SoulReaver - Kommentare
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Alle Kommentare von SoulReaver
[...] Man muss stark sein, um sich diesen Film wirklich zu Gemüte zu führen. Noch stärker muss man allerdings sein, dem Reiz zu entsagen, sich The Room zu stellen. Um eine Erfahrung ärmer wäre man definitiv, sammelt Wiseaus kinematographischer Totalausfall doch eine der größten künstlerischen Diskrepanzen überhaupt in sich. Tommy Wiseau hat mit The Room quasi etwas vollbracht, was selbst den schillerndsten Surrealisten, Anarchisten und Nonkonformisten bisher verwehrt geblieben ist: Er hat das Handwerk des Filmemachens in seinem naiven Unvermögen auf die Stunde Null zurückgedreht. The Room ist Kino, so hilflos, grotesk und entsetzlich, als wäre es das erste und einzige Mal. Ein Paradebeispiel intellektueller und technischer Unterfütterung. Nahezu von geisteskranker Unfassbarkeit gezeichnet ist der Umstand, dass Wiseau das ALLES tatsächlich so gemeint hat. Das ALLES, was man nicht einmal in Worte fassen kann, um es zu erklären. Das ALLES, was im Kopf Wiseaus zu einer der epischsten (und frauenfeindlichsten!) amerikanischen Tragödien aller Zeiten heranreifte und in der finalen Umsetzung einem Verbrechen am Medium gleicht. The Room ist der Inbegriff einer fehlgeleiteten, inkompetenten und aufgrund seines abwesenden Bewusstseins gegenüber der eigenen Unfähigkeit berauschenden Auteur-Vision. Lasst die weißen Löffel fliegen. [...]
[...] Zusammen mit Schofield Kid und seinem ehemaligen Partner Ned Logan (Morgan Freeman, Sieben) macht er sich auf den Weg, um den beiden Frauenschändern das Handwerk zu legen, während der diabolische Sheriff von Big Whiskey, Little Bill Daggett (Gene Hackman, French Connection – Brennpunkt Brooklyn), Wind davon bekommt, dass die hiesigen Freudenmädchen ein Kopfgeld auf zwei Bewohner seiner Stadt ausgesetzt haben. Auch hier manifestiert sich eine anregende Umkehrung altbekannter Erzählgewohnheiten, ist es nämlich nicht der Sheriff, der seine Stadt und Bürger vor Eindringlingen beschützen muss, sondern die „Fremden“, die irgendwann in Konflikt mit dem – eigentlich – starken Arm des Gesetzes kommen. Die reflektierte Umsicht von Erbarmungslos schlägt sich im Zuge dieses Spannungsherdes dort nieder, dass der Film es tunlichst vermeidet, seine Akteure klaren Rollenzuschreibungen mit noch klareren Charakteristika zu unterwerfen.
Obgleich Little Bill niederträchtig handelt, sprich, das Gesetz vorwiegend nach seinen eigenen Vorstellungen definiert, lässt Erbarmungslos ihm doch immer noch tragische Züge, die ihn nicht zum Abziehbild des absolut Bösen werden lassen, sondern zu einer fehlgeleiteten Persönlichkeit, die sich in den Tiefen ihres Herzens im Klaren darüber ist, das Falsche zu tun. William Munny wird nicht müde zu erwähnen, dass er sich verändert hat und sich nur noch einmal dem Töten hingibt, um seinen beiden Kindern eine sichere Zukunft zu ermöglichen. In Wahrheit allerdings hat Munny bereits zu viel gesehen, erlebt und getan, um sich wirklich noch verändern zu können, auch wenn er sich das einredet. Der Ruf, der ihm vorauseilt, ist immer noch fester Bestandteil seiner Identität – und das ist die Tragik seiner Person. Munny kann seiner Vergangenheit nicht entkommen, er ist ihr verpflichtet, was sich schließlich auch im von Sturzbachregen getränkten Finale ausdrückt.
Die Geister der Männer, die Munny umgebracht hat, sind längst auf ihn übergegangen, suchen ihn seit jeher heim. Und genau dort wird der von Eastwood verkörperte Ex-Kopfgeldjäger zum Zerrbild seiner vorherigen Gunslinger-Darstellungen, denn als Fremder ohne Namen war es ihm immer eine Möglichkeit, seine Taten auch bis zu einem gewissen Grat vor sich selbst zu verschleiern. Als William Munny jedoch besitzt er das volle Bewusstsein über sich, seinen Handlungen, seine Sünden. Wenn Munny in einer Szene voller Bedauern und Reue Schofield Kid erklärt, dass das Töten eines anderen Menschen immer bedeutet, alles auszulöschen was er war und was er noch sein könnte, dann spricht er damit auch sich selber an, der sich durch seine unzähligen Morde, oftmals auch einfach aus gemeiner Willkür heraus, selbst der Verdammnis übergeben hat. Am Ende wartet kein Sonnenaufgang auf unsere Protagonisten, sondern weitere Narben auf Körper und Seele. Man kann sich selbst nicht entkommen. [...]
[...] Die Verquickung von (verhaltener) Teenie-Romanze und dem (unaufgeregten) kriminalistischen Narrativ verlässt sich ganz und gar auf die gelungene Performance seitens Ansel Elgort. Mit seinem Auftritt in Edgar Wrights Baby Driver bewies der gebürtige New Yorker in einem nominellen Blockbuster, dass er es versteht, Coolness und Emotionalität plastisch miteinander kombinieren zu können. Auch in November Criminals ist er der ausschlaggebende Faktor für das (verhältnismäßige) Gelingen, hält seine greifbare Darbietung das Geschehen doch zusammen, erdet es, macht es für den Zuschauer immer noch sehenswert, obgleich Sacha Gervasis nunmehr dritte Regiearbeit seltsam unberührt zurücklässt. Durch seine fehlende Dringlichkeit, das fehlende Formulieren einer körperlichen Erfahrbarkeit von blank liegenden Gefühlen, gestaltet sich November Criminals als gedämpftes Seherlebnis. Man könnte dies dem Film natürlich als Akt der Bescheidenheit anrechnen, in Wahrheit aber fällt das unaufgeregte Wesen der Erzählung mehr der Beliebigkeit anheim. [...]
[...] Aber ist er, Robert Ford, wirklich ein Feigling, nachdem er seinem Vorbild von hinten eine Kugel verpasst hat? Die Fakten sprechen dafür, aber Andrew Dominik ist ein zu brillanter, präziser und tiefbohrender Filmemacher, als dass er dieser vor Intensität berstenden Ermordung eine viel größere Tragweite in ihrer Aussage negieren würde. Denn dieser Höhepunkt, der in anderen Western der ultimative, von Pathos überschwemmte Standoff gewesen wäre, ist in Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford einer der wenigen Momente, in dem sich Robert Ford und Jesse James emotional wirklich nahe kommen. Es ist kein hinterhältiger Akt, den Ford begeht, nein. Er erlöst Jesse James, nachdem dieser ihm mit dem Ablegen seines Revolvergürtels – und Jesse James legt seinen Revolvergürtel niemals ab - demonstrativ darum gebeten hat.
