wordspersecond - Kommentare

Alle Kommentare von wordspersecond

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    Kaum ein anderer Film dürfte im vergangenen Jahr die Gemüter so sehr gespalten haben, wie Luca Guadagninos BONES AND ALL. Während der Film für manche ein nahezu poetischer Mix aus Coming-of-Age-Drama, Roadmovie, Romanze und Kannibalismus-Thriller war, waren es vor allen Dingen die eingeflochtenen Horrorelemente sowie einige unappetitliche Szenen, die den Film für andere nahezu unerträglich machten (wobei es im Gegensatz dazu gewiss auch jene gab, für die das Gezeigte wiederum nicht weit genug ging). Darüber hinaus schien es fast schon ein Running Gag zu sein, dass, nachdem dem CALL ME BY YOUR NAME-Star Armie Hammer verstörende, kannibalische Fantasien (und mehr) vorgeworfen wurden, ausgerechnet der Regisseur eben jenes Films sowie Hammers damaliger Co-Star Timothée Chalamet gemeinsam an einem neuen Projekt arbeiteten, dessen Kernthematik eben Kannibalismus ist – auch wenn Luca Guadagnino deutlich gemacht hat, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Arbeit an dem Film und den Vorwürfen gegen Armie Hammer gegeben habe.

    Im Fokus von BONES AND ALL steht die Schülerin Maren (Taylor Russell). Maren ist anders. Anders als ihr Vater, anders als ihre Mitschüler:innen, anders als all die anderen Menschen. Denn Maren verspürt einen Hunger – einen Hunger nach menschlichem Fleisch. Als es wieder zu einem Zwischenfall kommt, wird sie über Nacht von ihrem alleinerziehenden Vater (André Holland) verlassen, welcher ihr lediglich ein bisschen Bargeld sowie eine Botschaft auf einer Kassette hinterlässt. Auf sich allein gestellt, begibt sich Maren auf einen Roadtrip mit dem Ziel, ihre Mutter ausfindig zu machen.

    Bei einem Zwischenstopp trifft sie in einem Drugstore auf Lee (Timothée Chalamet), ein junger Mann, der mehr Gemeinsamkeiten mit ihr teilt, als lediglich das etwa gleiche Alter. Denn auch er verspürt diesen Hunger. Und so sind Maren und Lee fortan gemeinsam unterwegs, wobei die beiden auf ihrer streckenweise blutigen Reise nicht nur sich selbst suchen, sondern zudem auch zueinander finden.

    Gleich zu Beginn wird die Tonalität des Films festgemacht, wobei diese in gewisser Weise den Charakter der Hauptfigur Maren widerspiegelt: ruhig, melancholisch, in sich gekehrt. Allerdings ist da dieses innere Verlangen, welches sich ab und an Bahn bricht und in den punktuell eingesetzten Gewaltakten entlädt. Dies sorgt dafür, dass in fast jeder Szene ein Gefühl des Unbehagens mitschwingt; selbst dann oder besser vor allen Dingen dann, wenn es zu einem Austausch von Zärtlichkeiten und körperlicher Nähe kommt.

    Und eben jenes unbehagliche Gefühl kann dazu führen, dass der Film mitunter nur schwer zu ertragen ist. Es kann sogar so weit führen, dass man aufgrund des absonderlichen Verlangens der Figuren keinen Zugang zu ihnen findet. Wobei selbstverständlich hinterfragt werden darf, ob es für einen Film grundsätzlich erforderlich ist, eine Verbindung vom Publikum zu den Figuren herzustellen. Gerade im Fall von BONES AND ALL stellt der Hunger auf Menschenfleisch schließlich eine Metapher dar. Es ist ein Sinnbild für Andersartigkeit, für etwas, das nicht der Norm entspricht und die heile Welt ins Wanken bringt.

    So sind auch Maren und Lee Ausgestoßene. Sie führen ein Leben als Nomaden, ziehen von Ort zu Ort, ohne je wirklich anzukommen. Sie wissen, dass sie nicht so sind, wie die „normalen“ Menschen, die sie ohnehin auch nie verstehen würden – genau so wenig, wie sie sich selbst verstehen.

    Mit Taylor Russell und Timothée Chalamet wurden genau die beiden richtigen Schauspieler:innen gefunden, um diese innere Zerrissenheit, diese Verletzlichkeit darzustellen. Und auch wenn die Annäherung vielleicht etwas schnell vonstatten geht, so ist die Beziehung zwischen den beiden stets glaubhaft und authentisch – kein Wort und kein Schweigen, kein Blick und keine Geste ist zu viel oder zu wenig.

    An Authentizität mangelt es BONES AND ALL aber ohnehin nicht. So sticht sofort das natürlich ausgeleuchtete, körnige Bild des 35mm-Filmmaterials ins Auge, das die Zuschauer:innen umgehend in die 80er Jahre transportiert, in denen die Geschichte des Films zeitlich angesiedelt ist.

    Untermalt wird die Atmosphäre des Films zudem durch den Score von Trent Reznor und Atticus Ross. Hier zupft mal ganz unaufdringlich im Hintergrund eine Gitarre verträumt ihre Melodie, dort schwillt der Sound bedrohlich an, ohne sich dabei aber zu sehr in den Vordergrund zu drängen, und wenn es sein muss, dann wird in den richtigen Momenten die Musik auch mal ausgesetzt.

    Und doch, trotz all dieser positiven Punkte, konnte mich der Film auf emotionaler Ebene leider nur selten erreichen. Über weite Strecken hatte ich das Gefühl, von dem Geschehen zu weit entfernt zu sein und das Ganze als unbeteiligter Dritter aus der Ferne zu beobachten. Woran dies liegt, kann ich allerdings nicht so recht erfassen. Etwa schlicht und ergreifend an den abscheulichen Taten der beiden Hauptfiguren? Oder an der entschleunigten, zum Teil fast schon hypnotischen Inszenierung? Möglich, ich kann es jedoch nicht mit Gewissheit sagen.

    So bleibt BONES AND ALL zumindest für mich ein gut gespielter, wunderschön anzusehender und formal nahezu makelloser Film, dem aber das letzte Quäntchen fehlte, um mich auch auf emotionaler Ebene zu berühren. Dennoch allemal einen Blick wert.

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    • 8

      Kaum ein:e andere:r Singer-Songwriter:in dürfte in den letzten Jahren so erfolgreich gewesen sein, wie der britische Musiker Ed Sheeran. Spielte er zu Beginn seiner Karriere noch in kleinen Clubs oder rappte als Teenager seine Bars, füllt er inzwischen ganze Stadien. Spätestens mit seinem ersten Album „+“ legte er einen raketenhaften Aufstieg hin. Seitdem sind knapp 12 Jahre vergangen, in denen er mehrere EPs und insgesamt sechs Alben veröffentlicht hat; das aktuellste Album mit dem Titel „–“ ist jetzt am 05. Mai erschienen.

      Passend dazu wurde am 03. Mai – also zwei Tage vorab – auf Disney+ die Dokuserie ED SHEERAN: THE SUM OF IT ALL veröffentlicht. In vier jeweils etwa 30-minütigen Episoden wird die Erfolgsgeschichte des Musikers kurz nachgezeichnet, wobei im Fokus vor allen Dingen die Arbeit am neuesten Album steht. Was dabei allerdings auch recht schnell deutlich wird: Das Dasein als Star ist nicht immer nur eitel Sonnenschein, denn der Erfolg sowie das Leben ganz allgemein haben auch ihre Schattenseiten.

      Zu diesen Schattenseiten zählt nicht nur das teils unausgewogene Gleichgewicht zwischen Tour- und Familienleben, sondern beispielsweise auch ein jüngst ausgefochtener, nervenzehrender Urheberrechtsstreit (welchen er nun aber gewonnen zu haben scheint) sowie mehrere Schicksalsschläge, wie der Tod seines besten Freundes Jamal Edwards oder die Krebsdiagnose seiner Frau.

      All das kann vergessen lassen, dass es sich bei ED SHEERAN: THE SUM OF IT ALL eigentlich um ganz herkömmliches Promo-Material handeln soll. Es wird zuweilen sehr emotional und intim, was die Mini-Dokuserie zu mehr als nur zu reinem Content macht. Und die übliche Promo-Floskel, dass das aktuelle Album das persönlichste sei, wirkt hier ausnahmsweise ganz glaubhaft.

      Der in den Medien ohnehin stets sympathisch auftretende Ed Sheeran erscheint als Protagonisten hier noch nahbarer, menschlicher und, ja, verletzlicher. Exemplarisch steht dafür ein mitgeschnittenes Konzert, bei dem er erstmals sein neuestes Material einem öffentlichen Publikum präsentiert. Während er bei seinen sonstigen Auftritten als „Showman“ souverän auf der Bühne steht und seine Songs performt, ist er an diesem Abend des Öfteren den Tränen nahe. So ergeht es ihm aber auch noch an der einen oder anderen Stelle im Verlauf der Serie. Es ist erstaunlich, wie transparent er mit seinen Gefühlen umgeht und wie offen er sie zeigt. Nur manchmal kann es etwas unangenehm werden, etwa wenn Ed Sheeran erneut weint und die Kamera einfach weiter drauf hält.

      Ansonsten erfährt man hier in den insgesamt etwas mehr als zwei Stunden einiges aus dem Privatleben des Musikers sowie über dessen Tour- und Studioroutine. Für alle Fans dürfte ED SHEERAN: THE SUM OF IT ALL genau das Richtige Material sein, um sich auf das neueste Album einzustimmen - falls sie das ohnehin nicht schon getan haben sollten. Doch auch für all jene wie mich, die zwar bisher nicht unbedingt einen Zugang zu seiner Musik gefunden haben, dennoch aber das Talent des Musikers anerkennen können, ist diese kleine Dokuserie einen Blick wert.

      • 6 .5

        Weder haben die beiden Schwestern Sam (Melissa Barrera) und Tara (Jenna Ortega) die traumatisierenden Ereignisse aus dem vergangenen Jahr, all die Morde und den Verlust enger Freund:innen, in irgendeiner Weise aufarbeiten können, noch haben sie sich in ihrer neuen Wahlheimat New York richtig eingelebt, da geht das Morden auch schon wieder von vorne los. Das lässt natürlich nur eine logische Schlussfolgerung zu: Ghostface ist zurück! Vor allen Dingen mit Sam scheint der maskierte Killer (Oder die Killerin? Oder sind es mehrere?) noch Rechnung offen zu haben. Und um diese zu begleichen, meuchelt er (Oder sie? Oder mehrere?) sich munter durch die Großstadt und zieht dabei eine blutrote Spur hinter sich her.

