vannorden - Kommentare

Alle Kommentare von vannorden

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    vannorden 14.11.2016, 14:18 Geändert 14.11.2016, 15:26

    Nach dem Screening bei der Berlinale im Zoo Palast hat Fruit Chan versprochen, dass er ein Jahr später mit einer Fortsetzung wieder in Berlin sein werde, die alle Fragen beantworten würde. Das ist selbstredend nicht geschehen. Warum auch? Das Unklare: ein Bus mit 17 Insassen fährt von Kowloon nach Tai Po. Dort angekommen stellen diese fest, dass außer ihnen niemand mehr auf der Welt zu sein scheint. Während die Beteiligten also durch eine Geisterstadt tingeln, ein menschenleeres Internet durchsuchen und generell versuchen mit einer solchen Situation umzugehen, tauchen immer mal wieder seltsame Menschen in high end ABC-Schutzanzügen auf, die sich wieder in Luft auflösen, J-Horror-Versatzstücke bemächtigen sich einer Frau, eine mysteriöse Krankheit, an deren Ende die Infizierten verbrennen, holt nach und nach ihre Opfer, Anrufe, die den Text von Space Oddity morsen, werden von allen simultan empfangen oder Anrufe kommen durch, die daraufhin deuten, dass tatsächlich 6 Jahre vergangen sind. Das und noch mehr, Fruit Chan lässt eine Menge Erklärungsansätze auf seine Figuren los, lässt es aber dabei bewenden, weshalb sich THE MIDNIGHT AFTER wie eine einzige Exposition anfühlt … wie der Pilotfilm für eine Serie, welche dann die Erklärungen für all die Mysterien aufbringen wird. Aber zum Glück gibt es nichts davon, es gibt nur diese ausgelassene Postapokalypsefeier, die sich von der allgemeinen Verlorenheit nicht den Spaß verderben lässt. Das absurd große Küchenmesser, das von einem völlig orientierungslosen Lam Suet in die Schulter eines Junkies geschlagen wird, weil er diesen für einen Zombie hält, ist ebenso eine Luftschlange dieser Party, wie wenn Space Oddity auf einem Besen gespielt wird, während der dazugehörige Sänger sich alsbald in einem Pappmachémusikvideo wiederfindet. Die Welt ist dabei ein Platz aus den Fugen, eine Fegefeuer ohne Recht und Ordnung, ein absurder Platz der paranoiden Phantasie … und THE MIDNIGHT AFTER ist eine überdrehte Allegorie auf das Post-1997-Hongkong, dass in einem Schwebezustand seinen neuen Status innerhalb Chinas sucht. Die Businsassen verloren wie die Hongkonger. Oder eben wie die Leute in aller Welt. Denn wer weiß denn noch, was wirklich los ist. Wem ist wirklich klar, in welcher Welt wir leben. "For here am I sitting in a tin can / Far above the world / Planet Earth is blue / And there’s nothing I can do." Gerade dass die Unklarheiten in THE MIDNIGHT AFTER nicht verringert, sondern potenziert werden, machen ihn zu einem Monument aktueller Verlorenheit … ohne auch nur einmal drüber reden zu lassen. Keine großen Monologe, keine Erklärbären, nur ein Barbecue, von dem wir zufällig mitbekommen können, dass es am Rande des Vulkans stattfindet.

    Sprich Mandarin. Google Translate funktioniert nicht besonders gut mit Kantonesisch.

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      vannorden 03.11.2016, 14:17 Geändert 03.11.2016, 14:26

      Das habe ich vor fast genau 3 Jahren geschrieben, da gab es den Film hier aber noch nicht in der Datenbank. BARBARA ist es aber mehr als wert kommentiert zu werden, deshalb hier aus der Mottenkiste:
      Ein Arzt tritt eine Stellung auf den Faröer-Inseln an. Ob er einen guten Grund für einen solchen Schritt hatte, weiß ich nicht mehr, aber dieser muss sein, wie vieles in diesem Film einfach so sein muss. Es muss einfach hingenommen werden. Dass er eine Beziehung mit der wilden, so wird ihm von der ersten Szene an berichtet, Barbara eingeht, sie gar heiratet und das alles schief geht. So muss es einfach sein. Mit offenen Augen taumeln hier alle in ihre ganz eigenen Abgründe, mit jeder Faser des Köpers kämpfen sie dagegen an … nur um dann doch nur wieder die Prophezeihungen zu erfüllen, die von außen und ihnen selbst auf sie niederprallen. Vll ist das auch der Grund für das alles, dass die Anderen einem sagen, wie wir sind und wir deshalb voll Wut dagegen ankämpfen. Dass wir ahnen, dass wir doch so sind und dann der Angst nachgeben und in die bekannten Muster flüchten. Dieses unsichere Hin und Her aus wollen, zaghaftem verweilen und fluchtartigem davonrennen macht die Handlungen jedenfalls aus. Arzt Paul will diese Beziehung nicht und rennt doch hinein. Barbara will das geordnette Glück, weil niemand es ihr zutraut, und rennt dann doch in fremde Arme … hier am deutlichsten weniger aus der Antrübung des Käfigs der Ehe als vielmehr durch die Angst an diesem Glück zu scheitern. Ihr Liebhaber/ihre Jugendliebe will, was er nicht haben kann, und als er es hat, flattert er wie ein Blatt im Wind … bereit zum Fallen. Und fallen tun hier alle … sie fallen auf sich zurück … oder eher auf das, was sie nicht (sein) wollen. Am Ende hat es mir förmlich das Herz zerdrückt … deshalb muss dies auch alles auf den Faröer spielen. Diese wenigen Landmassen in mitten eines weniger unerbittlichen als undurchsichtigen Meeres. Ich glaube es wird kaum geweint … wurde kaum geweint? … weil die Beteiligten schon von genug Tränen umgeben sind. Etwas schauen sie aus ihren unergründlichen Gefühlen heraus, aber letztlich verschwinden sie darin. Aber die, die nicht einmal dies gewagt haben, die sind eigentlich in BARBARA am schlimmsten dran.

