SoulReaver - Kommentare
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Alle Kommentare von SoulReaver
Ein bis heute gültiger Kreuzzug gegen die Ordnung. Was. Für. Eine. Ungeheuerlichkeit. Man muss Die Teufel nicht mögen, aber man muss ihn erlebt haben. Dass sich uns dieser von Ken Russell inszenierte Grenzkontakt wahrscheinlich niemals in voller Schönheit präsentieren wird (die Zensurgeschichte ist weitreichend bekannt), ist tragisch, aber diese Attacke auf den guten Geschmack funktioniert auch in den verfügbaren Fassungen blendend. Angesichts seiner Form als Major-Produktion ist es allein schon beeindruckend, mit was für einem ungestümen Gemüt Die Teufel über den Zuschauer hinwegprescht. Ken Russell insistiert zu Anfang noch auf die Korrektheit des historischen Nachempfindens, um nur wenige Wimpernschläge später vollkommen aus der Haut zu fahren. Die Teufel schwingt sich von Szene zu Szene in neue Dimensionen der Hemmungslosigkeit, erschlägt den Zuschauer durch einen dem Überwältigungskino verwandten Produktionsaufwand und schießt simultan dazu gegen die Grundfeste von Kirche und Staat. König und Kardinal instrumentalisieren sich indes gegenseitig, um ihrer Abtrünnigkeit Aufschwung zu verleihen. Und Ken Russell? Der zündet einen bildgewaltigen, kunstgewandten Amoklauf, maßlos, ausrufend, rustikal, opulent, von kontroverser Energie katalysiert. Die Anfangsaussage wird an dieser Stelle revidiert: Aufgrund seiner Widerborstigkeit muss man die Die Teufel mögen.
Die Antwort darauf, warum T2: Trainspotting seine Daseinsberechtigung besitzt, liefert Danny Boyle sehr schnell: Weil sich das mit Kotze beschmierte Karussell namens Leben immer weiterdreht– und auch wenn wir gerne wollen, gelingt uns der Absprung nun mal nicht zwangsläufig. Wer nun denkt, T2: Trainspotting würde sich auf Nostalgie und Sentiment betten, um geschundene Fanboy-Befinden zu liebkosten, der täuscht sich. In einer Szene ist es Sick Boy, der es deutlich in Rentons Gesicht schleudert: Du bist ein Tourist deiner eigenen Jugend. Das muss aufhören. T2: Trainspotting ist der Aufruf, Erinnerungen in sich zu bewahren, aber nicht in der Vergangenheit verloren zu gehen. Und genau da wird der Film ein unheimlich lebensnaher, ehrlicher, wenn er das universale Problem aufzeigt, wie schwer es doch ist, einfach loszulassen. Weiterzumachen. Sich abzunabeln. Wenngleich T2: Trainspotting dem kultisch verehrten Original nicht das Opioid reichen kann, so hat Danny Boyle seinem eindringlichen No-Future-Portrait einen würdigen Nachfolger geschneidert, weil er der soziokulturellen Authentizität im Kern treu geblieben ist und Fragen stellt, auf die es zum Großteil nur bittere Antwort gibt. Antworten, die Verdrängung, Selbsthass und Suizid lauten. Dennoch: Es gibt in einer Zukunft. Auch in einer Welt voller Opfer und Versager. Schlagen wir doch einfach den Kragen hoch.
Paul Verhoeven meldet sich zurück – und das mit einem erdrutschartigen Sieg des Kinos. Hintersinnig, provokativ und entlarvend, genau so, wie man den Niederländer in der Vergangenheit hat kennen und lieben lernen dürfen. Ihm geht natürlich nicht um das Bewahren von Konventionen, sondern um das Aushebeln herkömmlicher Erzählprinzipien. Was zu Beginn also den Abglanz eines Thriller mit sich trägt, in dem sich eine Frau auf die Suche nach der Identität ihres Vergewaltigers begibt, verwandelt sich in Wahrheit zu einem niemals wertenden Blick in die Unergründlichkeit des menschlichen Wesens. Wenn man so möchte, dann darf man Elle auch als ein flammendes Plädoyer für die selbstbestimmte Sexualität begreifen. Paul Verhoeven verurteilt nicht, ganz im Gegenteil, Sex ist hier ein allmächtiges Instrument, dem sich ein jeder befugen kann, um dem Umfeld (wie auch sich selbst) Demütigung und Befriedigung beizufügen. Mit Elle begibt sich Verhoeven in das schemenhafte Reich der Obsessionen; dort, wo Genre-Mechanismen und Rollenmuster in ihr Gegenteil verkehrt werden, Lust und Schmerz korrelieren, wo Lakonie und Zynismus sich die Hand reichen, wo der Mensch in all seiner Eigenwilligkeit noch Mensch sein darf. Ob es uns nun gefällt oder nicht.