        Die Rückkehr von Ghostface bedeutet aber, dass auch dem Publikum kaum eine Verschnaufpause gegönnt wurde. Denn erst vor knapp einem Jahr machte der maskierte Killer (Oder… naja, ihr wisst schon…) die Leinwand unsicher. Daran zeigt sich: Wenn etwas an den Kinokassen gut funktioniert, kann die Content-Maschinerie Hollywood eben auch ganz schnell produzieren. Das weckt Erinnerungen an SCREAM 2 (1997, R: Wes Craven), der nach dem großen Erfolg des ersten Teils ebenso hastig hinterhergeschoben wurde, wie nun SCREAM VI. Wobei fairerweise erwähnt werden sollte, dass, trotz der kurzen Produktionszeit, SCREAM 2 ein durchaus würdiger Nachfolger war. Aber kann auch der aktuelle Ableger überzeugen? Oder ist der sechste Aufguss vielleicht doch eine Enttäuschung?

        In meinen Reviews habe ich immer mal wieder deutlich gemacht, dass ich von Franchises nicht allzu viel halte. Nichtsdestotrotz kann aber auch ich mich dem Ganzen nicht vollends entziehen und gerade für so manche Horrorfilm-Reihe habe ich einen Soft-Spot. Dazu zählt eben auch die SCREAM-Reihe, die – für mich gesprochen – keinen einzigen wirklich „schlechten“ Film hervorgebracht hat (die überflüssige Serie (2015-2019) will ich an dieser Stelle mal bewusst ausklammern). Und ja, auch SCREAM VI ist eine (immer bzw. gerade) noch solide Fortsetzung, wenngleich ich auch sagen muss, dass ich direkt nach dem Kinobesuch den Film noch ein Stückchen mehr mögen wollte, als es tatsächlich der Fall war.

        Auf der einen Seite mochte ich den Film aufgrund so mancher Ansätze und für einige seiner Ideen. Neben dem aberwitzigen Anfang von SCREAM 4 (2011, R: Wes Craven) sowie dem ikonischen Intro des allerersten SCREAM (1996, R: Wes Craven) hat SCREAM VI einen der besten Opener der Filmreihe zu bieten. Und auch wie hier eindrücklich gezeigt wird, dass die Protagonist:innen selbst in den Wirrungen des Großstadtdschungels und umgeben von unzähligen Menschen nicht sicher sind, hat mir besonders gut gefallen.

        Auf der anderen Seite lässt der Film jedoch einiges an Potential liegen und hat immer wieder mit dem zu kämpfen, was ich als „lazy writing“ bezeichnen würde. Hier treffen die Figuren dämliche Entscheidungen, dort wird der nächste Spannungsmoment (zu) künstlich erzeugt und dann scheinen einige der Figuren dermaßen mit „Plot Armor“ ausgestattet zu sein, dass es zum Kopfschütteln ist. Am bedauerlichsten ist jedoch, dass SCREAM VI nichts zu erzählen hat.

        SCREAM war eine gelungene Satire auf das (Teenie-)Slasher-Genre der damaligen Zeit, in SCREAM 2 wurden die mitunter rassistischen Tropes des Genres thematisiert, in SCREAM 3 (2000, R: Wes Craven) wurde sich zumindest ansatzweise mit dem Thema sexuelle Belästigung in der Filmindustrie beschäftigt, SCREAM 4 ist ein Kommentar auf Social Media und dem Bedürfnis nach „Fame“ und im fünften Teil wurden toxische Fan-Communities vorgeführt. Und nun, in SCREAM VI? Nun, da wurde jeglicher Subtext fast gänzlich ausgespart und stattdessen muss man sich mit einem meta-humoristisch gemeinten Kommentar auf Franchises begnügen, der dann nicht einmal konsequent ausformuliert wird.

        Aber selbst auf dieser Ebene hat der Film nicht viel Neues beizutragen. Den beiden Regisseuren Matt Bettinelli-Olpen und Tyler Gillett sowie den beiden Drehbuchautoren James Vanderbilt und Guy Busick ist anzumerken, dass sie Horrorfilme studiert haben und sich in diesem Fach äußerst gut auskennen. Anstatt dieses angeeignete Wissen aber zu nutzen, um gängige Tropes zu unterlaufen und tatsächlich mal etwas Anderes zu wagen, werden doch wieder nur die gleichen Klischees bedient. Was hier gemacht wird, ist, lediglich einzelne Elemente zu variieren: ein neues Setting, teils neue Charaktere und eine neue Bedrohung. Das alles soll allerdings nur den Anschein erwecken, als würde hier auch etwas wirklich Neues auf das Publikum warten. Am Ende jedoch bleibt alles beim Alten.

        Und trotzdem, auch wenn ich bis hier hin sehr kritisch war, muss ich sagen, dass ich SCREAM VI nicht wirklich „schlecht“ fand. Über weite Strecken hinweg fühlte ich mich gut unterhalten, so dass ich über die eingekehrte „Trivialisierung“ einigermaßen hinwegsehen kann. Ich weiß nicht, ob es wirklich noch einen siebten Teil braucht. Aber solange sich Geld mit dem Franchise verdienen lässt, wird Ghostface wohl auch in Zukunft die Leinwand blutrot färben. Die beiden Regisseure haben auch schon Interesse an weiteren Teilen bekundet. Da bleibt nur zu hoffen, dass sie in einem potentiell nächsten Film auch wirklich etwas Neues wagen.

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        • 7

          Auch nachdem ich den Film nun gesehen habe, ist mir immer noch nicht ganz klar, was THE SUICIDE SUQAD jetzt eigentlich sein soll. Ist es ein Reboot? Ein Sequel? Oder beides zugleich?

          Wobei sich mir anschließend daran noch folgende Anschlussfrage stellt: Ist es denn überhaupt relevant?

          Gerade bei dem ganzen Gewurschtel in dem DCEU (oder was davon noch übrig geblieben ist) habe ich damit aufgehört, nachvollziehen zu wollen, welche Filme dazugehören, wie sie miteinander in Verbindung stehen und wo die Grenzen verwischen.

          Im Falle von James Gunns THE SUICIDE SQUAD ist es dann auch wirklich egal, ob der Film nun ein ein Reboot, Sequel oder Requel des fast gleichnamigen SUICIDE SQUAD aus dem Jahr 2016 ist. Denn die Neuauflage funktioniert, auch ohne den ersten Film gesehen zu haben. In diesem Falle würde ich sogar dazu raten, den ersten SUICIDE SQUADE zu ignorieren und gleich zu THE SUICIDE SQUAD überzugehen.

          Zwar ist auch James Gunns Version des comichaften Selbstmordkommandos bei weitem nicht perfekt, aber dennoch tausendmal besser als das, was David Ayer fünf Jahre zuvor abgeliefert hat. Ja, mir ist bewusst, dass das Studio massiv eingegriffen hat, aber nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass ein „Ayer Cut“ da noch etwas retten würde.

          THE SUICIDE SQUAD bietet die kreativeren, teils comichafteren Ideen. Gut, die Gags zünden zumindest bei mir nicht immer, was aber auch daran liegen mag, dass ich generell mit James Gunns Sinn für Humor nicht so viel anfangen kann – aber das Problem hatte ich bereits sowohl bei den GUARDIANS OF THE GALAXY-Filmen, als auch bei seiner damals noch independent produzierten Superheldenparodie SUPER.

          Nichtsdestotrotz hat James Gunn hier auch vieles richtig gemacht. Man merkt einfach, dass sein Herz für Comics und Superheld:innen schlägt. Und sobald der dezent zu klamaukig geratene Einstieg einmal überstanden ist und der Film die richtige Tonalität gefunden hat, sobald sich die Dynamik zwischen den Figuren entfaltet hat und die eigentliche Handlung Fahrt aufnimmt, schafft James Gunn das, woran David Ayer zuvor gescheitert ist: Er weiß sein Publikum zu unterhalten.

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          • 7

            Auch nachdem ich den Film etwas habe nachwirken lassen, kann ich kaum sagen, ob das, was ich da gesehen habe, einfach dumm oder schlicht genial ist. EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE ist pure Kreativität und Überforderung in einem. Die beiden Davids machen wirklich keine Gefangenen, wobei sie ihren Film bewusst heillos überfrachten und gerade in der ersten Hälfte gefühlt pro Szene einmal jede Emotion triggern wollen. Der Film hetzt von Szene zu Szene und lässt kaum Zeit für eine Atempause. Da folgt Wortgefecht auf Slapstickeinlage auf trauriges Familiendrama auf Dildowitzchen und man weiß gar nicht, ob man lachen, weinen oder sich einfach nur Augen und Ohren zuhalten soll.

            Erst etwa ab der zweiten Hälfte fängt sich das Ganze. Wobei ich nicht sagen kann, ob der Film das Tempo wirklich etwas drosselt oder ob man sich lediglich an diese Kakophonie gewöhnt hat.

            Leider will auch nicht jeder Witz zünden. Aber da kommt die Formel von den Davids zum tragen, welche da lautet: Viel hilft viel. Irgendein Gag wird schon sitzen.

            Erstaunlich dabei ist, dass der Film am Ende trotz alledem funktioniert und sogar auf emotionaler Ebene zu berühren weiß - zumindest insofern man in der richtigen Stimmung für den Film ist und ihm so manchen schrägen Moment nicht krumm nimmt. Denn ansonsten können zwei Stunden Bilderrausch und Schnittgewitter wirklich lang und anstrengend werden. Ist man jedoch offen für das alles, bekommt man mit EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE einen Trip geboten, bei dem der Filmtitel im wahrsten Sinne das Programm vorgibt.

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            • 8
              wordspersecond 04.02.2023, 08:13 Geändert 04.02.2023, 08:19

              Die Ambitionen, auch in Übersee im Filmgeschäft tätig zu werden, scheinen sicherlich schon bei der Netflix-Miniserie UNORTHODOX (2020) sowie bei dem Spielfilm ICH BIN DEIN MENSCH (2021) erkennbar gewesen zu sein. Zwar habe ich bisher weder Serie noch Film gesehen, jedoch fanden beide Produktionen auch international Beachtung. Der Ende 2022 erschienene SHE SAID markiert nun die erste tatsächliche Hollywood-Arbeit für die deutsche Filmemacherin Maria Schrader. Und was sie da vorgelegt hat, kann sich sehen lassen.