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        vannorden 12.10.2016, 16:32 Geändert 12.10.2016, 16:35

        Der Titel spricht durchaus Bände. Körperlich romantisiert hier nichts und niemand. Intimitäten sind Mangelware und, solange ich auch überlege, mir fällt nicht ein Kuss ein, der in den knapp zwei Stunden gezeigt worden wäre... bei einer romantischen Komödie wohlgemerkt. Es ist kein Film der Pass- wie Obsessionen, sondern einer des Schicksals, der Liebe und der Ewigkeit. Die Liebe in ROMANCING IN THIN AIR ist dabei die der Seelengemeinschaft, die sich in Gesten und Zuneigung ausdrückt oder darin, dass zusammen herzlich gelacht oder umeinander getrauert wird. Denn es herrschen schlicht nicht die Witterungsbedingungen für anderes/mehr. Ort der Handlung ist ein einsames Ferienressort, ein bezeichnenderweise Deep Woods benanntes Hotel, in der Nähe des ca. drei Kilometer über Meereshöhe liegendem Shangri-La. Die dünne Luft dort lädt schlicht nicht zu wildem Exzess ein. Eine leichte, ziehende Kälte beherrscht zudem die Bilder mit ihren blassen Farben. Satte Töne irritieren jedes Mal leicht. Auch wenn sich ROMANCING IN THIN AIR selbst in der Trauer einen nonchalanten Ton bewahrt, es ist ein Zeugnis von Isolation, Verlorenheit und dem Drang nach Nähe in der Vereisung ... und von der wärmenden Schönheit des Kinos. Zu Beginn gibt es oft die Bilder von zwei oder mehreren Leuten, die ohne die Anwesenheit des/der Anderen zu bemerken, durchs Bild laufen. Alkohol und emotionale Vergletscherung, wie sehr sie auch in Watte/Humor gepackt werden, sind der Modus Operandi. Der neben dem Hotel liegende Märchenwald, vor dem hysterische Schilder seit Ewigkeiten warnen, ist ein Ort ohne Wiederkehr. Wer sich in ihm verliert ist verloren. Und dann sind da eben die Szenen von Leuten in Kinos, wo sie sich und andere verstehen können, wo sie, die sonst aneinander vorbeileben, nicht die Kraft haben sich auf andere einzulassen oder sich missverstehen, in Ruhe reflektieren können ... wenn sie ihr Schicksal abstrahiert auf der Leinwand sehen. Von Johnnie To ausgemessen, von Wai Ka Fai mit verschlungenen Film-in-Film Metaebenen ausgestattet, werden die Figuren in ROMANCING IN THIN AIR vll nicht sonderlich leidenschaftlich, wie gesagt die dünne Luft, aber romantisiert sie die Zuschauer mit Kitsch, Spaß und Herzschmerz in klirrender Kälte.

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          Ich denke hier (https://www.youtube.com/playlist?list=PLvRduTGbB2dRgXEm5hkM8wKdquqkCxHHb) sprach Olaf Möller von der Geisterbahn der Gefühle, welche das deutsche Nachkriegskino mitunter befährt. Aber egal wo diese Bezeichnung herstammt, GEFANGENE DER LIEBE schreit nach einer solchen. Das Melodrama einer Kriegsheimkehrerin, die, um schneller aus dem sibirischen Kriegsgefangenenlager entlassen zu werden und zu ihrem Curd Jürgens heimzukehren, sich von irgendjemanden schwängern lässt, daheim aber nicht nur einen ob des Kindes unverständigen, tief verunsicherten Ehemann findet, sondern auch den unverhofft auftauchenden Vater des Kindes, arbeitet nicht nur am Rande des Nervenzusammenbruches. Es ist kein Melodram in dem mit der Enge des Gesellschaft oder dem Schicksal gehadert wird. Die Bilder aus Schatten und grellem Licht, die ewig wie später in PSYCHO schwingenden Lampen, die schrägen Einstellungen, sie zeigen eine Welt, die mit fragil noch zuversichtlich beschrieben ist, und Menschen, die sich in Leid und Kummer aufzulösen drohen, weil ihnen der Boden fehlt, auf dem sie stehen könnten. Und wie zum Spott dröhnt im Hintergund meist der Jahrmarkt des Oktoberfests vor betäubendem, verzweifeltem Spaß. GEFANGENE DER LIEBE zeigt Gefühle als Horrorshow… und macht einem vll auch bis in die Knochen klar, wieso die folgenden Schlagerfilme der BRD so waren, wie sie waren.

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          • vannorden 07.10.2016, 08:48 Geändert 07.10.2016, 08:48

            Du guckst L'aldilà im Kino?!?!?!?! An der katalonischen Küste?!?!?!?! Und Three und Anti-Porno und Operation Mekong und Der schweigende Stern und Emanuelle in America und Dolph Lundgren?!?!?!?! Hat moviepilot das Budget für einen Assistenten oder Butler für dich, der die Filme mitschauen und dir währenddessen das Getränk halten muss, der die Karte besorgt, den Kaffee frisch mahlt? Ich würde es machen.

