SoulReaver - Kommentare
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Alle Kommentare von SoulReaver
[...] Man merkt dem Drehbuch von Quentin Tarantino und der Regie von Tony Sott kontinuierlich an, dass hier zwei Kinder der Popkultur zusammengefunden haben. Der Referenzreichtum ist dementsprechend exorbitant, ob in Bild, Ton oder Dialog. True Romance allerdings ist kein Ausstellungskino jener (Quer-)Verweise, sondern ein Film, der sein eigenes Medium inbrünstig liebt. Und diese Inbrunst lässt sich auch auf das Erwachsenen-Märchen transferieren, in dem Clarence und Alabama die Hauptrollen ausfüllen: Ihre Romanze ist so einnehmend, weil sie mit offenen Karten spielt. Sie ist wild, ungebremst und destillierte ihren Charme aus dem hemmungslosen Temperament, mit dem sich die impulsive Inszenierung artikuliert. True Romance glaubt an die Macht der Übertreibung, des Überspannens, explodiert mit Leidenschaft als hochglanzpolierter Comic und gibt sich gleichwohl hoffnungslos romantisch. Und sicherlich ist das ab und an pubertär. Diese Lebensgewandtheit, die dieser Film jedoch ausstrahlt, ist noch immer entwaffnend betörend. [...]
[...] Alles an Blind Wedding – Hilfe, sie hat ja gesagt jedoch wirkt erzwungen und geziert. Jason Biggs schlüpft natürlich erneut in die Rolle, auf die er seit American Pie abonniert war: Er ist der tollpatischige Pechvogel, der sich schusselig durch das Leben klamüsert und am Ende doch noch lernen darf, dass das Unglück ein Nadelöhr ist, durch welches sich oftmals das Glück zwängt. Blind Wedding – Hilfe, sie hat ja gesagt ist harmlos und vollkommen egal, sein fader Retorten-Geschmack macht es den beiden Hauptdarstellern, denen man durchaus zutrauen könnte, dass sie die kuriose Gelegenheit beim Schopfe packen, um der Liebe Auftrieb zu verliehen, sichtbar schwierig, eigene Akzente zu setzen. Aber Blind Wedding – Hilfe, sie hat ja gesagt bleibt ein Film, der im Kern seines Duktus schon deutlich macht: Eigentlich reicht es, wenn man mich nebenbei laufen lässt, weil ich ohnehin nichts zu erzählen und somit auch nichts zu geben habe. [...]
[...] Zusammen mit Rita, die in Bettys Badezimmer entdeckt wurde, eröffnet David Lynch eine von unheimlicher Präzision angeordnete Abrechnung mit der Traumfabrik. Naivität ist hier der Nährboden, in dem das Business all seine Niedertracht pflanzt. Mulholland Drive – Straße der Finsternis aber versteht sich nicht darauf, seine Geschichte linear und rational zu entschlüsseln, sondern bleibt, wie so häufig bei David Lynch, ein Werk, dem ein großes Geheimnis innewohnt. Es ist dem Zuschauer überlassen, herauszufinden, wie dieses Geheimnis, diese tieferliegende Wahrheit, aussieht. Beeindruckend allerdings ist, wie Lynch es in meisterlicher Ausübung beherrscht, das Kino auf seine festgeschriebenen Gesetze, ankonditionierten Erfahrungswerte und Erscheinungsformen abzutasten – und diese auszuhebeln, zu zerschlagen und schlussendlich neu anzuordnen. Mulholland Drive – Straße des Finsternis ist Verführung, Verlagerung und Zerschlagung.
Der Schlüssel, der auch in Mulholland Drive – Straße der Finsternis ein entscheidendes Symbol darstellt, liegt im eigenen Bewusstsein begraben. David Lynch gehört zu den wenigen Filmemachern, die ihrem Publikum ein ausgeprägtes Maß an Eigeninitiative abverlangen. Die auf visionäre Art und Weise Portale der Sehnsucht erschließen, diese aber nur zu erkennen geben, wenn sich der Zuschauer bereit erklärt, jene auf eigene Verantwortung zu verarbeiten, zu deuten. Und lässt man sich auf Mulholland Drive – Straße der Finsternis ein, auf dessen paralysierenden Sog, der geradewegs in einen Träume und Ideale verschlingenden Orkus geleitet, erkennt man wiederholt, dass Lynchs visionäres Genie seinen Ursprung in der allumfassenden Menschlichkeit trägt, die den gesamten Film ausstaffiert. Neben all den Neurosen und Psychosen, den Chiffren und Alptraumlandschaften in unendlichen Traumwelten bleibt dieser Film Ausdruck eines urmenschlichen Wunsches: Endlich geliebt zu werden. [...]