              Nicht, weil die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte rund um die Recherchen zu dem Weinstein-Skandal ausgesprochen bildgewaltig in Szene gesetzt worden wäre. Sondern weil Schrader es gelungen ist, das dialoglastige Journalismus-Drama mitreißend und feinfühlig zugleich zu inszenieren. Dabei begeht Schrader hier nicht den Fehler, es reißerisch aufzuziehen. Sie stellt mit der nötigen Ernsthaftigkeit die Arbeit der beiden Journalistinnen nach, die in dem Fall recherchiert haben und von denen der New York Times-Artikel stammt. Und die Tatsache, dass sie den Skandal eben nicht ausschlachtet, sorgt dafür, dass die Frauen, welche Opfer von Harvey Weinstein geworden sind, nicht bloßgestellt werden.

              Es ist nur zu leicht, Verbindungen zu weiteren Genre-Vertretern wie SPOTLIGHT (2015) zu ziehen, schlägt SHE SAID doch in eine ähnliche Kerbe. Das ist aber keineswegs despektierlich gemeint, sondern kann als Qualitätsmerkmal verstanden werden.

              Gleichzeitig teilt Schraders Film sogar das selbe Problem wie etwa SPOTLIGHT. Denn die Fülle an Namen kann mitunter dazu führen, zeitweise den Faden zu verlieren. Die vielen vorkommenden Personen machen zwar die Ausmaße des Falls deutlich, können allerdings auch Verwirrung und Irritation stiften.

              Doch das ist nicht per se die Schuld des Films und Schrader kann selbstverständlich auch nichts dafür, dass in den Fall so viele Menschen involviert sind - sowohl auf der Seite der Opfer, als auch auf der Seite derjenigen, die von dem Verhalten und den Taten Harvey Weinsteins gewusst und es billigend hingenommen oder sogar vertuscht haben.

              Schade nur, dass SHE SAID an den Kinokassen so sehr untergegangen ist. Denn dieser Film hätte wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdient. Leider wird er die aber auch nachträglich nicht noch durch die diesjährige Oscar-Verleihung bekommen, denn dort wurde er, ebenso wie schon bei den Golden Globes, sträflich verschmäht.

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              • 8

                Mord ist sein Hobby

                Wenn man den Worten des Filmemachers Rian Johnson Glauben schenken mag, dann begann alles mit einer Idee – einer Idee davon, einen Whodunit im Stile eines Agatha Christie-Krimis zu inszenieren und dem Ganzen zusätzlich einen eigenen Twist zu verleihen. Getrieben von der Liebe zu eben jenem Genre wuchs die Idee immer weiter, wurde konkreter und begann Form anzunehmen. Das Ergebnis davon war schließlich 2019 auf der großen Leinwand zu sehen: KNIVES OUT.

                Nachdem Johnson bereits mit STAR WARS: DIE LETZTEN JEDI (OT: STAR WARS: THE LAST JEDI, 2017) den Pfad vom Auteur zum Franchise-Regisseur betreten hatte, sollte KNIVES OUT nun den Beginn seines eigenen Franchises markieren. Denn nicht nur die Kritiker:innen lobten den Film für seinen frischen Ansatz, auch das Publikum strömte scharenweise in die Kinos. Mit riesigen Dollarzeichen in den Augen sicherte sich Netflix schließlich die Rechte an gleich zwei Fortsetzungen. Dabei ließ sich der Konzern nicht lumpen und legte rund 469 Millionen US-Dollar auf den Tisch – also knapp 234,5 Millionen US-Dollar pro Film. Zum Vergleich: Der erste Teil war eine Mid-Budget-Produktion und kostete „nur“ knapp 40 Millionen US-Dollar.

                Eine mörderische Party

                In seinem ersten Fall auf der großen Leinwand musste der etwas schrullige, aber gewitzte Detektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) den Mord an einen Patriarchen aufklären. Sein neuester Fall wiederum beginnt mit einer Einladung zu einer Murder Mystery-Party, welche auf der Privatinsel des Tech-Milliardärs Miles Bron (Edward Norton) stattfinden soll. Außerdem mit dabei ist Miles Brons „engster Freundeskreis“ plus Anhang. Dazu gehören die Politikerin Claire Debella (Kathryn Hahn), der Wissenschaftler Lionel Toussaint (Leslie Odom Jr.), der testosterongeladene „Männerrechtler“ Duke Cody (Dave Bautista) und dessen Freundin „Whiskey“ (Madely Cline) sowie die ehemalige Fashion-Ikone Birdie Jay (Kate Hudson) und deren Assistentin Peg (Jessica Henwick).

                Doch es gibt noch eine weitere Person, die mit von der Party ist und mit deren Auftauchen wohl niemand gerechnet hätte: Andi (Janelle Monáe). Andi war selbst einmal Teil des „Inner Circles“ und darüber hinaus auch die Geschäftspartnerin von Miles Bron – zumindest solange, bis die Geschäftsbeziehung ein unschönes Ende nahm.

                Aber auch innerhalb des verbliebenen Freundeskreises herrscht nicht nur eitel Sonnenschein. Die Stimmung wird immer angespannter, bis die Murder Mystery-Party schließlich eine düstere Wendung nimmt und jemand stirbt. Nun muss Benoit Blanc schleunigst einen tatsächlichen Mordfall aufklären, bevor der Täter oder die Täterin ein weiteres Mal zuschlägt.

                Auf Hochglanz poliert

                War KNIVES OUT noch eine sehr offensichtliche Verbeugung vor den Agatha Christie-Geschichten, welche charmant rustikal und altmodisch daherkam, wirkt GLASS ONION dagegen wesentlich moderner. Das liegt zum einen am Schauplatz. Die Geschichte in Teil Eins spielte vorrangig in einem alten, verwinkelten Herrenhaus, während der Tatort in Teil Zwei ein großes, gläsernes Hightech-Anwesen auf einer Privatinsel ist. Zum anderen entsteht dieser Eindruck durch den Look. Das Bild in Teil Eins war körniger, ja, „filmischer", während es in Teil Zwei nun glatter, polierter und damit digitaler wirkt.

                Das passt natürlich auch zum eingeschriebenen Thema. Anders als der verstorbene Patriarch im ersten Teil, ist Miles Bron kein Autor von Krimi-Geschichten, er ist ein Tech-Milliardär. Sein Werkzeug ist nicht die analoge Schreibmaschine. Sein Werkzeug ist der Computer, mit dem er die digitale Welt – und damit gewissermaßen auch die reale Welt – nach seinen Vorstellungen gestalten möchte.

                Netflix: „Wie viel Gesellschaftskritik soll‘s dieses Mal sein?“ Rian Johnson: „Ja!“

                Die von Edward Norton gespielte Figur hat sich ein Umfeld aus Ja-Sager:innen und Nutznießer:innen geschaffen, die von seiner Gunst und seinem Geld sowie von dem Erfolg seiner genialen bis wahnwitzigen Ideen abhängig sind. Und es ist sicherlich kein Zufall, dass Miles Bron dahingehend sehr stark an andere Tech-Milliardäre erinnert, wie beispielsweise Mark Zuckerberg oder Elon Musk.

                Doch nicht nur fehlgeleitete, größenwahnsinnige Tech-Milliardäre aus dem Silicon Valley bekommen hier ihr Fett weg. Es wird auch anderweitig kräftig ausgeteilt: gegen Leute, die ohne nachzudenken ihre „Meinung“ zu jedem Thema auf Social Media hinausposaunen, gegen Internetmachos, die sich vom Feminismus bedroht fühlen oder gegen Politiker:innen, die sich mehr um ihr Image sorgen, anstatt wirkliche Inhalte vorzuweisen.

                Dabei scheut sich Rian Johnson nicht davor, ganz dick aufzutragen und seiner Gesellschaftskritik eine riesige Menge Ironie beizumischen. So ähnelt GLASS ONION zuweilen eher einer Satire als einem klassischen Krimi.

                Einfach dumm oder schlicht genial?

                Besonders macht sich diese Überzeichnung bei den Figuren bemerkbar. Die Charaktere wirken fast allesamt wie Karikaturen. Auch wenn es durchaus amüsant ist, dabei zuzusehen, wie Johnson hier genüsslich die High Society vorführt und dabei lobenswerter Weise ausschließlich nach oben tritt, so kann es mitunter schwer fallen, die Figuren ernst zu nehmen. Selbst Benoit Blancs ohnehin etwas kauzige Art kommt hier noch einmal etwas übertriebener daher.

                Lediglich Andi, die von Janelle Monáe gespielt wird, bekommt etwas mehr Tiefe verliehen und bietet sich somit als Identifikationsfigur an. Sie stellt ein gutes Gegengewicht zu den anderen Figuren dar und erdet den Film wieder ein wenig. Allerdings dauert es eine kleine Weile, bis man mehr von ihr zu sehen bekommt und über sie erfährt, da Johnson sich mit der Einführung seiner Figuren reichlich Zeit lässt.

                Aber reichlich Zeit lässt er sich generell in seinem Film. Zwei Stunden und Zwanzig Minuten geht GLASS ONION. Doch auch wenn der Film gewiss unnötig aufgebläht daherkommt, ist er dennoch zu keinem Zeitpunkt langweilig. Dafür ist Johnson ein zu routinierter Regisseur, der sich nicht nur im Krimi-Genre bestens auskennt, sondern auch sein Handwerk versteht und daher weiß, wie er das Publikum bei der Stange halten kann.

                Von der Formel her ähnelt GLASS ONION zwar seinem Vorgänger, dennoch fühlt er sich anders und frisch an. Das war vermutlich aber auch so gewollt. Nicht umsonst hat Johnson diesen Film als eine Art „new novel“, also als einen „neuen Roman“, bezeichnet. So reicht GLASS ONION nicht ganz an das Niveau seines Vorgängers heran. Doch die kritischen Töne, die hier angeschlagen werden, treffen genau den Zeitgeist und die gut aufgelegten Darsteller:innen schaffen es, den einen oder anderen Holzhammer-Moment zu überspielen.

                Gute Arbeit. Fall abgeschlossen!