            Aber vor allem Freue ich mich auf die Berichte übers Essen!

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            • Chestburster Plüschfigur und ein Dancing Gizmo. Der Gewinner des ersten Preises tut mir jetzt schon leid, weil sie so knapp an dieser Kombi vorbeischrammt und sich mit was anderem zufrieden geben muss. :P

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                vannorden 14.09.2016, 15:15 Geändert 14.09.2016, 15:25

                Dass Detroit mal zur Hochburg für Backwoodhorror wird, war vor nicht allzu langer Zeit kaum vorstellbar. Wäre eine der beständigsten Tropen im Western nicht die Durchsetzung von Recht und Ordnung im Chaos, die verlassenen Viertel würden auch nach diesem Genre schreien. So dringt jedoch das Chaos in die Ordnung ein bzw okkupiert den Platz der sich auflösenden Gesellschaft. Drei jugendliche Einbrecher steigen in DON’T BREATHE in ein Haus ein, welches von diversen Reihen unbewohnter Häuser umschlossen ist. In diesem wohnt ein blinder Irakveteran und sitzt mutmaßlich auf einer Menge Kohle. Doch das leichte Ziel stellt sich schnell als tödliche/höllische Sackgasse heraus. Vor dem zornerfüllten und nahkampferprobten Ex-Soldaten, der nur ahnen kann, wie viele Eindringlinge in seinem Haus sind, gibt es nur ein Versteck, nämlich keine Geräusche zu machen. Dieses Setting verspricht irgendwo eine ruhige, atmosphärische Spannung, die sich langsam wie eine Würgeschlange um einen legt. Für das Halten von Spannung ist DON’T BREATH allerdings zu hibbelig. Stattdessen schlägt es aufgeputscht und spastisch immer wieder zu, betrachtet die Überreste und Folgen seiner Exzesse, um darauf wieder schnell und hart zuzupacken. Nicht unschuldig an dieser Struktur ist Stephen Langs blinde Figur, die wenig bis nichts von Michael Myers und Konsorten hat und kein übermenschliches Phantom ist. Ein enttäuschter Bürger, der für Argumente oder rationale Überlegungen nicht mehr empfänglich ist, der zu keinem Plan fähig scheint, schlägt hier schlicht blind vor Wut um sich. Er nagelt die Türen und Fenster des Hauses zu und macht aus diesem ein enges, klaustrophobisches Gefängnis, das von der Kamera zu Beginn systematisch abgemessen wird, wobei diverse Werkzeuge zur Flucht oder zur Verteidigung offenbart werden, aber in dem für etwas außerhalb dieses wilden Zorns kein Platz bleibt. Fern jeder geistigen Gesundheit fordert er biblisch Auge um Auge. Ein bisschen ist es, als ob hier ein paar Jugendliche verzweifelt und fehlgeleitet nach Alternativen oder Hoffnung suchen und in einer Welt landen, in der Donald Trump oder die AFD reale Chancen haben, in Ämter gewählt zu werden. Der Horror.

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                  vannorden 31.08.2016, 16:45 Geändert 31.08.2016, 21:48

                  In seinem Buch über Melodramen schreibt Georg Seeßlen Folgendes: "[...], um die Gefühle eines Helden im Männer-Genre kennenzulernen, muß man seine Konflikte verstanden haben; um Konflikte von Melodramen-Helden kennenzulernen, muss man ihre Gefühle verstanden haben. Und noch einmal anders ausgedrückt: Der Held des Männer-Genres verdrängt seine Gefühle, in dem er pausenlos Konflikte austrägt; die Helden von Melodramen verstehen ihre Konflikte nicht, weil sie an ihren Gefühlen zu ersticken drohen." Und genau diese Gegensätze spielt A BETTER TOMORROW gegeneinander aus. Ti Lungs Triaden-Gangster Sung Tse-Ho hat sein Leben damit zugebracht Konflikte (mit Gewalt) zu lösen. Doch nachdem er den Tod seines Vaters verschuldet und sein Bruder Kit (Leslie Cheung), ein Polizist, nichts mehr mit ihm zu tun haben möchte, will eben dieser Sung Tse-Ho ein ehrliches Leben führen. Sprich er will/muss zum Held eines Melodrams werden, der seine Gefühle, seine Schuld, die Unmöglichkeit einer Einigung mit der Welt ertragen muss. Sein Bruder hingegen geht blind vor Hass auf Gangsterjagd, um seine Gefühle zu betäuben. Aber statt dem obsessiv gejagten Gangster Shing (Waise Lee) habhaft zu werden, erfährt er nur Erniedrigung und stößt immer wieder auf seinen Bruder, dem er jähzornig unterstellt, sich nicht ändern zu können. Er ist der Held eines Melodrams, der gerne der Held eines Actionfilms wäre, aber diese Erlösung von seinen Emotionen nicht bekommt. Und dann ist da natürlich noch Mark (Chow Yun-Fat), die große Liebe von Sung Tse-Ho, deren Blicke untereinander nur so Funken schlagen. Bei einer Racheaktion für den hintergangenen Ho wurde er zum Krüppel geschossen. Doch er will sich wieder mit seinem alten Partner zusammen tun und das alte Leben wieder aufnehmen. Auch er ist in seinen Gefühlen gefangen und kann seine Konflikte nicht lösen. Und so ist Hos Kampf um ein ehrliches Leben eingekeilt zwischen Gangstern, die ihn wieder zum Actionhelden machen wollen, allen voran sein heruntergekommener Galan Mark, der ihm nicht auf seinem Weg zur Passivität folgen möchte, und zwischen der Verbitterung seines Bruders, der ihm seine Wandlung eh nicht abnimmt und ihn für alle seine Probleme verantwortlich macht, stellvertretend für eine Gesellschaft, die ihm misstraut. Und so vermengen sich Gefühle und blutig ausgetragene Konflikte in A BETTER TOMORROW zu einem Tanz auf dem These-Antithese-Synthese-Vulkan, wo Konflikte erst gelöst werden, wenn sie kaum noch auszuhalten sind, wenn sie das emotionale Äquivalent zur Schönheit der Inszenierung zerreißender Körper erreicht haben. Filmgewordene Intensität. Ein Film für, salopp nach Seeßlen gesagt, ganze Menschen.

