wordspersecond - Kommentare

Alle Kommentare von wordspersecond

  • 3 .5

    Mit der Hauptserie AMERICAN HORROR STORY bin ich nie so richtig warm geworden. Ich mag zwar die Idee, dass in jeder Staffel eine neue Horrorgeschichte erzählt wird und auf dem Papier klangen diese auch immer ganz interessant, aber so richtig überzeugen konnte mich das Ergebnis nie. Dennoch war ich vorsichtig interessiert, als eine weitere Serie aus dem AHS-Kosmos angekündigt wurde: AMERICAN HORROR STORIES.

    In AMERICAN HORROR STORIES sollte es nun nicht mehr pro Staffel, sondern pro Folge eine neue Horrorgeschichte geben. Und so hatte ich die Hoffnung, dass die jeweiligen Horror-Stories ein wenig geerdeter daherkommen könnten, als die der Hauptserie. Mittlerweile wurden jedoch alle sieben Folgen der ersten Staffel via Disney+ veröffentlicht und die Antwort auf die Frage, ob mich das Ergebnis dieses Mal überzeugen konnte, lautet: Mitnichten.

    Dabei verrät die Serie sogar gleich zu Beginn ihr eigenes Prinzip, indem sie mit RUBBER(WO)MAN PART ONE und PART TWO mit einer Doppelfolge startet. Vielleicht war das Anliegen, mit einem großen Knall die Serie zu eröffnen, denn immerhin kehren wir hier in das sogenannte „Murder House“ zurück, dass vor allen Dingen Fans der Hauptserie aus der ersten Staffel bekannt sein dürfte. In RUBBER(WO)MAN PART ONE und PART TWO zieht eine junge Familie in das Murder House. Dort scheint es aber nicht nur zu spuken, auch die Teenie-Tochter Scarlett wird mit ihren eigenen extremen Fantasien konfrontiert. Doch wo es diesen beiden Folgen an Referenzen auf das eigene Serien-Universum nicht mangelt, fehlt es leider an Qualität.

    Etwas weniger Selbstreferenziell, dafür oft nicht minder absurd geht es in den folgenden Episoden weiter. In DRIVE IN sorgt ein Film dafür, dass diejenigen, die sich den Film ansehen, durchdrehen und sich gegenseitig umbringen. In THE NAUGHTY LIST leben vier Influencer in einem Haus – dem „Bro House“. Dort filmen sie sich dabei, wie sie so allerlei „Bro“-mäßige Sachen machen, was vor allen Dingen bedeutet, dass sie sich wie Idioten benehmen. Doch dadurch landen sie bald auf der titelgebenden „Naughty List“ eines psychopathischen Weinachtsmannes, der ihnen ihrer gerechten Strafe zuführen möchte. In BA‘AL möchte eine junge, reiche Erbin unbedingt ein Kind. Ihr Kinderwunsch ist sogar so groß, dass sie nach mehreren erfolglosen Versuchen schwanger zu werden zu magischen Mitteln greift. Allerdings ahnt sie nicht, was sie damit heraufbeschwört. In FERAL macht ein Ehepaar aus der Stadt Urlaub in einem Nationalpark, wo jedoch ihr Sohn verschwindet. Als Jahre später allerdings neue Hinweise auftauchen, dass ihr Sohn noch am Leben sein könnte, machen sie sich auf die Suche nach ihm. In den Wäldern des Nationalparks wartet jedoch das Grauen auf sie. Und in der letzten Folge GAME OVER versucht eine Mutter die Gunst ihres Sohnes dadurch zu erlangen, indem sie ein Computerspiel für ihn programmiert, dass nicht nur im AHS-Universum selbst angesiedelt ist, sondern dass uns einmal mehr in das Murder House zurückbringt.