Wo Takeshi Kitano erst den Anschein erweckt, einen Polizei- respektive Yakuza-Film in Szene zu gießen, zeigt sich sehr schnell, an welcher Stelle die wahre Stärke von Hana-bi begraben liegt: Im Desinteresse, Offensichtlichkeiten zu stimulieren. Die Genre-affine Oberfläche wird von Kitano gnadenlos transzendiert, um eine kunstliebende, in sich gekehrte Meditation über die Widersprüchlichkeit des Lebens zu entfalten. Kitano selbst gibt den verlebten Cop, dessen Dasein unverkennbar vom Tod bestimmt wird: Alles, was er liebt, was ihm nahe steht, stirbt. Hana-Bi stellt im Zuge dessen kluge Gedanken dahingehend an, wie sich ein Leben nutzen lässt, wenn in diesem offenkundig nichts Lebenswertes mehr stattfindet und begibt sich daraufhin auf die Suche nach der Erkenntnis, die Vergänglichkeit der irdischen Existenz auch als Segen zu begreifen. Die bildende Kunst selbst scheint hier als das letzte lebenserhaltende, sinnstiftende Elemente bestehen, während ihr die alles zerfressende Gewalt fortwährend gegenübersteht. Die Korrelation von Erschaffen und Zerschlagen definiert Hana-Bi als einzig mögliche Kommunikationsformen, für die Kitano wunderbar zärtliche, melancholische, poetische und von tiefer Menschlichkeit gezeichnete Momente aufbringt. Momente, die dem Leben genauso anhaften, wie der Drang zur Selbstzerstörung.
Eine handfeste Überraschung und einer dieser Filme, die immer zur richtigen Zeit kommen. Angesiedelt in den späten 1980er Jahren, zeichnet Superbad-Regisseur Greog Mottola nicht nur ein unheimlich stimmungsvolles Portrait jener Ära, sondern auch der Generation, die in diesem Jahrzehnt aufwachsen durfte – obwohl es im Prinzip um jede Generationen geht. Um die Liebe, das Scheitern der Liebe, die Freundschaft, das Zerbrechen von Freundschaft. Und natürlich die sagenumwobenen Entscheidungen, die die Weichen für das eigene Schicksal bestimmen. Wie feinfühlig Adventureland diese Motive jedoch behandelt, hat nichts mit der obligatorischen Sundance-Dutzendware zu tun. Mottola hat ein ernsthaftes Interesse an seinen Charaktere, was den Film folgerichtig auch zur ernsthaft berührenden Erfahrung erhebt. Die Gefühlsleben, die Adventureland behandelt, sind dabei so wunderbar kompliziert wie das Leben selbst. Selbsthass und Kurzschlussreaktionen kreisen da um Sehnsucht und Zuneigung. Und die Charaktere schillern durchweg, weil sie so herrlich fehlerbehaftet sind und Fehler machen dürfen. Den Rest erledigt dann der geile 80s Soundtrack und eine gewohntermaßen unwiderstehliche Kristen Stewart.