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                  • Ich hatte den Plan einen dieser fiesen, düsteren Märchenfilme zu schauen, welche es früher so gab. Kurzerhand habe ich mich für DAS SINGENDE, KLINGENDE BÄUMCHEN entschieden, weil ich mich noch lebhaft an den Terror erinnern konnte, den der Film in meinem jungen Gemüt hervorrief. Dunkel, kalt und voll ohnmächtiger Angst waren meine Erinnerungen… weshalb mich die naive, moralische Geschichte in etwas epischen Kasperletheaterkulissen doch sehr überraschte. Irgendwie war alles anders als das, was ich mit mir rumgetragen habe. Eine hochnäsige und verwöhnte Prinzessin will unbedingt das singende, klingende Bäumchen und endet in ihrer Gier so hässlich aussehend, wie sie innerlich ist, im Zauberland. Einzige Hilfe ist ein Bär, der in Wahrheit ein Prinz ist, der erst wieder Mensch wird, wenn sie ihn liebt. Und so lernt sie nett sein und Hilfsbereitschaft, weil ihr als hässlichem wie hilflosem Persönchen nichts anderes übrig bleibt. Nirgends war es in der bunten Pappmachéfarbenbracht einer komplett blauäugigen Welt auch nur ansatzweise so erschreckend und trostlos wie in meinen Erinnerungen. Was mir als Kind schon Angst machte, war aber, wenn Dinge nicht so waren, wie sie schienen. Ich hatte eine Heidenangst nach TOD AUF DEM NIL, weil am Ende die nettesten, am unschuldigst erscheinenden Personen eiskalte Killer und wahnwitzige Irre waren. Hinter allem Leid in DAS SINGENDE, KLINGENDE BÄUMCHEN steckt ein fast omnipotenter Zwerg, der zwar gegen Ende in seiner Niedertracht dem glücklichem Ende stets in die Hand spielt und eher wie ein mit Zauberkräften ausgestatteter Schläger wirkt. In einer Szene konnte ich die Angst von damals jedoch nachvollziehen. Als der Prinz/Bär erkennt, wie schrecklich die Prinzessin unter ihrem noch schönen Aussehen ist, lacht der Zwerg sein fieses, helles Bösewichtlachen, ob der Desillusion des Prinzen. Dabei schaut er entweder aus einem riesigen Schneckenhäuschen oder beispielsweise hinter einem Felsen hervor. Er ist immer in der Nähe der Protagonisten, diese können ihn aber nicht sehen. Prinz und Prinzessin sind ihm körperlich wie emotional bis auf die Knochen ausgeliefert, wussten es aber nicht. Sie hörten nur den Hohn und den Spott. Welche Hornhaut ich auf den Nerven entwickelt habe, um solch eine fiese Szene heute nur noch als niedlich zu empfinden… es ist sagenhaft.

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                      vannorden 24.08.2016, 09:53 Geändert 24.08.2016, 11:51

                      Das Management Elvis Presleys durch den Colonel und die inzwischen abschwappende, aber noch deutlich spürbare Beatlemania verarbeitete PRIVILEG zu einer unbehaglichen Doku, bei der ein Kamerateam den größten Popstar einer nahen Zukunft porträtiert. Anders als später bei STRAFPARK ist der fiktive Moment aber jederzeit spürbar. PRIVILEG ist Pop Art, bunt, wild phantasierend und sehr verbittert, was die Zukunftsaussichten angeht. Im Zentrum von allem steht Steven Shorter (Paul Jones). I need my freedom / Not your sympathy / Look, you needn’t love me / Just set me free , singt, nein fleht er bei seinen Auftritten, die er mit Handschellen auf der Bühne in einer von Wärtern umringten Zelle vollführt. Der Generationenkonflikt der 60er in ein Bühnenspektakel gepackt. Und die Jugend liebt ihn. Vor der Bühne sieht es aus, wie bei den Beatles 1964. Doch er ist nur ein Produkt, ein Image und, wie das ihn verfolgende Kamerateam offenlegt, nur eine Puppe. Kein rebellischer Geist, ein Nichts, das die unendliche Bevormundung angeekelt erträgt … was seiner Performance selbstredend auch dessen Authentizität verleiht. Gerade bei dem epochalem Managerstab, der sein Produkt hegt, pflegt, entmündigt und aus diesem jeden Heller aussaugt, und (vll noch mehr) bei den absurden Marketingstrategien ist PRIVILEG geradezu visionär. Was seine politische Komponente angeht, aber eher lachhaft. Die Regierung, auf einem Parlament gründend, welches aus Parteien besteht, zwischen denen es keinen Unterschied mehr gibt, instrumentalisiert das Produkt Steven Shorter erst um die Jugend mit Entertainment zu beruhigen und von der Politik abzulenken und dann um die Wende zu bringen. Der Rebell soll öffentlich widerrufen, sich zu Staat und Kirche bekennen. Die Initialen seines Namen, die Steven Shorter auf seinen Kragenecken trägt, sind plötzlich alles andere als unschuldig. Was folgt ist wahrlich überschwänglich. Priester, die wie Hitler die Menge aufputschen, christliche Beatgruppen die Jerusalem endgültig zum Fascho-Lied machen, Fackelmärsche, Soldaten und Hitlergrüße … der zur Konformität führende Auftritt ist die durchgedrehte Pop Art-Version von TRIUMPH DES WILLENS. Da bleibt kein Auge trocken. Das Zeitalter der Konformität und Manipulierbarkeit, welches PRIVILEG jedoch ausrief, ist aus heutiger Zeit (gerade für die 60er) schwer nachvollziehbar. Es erscheint eher wie das Produkt eines fanatischen, die Masse verachtenden Linksaktivisten. Es ist folglich kein Wunder, dass die DDR-Funktionäre diesen Film mit Kusshand in ihre Kino nahmen, wurde doch der Kapitalismus und die Kirche mit Faschismus gleichgesetzt und vor den Auswüchsen der Beatmusik gewarnt. Kein Wunder aber auch, dass er dort ein riesiger Erfolg wurde. Weil was für England eher abwegig war, zeigte den Bürgern des realexistierenden Sozialismus doch sehr deutlich, unter welchem manipulativen, kontrollsüchtigen Regime sie lebten. Hier war der Schrei der Verzweiflung, den PRIVILEG darstellte, karge Realität. Sie alle befanden sich wie Steven Shorter in streng gemanagten Zellen.

