SoulReaver - Kommentare
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Alle Kommentare von SoulReaver
[...] Nachdem sie von einem Etablissement erfährt, in dem Frauen sich fremden Männern hingeben können, findet Séverine im Doppelleben ein Ventil, um ihre sexuellen Gelüste zu befriedigen. Belle de jour – Schöne des Tages zeichnet diesen Schritt nicht als weiblichen Treuebruch, sondern als zutiefst menschliche Triebhandlung. Séverine gerät nicht auf Abwege, sondern findet den Weg zu sich selbst, obgleich sie sich, jenseits rückständiger Moralvorstellungen der Oberschicht, auch im Zusammensein mit ihren Freiern immerzu in klaren Rollen wiederentdeckt, nur stehen diese eben nicht unter dem Banner der gesellschaftlichen Anpassung, sondern führen Séverine zur sinnlichen Selbstaufgabe. Zur Überbrückung des eigenen Egos. Dass Belle de jour – Schöne des Tages es zudem vermeidet, seine Hauptdarstellerin psychologisieren zu müssen, veranschaulicht auch, dass Luis Bunuel zu den großen Frauenregisseuren des Weltkinos gehört: Er lässt der Dame ihre Geheimnisse, so wie er den Blumen ihren Duft lässt. Ein betörend kluger Film. [...]
[...] Unternehmen Capricorn handelt zuvorderst von dem Versuch der Systemstabilisierung durch die zweckdienlichen Mechanismen der Täuschung. Selbstverständlich geht dieses Vorhaben gewaltig in die Hose – letztlich auch, weil der investigative Journalismus über Gebühr verherrlicht wird. Zu Anfang noch entfaltet Peter Hyams ein dicht erzähltes Paranoiagewebe aus Manipulation, Verschwörung und den (etwaigen) Konsequenzen für alle Beteiligten (sowie den Staat selbst). Für den Erhalt nationaler Ideale wird hier über Leichen gegangen. Mit voranschreitender Laufzeit baut Unternehmen Capricorn jedoch immer stärker auf den beklemmenden Spannungsmoment, der die clevere Doppeldeutigkeit der ersten Hälfte zwar nicht mehr einholen kann, da funktionierte der Film auch als bissiger Zeitgeist-Kommentar. Peter Hyams aber bestätigt seinen Ruf als hervorragender Handwerker ebenfalls in dieser Phase kontinuierlich. Allein die Verfolgungsjagd innerhalb und oberhalb der gebirgigen Wüste ist schlichtweg herausragend. [...]
[...] Die schroffe Pre-titel sequence jedenfalls darf sich bereits als Fingerzeig dahingehend verstehen, in welche Richtung sich Den Geiern zum Fraß entwickeln wird. Da raubt eine Horde raffgieriger Banditen im Zuge eines regelrechten Angriffssturms eine Kutsche der Armee aus. Kugeln peitschen durch die Luft, Pferdehufen lärmen aus den Boxen, Geschrei und Terror. Den Geiern zum Fraß ist einer der Einträge in den Italo-Western, der sich mehr gewalt- denn gehaltvoll gestaltet. Die zwei verschwitzten Mannsbilder in den Hauptrollen reiten durch die (zuweilen durchaus erlesen fotografierten) Weiten der Bergwelt von San Sebastian und schießen, peitschen, sprengen was das Zeug hält. Wer sich mit dem Genre ein Stück weit auseinandergesetzt hat, wird schnell merken, dass Paolo Moffas Werk Konfektionsware ist, die testosterongeschwängerten Krach generieren soll. Fast versöhnlich allerdings enthüllt sich der Endgedanke: Da werden aus Feinden Freunde und Oppositionen aufgelöst. Menschen können sich ändern. Männer vor allem dann, wenn sie ordentlich töten dürfen. [...]