Wenn es um die Filme von Noah Baumbach geht, scheint es nur eine Devise zu geben: Alles oder nichts. Dass der Mann mit Greenberg einen der besten amerikanischen Filme des neuen Jahrtausends abgeliefert hat, um danach mit Frances Ha wieder in der servilen Belanglosigkeit zu versinken, ist wohl das beste Beispiel für Baumbachs künstlerische Unstetigkeit. Greenberg indes ist eines dieser Werke, die aus der Leinwand geradewegs in das Leben hineingreifen. Hineinschreien, ohne jemals laut werden zu müssen. Baumbach zeigt sich hier als Meister der hintersinnigen Töne und begleitet einen Menschen, der es verlernt hat, in der Gegenwart zu existieren, weil er seiner vertanen Vergangenheit hinterher trauert. Und irgendwann kommt dann diese eine besondere Begegnung; dieser Moment, wenn die Realität dann doch ganz plötzlich noch einmal die Zähne zeigt und zubeißt. Dass sich Greenberg niemals daran versucht, den von Zwangsstörungen dominierten Hauptakteur krampfhaft rehabilitieren zu müssen, belegt seine Intelligenz weitergehend. Hier muss nicht betont werden, dass es sich dabei um einen ganz normalen Menschen handelt. Das ergibt sich von selbst; das ist der Figur des Greenberg von Beginn an eingeschrieben, weil Baumbach diesen Charakter nicht ausstellt, sondern sich diesem voller Hingabe annimmt. Ihn gewähren lässt. Seine Ambivalenzen akzeptiert. Seine Unfähigkeit, eine intakte Beziehung zu führen. Seine Einsamkeit. Seine nicht vorhandene Souveränität. Seine Lebensnähe. Applaus.
Sinn, Sinnlichkeit, Sinnesrausch. Niemand muss verstehen, jeder darf erfahren. Suspiria darf sich zweifelsohne zur Speerspitze des Horror-Genres zählen und stellt, womöglich, sogar Dario Argentos inszenatorische Meisterleistung dar. Es ist jedenfalls schlichtweg unglaublich, mit welcher unverdünnten Gewissenhaftigkeit Argento Urängste an der Wurzel greift und in Albtraumlandschaften transformiert, aus denen es wahrlich kein Entkommen gibt. Die Bild- und Klangwelten, ausgezeichnet von einer mehr als versierten Farbästhetik und dem legendären Goblin-Soundtrack, scheuchen dem Zuschauer einen regelrechten Schauer der Begeisterung über den Rücken. Jede Fotografie, jeder Ton, jeder Akzent im Allgemeinen, dient hier als Trägermedium, mit denen uns Argento auf eines der wohl existentiellsten Gefühle unserer Existenz zurückwirft: Die Angst selbst. Die Angst vor dem, was sich jenseits unserer Vorstellungskraft befindet. Die Angst, in einer Situation aufzuwachen, die sich jenseits unserer Vorstellungskraft befindet. Und wer die Angstlandschaften seiner Seele ergründen möchte, der sollte sich Dario Argentos zutiefst suggestiver Märchenstunde hingeben. Wieder und wieder und wieder...
»SoulReaver und lieber_tee in den Untiefen des ganz normalen Genrewahnsinns«
#19 (Staffel – 2)
S…wie Sittengemälde
Nachdem er seine Drogenprobleme überstanden und seinen Ruf mit GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia wiederhergestellt hatte, sah sich Martin Scorsese bereit, den gleichnamigen Roman von Edith Wharton für die Leinwand zu adaptieren. Und mag Zeit der Unschuld auch Lichtjahre von den kinematographischen Meilensteinen entfernt sein, die den quirligen Italoamerikaner zur Legende avancieren ließen, so stellt Scorsese hier doch um ein weiteres Mal seine unglaubliche Vielseitigkeit unter Beweis. Als theatrales Sittengemälde, welches sich zum Auftrag gemacht hat, die Eingeweide der New Yorker High Society des 19. Jahrhundert zu durchleuchten, besticht Zeit der Unschuld primär freilich als opulenter Kostümfilm, in der Scorsese seine Ausstellungswut und Detailbesessenheit auskosten darf: Prunkvolle Interieurs bestimmten den Bildkader fortwährend, elegante Garderoben werden wie auf Modenschauen von A nach B spazieren getragen und Michael Ballhaus' all sehendes Auge schwelgt, träumt, verweilt. Unter seinem Pomp, seinem Glanz und Gloria, verbirgt sich eine geruhsame Auseinandersetzung mit dem rigiden Moralvorstellungen jener Epoche, für die der Wunsch nach bedingungsloser Liebe als Katalysator dient. Da Martin Scorsese aber kein Luchino Visconti ist, sondern sich in seinen erlesenen Bildkompositionen nur von diesem hat inspirieren lassen, offenbart Zeit der Unschuld ein prekäres Ungleichgewicht zwischen Inhalt und Form. Bis auf die letzten Minuten, in denen tatsächlich eine körperlich erfahrbare Schwermut entblättert wird, bleibt Zeit der Unschuld eine emotional kaum durchdringende Seherfahrung, der man vor allem in beobachtender Position beiwohnt. Eben ein Film, der unter seiner – unzweifelhaften - Erlesenheit erdrückt wird.
