch eine postapokalyptische Trümmerlandschaft erkennt. Sicherlich mag Dito Montiel seine kritische Haltung gegen den Kriegs- und Militärapparat etwas zu forciert artikulieren, was Man Down nicht nur platt, sondern gelegentlich auch phlegmatisch erscheinen lässt. In seinen Aussagen allerdings bleibt er durchweg ehrenwert; und bei großen Dingen genügt es bekanntlich zuweilen schon, sie gewollt zu haben. [...]
[...] David Cronenberg betrachtet das „Fehlschlagen“ des Experimentes hier noch aus verschiedenen Blickwinkel, eine persönliche Wertung bleibt aus. Ohnehin besaßen die Filme Cronenbergs in jenen Tagen immer einen wissenschaftlichen Grundstock, was der Handhabung seiner wiederkehrenden Themen und Motive eine gewisse Neutralität in das Fundament einmeißelt. Die äußere Veränderung allerdings bleibt ein markerschütternder Alptraum. Nicht nur aus dem Grund, weil Brundle Körperteile verliert oder ihm milchige Säfte entweichen. David Cronenberg geht hier auch über den technologischen Kontrollverlust hinaus und findet das Zentrum seiner Erzählung in einer intensiven, nachhaltigen und unfassbar brillant inszenierten Liebesgeschichte. Wenn Brudle schließlich nur noch als Monster durch seine Wohnung schreitet, regiert nicht nur Angst und Abscheu das Szenario. Veronica und Brundle sehen ihre Zukunft in Scherben: Der Blick in die schwarzen Augen des widernatürlichen Wesens offeriert die Frage, wie viel Menschlichkeit in Brundle in Wahrheit noch steckt. Und das Ganze, ohne sich in Melodramatik zu wälzen. Die zwischenmenschliche Wärme und Bedrückung dieses Augenblicks wurde fein säuberlich aufgebaut, der Akt der Erlösung ist hier ein Liebesbeweis. Der Kloß im Hals des Zuschauers wird noch einige Stunden danach spürbar sein. [...]
[...] American Vandal ist sich natürlich im Klaren darüber, dass acht Folgen deutlich zu viel wären, um sich permanent über die erzählerischen, dramaturgischen und inszenatorischen Mechanismen von True-Crime-Formaten lustig zu machen. Wenn man so möchte, hat man sich daran auch nach bereits zwei Episoden weitreichend sattgesehen, obgleich der Humor niemals wirklich daneben tritt. Neben seinen gekonnten satirischen Anleihen allerdings funktioniert American Vandal, weil sich die Serie ihrer exponierten Seriosität bewusst ist, simultan dazu aber auch eine reelle Ernsthaftigkeit entblättert, in dessen Visier die Vorgehensweisen moderner Berichterstattungen rücken, die sich gerne jedweder Objektivität entbehren und auf vulgär-psychologische Herleitungen plädieren. Tatsächlich wird hier mehr oder weniger die destruktive Macht von Vorwürfen und Gerüchten thematisieren und weitergehend aufgezeigt, dass es vielen Menschen nicht um die Wahrheit geht, sondern nur darum, ihre eigene Meinung bestätigt zu sehen. [...]
[...] Das Rekurrieren auf historische Gegebenheiten nimmt Arthur Penn nicht zum Anlass, um eine im Detail stimmige Aufbereitung jener geschichtsträchtigen Epoche, in der General Custer, Sitting Hill und Crazy Horse zugegen waren, auszuwerten. Vielmehr definiert sich Little Big Man an Entmythologisierung des klassischen Westernfilms und verpflichtet sich einer Narration, die eindeutig den Indianern denn der Armee respektive den Siedlern gewogen ist. Vom schillernden Pioniergeist und dem oftmals damit verknüpften Pathos möchte Arthur Penn nichts wissen, stattdessen erzählt er von einem Land, in dessen Innerem nur Zerrissenheit lauert. Und dieses drückende Gefühl einer zerklüfteten Nation trägt er über den von Dustin Hoffman gespielten Jack Crabb aus: Ein Mann, der beinahe zu klein erscheint, um eine dermaßen beeindruckende Biographie aufzuweisen. Und genau das ist bereits die Methode, um eine klassische Heldenikonographie zu unterwandern. [...]