Es glich schon einem wahren Faszinosum, wie Michael Bay es in ÄRA DES UNTERGANGS vollbracht hat, seinem infantilen Größenwahn ein in den Digitalbrei geschlagenes Denkmal zu setzen. Da veräußerte sich der Autounfall-Effekt in Reinkultur. Mit THE LAST KNIGHT allerdings hat sich die, bis auf den ersten Teil, qualitativ schon immer weitreichend schauderhaft präsentierende TRANSFORMERS-Reihe ein neues Level der Zuschauerverachtung erreicht. Sicherlich war es zuvor schon überaus euphemistisch, die Schauwerte des Franchise als Argument dafür heranzuziehen, doch den ein oder anderen Blick zu riskieren. Aber immerhin steckten in genau diesen Schauwerten auch ein Übermaß an fetischistischen Manierismen, die jene gnadenlos auf die Persönlichkeit Michael Bays zurückwarfen. THE LAST KNIGHT ist immer noch die überschäumende Reizüberflutung, die zu erwarten war, doch fehlt dem nunmehr fünften Teil jedwede Ekstase des Kontrollverlusts. THE LAST KNIGHT ist nicht mehr der Affront gegen Organisation und Struktur, THE LAST KNIGHT ist eine Ungeheuerlichkeit, die in ihrer in jedem Frame eingeschriebenen Übersättigung nur noch Teilnahmslosigkeit heraufbeschwört. Ein kinematographisches Vakuum. Michael Bay selbst scheint die Lust daran verloren zu haben, seine Profilneurosen unter Staunen und Starren, Prahlen und Protzen auszustellen. So gibt es nur noch knackige Professorinnen, durchtrainierte Weltretter, kampfeslustige Robter, jenseits von allem Nabelschaulichen. Eben ein Film, der gemacht werden musste und kein Film, der gemacht werden wollte. Michael Bay hatte in seiner TRANSFORMERS-Serie zwar noch nie etwas zu sagen, aber zu zeigen. Ob gewollt oder unfreiwillig. Nun allerdings bleibt einzig Gammelfleisch, Totholz, Altmetall und der Untergang eines der zerstörungswütigsten Kleinkinder Hollywoods.
Mensch, da muss man für die Existenz des gnadenlos doofen THE WOLF OF WALL STREET doch noch dankbar sein, denn ohne dessen Erfolg wäre es Martin Scorsese niemals möglich gewesen, sein langjähriges Herzensprojekt endlich zu verwirklichen. Und zwar in genau dieser Form zu verwirklichen. SILENCE hat nichts mit herkömmlicher Unterhaltungsware gemein, im Gegenzug muss man sich hier durch über 160 kräfteraubende Minuten beißen, in der keine einzige davon der Intention unterliegt, es dem Zuschauer leicht zu machen. Martin Scorsese spannt ein unheimlich suggestives Netz aus Glaubens- und Gewissensfragen, kulturellen Machtproben und hochmütigen Charakterverrenkungen. Besonders beeindruckend: Obwohl SILENCE größtenteils aus der Sicht des von Andrew Garfield grandios gespielten Priesters erzählt wird, sieht sich das Drehbuch niemals dazu genötigt, diesen als Identifikationsfigur zu stilisieren. Nicht einmal sympathisch muss er sein, was spätestens dann deutlich wird, wenn der junge Jesuit seinen christlichen Glauben in Japan mit den Mitteln des Kolonialismus verbreiten möchte. Obgleich sich SILENCE hin und wieder zu einigen Offensichtlichkeiten hinreißen lässt (Symbolbilder, Voice Over) bleibt dieser Film ein besonders ambivalenter, in dem Glauben derartig viele Konnotationen aufweist, dass es schlicht überwältigt: Glaube als Selbsterhaltungstrieb, Glaube als Flucht, Glaube als Gefahr, Glaube als Projektionsfläche individueller Krafthuberei, Glaube als Nahrung für Seele und Geist, Glaube als Refugium, Glaube als Selbstgeißelung, Glaube als Bürde, Glaube als Sackgasse und Ausweg, als Geheimnis und Todesurteil. Und mit welcher inszenatorischen Dichte Scorsese hier mal wieder zur Tat geschritten ist. Unfassbar. Der Film ist gezeichnet von einer sagenhaften Sogwirkung. Bildgewaltige, aber gleichzeitig enthaltsame Fotografien unterstützen eine Meditation über die allgegenwärtigen Irritationen im eigenen Glaubensbekenntnis. Was ist das für ein Gott, der unseren Gebeten Gehör schenkt, aber unsere Schreie ignoriert?