http://www.moviepilot.de/liste/soulreaver-und-lieber_tee-in-den-untiefen-des-ganz-normalen-genrewahnsinns-soulreaver
[...] Ein unheilvolles Orchester darf sich in Hitler – Aufstieg des Bösen unentwegt auf der Tonspur breitmachen, um dem Zuschauer auch zu jeder Zeit deutlich zu machen: Oh, ja, hier ist ein Monster am Werke (der reißerische Titel allein schon verweist auf die fehlende Ambivalenz des Formats). Keine Frage, man darf sich im Umgang mit der Person Adolf Hitler nicht auf schönfärbende Kompromisse einlassen, die in einer „eigentlich war er ja nur ein trauriger Kerl“-Konklusion munden. Hitler – Aufstieg des Bösen aber verzichtet vollständig auf jedwede Zwischentöne und frönt eine inhaltliche Unstimmigkeit, die den Film niemals zum lehrreichen, sondern vor allem zu einem spekulativen, bisweilen fiktiven Unterfangen erklären. Das sklavische Abklappern von Fakten und deren Verdrehung verkommt zum trockenen, geistlosen Melodrama ohne Nachhall. Schade um Robert Carlyle (T2: Trainspotting), der zeigt sich bemüht, aber ist unter diesen Bedingungen zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. [...]
[...] Die Schuleinrichtung, in die uns 187 – Eine tödliche Zahl führt, ist ein Ballungsort der Verrohung. Integration und Sozialisierung offenbaren sich hier als ehrbare, aber utopische Ziele. Und mit dem aufmüpfigen Sanchez (Clifton Collins junior, Tigerland) begegnet Garfield alsbald ein Intensivtäter unter den Schülern, mit dem er sich auf einen (privaten) Machtkampf einlässt. Kevin Reynolds weiß um die Aktualität seines Sujets und gestaltet es als stimmungsvolle Bestandsaufnahme, in der deutlich wird, dass der Alltag der Lehrer innerhalb jener sozialer Brennpunkte vor allem daraus besteht, sich einen letzten Funken Selbstachtung und Lebensmut zu erhalten, während die Schüler mit diesen Attribute Zeit ihres niemals in Berührung kommen durften. Dass sich eine ausgiebige Die durch die Hölle gehen-Referenz am Ende als moralisch fragwürdig herausstellt, ist kaum von der Hand zu weisen. Und doch wird auch hier wieder der fehlgeleitet Stolz zweier Männer zum Ausdruck gebracht, die eher sterben, als klein beizugeben. [...]
[...] Wer sich mit dem sich stetig in Bewegung befindenden Louis de Funès anfreunden kann, wird auch schnell merken, dass Die Abenteuer des Rabbi Jacob nicht nur ein weiteres Vehikel seines prominenten Zugpferdes darstellt, sondern sich als eine turbulente Verwechslungskomödie mit Hintersinn auszeichnet. Keine Frage, Gérard Oury bleibt narrativ und dramaturgisch im Großen und Ganzen konventionellen Prinzipien treu, und dennoch versteht es Die Abenteuer des Rabbi Jacob deutlich zu machen, dass Humor eine der effektivsten Waffen dafür ist, Vorurteile aufs Korn zu nehmen und, womöglich, auch mit der Zeit zu überwinden. Buntspecht ist für das Freilegen jener Gedanken natürlich der perfekte Katalysator, weil an ihm, als inbrünstiger Nationalist (der unverkennbar einen Minderwertigkeitskomplex mit sich trägt), das durchdringendste aller Exempel statuiert werden kann: Jeder Mensch kann dazu lernen und sich ändern. [...]