[...] Hat Lammbock es überhaupt nötig gehabt, eine Fortsetzung geschneidert zu bekommen? Wohl kaum. Doch Christian Zübert hat es mit Lommbock vollbracht, nicht nur drögen Fan-Service aufzubereiten (obgleich das Wiedersehen mit dem ein oder anderen alten Bekannten sicherlich nicht notwendig gewesen wäre) oder popkulturelle Referenzen im Stakkato zu hofieren, sondern die Handlung des Erstlings logisch weiterzuentwickeln: Kann man ein Leben, welches eigentlich der Vergangenheit angehört, in die Gegenwart retten? Und kann es auch dann noch bestehen, wenn man bemerkt, dass sich die eigene Persönlichkeit im Wandel der Zeit nun mal zwangsläufig verändert hat? Sicherlich mag Lommbock keinen tiefen-philosophischen Diskurs über den Menschen darstellen, sondern sich vielmehr als verspielte Komödie verstehen. Aber immerhin ist es eine Komödie, die ihre Charaktere, ihre Entwicklungen und ihre Befinden auch im Rauch des Tetrahydrocannabinol ernst nimmt. [...]
[...] Der legendenumrankte wie milliardenschwere Geschäftsmann Howard Hughes wird in Regeln spielt keine Rolle vorerst noch wie eine Art MacGuffin behandelt: Alles dreht sich um ihn, zu sehen jedoch ist er nie, was dem Film Zeit gibt aufzuzeigen, dass Frank und Marla Opportunisten sind, die für ihren Erfolg sogar soweit gehen würden, ihre sich langsam anbahnende Liaison verstreichen zu lassen, was der ins nostalgische Fundament gemeißelten Romantik vorerst einen Strich durch die Rechnung macht. Tritt Hughes dann in Erscheinung, beschäftigt sich Warren Beatty, der mit Regeln spielen keine Rolle sein langjähriges Herzensprojekt verwirklicht hat, sowohl mit der Macht des Mysteriösen, gleichwohl aber auch von der Bürde, Träume zu schenken und Träume zu zerstören – was sich auf die gesamte Branche transferieren lässt und Regeln spielen keine Rolle zu einem angenehm ungebräuchlichen Portrait erklärt. [...]
[...] Doch selbst wenn sich This Boy's Life – Die Geschichte einer Jugend einigen plakativen Momenten hingibt, besticht Michael Caton-Jones' Regiearbeit immer noch als tadellos gespielte Charakter-Studie, die durch ihr 1950/60er-Jahre Setting einige gewisse Nostalgie forciert, darüber hinaus aber eine Botschaft an sein Publikum vermittelt, die sich abseits jeder Verklärung entfaltet: Eine Flucht nämlich muss nicht immer aus einem Impuls der Feigheit entstehen. Dwight sperrt seine neue Familie in ein von ihm errichtetes Gefängnis, mit dem er sich ein Ventil geschaffen hat, seine Minderwertigkeitskomplexe auszublenden. Erfährt er Widerworte, bleibt ihm aufgrund seiner intellektuellen wie sozialen Beschränktheit (auch hier geht es um selbst erschaffene Gefängnisse) nur die Gewalt. This Boy's Life – Die Geschichte einer Jugend ist die aufwühlende und berührende Jugenderzählung, die abbildet, dass Machtkämpfe auch dann gewonnen werden können, wenn man den Mut aufbringt, sich ihnen gänzlich zu entziehen. [...]
