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Zu Besuch in Wanker County. Eine zentrale Dualität im Werk von John Ford ist die Spannung aus Disziplin und Gefühl/Chaos … wobei Letzteres meist den Vorzug erhält. Was passiert, wenn die Disziplin jedoch nicht vorhanden ist, diesen Spaß, der sich wie ein Geschwür anfühlt, zeigt TOBACCO ROAD. Von einer stolzen Südstaatenfamilie wird hier erzählt, die ihre besten Tage schon lange hinter sich hat und hier in kürzester Zeit ihre Schulden bezahlen muss, damit sie ihr Land nicht verliert. In verfallenen Landsitzen und heruntergekommenen Hüten wohnen sie, wo die Moderne nur wie ein fernes Märchen erscheint. Von den Blüten harter Arbeit träumen sie, wenn sie tagelang auf der Veranda liegen und nichts tun. Mit Betrug versuchen sie die zufälligen Ereignisse in ihre Richtung zu drehen … weil die letzte Tochter, die ihnen geblieben ist, nicht für eine Mitgift in eine Ehe verkauft werden kann, da diese mit Anfang 20 schon viel zu alt für die notgeilen Männer ist, die sich mit einem so alten Besen nicht sehen lassen wollen. Wie verzogene Kinder verhalten sie sich und werden teilweise mit einer Impulsivität gezeichnet, die nahe an einer geistigen Behinderung scheinen mag. Symbolisch wird hier ein Auto, das mit einem Erbe gekauft wird, innerhalb von zwei Tagen mittels kompletter Ignoranz vom brandneuen Luxus zur schrottigen Klapperkiste heruntergewirtschaftet. Aber der Stolz von Tobacco Road zu stammen und damit schon etwas zu sein, wird nie vergehen, wie keine Moral oder Lehre diesen Leuten habhaft wird. In einer überdrehten Komödie, die wie gesagt eher schmerzt, rechnet hier Ford mit dem Süden bzw Tendenzen des Südens ab, als ob Al Bundy über die Familie seiner Frau spricht. Oder wie ein Bekannter von mir es nannte: John Ford's TEXAS CHAINSAW MASSACRE.
Im Grunde möchte ich ja alle Filme auf der großen Leinwand sehen. Leider lebe ich in der Provinz, wo das Kinoangebot eher beschränkt ist. Mein Filmkonsum stammt deshalb eigentlich eher selten von Film, sondern kommt meist von diesen netten Ersätzen fürs Heim. Ok, seit DCP ist Heimkino ja nicht mehr so anders, aber trotzdem spüre ich, bei aller Liebe zum Heimkino, dass ich bei jeder DVD, bei jeder blu-ray, bei jedem stream, bei jeder Datei, dass es nur ist, wie wenn ich ein kleines Heft mit Pollockgemälden anschaue, statt direkt vor dem riesigen Original zu sein. <3 35mm <3
Durch mein Alter (In the Mood for Love habe ich zum Kinostart in einem solchen gesehen), durch Wiederveröffentlichungen (2001 habe ich 2001 im Kino gesehen, als diese unsäglich Pause für die abermalige Auswertung eingebaut wurde), durch Sonderveranstaltungen (2001 habe ich später nochmal ohne Pause sehen dürfen <3), durch Retros in einem vormals tollem Kino (im jenenser Schillerhof war zum Beispiel einst Jim Jarmuschs und Tarkowskijs Gesamtwerk zu sehen), durch Festivals (wie das wunderbare IL CINEMA RITROVATO, wo ich beispielsweise DIE REISE ZUM MOND mit Orchester und mit Daft Punk-Score auf einer riesigen Leinwand sehen durfte, oder das 70mm Festival, TERZA VISIONE und die außerordentlichen Filmkongresse des Hofbauer Kommandos, also Orte, wo ich einige meines Lieblingsfilme erst entdeckte), durch all dies habe ich tatsächlich eine kleine Auswahl an Filmen im Kino sehen dürfen. Bei Filmen wie beispielsweise TOD IN VENEDIG, AM BLAUSTEN ALLER MEERE, LUDWIG II, LAC AUX DAMES, GOYA ODER DER ARGE WEG DER ERKENNTNIS, DEAD MAN oder APOCALYPSE NOW waren das unfassbare Erfahrungen. Aber eigentlich habe ich fast nichts so gesehen, wie ich gerne hätte sehen wollen. Nämlich in gloriosem 35mm/70mm auf einer riesigen Leinwand. Aber wie an der Filmauswahl vll zu sehen ist, bin ich manchmal etwas komisch. :D
Die Liste wäre also ellenlang und, naja, nicht sehr exklusiv. :) Aber um hier einen Film zu verewigen, nehme ich den, der mir als erster in den Sinn kam ... und das ist wenig überraschend Imamura Shoheis PROFOUND DESIRES OF THE GODS. Die blu-ray sah zu Hause auf meiner bescheidenen Leinwand aus, als ob es ein Film sein könnte, in dem ich mich verliere könnte. Die Farben, der Strand, das Licht ... hach, wär das schön.
Mit einem wehenden Star-Spangeld Banner wird hier in eine vorhersehbare Niederlage, in ein Massaker geritten. Ein selbstgerechter, von seiner Überlegenheit überzeugter Offizier, der nur darauf bedacht ist, sich einen Namen zu machen, führt hier seine Soldaten in den Tod. Gegen Apachen zieht er, die aufbegehren, weil sie schlechten Whiskey statt Essen in ihr Reservat geliefert bekommen. Dass sie nur tun, was jeder andere anständige Mensch auch tun würde, wie Captain Yorke (John Wayne) sagt, dass weiß auch Lieutenant Colonel Thursday (Henry Fonda). Doch der Ranghöhere sieht in ihnen nur Wilde, die den Befehlen der Repräsentanten der USA zu gehorchen haben. Wie seine Soldaten seinen Befehlen ohne Einspruch folgen müssen. Die Niederlage, in die offenen Auges geritten wird, ist so eine doppelte. Die militärische sowie die humane, welche die wehende Fahne der USA im Angesicht der zeitgeschichtlichen Geschehnisse, die kommen werden, nur noch bitterer erscheinen lässt. Ford besetzte seine Apachen mit Navajo statt kaukasische Hollywoodschauspieler anmalen zu lassen. Und er ließ sie mit demselben Lohn bezahlen, wie die anderen Schauspieler und Statisten auch. Es sind Gesten, welche den zynischen und brutalen Umgang mit den amerikanischen Ureinwohnern, den FORT APACHE gallig auf den Punkt bringt, etwas ausgleichen wollen. Aber nicht umsonst herrscht hier oft der nicht wirklich passende Ton einer Säuferkomödie. Das Maß an historischer Schuld und Unverarbeiteten, es wiegt schwer, und ist mit solchen Gesten nur schwer beglichen. Der torkelnde Frohsinn zwischen all dem unaufhaltsamen Zusteuern auf ein brutales Ende verstärkt das Traurige der Handlung umso mehr.
Es sind zwar ein paar surreale Verschiebungen vorhanden, aber SHE WORE A YELLOW RIBBON kann mehr als weniger als direkte Fortsetzung von FORT APACHE gelesen werden. Aus dem Massaker, welches den Vorgänger beendete, wird hier das, was es verdeckt schon immer war, nämlich die Niederlage Custers am Little Big Horn. Statt Apachen sind es nun Cheyenne und Arapaho, deren Aufbegehren die inneren Konflikte von außen befeuern. Und Waynes Captain Yorke heißt jetzt Brittles und steht kurz vor der Pensionierung. Das Ende seines Dienstes ist nah. Nur die Stimmung hat sich gänzlich geändert. Steuert FORT APACHE unaufhaltsam auf die Katastrophe zu – und betrinkt sich im Angesicht dessen ordentlich – da ist sie hier schon da. Eine kleine Liebesdreiecksgeschichte läuft in SHE WORE A YELLOW RIBBON mit. Eine Frau muss zwischen zwei Offizieren entscheiden. So wie die Besiedlung Nordamerikas sich nach 1876 entscheidet. Während die 1860er und 70er eine Ballung von Indianerkriegen bringen, als letzte Rebellion gegen die sich immer mehr ausbreitenden USA, da nutzt eben diese die nativen Einwohner als äußeren Feind, um das Land nach dem Bürgerkrieg zu einen. Das Massaker von Wounded Knee ist noch relativ weit entfernt, aber das Ende, die Entscheidung ist nah. Ein Aufschieben bzw Wegschieben der Indianer in immer kleinere und unwirtlichere Reservate war an seine Grenzen gelangt. Auf seine Weise wird all dies in SHE WORE A YELLOW RIBBON reflektiert. Captain Brittles muss raus aus seinem Fort und soll die Cheyenne nach ihrem Sieg kontrollieren sowie die Frauen des Forts in Sicherheit bringen. Er muss nicht nur durch die monumental schöne Wüste von Monument Valley, sondern auch durch ein Land voll Tod und Gefahren. War FORT APACHE von einem kontrastreichem Schwarzweiß bestimmt, da herrschen hier die grellen Farben. Vor allem wenn Brittles im Abendrot am Grab von Frau und Kind sitzt. Das Ende ist nah. Es bleibt nur der Blick wehmütige zurück … und eine gut gemeinte, aber auch nur wieder aufschiebende Tat, bevor der sinnlose Krieg vollends ausbrechen und nur Tod und Verderben bringen wird, beschließt den Film. Mit seinem Ende und Fords typischem gelassenen Ton träumt SHE WORE A YELLOW RIBBON von einem anderen Schluss der unaufhaltsam sich vollziehenden Dinge. Es werden die Gläser gehoben, gefüllt mit Sentimentalität und Alkohol, weil die Realität zu sehr weh tut.