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                        Menschen explodieren zu lassen, das ist das hehre Ziel von FRANKENHOOKER. Dafür wird sich in das Spannungsfeld aus bürgerlicher Vorortsiedlung und heruntergekommenem Stadtviertel in Form des Straßenstrichs begeben. Zweiteres ist ein drogen- und anabolikageschwängerter Sumpf, der einem in Fleisch und Knochen übergeht. Ersteres eine idiosynkratische Irrenanstalt, wo irgendwo zwischen Bildung, Verklemmung und Zwang zum glücklichen Familienleben ein Elektriker mit Anatomie als Hobby einen Weg findet, um aus Straßenhuren einen perfekten Körper für den Kopf seiner toten Freundin zu basteln und zum Leben zu erwecken. Aber irgendwie ist es eben in dieser Splatstickfeier am schönsten, wenn gierige, brutale, miefige, obsessive, normale Körper zerrissen werden und sich herb verteilen … der Freiheit entgegen.

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                          vannorden 24.08.2016, 09:51 Geändert 24.08.2016, 10:16

                          Karg und widrig. Eine Insel im Nirgendwo der See, auf der es nur Felsen und ein kleines Dorf von Fischern gibt. Letzteres wird im Winter vom Handel abgeschnitten. Verschlingende Wellen umgeben die magere Zivilisation. Das stille Lodern von Hunger und Pein in einem verkrampften Alltag bebildert Staudte wie einen Stummfilm. Entlegen und knochig werden so die Gesten der Verzweiflung. Fancks und Pabsts höllischen Berge von Piz Plü sind hier Wellen geworden, Dreyers VAMPYR zu einem Alltag, in dem das Hoffen und Träumen langsam erstickt, weil der Sauerstoff unmerklich ausgeht. Nur niedergeschmettertes Träumen bleibt, das ebenso schleichend blind macht und beim Fabulieren von einer Vergangenheit, als ein Schiff mit Vorräten an den Klippen zerschellte und der Strand voller Proviant war, ein Leuchten in den Augen der Phantasierenden entstehen lässt, das wie Feuer lodert. Doch der Leuchtturmwärter will sein Licht nicht löschen… Deutschland nach dem Krieg in einer Fabel eines existentiellen Leids, das wie aus der Zeit oder von der Landkarte gefallen scheint. Deutschland vor dem Krieg als Melodram der falschen Entscheidungen, dessen Happy End brutal verbaut wird… als Entsetzen, ob der Beiläufigkeit der eigenen Erosion.

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                          • Völlig ohne Not mal 10 Punkte verteilt, sähen nach moi so aus:

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                            Jurassic Park: 2
                            E.T.: 1
                            Jäger des verlorenen Schatzes: 1
                            1941: 1
                            München: 1

                            (Terminal, Gefährten, Die Farbe Lila sowie Das Reich der Sonne noch nicht gesehen.)

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                            • vannorden 18.07.2016, 10:06 Geändert 18.07.2016, 11:11

                              Zwei Stunden prügeln und peitschen Rütten und Kalkofe also auf einen hilflosen Spott-Gegenstand ein, um mal zwei, drei Stellen des Textes zusammenzuführen. Und das ist dann "die witzigste originäre Show" des deutschen Fernsehens (die gar nicht mal so originär ("Mystery Science Theater 3000") ist). Ich für meinen Teil kann mit diesem Format absolut nichts anfangen und finde es eher traurig bis eklig. Zwei Typen gehen mit der vorgefertigten Absicht an einen Film ran, ihn bloßzustellen. Sich nicht mit ihm auseinander zusetzen, sich dem Irrsinn hinzugeben, sondern einfach nur ... ihm die Hose runter ziehen und lachen. Das hat was von Schulhofschlägern, die sich den Schwächsten aussuchen und auf ihn einprügeln. Vor allem mit einem Humor, der selbst nicht mal ansatzweise auf das Niveau von MUSIK, MUSIK, DA WACKELT DIE PENNE kommt, und einem Kunstverständnis, wie es trüber wohl kaum sein kann. Wahrscheinlich die passende schlaubischlumpfige Kehrseite zu einem aktuellen (deutschen) Kino in dem nicht Phantasie, Wagnis oder Irrsinn zählen, sondern (Förder-)Einheitsbrei, Routine und auf Nummer sicher gehen, dass auch ja niemand einen auslacht. Dann nehm ich doch lieber den debilen Frohsinn von MUSIK, MUSIK, DA WACKELT DIE PENNE, bei dem es sich sicherlich lohnt, sich kritisch damit auseinanderzusetzen und Entdeckungen zu machen, als von vornherein einfach nur auf ihn einprügeln zu wollen. Lieber Spaß mit einem Film, als mit diesen langweiligen Gestalten. Bis da nicht DER WIXXER kommt, kann es mir gerne gestohlen bleiben.