Es ist der Schlusspunkt einer Reflexion über Starpersona und Stalking im 19. Jahrhundert. Jesse James möchte zur Ruhe kommen, seine Prominenz allerdings ermöglicht es ihm nicht. Robert Ford ist Ebenbild eines obsessiven Fans, der sich vollkommen in der Illusion seines Angebeteten verstrickt hat – und umso härter auf dem Boden der Realität aufschlägt, als er bemerkt, dass der Mythos auf Verklärung basiert. Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford begreift sich als dreistündige Psychoanalyse, die sich in elegischen, von Roger Deakins Meisterhand komponierten Fotografien damit auseinandersetzt, wie es im Zuge jener historischen Tage war, als Legenden keine Chance mehr genossen, bestehen zu bleiben. Überdauern zu können. Dominik Andrews majestätisch gefilmtes Epos ist die Dekonstruktion der Sagengestalt sowie der Ideale des Wilden Westen. Helden wollen sterben, ihre Verfechter wollen sich deren Ruhm zu eigen machen.
Denn nachdem Ford James erschossen hat, rekapituliert er auf den Bühnen der Stadt hunderte Male seine Tat und erlangt dadurch sowohl Bekanntheit als auch den Titel 'Feigling'. Aber, wie erwähnt, wer sich wirklich mit Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford beschäftigt, wird erkennen, dass Robert kein Feigling ist, sondern ein junger Mann, ein halbes, von Enttäuschung und Verwirrung gegeißeltes Kind, welches keine Wahl hatte. Weder von außen, denn dort wurde ihm vom Gouverneur ein Ultimatum gestellt. Noch von innen, war Robert Ford doch noch zu unerfahren, zu unbedarft, als dass er sich die Möglichkeit entgehen lassen konnte, die Anerkennung für sich sausen zu lassen, der er seit jeher hinterher eiferte. Und doch hat er, vielleicht auch unbewusst, etwas Mitmenschliches getan. Er hat einem Menschen dort geholfen, wo ihm selbst die Hände gebunden waren – nämlich endlich sterben zu können. [...]
[...] Alsbald wird Murphy dem Doppelmord beschuldigt und landet hinter schwedischen Gardinen. Um die Verhältnisse jedoch richtig stellen zu können, muss er dem Gefängnis entfliehen und die Ermittlung auf eigene Faust führen. Das bedeutet: Es geht schlagkräftig durch die Lande, falsche Fährten werden aufgedeckt, handfeste Beweise aufgenommen und flankiert wird das Ganze von der kontinuierlich quasselnden Arabella (Kathleen Wilhoite, Angel Heart), die Bronson in ihren hemmungslosen Sabbel-Salven gnadenlos gegen die Wand drückt. Dieser vorerst ungemein enervierende Sidekick wächst in den fähigen Händen Thompsons nach und nach ebenfalls zur zerrissenen Persönlichkeit heran, die Details ihre Vergangenheit zwar im Verborgenen lässt, die Dunkelheit, die diese umgibt, aber in ihrer Unruhe zweifelsfrei an die Oberfläche trägt. Die Protagonisten in Murphys Gesetz sind Gezeichnete, zusammen jedoch scheinen sie einen Weg zu finden, sich mit ihrer eigenen Existenz ein Stück weit arrangieren zu können.
Interessant ist es ohnehin zu sehen, wie die Frauenfiguren den Film hier immer wieder an sich reißen und den versoffenen Charles Bronson zum Reagieren zwingen. Nicht nur Kathleen Wilhoite versteht es als Arabella, Bronson aus der Reserve zu locken. Auch Antagonistin Joan Freeman wird von Carrie Snodgress (Wild Things) mit einem derartig entwaffnenden Eingeständnis des eigenen Wahnsinns gegenüber verkörpert, dass man sich an ihren Auftritten, die von einer unfassbaren Kaltblütigkeit gezeichnet sind, kaum sattsehen kann. Ihre Joan Freeman definiert sich als eine Art Totengräberin für das Justizsystem: Ihr brutaler Irrsinn nämlich fällt auf die genau diejenigen zurück, die sie einst noch hinter Gitter gebracht haben, aber nicht für immer wegsperrten. Mit einer süffisanten Selbstgerechtigkeit schreit sie diesen mit ihren Taten entgegen: Tja, selbst schuld.
Wie oft man kann man von einem Charles-Bronson-Vehikel schon behaupten, dass die Akteure durchaus packend sind? Und wie oft konnte man von einem Charles-Bronson-Vehikel schon behaupten, dass dieses letztlich nur durch die Kraft der weiblichen Performances wirklich aufgeht? Allein deswegen hat sich der dem Buddy-Movie zugewandte Murphys Gesetz einen besonderen Platz im umfangreichen Gesamtwerk der legendären Cannon-Schmiede verdient. Als Action-Thriller bleibt Murphys Gesetz hingegen altbekannten Formeln treu und kann sich auf die handwerkliche Routine seitens J. Lee Thompson verlassen, der inszenatorisch zwar keine Bäume ausreißt, mit dem stimmungsvollen Finale innerhalb des geschichtsträchtigen Bradbury Building aber noch einen famosen Schlusspunkt für das von Mafiosi, korrupten Polizisten, Rächern, Geisteskranken und verlorenen Seelen belebte Szenario findet. Den Rest erledigt der herrlich zeitgenössische Score, schrammelige Elektronikgitarren und aufgedrehte Synthesizer geben die gerne die Ehre. [...]
[...] Die fehlende Grundierung des Ensembles sorgt bisweilen folgerichtig auch dafür, dass Bram Stoker's Dracula in seiner Erzählung immer ein Stück weit zerfahren wirkt. Bruchstückhaft, nicht torsogleich, aber in seiner Aneinanderreihung von Motiven zeitweise unausgereift. Die wahren Kompetenzen liegen ohne Zweifel in der von blühender Pracht beseelten Formalästhetik begraben. Was Francis Ford Coppola hier für verführerische, wirkungsmächtige, oftmals mit assoziativen Symbolen ausstaffierte Bildwelten heraufbeschwört, muss man schlichtweg gesehen und erfahren haben. Die Kamera des ohnehin genialen Michael Ballhaus jedenfalls sorgt dafür, dass die prägnante Visualität des Films aus der Leinwand geradewegs in die Sitzreihen hineingreift. Über seine plastischen Fotografien, seinen Sound, seine musikalische Untermalung gelingt es Bram Stoker's Dracula, den überdimensionierten Emotionen den opulenten Rahmen des prunkvollen Ausstattungskinos zu verleihen, der genau dann zur Geltung kommt, wenn man sich selbst eine Affinität zu Schwulst, Pomp und Prunk nachsagen kann.