Der Konflikt zwischen den Streitkräften der USA und den (hier sind es wieder) Apachen hat in RIO GRANDE die nächste Stufe erreicht. Die Geste von SHE WORE A YELLOW RIBBON ist verpufft. Von diesem Film ist es nur noch ein Katzensprung bis zu THE SEARCHERS. Auf beiden Seiten herrscht Hass. Die einen entführen Kinder und trinken sich besinnungslos, die anderen sind so darauf fokussiert illegale Strafexpeditionen nach Mexiko unternehmen zu müssen, um die Störenfriede endlich zur Strecke zu bringen, dass sie gar nicht mitbekommen, wie sie ihre verwundbarsten Stellen bloßlegen. Diese sehr herb dargestellte Zwietracht strahlt aber wieder auf die unverarbeiteten Probleme innerhalb der Truppe. RIO GRANDE hat immer wieder diese Einstellungen, wo Profile und Körper miteinander in Konfrontation gebracht werden, die sie im Raum an sich nicht haben. Es ist ein Film der Konflikte. Trooper Tyree (Ben Johnson) wird beispielsweise vom Sheriff gesucht, weil er einen Yankee erschoss, der seiner Schwester zu nahe kam. Diese hat selbstredend einen Texaner zu heiraten. Zudem scheinen fast alle familiären, freundschaftlichen und beruflichen Beziehungen auf Sheridans systematischer Zerstörung des Shenandoahtals zurückzuführen. All diese Anspielungen auf den Sezessionskrieg werden zwar mit rücksichtsvoller Heiterkeit angegangen, aber obsessiv kommen sie immer wieder. Es ist so einschneidend, dass Lt. Col. Kirby Yorke (John Wayne – nach der Beförderung und nach einigen Jahren seit FORT APACHE ist er um einiges verbitterter, nicht nur in Bezug auf die Apachen) aus dem Stehgreif weiß, wie viele Jahre, Monate und Tage seit Shenandoah vergangen sind.
Aber die größten Wunden bzw Uneinigkeiten klaffen in den Leuten selbst. Der minderjährige Sohn Yorkes (Claude Jarman Jr.) ist aus West Point herausgeflogen und hat sich deshalb als einfacher Soldat freiwillig gemeldet. Er landet nun im Nirgendwo der Indianerkriege bei seinem Vater. Lt. Col. Yorke zeigt ihm und seinen anderen Untergebenen, dass er ihn genauso hart, wie alle anderen behandeln wird. Wenn nicht sogar härter. Wie zum Beweis, dass er es keinen Vorzug gibt, zeigt er seinem Sohn, den er erstmals seit Shenandoah wiedersieht, die kalte Schulter und lässt nur den Offizier mit ihm reden. Sobald sein Spross aber den Raum verlässt, scheint Yorke Freudentänze nur schwer unterdrücken zu können. Wenn der Sohn in Konflikte gerät, zuckt Yorke, weil er ihm zu Hilfe eilen möchte. Der Vater und der Soldat, die Gefühle und die Disziplin liegen in ihm im konstanten Clinch. So sehr, dass er nach der Ankunft seines Sohnes etwas Zaghaftes in seinen Augen bekommt. Seine Frisur wird unmerklich wuscheliger, zerfahrener. Kurz Wayne wird zum heruntergekommenen Abbild seiner selbst. So unsicher, wie ich ihn bisher noch nie gesehen habe. Um ihn etwas zu schonen führt RIO GRANDE seine (Ex-?)Frau (Maureen O’Hara) ein, die seine weibliche Seite auf sich nehmen darf … was den Konflikt aber nur noch auflädt und verkompliziert.
Männliche Ehre, Vertrauen, gewaltsame Eskalation, Liebe und Vergeben, alles womit die Konflikte zu lösen versucht werden, all diese Versuche bleiben seltsam schal. Denn alles Geschehen bleibt widersprüchlich, findet keinen Abschluss und aus all den riesigen Massen an Unausgesprochenem erhebt sich immer noch mehr Unwägbarkeit. Irgendetwas in einem Fordfilm liegt anscheinend immer quer, so scheint mir. So schwer es manchmal ist einen Frieden mit ihnen zu machen, so reichhaltig und brüchig sind sie. Als ob die Leute in ihnen nicht nur durch dieses majestätische, heruntergekommene Monument Valley reiten, sondern in ihm zu erkennen sind. Eine kaum messbare Weite herrscht in ihnen und dort stehen riesige Monumente, deren Sicherheit erodiert und zerbröselt – mit jeder Menge liegengebliebenem Schutt an den Seiten.
Lange hatte ich während der Laufzeit von THE LONG GRAY LINE etwas Bauchschmerzen damit, dass der Sadismus und die brutale Selbstverleugnung beim Militarismus in der Darstellung eines langjährigen Ausbilders der Eliteschmiede von West Point völlig ausgeklammert werden. Aber tatsächlich spielen Soldaten und Militär eine völlig marginale Nebenrolle. Zu Beginn gibt es viel Gerede von Disziplin, womit die Leute an Ort und Stelle veredelt werden sollen, um es mal überspitzt auszudrücken. Es gibt mehrere Szenen von Soldaten, die auf einem Platz oder in der Kantine antreten und wie zu einem Körper geworden sind, die in völliger Kontrolle aufgehen … und die dann jedes Mal in (glückliches) Chaos auseinanderfallen, sobald die Disziplin von ihnen nicht mehr verlangt wird. Sie stürmen in ihre Freizeit, in ihr Leben außerhalb ihres künstlich aufgelegten Panzers. Und so marschieren die Soldaten ab und zu in Gleichschritt durch THE LONG GRAY LINE sobald jemand einen Anker braucht, sobald jemand verloren in einem neuen Leben ankommt, wenn Verluste und Abschiede verarbeitet werden müssen oder wenn jemand vor Glück fast platzt. Die symbolische Disziplin läuft in den Film, sobald jemand ansonsten zerfließen würde. Aber ansonsten herrscht reges Durcheinander. Lange sitzen wir vor einer Komödie, wenn Marty Maher (Tyrone Power) sich vom Kellner in West Point zur geliebten Institution als Ausbilder entwickelt. Hoch arbeitet kann nicht gesagt werden, weil er einerseits mehr an seinen Platz gestoßen wird und sich als irischer Schlemihl eigentlich dagegen wehrt, andererseits, weil es kein oben gibt. Kaum kommentiert nehmen die Streifen an seinem Ärmel zwar zu, aber er bleibt immer der gleiche hitzköpfige Tunichtgut, der sich wie sein Umfeld kaum ändert. Es gibt gerade einmal zwei Szenen, in denen er überhaupt als Ausbilder auftritt. Jede endet mit der Pointe, dass er keine Ahnung hat, wovon er spricht. Weshalb er einmal von seinen Schülern, denen er Schwimmen beibringen soll, aus dem Wasser gerettet werden muss, da er nicht schwimmen kann. Später wird es dann immer herzlicher und sentimentaler. Begleiter, Frauen, Kinder sterben und es gibt eigentlich nur den einen Weg, weiter, durchhalten und sich nicht unterbekommen lassen. Und der Modus ist fast immer der gleiche. Die Bilder und die Handlung sind voller Kuddelmuddel. Denn nicht die Disziplin macht das Leben lebenswert, sondern die Gefühle, das Chaos und der ganze Quatsch, der einem den Schmerz von den Schultern nimmt. Mit seiner Hauptfigur wird THE LONG GRAY LINE so eins. Sie sind freundliche Quatschköpfe, die einem schnell ans Herz wachsen.
