SoulReaver - Kommentare

Alle Kommentare von SoulReaver

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    SoulReaver: FILMSTARTS.de 05.07.2017, 22:11 Geändert 05.07.2017, 22:13

    Moderner Klassiker. Überzeitlich. In drei Ewigkeiten wird I Am Not Your Negro noch als Referenzwerk herangezogen, weil er sich nicht erdreistet, Antworten zu geben, aber über seine kraft- und wutschäumenden 90 Minuten in der Lage ist, ausschließlich die richtigen Fragen zu stellen. Es wäre zu harsch, I Am Not Your Negro als Anklage zu proklamieren, dafür ist sich der Film zu sehr im Klaren darüber, dass er sich in diesem Fall auch selbst anklagen müsste. I Am Not Your Negro ist vielmehr eine unerhört intelligente Meditation über die nationale Identität eines Landes, in dem der Hass regiert – und dem man doch, nach Leibeskräften, mit unbändiger Liebe begegnen möchte. Ein Land, das so glücklich und glatt und gleichzeitig so verantwortungslos und tot ist, wie kein anderes auf der Welt. Raoul Pecks Eassy ist eine feurig-bedrückende Offenlegung der Denkmuster des Zuschauers und damit auch eine Offenlegung der moralischen Apathie der Welt selbst. Eben weil er in beeindruckender Entschiedenheit aufzeigt, dass es keine tragfähige organische Verbindung zwischen unserer öffentlichen und privaten Lebenswirklichkeit gibt. Wir sind Mythen verschrieben. Wir verleugnen uns selbst, um uns von der Scham freizusprechen und Ideale geltend zu machen, die es in Wahrheit nicht gibt. An die wir, Schwarz und Weiß, die hier aufeinanderprallen, um sich gegenseitig zu enthüllen, nicht glauben können. Aber, der Hoffnungsschimmer bleibt, vielleicht irgendwann wieder glauben zu dürfen. Doch bis dahin müssen wir von dem Katalog der Unterdrückung, den uns die Vergangenheit wie auch die Gegenwart übergeben hat, lernen. Moderner Klassiker.

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    • 7 .5

      [...] Certain Women verweigert es, dem Zuschauer ausbuchstabierte Offensichtlichkeiten zu unterbreiten. Kelly Reichardt zollt Ergebnissen, Zeugnissen, Lösungen kein Interesse – und noch weniger möchte sie ihren Film unter dem despektierlichen Stigma 'Frauenfilm' residieren lassen. Das Schöne an Certain Women ist, dass er in seinen Motiven von universaler Beschaffenheit gezeichnet ist und simultan dazu die Könnerschaft aufweist, von den in unserem Bewusstsein festgewachsenen Geschlechterstrukturen unserer Zeit zu sprechen. Die weiblichen, allesamt wunderbar besetzten und plastisch geschriebenen Hauptcharaktere beanspruchen keine parolenhafte Perspektive für sich. Sie sind alle vielmehr Bestandteil eines kontemplativen Diskurses über Ängste, Bestrebungen, Ernüchterung und Begehren. Kelly Reichardts subkutane Genialität liegt darin begraben, erzählerisch wie stilistisch tiefzustapeln und doch einen nachdrücklich-hintersinnigen Bogen zu spannen, der im Innerem das Leben in all seinem wechselhaften Facettenreichtum gebärt. [...]