Verlässt sich Bram Stoker's Dracula ganz und gar auf sein stilsicheres Äußeres, dann wird gleichwohl ersichtlich, wie sehr Francis Ford Coppola hier den Grundzügen des Mediums an und für sich huldigt. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich Graf Dracula und Mina bei ihrem ersten Treffen geradewegs zum Cinematographen begeben, um Zeuge der Wunder der Wissenschaft zu werden. Coppola zollt dem traditionellen Kintopp Tribut und inszeniert Bram Stoker's Dracula mit weitreichenden Zitaten aus den urwüchsigen Grundzügen der Filmgeschichte. Nicht zuletzt verlieht ihm dieser Bezug zum Klassischen eine traumwandlerische Atmosphäre, die sowohl die Wildnis von Rumänien zum Zauberwald erklärt und gleichwohl das geschäftige London im 19. Jahrhundert zu einem Hort der aufschäumenden Gewalt und Leidenschaft verwandelt. Hier treibt einen die Sehnsucht nach wahrer Liebe noch dazu, Ozeane der Zeit zu überqueren und die Täler bedrückender Finsternis zu durchwandern. Ja, Bram Stoker's Dracula ist nicht nur eine opernhafte Hommage an das Kino, sondern auch an Kraft die Liebe. [...]
[...] Olivier Jahan bedient sich einem Erzählmodell, welches wir zuvorderst aus der Literatur kennen: Der auktorialen Perspektive. Eine gewisse (nicht negativ gemeinte) Dissonanz erweckt dabei jedoch der Umstand, dass Eléonore diesen auktorialen Erzähler darstellt. Sie behandelt sich selbst sowie die anderen Charaktere wie eine Art Fremdenführer. Später spricht sie dann auch geradewegs in die Kamera, durchbricht die vierte Wand und potenziert somit simultan dazu den Reiz der Beobachtung, den Die Schlösser im Sand innerhalb seiner Zuschauerschaft stimuliert. Denn, egal, wie viele Blickwinkel das Narrativ einnimmt, Olivier Jahan lässt seinen Protagonisten Geheimnisse. Er formuliert sie nicht aus, möchte sie nicht transparent machen (auch wenn gerade diese erzählerische Mittel dafür einstehen), sondern vielmehr auf mehreren Ebenen verstehen, wie sich Menschen gleichermaßen abstoßen und anziehen.
In der bretonischen Provinz sind Samuel und Eléonore nun gezwungen, sich zu begegnen – und Die Schlösser aus Sand scheint das (ehemalige) Paar von Minute zu Minute stärker einzukeilen. Ihnen keinen Ausweg mehr zu ermöglichen, jedenfalls so lange nicht, bis sie sich ihre immer noch bestehende Zuneigung eingestehen. Olivier Jahan hat einen Film über die Unmöglichkeit, wirklich loszulassen, gedreht. Die verblasst geglaubte Liebe, in die Samuel wie auch Eléonore einst alles investiert haben, ist noch nicht an ihrem Ende angekommen. Auch wenn Samuel eine neue Freundin hat und Eléonore inzwischen allzu gerne zur Tablettenpackung greift. Nein, zwischen Tränen, Ängsten und dem Bewusstsein über die eigene Vergänglichkeit, blüht verloren geglaubt Intimität. Eine Innigkeit, die vertraut wirkt. Ein Neuanfang, der unausweichlich war. Und damit auch neue Zweifel. [...]
[...] Immerhin nämlich formuliert The Missing seinen Unmut gegenüber dem Gerechtigkeitsapparat klar und deutlich aus. Das brüchige Vertrauen der Bürger zeigt auf, dass Recht und Ordnung schon immer als Begrifflichkeiten definiert wurden, die sich in der Schwebe befanden. Es folgt nun jedoch keine Vertiefung dieser Trostlosigkeit, sondern eine Ansage: Vater und Tochter nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Das Gleichgewicht können auch sie wiederherstellen, das Gewehr dabei immer griffbereit, versteht sich, denn die Verhandlungsbasis dieser Tage lässt verlauten, dass das Leben immer mit dem Tode aufgewogen wird.Mit Elementen des Mystery-Flms gespickt, widersteht Ron Howard dem Versuch, die ungezähmten Restbestände der uramerikanischen Landschaftsimpressionen mit schwelgerischer Elegie abzugrasen. Sein Film soll kalt sein. Und die Kälte dringt von der Visualität bis in die Seele der Charaktere vor. Allerdings, und da sind wir bei Ron Howard ja ohnehin an der richtigen Adresse, hat The Missing nichts zu erzählen. Die dramatischen Konflikte zwischen Vater und Tochter bleiben seltsam unberührt, vielleicht, weil allen Zuschauer von vornherein deutlich gemacht werden sollte, dass dies ein Film ist, in dem es um Vergebung geht. Aber, wie gesagt, The Missing interessiert sich nicht für die steinigen Wege der Vergebung, sondern nur für deren Gegebenheit. [...]
[...] Jeder Mensch braucht ein individuelles Terrain, um sich mit seiner Trauer auseinanderzusetzen. Jeder Mensch muss in den Abgrund seiner Schmerzen geblickt haben, um sie zu verstehen, sie zu akzeptieren, sie hinzunehmen, sie zu verarbeiten. Wo sich andere Schicksals- respektive Verlustdramen daran abarbeiten würden, die Qualen ihrer Charaktere auszuschlachten, dort glaubt Rabbit Hole immer noch an die Hoffnung. Ohne Frage, es ist ungemein bedrückend mitanzusehen, wie sich all das innerseelische Elend an die Oberfläche trägt und wie ein Gewitterfront über den Protagonisten zusammenbraut (und damit ist nicht nur der Tod des Kindes gemeint). Rabbit Hole jedoch ist keine tonnenschwere Tragödie, die sich in den zwischenmenschlichen Dilemmata verliert. Cameron Mitchell gibt sich zuversichtig. Und Nicole Kidman wie der nie besser gewesene Aaron Eckhart meistern diese Zuversicht in ungemein sublimer Fasson.
Es wirkt nie aufgesetzt, wenn sich Kidman und Eckhart nach lauthals (!) ausgetragenen Disputen langsam wieder annähern. Wenn sie sich (manchmal auch unwissentlich) gegenseitig Trost spenden, sich eine Hand reichen, sich Freiräume erlauben, obwohl sie selber noch nach einer Antwort auf die Frage suchen, wie man denn Trost finden kann, wenn der Tod des eigenen Kindes wie ein schwarzer Schatten auf der eigenen Seele lastet. Im Kaninchenbau des emotionalen Zerwürfnis, bleibt Rabbit Hole am Ende doch ein Film über den Kampf, sich irgendwie wieder zusammenzuraufen. Darüber, weiterzumachen, weil es weitergehen muss, anstatt darüber, zu zerbrechen, aufzugeben, zu verblassen. Und das ist – dank formidabler Schauspielleistungen – sensibel, vieldimensional, lebensnah und von einem ausgeprägten Verständnis menschlichen Gefühlsregungen gegenüber beseelt. [...]
»SoulReaver und lieber_tee in den Untiefen des ganz normalen Genrewahnsinns«
#20 (Staffel – 2)
T…wie Tragikomödie.