Auf den ersten Blick geht es wohl um einen Draufgänger, der erst im Tod erwachsen wird. Der als Geist wieder auf Erden wandelt und seine Erfahrung an einen anderen Piloten – als für diesen unsichtbare Inspiration – weiterreichen muss. Und auch wenn dies große Teil der Zeit in Anspruch nimmt, bleibt diese Erzählung schal. Denn vielmehr geht es um die zurückbleibende Geliebte. Ein ums andere Mal wird sie von dem unsichtbar Wandelnden an seinen Verlust erinnert. Während ALWAYS also einmal spielerisch, witzig und dem Aufschneidertum eine große Bühne bietend von einem Kind erzählt, dass wenig überzeugend ein Erwachsener wird, da erzählt es auch von einer Person, einer lebensfrohen, starken, die von ihrem vergangenen Glück verfolgt und von ihrem Schmerz fast zerrissen wird.
Vll war es nur Zufall, vll ist es ein zentraler, von mir bisher nicht wahrgenommener Teil von Spielbergs Œuvre. ALWAYS und AI bilden jedenfalls ein schönes Double Feature zum Thema Loslassen und darüber hinaus über Loslassen per Selbstmord. Da wo in ALWAYS Dorinda (Holly Hunter) in ein Flammenmeer gen sicheren Tod fliegt und schließlich nach einem Absturz zu ertrinken droht, nur um die Erinnerungen an ihren gestorbenen Verliebten zu exorzieren, da springt hier David (Haley Joel Osment) von einem Hochhaus im überfluteten Manhattan, um endlich den Schmerz des Verlustes seiner Mutter zu überwinden. Der Erfolg von David ist aber ein sehr bitterer, seltsamer.
In drei Teile fällt A.I. auseinander, wobei die ersten beiden von diversen Schrecken bestimmt sind. Zuerst ist da das Familiendrama, in dem eine Mutter erst einen gruseligen, seelenlosen Androiden als Ersatz für den leiblichen Sohn im Koma erhält. Dieser künstliche Junge entwickelt mit der gegenseitigen Liebe zwischen Mutter und Sohn zwar eine Seele, aber damit entwickelt sich auch der Schmerz. Es ist wie in der Geschichte von Adam und Eva. Erst scheint er glücklich, was auch immer das bei einem künstlichen Wesen heißt, der nur seinem programmierten Protokoll folgt. Die Angst, die er bereitet, nimmt er jedenfalls nicht wahr und grinst. Sobald die Liebe aber da ist, ist es als hätte er vom Apfel des Baums der Erkenntnis von Gut und Böse gekostet. Auf einen kurzen Schritt wird bei beiden Szenarien die Entstehung eines Selbstbewusstseins verkürzt. Preis ist dafür jeweils die Vertreibung aus dem Paradies. An Stelle einer simplen, hingenommenen Welt, die vielleicht manchmal Unannehmlichkeiten bietet, die aber schnell vergessen sind, setzt sich eine, in der wir ahnen, was Schreckliches passieren kann, in der wir sehnen, aber nicht bekommen, uswusf. Bei David sind es Vater, Bruder oder andere Kinder, die sein kleines Paradies mit der Mutter zunehmend mit Angst und Leid befüllen.
Irgendwann muss David aber sein Heim und seine Geborgenheit verlassen. Vertrieben wurde er durch die Angst der Leute vor seinem künstlichen Sein. Pinocchio muss David nun in sich sehen, um mit der Möglichkeit der Menschwerdung noch eine Chance auf eine Rückkehr zu haben. Und so wandelt sich A.I. von einem verträumten, sachten Horrormelodrama zu einem wilden, zirkusartigen Märchen, in dem die Welt von Monstern, Lynchmobs, Enttäuschungen und der Suche nach einer Fee beherrscht ist. David möchte gerne Mensch sein. Was er nicht versteht, was die Leute um ihn – aus Angst vor dem Anderen – nur teilweise erkennen (wollen), er ist es schon längst geworden. Und wir sehen einen Menschen mit der unzerstörbaren Hoffnung, seine Mutter wiedersehen zu können … und wie dessen naives, kleines Herz ein ums andere Mal gebrochen wird. Es ist vll eine kindliche Hoffnung, dass wieder alles Gut werden kann, paradiesisch, aber es ist auch eine sehr verständliche. Was es beim Zuschauen umso schmerzlicher machen kann. Dass dies ein Film von Stanley Kubrick hätte werden können, es ist kaum vorzustellbar, da Spielberg keine hermetischen Häuser voller Didaktik baut, sondern diese Gefühle mit all den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten Ausdruck verleiht. Das Ergebnis ist brutal. Ich fühlte mich, als würde ich mein inneres Kind zu Grabe tragen müssen. Weil Menschsein hier leiden heißt. Scheinbar oder anscheinend, ich bin mir nicht sicher.
Aber da ist ja noch der dritte Teil. Diese ewig lange Coda. Vll ist sie der Traum eines Gestorbenen, vll die Möglichkeit des Erwachsenseins. David betet, unsterblich wie er ist, für mehrere Jahrhunderte für die Rückkehr seiner Mutter und landet bei Gleichgesinnten. Bei Androiden, die wie Außerirdische aussehen. Ihre Liebe zu den Menschen, welche inzwischen ausgestorben sind, macht sie aber auch zu Kindern, die von ihren Eltern verlassen wurden. In einem unsagbar wohligen Kissen endet A.I. mit diesen. Dem Realismus des ersten Teils und dem makabren Surrealismus des zweiten wird ein sanftes Traumhaus entgegengesetzt. Eine Entschädigung vll, vll aber auch nur die Perspektive, dass Erwachsenwerden möglich ist.
Ein bisschen ist es wie bei den PEANUTS-Cartoons. Lehrer und tatsächliche Autoritätspersonen kommen nicht vor oder agieren eher aus dem Off. Und wenn Eltern auftauchen, dann unterscheiden sich die Konflikte mit und das Verhältnis zu ihnen kaum von denen unter den Gleichaltrigen. Der Nimbus von Respektspersonen geht ihnen völlig ab, da sie genauso in ihrem/diesem Leben gestrandet sind und genauso wie die Jugendlichen versuchen zurechtzukommen. Höchstens die Großelterngeneration kann noch, weil sie ihr Leben scheinbar schon hinter sich haben, einem etwas Lehrreiches oder Anschauliches mit auf den Weg geben. Aber solche Momente sind rar gesät. Um ehrlich zu sein gibt es nur eine davon. PASSE TON BAC D’ABORD zeigt nun also in scheinbar freier Form diverse Szenen aus dem letzten Schuljahr einer Clique. Und obwohl nur der Vorspann, die erste und die vorletzte Szene an einer Schule spielen, steckt in PASSE TON BAC D’ABORD eine High-School-Komödie. Am deutlichsten wird es in den wiederkehrenden Szenen, wo ein verheirateter, älterer Herr versucht ein ums andere Mal eine der jungen Frauen ins Bett zu bekommen. Oder wenn ein Vater des nachts mit seinem Wagen in die Garageneinfahrt biegt und seine Scheinwerfer auf seine Tochter fallen, die neben der Garage einen Quickie mit einem Bekannten vollzieht. Mit einem lakonischen: Das wird dir nicht helfen dein Bac (also ihr Abi) zu bestehen, wird er dies wenig später im Wohnzimmer kommentieren. Mehr hat er dazu nicht zu sagen. PASSE TON BAC D’ABBORD hat viele solcher skurrilen, peinlichen oder auch schmerzhaften Dinge zu bieten, die einen noch Jahre nach der Jugend beschäftigen werden. Narben des Herzens. Der anfängliche PEANUTS-Vergleich geht dahingehend nicht auf, dass nie so pointiert vorgegangen wird. Und das ist dann auch der größte Unterschied zu Filmen wie beispielsweise FAST TIMES AT RICHMOND HIGH. Denn die Figuren stecken eher in einer Zeit fest, die zäh wie Kaugummi ist. Für jede (vll für die Beteiligten auch nur im Rückblick) amüsante Episode gibt es unausgesprochene Konflikte, Schmerzen und eine sehr offensichtlich nur überspielte Verlorenheit in den doch eher als trist porträtierten Möglichkeiten, die einem das Leben bietet. Statt Pointen also ein Film, der seine Figuren am Rande zum Erwachsenwerden wie in Treibsand steckt. Abitur, Ehe, Jobs, nach Paris gehen: alles erscheint wie eine Sackgasse, weil wir eben doch uns mitnehmen und von Figuren wie uns umgeben sind. Wir und die anderen, Leute, die nicht wirklich wissen, was sie mit sich anfangen sollen … außer Sex haben … und so tun, als ob wir eine Ahnung hätten.