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      • 10

        So, zum zehnten Mal gesehen, zum neunten Mal geliebt. Martin Scorseses Filme waren schon immer Hommagen an das Kino und die Kunst des Filmemachens. Mit Shutter Island erreicht dieses passionierte Tribut Zollen aber eine neue Dimension. Von der ersten Minute an nämlich baut der Großmeister hier auf den durch unsere Sehgewohnheiten ankonditionierten Erfahrungsschatz, der uns weismachen will, in Shutter Island gäbe es tatsächlich ein großes Geheimnis, welches es unbedingt zu lösen gilt. Gibt es nicht. Gab es nie. Shutter Island ist vielmehr ein Werk, welches die Dunkelkammer des Lichtspielhauses bis zuletzt als apparaturerzeugte Realität des Sehens definiert. Und wir, die Zuschauer, sind die größten Idioten in diesem (augenscheinlichen) Labyrinth der Psychosen, welches sich dort auf der Leinwand entlädt. Keine Frage, Shutter Island funktioniert blendend als düsterer Thriller, dafür ist der Charakter und der stetige Wandel des Teddy Daniels zu einnehmend, dafür ist das Setting zu wuchtig und der sich hier merklich köstlich amüsierende Martin Scorsese ein zu begnadeter Geschichtenerzähler. Unfassbar, wie viele memorable Augenblicke dieser Film aneinanderreiht. Die wahre Meisterschaft von Shutter Island aber liegt auf der Meta-Ebene: Dort, wo tradierte Wahrnehmungs- und Bewusstseinsstrukturen entlarvt und aufgebrochen werden; Dort, wo unsere mediale Wohlfühlzone auch einmal zusammenbrechen darf, weil wir uns unserer Sache einfach zu sicher waren.

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        • 3 .5

          [...] Problematisch – und gleichwohl Genickbruch des Films – ist, dass er sich nicht nur in der Visualisierung seines synthetischen Worldbuildings ungemein schnell abnutzt und als bonbonbunte Farbkastenexplosion vor allem das Nervenkostüm des Zuschauers strapaziert, anstatt sich als Kniefall vor den popkulturellen Einflüssen der asiatischen wie amerikanischen Welt verdient zu machen. Er versucht es ebenfalls, seinen namhaft besetzen, aber schauspielerisch vollkommen verschenkten Figuren einen Funken Leben einzuhauen, dichtet ihnen psychologische Motivationen an und lässt sie in hochnotpeinlichen wie bemüht humorvollen Dialogen ihren Standpunkt unterstreichen. Selbstverständlich sind diese Sequenzen reines Gift für die ästhetische Reizüberflutung und bremsen das hypertrophe Geschehen immer wieder unbeholfen aus. Aber nun ja, dann ist dieses (ob seines quietschigen Wesens) kariesverursachende Machwerk eben nicht nur potthässlich, sondern auch unfassbar zähflüssig. [...]

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          • 5
            SoulReaver: FILMSTARTS.de 17.06.2017, 18:54 Geändert 17.06.2017, 23:00

            Eigentlich ist Kiss of Death nicht mehr als handwerklich passable Konfektionsware. Nichtssagend. Austauschbar. Technisch in Ordnung. Einer dieser Thriller, die ihre Wurzeln im Film Noir tragen (als Remake von Todeskuss natürlich wenig überraschend), aber nichts Weltbewegendes von der dichten Klasse dieser filmischen Strömung in die Gegenwart transferieren konnten. Barbet Schroeder hantiert hier mit abgegriffenen Motiven aus der halbseidenen Welt der Korruption und des organisierten Verbrechens; Es geht um Rache, um Verrat, um Familie und natürlich um die Vergangenheit, die niemals mit dir abgeschlossen hat. Trotzdem bereitet Kiss of Death partiell Laune. Warum? Nicht, weil er insgesamt hochkarätig besetzt ist (das ist er), sondern, weil er auf einer Position idealbesetzt ist: Nicolas Cage als koksröchelnde Gangsterbestie Junior. Was. Für. Eine. Performance. Da gibt es nur Wahnsinn. Ein Geisteskranker, muskelgestählt und testosteronübersteuert. Vor Energie berstend, schnaubend, keuchend, rasend. Kiss of Death ist jedenfalls (wieder) einer der (unzähligen) Beweise dafür, wie grenzgenial und einmalig Nicolas Cage ist – und wie unermesslich sein Wert für einen (bestenfalls) durchschnittlichen Film sein kann. Sackgeil.