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                                Spätestens wenn dann Kitano selbst den nun, wie er sagt, mittelalten Künstler Machisu spielt, dann ist klar, dass es sich bei ACHILLES UND DIE SCHILDKRÖTE um eine Groteske handelt. Davor schreiten sentimentale Klavierfiguren über lange Einstellungen, die mit dem Blick eines hilflosen sowie resignierten Zaungastes verfolgen, wie Pflegeeltern, Schule uswusf versuchen einen Träumer zu brechen und ihn in die Gesellschaft einzugliedern. Nur kurze Momente voll Farben, Überschwang und Neugier schleichen sich in die ansonsten rührselige Erzählung, nämlich wenn der junge Machisu völlig naiv die Möglichkeiten der Kunst erkundet. Die fast schon radikale Kraftlosigkeit dieser Leidensgeschichte schlägt aber unmerklich um. Irgendwann verfolgen wir mit denselben langen Einstellungen, wie ein völlig von sich und seiner Kunst entfremdeter Machisu wahnhaft versucht ein berühmter Künstler zu werden. Er kopiert jeden lebenden und toten Künstler, er lässt seine Frau, die in einem weißen Ganzkörperanzug steckt, von einem Boxer mit Farbe auf den Handschuhen verprügeln, er lässt sich für die Inspiration einer Nahtoderfahrung ertränken und und und. Seine manisches Verlangen nach Anerkennung hat ihn zu einer absurden Figur gemacht, die Kitano Unmengen an Irrwitz veranstalten lässt … der seine Schildkröte so aber nie einholen wird. Mit ACHILLES UND DIE SCHILDKRÖTE versuchte Kitano wohl auch seine eigenen Dämonen auszutreiben, er, der nach DOLLS oder ZATOICHI im Limbus der Selbstreferentialität gelandet war und dem die Filme nicht wie früher einfach von der Hand gingen. Er hat dabei aber auch den ultimativen Kitano-Film geschaffen, in dem sein melancholischer Naivismus und seine lakonische Clownerie völlig zu sich kommen. Es ist sicherlich nicht sein bester Film, aber ACHILLES hat die vollkommene Kitano Takeshi Experience, sag ich mal so, …in der nebenbei noch nahegelegt wird, dass die Natürlichkeit des Künstlers etwas von einer geistigen Behinderung hat.

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                                • vannorden 16.06.2016, 10:40 Geändert 16.06.2016, 10:42

                                  Lasst das nicht die Académie française mitbekommen, wie ihr die französische Sprache misshandelt und den bisherigen Accent aigu im Lösungswort einfach unter den Tisch fallen lasst! Habt ja noch drei Chancen das besser zu machen. :P

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                                  • vannorden 14.06.2016, 10:29 Geändert 14.06.2016, 10:29

                                    :(
                                    alleine Ostasien:
                                    - 2 Dokus
                                    - 1 us-amerikan. Spielfilm mit China als Co-Produzenten
                                    - der 15. Dragonball Z Film

                                    heißt ein Spielfilm aus einer mehr als reichhaltigen Kinoregion und dann läuft dieser - yeah - THE ASSASSIN - yeah - bestimmt auch nur vereinzelt. Aber wenigstens einer. Einer.
                                    :(

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                                      vannorden 09.06.2016, 11:10 Geändert 04.07.2016, 13:05

                                      Eine Frau, Pearl Chavez (Jennifer Jones), zwischen zwei Männern, zwischen einer reinen, sexlosen Liebe voll Güte und einer reißerischen Hassliebe voll Ekstase, Hysterie und Unaufrichtigkeit. Eine Frau zwischen zwei Polen: endlich dem Willen gut zu sein nachgeben oder weiter die Wilde voll Selbsthass bleiben. Eingewoben ist ihr zerrissener Kampf mit ihren Trieben und ihrer Identität – so wird sie als Kind eines sympathischen, gutmütigen, europastämmigen Eifersuchtsmörders und einer leidenschaftlichen, indianischen Ehebrecherin eingeführt – in eine Familiensaga mit Rassedünkeln, Vater-Sohn-Konflikten, Erbrangeleien, leidenschaftlichen Kämpfen um gesellschaftliche Umbrüche und Liebe zwischen Cousins und Cousinen. Alles sieht nach Western aus, wird doch beständig Cowboyhut und Revolvergürtel getragen, aber DUEL IN THE SUN ist ein sich überschlagender Vorläufer von DALLAS. Ein glühendes Melodram, wo bezeichnenderweise auch die Prediger schnell mit dem Colt rumfuchteln, wo sittsame Liebe von einer verstörenden Blässe ist und das immer, wenn der Zuschauer denken könnte, dass die Geschichte nun endlich in die gewohnten moralischen Bahnen von Hollywood einmündet, nochmal mehr eskaliert. Pearl Chavez versucht beständig ihre Leidenschaft einzudämmen, aber immer schlimmer werden die Flutwellen, wenn die Dämme dann wieder brechen. Enden tut alles in der Wüste, worauf uns der Eröffnungsmonolog schon vorbereitet, … wie sehr die Menschen dort, von der Sonne und ihren Leidenschaften weichgekocht, einem schweißtreibenden Wahnsinn aus Liebe und Hass anheimgefallen sind, dass spottet dann aber doch jeder Vorstellung.