War Pialats NOUS NE VIEILLIRONS PAS ENSEMBLE von vielen Wiederholungen bestimmt, die sich zäh zu Veränderungen walzten, dann ist PASSE TON BAC D’ABORD nur eine solche Schleife. Eine unsaubere Klammer rahmt den Film. Sprich der Monolog eines Philosophielehrers, der den Film eröffnet, wird in der vorletzten Szene fast wortwörtlich wiederholt. Die Rückkehr zur Schule wird als trüber Versuch gezeigt, den Reset-Knopf zu drücken. Aber gleichzeitig ist zu viel seitdem passiert und doch hat sich gar nichts verändert. Das Scheitern, egal auf welche Weise ist da schon vorprogrammiert. Die damit einhergehende Weltsicht ist geradezu antik. Unser Leben hier ist nichts, dass wir haben, um es zu gestalten, das wir nützen können/müssen, um glücklich zu sein oder um andere zu beeindrucken. Immer wieder gibt es Einstellungen größter Tristesse, mit hoffnungslos aus der Mode gekommenen Klamotten und zartem Flaum. Statt zu polieren, ist die Lebenswelt von PASSE TON BAC D’ABORD niederschmetternd und aussichtslos … aber in seiner rauen, trüben Geschminktheit auf spaßige und hoffnungsvolle Weise.
Im Mittelpunkt von UN FLIC steht ein Heist mit dessen Vorgeschichte, Vorbereitung, Durchführung und dessen Nachbeben. Eröffnet wird dies durch einen Banküberfall. Regen macht die unwirtliche Gegend, die Atlantikküste im Winter, dabei noch ungemütlicher. Die Farben bewegen sich zwischen Blau, Blaugrau und Grau. (Rote Lippen oder gesättigte Farben in luxuriösen Schlafwagen werden im Verlauf des Films irritieren.) Das Meer brandet während der klinisch kontrollierten Durchführung lautstark in den matschigen Hauch des sonstigen Tons und bricht immer wieder als Bild einer gewaltvoll brechenden Gischt zwischen die Einstellungen von Geduld und Anspannung. Die Atmosphäre dieses Beginns setzt den Ton. Die Gewalt des Schicksals (das Meer) sowie die Lakonie, der Pessimismus und die Selbstdisziplin als letzte Möglichkeit des Lebens in einer kalten, bitterkalten Welt (der Überfall), Melville eröffnet seinen letzten Film, als ob er seine Gangster seit DER TEUFEL MIT DER WEISSEN WESTE in aller Sinnlichkeit auf den Punkt bringen möchte. Doch UN FLIC heißt nun mal UN FLIC, was eben ein Polyp heißt und nicht DER CHEF. Dicht an den Überfällen dran ist also Commissaire Edouard Coleman (Alain Delon). Befreundet ist dieser obsessive Jäger mit dem Anführer des kriminellen Quartetts (Robert Crenna), wie er eine Affäre mit dessen Freundin (Catherine Deneuve) hat. Der Schnitt zwischen zwei symmetrischen Einstellung setzen ihn mit einer toten Prostituierten in ein enges, aber unklares Verhältnis. Sympathie, Mitleid, Verachtung oder Seelenverwandtschaft könnten in diesem Verknüpfen zweier Gesichter stecken. Seine Handfläche, deren Zücken eruptiv aus dem steten Fluss des Fatalismus heraussticht, wie stets nur kleine Momente hier vieldeutig und intensiv aus diesem herausragen, hat die Macht noch die Härtesten zu brechen. Wie er verraten wird und zum Verrat zwingt, daran wird eine einfache Geschichte gebrochen. Darin liegen die noch deutlichsten Gefühle … was nicht viel heißt. Seine Kühle, zwischen Ehrerbietung und perversen Zynismus schwankend, ist ein Parasit an der professionellen Kälte der Gangster und zieht die ansonsten ganz stilvolle Existenz der Gauner in den Schmutz. In ihm steckt das Leben, in all seiner Ambivalenz, seinem Unbehagen und seiner Mitleidlosigkeit, dass in den disziplinierten Handlungen, die den Gangstern etwas wie Selbstschutz bieten und die UN FLIC kurz vor einen Herzstillstand bringen, negiert werden soll. Menschliche Wärme wird mit diesen Implikationen von Leben zu einer verschütteten Utopie und einem noch kostbareren Gut.
Im Wegbrechen des Alltags und im Zurückgeworfensein auf sich selbst tritt die Dysfunktionalität eines Paares im Arbeitsurlaub (er sucht nach Locations) hervor. Das ist der emotionale Mittelpunkt des Films, dem er sich in repetitiven Abläufen annähert. Die aus einer angespannten Oberfläche von Urlaubsrelaxierung erwachsenden Ausbrüche von Vorwürfen, Gewalt und Hass enden dabei wiederkehrend in einem mal mehr, mal weniger brutalen Versöhnungssex. Immer heftiger und trostloser werden die Momente zwischen diesem. Die Zweisamkeit in der wüsten Leere des Universums ist in TWENTYNINE PALMS eine ins Unerträgliche anwachsende Belastung, die irgendwann auch im gemeinsamen Sex keine Linderung mehr findet. In diesem Moment treten Hinterwäldler auf den Plan, welche die inneren Wunden und die aufgestaute Wut wie einen sinnlosen, heftigen Blitz auf das Paar niederfahren lässt und letztendlich die Dysfunktionalität und der Logik des Films den Anlass für die letzte Niederkunft brutaler Gewalt bietet … und so einem Film, der die Anspannung des Paares in langen, wenig ästhetisierten Einstellungen zelebriert und dann alles auch noch in der Wüste stattfinden lässt, der so das Wenige, was er bietet (Dysfunktionalität), doppelt und dreifach unterstreicht, und der so seine Wut eben doch ästhetisiert und damit ihrer Kraft beraubt, die Krone ermüdender Eindeutigkeit aufsetzt.
Im Automobil steckt die Kraft. Zumindest für Pialats Vertreter auf der Leinwand Jean (Jean Yanne). Wie so oft angemerkt vollzieht sich das Trennungsballet zwischen Jean und Catherine (Marlène Jobert) in einem Auto. Oder um genauer zu sein in Jeans Auto. Er ist es, der Catherine darin (aus heiterem Himmel) anschnauzt, der auf ihr Aussteigen wartet, um es abschließen zu können und der stets am Steuer sitzt. Repetitiv kommen die Trennungsausbrüche, die Wut und die Angst über die zarten Momente, die Momente des Reüssierens, des Imaginierens einer (ruhigen) Zukunft), die nie im Alltag stattfinden, sondern immer unterwegs. Zu Besuch bei den (Groß-)Eltern, bei einem Ausflug, bei der Arbeit in Südfrankreich. Immer wieder die Pointe, dass sich Jean und Catherine an den Kopf werfen, dass sie sich nie wieder sehen wollen und einen Schnitt später sich doch wieder lächelnd in die Arme fallen. Und trotz alledem bewegt sich WE WONT GROW OLD TOGETHER fort. Widerwillig setzt sich die Trennung durch, vielleicht gegen die Liebe, die trotz psychischen und physischen Missbrauchs bestehen bleibt. Als Catherine bei ihrer Oma zu Besuch ist, ihre Ruhe von Jean möchte und das erste Anzeichen der sich endgültig durchsetzenden Trennung bietet, ist er es, der hilflos in seinem Auto sitzt und nicht weiß wohin. Wenig später wird er von Catherine in seinem Auto angeschrien. Sobald Catherine ihre Unabhängigkeit erlangt hat, sobald die Beziehung nur noch ein träges, nichtabzuschüttelndes Gefühl in ihren Treffen ist, dann ist das Auto völlig verschwunden. Lediglich die Bergspitzen einer Trennung sind in WE WONT GROW OLD TOGETHER zu sehen. Momente in Bewegung, die entweder in emotionale Ausbrüche ausarten, die rationelles Denken hinter sich gelassen haben, oder es sind Momente ohne Gegenwart, die von der Vergangenheit zehren oder auf eine Zukunft hoffen. Mittendrin ein Auto, die Illusion am Steuer zu sitzen und die Folgen.