Eine befremdliche Parforcejagd. Tetsuya Nakashima fordert den Zuschauer über eine viel zu lange Laufzeit von 120 Minuten permanent heraus. Das ist kein Film, das ist ein rasendes, gnadenlos getriebenes, grenzgängerisches Schnittgewitter. Ein Vater begibt sich hier auf die Suche nach seiner Tochter, so die Ausgangslage. Was konventionell anmuten, wird in den Händen von Nakashima zur hochgradig anstrengenden Einsicht in den Kopf eines Psychotikers (und da offenbart THE WORLD OF KANAKO einige Interpretationsmöglichkeiten), der das Verschwinden seiner Tochter aufklären möchte, in Wahrheit aber doch nur seinen eigenen Dämonen hinterherhetzt. Und diese Dämonen sind in diesem Fall: Das eigene Fleisch und Blut. THE WORLD OF KANAKO ist ein verstörend-elliptisches Konglomerat aus Selbsthass, Entfremdung, Zynismus und gesellschaftlichem Querschnitt. Irgendwo verbirgt sich hier auch ein verspieltes Coming-of-Age-Motiv, obgleich alles in diesem zuweilen etwas zu forciert auf Provokation spekulierenden Film unter dem allmächtigen Schatten der physischen wie psychischen Gewalt begraben wird. Gewalt ist in dieser Welt nämlich das einzige Instrument der Vermittlung und Kommunikation. Wie deprimierend die Erkenntnis sein kann, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, zeigt THE WORLD OF KANAKO auf.
[...] Anstatt sich nämlich an genretypischen Allgemeinplätzen entlangzuarbeiten und Plattitüden noch und nöcher heraufzubeschwören, dokumentiert respektive durchdringt der Film vielmehr in Form einer ungemein bedachtsamen Verhaltensstudie die psychologische Beschaffenheit seiner Akteure. Zweifelsohne, It Comes at Night beherrscht es immer wieder, eine dem Horror-Kino entlehnte Beklemmung aufzufächern, wenn sich in der Nacht die Hinweise verdichten, dass ein Fremder das Haus betreten hat. Es geht allerdings um mehr. It Comes at Night offenbart äußerst anschaulich, dass er Mensch eine Sache besonders gut beherrscht: Sich und seinesgleichen zu zerstören. Die Existenz in stetiger Gefahr fordert ein ausgeprägtes Maß an Misstrauen ein, gar keine Frage. Nachdem die dreiköpfige Familie um Oberhaupt Will (Christopher Abbott, A Most Violent Year) von Paul (Joel Edgerton, The Gift) jedoch akzeptiert wurde, manifestiert sich im weiteren Verlauf in erster Linie, dass sich die vordergründig gesunde Gemeinschaft nur bis zu dem Punkt als intakt erweist, an dem beide Parteien in der Lage sind, Vorteile aus ihrem Miteinander zu ziehen. Und gerade diese siedenden Spannungen, die quasi nur darauf warten, sich endlich zu entfalten, hält Trey Edward Shults stetig mit der entsprechenden, subkutanen Subtilität aufrecht. Bis endgültig verdeutlicht wird: Der Alltag am Ende der Zeit, er bleibt eine fragile Simulation, eine betrübte Illusion, ein tiefer Stich ins Herz. [...]
[...] Das Seelenleben Krishas, ein Trümmerfeld, von dem im Prinzip primär ein Gesuch nach Absolution ausgeht, ist ohnehin der entscheidende Katalysator, der die gut 80-minütige Laufzeit antreibt. Allerdings prallen hier zwei (absolut nachvollziehbare) Fronten aufeinander, die nicht bereit sind, Illusionen zu bekräftigen – und genauso wenig, sie aufzugeben. Der gemeinsame Nenner, um miteinander zu interagieren, zu kommunizieren, ist vor Jahren bereits verloren gegangen. Stattdessen gedeihen in der, vordergründigen, Gemeinschaft Schuldzuweisungen, Unruhe und Ablehnung. Zu Beginn möchte man noch dem Glauben erliegen, dass Krisha der Intention folgt, dass Wunden zuweilen aufgebrochen werden müssen, um wirklich heilen zu können. Trey Edward Shults allerdings zeigt hier vielmehr auf, dass es Situationen und Vorkommnisse im Leben gibt, in denen man sich nicht in der Verfassung sieht, seiner Mutter, seiner Schwester, seiner Tochter oder seinem Kind zu verzeihen. Und hier sieht sich im Angesicht von bitteren Wahrheiten auf äußerst eindringliche Weise ein Ideal zerschlagen, welches in der klassischen Tradition des amerikanischen Kino selbstverständlich als Heiligtum verehrt wird: Die heile Familie. Gerade im Kontext des Thanksgiving-Fests. Es bleiben Einsamkeit, Ablehnung und Selbstzerstörung bestehen. Der verlustreichste Kampf ist immer noch der, den man gegen sich selbst führt. [...]