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            • 7
              SoulReaver: FILMSTARTS.de 15.06.2017, 20:50 Geändert 15.06.2017, 20:51
              über 8 Mile

              [...] 8 Mile widmet sich nicht explizit einem Publikum, welches eine Affinität zur Rap-Musik pflegt oder Anhänger des prominenten Hauptdarstellers ist. Curtis Hanson hat vielmehr ein „musikalisches“ Sozialdrama in Szene gegossen, in dem der Wunsch nach Anerkennung und Absicherung zum Katalysator der Narration erhoben wird, drumherum aber der aufmerksame Blick des Regisseurs für ein wirklich einnehmendes Lokalkolorit sorgt. Und mit Sicherheit ist genau das die große Stärke, mit der sich 8 Mile auch über zehn Jahre nach seiner Uraufführung brüsten darf: Seine Authentizität. Die soziale Armut wirkt hier keinesfalls voyeuristischer Natur, sondern ist Teil einer veritablen Gegenwartsbestandaufnahme. Ohnehin vermeidet es 8 Mile darüber hinaus, Durchhalteparolen und eine blasierte Selbstbekräftigungsrhetorik zu bemühen und beschreibt den Werdegang eines Mannes, der für sein Leben lernt. Was er aber aus dieser Lektion macht, bleibt unbeantwortet. [...]

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              • 7 .5

                [...] Die überschaubare Charakterkonstellation (u.a. namhaft besetzt mit David Bowie und Takeshi Kitano) verweist bereits auf das konzentratorische Naturell von Merry Christmas, Mr. Lawrence. Nagisa Oshima ist, trotz der formschönen Visualität des Films, untermalt von einem meisterhaften Score von Ryuichi Sakamoto, nicht am vordergründigen Schauwert interessiert. Stattdessen dringt Nagisa Oshima in das innerseelische Befinden seiner Figuren vor und erzählt über unterdrückte Bedürfnisse ganz konkret von regressiven Männlichkeitsidealen innerhalb Militärstrukturen und traditionsverhangenen Kulturen. Das Feingefühl, mit dem Oshima sich dem Topoi um Stolz, Gerechtigkeit, Individualität, Sühne und sexueller Identität widmet, entlädt sich gerade im letzten Drittel in einigen unvergesslichen Sequenzen, die unweigerlich zum von wahrhaftigen Emotionen akzentuierten Ausdruck bringen, dass es Augenblicke im Leben gibt, in denen ein Sieg nur sehr schwer zu ertragen ist. [...]

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                • 6

                  [...] Mag Peter Thorwarth mit seiner größten Produktion, Goldene Zeiten, die spezifischen Stilismen und Manierismen seiner namhaften Vorbilder ein ums andere Mal auch etwas zu sklavisch schablonieren, findet hier erneut eine interessante Widersprüchlichkeit statt, die Thorwarths Unna-Trilogie seit jeher einen individuellen Charme verliehen hat: Es ist die motivische Verschmelzung aus amerikanischen Gangster-Mythen und der eigentümlichen Lokalverortung. Die Verstrebung dieser beiden Elemente gebiert eine stilistische Dichotomie in sich, die sicherlich auch auf all die erzählerischen Mängel hinweist, mit denen der durchaus zerfranste Goldene Zeiten über seine viel zu lange Laufzeit von 130 Minuten zu ringen hat. Und doch möchte man die Gegensätze, die Goldene Zeiten zum Kind aus zwei Welten erklären und nicht zuletzt als Spannungsfeld fungieren, eine nicht zu unterschätzende Soghaftigkeit attestieren. [...]

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                  • 5

                    [...] Auf ähnliche Weise sollte auch Schindlers Liste acht Jahre später scheitern: Steven Spielberg ist ein herausragender Regisseur, und doch fehlt ihm in seinen filmische Ausflügen in zeitgeschichtliche Kapitel immer wieder das Feingespür dahingehend, dem Gegenstand seiner Erzählung inszenatorisch gerecht zu werden. Die Farbe Lila hat mehr von seiner vorherigen Wirklichkeitsflucht, als von einem Kino, welches sich wirklich an einer historischen respektive politischen Motivation weidet. Dementsprechend überschaubar intensiviert fällt der Umgang mit der Tatsache aus, dass die Qualen der Schwarzen mit der Abschaffung der Sklaverei keinesfalls aus der Welt geschafft wurden (Stichwort: patriarchale Machtstrukturen). Dementsprechend halbgar dringt Steven Spielberg in den feministischen Gehalt der Vorlage ein und liefert stattdessen vor allem stereotype Charakterskizzen. Die Farbe Lila ist harmonieheischende Überwältigung im Großformat. Nicht zum Diskurs freigegeben. [...]