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                  Was wäre, wenn der Weihnachtsmann kein Ammenmärchen wäre? Was wäre, wenn es ihn wirklich geben würde? Nun, wenn es sich dabei um die freundliche CocaCola-Santa-Variante mit dickem Bauch und weißem Rauschebart, mit fliegenden Rentieren und einem Sack voller Geschenken handeln würde, dann würde sicherlich so mancher Kindertraum in Erfüllung gehen. Aber was wäre, wenn es sich um eine andere Variante des Weihnachtsmanns handeln würde? Etwa um ein böses, nahezu unmenschliches Wesen, das kommt, um die unartigen Kinder zu holen und zu bestrafen?

                  Mit diesem Gedankenspiel hat sich offenbar auch Regisseur und Drehbuchautor Jalmari Helander in seiner finnisch-norwegisch-schwedisch-französischen Koproduktion RARE EXPORTS aus dem Jahr 2010 beschäftigt. In dem Film muss nämlich eine kleine Dorfgemeinschaft feststellen, dass an den Erzählungen über den Weihnachtsmann doch mehr dran zu sein scheint, als sie sich je zu träumen gewagt haben.

                  Herausgekommen ist dabei eine schrullige „Weihnachtsgeschichte“ mit Fantasy-, Comedy- und Horrorelementen, wobei das Ergebnis weder so richtig Fantasy- oder Horrorfilm noch Komödie ist. Stattdessen ist von allem immer ein bisschen was vorhanden.

                  Was dabei sehr gelungen ist, ist die Ankündigung des Grauens, der nahenden Bedrohung. Es ereignen sich mehrere merkwürdige Vorkommnisse und nach und nach dämmert es den Dorfbewohnern, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht.

                  Leider macht der Film nicht viel aus dieser Prämisse. Denn sobald die Bedrohung einmal etabliert ist, ist der Film auch fast schon wieder vorbei, wobei sich der Ausweg aus der Misere als ein wenig zu einfach erweist.

                  Nichtsdestotrotz hat der Film einen gewissen Charme, was nicht zuletzt an den schrägen, liebenswerten Figuren liegt. Für einen gemütlichen (vor-)weihnachtlichen Filmabend könnte RARE EXPORTS durchaus eine passable Wahl sein.

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                    Anna (Ella Hunt) plagen die typischen Sorgen einer Teenagerin: Liebesprobleme, ewig Stress mit dem Vater und keine konkrete Vorstellung davon, was nach dem Schulabschluss auf sie zukommen wird. Einem neuen, sich rasend schnell ausbreitenden Virus wird da erst einmal keine weitere Beachtung geschenkt. Doch während an Heiligabend eigentlich die alljährliche Schulaufführung stattfinden soll, bricht auf einmal die Hölle los. Und plötzlich müssen sich Anna und ihre Freund:innen gegen umherschlurfende Zombies zur Wehr setzen.

                    Die Idee passt eigentlich auf einen Bierdeckel: Weihnachtsfilm und Musical… und Zombies. So wird in ANNA UND DIE APOKALYPSE nicht nur vor weihnachtlicher Kulisse geträllert, sondern es wird sich obendrein durch Zombie-Horden gemetzelt. Was aber zunächst nach einer Mischung aus SHAUN OF THE DEAD und HIGH SCHOOL MUSICAL klingt und beginnt, entwickelt zum Glück rasch seinen ganz eigenen (britischen) Charme. Aus beiden Welten wurden die besten Stücke entnommen, neu zusammengefügt und zusätzlich mit einer ganz eigenen Note versehen.

                    Allerdings sollte hier kein fetziger Splatter-Spaß in Reinform erwartet werden. Denn auch wenn der Film recht beschwingt beginnt, werden spätestens mit dem Ausbruch der titelgebenden Zombieapokalypse dramatischere, teils auch gesellschaftskritische Töne angeschlagen. Das nimmt zwar etwas Tempo heraus, gleichzeitig wird dem Ganzen aber mehr Tiefgang und die nötige Fallhöhe verliehen.

                    Überzeugen können zudem die jungen, mitunter noch recht unbekannten, aber sehr talentierten Darsteller:innen. Die Figurenzeichnung ist zwar etwas reißbrettartig, aber die Darsteller:innen wissen ihre Charaktere trotzdem mit Leben und Seele zu füllen. Darüber hinaus sieht man ihnen aber nicht nur gerne zu, man hört ihnen auch gerne zu. Und an dieser Stelle soll auch noch einmal die Komposition der Songs lobend hervorgehoben werden. Hier reiht sich ein Indie-Pop-Hit an den nächsten und nach dem Ende des Films hatte ich sofort Lust, mir den Soundtrack nochmals anzuhören.

                    Ein Punkt, der mich während des Schauens tatsächlich gestört hat, ist, dass die Figuren teilweise wirklich dumme Entscheidungen treffen. Der eine oder andere ärgerliche Filmtod hätte gewiss verhindert werden können. Doch während sich dieser Umstand einerseits mildernd auf das Sehvergnügen auswirken kann, kann andererseits das mitunter recht dämliche Verhalten als eine Spiegelung unseres eigenen dämlichen Verhaltens interpretiert werden. Und damit kommen wir abschließend auf die mögliche Message des Films zu sprechen. Denn die Zombieapokalpyse kann durchaus als Metapher für diverse real existierende Krisen, wie zum Beispiel die Klimakatastrophe, gelesen werden. Und das Verhalten der Figuren spiegelt in gewisser Weise unseren eigenen Umgang mit solchen Krisen wider. Und dazu zählt eben auch: Anstatt frühzeitig zu reagieren und der drohenden Gefahr mit den notwendigen Maßnahmen entgegenzutreten, reagieren wir erst, wenn es im Grunde schon zu spät ist.

                    In diesem Sinne: Merry Z-Mas! 🧟🧟‍♀️🎄

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                      Diese Weihnachts-Saison scheint es wohl für mich an der Zeit zu sein, die eine oder andere Filmlücke zu schließen. Nach NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS habe ich nun noch einen weiteren Weihnachtsfilm-Klassiker nachgeholt, den ich bisher – Asche auf mein Haupt – immer wieder ignoriert hatte: STIRB LANGSAM. Wobei mir die Reihe nicht gänzlich unbekannt war. So hatte ich vor Jahren zumindest schon einmal Teil 3 sowie Teil 4 im Fernsehen gesehen, auch wenn ich mich zugegeben kaum noch an etwas erinnern kann.

                      Nun beginne ich also noch einmal von vorn. Und, das muss man schon sagen, bereits in seinem ersten Einsatz lässt sich John McClane (Bruce Willis) nicht lumpen, nimmt er es doch im Alleingang mit einer Gruppe skrupelloser Terroristen auf und verwüstet dabei nebenher noch ein ganzes Hochhaus. Die Action ist dabei toll inszeniert. Zwar ist das gesamte Szenario total „over the top“. Doch dadurch, dass das Meiste handgemacht aussieht und der Großteil der Handlung sich in dem Hochhaus abspielt, wirkt das Ganze trotzdem einigermaßen geerdet. Zudem bekommt Bruce Willis zwei, drei Szenen spendiert, in denen er auch mal schauspielern und so etwas wie Emotionen zeigen darf. Das sowie die Tatsache, dass John McClane keine unverwundbare Kampfmaschine ist, macht die Figur noch einmal nahbarer.

                      Wirklich sehenswert wird der Film aber erst durch das Auftreten von Alan Rickman und der sich entwickelnden Dynamik zwischen dessen Figur Hans Gruber, Kopf der Terroristen, und John McClane. Es macht auch heute noch Spaß dabei zuzusehen, wie sie sich die Bälle immer wieder zuwerfen und versuchen, dem jeweils anderen stets einen Schritt voraus zu sein.

                      Ein wenig albern ist es hingegen, wenn die Terroristen immer mal wieder zwischen Deutsch und Englisch hin- und herswitchen, je nachdem, wie es ihnen beliebt. Zumal Alan Rickman – wie auch einige seiner Gefolgsleute – nicht wirklich einen deutschen Akzent hat, was für die Glaubwürdigkeit, speziell in einer ganz bestimmten Szene, aber durchaus entscheidend gewesen wäre.

                      Darüber hinaus sind einige weitere Punkte des Films durchaus fragwürdig, wie etwa die (vermeintlich politische) Motivation der Terroristen oder der Archetyp des gebrochenen, aber toughen Helden, der hier quasi im Alleingang “die Bösen” zur Strecke bringt, ebenso wie die einzig relevante Frauenfigur, die im Grunde nicht mehr als eine Variation der „Damsel in Distress“ darstellt oder die immer wieder durchscheinende „Copaganda“.

                      Das alles trübt den Gesamteindruck doch ein wenig. So lässt sich am Ende festhalten: Inhaltlich mau, aber handwerklich nahezu perfekt.

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                      • 9

                        Ich muss gestehen, dass mich als Kind THE NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS nie sonderlich interessiert hat. Vermutlich hätte ich mit den singenden Knetfiguren auch nicht viel anzufangen gewusst, waren es doch schon immer die Gesangseinlagen in Disney-Filmen, an denen ich mich gestört hatte. Inzwischen bin ich aber nicht nur ein Fan der Stop-Motion-Technik, sondern so langsam beginne ich mich auch für Musicals mehr und mehr zu erwärmen. So finde ich es nun – erwachsen, reifer, weiser (*Zwinker* *Zwinker*) – fast schon ein wenig schade, dass ich diesen Film so lange vor mir hergeschoben habe.

                        Gut, die Story macht tatsächlich nicht viel her und die uninspirierte Liebesgeschichte mit dem obligatorischen finalen Kuss hätte mich damals wie heute mit den Augen rollen lassen. Aber THE NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS ist mehr als der schnöde Plot. Denn drumherum sprüht der Film nur so vor Kreativität – das Creature- sowie das Set-Design sind fantastisch und fantasievoll gleichermaßen, die Animation zeugt von einer zeitlosen Qualität und die Lieder haben nicht nur Ohrwurmcharakter, sondern auch einen hohen Wiedererkennungswert. Kurzum: Dieser Hybrid aus Halloween- und Weihnachtsfilm ist ein wahres Fest für Augen und Ohren.

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                          wordspersecond 02.12.2022, 09:26 Geändert 02.12.2022, 09:29

                          Erstaunlich solider Netflix-Weihnachtsfilm, der vor allen Dingen durch das natürliche Schauspiel und die weitestgehend ruhige Erzählweise besticht. Die zwei, drei deplatzierten Metakommentare hätte es zwar nicht gebraucht, die Art der Inszenierung der emotionalen Monologe ist ebenfalls mindestens fragwürdig und das Ende wird dann doch etwas zu hastig abgehakt. Aber dennoch versprüht THE NOEL DIARY genügend Weihnachtsatmosphäre und taugt somit immerhin für einen gemütlichen Sonntagnachmittag oder -abend auf der Couch mit Tee und Plätzchen.