[...] Der mehrwertige Reizpunkt im Narrativ von Der elektrische Reiter ist die Auseinandersetzung mit einem Amerika, welches sich im glänzenden Flackerlicht von Schein, Trugbildern und Chimären verloren hat, anstatt sich ein Bewusstsein gegenüber den eigenen Wurzeln zu bewahren. Sonny und das Pferd Raising Star, die beide etwas Urwüchsiges ausstrahlen, wurden von der Werbeindustrie vermarktet und lernen auf ihrer Flucht alsbald, dass Heimat immer noch ein Gefühl ist, welches sich nicht lokal beschränken lässt. Kommt jedoch Jane Fonda (Das Schwiegermonster) als hartnäckige Reporterin ins Spiel, baut Der elektrische Reiter merklich ab, weil sich die Geschichte selbstredend zur Romanze entwickeln muss – und dabei reichlich abgestandene Geschlechterrollen produziert. Der Mann packt die Dinge noch beim Schopfe (und Redford sieht dabei, wie gewohnt, unverschämt gut aus), während die Frau ihm dabei mit glänzenden Augen schmachtend zuschaut. Die Prämisse, die klaffenden Ermächtigungsphantasie des Menschen gegenüber der Natur zu dekonstruieren, bringt Pollack dennoch durchweg zum Ausdruck. [...]
Fetzen für Fetzen, Splitter für Splitter, Fragment für Fragment. John Swab und Corey Asraf scheren sich nicht darum, ihre Geschichte chronologisch zu behandeln. Stattdessen ist LET ME MAKE YOU A MARTYR ein Film, der eher auf eine sensorischen respektive sensitiven Ebene erfahren werden möchte, anstatt herkömmliche Erzählprinzipien zu forcieren. Und gerade dadurch offenbaren sich nicht nur in der Theorie neue narrative Möglichkeiten, LET ME MAKE YOU A MARTYR nutzt diese Möglichkeiten auch und erschafft einen bedrückenden Einblick in ein vollends zerrüttetes Americana, in dem die Liebe augenscheinlich nur mit dem Tod beweisen werden kann. In grobkörniger, zuweilen fast schon in sich gekehrter Bildsprache treiben wir durch ein emotional verkrüppeltes Elend, in dem Drogen, Gewalt und Hass dominieren. Der Wolf des Zorns hat die Seelen aller involvierten Figuren vergiftet und hinterlässt sie als zertrümmerte Kriegsschauplätze. Dem dieser Welt eingeschriebenen Nihilismus aber begegnen die beiden Regisseure immer wieder mit einer fast schon zartbesaiteten Einkehr, wenn sie ihre Idee von Nächstenliebe nach und nach freilegen. Da entstehen Momente, die für etwas Größeres bestimmt zu sein scheinen. Vielleicht für einen größeren Film, in jedem Fall aber für ein größeres Publikum.
[...] Ein Fall für die Borger folgt einer typischen Moralvorstellung des Kinder- respektive Familienfilms. Natürlich müssen sich die 'phantastischen Wesen' mit einem Kind (in diesem Fall gespielt von Bradley Pierce, Jumanji) zusammenschließen, da die Erwachsenen hier entweder an den Seitenrand gedrängt werden (so wie die Eltern von Pete) oder in der Form einer gigantischen Antagonistenkarikatur auftreten (John Goodman, The Big Lebowski). Allerdings funktioniert diese transparente Gut-und-Böse-Dialektik in Ein Fall für die Borger durchaus, da John Goodman ein Vollblutschauspieler ist, der, wie gewohnt, in der Rolle des durchtriebenen Anwalts Ocious P. Potter ganz und gar aufgeht. Der Kampf zweier Familien um den Erhalt ihrer Existenz bleibt letztlich eine harmlose, aber durchaus kreative Hetzjagd, der das gewisse Etwas zwar fehlt, die aber mit dem Gefangensein im Inneren einer Milchflasche eine neue klaustrophobische Horrorvorstellung geschaffen hat. [...]