Existenzielle Krisen im Paradies. Eigentlich sollte der Skiurlaub für die vierköpfige Familie ausschließend das Schwelgen im idyllischen Luxus verheißen. Eine Lawine verschüttet jedoch all das Glück, welches sich die Familie seit jeher eingeredet hat. Die Schneemassen verklumpen die Alphagene des männlichen Oberhauptes, weil es kurzerhand die Flucht ergriffen hat. Es erschüttert das lebensweltliche Selbstverständnis der Frau, weil sie, Zeit ihres Lebens, an Stereotype und deren Konnotationen gebunden war: Der Mann MUSS stark sein, so haben es Heldenepen in unser allgemeines Bewusstsein gestampft. Es konfrontiert die Kinder mit bisher ungeahnten Ängsten, weil plötzlich eine Scheidung im Raum stehen könnte. Die Naturkatastrophe, die sich letztlich nur als spektakulär anzusehende heiße Luft entpuppt, frisst sich ganz tief unter die Haut der Charaktere, entblößt sie, lässt sie auf sich und ihre Profilneurosen, ihre Lebenslügen, ihre Komplexe zurückfallen. Die Kommunikation wird brach gelegt, es herrscht eisige Stille, als wäre man erschüttert über die Tatsache, dass man es bei seinem Partner letztlich doch nur mit einem Menschen zu tun hat. Mit Fehlern. Mit Widersprüchen. Außer man kann sich in Ausflüchte stürzen oder den anderen bloßstellen. Ihn vorführen. Höhere Gewalt ist eine Abrechnung mit festgefahrenen Geschlechterbildern und ihre archaischen Zuschreibungen. Und inmitten der französischen Alpen, die als Naturkulisse ebenso archaisch sind und wunderbar zur Projektion der Gefühlswelten der Figuren taugen, macht sich Ruben Östlund einen beißenden Spaß daraus, die inneren Zerwürfnisse seiner Akteure zu erforschen. Er nutzt das komödiantische Element, um das Geschehnis aus der Distanz zu betrachten und sich dadurch eine analytische Präzision anzueignen, die gleichermaßen amüsiert wie sie auch Beklemmungen im Zuschauer auslöst. Muss man gesehen haben. Man darf herzlich lachen und sich richtig schlecht fühlen. Moderner Klassiker.
http://www.moviepilot.de/liste/soulreaver-und-lieber_tee-in-den-untiefen-des-ganz-normalen-genrewahnsinns-soulreaver
[...] Traffic – Macht des Kartells zeigt die Schützengräben der Drogenkriminalität als beklemmend-komplexes Gesellschaftspanorama, kleidet seine rast- und atemlosen Bildfolgen in überbelichtetes Gelb und unterkühltes Blau und findet Verstrebungen und Überschneiden der einzelnen Gegebenheiten auf überaus kunstfertige Weise durch die Wechselwirkung von Schnitt und Kamera. Steven Soderbergh sucht sich nicht nur einen gesellschaftlichen Teilbereich aus, der inzwischen unter dem Einfluss des allgemeinen Rauschgiftüberproduktion steht. Traffic – Macht des Kartells behandelt einen umfangreichen Komplex unseres gegenwärtigen Daseins: Er zeichnet nach, wie Drogen auf unsere Regierung, unsere Behörden, unser Privatleben einwirken. Alles befindet sich in stetiger Korrelation, bekräftigt sich gegenseitig und sorgt letztlich dafür, dass persönliche Ideale irgendwann nicht mehr zum Greifen kommen. Der Drogenkrieg nämlich ist eine unendliche Schlacht, die man gegen sich selbst und gegen alles, was man liebt, führt. Und wer ist schon bereit, gegen seine Familie in den Krieg zu ziehen? Nein, es gibt keine Helden und Lösungen mehr. Es gibt Menschen, die das Richtige tun wollen, aber auch diese sind Opfer. Opfer des wahren Machtmonopol Amerikas, Mexikos, der ganzen Welt: Den Drogen. [...]
[...] Es dauert nicht lange, bis Bishop, das noch anwesende Personal der Station und einige Gefangene zum ersten Mal in Berührung mit der vollkommen unmotivierten Gewalt kommen. Die Atmosphäre, die von Beginn an angespannt, aggressiv, kochend ist, eskaliert in einem der wohl packendsten Belagerungsszenarien, die das amerikanische Kino seit jeher in Szene gegossen hat. In einer Welt, in der es keine Helden mehr gibt, sondern nur noch Männer, die Befehle ausführen, wird es immer unmöglicher, das Richtige zu tun. Letztlich ist alles, was den Protagonisten geblieben ist, ihre Instinkte und Triebe. Die amorphe Masse aus Aggressoren, die nicht einmal mehr davor zurückschreckt, ein kleines Mädchen auf offener Straße, am helllichten Tage, hinzurichten, will Gewalt säen, um Gegengewalt zu erzwingen und so einen Teufelskreis aus Tod und Verderben aus dem blutdurchtränkten Boden zu stampfen.
Legendär ist dabei nicht nur John Carpenters minimalistischer Synthie-Klangteppich, der das Geschehen dermaßen effizient verdichtet, dass es dem Zuschauer beinahe die Luft abschnürt, sondern auch der Umstand, mit welcher Brillanz sich Carpenter hier im Allgemeinen als ökonomischer Handwerker beweist. Aus überschaubaren Möglichkeiten wird hier ein Maximum an schöpferischer Sprengkraft geschaffen. Zeitlose Spannungsfelder, die noch heute elektrisieren. Assault – Anschlag bei Nacht ist ein 90-minütiger Beklemmungsakt. Wenn es nur noch um das Überleben geht, ist der moralische Bewegungsradius, ebenso wie die räumliche Begrenzung, limitiert. Die Atemnot der klaustrophobischen Bedrängung trifft auf den reinen Zwang, sich zur Wehr setzen zu müssen. Zivilisierte Kommunikationsformen liegen brach, Waffen ersetzen den Dialog und machen das Polizeirevier, die Festung des Rechts, zum Schauplatz eines in seiner Dringlichkeit bis heute atemberaubenden Meisterwerks. [...]
[...] Nein, Der talentierte Mr. Ripley ist ein Film von unermesslicher Tragik. Tom Ripley, den Matt Damon in einer berauschend pointierten Performance auskleidet, möchte nur eine Sache: Er möchte geliebt werden. In Italien begibt er sich auf die Suche nach dieser Liebe, glaubt sie in Dickie gefunden zu haben, wird allerdings jäh auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, als dieser ihm seine grenzenlose Egomanie beweist. Tom bleibt ein Mann, der geliebt möchte und wandelt nicht zu dem Mann, der geliebt wird. Und weil er Dickies Liebe nicht bekommt, wird er selbst zu Dickie: Die Tragödie eines Menschen, der verlangt, was er nicht haben kann und zu dem wird, was er nicht ist. Minghella erzählt das in zum Verlieben eleganten Fotografien, umflort seinen kontemplativen, ungemein affektiven Obsessionskrimi durchgehend mit siedender Spannung und reißt den Zuschauer durch sein nuanciertes Wesen mit, geradewegs in den Schlund einer Täuschung und ihren bedrückenden Ausformungen. [...]