[...] Rupert Wainwright, der seine Karriere 2005 mit dem katastrophalen John-Carpenter-Remake The Fog – Nebel des Grauens postwendend wieder zu Grabe getragen hat, aber stellt sich mit Stigmata in die Tradition von Filmen wie Der Exorzist und Das Omen, weiß der Genealogie des Okkult-Horrors aber keine neuen Impulse abzuringen. Die wenigen wahren Reizpunkte liegen ausschließlich in den unfreiwilligen (?) Gedankenansätzen, die zu keiner Zeit ausgebaut werden. Eben in jenen schnell zu übersehenden Ansätzen, die verheißen könnten, dass Stigmata sich im übertragenen Sinne mit den Leiden eines Menschen auseinandersetzt, der nicht in der Lage ist, seine Traumata zu bewältigen, diesen aber kontinuierlich entkommen möchte – bis der eigene Körper zur Projektionsfläche all des Schmerzes wird, der sich in der Seele angesammelt hat. Die Qualen kehren sich nach außen, wenn man so möchte. Das Drehbuch von Tom Lazarus allerdings begreift paranormale Phänomene als gegebenen Umstand. Ihm ist es nicht daran gelegen, einen doppelten Boden zu erschaffen, stattdessen hat Rupert Wainwright leichtes Spiel und kann seine Erfahrungen aus der Musik- und Werbebranche aufzeigen, wenn er Stigmata in schnellen Schnitten und entkräfteten, ausgeblichenen Farben zu einem größtenteils drögen Der Exorzist-Epigonen für die MTV-Generation erklärt. [...]
[...] Wenngleich sich Helden der Nacht der Ästhetik des klassischen Polizeifilm der 1970er und 1980er Jahre bisweilen hingibt, so liegt das von stimmungsvollen Sozial- und Lokalkolorit umflorte Hauptaugenmerk doch auf ausgereiften Psychogrammen. Bobby stellt den Abtrünnigen, aber nicht Verlorenen dar, auf dessen Schultern seit jeher die Erkenntnis lastet, dass man sich seine Familie nicht aussuchen kann, ihr aber dennoch auf Lebzeiten verpflichtet ist. Eindrucksvoll ist vor allem, wie Helden der Nacht mit gängigen Konventionen aufräumt, sie hinterfragt und bereits so dem Filmtitel einen Strich durch die Rechnung macht: Helden nämlich gibt es keine, nur Ängste, Instinkte und Verletzungen, fernab jeder überzeichneten Souveränität. Gefühlsbewegungen sind der Taktgeber, die das geruhsame Drama dynamisieren. Die Gewalt indes verbildlicht sich als schreckenerregende Konstante einer Welt, in der zu viele Seelen von Panik und Enttäuschung umklammert wurden. [...]
[...] Vielleicht aber ist auch das Methode in diesem Film: Vielleicht hat Training Day hier versucht, die subjektive Perspektive von Hoyt einzunehmen, um zu veranschaulichen, wie es ist, wenn man zum Schach spielen gezwungen wird, obwohl man sein ganzes Leben nur mit Dame zugebracht hat. Training Day jedoch kennt tatsächlich nur Good Cop und Bad Cop, nur Gut und Böse, nur Wölfe und Schafe. Dementsprechend flach, anspruchslos und zu gewissen Teilen reaktionär fallen die Rollenmuster aus, die Fuqua mit aller Beharrlichkeit (über-)stilisiert. Von ambivalenten Abstufungen jedenfalls möchte man hier nicht reden, der geisteskranke Alonzo erfüllt das Klischee des korrupten, aus persönlicher Motivation heraus agierenden Antagonisten, während Jake Hoyt den Paragraphen-reitenden Saubermann gibt – und damit das reine Gewissen des Films. Wäre Training Day nicht so extrem stilbewusst und packend inszeniert (sowie von imposanten Schauspielleistungen durchströmt), man hätte arge Schwierigkeiten damit, positiv für diesen Film zu argumentieren. So aber werden die transparenten Persönlichkeitsprofile Bauteile einer Welt, in der die Straße noch als Dschungel, als Schlachtfeld gilt. Einer Welt, in der man sich die Finger schmutzig machen muss. [...]