[...] Luchino Visconti erzählt Tod in Venedig als die Geschichte eines Mannes, der sich fortwährend in die Kunst geflüchtet hat und dabei vollkommen vergaß, Teil der Realität zu werden. Ihm gelang es nie, Denken und Fühlen in einen Einklang zu bringen, was ihn zum Gefangenen der Standglases verdammt, welches Visconti noch als deutlichstes Symbol der Vergänglichkeit innerhalb seiner meisterhaften Inszenierung nutzt: Zu Anfang nämlich scheint es so, als würde der Sand niemals verrinnen, doch fällt das letzte Korn, verflog die Zeit derart schnell, dass einem in Wahrheit nie die Zeit geblieben ist, sein Dasein zu überdenken – eben, weil man sie sich nie genommen hat. In der für Luchino Visconti charakteristischen Kontemplation entfaltet sich Tod in Venedig in vor Kunstfertigkeit pulsierenden Bild- und Tonkompositionen als Meditation über die Wirklichkeit und den Menschen, der es sich unmöglich gemacht hat, an dieser teilzunehmen. [...]
[...] Sicherlich ist das auch das größte Problem, mit dem Volt zu ringen hat: Seine Eindimensionalität. Die Thematik, die hier oberflächlich als dystopisches Planspiel gelegentlich durchaus suggestiv auf den Zuschauer einwirkt, wenn Tarek Ehlail seine Geschichte in umgreifende Düsternis, aufscheuchendes Neonlicht und ein wummerndes Technogewitter hüllt, bleibt inhaltlich weitestgehend unbehandelt. Es scheint beinahe so, als würde es Volt reichen, in seinem, oftmals palaktiven, Stilwillen Michael Mann (Miami Vice) und Nicolas Winding Refn (Drive) den Hof zu machen, anstatt das innere Zerwürfnis des Hauptdarstellers in einen klaren Kontext mit der politischen Situation zu bringen, deren Wurzeln nun mal in unserer Gegenwart wuchern. Tarek Ehlail verlässt sich auf grelle, formalistische Schauwerte, vergisst aber das Potenzial tagesaktueller Gewissensfragen auszuschöpfen. Er spricht von Schuld und einer von Empathie freigeräumten Gesellschaft, verpflichtet sich aber fast ausschließlich einem vor Klischees triefenden Ästhetizismus. [...]
[...] Nach einer in knalligem Farbfilter gehaltenen Exposition, in der nicht nur das mythische Buch von Eibon Erwähnung findet (und Über dem Jenseits seinen okkulten Grundstock zuspricht), sondern auch eine äußerst garstige Kreuzigung visualisiert wird, ist es Lucio Fulci nur noch an einer Sache gelegen: Er möchte den Zuschauer geradewegs auf das Meer der Finsternis hinaustreiben lassen. Wenn man so möchte, könnte man Über dem Jenseits als einzige, gut 90 Minuten andauernde Alptraum-Landschaft definieren. Permanent wartet der Italiener hier mit gnadenlos umgreifenden Schreckensvisionen auf, die so erschreckend effektiv sind, weil sie sich fortwährend in einem opaken Rahmen entfesseln. Distanziert und losgelöst von jedem Anspruch, klare Erzählmuster zu bestätigen und dadurch Vernunft und Logik zu hofiert, kehrt Lucio Fulci die unerträgliche Komponente an die Oberfläche, die die Angst erst derartig fürchterlich gestaltet: Die Irrationalität. [...]