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                          • 4 .5

                            In einem Anflug von überschwänglichen Weihnachts- und Liebesgefühlen lädt Harper (Mackenzie Davis) ihre Freundin Abby (Kristen Stewart) dazu ein, die Feiertage gemeinsam mit ihr und ihrer Familie zu verbringen. Womit sie jedoch nicht gerechnet hätte: Weihnachtsmuffel Abby sagt tatsächlich zu. Das nämlich eigentlich ziemlich Blöde daran: Harper hat ihrer Familie weder etwas von ihrer Freundin Abby erzählt, noch hatte sie überhaupt schon ihr Coming-out vor ihren konservativen Eltern. Kurzerhand schlägt Harper vor, dass sich Abby als ihre heterosexuelle Mitbewohnerin ausgeben könne, denn so hätten sie ja immerhin die Gelegenheit, Weihnachten trotzdem gemeinsam zu verbringen. Und im richtigen Moment würde Harper vielleicht sogar mit der Wahrheit herausrücken. Um an dieser Stelle den restlichen Verlauf der Weihnachtsfeiertage in Abbys Worten zusammenzufassen: Was soll da schon schiefgehen?

                            Die wohlwollende Resonanz, die HAPPIEST SEASON erhalten hat, ließen mich auf einen herzerwärmenden Weihnachtsfilm mit gutem Schauspiel und positiver Message hoffen. Die richtigen Zutaten scheinen dafür auch erst einmal vorhanden zu sein. So sind um die beiden Hauptdarstellerinnen Mackenzie Davis und Kristen Stewart noch weitere talentierte Schauspieler:innen versammelt, darunter Alison Brie, Aubrey Plaza oder Dan Levy. Diese funktionieren in ihren Rollen auch ausgesprochen wunderbar, wodurch sich abseits des Hauptplots einige wirklich schöne Momente ergeben. Mein persönliches Highlight: Die Szene, in der sich Abby und Riley (gespielt von Aubrey Plaza) in einer queeren Bar einfinden, dabei über ihre jeweiligen Erfahrungen sprechen, über die Vergangenheit und über das Jetzt.

                            Was aber so gar nicht funktionieren mag, ist der Hauptplot. Und das liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Chemie zwischen Harper und Abby einfach nicht zu stimmen scheint. So sagen sie zwar, dass sie einander lieben würden, aber diese sogenannte Liebe wird zu keinem Zeitpunkt wirklich sicht- oder spürbar. Stattdessen nervt es irgendwann nur noch, wenn die eine ihr wahres Ich versteckt und dabei offenbar sogar tatsächlich zu vergessen scheint, was sie für die andere empfindet, während die andere wiederum alles mit einer Engelsgeduld erträgt und über sich ergehen lässt.

                            Was die Tonalität und die Inszenierung betrifft, so pendelt der Film etwas unfokussiert zwischen realistischem Indie-Drama und überzogener Feel-Good Comedy hin und her. Zu guter Letzt mündet das alles dann in einem Ende, in dem zwar noch einmal versucht wird, etwas emotionalen Tiefgang zu erzeugen, allerdings wirkt die Auflösung des Konfliktes dafür zu faul. Somit hat HAPPIEST SEASON, bis auf eine Handvoll netter Ideen, herzlicher Momente und interessanter Nebenfiguren, leider nicht sonderlich viel zu bieten.

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                            • 8

                              Nachdem Enola Holmes (Millie Bobby Brown) das Rätsel um das Verschwinden ihrer Mutter (Helena Bonham Carter) gelöst und den Fall rund um den versuchten Mordanschlag auf den jungen Lord Tewkesbury aufgeklärt hat, wandelt sie nun auf den Pfaden ihres älteren Bruders Sherlock Holmes (Henry Cavill) und eröffnet eine eigene Detektei. Das Geschäft läuft jedoch eher schleppend an. Schließlich wird sie von Bessie (Serrana Su-Ling Bliss), einem jungen Mädchen, damit beauftragt, das Verschwinden ihrer „Schwester“ Sarah zu untersuchen. Die Suche nach der Vermissten führt Enola zu ausgebeuteten jungen Frauen und Mädchen, zu korrupten Großindustriellen sowie bis an den Rand des Gesetzes.

                              ENOLA HOLMES 2 bietet – wie für ein Sequel dieser Art üblich – mehr von allem, was bereits den ersten Teil ausgemacht hat. Sprich: Mehr Action, mehr Tempo und eine noch größere Verschwörung. Dabei basiert dieser Teil nicht mehr auf einem Roman aus der Jugendbuchreihe von der Autorin Nancy Springer. Stattdessen wurden die wahren Ereignisse rund um den sogenannten „Martchgirl‘s Strike“ von 1888 als Inspirationsquelle genutzt, um anhand dessen eine ganz eigene Geschichte weiterzuerzählen. Den fehlenden Bezug zur Buchreihe mögen einige vielleicht schade finden und das sicherlich auch zu Recht. Nichtsdestotrotz haben es Autor Jack Thorne und Regisseur Harry Bradbeer geschafft, den Spirit des ersten Teils, an dem die beiden ebenfalls zusammengearbeitet haben, wieder einzufangen. Daraus ergibt sich ein von der Buchreihe zwar losgelöstes, nichtsdestotrotz äußerst gelungenes Sequel.

                              Das bedeutet auch, dass im Grunde all das, was ich bereits über Teil Eins geschrieben habe, auch für Teil Zwei gilt. Die Inszenierung ist frisch und die Darsteller:innen haben sichtlich Spaß an ihren Rollen, was sich wiederum auf das Publikum überträgt. Darüber hinaus dürfen sich Fans von Henry Cavill über den Umstand freuen, dass dieser hier als Sherlock Holmes nun auch etwas mehr zu tun bekommt, als einfach nur charmant in die Kamera zu lächeln. Dennoch liegt der Fokus natürlich weiterhin auf Enola Holmes. Sie ist die Hauptfigur, es ist ihre Geschichte und sie muss ihren ganz eigenen Weg finden – selbst wenn das bedeutet, dass sie auf die Hilfe von Verbündeten zurückgreifen muss.

                              Gleichzeitig ist ENOLA HOLMES 2 wieder genauso direkt und wenig subtil, wie bereits der erste Teil. Dadurch wird einem zwar das Miträtseln und Mitraten ungemein erleichtert. Begreift man das Ganze jedoch eher als detektivische Abenteuergeschichte, kann man über diesen Umstand vielleicht hinwegsehen.

                              Am Ende hat mich auch ENOLA HOLMES 2 wieder sehr gut unterhalten. Und obwohl ich von Franchises grundsätzlich nicht viel halte, so wäre ich hier ausnahmsweise mal nicht von einem weiteren Teil abgeneigt.

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                              • 8

                                In Vorbereitung auf den jüngst auf Netflix erschienenen zweiten Teil des Enola Homes-Filmuniversums, wollte ich mir Teil Eins erneut anschauen. Dies war offenbar auch dringend notwendig, denn abgesehen davon, dass ich den Film in meinem Kopf unter „Unterhaltsam“ abgespeichert hatte, stellte sich schnell heraus, dass ich mir ansonsten kaum etwas von dem Film im Gedächtnis behalten hatte. Woran ich mich noch erinnern konnte, waren einige wenige, zusammenhangslose Szene, die recht flotte Inszenierung und der stetige Bruch mit der vierten Wand. Aber der Plot? War da nicht irgendwas mit einem entlaufenen, jungen Lord, dessen Leben in Gefahr war? Nun, kann sein.

                                So begab ich mich also erneut mit Millie Bobby Brown alias Enola Holmes auf ihr erstes, detektivisches Abenteuer. Und nach und nach, Szene für Szene kehrten meine Erinnerungen zurück. Ich erinnerte mich wieder daran, dass alles ursprünglich mit dem Verschwinden von Enola Holmes‘ Mutter (Helena Bonham Carter) begann. Ich erinnerte mich, dass Enola auf ihrer Spurensuche dem in Gefahr schwebenden Lord Tewkesbury (Louis Patridge) begegnete, für den sie, obwohl sie ihn als nutzlosen Jungen bezeichnete, doch recht bald Gefühle entwickelte. Und ich erinnerte mich, dass sowohl hinter dem Verschwinden von Enolas Mutter, als auch hinter dem Mordanschlag auf Tewkesbury politische Motive steckten, die nicht unmittelbar, aber dennoch in gewisser Weise miteinander in Verbindung zu stehen schienen und dass sich Enola dadurch schnell in eine Sache verstrickte, die bald größer war, als sie es zu Beginn noch hätte erahnen können.

                                Doch auch abgesehen davon, dass ich durch den obligatorischen Rewatch meine Erinnerungen auffrischen konnte, hatte ich auch beim zweiten Mal wieder gehörigen Spaß an dem Gezeigten. Und das lag nicht zuletzt an der frischen Inszenierung sowie den gut aufgelegten Darsteller:innen, sondern vor allen Dingen auch daran, dass ich für diese Art von Abenteuer- und Detektiv:innengeschichte einfach einen Soft Spot habe.

                                Klar ist das hier alles ziemlich „on the nose“. Sowohl die gestreuten Hinweise als auch der feministische Subtext werden nicht gerade subtil präsentiert. Doch während es bei Ersterem vielleicht etwas ärgerlich sein kann, dass das Meiste wie auf dem Silbertablett serviert wird, sehe ich es bei Letzterem etwas differenzierter. Ich kann zwar verstehen, wenn sich einige daran stören, dass einem die feministische Message förmlich unter die Nase gerieben wird. Aber um mit den Worten von Enolas Mutter zu fragen: Muss es nicht manchmal etwas lauter sein, um sich Gehör zu verschaffen? Gerade bei solchen Themen ist es doch wichtig, dass es auch den Letzten erreicht. Zumal der Film nicht den Fehler begeht, alle männlichen Figuren ausschließlich als böse und blöde darzustellen.

                                Alles in allem hatte ich meine helle Freude an diesem Rewatch. Und ich freue mich jetzt schon darauf, mir ENOLA HOLMES irgendwann auch ein drittes Mal anzuschauen.