[...] The Deuce veranschaulicht also nicht nur, wie Sexualität systematisch kapitalisiert wurde. Die Serie veranschaulicht auch, wie der Geschlechtsakt zum Warenmuster wurde, dessen Maß an Körperlichkeit am besten bis auf das Minimum reduziert werden sollte. Und selbstverständlich ist The Deuce eine reichhaltige, ungemein hintergründige Meditation über den Wandel der Sexualmoral im Zuge der sexuellen Revolution und eine Dokumentation der Wahrnehmung von Geschlechterrollen. Darüber hinaus allerdings beweist Simon erneut sein ungemeines Gespür für die ausgefeilte Entwicklung von Charakteren. Hier geht es eben nicht um die Nostalgisierung der 1970er Jahre, sondern um die Veränderungen, die diese Zeit von ganz allein mit sich bringt. So hervorragend inszeniert die erste Staffel von The Deuce also auch sein mag (und das ist sie), in seiner Essenz verfolgt die Serie zwei Handvoll Menschen dabei, wie sie versuchen, sich in genau dieser Zeit zu verwirklichen. Wie sie träumen und wie sie scheitern. Wie sie Opfer und Gewinner des System Sex werden. [...]
[...] Was schnell auffällt, ist die unausgegorene Narration, mit der sich Unlocked eigentlich über seine gesamte Laufzeit herumplagen muss. Dem Drehbuch scheint es unmöglich gewesen zu sein, all die (im Wesentlichen bekannten) Versatzstücke der Handlung unter einen stimmigen Hut zu bekommen und so die dramatische Fallhöhe des Bedrohungsszenarios greifbar zu machen, was Peter O’Brien offenkundig dazu nötige, erzählerische Unzulänglichkeiten hinter einigen Finten und Wendungen zu verbergen, was hier natürlich doppelt in die Hose geht. Dennoch wäre es ein Akt der Ungerechtigkeit, Unlocked als ein gescheitertes Projekt herabzuwürdigen, dafür nämlich ist der Thriller immer noch zu wertig inszeniert – und zu gut besetzt. Man merkt Michael Apteds Ägide an, dass der Regisseur seine filmische Sozialisation in einem weitaus früheren Jahrzehnt erfahren hat, denn Unlocked beschäftigt sich weniger damit, Gegenwartsspiegelung denn klassischer Spionage-Flic zu sein. [...]
[...] Der Name der Rose darf sich zu den Filmen zählen, die es schaffen, dem Zuschauer die Tinte schmecken zu lassen, die sich tief in das Pergament drückt und jene Geschichte dokumentiert, die hier über eine Laufzeit von beinahe 130 Minuten erzählt wird. Mag der diskursive Gehalt der literarischen Vorlage auch massiv verkürzt worden sein, so ist es Jean-Jacques Annaud und seinem Autorenentourage doch nicht nur gelungen, einiges von der rhetorischen Klasse des Romans in die Leinwandadaption hinüberzuretten. Vor allem ist es das wuchtige Klima eines im Nebel versunkenen Zeitalters, welches sich durch die inszenatorische Dichte als ungemein immersiv gestaltet. Die Suche nach Hinweisen und Indizien, die nicht zuletzt einen gezielten Kreuzzug gegen kirchliche Doktrin heraufbeschwört, entschlüsselt letztlich zwar auch das unheimliche Rätsel innerhalb der geschichtsträchtigen Gemäuer. Schlussendlich aber beschreibt Der Name der Rose einen identitätsstiftenden Aufstand des Gewissens. [...]
[...] In Babylon Berlin bleibt dieses Einfühlvermögen auf der Strecke, was das Format selbst zu einem gerne mal kalten und distanzierten Erlebnis erklärt. Dass die erste Staffel dieses in jedweder Hinsicht überdimensionierten Prestigeprojekts dennoch ungemein wirkungsmächtig auf den Zuschauer eindrischt, verweist auf die Kompetenzen, mit denen sich Babylon Berlin dann doch zweifelsohne brüsten darf: Inszenatorisch nämlich haben Tom Tykwer und seine Protegés hier Geschichte geschrieben. Der produktionstechnische Aufwand, der sich in Kulissen, Kostüme und selbstverständlich in der Technik höchstselbst niederschlägt, ist von machtvoller Detailbesessenheit geprägt. Früher Höhepunkt der ersten Staffel ist wohl die Reiz-überschäumende Massenperformance im sogenannten Moka Efti, in dem die Sängerin Nikoras (Severija Janusauskaite, Der Stern) mit Zu Asche, zu Staub einen Chanson schmettert, der nicht nur das Titellied der Serie darstellt, sondern wahrlich die Sinne beflügelt.