Langgezogene Verfolgungsjagden mit akrobatischen Stunts und optische Gags voller Kinetik; THE CONTRACT ist über weite Strecken den Witzen eines Stummfilms verpflichtet. Vom Cartoonhaften eines one reelers bis zu uhrlosen Reminiszenzen an Harold Lloyds SAFETY LAST reicht das Repertoire. Dazu noch jede Menge Nonsens um Tanz, Zauberei und das Fernsehen, die THE CONTRACT wie eine sehr langgezogene Folge von NONSTOP NONSENSE oder der BENNY HILL SHOW erscheinen lassen. Doch alles ist dabei viel trockener … wie in Michael Huis zurückhaltendem Lachen, das sich zu jedem Moment vorsieht, ob es sich nicht schon wieder vor der Garstigkeit der Leute oder einfach dem nächsten Unglück in Deckung bringen muss. So ausgelassen hier mit dem Tod von Menschen und Gewalt an Tieren zu humoristischen Zwecken gespielt wird, so sehr laufen die mannigfaltigen kleinen Set pieces und ausgiebigen Einzelteile stets ins Leere und verbinden sich nicht zu einer Materialschlacht oder einen Plot, sondern stehen schüchtern und inkohärent nebeneinander. THE CONTRACT, ein Film von Rausch und Scham.
(Wer an Spoiler glaubt, der sollte das mglweise nicht lesen)
Dass von Hitchcock präferierte Ende wäre einer Erlösung gleichgekommen. Johnnie Aysgarth (Cary Grant) hätte darin seiner Frau Lina (Joan Fontaine) ein Glas vergifteter Milch gereicht und diese hätte es getrunken, obwohl oder gerade weil sie um den Inhalt wusste. Es wäre ein todessehnsüchtiges Ende gewesen. Ein Sprung in die beruhigenden Arme des Schnitters. Es wäre der dritte Ausbruch von Leidenschaft gewesen, wie sie schon vorher an den Knackpunkten der Story urplötzlich einfielen. Die Leidenschaft auf dem Hügel, als Johnnie Lina packt, ein bisschen Vergewaltigung im durch die kargen Baumkronen stürmenden Wind sich versteckt und er danach seine Intentionen, wie später immer wieder, mit Romantik und albernen Späßen überspielt. Es ist der Moment als Lina ihm verfällt. Oder die Leidenschaft beim Scrabble, als Lina vor sich die Buchstaben für den Begriff “Murder(er)” liegen hat und plötzlich alle Verdrängungsmechanismen aussetzen und ihr klar wird, wer ihr da gegenübersitzt. Und so hätte SUSPICION nach Hitchcock mit einem leidenschaftlichen Abschluss enden sollen. Da Cary Grant aber scheinbar kein Mörder sein durfte, trinkt sie die Milch nicht und der Film endet in dem Fortbestehen der Dynamik des Films. SUSPICION ist ein kalter Alptraum, dessen Paranoia alles in Habachtstellung bringt. Von den beschriebenen Momenten der Leidenschaft abgesehen, funktioniert alles wie ein Uhrwerk. Es gibt keine Szene, keinen Moment, wo nicht mit voller Konzentration die Angst Linas vor Johnnie, eine Angst, die die Form der Liebe angenommen hat, ausgearbeitet wird. SUSPICION folgt ihrem paranoiden Blick und ist so wie der eines Rehs im Scheinwerferlicht. Dabei ist stets offenbar, welch ein Halunke bis Schurke Johnnie ist, aber nur, weil es nie eine Auflösung gibt, weil er immer seine charmanten, fadenscheinigen, absurden Ausreden hat, kann die Illusion bestehen bleiben. Die krude Illusion, dass Lina sich vll doch irrt, dass er doch ein ganz harmloser Narr ist. Und so bleibt der wahrscheinliche Mörder immer an ihrer Seite, in ihren Gedanken, unabschüttelbar in ihren Gliedern. Das Ende sollte wie gesagt Cary Grants Starpersona schützen, ist im Endeffekt aber das viel perfidere Ende, weil die Qual Linas unendlich bestehen bleibt.
Chantal heißt Ackermann mit Nachnamen? Chantal Ackermann?! o.0
...und passend zum Konzept nicht richtig geschrieben. %)
Das nächste Mal musst du vll mehr Aufputschmittel einpacken. Slash hat übrigens einst erzählt, dass es durchaus ein aufregendes Gefühl ist, wenn während eines Gitarrensolos das Herz aussetzt und dann der Schrittmacher einem ne Ladung Strom durch den Körper jagt. Wo der Zusammenhang ist, weiß ich jetzt auch nicht so genau.
Ich gehe davon aus, dass die Mehrzahl der Filme, die ich Zeit meines Lebens gesehen habe, wohl damit endeten, dass sich zwei Menschen fanden und in ihrer Union das Drama des Films überwanden. Liebe, Familie usw lindern bis überwinden Schmerz und Pein, so die Hoffnung. BRIDE OF FRANKENSTEIN hat sein Happy End schon zentral im Film gefunden. Mit einem blinden Einsiedler sitzt Frankensteins Wesen in einer Hütte im Wald und sie schmöken, trinken Wein und lassen die Seele baumeln. Die Harmonie ist gefunden. Nur lieben tun sie sich (noch(?)) nicht. Vll muss deshalb dieser freundschaftliche Traum noch während des Films enden. Aber auch so kann ein solcher Film nicht auf diese Weise enden. Ein Film, der die Exposition weitläufig nutzt, um die Botschaft des ersten Teils – dass möglicherweise die Leute viel eher als Frankensteins Wesen die Monster sind – nochmal plastisch auszubreiten. Ein Film, in dem die Menschen scheinbar stets am Rande der Hysterie stehen und eigentlich nur die verschrobensten, wahnsinnigsten Wissenschaftler sich einem Ding, das auf dem ersten Blick nicht ihren Vorstellungen von Menschsein entspricht, gegenüber rationell verhalten können. Botschafter von seelischen Nächten und erträumten Harmonien, sprich Eulen, Schafe und andere Tiere werden dabei zwischen das Geschehen um Mobs, Hysterie und Ausgestoßensein geschnitten. Einerseits eine gotische Lagerfeuerromantik erzeugend, andererseits einen (ahnungsreichen oder kopfschüttelnden) Blick von außerhalb des menschlichen Treibens. Also muss die Liebe her, um den Wahnsinn endlich zu befrieden. Das Monster braucht also eine Frau, denn in christlich-verbrämter ein-Adam-braucht-eine-Eva-Ideologie ist nichts anderes möglich. Und während BRIDE OF FRANKENSTEIN durch ein Durcheinander von Geisterbahns- wie Jahrmarktsattraktionen und makabrem conditio humana-Experiment wandelt, drängt sich immer mehr auf, dass wir den Inhalt von HOW SOON IS NOW? von den Smiths aufgetischt bekommen. Nur wird hier das in Suizidgedanken endende Flehen, endlich geliebt zu werden, nicht mit Tränen dargeboten – und das ist die sehr bittere Pointe eines ansonsten sehr leichtfüßigen Films – sondern mit einem trockenen, kurzen, wahnsinnigen Lachen … als Antwort auf die illusiorische Hoffnung in dieser Welt die Liebe finden zu können, die einen Film glücklich beendet.