[...] Dass es in dem Seelenkäfig, den das gemeinsame Anwesen inzwischen darstellt, auch um Machtspiele geht, verheimlicht Die Ökonomie der Liebe zu keiner Zeit: Gerade wenn es um die individuellen Erziehungsmethoden geht, scheint der jeweils andere immer wieder darum bemüht zu sein, diese gezielt zu unterlaufen. Primär aber ist Lafosse daran interessiert, aufzuspüren, woher die Beweggründe der Verflossenen rühren, wenn sie agieren und reagieren, wie sie es nun mal tun. Und dabei findet er bittere Wahrheiten darüber, wie es ist, wenn man nicht voneinander loslassen kann, obwohl man es nicht mehr erträgt, sich nahe zu sein; Wie es ist, wenn man Streit sucht, nur um Kontakt zu halten, weil man den anderen verachtet, aber sich doch nicht abnabeln kann. Die Ökonomie der Liebe erzählt vom Ende einer Liebe und legt gleichwohl frei, dass die Gefühl niemals gänzlich versiegen. [...]
[...] In Beruf: Reporter ist das Ableben allgegenwärtig – und im Prinzip werden wir hier Zeuge eines Filmes, dessen Leitmotiv der Tod selbst ist. Ein Film, der die Notwendigkeit des Sterbens zum Diskurs stellt und die beflügelnde Erhabenheit destilliert, die das Ende unseres Daseins aus der Erde in sich gebärt. [...] Das mutet morbide und schwermütig an, doch Michelangelo Antonionis Meisterschaft bestand seit jeher darin, den düstersten und auslaugendsten Gefühlsbewegungen etwas Poetisches abzuringen. Die Geschichte eines Suchenden, der flieht, um sich schlussendlich der Todessehnsucht hinzugeben, unterstreicht sowohl die Vergänglichkeit der irdischen Existenz, versteht das Dahinscheiden aber auch immerzu als Möglichkeit, Erlösung zu finden, in dem sich das Körperliche vom Geistigen entkoppelt und in einer höheren Bewusstseinsebene Erlösung findet. Beruf: Reporter kommuniziert das natürlich über seine mal archaischen, mal fragilen Bildwelten und brennt sich als philosophische Meditation über die verborgene Schönheit des Verlassen- und Verlorenseins und als Reise in die stillen Plätze unseres Herzens in das Gedächtnis. [...]
[...] Beeindruckend an Fanny und Alexander ist gerade deshalb, mit welcher Kunstfertigkeit und Umsicht Ingmar Bergman dieses wunderbar in die Breite, aber niemals in die Länge ausladende Familienpanorama ausstaffiert. Womöglich sogar ist genau dies das Werk, mit dem sich die schwedische Koryphäe endgültig auf dem erzählerischen Zenit wiederfand – ein gebührender Abschied aus den Lichtspielhäusern dieser Welt, denn mehr Kino, als Fanny und Alexander bedeutet, ist wahrlich kaum im Bereich des Möglichen. Das virtuos inszenierte Portrait einer schwedischen Familie um die Jahrhundertwende ist für Ingmar Bergman sowohl Nabelschau als auch lebensnahe Reflexion über Themen und Motive von universaler Beschaffenheit. Sozialisation, Religion und Rebellion, private Machtverhältnisse und der Ausbruch aus den erzieherischen Schalen, die den Erhalt der Individualität eindämmen, bestimmen das Narrativ von Fanny und Alexander. [...]
[...] Bevor Ingmar Bergman Jenny emotionale Heilung in Aussicht stellen wird, muss die Frau erst einmal mit ihren Dämonen in den Ring steigen und sich beinahe vollständig zerstören lassen. Einsamkeit, Angstzustände, Hysterie, Wahnvorstellungen bestimmen den Alltag ihrer Person. Doch die Dekonstruktion dient dazu, eine Neukonstruktion in die Wege zu leiten, bei der ihr gerade Dr. Tomas Jacobi (wunderbar, weil wertungsfrei und zärtlich: Erland Josephson, Opfer) nach Leibeskräften zur Seite steht. Von Angesicht zu Angesicht beschreibt den Kampf des Menschen gegen sein Inneres; den Kampf gegen das Verdrängte und den Kampf, der der Verkapselung in sich selbst entgegenstrebt. Und selbstverständlich ist es anstrengend und zermürbend, diesen seelischen Zertrümmerungshergang zu beobachten. Am Ende des Tages allerdings wird erneut deutlich: Ingmar Bergman ist und bleibt ein Filmemacher, der mehr gibt, als er zu nehmen vermag. [...]