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                    • 7 .5
                      über Yella

                      Die Welt, in die uns Christian Petzold mit Yella entführt, ist eine bitterkalte. Alle Farben scheinen abgeblättert, alles Leben ausgesaugt. Beraubt von Gefühlen, von Nähe, scheint es hier nur noch um Substanzwertanalysen und Bilanzen zu gehen. Man hält sich in gläsernen Großraumbüros auf und blickt durch die Scheiben der Bahn und des Automobils auf eine Landschaft, mit der man keinesfalls einen Anflug an Verbundenheit assoziiert. Die Geschwindigkeit der Fahrzeuge hingegen verzerren das Äußere so sehr, dass deutlich wird: In Yella gibt es keine Heimat mehr. In Yella regiert die Rastlosigkeit. Die titelgebende Hauptfigur, großartig von Nina Hoss verkörpert, ist ein Charakter, der niemals ankommt; der immer reist, immer sucht, immer flieht. Die (vordergründige) ausgesprochene Kälte, für die Christian Petzold bekannt geworden ist, steht in Yella in engem Zusammenhang mit einer dem Irdischen vollends entkoppelten Morbidität. Yella ist wie seine Hauptfigur vor allem losgelöst – und Petzold ein herausragender Geschichtenerzähler, der nicht nur das Gezeigte reflektiert, während wir es noch erfahren. Er knüpft das Band zwischen Film und Zuschauer so eng, dass dieser Marsch zwischen den Dimensionen des Seins durchweg paralysiert. Neben dem rasiermesserscharf beobachteten Gesellschaftsportrait, funktioniert Yella als Charakter-Studie, in der sich alles um das Zerstören von Leben dreht, weil man selbst zu selten am eigenen Leben teilnimmt. Die Chance auf Frieden indes flammt immer wieder auf. Man scheint nur zu unterkühlt, um das Feuer zu erkennen. Gespenstisch.

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                      • 8

                        Herausragend gut, in jeder Hinsicht – vielleicht war Christian Petzold nie besser. Man möchte applaudieren und sich gleichzeitig die schmerzdurchdrungene Brust stützen. JERICHOW ist großes, deutsches Kino. Also genau die Art von Film, die die schlichten Gemüter rund um den Globus Deutschland nicht mehr zugestehen möchten. Petzold lässt den Menschen noch ihre Geheimnisse und beschreibt mit der Dreiecksbeziehung um Thomas, Laura und Ali keine klassische Personenkonstellation, die sich nach und nach in der Leidenschaft verrennt. Stattdessen verdunkelt auch hier wieder die Schuld den Horizont – von Erlösung möchte niemand mehr sprechen. Und wer glaubt, das inszenatorische Vokabular des ungemein scharfsinnigen Regisseurs wäre begrenzt, der unterschätzt nicht nur die hochgradige Strahlkraft der Reduktion, sondern offenbart auch seine eigene Unfähigkeit dahingehend, Bilder sprechen zu lassen. Mögen diese auch auf den ersten Blick noch so stillschweigend erscheinen, in Wahrheit stehen sie der kraftschäumenden Wucht eines entfesselten Orkans in nichts nach. Jerichow steht für urwüchsige Emotionen. Ein mitreißender, aufwühlender Siegeszug.