Zu einer Nacht in weißem Satin* macht Zombie das Remake des zweiten HALLOWEEN-Teils. Diesmal gelangt die Neuinterpretation des Vorläufers aber nach etwa einer halben Stunde in einer Sackgasse an und diesmal zieht er radikal den Stecker. Die Krankenhausnacht, die auf die Ereignisse von HALLOWEEN folgt, wird kurz und schmerzlos exorziert. Laurie wacht aus einem Traum auf und aus der Wiederkehr des vorherigen Films von 1981 wird die Fortsetzung des Neuansatzes von Zombies HALLOWEEN. Nun 2 Jahre später versucht Michael Myers wiederrum seine Familie in einem Strom aus Blut zu vereinen, Laurie Strode kämpft mit den Traumata der überstandenen Halloweennacht und dem Gefühl langsam verrückt zu werden, da der myerische Familiensinn und die Taten ihres Bruders zunehmend in ihr ein Echo finden, und Dr. Loomis erstickt seine Selbstzweifel in Zynismus, Selbstgeilheit und einem überdrehten Medienzirkus. Während die Familie der Myers quasi in lovecraftschen Gefilden des Feindes im eigenen Verstand/genetischem Material agiert, da bringt Dr. Loomis mittels vulgär-freudscher Motive, die ihn zum zu tötenden Ersatzvater machen, etwas Gesellschaft in das überbordende, romantische Gekräusel. Er als Vertreter des Establishments, der den White-Trash-Psychopathen wohl erst vollends formte, wäscht sich nun die Hände rein, weil Myers nach seiner oft kundgetanen Meinung eben das geborene Böse sei. Er ist es, der sterben muss, wenn die Myers’ Frieden finden wollen. Und HALLOWEEN II erzählt dies irgendwo zwischen Oper und Schlachthaus. Dem Film steht eine Texttafel voran: "WHITE HORSE – Linked to instinct, purity and the drive of the physical body to release powerful and emotional forces, like rage with ensuing chaos and destruction. –excerpt from the Subconscious Psychosis of Dreams." Leuchtende weiße Pferde werden durch den Sumpf aus Derbheit schreiten, wo sich ein Psychopath durch Teenager, nackte Frauen und "schäbige" Männer mordet. Durch die Brechungen des Blutbads mittels überkandidelter Symbole öffnet sich HALLOWEEN II beständig zum Universellen. So steckt beispielsweise auch eine Abhandlung über die Unsicherheit des "starken Geschlechts", die zu fataler Überkompensation führen kann, im großen Ganzen. Lag Meat Loafs BAT OUT OF HELL in seiner schwitzigen Theatralik irgendwo zwischen Richard Wagner und Little Richard, wie ein Musikkritiker mal anmerkte, so findet sich Zombies zweiter HALLOWEEN zwischen symbolistischen Weihen*** und auf Gedärm, Blut und gurgelnden Geräuschen beharrender Drastik.****
* https://www.youtube.com/watch?v=88uv7S9Bz9U
** https://www.youtube.com/watch?v=XMDQBiKdGHc
*** https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/19/Death_and_the_Gravedigger_-_C._Schwabe.jpg
*** https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a0/F%C3%A9licien_Rops_-_La_tentation_de_Saint_Antoine.jpg
*** https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/86/Spleen_et_ideal.jpg
**** https://www.perlentaucher.de/buch/dietmar-dath/die-salzweissen-augen.html
Da ich noch keinen Film von Flanagan sah und auch noch nichts darüber las, hast du für mich Ignoranten einen kleinen Hinweis in welche Richtung der James Wan-Diss gehen würde? Also die Normalverteilung der Benotung der Filme der beiden durch dich ähnelt sich ja durchaus. Hat es vll was damit zu tun, dass Wan oft (christlichen) Mumpitz beschwören muss, um seinen doch ganz weltlichen Grusel loszuwerden? Dass er also eigentlich keine Lösungen für seine Konflikte hat, aber eben irgendwas behauptet, um ein schönes Ende zu haben, was seinen Filmen doch ihre Kraft raubt? Hat es gar etwas mit THE FAST AND THE FURIOUS zu tun? Oder etwas ganz anderes?
Als ich L’ECLISSE zum Jahresauftakt sah, war das nicht mehr der zarte, feinfühlige, diskrete Film, der mich vor Jahren verzaubert hatte. Penetrant war er und vor allem neurotisch. Der neurotischste Film, den ich je gesehen hatte vll. Ein Lob der Neurose gar. Das Trennungsballett zu Beginn, wenn Monica Vitti und Francisco Rabal sich in den Einstellungen positionieren, in diese bedeutungsschwanger hereinlaufen bzw. diese verlassen - um ihren Beziehungsstatus auszudrücken - es verdeutlicht weniger die Gefühle der beiden, als dass sie diese dramatisch aufführen. Für einen potentiellen Zuschauer. Die Figuren von L‘ECLISSE werden dies auch in der Folge so weiter betreiben, wenn auch einen Tick weniger expressiv. Besorgt um die Wahrnehmung ihrer selbst durch andere, inszenieren sie sich zwanghaft. Ihrer Oberfläche den Eindruck von Tiefe verleihen, dass ist ihre erste Sorge. Auch wenn da vll nichts ist, außer Sorge, Angst und Leere. Und L’ECLISSE funktioniert genauso wie seine Figuren. Jede Einstellung, jede Kamerabewegung, das Licht, die Ruhe, die Leere der Bilder, alles ist zwanghaft inszeniert. Alles bleibt Oberfläche. Beinharte Zärtlich- und Feinfühligkeit aus einem monströsen Willen nach zartem, feinfühligem Wirken erwachsen. Antonioni und seine dargestellten Leute, ein Wunder an wunderschöner Verkrampfung, das auf den ersten Blick wirklich wie gehauchte Nonchalance wirken kann. HEROIC PURGATORY ist aber auch ein Anwärter auf den Thron … den Thron der Neurose. Sämtliche Einstellungen drängen die Leute darin an die Ränder, zwängen sie in abstrakte Gefängnisse der Schönheit, der Leere … Gemälde irgendwo zwischen René Magritte, Yuan Ma und Kubismus. Leere weiße und schwarze Flächen sowie verformte Räume halten ihre Leute als Geisel. So unbestimmt die Geschichte fließt, so sehr sind die Bilder Ausdruck von durch geistige Zwänge verhärtete Muskeln, die ihre Körper einsperren. Wen sie gefangen nehmen? Fassbinders DIE DRITTE GENERATION … ohne Hysterie, dafür in einem Meer aus Paranoia. Oder anders. Vor langer Zeit habe ich eine Doku über die Black Panther gesehen. Ganz hilfreich war sie dabei, die bescheidenen Anfänge zu verstehen. Was dann im Laufe der Zeit tatsächlich geschieht, bleibt aber grobes Ahnen. Dafür bekommt der Zuschauer aber ein sehr plastischen Eindruck darüber, in welche Paranoia COINTELPRO, also die systematische Unterwanderung und Überwachung durch das FBI die Beteiligten stürzte. Nur noch Ahnungen blieben, wer wen verraten hatte, wer standhaft geblieben war. Jeder wusste Geheimnisse, hatte Dinge gehört und seine eigenen Theorien. Ein Hort von Anschuldigungen und Reinwaschungen. Und ebenso verfolgt HEROIC PURGATORY eine linke Terrorismuszelle quer hüpfend durch Zeit und eine immer schwammiger werdende Realität. Wer ist der Spion? Gibt es einen? Wem kann getraut werden? Strategien und Gegenstrategien stets im Verhältnis zu Ahnungen und stalinistischen Anschuldigungen. Keine Antwort. Nur Leere und Gefängnisse. Aber die Verunsicherung geht noch weiter, weit in die Familien, so dass irgendwann nicht sicher ist, ob die eine Frau die Geliebte des vermeintlichen Hauptdarstellers ist oder vll doch dessen Tochter, irgendwo unter psychotischen Weltwahrnehmungen verschüttet. Ein komödiantischer Sumpf aus Angst, Lust und Verwirrung ohne Greifbares, der sich in Zellen knochiger Abstraktion rettet, um etwas Sicherheit zu finden … und die ihre Schönheit im Zwanghaften finden.