[...] Es steht der Charakterkonstellation von Beginn an eingeschrieben, dass sich Der Eid nach und nach als Selbstjustiz-Thriller-Drama zu erkennen geben wird. Der Beschützerinstinkt des Vaters wird auf die maximale Drehzahl hochgekurbelt und bestätigt damit ein Motiv, welches im Resonanzraum des Rache-Films absolut klassisch zu verstehen ist: Der rotsehende Patriarch. Eingehüllt in die Bildsprache, die man am ehesten mit dem nordischen Kriminalkino in Verbindung setzen möchte, erzielt Der Eid oberflächlich eine eisige, durchdringende Kälte, die dem Thema des Films in seinen moralischen Dilemmata natürlich wunderbar in die Karten spielt. Und doch hat Baltasar Kormakur hier einen vergleichsweise austauschbaren Film abgeliefert, der inhaltlich weder Neuland betritt, noch in der Lage ist, seine althergebrachte Geschichte mit wirklich ergreifenden, körperlich erfahrbaren Impulsen zu durchziehen. Eben eine solide Arbeit. [...]
[...] Warum es sich aber lohnt, sich Die Nacht der Entscheidung – Miracle Mile zu Gemüte zu führen, ist sein stilistisches Geschick, Erwartungshaltungen zu untergraben. Wer also mal wieder Lust hat, sich dem Endzeitkino zu widmen, ohne dass sich das Szenario im effektüberladenen Schall und Rauch ergießt, dem sei Steve DeJarnatts Passionswerk nur wärmstens empfohlen, sehen sich die herkömmlichen Tropen des Genres hier doch gekonnt gegen den Strich gebürstet. Mag der Plot vorerst auch noch so simpel anmuten, die kausalen Konsequenzen, die dieser aufwirbelt, sind nicht nur in der Theorie genial, sondern auch in der Umsetzung ungemein fesselnd. [...] Schon mit den ersten Bildern wird deutlich, dass Die Nacht der Entscheidung – Miracle Mile von ganz abseitigen, herrlich einzigartigen Aufnahmen zehren wird (Kameramann Theo van de Sande leistet großartige Arbeit), die gerade durch die Kombination mit der ungreifbaren Drohkulisse und dem Soundtrack von Tangerine Dream zusehends an Strahlkraft gewinnen. Ohnehin ist der Wettlauf gegen die Zeit, den Die Nacht der Entscheidung – Miracle Mile beschreibt, ungemein sensorisches Kino, mit dem Steve De Jarnatt ein wunderbares Beispiel für ökonomisches Arbeiten abliefert: Aus geringen Mitteln wird hier dermaßen viel Potenzial geschöpft, dass es so mancher Big-Budget-Produktion die Schamesröte ins Gesicht treiben sollte. Und doch, am Ende, wenn sich die Katastrophe zuspitzt, offenbart der Film endgültig sein wahres Wesen: Die Nacht der Entscheidung – Miracle Mile ist ein wirklich romantischer, bittersüßer Liebesfilm. [...]
[...] Es wäre selbstverständlich vermessen, zu behaupten, Wie in einem Spiegel artikuliere sich in der Auflösung seiner psychologischen Motive zu naiv. Egal, wie zuversichtlich Ingmar Bergman auch agieren mag, seine Filme gestalteten sich niemals einfältig. Warum sich Bergman allerdings negativ über Wie in einem Spiegel äußerte, ist angesichts der Geborgenheit, die der schwedische Meisterregisseur seinen Charakteren in Aussicht stellt, durchaus nachvollziehbar. Sicherlich gehört Wie in einem Spiegel nicht zu seinen künstlerischen Sternstunden, doch ohne Zweifel kann man hier immer noch Zeuge eines nachdenklich stimmenden Seelendramas werden. Herz und Seele des Films ist die Auseinandersetzung mit psychischen Krankheiten – Die Innen- sowie die Außenperspektive. Die Lügen aus Liebe, die Selbstverleugnung, die Verzweiflung. In den bedrückenden Schwarz-Weiß-Bildern jedoch bleibt nicht das Leid zurück, sondern ein erbaulicher Gedanke, genau diesem zu entfliehen. [...]