[...] Sverrir Gudnason (Verschwörung), der dem echten Björn Borg beinahe wie aus dem Gesicht geschnitten ist, agiert als jener Eisberg, zu dem Borg immer wieder ernannt wurde. Mit starrer Mine, gibt Gudnason einen Sportler, für den das Siegen keine Option mehr ist. Es ist ein Anspruch, der beinahe zur Ideologie geronnen ist. Dass der Sportsgeist dadurch natürlich in manische Dimensionen getrieben wird, versteht sich von allein. Auch McEnroe, den Shia LaBeouf (Nymphomaniac Vol. 1 & 2) in einer erneuten Großleistung verkörpert, ist ein Mensch, der sich selbst zum Siegen zwingt, um es der Welt zu bewiesen. Um genau dem Einhalt zu gebieten, was ihm in seinem Elternhaus tagtäglich widerfahren ist: Unterschätzung. Mag Borg auch der narrative Ankerpunkt sein, so funktioniert Borg/McEnroe doch erst durch das vielschichtige, lebendige Spiel eines Shia LaBeouf.
Natürlich geht es hier nicht nur um den Tennissport, den Björn Borg und John McEnroe dermaßen geprägt haben, dass sie auch heute noch als Götter dieses Rückschlagspieles gehandelt werden. Janus Metz hingegen nutzt das nervenaufreibende Aufeinandertreffen auf dem Centre Court, um die Spielfläche zum Seelenspiegel zu transformieren. Die umsichtigen Psychografien der beiden Besessenen wird während des Jahrhundertduells komplettiert. Hier geht es dann nicht einfach nur darum, genügend Sätze zu gewinnen, um den Gegenüber zu besiegen. Hier geht es darum, den Terror im Kopf endgültig verstummen zu lassen und den Preis zu zahlen, den der Legendenstatus nun mal einfordert. Und Metz inszeniert dieses sagenhafte 5-Satz-Finale, welches in jeder Top 10 der besten Tennismatches auf den vorderen Plätzen rangiert, als mitreißenden Psychokrieg. Als Kampf gegen die eigenen Dämonen. [...]
[...] Richtig interessant wird Vier Hochzeiten und ein Todesfall, wenn man den Kontext beachtet, in dem sich die Geschichte entfaltet. Abseits seiner ungemein marktfähigen RomCom-Zuneigung nämlich beschreiben Mike Newell und Richard Curtis hier die überbordenden Ängste der Generation X. Und dafür ist es für den Zuschauer wichtig, zu beobachten, wie Vier Hochzeiten und ein Todesfall seine Handlung antreibt und ausfüllt. Charles ist der Kristallisationspunkt der Narration und schon im blassen, exakt gecasteten Gesicht eines Hugh Grant lässt sich erkennen, dass dieser Mensch nichts zu erzählen hat, weil er noch nie etwas erlebt hat, außer die falschen Frauen kennenzulernen. So richtig haben diese ihm aber nicht das Herz gebrochen, um sich darüber auszulassen. Charles lächelt es hilflos weg, weil ihm die Worte fehlen. Weil er nie vom Leben die Aufgabe erhalten hat, Gedanken zu schmieden und diese zu formulieren.
Die Bindungsangst von Charles ist auch die Furcht davor, aus dem Nichts zu kommen und in das Nichts zu verschwinden. Das lässt sich schon daran erkennen, dass Vier Hochzeiten und ein Todesfall beinahe vollständig darauf verzichtet, seinen Charakteren Distinktionsmerkmale anzuheften. Sie sind, irgendwie, unbeschriebene Blätter. Kommen nirgendwoher. Gefäße, die gefüllt werden wollen, wenn sie denn den Mut dazu aufbringen. Vier Hochzeiten und ein Todesfall begleitet Charles und seine Freunde episodisch und angereicht mit wunderbar kokett-britischem Humor bei ihren Versuchen, etwas zu erleben. Bei ihrer Suche nach dem Glück, irgendwohin gehen zu können. Einige gehen zum Traualtar, wieder andere gehen zum Scheidungsanwalt und einmal führt der Weg auch direkt in den Sarg, was zum berührendsten und eindringlichsten Moment des Filmes zählt. Charles indes stolpert weiter durch den Hochzeitswahnsinn, der schon bald sein eigener Wahnsinn wird. Immerhin hat er dann etwas zu erzählen. [...]
[...] Welches Attribut The Polka King natürlich vollkommen abhandenkommt, ist der originelle Impuls. Der erzählerische Rahmen, den Maya Forbes (Infinitely Polar Bear) und Wallace Wolodarsky (Lust auf Seitensprünge) um die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte spannen, ist formelhaft, unzählige Male aufbreitet und – wie könnte es bei diesen Umständen anders sein – vorhersehbar. Das Regie- und Autorengespann allerdings verbringt es dennoch, eine nicht uninteressante und zuweilen wirklich tragikomische Abhandlung über die Geschäftsstrukturen Amerikas hervorzubringen, welche sich im Kern auf das Handwerk des Betrugs berufen: Jan (Jack Black, Jumanji: Willkommen im Dschungel) muss lernen, leere Worte als verdeckte Waffe mit sich zu tragen. Er muss sich die Macht der Lügen aneignen, um sich nicht nur eine regionale, sondern eine nationale Popularität anzueignen.
Das satirische Potenzial bleibt durch eine recht oberflächliche Behandlung der Lebensgeschichte Lewandowskis zwar weitgehend ungenutzt, angenehm gestaltet sich dafür jedoch Forbes' und Wolodarskys nie bloßstellender Umgang mit dem Hauptakteur. Obgleich sich Jan zu kriminellen Machenschaften bewusst hinreißen lässt und damit nach und nach nicht nur das Misstrauen seiner Frau Maria (Jenny Slate, Parks & Recreation) und seines besten Freundes Mickey (Jason Schwartzman, Rushmore) auf sich zieht, sondern das ganze Land dazu zwingt, den Glauben an ihn zu verlieren, darf sich Jan weiterhin als gutherziger Träumer bestätigen. Der „polnische Prinz“ gibt sich der Illegalität nicht hin, um anderen Menschen zu schaden, sondern scheint all die äußeren Widerstände als hinzunehmende Prüfung zu verstehen, um den amerikanischen Traum am eigenen Leib zu erfahren. The Polka King jedoch baut keine Luftschlösser, sondern wandelt sich zur amerikanischen Tragödie. [...]