Vor ein paar Jahren ging ich einmal die Straße entlang und fragte mich, was anders wäre, wenn jetzt eine faschistische Diktatur nach der Macht gegriffen hätte. Sicherlich nicht viel. Die Straßenszene würde sich wohl nicht grundlegend ändern, auch wenn das Wissen um diese sicherlich anders wäre … dachte ich gewichtig vor mich hin. Ein Offizier fragt sich während eines Staatstreiches hier ähnliches. Denn der vonstattengehende Coup des Militärs ist nur als Hauch zu spüren, obwohl er doch im Zentrum des Geschehens steht. In der Mitte und doch nicht dabei, könnte hier das Motto lauten. KAIGENREI verfolgt Kitamura Kazuki, den Anführer eines Putsches, der sich an der Wirklichkeit nicht die Hände schmutzig machen möchte. Sprich er sitzt eher vor einem Schrein und bettet für das Gelingen seines per Buch veröffentlichten Sinnens, als dass er etwas tun würde, was ihm später nachteilig ausgelegt werden könnte. Vorlage sind Kita Ikki und sein Februarputsch von 1936, der trotz Misslingens Japan weit nach rechts außen schleudern sollte. Der coup d’etat ist unter Yoshida Yoshishiges Regie aber schlicht ein Fetisch und erlangtes Kriegsrecht die Verstaatlichung des eigenen Masochismuses auf alle Bürger. Neurotische Einstellung von Bildgewalt verweilen im Nichts. Wiederholt nimmt Kitamura ein Rasiermesser und zieht es über seinen Unterarm, bis Bluttropfen sich zögerlich von seinem Arm lösen … woraufhin das Messer in einen Eimer mit klarem Wasser fällt. KAIGENREI hat keine Pointen, eben beschriebene Verknüpfung von Autoaggression und Ejakulation ist auch keine … und doch wirkt es alles wie ein Witz. Hinter der Teutonik der Bilder wie hinter diesen martialischen Gesten wartet nur ein grinsender Kasper, der den Ernst der Sache kaum sichtbar verlacht. Aus karikativen Zwecken wird dem Verweilen Kitamuras im Äther das Schicksal eines Wendehalses entgegengestellt. Dieser möchte etwas für die Revolution tun, zweifelt aber immer wieder, kneift immer wieder, verrät seinen Führer später und lässt dessen Rockzipfel doch nie los. Zwei die sich gefunden haben, führt uns Yoshida vor. Zwei die das Schweigen des Tennō/Gottes mit ulkigen Phantasien über Herrschaft füllen. Die äußere Rechte als Teddy … was in seinem Ulk vll auch vorführt, warum Hitler und Trump Erfolg hatten/haben, gerade weil viele sie nicht wirklich ernstnahmen/-nehmen, bis es zu spät war/ist.
Rob Zombie macht aus Michael Myers einen Menschen. Durch die ausführlich erzählte Vorgeschichte, die bei Carpenter nur rudimentäres Stückwerk war, eine Leerstelle über den im Schatten oder im Augenwinkel wartenden Buhmann, die ebenso wie weite Teile seiner selbst unserer Phantasie überlassen wurden, bekommt er hier Fleisch und Blut. Ebenso durch seine nunmehr imposante Statur, seine aus dem Bildschirm/von der Leinwand pressende Körperlichkeit. HALLOWEEN ist 2007, auch wenn viele Stellen übernommen wurden, ein gänzlich anderer Film als sein Vorgänger. War Carpenters Paranoiastudie noch von einem atmosphärischem Aufbau und einem Grusel, der mich als Jugendlichen fertig gemacht hatten, so ist Zombies Aufarbeitung des myerschen Lebens derbe Drastik. Statt mulmiges Heranschleichen von hinten ist Niederwalzen die Vorgehensweise. Wie Fremdkörper wirken die vom Original übernommenen Stellen in dem nunmehr eiligen Film einer makabren Familiengeschichte. Wenn Malcolm McDowell als Dr. Loomis abermals wie sein Vorgänger Donald Pleasence von "no reason, no conscience, no understanding; and [not] even the most rudimentary sense of life or death, of good or evil, right or wrong" in Bezug auf seinen Schützling erzählt, dann sagt dies in dieser Erzählung mehr über den Doktor aus … dafür sahen die ersten Zusammentreffen zu anders aus. Er scheint sich vielmehr lustvoll in die Augen des Bösen hineinphantasiert und/oder eigene Fehlleistungen kaschieren zu wollen.
Auch hier bleiben alle Erklärungen letztendlich auf der Strecke, was in Michael passiert ist, um aus ihm diesen Maniac zu machen. Nur was ihn antreibt, der Wunsch nach einer heilen Familie, nach einspruchloser Zuneigung sowie eine gute Portion Misogynie, das ist abzulesen. Nach 15 Jahren Isolation ist er aber anscheinend an einem Punkt angekommen, wo er selbst nicht mehr so richtig einzuschätzen weiß, was er da überhaupt tut … zumindest auf sozialer Ebene und im Gegensatz zu seinem jungem Ich. Und so sind es eben kaum noch die bedrohten Teenager, von denen erzählt wird. Die Perspektive und zu einem gewissen Teil auch das Mitgefühl des neuerlichen HALLOWEEN liegen bei diesem großen Ding, dass sich nach Geborgenheit sehnt und dabei alles zerstört. Die allem Anschein tatsächlich in Michael Myers vorhandene Hoffnung, dass er mit seiner von ihm entführten und nunmehr fast erwachsenen Schwester wieder eine vereinte, glückliche Familie haben kann, während sie sich (das Blut und die Toten geben ihr Recht) in der Hand eines Monsters sieht, diese naive Hoffnung also bringt etwas Tragisches, etwas Trauriges in den Horror von HALLOWEEN. Etwas VON MENSCHEN UND MÄUSEN schwingt so in dieser Familiengeschichte mit, die tatsächlich bestrebt zu seien scheint dem Täter ein Gesicht zu geben.
Ein Gangsteractionfilm und ein Familienmelodrama. Gangster lösen darin ihre Probleme einfach mit Messern und Pistolen, wohingegen die Familien- und Ehrenverstrickungen zwischen einem Ex-GI, der während und nach dem 2. Weltkrieg in Japan stationiert war, und einem ehemaligen Yakuza eben nicht gelöst werden können. Zwar täuschen ein paar abgeschnittene Finger vor, das auch hier Ruhe möglich ist, aber THE YAKUZA bietet ein ansatzweises Bild einer Kultur, in der eine entstandene Pflicht (giri) nicht mehr zu lösen ist und immer neue Pflichten bei den Beteiligten und Hineingezogenen auslöst. Das Melodrama geht dabei in Richtung MR. BASEBALL, nur dass der amerikanische Charakter (hier Robert Mitchum, dort Tom Selleck) sich nicht für das Happy End etwas Richtung japanischer Lebensweise ändern muss und der japanische Charakter (hier wie da Takakura Ken) eben etwas in Richtung der us-amerikanischen. Statt einem lauwarmen Treffen in der Mitte entdeckt Mitchum also in der orientalischen Kultur und in dem Ehrenkodex der Yakuza etwas Universelles, welches seinen Wertvorstellungen und seinem Männlichkeitsbild entspricht und welches ihm die Möglichkeit gibt, ohne sich ändern zu müssen, einen Platz in der Fremde zu erobern.
THE YAKUZA ist mit seinen fast 40% des Films ausmachenden Erklärungen Japans und des Ehrenkodexes der Yakuza – welche beide leicht ineinander übergehend und in den Auge der Fremden gleichgesetzt werden – wie ein Anfängerkurs in diese Gangsterwelt, wo die Enttäuschungen der BATTLES WITHOUT HONOR AND HUMANITY noch weit entfernt liegen. (Das Pachinko und das Handeln Mitchums im Endkampf, wo er mit seiner Flinte alles schnell beenden könnte, aber Takakura entehren würde, nicht erklärt werden, kann fast schon irritieren, so mysteriös wird es gelassen.) Und in dieser Einführung wird das Bild einer toxischen wie sentimentalen Männlichkeit präsentiert, die es überall zu geben scheint. Was Mitchum zur perfekten Besetzung macht. Irgendwie ist es schön, irgendwie bitter, irgendwie eine Bürde und irgendwie beschissen. In seinem ruhigen Gesicht und seinen traurigen Augen liegt die Unmöglichkeit dies trennen zu können und die Anstrengung dies auszuhalten, wie in Stein gemeißelt. (Pollack ist einerseits der richtige Regisseur für diesen Film, da er die Atmosphäre elegisch bis direkt einzufangen weiß. Andererseits hätte er einen Actionregisseur an seiner Seite benötigt, weil die Action in THE YAKUZA größtenteils fürchterlich ist. Unübersichtlich, hässlich und einfach nur Quark.)