[...] Wer von Shakespeare für Anfänger irgendetwas Sinnstiftendes verlangt, der muss sich zu Anfang darauf einstellen, die Erwartungen möglichst tiefzustapeln. Denn, so wahr die Erkenntnisse, die János Edelényi dem Zuschauer unterbreitet, auch sein mögen, sie wurden in dieser oder ähnlicher Form schon unzählige Male zuvor aufbereitet. Da werden dann Allgemeinplätze abgegrast, die darauf verweisen, dass es im Leben nie zu spät ist, es sich noch einmal selbst zu beweisen – egal, wie viele Menschen die Stirn im Anblick dessen in Falten legen werden. Dreh- und Angelpunkt des Narration bildet dabei freilich der Gefühlsknoten einer generationsübergreifenden Freundschaft. Und Shakespeare für Anfänger hat, wie bereits erwähnt, Glück, dass Brian Cox und Coco König so tadellos harmonieren, denn durch ihr behagliches Zusammenwirken besitzt der Film tatsächlich ein Herz, welches die inhaltlichen Plattitüden wohl nur vorgeben hätten können. [...]
[...] Der Blick hinter das tanzenden Funkeln des Diamantencollier steht in 8 Frauen zum Diskurs. Und hinter all der schwelgerischen Anmut, mit der Francois Ozon sein theatrales Setting ausgekleidet hat, hinter dem Agatha-Christie-artigen Ausgangspunkt, hinter den wunderbaren Musical-Einlagen, die sich als Moment der Offenbarung jeder einzelnen Figur veranschaulichen und hinter jenen Verbeugungen vor der Filmgeschichte, die in diesem Fall Alfred Hitchcock, Douglas Sirk, Rainer Werner Fassbinder und Jacques Demy umgreifen, demonstriert Ozon erneut seine wahre Könnerschaft: Das feinsinnige Nachspüren verdeckter Gefühlsbewegungen. 8 Frauen dringt immer tiefer in das Seelenleben seiner Charaktere ein und erklärt das bühnenhafte, ganz und gar flamboyante Ambiente zum Tanzboden, auf dem unausgesprochene Konflikte, Lebenslügen, Enttäuschungen, unterdrückte Leidenschaften und brennendes Verlangen aufkochen. Ein boulevardeskes Kollektivpsychogramm, wenn man so will. Ungemein kunstfertig inszeniert und formidabel gespielt. [...]
[...] Man kann sich in etwa vorstellen, in welche Richtung sich Horror Express noch entwickeln wird, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass die Inspiration des Films auf James Campbells Novelle Who Goes There zurückzuführen ist – der eindringlichen Vorlage, der sich auch John Carpenter in seinem genreprägenden Meisterwerk Das Ding aus einer anderen Welt annahm. Mag Eugenio Martin der motivischen Vorgabe des Körperwandler-Horrors auch bei Weitem nicht so sinnstiftend begegnen, wie es John Carpenter zu verstehen wusste, so ist Horror Express doch ein überraschend wertig anzusehender Eintrag in das spanische Genre-Kino der 1960er Jahre. Vor allem versteht es Eugenio Martin, über das Anbandeln mit dem Gothic-Chic der Hammer Studios, das subkutane Gefühl einer stetig siedenden, genüsslich schwelenden Gefahr aufrechtzuerhalten und staffiert sein hermetisch abgeriegeltes Gruselkabinett auf Schienen mit einer wohligen Schaueratmosphäre aus. [...]