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                                  Es gibt keine guten Videospielverfilmungen? Nun, das Gros mag sicherlich absoluter Murks sein. Aber es gibt doch auch einige wenige Ausnahmen, die diese Regel bestätigen – und WEREWOLVES WITHIN ist eine dieser wenigen Ausnahmen.

                                  Die Prämisse: In einem eingeschneiten Örtchen, das irgendwo in der Abgeschiedenheit gelegen ist, geht offenbar ein Werwolf um. Eine kleine Zufallsgemeinschaft, angeführt vom gerade erst neu eingetroffenen Ranger Finn Wheeler (Sam Richardson), muss nun nicht nur versuchen, ohne Bisswunden die Nacht zu überstehen, sondern obendrein auch noch das mörderische Fabelwesen unter sich entlarven. Blöd nur, wenn alle irgendwie verdächtig erscheinen und sich alle gegenseitig misstrauen.

                                  Daraus entpuppt sich ein ganz amüsanter, nach klassischem Muster gestrickter Whodunit-Streifen mit ganz dezentem Fantasy-Touch. Zwar gibt es relativ wenig Werwolf-Action zu sehen, denn für mehr hätte das schmale Budget von knapp 6,5 Millionen US-Dollar sichtlich nicht ausgereicht. Aber das tut dem Spaß an diesem Kammerspiel keinen Abbruch.

                                  Der Fokus liegt ganz klar auf den schrägen Figuren, die sich in den besten Momenten einen zackig und pointiert geschriebenen Schlagabtausch liefern, etwa wenn sie wieder einmal damit beschäftigt sind, sich gegenseitig zu beschuldigen. Die flotte Inszenierung und die recht knappe Laufzeit von etwa 97 Minuten tragen zusätzlich dazu bei, dass diese Horror-Komödie eine erfreulich kurzweilige Angelegenheit ist.

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                                  • 5 .5

                                    Werwolf oder Killer? Diese Frage stellt sich, als in dem beschaulichen Örtchen Snow Hollow eine Mordserie ihren Lauf nimmt und des Nachts vorrangig junge Frauen bestialisch zugerichtet werden. Wobei, während sich so gut wie nahezu alle Einwohner:innen sowie auch Teile der Polizei sicher zu sein scheinen, dass es sich um ein wildes Tier, einen großen Wolf, oder gar um einen Werwolf handeln müsste, ist Deputy John Marshall (Jim Cummings) davon überzeugt, dass es die Tat eines Mörders ist. Die Ermittlungen werden jedoch zusätzlich dadurch erschwert, dass Johns Vater (Robert Forster) eigentlich zu alt und zu krank ist, um seinen Job als Sheriff noch verrichten zu können, dass sich John außerdem mit den Teenie-Problemen seiner Tochter herumschlagen muss und dass er obendrein mit Aggressionsproblemen sowie den eigenen inneren Dämonen, namentlich der Alkoholsucht, zu kämpfen hat.

                                    THE WOLF OF SNOW HOLLOW von und mit Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Jim Cummings ist eine Kleinstadt-Dramödie im Pelz eines Horror-Thrillers. Allerdings wirkt die recht eigenwillige Mischung aus Drama, dunklem Humor und Horrorelementen stellenweise recht unausgegoren.

                                    Auch ist der Film, trotz seiner skurrilen bis interessanten Nebenfiguren, fast eine Art One-Man-Show. Denn anstatt zusätzlich zwei, drei weiteren Charakteren etwas mehr Raum zu geben, bleiben diese, trotz der Besetzung mit teils talentierten Darsteller:innen, meist im Hintergrund, wodurch zugleich auch einige Konflikte nicht ganz auserzählt wirken. Stattdessen scheint Cummings viel eher an der fragilen Seelenwelt seiner eigenen Figur interessiert zu sein sowie an der parallel dazu gelagerten Metapher des Monströsen, welches sich aufgrund innerer, verborgen liegender Triebe unter bestimmten Umständen Bahn bricht.

                                    Hier kommt jedoch ein weiteres Problem zum Tragen: die kurze Laufzeit. Denn so sehr es eigentlich zu begrüßen ist, dass hier versucht wurde, in weniger als 90 Minuten mehr als nur eine plumpe Werwolf-Geschichte zu erzählen – am Ende hätten 15 bis 20 Minuten mehr vielleicht schon ausgereicht, um nicht nur an der Oberfläche zu kratzen, sondern dem Ganzen noch mehr Tiefgründigkeit zu verleihen. Auf der anderen Seite wiederum könnte dieses Extra an Laufzeit auf das Sehvergnügen kontraproduktiv ausgenwirken, da sich der Film ohnehin stellenweise schon recht arg zieht.

                                    Doch auch wenn meine Review bis hierher ausschließlich negativ klingt, so muss ich auch sagen, dass der Film durchaus seine Momente hat. Vor allen Dingen dann, wenn Jim Cummings mal nicht den cholerischen Kotzbroken mimt, sondern in den dramatischeren Momenten auch mal darauf verzichten kann, seiner Figur irgendwelche zynischen Kommentare in den Mund zu legen. Auch die Szenen, in denen sich der pelzige Killer sein nächstes Opfer schnappt, sind stilsicher und kompetent inszeniert. Hie und da schimmert das Talent des jungen Filmemachers durch, nur schafft es Jim Cummings zu keinem Zeitpunkt, das volle Potential auszuschöpfen. So ist THE WOLF OF SNOW HOLLOW am Ende leider nur halbgare Filmkost.

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                                    • 5 .5

                                      DOG SOLDIERS aus dem Jahr 2002 ist das Regiedebüt des britischen Filmemachers Neil Marshall. War sein Erstlingswerk bereits unter Kritiker:innen und Genre-Fans ein kleiner Achtungserfolg, fand vor allen Dingen sein zweiter Film, der Höhlenkletterschocker THE DESCENT (2005), auch bei einem etwas breiteren Publikum Beachtung. Spätestens ab diesem Zeitpunkt galt Neil Marshall als aufstrebendes Talent, das es im Auge zu behalten galt.

                                      Der Erfolgskurs des Filmemachers bekam jedoch schon bald einen Knick. Vor allen Dingen seine aktuelleren Filme, wie das HELLBOY-Reboot aus dem Jahr 2019 sowie der ein Jahr später erschienene Hexen-Horror THE RECKONING, wurden mit negativen Reviews und Bewertungen abgestraft. Erfolg und Misserfolg eines Regisseurs liegen oft nah beieinander. Doch bereits in Neil Marshalls erstem Film DOG SOLDIERS waren – zumindest meiner Meinung nach – nicht nur dessen Stärken, sondern auch dessen Schwächen abzulesen.

                                      So beginnt der Film als durchaus passables PREDATOR-Rip-off, wenn Soldaten durch den Wald stapfen und die Truppe dabei, anstelle von einem Predator, eben von Werwölfen gejagt wird. Als die Soldaten jedoch Unterschlupf in einem abgelegenen Farmhaus finden, entwickelt sich das Ganze zu einem testosterongeladenen Kammerspiel, dem es manchmal schwer ist zuzusehen.

                                      Auch wenn DOG SOLDIERS mit dem Horrorgenre liebäugelt und den einen oder anderen netten Splattermoment vorzuweisen hat, wird der Film nie besonders gruselig oder unheimlich. Viel mehr wird hier auf Action mit einem Schuss trockenem Humor gesetzt.

                                      Die Effekte sehen allesamt erfreulicherweise handgemacht aus. Und auch wenn hie und da das sehr schmale Budget zu erkennen ist, wurde dennoch offensichtlich versucht, mit viel Liebe zum Detail das Beste aus den begrenzten Möglichkeiten herauszuholen.

                                      Wo mich der Film jedoch verliert, ist in den Momenten, in denen mit Pathos etwas zu dick aufgetragen wird. Denn natürlich besteht unsere Heldentruppe ausschließlich aus abgebrühten Kerlen, die über Fußball und Frauen reden, die aus Überzeugung in die Armee eingetreten sind und die sich sofort und ohne zu zögern füreinander eine Kugel einfangen würden. Möglich, dass das alles ironisch gemeint ist. Für mich war dieses „Abgemännere“ jedoch oft zu viel des Guten.

                                      Darüber hinaus erscheint aber auch das eigene Werwolf-Regelwerk etwas inkohärent, wodurch die eine oder andere Logikfrage aufgeworfen wird.

                                      So ist DOG SOLDIERS am Ende ein Film, der zwar bei der Inszenierung von Spannung und Action punkten kann. Hier knallt und kracht und pengt es, so dass in den knapp 105 Minuten so etwas wie Langeweile kaum aufkommen mag. Abgesehen davon konnte der Film bei mir jedoch kaum zünden.

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                                        Die beiden jungen US-Amerikaner David (David Kessler) und Jack (Griffin Dunne) befinden sich auf einer Reise durch England. Am Ende eines langen Tages passieren sie ein kleines Dorf, wo sie in dem örtlichen Pub namens „The Slaughtered Lamb“ Rast machen und sich nach einer Unterkunft erkundigen wollen. Von den misstrauischen Dorfbewohner:innen werden sie jedoch aufgefordert den Pub wieder zu verlassen und weiterzuziehen. Eine letzte Warnung bekommen sie jedoch mit auf den Weg: Sie sollen sich vor dem Mond hüten und die Landstraße nicht verlassen.

                                        So ziehen David und Jack wieder ab, um zur nächsten Ortschaft zu gelangen. Inzwischen ist es dunkel und der Vollmond scheint hell über der moorigen Einöde. Und ehe sie sich versehen, werden sie von einem übergroßen Wolf attackiert. Während Jack bei dem Angriff tödlich verletzt wird, kann David noch im letzten Moment gerettet und in ein Londoner Krankenhaus gebracht werden. Zwar kann er sich körperlich schnell wieder erholen und ganz nebenbei lernt er auch noch die Krankenschwester Alex (Jenny Agutter) kennen, für die er Gefühle entwickelt. Allerdings wird er fortan von seltsamen Albträumen geplagt, die ihm sein offenbar unvermeidliches Schicksal vor Augen führen, dem er aber versucht zu entrinnen.