Jahrelang habe ich Claude Chabrol nicht leiden können. Als ich begann mich für die Nouvelle Vague zu interessieren, war er der einzige Regisseur dessen Filmen ich nichts abgewinnen konnte. Was ich ihm wohl übel nahm. Immer mal wieder habe ich Filme von ihm gesehen. Frühe, mittlere, späte – nie wollten sie mir etwas sagen. Plump, seriös, uninspiriert schienen sie mir. In seine ALICE IM WUNDERLAND-Version fand ich mich eines Nachts wieder. Das sah interessant aus und vor allem sehr seltsam. Aber es lief schon eine Weile und es war eben Chabrol. Es interessierte mich nicht genug. Jetzt, wo mein Verhältnis zur Nouvelle Vague ein anderes ist, habe ich zwei Filme in kurzer Folge gesehen und alles ist anders. Etwas hat sich verändert. Denn DIE UNSCHULDIGEN MIT DEN SCHMUTZIGEN HÄNDEN als auch LA DÉCADE PRODIGIEUSE hätten mir früher nicht gefallen. Zu dezent wäre der Wahnwitz des ersten damals gewesen und zu offensichtlich der des Anderen. Aber eigentlich sind beide beides. Dezent und aufdringlich. Wenn De Palma das hitchcocksche Gleichgewicht von Geschichte, Inszenierung und Subtext bis ins Absurde steigert, so zersetzt es Chabrol in beiden Filmen.
Den Einstieg von LA DÉCADE PRODIGIEUSE bildet Anthony Perkins, der mit blutigen Händen und ohne Erinnerung in einem Hotel erwacht. Er geht zum Waschbecken und wäscht sich die Hände. Hände und Becken bleiben im Mittelpunkt des Interesses der Einstellungen. Nach diesen Bildern folgen möglicherweise zwangsläufig die Assoziationen, dass die folgende von Inzest geprägten Familiengeschichte, wo Orson Welles Figur seine Tochter heiratet, die aber gar nicht seine Tochter ist, und wo dessen Sohn seine Schwester begehrt, die weder seine Mutter noch seine Schwester ist, es folgen also die Assoziationen, dass dies Chabrols PSYCHO sein mag. Doch das Geschehen liegt deformiert danieder. Wie hypnotisiert schwankt es voran. Psychologische Beratung hier, eine Erpressungen da, ein Ödipuskomplex hier, eine zu Mord führende Geisteskrankheit da. Am Ende folgt die obligatorische rationelle Erklärung. Aber sie ist vll noch unerhörter, als das Geschehen davor. Abschließend ist ein im Dunklen liegendes Haus zu sehen. Ein Fenster erleuchtet sich und dessen Schein sieht aus wie mosaischen Steintafeln. Final sollen wir eine buchstäbliche Allegorie auf die zehn Gebote gesehen haben, mit denen jemand in den Wahnsinn getrieben wurde. Sehr krude und kaum wiederzugeben ist es, was die Geschichte gewesen sein soll.
Ebenfalls zu Beginn sind die Einstellungen mitunter so schräg, dass es einem seekrank werden kann. Später sind es fahle Farben, welche die Szenerie bestimmen. Doch immer wieder brechen die intensiven Farben von Blumen, Kleidern und des Stucks hinein, welche den biederen, gemütlich abgeschlafften Ton etwas Traumhaftes bis Obsessives anhaften. Bei einer Waldwanderung ist mal nur der Himmel zu sehen, der hinter den Wandernden und einem kahlem Baum alles einnimmt und die Landschaft wie die Erdgebundenheit mit seiner Nichtigkeit quasi eliminiert, und mal schimmert hinter den Wanderenden ein See, in dem sich der Wald spiegelt, die sichtbare Landschaft in dieser Einstellung auf dem Kopf stellend. Und dann die allgegenwärtigen engen Dekors des Landsitzes, wo die Handlung große Teile verbringt. Die Schnörkel, die unendlichen Ornamente, der Samt, Tüll, die schweren vergilbten Vorhänge mit der Goldkante, das Service und die Vasen. Edel, schwer, verlebt und verworren ist dieses Haus. Ein Ort von (dunkler) Romantik und adligem/großbürgerlichem Verenden.
Marktschreierisch ist die Inszenierung und doch irgendwie matt. Sie ist es jedenfalls, die trotz oder mit ihrer Lautstärke und verschrobenen, mitunter eitlen Widerborstigkeit das Können dieses Films verdeckt. Denn das Innere wurde nach außen gedreht. Der Realismus von LA DÉCADE PRODIGIEUSE ist ein psychologischer, unwegsamer, unbestimmter, gefühlsbestimmter, der PSYCHOs Realismus der Oberfläche einer Handlung auf den Kopf stellt. Dieser abgestandene Traum, in dem Undinge wie Tod, Fäulnis und Inzest sanktioniert und mit Leben gefüllt wurden, befreit den Subtext. Er wird von Innen nach Außen gestülpt und das Geschehen in diesen bis zur Unkenntlichkeit eingezwängt. Denn die Dezenz von LA DÉCADE PRODIGIEUSE liegt gerade darin, dass kaum zu erkennen ist, dass wir Eingeweide sehen. Als Michel Piccoli aufbricht, um seinen Platz in den Wirren einzunehmen, sagt er süffisant, dass er die Realität vorziehe oder aus dieser stamme, irgendwas in der Art. Aber da ist es für ihn schon zu spät.
Bismarck kommt während des ganzen Films gerade Zweimal vor. Trotzdem ist er mit seiner Realpolitik der große Gegenspieler von Ludwigs Romantik. Denn während Ludwig mit seiner Ernennung zum König das Wahre, Gute und Schöne in die Welt bringen und ohne Lug, Trug und Hässlichkeit regieren möchte, stimmt Bismarck seine Taten ab, orientiert sich an der Realität und macht mit kalter Hand, was nötig ist. Der Idealist und die Wirklichkeit, so könnte LUDWIG II auch heißen, denn jeder, wirklich jeder seiner Minister, Vertrauten und Geliebten wird dem bayrischen König im Laufe seines hier fiktionalisierten Lebens einen Ratschlag ganz nach Bismarcks Geschmack geben … und sich damit für die Zuneigung des Träumers disqualifizieren. An fast denselben Wendepunkten seines Lebens wird Ludwig wie bei Visconti den Weg vom Schwärmer zum Einzelgänger mit verdunkeltem Gemüt gehen, der den Kampf gegen die Wirklichkeit verlieren wird. Sie gleichen sich schon sehr, diese beiden Verfilmungen eines seltsamen Lebens. Nur schreit Viscontis Biographie spätestens mit der zweiten Folge nach Selbstmord, da der König zu schwach für die übermächtige Realität ist. Etwas von Bismarck steckt in diesem mitgeschleppten Selbsthass, der dem Träumer seine Schwäche tragisch vorhält. (Visconti hat in seiner Filmographie eine eigene Art von Bismarck, nämlich den LEOPARD, einem Mann der nicht mehr Träumen kann und sich deshalb, anders als Bismarck, aber nicht mehr die Hände an der Wirklichkeit dreckig machen möchte. Von einer solchen Position scheint auch LUDWIG her erzählt zu sein.) Bei LUDWIG II – GLANZ UND ENDE EINES KÖNIGS ist es aber die Wirklichkeit, die Schuld an aller Tragik hat. Sie ist klein und hässlich, verkommen und falsch, sie ist im Unrecht. Ludwigs Reich ist nicht von dieser Welt. Rückprojektionen, Schlösser, Wagners tragische, leidenschaftlich romantische, todessehnsüchtige Musik, all dies spricht von einem Reich der Jugend. Wenn noch keine Ernüchterung, keine Desillusion eingetreten ist … es herrschen allumfassend diese (kurzen) Momente als Bismarck noch nicht in unseren Herzen (mit-)regierte. LUDWIG II wie Ludwig II wehren die Sachlichkeit ab und kämpfen mit heißem Herzen gegen alles Gewöhnliche. Käutners Film schreit deshalb nicht nach Selbstmord, sondern nach einem Mörder. Jemanden der die Macht der Realität in die Hand nimmt und den Kini aus ihr beseitig … denn beugen will er sich nicht gegen eine solche Niedertracht. Die Niederlage, die Ludwig dann aber doch im See erleben muss, sie kommt, und das ist der letzte Schliff an diesem wage- wie übermütigen Film, von da, wo er sie am wenigsten erwartet.