[...] In Hendrik Höfgen manifestiert sich die gesamte Janusköpfigkeit der Kunst: Das inspirierende und das dekonstruierende Wesen. Höfgen ist ein Genie, zweifelsohne. Die Bühne, die Publikumsreihen, der gesamte Saal wird durch ihn von einer Energie ergriffen, wie sie in dieser aufopferungsvollen Art und Weise wohl einmalig ist. Und Klaus Maria Brandauer interpretiert diesen Höfgen in einer Jahrhundertperformance, wie sie das internationale Kino nie vergessen wird. Brandauer kehrt ein undefiniertes Inneres aus seinem Charakter und kanalisiert es in der Schauspielerei. Seine Darbietung ist, wenn man so will, die Darbietung aller Darbietungen, weil sie einen Menschen konserviert, der als Privatperson kaum existiert und ausschließlich funktioniert, wenn er inszeniert wird. Wenn er in Szene gegossen wird. Wenn er nicht er selbst sein muss. Ein Niemand. Eine (Selbst-)Täuschung. Eine anonyme, geisterhafte Erscheinung.
Höfgen existiert dort, bekommt ein Gesicht dort, wo er sich voll und ganz hinter der Maske verbergen kann. Also er existiert, wenn er nicht existieren muss. Wenn er instruiert, geführt, stilisiert wird. Mephisto ist das – man kann es nicht oft genug wiederholen – berauschend gespielte Psychogramm eines Menschen, der kein Mensch sondern Kunstobjekt sein möchte. Der nur auf der Bühne funktioniert. Und dadurch bekommt der Film eine zweite, metaphorische Ebene, weil er sich mit der Figur des Höfgen auch mit dem Befinden und Strukturen Nazideutschlands auseinandersetzt: Ein Land, bestimmt von Marionetten, die ausschließlich wirken, wenn sie dirigieren werden. Dass Höfgen postuliert, nur Schauspieler und kein Politiker zu sein, ist natürlich eine tumbe Ausflucht. Wenn die Puppe dem Puppenspieler blindlings folgt, macht sie sich genauso schuldig. Selbstzerstörung, Geltungsdrang, Opportunismus. Gefangen in der Maske, selbst gegeißelt zur Anpassung. [...]
[...] Mit einem üppigen Budget von 10 Millionen D-Mark im Nacken konnte Fassbinder natürlich protzen und seine von tiefen moralischen Diskursen durchwanderte Geschichte mit den entsprechenden zeitgenössisch-aufarbeiteten Bildern versorgen. Lili Marleen allerdings wirkt so, als sei man mehr darin interessiert, die Möglichkeiten der Produktion denn die Möglichkeiten der Reflexion auszureizen. Im Kern ist Lili Marleen die herzzerreißende Dokumentation einer unerfüllten Liebe. Und, ganz Fassbinder-typisch, wird diese auch durch die Konventionen des klassischen Melodramas aufgebauscht. Es geht hier allerdings auch um die Frage, ob es ethisch vertretbar ist, durch die Mechanismen des Nationalsozialismus zu Erfolg zu kommen? Darf man Nazi-Deutschland reinen Gewissens nutzen, um die Karriereleiter aufzuzeigen? Und überhaupt: Ist es möglich, ein Lied zum Politikum zu erheben, wenn der eigentliche Sinn dieses vollkommen unpolitischer Natur ist? Lili Marleen ist ein Film über moralische Sackgassen und immer deutlich sichtbar werdender Vertrauensgesetze, versackt aber im Abglanz des Ausstattungskinos. Oberflächlich, glattgebügelt, pompig. Es fehlt die eindringliche, innerdeutsche Strukturen offenlegende Virtuosität – als wäre Fassbinder vom Glitzern der teuren Kleider abgelenkt gewesen. [...]
[...] Schon die wunderbar stimmungsvolle Eröffnung von Dead Zone spielt mit der inhaltlichen Verschmelzung des Greifbaren und Unbegreiflichen; des Alltäglichen und Übersinnlichen, wenn sich flächendeckend in die idyllischen Landschaftsimpressionen in riesigen Lettern der Filmtitel stanzt und von den sich anbahnenden Veränderungen berichtet, deren Opfer vor allem Johnny Smith wird. Bereits zu Anfang mit stechenden Kopfschmerzen ausgestattet, gehört er zu den rücksichtsvollen Menschen, die einen Kuss im prasselnden Regen mit ihrer Liebsten bevorzugen, anstatt sich mit ihr direkt aufs Zimmer begeben – eine verhängnisvolle Entscheidung. David Cronenberg und Jeffrey Boam offenbaren hier eine ungemeine Begabung dahingehend, die stoffliche Eindampfung zu nutzen, um den narrativen Fokus zu intensivieren. Sicherlich mag Dead Zone zuweilen etwas oberflächlich erscheinen, er funktioniert aber dennoch als tieftrauriges Seelendrama.
Dead Zone erzählt viel darüber, wie es sich anfühlen muss, fremd in seinem eigenen Körper zu sein. Wie es sein muss, zu einem Fremden in der Welt zu werden. Durch die Fähigkeiten, den weiteren Lebensverlauf von Menschen zu durchschauen und somit auch einen Blick in ihre Abgründe, ihre Traumata, ihre Verstörungen zu richten, wird Johnny ein Segen angedichtet, den er für sich jedoch nur als Fluch begreift. Begreifen kann. Er findet irgendwann keine Zeit mehr, seine eigenen Wunden zu pflegen, wachsen die Probleme um ihn herum doch in immer extremeren Ausformungen voran – ja, irgendwann steht sogar der dritte Weltkrieg auf dem Spiel. Und doch bleibt sich David Cronenberg einem sorgsam gewählten Rahmen treu: Nämlich der Tragödie eines Mannes, der niemals auffallen wollte, über Nacht zur Sensation aufstieg und zu einem Dasein als Ausgestoßener gezwungen wurde. [...]
[...] Und obgleich Rainer Werner Fassbinder dieser gewisse Schalk im Nacken zu haften scheint, der es ihm auch erlaubt, sich über das Wirtschaftswunder und die in dieses involvierte Marionetten lustig zu machen, ist Lola ein Film, der irgendwann keine andere Wahl mehr hat. Irgendwann muss dieser Film explodieren, derartig staut er all die Ungerechtigkeit, all die unausgesprochenen Konflikte, all die verdrängten Wunden in seinem Inneren an. Und wenn Lola schließlich explodiert, wenn sich Barbara Sukowa den Sehnsuchtsschlager Capri Fischer als Akt der Selbstoffenbarung von der Seele schreit, dann resultiert daraus einer der denkwürdigsten Momente der deutschen Filmgeschichte. Gerade in Verbindung mit dieser unfassbar grellen Farbästhetik. Ein permanentes Farbenspiel schlägt hier auf die Charaktere ein, schmiert sie zu, pinselt sie über, verzerrt sie, um sie am Ende dann doch ganz zu sich zu führen und viel Kluges über die Bundesrepublik zu berichten. Über die Scheinheiligkeit. Über die leeren Versprechungen. [...]