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                        • 7

                          Christian Petzold hat einmal gesagt, dass das Kino erst dort beginnen kann, wo die augenscheinliche Sicherheit des faradayschen Käfigs zerbricht. In Die innere Sicherheit steht das Konstrukt einer dreiköpfigen Familie im Mittelpunkt – Vater, Mutter, Kind. Ein Hort des Rückzugs und Einkehr. Doch die Betonpfeiler, die die Familienzelle (und damit auch den faradayschen Käfig) aufrecht erhalten, sind längst aus den Angeln gehoben, handelt er sich bei den Eltern doch um ehemalige RAF-Terroristen, die sich zusammen mit ihrer 15-jährigen Tochter eine Existenz im Untergrund errichten wollen. Vergebens. Christian Petzold erzählt das als eine Art Coming-of-Age-Geschichte unter widrigen Bedingungen: Zeit ihres Lebens befindet sich Jeanne nun auf der Flucht (ein zentrales Motiv im Schaffen Pezolds), nun aber hat sie die Phase erreicht, in der sie hinterfragt, rebelliert und mehr als ein „Du verstehst das nicht“ erzwingen möchte. In der sie die Liebe entdecken und das Leben erkunden möchte – und mit ihrer natürlichen Neugierde zum Risikofaktor für ihre Eltern wird. Beeindruckend ist dabei vor allem (mal wieder), wie feingliedrig Petzold die Psychologie des Dreiergespanns behandelt und sich einmal mehr als vorurteilsfreier, beispielhafter Geschichtenerzähler verdient macht.

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                          • 7 .5

                            Man merkt Wolfsburg durchgehend an, dass hier im Hintergrund ein Meister seines Fachs die Fäden in der Hand gehalten hat. Dieses aufwühlende Gleichnis über die allgegenwärtige Schuld und das illusionäre Wesen der Sühne, kulminiert nach und nach in der Erkenntnis, dass der Glaube an Vergebung zumeist von der Gewissheit zerrüttet wird, dass es zu oft unmöglich ist, Vergebung zu erfahren – respektive diese zuzulassen. Jedenfalls nicht in diesem Fall. Nicht unter diesen Bedingungen. Nicht, wenn man sich mit dem Tod eines Kindes belastet hat. Petzold inszeniert das gewohnt nüchtern, aber niemals schmucklos, fernab jedes plakativen Gedankens, in enthaltsamen Bildern und gleitet mit eindrücklicher Genauigkeit durch die ramponierten Gefühlswelten der Protagonisten, ohne jemals mehr zu erzählen, als es ein Gesicht auszudrücken vermag. Ein Brett.

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                            • 5 .5
                              SoulReaver: FILMSTARTS.de 08.06.2017, 12:05 Geändert 08.06.2017, 12:05

                              [...] Das Ergebnis ist zwiespältiger Natur. Erzählerisch erleidet Maniac Cop die eine oder andere Bruchladung, da sich der Film nie wirklich entscheiden kann, in welchen tonalen Regionen er sich nun final zu schaffen machen möchte: Steht die augenzwinkernde Hybridisierung von Cop- und Slasher-Film im Fokus oder verfolgt Maniac Cop tatsächlich ein politisches Anliegen, wenn er über die trügerische Autorität von Uniformen seinen Unmut gegenüber der vorherrschenden Staatsgewalt zum Ausdruck bringt? Seine wahre Kraft aber schöpft William Lustig aus der Einbindung von naturalistischem Lokalkolorit: Die Aufnahmen fungieren als regelrechte Stimmungsbarometer und ziehen den Zuschauer in einen urbanen Schlund, in dem die lähmende Furcht vor dem grassiert, was uns doch eigentlich Schutz und Sicherheit versprechen sollte. Maniac Cop mag nicht gelungen im eigentlichen Sinne sein, aber ist zweifelsohne launig. [...]