[...] Fresh lokalisiert sich in seinem Gebaren jenseits aggressiver Rap-Tracks auf der Tonspur und muss seine Figuren nicht im überstrapazierten Ghetto-Slang kommunizieren lassen. Man könnte schon beinahe sagen, dass Fresh etwas Lyrisches, Poetisches mit sich trägt, ohne die Romantik freizulegen, die jenen Charakteristika von Natur aus angedeihen. Im Vordergrund nämlich steht ein kraftvoll dokumentierter Sozialrealismus, der den Zuschauer berührt und gleichermaßen verstört; Der akzentuiert, dass es ein sich selbst regulierendes System im urbanen Kosmos gibt, in dem jedes hehre gesellschaftspolitische Anliegen weitestgehend gescheitert ist. Das System lässt sich von außen nicht verändern, von innen jedoch besteht die Möglichkeit, die vorherrschenden Verhältnisse zu durchbrechen. Und Fresh plant den Ausbruch, möchte jenen Zuständen entfliehen, weil er zu intelligent ist, sich dem Leben auf (und von) der Straße widerstandslos auszuhändigen. [...]
[...] Tragischerweise schneidert Pulizerpreisträger Michael Cristofer den aphrodisierenden Reizpunkten des Sujets kein angemessenes filmisches Korsett. Im Prinzip hätte Original Sin sogar das Zeug dazu gehabt, dieses ganz spezifischen Patricia-Highsmith-Flair freizulegen, wenn Cristofer in seiner Inszenierung nicht ständig auf Nummer sicher gehen würde. Über die gesamten zwei Stunden verlässt sich der Film allein auf die äußerlichen Attribute von Angelina Jolie, was vorerst noch funktionieren mag, nach spätestens einer halben Stunde aber aufzeigt, wie furchtbar durchschaubar und in seinem kriminalistischen Spannungsanliegen phlegmatisch Original Sin in Wahrheit ist. Es ist freilich nicht von der Hand zu weisen, dass Jolie und Banderas durchaus harmonieren, ihre Chemie unterliegen jedoch einer erzählerischen Simplifizierung wie Schematisierung: Der Diskurs über die dunklen Triebe, die im Kern der Liebe gären, versandet in zwanghaft konstruierten Offensichtlichkeit. [...]
[...] Und genau dieser Umstand lässt sich wohl schon als bezeichnend festmachen: Die vorerst gelungene Dschungelatmosphäre ebbt in Windeseile ab, was nicht nur der Ausdruckslosigkeit des übrigen Ensembles geschuldet ist (darunter weitere namhafte Schauspieler wie Ice Cube, Owen Wilson und Eric Stoltz), sondern vielmehr dem inszenatorischen Unvermögen seitens Luis Llosa. Die Spannungssequenzen verlaufen sich zusehends in formelhaften Pseudo-Schockmomente, während sich die schlängelnde Killermaschine aus furchtbaren CGI-Effekten und akzeptabler Animatronic zusammensetzt und ihren forciert alptraumhaften Charakter so natürlich unmöglich vollends entfalten kann. Was bleibt, ist 45 Millionen Dollar schwerer Trash, der im weitreichend ausgelutschten Genre nicht nur keine Duftnote setzen kann, selbst als primitives B-Movie möchte Anaconda keine Kurzweil generieren. Dafür ist er zu durchsichtig, zu altbacken, zu inkompetent, zu verklemmt. Sechs Nominierungen für die Goldene Himbeere sind als Statement wohl nicht zu hoch gegriffen gewesen. [...]
[...] Vielleicht ist es auch schon das größte Kompliment, welches man Naked machen muss: Er nötigt den Zuschauer nicht schon wieder, die geschmacklosen Pennälerhumorkanonaden mit stechenden Kopfschmerzen auszusitzen. Stattdessen stehen Marlon Wayans und Michael Tiddes in der neusten Netflix-Publikation für familiengerechte Schleuderware ein, die dem (eigentlich kreativ unerschöpflichen) Zeitschleifen-Konzept in erster Linie hilflos entgegenblickt. Denn als ungezwungene Chaoskomödie fehlt Naked, ganz einfach, der unangepasste Witz, ganz zu schweigen von seinem Anspruch, in seinem Appell an die Selbstlosigkeit wirklich romantisch zu sein – dafür sind die Charaktere nicht liebenswert genug, die Inszenierung zu uninspiriert, das Drehbuch zu handzahm und einfältig. Die ratsame Alternative heißt also: Zurück in die 1990er Jahren, zurück zu Harold Ramis und Bill Murray. Zurück zu Und täglich grüßt das Murmeltier. [...]