[...] Und das Deutschland der 1950er Jahre war an nichts mehr interessiert, als die Vergangenheit ruhen zu lassen. Nein, sie vollends aus dem eigenen Bewusstsein zu radieren. Man redete sich sogar ein, dass man durch das Verbrennen der NS-Akten endgültig entnazifiziert wurde und der Holocaust ein Ammenmärchen der Alliierten gewesen sei. Mitbekommen hat man schließlich nichts – und womöglich war das Gestern nur ein Traum, aus dem man endlich hat erwachen dürfen. Das Wirtschaftswunder floriert und floriert, die Menschen konnten sich ihre Arbeit aussuchen, konnten guten Geld verdienen und sich dadurch ein Labyrinth des Schweigens modellieren, in dem genau die Individuen nicht erwünscht sind, die noch immer eine Stimme besitzen. Veronika Voss ist eine zu grelle Persönlichkeit, als dass man ihr wirklich glauben könnte, sich anzupassen.
Ihr Fall scheint, gerade auch durch das damalige Protegieren mit Joseph Goebbels, die logische Konsequenz einer Zeitrechnung zu sein, die sich neu konfigurieren möchte. Die sich kontinuierlich weiterentwickeln will und all jenes abstreift, was nicht kompatibel mit der forcierten Zukunftsorientierung ist. Der Sportreporter Robert Krohn (Hilmar Thate, Der neunte Tag) sieht sich von einer ungreifbaren Faszination für Veronika Voss befallen. Dieser Frau, die so merkwürdig-realitätsentrückt ist, die im Prinzip nur um das Überleben kämpft, aber immer noch weiß, wie sie ihre Reize einzusetzen hat. Rainer Werner Fassbinder veranschaulicht mit Die Sehnsucht der Veronika Voss in erster Linie die Schwierigkeit, die eigene Bedeutungslosigkeit zu akzeptieren. Veronika funktioniert nicht mehr. Das weiß sie, aber kann es nicht wahrhaben. Wie auch? Wenn sie als Diva nicht mehr existiert, dann ist das ein Todesurteil. Willkommen im Brennglas der Geschichte.
Mit leisen Anklängen einer dem Film noir entliehenen Kriminalgeschichte, die sich, Fassbinder-typisch, wenig daran interessiert, Zugeständnisse an Genre-Mechanismen oder Stilismen zu bemühen, bleibt Die Sehnsucht der Veronika Voss eine sublime Charakter-Studie, die sich gleichermaßen auf den Zustand der noch in Kinderschuhen steckenden Bundesrepublik transferiert. Die Geißel der Gegenwart ist die Tatsache, eine Vergangenheit gehabt zu haben. Veronika Voss ist der Inbegriff dieser Vergangenheit. Sie will strahlen, leuchten, scheinen. Die Menschen sollen sich um sie reißen, sie begehren, ihr aus der Hand fressen. Die einzigen Sternchen, die hier allerdings noch funkeln, sind die Lichtreflexionen, die die Discokugel in die klinisch-weißen Räume wirft. Es ist eine Ära der Verwirrung und Verirrung, eine Ära des Lichts und des Schattens. Und jedem, der den eigenen Niedergang nicht anerkennt, wird nachgeholfen. [...]
[...] Sobald es die Bauern vollbracht haben, eine siebenköpfige Gruppe an Samurai zu mobilisieren, die sich von nun an darum kümmert, das Dorf vor den Marodeuren zu beschützen, schält sich aus dem Inneren der Narration eine immer prägnantere Auseinandersetzung mit dem Wert der Zivilcourage an die Oberfläche. Die sieben Samurai beschreibt eine Welt, in der jeder für sich kämpft oder Gründe dafür vergessen wurden, warum man überhaupt in den Kampf ziehen sollte. Das mitmenschliche Handeln, welches hier von den Samurai ausgeht, gleicht einer zwischenmenschlichen Utopie, eben weil sie für eine gerechte Sache die Schwerte erheben, die sie letztlich nichts angeht. Sie handeln uneigennützig, appellieren durch ihr Agieren an den gesunden Menschenverstand, an das Gemeinschaftsgefühl, an Solidarität und hebeln somit den engmaschigen Gedankenhorizont innerhalb der zeitgenössischen Kastengesellschaft Japans aus.
Nicht das Auseinanderdividieren der jeweiligen sozialen Stellungen erklärt eine gesunde Gesellschaft. Es ist das Aufheben jener Grenzen und das Zusammenwirken von Menschen, die in verschiedenen Realitäten existieren, in der vorurteilsfreien Kollektivierung aber beweisen, dass das gesellschaftliche System intakt ist. Das mutet nun, wie gesagt, ungemein utopisch und romantisch an, trifft die Tonalität von Die sieben Samurai aber auch „nur“ im gedanklichen Kern. Kurosawa glaubt an den Menschen, glaubt an das Bündnis, glaubt an das gegenseitige Vertrauen. Dass Die sieben Samurai dennoch ein bedrückendes Werk bleibt, liegt vor allem daran, dass Kurosawa in eindringlicher Klarheit aufzeigt, dass Menschen nicht immer zu retten sind, auch wenn man sich für sie einsetzt. Die Samurai scheinen Relikte, unzeitgemäß, anachronistisch. Wenn sie in die Zukunft blicken, sehen sie die Gräber ihresgleichen. Immerhin aber war der letzte Kampf von Bedeutung.
Und Kurosawa setzt mit diesem Entscheidungsgefecht (oder allgemein mit den Kampfsequenzen) Maßstäbe. Mit dem Einsatz mehrerer Kameras, die ein ausgeklügeltes Spiel verschiedener Perspektiven erlauben und somit eine unvermittelte Dynamik erschaffen, war Kurosawa seiner Zeit weit voraus. Ohnehin ist Die sieben Samurai in erster Linie als visionäres Meisterwerk zu verstehen: Der Film hat die Struktur der kontemporären Actionfilms vorweggenommen, während er sich simultan dazu als ausdrucksstarke Gesellschaftskritik verdient gemacht hat und sich im nächsten Schritt auf wertschätzende, aber niemals verherrlichende Weise mit dem Kriegerstand der Samurai beschäftigt. Am Ende gibt Kurosawa zu verstehen, dass der Moralkodex der Samurai nicht von überzeitlicher Beschaffenheit ist. Vielleicht sollte man die Chance nutzen, noch einmal für etwas Bedeutsames einzutreten, denn bald schon muss man die Mythen Mythen sein lassen. [...]
[...] Nur ist es in diesem Fall kein Vietnamveteran, sondern ein Rettungssanitäter namens Frank (Nicolas Cage, Leaving Las Vegas), der alles dafür tun würde, endlich gekündigt zu werden, um nicht mehr jede Nacht auf die verdammte Straße zu müssen. Seit Monaten schon ist es ihm nicht mehr gelungen, jemanden zu retten. Die Menschen sterben ihm reihenweise unter den Finger weg. Früher wusste Frank seinen Beruf mit einem Selbstverständnis auszufüllen, ähnlich eines Soldaten, der mit verbundenen Augen sein Gewehr auseinanderbaut und wieder zusammensetzt. Inzwischen aber verfolgen Frank die stummen Augen der Leichen, die Schreie der ruhelosen Geister. Und der Blick aus dem Krankenwagen offenbart für ihn vor allem eines: Unzählige Verlorene. Nicolas Cage erweist sich als Idealbesetzung für den ausgelaugten Sanitärer, der Leben retten will, aber nicht mehr kann. Der nicht mehr retten will, aber es versuchen muss.