                                        In dieser 1981 erschienen Horror-Komödie spielt Regisseur und Autor John Landis gekonnt mit diversen Klischees des Genres, wobei er aus den einzelnen Versatzstücken seinen eigenen Werwolf-Mythos zusammenbastelt. Dabei ist ein Film entstanden, der auch heute noch bei vielen Genre-Fans einen Kultstatus innehat.
                                        Was hier vor allen Dingen besonders gut gelungen ist, ist die Ausgewogenheit zwischen Humor und Horror. Beide Seiten halten sich stets die Waage. Denn obwohl der Comedy-Anteil dazu beiträgt, dass der Film nie zu schwermütig oder düster wird und dem Ganzen stets eine gewisse Leichtfüßigkeit innewohnt, so driftet die Grundstimmung nie ins Alberne ab, wodurch die unheimlichen Momente – gerade auch im Anbetracht des Alters des Films – durchaus ihre Wirkung entfalten können.

                                        Wo AN AMERICAN WEREWOLF IN LONDON heutzutage weiterhin auch noch erstaunlich gut funktioniert, ist, wenn die Verwandlungsszene vom Menschen zum Werwolf gezeigt wird, die nach wie vor Phantomschmerzen beim Zusehen auslösen dürfte. Diese Szene dürfte wohl auch das Aushängeschild des Films sein, schließlich gab es zur endgültigen Würdigung auch den Oscar für das beste Make-up.

                                        Interessant ist darüber hinaus Davids Umgang – oder auch Nicht-Umgang – mit dem Werwolfangriff und dessen scheinbar unabwendbaren Folgen. Denn er stellt sich als ein Charakter heraus, der offenbar dazu neigt, dieses Problem so lange von sich wegzuschieben, bis es sich nicht mehr verdrängen lässt. Im einen Moment hat er einen schlimmen Traum oder eine verheißungsvolle Erscheinung und im nächsten Moment ist er dennoch wieder zum Scherzen aufgelegt. Das ist ein durchaus interessanter Ansatz, wie der Werwolf-Thematik begegnet wird.

                                        Woran ich mich hingegen gestört habe, ist die Darstellung von Alex, der einzig relevanten Frauenfigur im gesamten Film. Sie wird zwar einerseits als unabhängig sowie sexuell selbstbestimmt vorgestellt. Auf der anderen Seite ist sie wiederum die klischeehaft fürsorgliche „Krankenschwester“, die letztendlich auch nur als Projektionsfläche für Davids Fantasien dient – Fantasien sexueller Natur sowie von einer romantischen Beziehung konservativer Art. Freilich könnte ich es damit abtun, dass der Film eben aus den 80ern ist und zur damaligen Zeit weibliche Filmfiguren, die sich unabhängig eines männlichen Counterparts entwickeln durften, eben Mangelware waren. Aber ich komme nicht umhin festzuhalten, dass es mich dennoch gestört hat.

                                        Sehe ich von diesem Punkt aber einmal ab, ist AN AMERICAN WEREWOLF IN LONDON (zumindest für mich) ein recht solider, manchmal etwas spannungsarmer, teils aber dennoch ziemlich bissiger Genre-Vertreter. Für einen gepflegten Gruselabend auf der heimischen Couch ist dieser ausgemachte Kultfilm sicherlich für all jene eine gute Wahl, die alt(backen)e oder nicht zu aufreibende Horrorfilme mögen. Einen letzten Warnhinweis möchte ich euch aber noch mit auf den Weg geben: Beware the Moon!

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                                          über Watcher

                                          Eigentlich hatte ich WATCHER bereits letzte Woche im Rahmen des fantasy filmfests in Berlin gesehen. Leider komme ich aber jetzt erst dazu, meine Gedanken zum Film niederzuschreiben.

                                          Julias (Maika Monroe) Ehemann Francis (Karl Glusman) hat einen lukrativen Job in Bukarest angenommen, weshalb die beiden dorthin ziehen. Während Francis tagsüber arbeitet und meist erst spät abends wieder nach Hause kommt, erkundet Julia auf eigene Faust die für sie fremde Stadt. Allerdings ist da etwas, das ihr Unbehagen bereitet. Zunächst entdeckt sie lediglich hinter einem der Fenster des gegenüberliegenden Gebäudes die Silhouette eines Mannes, der sie Abend für Abend zu beobachten scheint. Doch schon bald hat sie das Gefühl, auch dann beobachtet zu werden, wenn sie in der Stadt unterwegs ist: im Café, im Kino, im Supermarkt. Die Meldungen über einen Serienmörder, der in Bukarest sein Unwesen treibt und seine weiblichen Opfer enthauptet, das fehlende Einfühlungsvermögen ihres Mannes sowie die Sprachbarriere und das Gefühl der Isoliertheit machen Julia zunehmend zu schaffen. Bildet sie sich alles nur ein? Oder könnte sie bald schon das nächste Opfer des Serienkillers sein?

                                          Gleich von Beginn an gelingt es Regisseurin Chloe Okuno eine bedrückende Atmosphäre zu kreieren. Dazu trägt zum einen das für einen Thriller typische unterkühlte Bild bei. Gleichzeitig hat aber auch die Fish-out-of-Water-Story einen nicht unerheblichen Anteil daran. Maika Monroes Figur Julia spricht kaum bis gar nicht Rumänisch und ist daher entweder auf ihren Ehemann Francis als Übersetzer angewiesen oder auf die Englischkenntnisse der Menschen vor Ort. Als cleverer Kniff erweist sich da der Verzicht auf Untertitel. So weiß der nicht Rumänisch sprechende Teil des Publikums stets genauso viel (oder eben genauso wenig) wie die Hauptfigur. Dadurch werden Julias Verzweiflung sowie ihre wachsende Paranoia nur noch greifbarer.

                                          Was die Story anbelangt, ist WATCHER bis zu einem gewissen Punkt ein zwar weitestgehend klassischen Erzählmustern folgender, aber dennoch subtil inszenierter und dadurch ausgesprochen effektiver Thriller. Etwas holzschnittartig wird das Ganze nur dann, wenn sich der Plot auf die große Auflösung zubewegt. Denn hier wurde leider auf gängige Stereotype zurückgegriffen, wodurch der Film weder dem Genre, noch dem Diskurs um Gewalt gegen Frauen etwas wirklich Neues hinzuzufügen hat.

                                          Aufgrund der sehr guten Schauspielleistung von Maika Monroe, der dichten Atmosphäre und der eigentlich interessanten Prämisse bleibt Chloe Okunos Spielfilmdebüt aber dennoch ein sehenswerter Thriller. Oder kurzum: WATCHER ist ein Film, nach dem keine:r gerne alleine nach Hause gehen möchte.

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                                            Meine allererste Review hier auf Moviepilot habe ich tatsächlich zu DIE KÄNGURU-CHRONIKEN geschrieben. Nun läuft aktuell DIE KÄNGURU-VERSCHWÖRUNG, der KANGURU-CHRONIKEN-Verfilmung zweiter Teil, in den deutschen Kinos.

                                            Bereits am 17. August 2022, also eine Woche vor dem offiziellen Kinostart konnte ich das zweite Leinwandabenteuer des sprechenden Beuteltiers sehen: bei der sogenannten “Weltpremiere!” (ja, mit Ausrufezeichen!) im Zoo Palast in Berlin.

                                            Ebenso wie schon bei THE BATMAN, habe ich auch für diesen Film wieder eine Rezension für die UnAufgefordert, die Studierendenzeitung der Humboldt-Universität zu Berlin, geschrieben. Wer Interesse daran hat, kann hier reinlesen:
                                            https://bit.ly/3TzYy7r

                                            Für alle anderen hier mein kurzes Fazit:
                                            “Viel Schönes dabei.”

                                            Okay, vielleicht doch noch ein paar Worte mehr:
                                            Bereits die erste Verfilmung DIE KÄNGURU-CHRONIKEN fand ich “WITZIG”. Und auch dem zweiten Film kann ich dieses Prädikat bescheinigen. Känguru-Schöpfer Marc-Uwe Kling beweist mit seinem Regie-Debüt, dass er ein Händchen für Timing hat, was für Comedy äußerst essentiell ist. Trotz des teils intelligenten Wortwitzes sollte zwar nicht allzu viel Tiefgang erwartet werden. Auch sorgt die episodenhafte Erzählweise dafür, dass der rote Faden manchmal etwas verloren geht. Aber wer schon mit DIE KÄNGURU-CHRONIKEN etwas anfangen konnte, wird "eventuell, möglicherweise, vielleicht, unter Umständen" auch mit DIE KÄNGURU-VERSCHWÖRUNG Spaß haben.

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                                              Bereits die erste Staffel von ONLY MURDERS IN THE BUILDING konnte mich, als bekennenden True-Crime-Podcast-Muffel, positiv überraschen. Und auch die zweite Staffel kann erfreulicherweise wieder über die gesamten zehn Episoden hinweg überzeugen.

                                              Dass die Serie so gut funktioniert, liegt allen voran an der Chemie zwischen den drei Hauptdarsteller:innen Steve Martin, Martin Short und Selena Gomez. In Staffel Zwei dürfen deren Figuren Charles, Oliver und Mable als Team noch einmal enger zusammenwachsen. Außerdem bekommen alle drei Figuren gleichermaßen etwas mehr Backstory und Character Development spendiert.

                                              Dazu passend schafft es die Serie mittels des Subplots, der sich durch die gesamte Staffel zieht, den einen oder anderen emotionalen, wirklich herzerwärmenden Moment zu kreieren. Da stört es auch kaum, dass dadurch der eigentliche Kriminalfall stellenweise fast schon etwas aus dem Fokus gerät.

                                              Des Weiteren punktet die Serie mit kreativem Storytelling, cleveren Dialogen sowie der nötigen Balance zwischen Albernheit und Ernsthaftigkeit. Die zweite Season von ONLY MURDERS IN THE BUILDING ist erneut eine sehr charmante Angelegenheit und das „theatrale“ Staffelfinale macht jetzt schon Lust auf Staffel Nummer Drei.

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                                                Nach ihrem ersten Treffen in einem Diner, werden Queen (Jodie Turner-Smith) und Slim (Daniel Kaluuya) von einem Polizisten angehalten. Die Verkehrskontrolle, in der die beiden rassistisch angegangen werden, eskaliert jedoch und schließlich erschießt Slim den Polizisten aus Notwehr. Wohl wissend, dass die Situation für sie kein gutes Ende nehmen könnte, entscheiden sie sich dazu zu fliehen, anstatt sich zu stellen.