Beeindruckend an Babylon Berlin allerdings ist auch, wie exakt es der Serie gelingt, ein akkurates Stimmungsbild jener goldenen Zwanziger in Szene zu gießen. Hier wird das Schicksal einer kriegszitternden Generation beschrieben, die gerade dabei ist, ihre Ängste bestmöglich zu verdrängen und sich damit eben auch schon unbewusst auf das nächste schwarze Kapitel nationaler wie internationaler Zeitgeschichte einstellt. In hypnotischen Bild- und Klangwelten lokalisiert sich Babylon Berlin zwischen Hardboiled-Verdichtungen und bildgewaltigem Peroid Picture. Überall, egal, wohin sich die Charaktere bewegen, sind Quellen der Angst aufzuspüren. Quellen, die sich in der Vergangenheit mobilisiert haben und in die Zukunft verweisen. Und womöglich liegt hier die Genialität der Serie begraben: Im Schmelztiegel der Vergangenheit, blickt man nicht nur auf das Hier und Jetzt, sondern in die Zukunft. Auf die schwarzen Wolken, die blutroten Sturzbäche, das braune Gift. [...]
[...] Denn dieses Manifest der Angst, welches Halloween – Die Nacht des Grauens umspannt, ist letztlich auch eine ausgiebige Analyse der Angst, die deren irrationales, ungreifbares Wesen abtastet, in dem sie eine verträumte Ortschaft, in der sich der Frieden von Haustür zu Haustür erstreckt, mit dem absoluten, dem ultimativen Bösen konfrontiert. Michael Myers rückt den Ansässigen wie auch den Zuschauer all die Alpträume zurück in das Bewusstsein, über die sie dachten, endgültig hinausgewachsen zu sein: Die Angst vor fehlender Moral. Die Angst vor der Abwesenheit eines Gewissens. Der Kontrollverlust. Das Fehlen jedwedes Differenzierungsvermögen: Jenseits von Gut und Böse, von Recht oder Unrecht – und von Leben und Tod. John Carpenters beispielhafter Minimalismus, in dem es gerade die Kameraführung ist, die das Geschehen strukturiert, koordiniert und dem Schrecken Kontur gibt, ohne ihn zu entschlüsseln, beweist sich auch heute noch als formvollendeter Angstmacher. [...]
[...] Gebrochene Fuß- und Handgelenke, eine durchtrennte Zunge, Torfreste unter den Nägeln und die seltsam graugefärbten Augen werfen Fragen auf, die erst den Anfang einer erschreckenden Wahrheit bedeuten. The Autopsy of Jane Doe funktioniert genau solange, wie André Øvredal sein Gruselszenario in der Schwebe behält und die Wahrheit auf Abstand hält. Eine ausgefeilte Klangkulisse ist der Taktgeber für einen Rhythmus, der die Spannungsschraube schwelend, siedend, einnehmend-mysteriös andreht. Nach besagter Stunde allerdings verläuft sich The Autopsy of Jane Doe ganz gewaltig. Der Film wird lauter – und damit auch ineffektiver. Aus dem Unwohlsein, welches ganz genüsslich unter die Haut zu kriechen verstand, wird eine schrille Geisterbahnfahrt, die jedes Kribbeln und Kratzen im Keim erstickt, was The Autopsy of Jane Doe hinten heraus ungemein unrund erscheinen lässt. Geheimtipp und Konfektionsware reichen sich hier die Hand. [...]
[...] Stattdessen versteht sich American Psycho als einziger, nie enden wollender und sich selbst bedienender Oberflächenreiz, in dem man kontinuierlich Statussymbole und somit auch sich selbst ausstellt. American Psycho ist eine gallige Bestandsaufnahme der Gegenwart und eine Analyse des vorherrschenden, gesellschaftlichen Wertesystems. Und natürlich bietet sich Patrick Bateman im Zuge dessen als vortreffliche Teststrecke an, weil er sich als so extreme wie grelle Erscheinung offenbart, dass seine wahre Persönlichkeit hinter all den Profilneurosen vollends verschwindet. Oder auch: Dass der Gedanke aufkommt, Patrick Bateman hätte keine Persönlichkeit, sondern ist nur als menschliche Hülle existent, die sich bis zum Rand mit Perversion, Zynismus und Fetischismus füllt. Und auch hier muss noch einmal angesprochen werden: Wie Christian Bale den Inbegriff der Du bist, was du besitzt-Mentalität ausspielt, ist schlicht und ergreifend herausragend.