    Zwar sind die einzelnen Stories inhaltlich meist sehr divers aufgestellt, was nicht nur eine thematische Bandbreite bietet, sondern wodurch auch verschiedenste Genres bedient werden. Von Haunted House über Quasi-Zombies bis hin zu Backwoods Horror wird einiges geboten. Auch muss man sagen, sind die Folgen teilweise schön blutig und die einzelnen Intro-Sequenzen sehen, abgesehen von der letzten Folge, durchgehend wirklich gut aus.

    Das war es allerdings schon mit den positiven Punkten. Denn die Folgen eint vor allen Dingen die fehlende Qualität, welche sich leider fast durchgängig wie ein roter Faden durch die gesamte Serie hindurch zieht.

    Zwar war über die ersten Folgen hinweg in gewisser Weise eine qualitative Steigerung zu beobachten, aber erst die sechste Episode FERAL war die erste (und leider auch einzige) Folge, die durchaus mit dem Prädikat „ganz gut“ versehen werden kann. Alle anderen Episoden waren eher unterdurchschnittlich bis schlecht.

    Dieser Eindruck kam durch den Einsatz schlechter Sound- und CGI-Effekte zustande. Der gesamte Look wirkt einfach billig und so überkam mich bei jeder einzelnen Episode das Gefühl, gerade nur die schnell produzierte RTL-Version eines Horrorfilms zu sehen.

    Getoppt wird das zum Abschluss noch einmal durch die siebte und letzte Folge GAME OVER, in der wir ein weiteres Mal in das Murder House zurückkehren und in welcher die Geschichte aus den ersten beiden Episoden mit einer weiteren verwoben wird. Das Problem hieran ist: Wären die einzelnen Folgen nicht so hanebüchen geschrieben und lieblos inszeniert, dann hätte man diese Idee durchaus als clever bezeichnen können. Doch so war es am Ende einfach nur noch nervig.

    Die sieben Episoden sind leider nicht viel mehr als schnell gedrehtes und billig produziertes Horror-Fast-Food und so kann man AMERICAN HORROR STORIES nur als ein gescheitertes Experiment bezeichnen.
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    BEWERTUNG:
    3,5 von 10 Punkten

    • 9

      EIN BLICK IN DEN ABGRUND.

      Es ist das Jahr 1995. Vier junge Freund:innen sind im Gebirge in Bhutan wandern. Allerdings entpuppt sich dieser Ausflug bald als buchstäblicher Trip in die Hölle.

      Dieser 22-minütige Prolog hat den Charakter eines überlangen Einstiegs in die neueste Episode einer Serie à la SUPERNATURAL (2005-2020), die nach dem „Monster of the Week“-Schema funktioniert. Wir sehen Figuren, denen etwas Schreckliches widerfährt. Dann setzt das Intro ein und anschließend beginnt die eigentliche Handlung, deren Verbindung mit dem Cold Opener nach und nach enthüllt wird.

      Diese Art des Einstiegs wird zwar auch in Filmen gerne genutzt, allerdings erscheint dieser hier doch ungewöhnlich lang geraten zu sein. Nur wird damit auch etwas bewirkt. Regisseur und Drehbuchautor David Prior vermittelt in diesen ersten Minuten nämlich ein Gefühl dafür, welcher Film auf das Publikum noch warten soll. Der völlig misslungene Trailer kündigte ursprünglich ein Jump-Scare-Fest an und tatsächlich sind einige Szenen genauso aufgebaut, als würde die anschwellende Spannung sogleich durch den nächsten Schreckmoment entladen werden. Doch das tut David Prior nicht. Stattdessen nimmt er sich Zeit, um eine düstere, dichte Atmosphäre zu kreieren und den Horror regelrecht zu zelebrieren.