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                                [...] I wie Ikarus zählt noch zu der besonderen Art von Filmen, die, in ihren besten Momenten, eine kontemplative Bedächtigkeit an Tag legen, wie sie heutzutage scheinbar Mangelware geworden ist. Henri Verneuil beweist sich auf dem Regiestuhl über 120 mitreißende Minuten als meisterhafter Erzähler, weil er es vermeidet, seinen Polit-Thriller in reißerische Gefilde ausbrechen zu lassen. Stattdessen macht sich I wie Ikarus sowohl als eindringlich gespielte Charakter-Studie eines Obsessiven, wie auch als konzentrierte, hochintelligente Reflexion über die zweifelhafte Autoritätsstruktur (inter-)nationaler Geheimdienste verdient und geleitet den Zuschauer durch ein von siedender Spannung bestimmtes Verschwörungsszenario. Die Wahrheit ist, wie so häufig, nur eine Frage des Machtgefüges. Und die Aktualität, die diese Erkenntnis in sich trägt, muss in der heutigen Zeit wohl kaum noch deutlich gemacht werden. [...]

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                                • 4

                                  [...] Es ist tatsächlich äußerst bezeichnend, wie wenig Ertrag War Machine aus seinem unübersehbaren Potenzial herausholt. Dies wäre die Geschichte über einen Mann gewesen, der begreifen muss, dass man nicht ergraut, weil man große Entscheidungen fällen muss, sondern, weil die als groß erhofften Momente im Leben letztlich nicht großartig sind. Es wäre die Geschichte über das Bewusstsein der Enttäuschung über das eigene Dasein gewesen. Ebenso wäre die Demontage einer prominenten Persönlichkeit Basis genug, um eine ätzende Satire anzustimmen, die Afghanistan als das enttarnt, was es ist und immer war: Ein Spielball der Mächte. Doch dafür ist David Michods Inszenierung zu handzahm und sein Narrativ zu steif. Dass Brad Pitt sich an vorderster Front durch das zweistündige Geschehen chargieren darf, mag zu Anfang noch amüsieren. Recht schnell wird jedoch deutlich, dass diese Karikatur bis auf das Grimassieren nicht viel bereithält. [...]

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                                    [...] Es ist ein vorläufig beschwingender Einblick in das Leben von Menschen, die in der Hauptstadt Irlands nur auf einem Wege Fuß fassen können: Sie müssen sich zusammenraufen und ihrer Leidenschaft, der Musik, Tribut zollen. Vor allem scheint Die Commitments dann zu funktionieren, wenn er Witz und Tragik im selben Moment miteinander auszubalancieren scheint und sowohl die Schrulligkeit der Charaktere akzentuiert, im nächsten Schritt aber auch mit aller Deutlichkeit aufzeigt, dass die Guerillas des Souls früher oder später an ihren Egos zerschellen werden. Gewappnet mit dem wunderbaren Lokal- und Sozialkritik (das Drehen an Originalschauplätzen ist immer ein unschätzbarer Trumpf), mag Alan Parker hier kein Sperrfeuer der Originalität abzufeuern, die allgegenwärtige Authentizität allerdings macht es ihm möglich, zwischenmenschliche und künstlerische Differenzen durchweg glaubhaft zu dokumentieren. [...]

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                                      • 2 .5

                                        [...] Das Ergebnis lässt den geneigten Fan des Besucher-Franchise jedoch durchgehend erschaudern. Nicht nur wird überdeutlich, dass Jean Reno und Christian Clavier inzwischen doch ziemlich in die Jahre gekommen sind, was das hiesige Posse treiben meistens reichlich ungelenk erscheinen lässt. Auch Jean-Marie Poiré scheint auf dem Regiestuhl seine Leichtigkeit weitestgehend verloren zu haben. Seine Inszenierung müht sich dementsprechend unmotiviert durch das historische Setting, in dem sich vor allem arrogante Aristokraten beim enervierenden Quasseln verdient machen dürfen. Das nonchalante Jonglieren mit Anachronismen ist zudem gänzlich aus dem (in den Vorgängerteilen doch recht treffsicheren) Humorverständnis des Films entwichen. Stattdessen muss man sich wieder und wieder gefallen lassen, wie sich Die Besucher - Sturm auf die Bastille hilflos auf die mangelende Körperhygiene seiner Protagonisten einschießt. [...]