In einer Welt, in der Konformität und Verfügbarkeit alles dominieren, scheint sich in Patrick Batemans mörderischen Triebe die letzte Möglichkeit widerzuspiegeln, genau dieser festgeschriebenen, selbst-erzwungenen Gesetzmäßigkeit entgegenzuwirken. Eine Antwort darauf, woher der Wahnsinn rührt, den Bateman süffisant in bestialischen Gewaltexzessen herauslässt, beantwortet American Psycho nicht. Der Film unterwandert stattdessen unseren Anspruch, alles psychologisieren zu müssen, um es zu entschlüsseln, greifbar zu machen und im nächsten Schritt verarbeiten können. Genau das möchte American Psycho nicht. Alles, was er erzählt, funktioniert genaugenommen ohne Hintergründigkeit. Hier geht es ausschließlich darum, die Maske der Zurechnungsfähigkeit ad absurdum zu führen. Und dafür bieten sich diese millionenschweren Yuppie-Arschlöcher, die in ihrem Leben noch nie etwas geleistet haben, einfach wunderbar an. Ein Hoch auf den Nihilismus! Ein Hoch auf den Materialismus! Ein Hoch auf alles Kranke und auf die Gleichgültigkeit, die in eindringlicher Kälte Schächte in die Eingeweide bohrt. [...]
[...] Wenn man nämlich ganz ehrlich ist, dann fischt Philippe Falardeau in trüben Gewässern. Chuck – Der wahre Rocky ist eine Sportler-Biographie. Noch konkreter (und obligatorischer): Ein Film über den Aufstieg und Fall eines Boxers. Wer will denn so etwas noch sehen? Eine nachvollziehbare Frage, doch Chuck – Der wahre Rocky erweist sich, trotz seiner stilistischen Konventionalität, als sehenswert, überzeugt die Mischung aus Familien-Drama und Charakter-Studie doch durch seine Aufrichtigkeit im Umgang mit den involvierten Figuren. Der überzeugend von Liev Schreiber (Scream 3) gespielte Chuck Wepner darf unter der Ägide von Philippe Falardeau zu seinen (vielen) Fehlern stehen. Er darf seine größte Stärke zeigen, nämlich niemals auf die Bretter zu gehen, und er darf seine größte Schwäche beweisen: Die Abwesenheit jedes Sinns für Verhältnismäßigkeit. Anstatt den Film leben zu wollen, der auf seinem Leben basiert, muss Wepner lernen, das Leben zu leben, welches ihm geschenkt wurde. Das nicht neu, aber greifbar. [...]
[...] Mit Mindhunter zeigt sich der marktführende Streamingdienst für ein Format verantwortlich, welches sich in erster Linie durch eine Sache auszeichnet: Konzentration. Nie kommt es in dieser kongenialen ersten Staffel zu überflüssigen Augenblicken, nie wird ein Wort zu viel verloren oder eine Kameraeinstellung zu weit hinausgezögert. Mindhunter gewinnt seine Authentizität aus seiner allgegenwärtigen Nüchternheit. Diese auf allen Ebenen anzutreffende Sorgfalt wird vielen Zuschauern sicher vor den Kopf stoßen, eben weil sie den herkömmlichen Prinzipien einer geläufigen Spannungsdramaturgie widerstrebt, doch der akademisch Anspruch, mit dem Mindhunter auftritt, ist verpflichtend und substantiell, um ein derart klares, psychopathologisch ausgereiftes Klima zu erzeugen. Der moralische Konflikt, der sich in den Hauptfiguren abspielt, wird nur dann deutlich, wenn man die Basis ihrer Arbeitsmethoden detailliert erfahren hat. Und wenn man sich auf Mindhunter und seinen ungewöhnlichen Rhythmus einlässt, wird man Zeuge von etwas Großem. [...]
[...] Allerdings ist 1922 ein Film, dessen Gelingen in den Ansätzen steckenbleibt. Ohne Zweifel, gerade durch die famose Performance von Thomas Jane, der hier das knorrige Abbild eines Amerikas verkörpert, in dem Männlichkeit die erste Geige spielt, gibt 1922 oftmals mehr Tiefe, als es die Inszenierung seitens Zak Hilditch verantworten könnte. Hilditch mag sich ungemein versiert darin verstehen, allegorische Bildwelten zu erschaffen, wenn er den inneren Kampf von Wilfred nach außen kehrt. Inhaltlich aber bleibt 1922 ein Werk der Verschlagwortung, was vor allem durch den Off-Kommentar unterstrichen wird. Dabei hätte diese Auseinandersetzung mit Schuld und ersehnter Sühne nicht nur als klassische Geistergeschichte funktioniert, die das Übernatürliche als Spiegel der Seele begreift, sondern auch als Charakter-Drama, das simultan das Porträt einer Nation zeichnet, welches bereit ist, über Leichen zu gehen, um das eigene Hab und Gut zu wahren.