[...] The New Big Boss präsentiert sich dabei als recht konfus arrangierte Krieger-Saga, die stetig zwischen Rückblenden, Post-Zweiter-Weltkrieg-Befindlichkeiten, amourösen Spannungsfeldern und der Identitätssuche des Protagonisten umherspringt und keine klare, dramaturgische Linie findet, was einen Großteil der Emotionen einbüßt, auf die das Drehbuch eigentlich spekuliert hat. Prunkstück des Films bleiben natürlich die Kampfsequenzen. Wenn die Kamera und der Schnitt es mal nicht schaffen, die Choreographien in gnadenloser Hektik zu fragmentieren, beweist The New Big Boss seine Klasse. Der sich hier voll im athletischen Saft präsentierende Donnie Yen baut in seiner mal soliden, mal unübersichtlichen Inszenierung auf abwechslungsreiche Set Pieces, lässt es sowohl in abstrusen Massenschlägereien ordentlich krachen, um im nächsten Augenblick das testosteronübersteuerte Mano-a-Mano-Duell zu forcieren. Für Genre-Fans ist The New Big Boss sicher einen Blick wert. [...]
[...] In den Hauptrollen besetzt mit Til Schweiger (Honig im Kopf), Matthias Schweighöfer (Der Nanny), Jan Josef Liefers (Mann tut was Mann kann) und Michael Herbig (Bullyparade – Der Film), versucht es Vier gegen die Bank natürlich über seine namhaften Gesichter reichlich Umsatz zu generieren. Und selbstverständlich ist dieses Vorhaben nicht verwerflich. Viel schlimmer ist, dass sich alle Beteiligten hier als ungemein satt und behäbig präsentieren. Anstatt sich mit Spielfreude ins launige Heist-Konzept zu stürzen, beschränken sich Drehbuch, Regie und Darsteller einzig und allein darauf, Klischees zu reproduzieren und die von vornherein absehbare Typologie der Schauspieler respektive Persönlichkeiten lauwarm und ohne jeden ironischen Bruch aufzuwärmen. Dass der Raubzug selbst höchstens als dröger Ocean's Eleven-Epigone von sich reden machen kann, passt in das Gesamtbildes dieses Filmes, der nicht kann, weil er nicht will. [...]
[...] Was hat uns bloß so ruiniert macht keinen Hehl daraus, dass Kinder nicht nur ein Segen sein können, sondern auch Gift für die Liebe und die Freundschaft. Beziehungen werden alsbald auf eine herbe Belastungsprobe gestellt, Veränderungen bahnen sich an und schälen bittere Wahrheiten über das eigene Naturell sowie das seiner (ehemals) Liebsten an die Oberfläche. Marie Kreutzer aber erzählt Was hat uns bloß so ruiniert nicht als Feel-Bad-Sozialrealismus, sondern behält sich immer wieder den typisch-österreichischen Humor vor, der nicht selten mit Wonne noch einmal gallige Spitzen in die Wunde seiner Protagonisten pikst und bohrt. Obgleich sich das Drehbuch ein ums andere Mal etwas zu geschwätzig gibt, so funktioniert Was hat uns bloß so ruiniert als zutreffendes Generationen- und Geschlechterportrait, in dem die Hauptakteure lernen müssen, dass ein Kind die Welt um einen herum zwangsläufig neu sortiert. Und das nicht immer positiv. [...]
[...] Man muss Achteinhalb also als mehrdeutige Psychografie verstehen, bei der Selbstportrait und Selbsttherapie von Belang sind, bei der aber auch die Kritik an der Filmbranche sowie den involvierten Menschen (vom produzierenden bis zum goutierenden Klienten) eine nicht untergeordnete Rolle spielen. Letztlich nämlich sind es äußeren Einwirkungen gewesen, die Federico Fellini in die Verzweiflung zwangen: Die Erwartungshaltungen der Welt nämlich haben ihn in eine Sackgasse aus Versagensangst und Leistungslähmung getrieben. Dass sich Achteinhalb aber niemals in der Düsternis verliert, die seiner Thematik eingeschrieben ist, verweist auf die Genialität des Regisseurs und Drehbuchautors. Achteinhalb ist ein intellektueller Gedankenstrom, der in seiner traumwandlerischen Schönheit gleichwohl vergnüglich und tiefgreifend bleibt. Und am Ende? Am Ende bittet Fellini dafür um Verzeihung, der Illusion klarer Vorstellungen erlegen zu sein, anstatt das Leben als das zu feiern, was es ist: Ein einziges überschäumendes Fest der Sinne. [...]