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                                        • 5

                                          [...] In Buchform war Amerikanisches Idyll eben nicht nur eine aufmerksame Reflexion über die illusionäre Fragilität des amerikanischen Traums, den Seymour "Der Schwede" Levov (Ewan McGregor, Fargo - Staffel 3) und seine Frau Dawn (Jennifer Connelly, Little Children) augenscheinlich leben, weil das Leben sie zu Gewinnern auserkoren hat. Philip Roths Vorlage war ein Protokoll über die Vergänglichkeit gesellschaftlicher Werte und offenbarte, dass die Schönheit als triviales Ideal immer noch der größte Abgrund ist. Ewan McGregor verkürzt diesen Diskurs nun bis aufs Letzte und reicht dem Zuschauer ein simplistisch anmutendes, von rückständigen Gedanken katalysiertes Gesellschaftssezieren, bei dem der Tiefgang primär eine vage Vermutung im luftleeren Raum bleibt. Dass McGregor handwerklich absolut solide agiert und schauspielerisch, wie gewohnt, vollkommen überzeugt, ändert am Ende nichts daran, dass Amerikanisches Idyll eine echte Enttäuschung bedeutet. [...]

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                                          • 2

                                            [...] Das neunte Leben des Louis Drax wirkt durchgehend so, als wüsste Alexandre Aja selbst am wenigsten, wie er mit dem Sujet umzugehen hat. Das Parallelisieren von Realität, in der sich der Neurologe Dr. Allan Pascal (Jamie Dornan, Fifty Shades of Grey) und Natalie (Sarah Gadon, Enemy) aufhalten, und die von Mystery-Vibes durchströmte Koma(-Gedanken-)Landschaft von Louis (Aiden Longworth, Cut Bank - Kleine Morde unter Nachbarn) forciert offenkundig genau eine Sache: Die filmerzählerische Inkompetenz des Regisseurs. Selten hat man in diesem Jahr einen Film gesehen, der den Zuschauer ob der philosophischen respektive innerfamiliären Bedeutungshuberei (die letztlich ausschließlich in sentimentalen Entgleisungen münden) von Beginn an dazu nötigt, sich voller Desinteresse abzuwenden. Wo sind nur die Zeiten hin, in denen Alexandre Aja noch als Silberstreif am (Genre-)Firmament glänzte? [...]

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                                            • 7

                                              Kein Mommy und kein Laurence Anyways erwartet uns mit Xavier Dolans neuster Regiearbeit. Der übersprudelnde Enthusiasmus des nicht einmal 30-jährigen Filmemachers schäumt in Einfach das Ende der Welt nicht in der charakteristischen Welle der Ungezwungenheit auf, die den Zuschauer entweder mitreißt oder schlichtweg unter sich begräbt. Einfach das Ende der Welt hingegen ist ein Film der Grenzen - und das Bewusstsein über die Grenzen unseres Daseins ist nicht unwesentlicher Bestandteil des Inhalts. Als klaustrophobisches Kammerspiel scheint die zwischenmenschliche Apokalypse eines familiären Zirkels allein räumlich bereits einen strikten Handlungsrahmen aufgezwungen zu bekommen. Durch den Umstand, dass Louis nach 12 Jahren zurück nach Hause gekommen ist, um seinen Angehörigen zu sagen, dass er für immer gehen muss, thematisiert Einfach das Ende der Welt auch eine irdische Schwelle. Der Moment der Offenbarung scheint indes der Ankerpunkt der Erzählung zu sein - und der Zuschauer wartet. Wartet, während er dabei durch ein emotionales Krisengebiet schreiten muss und einen Wust aus Anspannung, Erwartung, Hoffnung, Enttäuschung, Angst und Wust erfährt. Zuhause ist hier noch der Ort, wo sich der Schmerz besonders heimisch fühlt. Die Größe von Dolans feingeistiger Kunst zeigt sich dabei vor allem dann, wenn er (wie so häufig, darin ist er inzwischen ohnehin unschlagbar) das Alltägliche aus dem Alltag stanzt und diesem einen neuen Rahmen schenkt, der dem Leben eine einmalige Poesie verleiht. Wie, wenn die Hände einer Mutter den Rücken ihres Sohnes auf und ab fahren. Wie, wenn die Augen des Sohnes nur dann an den Vater gemahnen, wenn sie sich bis zum Rand mit Tränen füllen.