Und dieses 'Wahren' darf sich gerne als 'Verteidigen' verstehen lassen. Notfalls eben auch gegen die eigene Familie. Es wäre, in der Theorie, also eine Geschichte gewesen, die sich mit der Last, Blut an den Händen zu haben, beschäftigt hätte. Und: Mit dem Fluch, jenes Blut zu vererben. Zak Hilditch jedoch bleibt weitestgehend oberflächlich und phlegmatisch, gibt sich als audiovisuell kompetenter Filmemacher zu erkennen – ohnehin sieht 1922 wirklich blendend aus -, besitzt jedoch wenig Gespür dahingehend, dem Gewissen der Charaktere auf den Zahn zu fühlen. Den Geist von Arlette, der Wilfred irgendwann nicht nur in der Nacht, sondern auch bei Tage heimsucht, nicht nur in die Mechaniken des konventionellen Genre-Kinos einzuweben (wie das funktioniert hat beispielsweise Alfred Hitchcock in Rebecca bewiesen). Selbstredend reicht es auch nicht aus, Wilfred die Erkenntnis formulieren zu lassen, dass Mord nicht nur Verdammnis sei, sondern auch Arbeit. 1922 ist zu statisch. [...]
[...] Vinyan manifestiert sich zusehends als nonkonformistischer Fiebertraum, der Allgemeinplätze des Horrorfilms kategorisch ablehnt, sich stattdessen auf das innerseelische Drama seiner Protagonisten (vor allem Jeanne) einlässt und dieses über die bildgewaltigen Eindrücke des Urwaldes zum Ausdruck bringt. Im peitschenden Monsunregen, in der drückenden Schwüle und irgendwann in der Orientierungslosigkeit. In Urängsten, die sich in jedem Blatt und in jedem Zweig des symbolbehafteten Dickichts eingeschrieben haben. Vinyan fokussiert sich ganz und gar auf die Psychologie seiner Charaktere und versteht sich als introspektiver Blick in einen Zustand tiefer Zerrissenheit. In elegischen, kontemplativen Bild- und Klangwelten treibt Vinyan immer tiefer in einen von Trauer getriebenen Wahnsinn, der sukzessive verdeutlicht, dass Jeanne und Paul gar nicht mehr darauf aus sind, ihren Sohn zu finden, sondern nur nach einer Möglichkeit, ihre Schmerzen zu lindern. Fabrice Du Welz baut in seinem Narrativ immer wieder auf Interpretationsfreiräume, formuliert Gedanken nicht aus, sondern weiß um die Kraft der Stille. Die Kraft der Bilder. Vinyan aber haftet sich nicht nur als sensorisches Erlebnis innerhalb seines Publikums fest, sondern vor allem als Erkenntnis, dass es Eltern niemals möglich sein kann, sich ein Bewusstsein für den Tod ihres eigenen Kindes zu schaffen. [...]
[...] Und das Wort 'arrangieren' ist in diesem Falle mehrfach konnotiert, erzählt Unternehmen Petticoat doch nicht nur von engstirnigen Geschlechterrollen, die nach und nach aufgebrochen werden, sondern schlägt auch subtextuell einige wunderbar homosexuelle Zwischentöne an, die natürlich nicht ausformuliert werden dürfen, im später mit pinker Farbe überzogenen U-Boot allerdings endgültig den Anschein erwecken, als würden wir es hier doch mit einem nautischen Christopher Street Day zu tun bekommen. Cary Grant und Tony Curtis jedenfalls harmonieren prächtig, spielen sich köstlich die Bälle zu und dürfen sich necken, weil sie sich (insgeheim) lieben. Unternehmen Petticoat transferiert das Konzept der Screwball-Komödie geradewegs in die chaotischen Gepflogenheiten der Pazifikfront und offenbart natürlich weniger Interesse an einer geschichtlich-akkuraten Aufbereitung als am quicklebendigen Schwank, der sich augenzwinkernd mit Emanzipation, Sexualität und Vorurteilen auseinandersetzt. [...]