[...] Die Akte Jane ist eine filmische Unfassbarkeit; Ein Zeugnis geistiger Verwahrlosung. Warum sich Ridley Scotts Regiearbeit als derart verachtenswert herausstellt, ist der fadenscheinige Versuch, ein feministisches Anliegen zu formulieren, um in Wahrheit ganz und gar steinzeitliche Geschlechterbilder zu reproduzieren. Von individueller Weiblichkeit nämlich möchte man hier nichts wissen, stattdessen glaubt Die Akte Jane fest daran, dass Frauen nur dann zu gebrauchen sind, wenn sie sich bis aufs Maximale ihren männlichen Vorbilder anpassen: Also Vokabular („Suck my dick!“), Aussehen (Glatze rasieren, Muskeln antrainieren), Verhalten (niemals resignieren!). Demi Moore, die vermutlich nie furchtbarer agierte, kann hier also nur bestehen, wenn sie sich glauben macht, den größten Schwanz zu haben – und das ist NICHT umgangssprachlich gemeint. Dieser pottenhässlich inszenierte, abartig reaktionäre Hochglanzimagefilm stinkt rundum zum Himmel. [...]
[...] Die dem Franchise inhärente Mythologie also wird ausgebaut, was Die Mumie kehrt zurück ebenfalls zum Anlass nimmt, sich von einer Krankheit befallen zu lassen, die für Fortsetzungen in diesen Gefilden gar charakteristisch ist: Die Überbietung des Vorangegangenen nämlich muss zwanghaft Gegenstand der Erzählung sein. Sicherlich weiß auch der zweite Teil der Mumien-Reihe, wie man temporeiche Unterhaltung generiert und wartet mit einigen durchaus beeindruckend-turbulenten Set Pieces auf. Doch die Höher, Schneller, Weiter-Maxime drängt den Zuschauer alsbald in einen Übersättigungszustand, in dem jeder halsbrecherische Budenzauber erst einmal mit einer Ermüdungserscheinung quittiert wird. Die eskapistische Durchschlagskraft des Erstlings verfliegt zwar nicht gänzlich, dafür weiß Stephen Sommers zu genau, wie er den altmodischen Abenteurer-Charme, den pathetischen Soundtrack und den liebgewonnenen Cast in Verbindung bringen muss. Überladen ist dieses Sommerkinogetöse dennoch. [...]
[...] Dass derlei Pennälernonsense selbstredend nichts mehr mit American Werewolf in London zu tun hat, erklärt sich selbst. Vielmehr steht es Anthony Wallers Machwerk ins pelzige Gesicht geschrieben, dass hier eine erschreckend uninspirierte Anpassung an die niedlich-naiven bis enervierenden Teenie-Formate der späten 1990er Jahre unternommen werden sollte: Die Legitimation dafür, ist dann wohl der kümmerliche Bezug zum Zeitgeist. Dass in den motivischen Anlagen von An American Werewolf in Paris ein ähnlich kontroverses Potenzial schlummert, wie etwa in Paul Schraders Katzenmenschen, ist den Machern wohl kaum bewusst gewesen. Stattdessen wird die Lykantrophie für beschämende Infantilismen instrumentalisiert, anstatt in eine Dimension vorzudringen, in der eine Reflexion über die animalischen Impulse unserer Sexualität stattfindet. Über das Verhältnis von Eros und Thanatos möchte man jedoch nicht sinnieren, hoch lebe die unverhohlene Primitivität. [...]
[...] Dass eine geschichtliche Greifbarkeit auch gar nicht gegeben sein soll, versteht sich von selbst, der Detailreichtum aber sorgt dafür, ein körperliches Bewusstsein für die dargebotene Epoche zu entwickeln, welches anschließend mit Anleihen aus der Folklore und dem Übernatürlichen geschickt unterlaufen wird. Die Mumie versteht sich als wunderbar klassisches, zitierfreudiges Abenteuerkino, in dem charismatische Helden durch den ewigen Sand Ägyptens streifen und tatsächlich auf einen Gegner treffen, der nicht als dämonisiertes Kanonenfutter herhalten muss, sondern einen Hintergrund erhält, einer Motivation folgt – und aufgrund seines geschundenen Herzens Höllenqualen leidet. Sommers indes beweist sein Talent ebenfalls in der homogenen stilistischen Aneignung und Verquickung: Wo vorerst noch das altehrwürdige Schatzsucher-Motiv hofiert wird, fächert Die Mumie im nächsten Moment schon gekonnt horrende Spannungssequenzen auf und vergisst dabei gleichwohl niemals den Humor. [..]