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                                              • 6

                                                [...] Sicherlich gelingt es Bordello of Blood nicht im Ansatz, seiner wohl größten Referenz, From Dusk Till Dawn, das Wasser zu reichen, was allein schon dem Umstand geschuldet ist, dass sich die filmische Geschichten aus der Gruft-Entkopplung durchweg unter dem Schleier einer reichlich schmucklosen TV-Optik bewähren muss. Nichtsdestotrotz weiß Gilbert Adler seine von wunderbaren Analogeffekten bereicherte Narration mit den nötigen humoristischen Impulsen aufzulockern, um niemals Gefahr zu laufen, unsinnigerweise doch ernst genommen zu werden: An vorderster Stelle steht der respektlose Spaß, der natürlich seine sexistischen Ausuferungen mit sich trägt, als Parodie auf den (mehr oder weniger) klassischen Vampir-Film aber zweifelsohne genügend Kurzweil für einen launigen Splatter-Abend generiert. Und außerdem: Dennis Miller (Love Vegas) als rolligen Privatdetektiv mit Weihwasserspritzpistolen in den Kampf ziehen zu sehen, lohnt sich immer. [...]

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                                                • 6 .5

                                                  [...] Die eigentliche Geschichte um den Wächter (William Sadler, Die Verurteilten) und den Collector (Billy Zane, Titanic) ist natürlich absolut hirnrissig in ihrem verqueren religiösen Anstrich, Ernest R. Dickerson aber versteht sich als regelrechter Genre-Aficionado und füllt seine mystische Drohkulisse nicht nur mit Verweisen an große Regisseure wie Sam Raimi (Tanz der Teufel) und John Carpenter (Fürsten der Dunkelheit), das herrlich schmierige Bedrohungsszenario macht vor allem durch die (schon damals unzeitgemäße) Ausreizung von analogen Effekten Laune. Obgleich Ritter der Dämonen in seiner Affinität zum klassischen Horror- und Gruselkino über seine gut 95-minütige Laufzeit durchaus Anklang findet, bleibt der kinematographische Geschichten aus der Gruft-Auswuchs letzten Endes nicht mehr als ein netter Spaß für teuflische Mitternachtsstunden. Aber das ist ja nicht selten schon absolut zufriedenstellend. [...]

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                                                    SoulReaver: FILMSTARTS.de 23.04.2017, 17:48 Geändert 23.04.2017, 20:01

                                                    Michael Mann schert sich nicht darum, diesen hochspannenden Film als vordergründigen Thriller zu erzählen, der sich spannungsheischenden Konventionen bedient und wie ein Selbstläufer auf die alles erlösende Klimax zusteuert. INSIDER hingegen ist eine sich mit stechender Beharrlichkeit ins Gewissen einhämmernde Analyse der finanziellen und emotionalen Erpressung, die Großkonzerne auf unbequeme Elemente auszulösen wissen. Jeffrey Wigand (Russell Crowe) kennt die Wahrheit, doch er weiß nicht, was er mit dieser anstellen soll. Sein Leben wird zerstört. Lowell Bergman (Al Pacino) hingegen weiß, dass die Wahrheit auch für den Gewinn stehen kann – doch die Frage, was man gewonnen hat, kann er bis zuletzt nicht zu beantworten. In erdrückender Tiefenschärfe versteht Michael Mann nicht nur visuell jeden Winkel seiner komplexen Bildkompositionen auszuleuchten und zu einem eisblauen Gemälde der Wahrhaftigkeit zu gestalten. INSIDER nimmt sich die Zeit, den Raum, den Mut, seine vielschichtigen Charaktere minutiös zu erforschen. Seine beiden Hauptdarsteller, die lange Zeit darum kämpfen, wem dieser Film denn nun eigentlich gehören darf, bis die menschliche Tragödie die Antwort liefert: Keine Sorge, die Einsamkeit soll euch beiden sicher sein.

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