[...] Wie bereits in Besprechungen aus der Vergangenheit zuhauf erwähnt, lässt sich Lost Highway am ehesten mit einem Möbiusband in Relation setzen: Er liefert vom geographischen und geometrischen Standpunkt keinerlei Orientierung, keine Ordnung, keine Struktur. Stattdessen funktioniert der Film als Grenzkino der Erfahrungen und speist seine schöpferische Sprengkraft aus der affektiven respektive sensorischen Ebene. So komplex und undurchsichtig Lost Highway sich artikulieren mag, inmitten von metaphorisch- und assoziativ-geschwängerten Wahrnehmungsverzerrungen und figuralen Doppelungen (die sich gerne auch als spiegelverkehrt aufzeigen), verantwortet sich David Lynch für ein Werk der klaren Emotionen: Verwirrung, Verehrung, Verängstigung. Im Nebel der panischen Überforderung; der Ausweglosigkeit, bleibt der Grundklang des Horrorszenarios ein zutiefst menschlicher. [...]
[...] Die streng-religiöse, ja, unbeweglich-fundamentalistische Erziehung der Eltern hat sich in das innere Wesen Michaelas eingebrannt. Und genau deswegen ist sie unfähig, ihre Epilepsie, ihre psychischen Auffälligkeiten, ihre physischen Ausfälle, in den Kontext einer rein irdischen Erkrankung zu setzen. Bei der Geisteskrankheit, unter der Michaela leidet, muss es sich natürlich um einen Dämon handeln, medizinische Abhilfe erscheint da geradezu lächerlich. Wie Hans-Christian-Schmidt die Gefahren religiöser Besessenheit an die Oberfläche trägt, ohne sich jemals in plakativen Momente zu verlaufen, zeugt von der Intelligenz und Weitsicht des Regisseurs. Beinahe noch brillanter ist allerdings der Umstand, wie Requiem es gelingt, sich nach und nach zur Antithese des Horrorfilms aufzuschwingen und konsequent an jedem Genre-Regelwerk vorbeierzählt. Alles, was dem Genre selbst zuträglich sein könnte, wird in einer gnadenlosen Nüchternheit ausgeblendet, bis nur noch das exzellent gespielte Sterbeamt einer jungen Frau bleibt, die ärztliche Unterstützung nicht in Anspruch nehmen kann, weil sie es ihr so beigebracht wurde. [...]
[...] Beeindruckend an Der Exorzist III ist, abseits aller offensichtlicher Mängel, mit welcher Akkuratesse William Peter Blatty sein gerne mal surreales Schauerszenario in Szene gießt. Tatsächlich gibt es immer wieder Momente, die ein gar fesselndes Grusel-Flair evozieren und sich auf unbehaglichen Anwandlungen betten, um schlussendlich in einer beispielhaften Sequenz zu kulminieren: Minutenlang wird hier der Dienst einer Nachtschwester verfolgt, die sich von seltsamen Geräuschen irritiert sieht. Die Kamera positioniert sich dabei zentral im Gang des Krankenhauskorridors, saugt die Stimmung und das Geschehen minutiös, bis auf wenige Schnitte, beinahe regungslos auf, um den Zuschauer alsbald zu Tode zu verängstigend. Hier stampft Der Exorzist III nicht nur jeden neumodischen Horror-Flic in den Boden, sondern unterstreicht auch Blattys inszenatorische Kompetenz, in der die Devise, dass weniger oftmals mehr ist, überraschend trefflich zum Greifen kommt. [...]
[...] Dass Kikujiros Sommer, trotz seiner fast schon formelhaften Anlagen, niemals althergebracht oder trocken wirkt, liegt an Takeshi Kitanos ungeheurem Talent als Regisseur und Autor. Kikujiro und Masao werden zu Leidensgenossen, die niemals das Glück hatten, mit einer Mutter aufzuwachsen, die im Zuge ihrer episodisch erzählten Odyssee durch die Lande aber nun die Chance bekommen, ihrer sozialen Reservehaltung zu entwachsen, in dem sie mitmenschliches Handeln erlernen. Das gilt für das kleine Kind, das gilt für den verhärmte Mann. Kitanos Ägide zeichnet sich dabei durch ein umfängliches Maß an Einfühlungsvermögen und Lebensgewandtheit (!) aus. Als leise Hommage an Charlie Chaplins Klassiker Der Vagabund und das Kind treffen sich im Herzen des emotionalen Reifeprozesses nicht nur Momente aufrichtiger, von Melancholie gestreichelter Zwischenmenschlichkeit, sondern auch eine dermaßen verspielte Situationskomik, die diesen märchenhafte Bilderbogen erst recht vitalisiert. [...]