Mit Franks schwarzgeränderten Augen, leichenblasser Visage und einer Lebensmüdigkeit in der Körperhaltung, die davon spricht, seit Ewigkeiten nicht mehr geschlafen zu haben, eben weil die Alpträume schon dort beginnen, wo sich die Lider noch nicht einmal geschlossen haben, manifestiert sich Bringing Out the Dead – Nächte der Erinnerung als das Porträt eines Menschen, der in vielerlei Hinsicht nicht mehr funktioniert: Im Job. Im Privaten. Durch seine ständigen Nachtschichten nämlich gibt es dieses Privatleben nicht mehr, es gibt nur den Krankenwagen, die Nacht, den Moloch. Martin Scorsese inszeniert das als intensiv-beklemmenden, rauschartigen Bewusstseinsstrom, arbeitet mit Zeitraffer, mit grellen Farbfiltern, mit sich wiederholenden Musikmontagen, um ein Gefühl der Ohnmacht heraufzubeschwören, welches verdeutlicht: Das Leben zieht an Frank nur noch vorbei. Was ihm geblieben ist? Psychosen. Halluzinationen, die ihn an sein Scheitern erinnern.
Und doch gibt es noch Hoffnung. Natürlich gibt dieses leise Glimmen. Denn irgendwann wird Frank, der selbsternannte Putzlappen für Schmerz und Leid, für sich begreifen, dass die Erlösung anderer Menschen nicht immer mit dem Überleben dieser verbunden ist. Über diese stetig wachsenden Erkenntnis im Hinterkopf läuft ihm irgendwann Mary (Patricia Arquette, Lost Highway) über den Weg, die ebenso rastlos und desortientiert durch die Welt streift, wie er. Die sich Abhilfe in einer Modedroge sucht und doch nur die zwischenmenschliche Berührung braucht, genau wie Frank, um wieder den Ansatz einer inneren Balance zu finden. Dort wird Bringing Out the Dead – Nächte der Erinnerung nicht nur die Aufnahme der Beklemmungen urbaner Vollmondnächte, sondern auch ein feinfühliges Werk über Begegnungen. Über die Möglichkeit, all das Verderben kurz auszublenden, auch wenn es damit nicht verschwindet. Morgen schon wird es wieder an die Tür klopfen. Eine Auszeit aber sei erlaubt. [...]
[...] Im Brauchtum des Jidai-geki verankert, ist es Miike primär daran gelegen, den Mythos des lebensüberdrüssigen Kriegers am Leben zu erhalten. Wer sich bei Blade of the Immortal den ein oder anderen dekonstruierenden Moment wünscht, der wird enttäuscht, denn Miike nimmt es aufgrund der Unsterblichkeit seiner Hauptfigur ganz wörtlich: Liebgewonnene Traditionen dürfen nicht vergehen, sie müssen beständig bleiben und vererbt werden. Eigentlich Anlass genug, um genau diese Traditionsverhaftung als Mühlstein der (Weiter-)Entwicklung zu entlarven. Stattdessen wird durch die nostalgisierte Unantastbarkeit der Materials in Blade of the Immortal gleichwohl die Verzweigung zwischen dem amerikanischen Western und dem Samurai-Film ausdrücklich betont: Beide Kategorien dürfen sich als Heimatfilme definieren – und in beiden Bereichen schwingt eine Wehmut mit, Erinnerungen doch bitte nicht verblassen zu lassen. Wir müssen wissen, wo wir herkommen. Tatsächlich? [...]
[...] Bis wir an diesen Punkt gelangen, erweist sich Der Mondmann als hervorragendes, aber niemals altbackenes Erzählkino. Den traditionellen Erzählprinzipien der Leinwand-Biographie durchaus zugewandt, gelingt es Milos Forman dennoch, seinen Stoff niemals als steifes, lexikalisches Abklappern von Fakten und Lebensstationen zu verkaufen. Was letztlich vermutlich schon in der Natur der Sache begraben liegt, erweist sich Andy Kaufman doch als eines der letzten großen Mysterien innerhalb einer Branche, die sich so gläsern gibt, dass Geheimnisse, Spekulationen und Mutmaßungen hier überhaupt keinen Platz mehr für sich beanspruchen können. Oder beanspruchen dürfen. Das Unerklärliche, welches immer im Programm von Andy Kaufman mitschwingen sollte, ebenso wie das Unerwartete, ist ein Reiz, den Kaufman verstand, erfolgreich als Marke zu verkaufen. Ob es seinem Publikum letztlich gefallen hat, sei dahingestellt. Herausfordert allerdings wurde es nach Strich und Faden.
Legendäre Auftritte von Kaufman, wie zum Beispiel seine Wrestling-Kämpfe gegen Frauen, komplette Buchvorlesungen auf der Bühne oder Wiederbelebungen von Damen älteren Semesters, die während seiner Darbietungen an Herzversagen zusammenklappen, mögen ihren künstlerischen Wert erst einmal verschließen, Der Mondmann allerdings erweist sich als Appell an die Freiheit der Kunst und findet im Anti-Humor des Andy Kaufman eine zutiefst subversive Vision, die Mechanismen der Unterhaltungsmaschinerie gegen den Strich zu bürsten. Andy Kaufman vertrieb sein Publikum aus der eigenen Berieselungskomfortzone. Er hielt seinem Publikum den Spiegel vor, erzwang Reaktionen, nötigt sie zum Handeln. Das muss man nicht befürworten, Andy Kaufman war, ist und wird immer gewöhnungsbedürftig sein, ihn und sein Schaffen jedoch als hirnrissige Zuschauerverachtung darzustellen, ist ein fehlgeleiteter Ansatz.
Glücklicherweise arbeitet sich Der Mondmann nicht daran ab, das Mysterium Andy Kaufman zu entschlüsseln. Psychologisierungen verlaufen subtil und zurückhaltend, man merkt Milos Forman durchaus an, dass sein Respekt vor der Vorlagen-gebenden Persönlichkeit immens war. Der Mondmann gesteht seiner Hauptfigur jedwede Ambivalenzen zu, er scheut sich nicht davor, die inneren Dämonen des Andy Kaufman anzusprechen, gibt dem Charakter aber den nötigen Freiraum, den dieser braucht, um sich und seine Eigenarten vollends zu entfalten. Und dort kommen wir wieder auf Jim Carrey zu sprechen, seinerzeit im Abgrund des Method Acting versunken. Seine Darstellung gehört, zweifelsohne, zu den besten Darstellungen seiner Karriere sowie den eindrucksvollsten Performances der 1990er Jahre. Mit welcher Pointierung Carrey es gelingt, vollends hinter Andy Kaufman zu verschwinden, mit ihm zu verschmelzen, und seinen Facettenreichtum zu wahren. Imponierend und berührend. [...]