                                                Zynisch gesprochen, handelt QUEEN & SLIM von einem Tinder-Date der „etwas anderen Art“. Denn für die beiden Protagonist:innen beginnt ein Road-Trip, bei dem sie nicht nur stets auf der Hut sein müssen. Viel wichtiger ist, dass sie aufeinander vertrauen können – und dabei lernen sie ganz zwangsläufig einander näher kennen.

                                                Auf ihrer Reise stoßen sie allerdings unerwarteter Weise auch auf Menschen, die ihnen bei ihrer Flucht helfen. Bald werden sie sogar unfreiwilligerweise zu Ikonen einer ganzen Bewegung stilisiert. So suchen sich Queen und Slim vor allen Dingen dort Hilfe, wo sie diese als Black People of Color am ehesten erwarten dürften – gewissermaßen in Anlehnung an das sogenannte Green Book, dem Reiseführer für Schwarze Menschen, das von den 1930er Jahren an bis in die 1960er Jahre veröffentlicht wurde.

                                                Allerdings erinnert QUEEN & SLIM tonal keineswegs an Peter Farellys oscarprämierten Film GREEN BOOK von 2018, denn QUEEN & SLIM ist keinesfalls ein Feel Good-Movie. Viel eher lässt sich der Film irgendwo zwischen Kathryn Bigelows DETROIT (2017) und George Tillman Jr.‘s THE HATE U GIVE (2018) einordnen. Der Film ist aufgrund dessen, dass die nach wie vor in den USA vorherrschenden Ungerechtigkeiten sowie die in der Gesellschaft tief verwurzelten Rassismen auf sehr direkte Weise angesprochen werden, vor allen Dingen aufwühlend.

                                                Aufwühlend – beziehungsweise eher frustrierend – ist stellenweise auch das Verhalten der beiden Hauptfiguren während ihrer Flucht. Einige Aktionen könnten vielleicht noch damit entschuldigt werden, dass aufgrund einer solchen Extremsituation gewiss nicht immer ein kühler Kopf bewahrt werden kann und somit aus dem Affekt heraus falsche Entscheidungen getroffen werden oder Fehler passieren. Aber wenn zum gefühlt fünften Mal nicht darauf geachtet wurde, dass nach einer längeren Fahrt der Tank bald leer ist, dann wirken die aus solchen Momenten hervorgehenden Konflikte ein wenig erzwungen, was durchaus störend ist und die letzten Nerven rauben kann.

                                                Allerdings treffen Queen und Slim auch Entscheidungen, die nur auf dem ersten Blick nicht ganz nachvollziehbar wirken. Denn dafür, dass sie eigentlich auf der Flucht sind, lassen sie sich relativ oft einfach treiben, wodurch immer wieder Momente entstehen, die im Kontrast zu ihrer Hatz stehen – ruhige Momente, schöne Momente, melancholische Momente, Momente des Glücks und intimer Zweisamkeit. Es sind Momente, die, zumindest für einen flüchtigen Augenblick, den Schrecken der ganzen Situation vergessen lassen.

                                                Leider funktioniert das Ganze nicht immer ganz so, wie es vermutlich gedacht war. Dafür wirkt das Gezeigte stellenweise zu konstruiert und an den Haaren herbeigezogen – und das dürfte, wie bereits versucht anzudeuten, einige wahrscheinlich eher frustrieren. Auf der anderen Seite ist QUEEN & SLIM wiederum ein wichtiges, gut gespieltes, teils traumhaft schön bebildertes Drama, in dessen Zentrum zwei interessante Figuren stehen, die sich zwar auf der Flucht befinden, dabei aber eine Reise zu sich selbst und zueinander antreten, an deren Ende vermutlich kein Auge trocken bleiben dürfte. Schade, dass das vorhandene Potential nicht komplett ausgeschöpft wurde.

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                                                  Die Teenagerin Starr (Amandla Stenberg) lebt mit ihrer Familie in Garden Heights, einem Viertel, in dem fast ausschließlich Schwarze Familien wohnen. Gleichzeitig besucht sie eine renommierte Privatschule, wo sie von privilegierten und vorwiegend weißen Mitschüler:innen umgeben ist. Täglich zwischen diesen beiden Welten hin- und herwandelnd, hat Starr das Gefühl, nirgends sie selbst sein zu können.

                                                  Als sie nach einer Party miterlebt, wie ihr bester Freund während einer Verkehrskontrolle von einem weißen Polizisten erschossen wird, muss sie nicht nur irgendwie dieses traumatische Ereignis bewältigen, sondern sie sieht sich auch in der Verantwortung etwas zu unternehmen. Jedoch weiß sie nicht genau, wie. Da hilft es auch nicht, wenn von scheinbar allen Seiten Druck auf sie ausgeübt wird. Denn während die einen Starr für ihre Sache gewinnen wollen, ist anderen viel mehr an ihrem Schweigen gelegen.

                                                  Das Film-Drama THE HATE U GIVE basiert zwar auf einem 2017 erschienenen, gleichnamigen Jugendroman. Jedoch ist die Geschichte um eine Schwarze Teenagerin, die sich in einer Welt voller (Alltags-)Rassismus, Widersprüchlichkeiten und Gewalt zurechtfinden muss, und deren Leben durch ein tragisches Ereignis noch zusätzlich erschüttert wird, ziemlich starker Tobak.

                                                  Was den Film dabei so eindringlich macht, ist, dass er unter anderem die bestehenden Probleme in der amerikanischen Gesellschaft offenlegt. Stellvertretend steht hier ein Moment ganz zu Beginn des Films, der den tragischen Wendepunkt bereits vorausschickt. In Eröffnungsszene wird der noch neunjährigen Starr und ihren Geschwistern von ihrem Vater beigebracht, wie sie sich zu verhalten haben, falls sie später einmal in eine Verkehrskontrolle geraten sollten. Heißt: Die Hände gut sichtbar vor sich auf dem Lenkrad oder dem Amaturenbrett positionieren und stets die Anweisung der Person in der Uniform befolgen. Der Zweck des Ganzen: Nicht erschossen zu werden. Es sind Szenen wie diese, die uns nicht nur die Lebensrealität von Starr näherbringen, sondern gleichzeitig aufzeigen, mit welchen Widrigkeiten Schwarze Menschen generell in den USA nach wie vor zu kämpfen haben.

                                                  Dabei nimmt sich der Film genügend Zeit, um den Grundkonflikt zu etablieren und die einzelnen Figuren vorzustellen. Etwas mehr als zwei Stunden geht THE HATE U GIVE. Dabei wirkt der Film aber zu keinem Zeitpunkt langatmig oder dröge, dazu wird man zu sehr von dem Gezeigten eingenommen.

                                                  Das liegt nicht zuletzt vor allen Dingen an den interessanten, sympathischen und vielschichtigen Hauptfiguren. Starr und ihre Familie sind die perfekten Identifikationsfiguren. Ob der ganzen Ungerechtigkeiten, die ihnen widerfahren, leidet man förmlich mit ihnen. Ganz nebenbei liefern hier alle Darsteller:innen zudem eine sehr gute Leistung ab, wobei vor allen Dingen Hauptdarstellerin Amandla Stenberg hervorzuheben ist.

                                                  Leider kommt THE HATE U GIVE aber auch nicht ganz ohne Klischees aus. Stichwort „weiße Rich Kids“. Und auch alle weißen Cops werden zumindest latent rassistisch gezeichnet. Durch diese Vereinfachung wird zwar die Message des Films unterstrichen, allerdings will dies nicht so ganz zur ansonsten vorhandenen Vielschichtigkeit passen.

                                                  Gut wiederum wird etwa der innere Konflikt Schwarzer Cops dargestellt, etwa wenn es um die Frage geht, wie sie sich auf einer #BlackLivesMatter-Demonstration oder – um den Kreis an dieser Stelle zu schließen – während einer Verkehrskontrolle verhalten sollten.

                                                  THE HATE U GIVE ist definitiv ein Film, der betroffen und fassungslos und wütend macht. Ein wahrlich sehenswerter Film, der nachwirkt und über den es sich noch lange nach der Sichtung reden lässt.

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                                                  • 6 .5

                                                    In der britischen Mini-Serie TWO WEEKS TO LIVE geht es um die junge Kim (Maisie Williams), welche ihre Mutter und damit auch die Welt, die sie bisher kannte, verlässt. Sie möchte herausfinden wie es ist, auf eigenen Füßen zu stehen. Zudem hat sie einige Dinge auf ihrer Bucket List stehen, die sie gerne einmal ausprobieren möchte. Darüber hinaus befindet sie sich aber auch auf einer ganz persönlichen Mission. Als sie jedoch die beiden Freunde Jay (Taheen Modak) und Nicky (Mawaan Rizwan) in einem Pub kennenlernt, überschlagen sich kurz darauf die Ereignisse. Und schon bald weiß Kim nicht mehr, was wahr und was falsch ist, und sie fängt an sich zu fragen, ob das Leben, das sie bisher geführt hat, nur eine einzige Lüge gewesen ist.

                                                    Zu Beginn hat TWO WEEKS TO LIVE ein paar kleinere Startschwierigkeiten. Vor allen Dingen die ersten beiden Folgen wirken tonal etwas unausgewogen. In der Serie wird viel mit ironischen Brechungen gearbeitet, um auf diese Weise Humor zu erzeugen und dem Gezeigten ein wenig Leichtigkeit zu verleihen. Allerdings wirken die Gags oft erzwungen und somit deplatziert. Im weiteren Verlauf fängt sich das Ganze allerdings. Vor allen in den letzten beiden Episoden kommen sogar noch ein paar emotionalere Momente auf.

                                                    Maisie Williams war zudem die passende Wahl für die Hauptfigur Kim, deren zierliche Erscheinung und teils naives Wesen im totalen Kontrast zu ihren Kampf- und Waffen-Skills stehen. Zwar hapert es etwas an Masie Williams‘ komödiantischem Timing - womit allerdings die Serie generell zu kämpfen hat. Wie aber schon in GAME OF THRONES zuvor, beweist Williams auch hier, dass sie ihrer Rolle den nötigen emotionalen Tiefgang verleihen kann.

                                                    Insgesamt ist TWO WEEKS TO LIVE vielleicht nicht der ganz große Wurf. Dennoch bietet die Serie zumindest kurzweilige Unterhaltung und versprüht obendrein den typischen britischen Charme. Dadurch lassen sich die gerade einmal sechs Episoden mit einer Laufzeit von jeweils nur knapp 25 Minuten äußerst schnell wegbingen.

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