[...] Diese bis in unsere Eingeweide eingreifende Bedrohung speist sich natürlich aus der ikonischen Sagengestalt des Untoten, der Klaus Kinski eine unvergessliche Performance zugesteht. Anders als Graf Dracula in F.W. Murnaus Nosferatu – Phantom der Nacht, ist Klaus Kinski kein seelenloses Insekt, sondern eine Gestalt, die im Leid ihrer Existenz verkapselt ist. Kinskis tiefe Melancholie findet bereits in seinem ersten Auftritt immensen Niederschlag, wenn er aus der Finsternis seines Schlosses in den Rahmen des Eingangstores schreitet und der Zuschauer aus seinen Augen eine tiefe Traurigkeit lesen darf. Kinskis Präsenz ist allgegenwärtig – und das selbst an dem Punkt, an dem er im Film noch nicht aufgetreten ist, was daran liegt, dass Nosferatu – Phantom der Nacht ein Werk der bösen Vorahnung, der finsteren Prophezeiung ist.
Ungeachtet dessen, dass sich Werner Herzog in seiner oftmals halluzinatorischen Inszenierung einigen Genre-Regeln bedient und F.W. Murnaus Vorbild in etwaigen Szenen einstellungsgetreu imitiert, erzählt Nosferatu – Phantom der Nacht im Kern eine Tragödie von traumwandlerischer Beschaffenheit. Graf Dracula nämlich fristet ein Dasein in nie enden wollender Qual, weil er nicht in der Lage ist, am essentiell Menschlichen teilzunehmen: Er kann nicht lieben. Er kann nicht sterben. Er bleibt ein Phantom, dessen Wesen Werner Herzog bereits mit der Eröffnung beschreibt, wenn die Kamera über unzählige Mumien gleitet und Popul Vuh seine sphärischen Klänge zu dieser Sequenz beisteuert: Das Menschliche scheint nämlich an der Oberfläche noch anwesend, in Wahrheit aber bleibt nur Leere. Da das Unheil etwas ungemein Zwingendes besitzt, scheint es nur folgerichtig, dass es die Leere ist, die sich fortsetzt und in die Welt hinausgetragen wird. [...]
[...] Die Geschichte über das (oberflächlich beschauliche) Eichwald versteht sich als eine, in der Unterdrückung und Tod dominieren. Das soziale Miteinander wird von rigiden Machtstrukturen reglementiert – und wer sich nicht fügt, muss gezüchtigt werden. Schon immer waren die Filme von Michael Haneke Studien der Gewalt, Das weiße Band allerdings hebt diesen diffizilen Themenkomplex auf ein neues, vielfach konnotiertes Level. Denn obgleich Das weiße Band in der Vergangenheit lokalisiert ist, entfaltet sich dieser Film im Brennglas der Gegenwart und hinterfragt ganz gezielt, wie die kindliche Berührung mit Gewalt nicht nur das Individuum, sondern eine ganze Generation, ein ganzes Land, prägen kann. Das protestantische Dorf jedenfalls ist ein Nistplatz der Radikalisierung: Wenn Kinderaugen nicht mehr in der Lage sind, zu strahlen, sondern nur noch Zorn ausdrücken, kann der nächste Gertenhieb bereits zur Ideologie gerinnen. [...]
[...] Natürlich werden anhand dieses schmutzigen Missgeschicks die Weichen für eine auch heute noch angenehm heitere Screwball-Komödie gelegt, die von Männern berichtet, die sich (gerne) unverstanden fühlen und von Frauen, die das Schlimmste im anderen Geschlecht wecken: Das Gewissen. Ausgestattet mit knackigen Wortgefechten und treffsicherer Situationskomik, ist Ein Hauch von Nerz inzwischen auch als eine liebenswerte Rückbesinnung auf den Glanz des klassischen Hollywoods zu lesen, in der die Starpersona der involvierten Schauspieler noch wahre Wunder bewirkt. Als einer der geistigen Urahnen von Pretty Woman, dessen Position auch dieser Film fraglos bezieht, wagt Regisseur Delbert Mann (Ein Pyjama für zwei) sicherlich keine inszenatorischen Risiken. Vermutlich auch aus dem Grund, weil er sich vollkommen darüber im Klaren war, was dieses kokette Lustspiel einzig und allein braucht: Markante Gesichter. Und die hat es, aber hallo! [...]