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                                      • 7 .5

                                        Die Grundsituation von THE VVITCH ist die eines Versuchsaufbaus zur soziologischen Untersuchung der Entstehung von Hexenjagden. Eine Familie wird ins Nirgendwo am Rande neuenglischer Pilgertums verpflanzt, wo sie ein gottgefälliges Leben sucht. Finden tut sie aber Paranoia. Grenzenlose Paranoia. Die Ernte verfault, ein Baby verschwindet, sexuelle Gefühle erwachen, wo es nur Eltern und Geschwister gibt, Notlügen werden erzählt, Geschwister geärgert, beständig wird an Ansprüchen gescheitert … der asketische Protestantismus, der die karge, feindliche und vor allem leere Welt um den Hof mit Sinn füllen soll, ist in seinen Ansprüchen an Perfektion und Reinheit der fruchtbare Nährboden für Heuchelei und führt fast logisch unter dem enormen Druck zu immer wilderen Anschuldigungen. THE VVITCH führt die Dynamik sehr deutlich vor, doch der Film selbst ist auch ein gleisendes Dokument einer Paranoia. Denn zu keinem Zeitpunkt findet die entstehende Hexenjagd in diesen soziologisch, rationellen Erklärungen einen beruhigenden Grund. Der Wald um den Hof ist präromantisch. Er ist nicht Teil einer zu genießenden Natur, sondern schlicht unheimlich. Gerade in Phasen, die sich vornehmlich auf dem Hof abspielen, fehlt seine bedrückende optische Macht. Fast beruhigend ist es ohne ihn. Wenn er aber da ist, drückt seine Wand aus Stämmen und Laub auf einen nieder. In ihm ist es wie in einem dreidimensionalen, dichten Spinnennetz, dann bestehen die Bilder fast nur noch aus Ast- und Stammlabyrinthen. Hier ist alles möglich. Vielleicht sind die nackten, schwammigen Hexen, die sich dort in Düsternis durch Schlamm, Blut und Körpersäfte wälzen, echt. Vielleicht sind sie nicht nur Ausdruck der entgrenzten Phantasie psychologisch erklärbarer Situationen. Vielleicht ist der Ziegenbock wirklich Satan, vielleicht der Wald wirklich ein Vorhof der Hölle. Ein fester Untergrund ist in THE VVITCH nicht zu finden, nur grauselig handelnde Menschen, die einen so schon verängstigen können, aber so viel mehr Grauen ist hier möglich. Nur eines scheint sicher, Gott hat diese Welt verlassen und es gibt nur einen Ausweg ins Glück.

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                                        • vannorden 24.05.2016, 11:24 Geändert 24.05.2016, 11:25

                                          Guckst du keine Retro? Ich kenne die fast alle und die, die ich kenne, kann ich auch nur empfehlen. Onibaba oder Ugetsu schon gesehen? Jigoku oder Kwaidan, so toll. Freitag abend vll noch The Mansion of the Ghost Cat? :P

                                          Ansonsten natürlich ausnahmslos: Neid! :)

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                                          • Mermaid in the Manhole ! Devil Woman Doctor ! Android of Notre Dame

                                            bei diesen Titeln müssen die Wertungen doch eindeutig zu niedrig sein. Das schreit doch nach Tollheiten der Sonderklasse. :P Muss ich prüfen.

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                                            • 9 .5
                                              vannorden 23.05.2016, 15:57 Geändert 23.05.2016, 16:13