[...] Narcos macht auch in der nunmehr dritten Staffel deutlich, dass der Drogenmarkt ein perfekter Organismus ist, dem man zwar den Kopf abschlagen kann, dem aber mit dem nächsten Wimpernschlag bereits zwei neue gewachsen sind. Obgleich man sich als Zuschauer hier mit einer gewissen Eingewöhnungsphase arrangieren muss (Anlaufschwierigkeiten wäre zu harsch formuliert), ist die Ambivalenz weiterhin als Triebfeder des Erfolgs der Serie zu verstehen. Hier werden nicht nur Machtgefüge und die Fesseln der Rechtsstaatlichkeit auseinanderdividiert sowie die Ökonomie des Kartellhandels beleuchtet. Vor allem dekonstruiert Narcos alles Heldenhafte und Verwegene, was Spielfilme den Gestalten aus dem Schatten (und jenen, die sie jagen) gerne andichten. Im Prinzip startet alles mit dem nachvollziehen Traum, finanziell ausgesorgt zu haben, um seiner Familie ein Leben in Frieden zu ermöglichen. Die Wege, die diesen Traum ermöglichen sollen, sind nicht das einzige Problem, mit dem sich Narcos ausgiebig beschäftigt. Genauso kritisch offenbart sich der Blick auf die Mittel, die die Behörden einleiten, um die Menschen von ihren Träumen abzuhalten. Zu welchem Preis? Und hier kommt erneut Javier Pena ins Spiel, der in der Wirklichkeit nichts mit dem Cali-Kartell zu tun hatte, in Narcos aber beinahe schon die Stellung eines übergeordneten Prinzips personifiziert: In seinen Ambitionen, den „Bösen“ das Handwerk zu legen, hat er sich viel zu oft dazu verleiten lassen, selber zum „Bösen“ zu werden. Was bleibt schlussendlich? Nichts, außer der Blick auf einen Fluss, auf dem ein Boot schippert, welches bereits die nächste Drogenladung nach Amerika schmuggelt. [...]
[...] Der Zuschauer indes weiß natürlich: Er fokussiert sich hier ganz auf den Abschied von Laura Palmer. Inmitten einer klischeetriefenden Vorstadtkulisse offenbart der Meisterregisseur wieder einmal sein unerschöpflich erscheinendes inszenatorisches Register. Einzigartige Bild- und Klangwelten entführen den Zuschauer in eine Welt, in der lauernde Schattenwesen und grelle Lichtkegel nur eine der (in ihren Anlagen) grundverschiedenen Gegenüberstellungen innerhalb Lauras Bewusstseins bedeuten. Twin Peaks: Der Film schlägt eine Alptraumlandschaft auf, in der Lynchs Konzentration ganz dem Sensorischen und Affektiven gilt. Losgelöst von der Geißel des klassischen Geschichtenerzählers, bleiben hier vor allem Hypnose und Elektrizität als Konstanten bestehen. Seine schöpferische Sprengkraft aber wird nicht in der assoziativen Audiovisualität deutlich, sondern dort, wo Lynch sich ganz menschlich mit seiner Hauptfigur auseinandersetzt. Wo er häusliche Gewalt, sexuellen Missbrauch, Traurigkeit und Sehnsüchte anspricht. Dort wird die Ballade aus Feuer und Kitsch zur empathischen Erlösungsphantasie, die aufzeigt, dass sich Türen nicht immer nur in eine Richtung öffnen lassen. [...]
[...] Fragwürdig an Die Frau des Zoodirektors ist bereits der Umstand, dass einem die menschlichen Schicksale zu keiner Zeit wirklich ans Herz gehen. Grund dafür ist, dass Niki Caro sich verstärkt auf das süße Auftreten der zu rettenden Tiere verlässt, anstatt ihr involviertes Ensemble charakterlich zu vertiefen. Das mit über 130 Minuten strapaziös lange Weltkriegsdrama entzieht seine emotionale Pressung aus dem Kontrapunkt, mit dem die Geschichte ins Rollen gebracht wird: Wo vorher noch sonnendurchflutete Harmonie bestand, bleiben kurze Zeit später nur Trümmer und Rauch. Die Menschen sind im Zuge des Verheerungen des Krieges immerzu zweitrangig, deutlich schlimmer ist es, wenn Tiere von den diabolischen Deutschen geopfert werden. Dass Die Frau des Zoodirektors sich darüber hinaus noch als Appell an die Selbstlosigkeit besteht, fügt sich natürlich wunderbar ins penetrant anbiedernde Gesamtbild dieses gefühlsduseligen Rührstücks. [...]