Die versunkene Stadt Z erzählt die (wahre) Geschichte eines Mannes, der hinaus in den Dschungel zog, um nie wieder heimzukehren. Es ist James Grays bisher größte Produktion – und womöglich auch seine beste. Anstatt sich damit zu begnügen, nostalgische Befindlichkeiten zu beschwören und den Zuschauer mit Percy Fawetts Entdeckerdrang zu infizieren, offenbart sich Grays Ägide als eine ungemein kritische und stellt somit, bisweilen, eine Antithese zum klassischen Abenteuerkino dar. Obgleich es sich Die versunkene Stadt Z nicht nehmen lässt, eine gewisse Leidenschaft an der exotischen Erforschung Amazoniens zu stimulieren, versteht sich der Film blendend darin, Distanz zu Fawetts romantisierten Expeditionen einzuhalten. Seine Aufbruch, eine vor-zivilisatorische, mit Gold verzierte und von Tempeln gesäumte Stadt aufspüren, wird gleichwohl zur Reise ins schwarze Herz der Obsessionen eines Menschen, der sich zusehends in wahnhaften Männlichkeitsbestrebungen verliert und vergisst, wo auf der Welt sein wahrer Platz ist. Ganz zum Leidwesen seiner Familie. James Gray entfacht dabei eine für ihn ganz und gar charakteristische Sogwirkung, die den Zuschauer immer tiefer in den Bildschirm zieht, immer tiefer in die grüne Wüste und die ungestillten Geltungsbedürfnisse.
In Personal Shopper manifestiert sich erneut die große Meisterschaft des Olivier Assayas: Das Transzendieren. Man hat ein, vordergründig, abgestandenes Plotgerüst, gestreckt mit plakativen Verweisen an das Genre-Kino, bricht aus diesem begrenzten Rahmen aber dermaßen geschickt aus, in dem das Diffuse, das Indifferente, das Unbestimmte in den Vordergrund gestellt und die Frage offeriert wird, wie sehr wir inzwischen von Oberflächlichkeiten abhängig sind. Oberflächlichkeiten, wie einen greifbaren Handlungsverlauf. Oberflächlichkeiten, wie der Touchscreen, der hier vor allem auf das zwanghafte Verhalten der Hauptdarstellerin verweist, die Zwischenmenschlichkeit auf Distanz hält, durch die Kommunikation im digitalen Raum aber zu sozialem Handeln gezwungen wird und sich nicht mehr in der Kleidung anderer verbergen kann, sondern nach und nach zu sich selbst findet. Von der wandernden zur fixen Seele. Und ohne Zweifel trägt Personal Shopper das Gefühl einer gewissen Unordnung mit sich, aber genau das ist eine erzählerisches Methode, um der von Göttin Kristen Stewart gespielten Maureen dabei zu helfen, Ordnung in ihr Leben zu bringen. Ordnung inmitten von Trauer, Selbstverlust und Reisen in höhere, außerweltliche Bewusstseinsebenen.
Wenn sich ein neuer Film von Ang Lee ankündigt, ist das Gänsehauterlebnis vorprogrammiert. Auch Die irre Heldentour des Billy Lynn folgt dieser Tradition ohne Wenn und Aber. Lee beweist sich hier erneut als hochintelligenter, zutiefst sensibler und wahrhaft virtuoser Filmschaffender, der es versteht, Form und Inhalt in ein sich stetig gegenseitig dynamisierendes Verhältnis zu setzen. Im Kern geht es indes um die mediale Wechselwirkung von Heldentum und dessen inhärenten Mythentum. Es geht darum, wie wenig sich Amerika um seine Soldaten schert, solange man sie als leere Gefäße instrumentalisieren kann, die dann nach und nach mit verklärt-patriotischen Idealen gefüllt werden: Kollektive Traumata als pyrotechnische Medienveranstaltung. Am Ende bleibt die Ohnmacht. Der Gedanke, einfach zu fliehen. Aus dem Land, aus der Haut, aus dem Camouflage. Die Tränen ob der Dinge, die man hätte erreichen können, wäre diese verfluchte Uniform nicht.