                                              Mehrmals malt Scott mit Farbfiltern, verregneten Fenstern und dem Gesicht von John Travolta impressionistische Gemälde einer schweren Depression. Es sind aber auch hochemotionale Bilder, hinter denen Ryder, der von Travolta gespielte Schnellbahnentführer und Geiselnehmer, gemeinsam mit seinen Motiven andeutungsreich versteckt wird. Genauso wie hinter seinen moralinen wie verbitterten Ansprachen, die er dem Bahnpersonal und der Polizei gegenüber hält. Je näher Ryder jedoch seinem Ziel, Geld oder ist es doch sein eigener Tod, kommt, desto klarer werden die Bilder. Erlösung scheint mit dieser optischen Aufgeräumtheit einherzugehen. Auf der anderen Seite: Denzel Washington als gestrauchelter Bahnbeamter Walter Garber. Zufällig zum Unterhändler geworden, sitzt er im Zentrum eines schonungslosen Thrilleruhrwerks, das mit kurzen Ultimaten, drakonisch durchgeführten Strafen bei nichterfüllten Forderungen und effektiver Handlungsunfähigkeit, stets bleibt er von den Entscheidungen Ryders, seiner Vorgesetzten und der Polizei abhängig, auf ihn niederdrückt. Die Kamera kreist um ihn, der Schnitt wirft uns hin und her, zwischen seinen Hilfe suchenden Blicken, seiner wenig hilfreichen Umwelt und dem Schlachtfeld gewordenen U-Bahnschacht. Walter Garber betreffend zeigt uns THE TAKING OF PALHAM 1 2 3 Bilder einer mentalen Schnappatmung... denn mitnichten handelt Scotts Film von einem Heist, sondern von einem STAR WARSartigen, wenn auch deutlich schwermütigeren, Kampf um verletzte Seelen. Für Walter heißt das: Soll er weiter für eine indifferente, heuchlerische Welt kämpfen oder Ryders Darth Vader, der in ihm seinen Luke Skywalker zu erkennen glaubt, der mal mit seinem Freund Walter verständig plaudert und diesen lehrmeistert, nur um ihn dann, ohne mit der Wimper zu zucken, in einen öffentlichen Seelenstriptease zu zwingen, ... soll er nun diesem Herrn der Depression auf seinen Weg einer narzisstischen Verdammnis der Welt folgen? Der Verdruss und die Verzweiflung des Walter Garber, latent vorher schon am Ausbrechen, wird nun also gefüttert und durch die Mittel eines Thrillers verdichtet. Erst als er all das abhängt und mit einer Pistole in der Hand im U-Bahnschacht endet, fällt all das von ihm ab. THE TAKING OF PALHAM 1 2 3 ist ein tieftrauriger Film, ein wunderschöner Film, ein Film voll Todessehnsucht. Ein Film, der von Menschen am Ende erzählt und ihnen dort zumindest den Hoffnungsschimmer eines Auswegs gewährt, egal wie ambivalent dieser auch jeweils sein mag. Zumindest etwas Hoffnung und Sonnenstrahlen nach einem Ritt durch einen Heistthriller, der vom Gefühl des Ausgebranntseins nur so glüht. Dass UNSTOPPABLE Tony Scotts letzter Film wurde und nicht THE TAKING OF PALHAM 1 2 3, der doch sehr beredet von der Sehnsucht vom Griff zum Rasiermesser erzählt, ist so irgendwie ... hoffnungsvoll.

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                                              • vannorden 13.05.2016, 10:57 Geändert 13.05.2016, 10:58

                                                Boah, brutaler Cliffhanger! #Polenta

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                                                • 7 .5
                                                  vannorden 10.05.2016, 08:26 Geändert 10.05.2016, 09:58

                                                  War THE DARK KNIGHT vor 8 Jahren der passende Film zum Amtsabtritt von George W. Bush, dem schwarzen Ritter, der den Hass und die Häme der Menschheit auf sich zog, um diese trotz ihrer Ignoranz um die "wahren" Sachverhalte zu retten, dann ist GODS OF EGYPT wohl der passende Film für den Wahlkampf Trump vs Clinton/Sanders. Auf der einen Seite ein von Gier besessener, megalomaner, egomaner Todesgott (Gerard Butler als Set), dem der Weltuntergang egal ist, wenn er nur jeden, der ihn nicht genug liebt, damit etwas heimzahlen kann. Auf der anderen die Hoffnung, dass da draußen ein Herrschaftsanwärter wartet (Nikolaj Coster-Waldau als Horus, Gott des Himmels), der irgendwann doch noch realisiert, dass ein König ein Diener seines Volkes sein sollte. GODS OF EGYPT, von einem CGI angetrieben, mit welchem die Macher ihre Phantasie voranpeitschten ließen, um eine sagenhafte Welt zu erwecken, wird wohl nicht den Durchschlag an den Kinokassen des dunklen Ritters haben… zu schön präsentiert es zu bittere Hoffnungen. Was schade ist.

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                                                    vannorden 28.04.2016, 10:27 Geändert 28.04.2016, 13:52

                                                    Der Waldrausch interessierte 1977 bei der Produktion von WALDRAUSCH wohl niemanden. Die Struktur entsprach in den vorherigen Verfilmungen in etwa dem Ablauf, dass sich diverse Konflikte anstauten und zu einem rauschenden Hass führten, symbolisch durch den Waldrausch verbildlicht, einem die Luft stickig machenden Pollenflug, was sich alles mit einem Hochwasser und einem knapp abgewendeten Staudammbruch löste. Alle Motive von Animositäten und Eifersucht, die vorher die Konflikte bildeten, laufen hier unter Horst Hächlers Federführung nur nebenher und werden wie der Waldrausch kaum beachtet. Artig werden sie abgehandelt, aber Sinn ergibt ihr Vorhanden sein nicht. Ihren Höhepunkt und ihre Auflösung erreichen diese auch erst, wenn der Film mit dem Überstehen des Hochwassers seine Intensität schon längst verloren hat. Keine Frage, dieser WALDRAUSCH handelt von etwas ganz anderem, nämlich der Verquickung von Kapitalismus und Rassismus. Zu Beginn kommen Kapitalisten, welche fröhlich vor der Kamera erzählen, wie sie ein Dorf ausnehmen werden. Sie holen Gastarbeiter aus Italien, die billig arbeiten. Betrügen beim Landkauf, bei den Löhnen, bei der Verpflegung. Die ansässigen Arbeiter, wehren sich aber nicht gegen ihre Ausbeuter, sondern gehen den noch mehr ausgebeuteten Italienern an den Hals. Hier rauscht der Hass in einem fort. Am Ende sind die Gastarbeiter weg und die Kapitalisten tauchen wieder auf… Sie erzählen abermals froh vor der Kamera, wie schön reich sie ohne Störung mit ihren Methoden geworden sind. Ende. Völlig steif, völlig bräsig, irgendwo zwischen Tendenzstück und orientierungslosem Herumirren… selbstredend mit dem guten deutschen Stahlhumor. Durchaus gewitzt und faszinierend, aber sicherlich keine Rausch.

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