      Nach einem Zeit- und Ortswechsel befinden wir uns in Missouri im Jahr 2018. Die junge Amanda (Sasha Frolova) ist verschwunden. Auf dem Spiegel in ihrem Zimmer steht mit Tierblut geschrieben: „THE EMPTY MAN MADE ME DO IT.“ Doch warum ist sie verschwunden und was hat der Empty Man, der eigentlich nicht viel mehr als eine urbane Legende, eine dumme Mutprobe unter Jugendlichen ist, damit zu tun? Amandas Mutter (Marin Ireland) ist verzweifelt, aber die Polizei scheint sich zunächst nicht sonderlich für den Fall zu interessieren. So beginnt Jason Lasombra (James Badge Dale), ein Freund der Familie und ehemaliger Polizist, auf eigene Faust ein paar Nachforschungen anzustellen.

      Viel mehr sollte an dieser Stelle nicht über die Handlung verraten werden. Denn THE EMPTY MAN ist ein Genre-Mix aus Horror- und Kriminalfilm mit Mystery-Einschlag, der wohl dann am besten funktioniert, wenn vorab nicht allzu viel über den vorliegenden Fall bekannt ist.

      VON URBANEN LEGENDEN.

      Abgesehen von dem Einstieg, der an Serien wie SUPERTATURAL erinnert, steht der Empty Man auch ganz in der Tradition eines Candyman und das nicht nur aufgrund der recht ähnlich klingenden Namen. Der 1992 erschienene Film CANDYMAN‘S FLUCH (OT: CANDYMAN) basiert auf der Kurzgeschichte THE FORBIDDEN (1985) des Horror-Autors Clive Barker und auch die Ursprünge von THE EMPTY MAN lassen sich in der Literatur wiederfinden. Die Geschichte des Films basiert nämlich auf der gleichnamigen Comicbuch-Reihe (2014) des Autors Cullen Bunn und der Künstlerin Vanesa R. Del Ray.

      Aber auch erzählerisch gibt es Parallelen zwischen den beiden Filmen. Sowohl in CANDYMAN‘S FLUCH als auch in THE EMPTY MAN stellt die Hauptfigur Nachforschungen zu einer urbanen Legende an. Diese urbane Legende ist das anscheinend personifizierte Böse, das durch ein bestimmtes Ritual gerufen wird und anschließend seine Opfer heimsucht, um diese grausam zu töten. Und in beiden Fällen ist das, was sich von den angestellten Ermittlungen aus entspinnt, weitreichender als die Protagonist:innen zunächst ahnen und bald schon sehen sie sich mit ihren eigenen Ängsten und dunkelsten Gefühlen konfrontiert.

      Dabei machen beide Filme zu Beginn ein Genre auf, dass sie im Grunde aber gar nicht wirklich bedienen. CANDYMAN‘S FLUCH gibt sich zunächst als Slasher und THE EMPTY MAN wirkt anfangs wie ein typischer Jump-Scare-Grusler à la CONJURING. Doch beide Filme entpuppen sich im weiteren Verlauf als atmosphärische, albtraumhafte Mystery-Thriller mit Substanz.

      Die hauptsächlichen Unterschiede liegen letztendlich in der thematischen Ausrichtung. Während in CANDYMAN‘S FLUCH Themen wie Rassismus und Gentrifizierung angesprochen werden, steigt THE EMPTY MAN in die Untiefen der menschlichen Psyche hinab.

      EIN DAVID FINCHER IM GEISTE.

      In großen Teilen mag THE EMPTY MAN also an CANDYMAN‘S FLUCH erinnern, dennoch trägt der Film stilistisch eine ganz andere Handschrift – nämlich die von David Fincher. Meist ruhige, selten hektische Aufnahmen, interessante visuelle Einfälle und reichlich Zeit. Zeit, um die Figuren vorzustellen. Zeit, um der Geschichte den nötigen Raum zu geben. Zeit, um Atmosphäre zu erzeugen.

      Dass der Film an die Handschrift von David Fincher erinnert, kommt nicht von ungefähr. Regisseur und Drehbuchautor David Prior, der mit THE EMPTY MAN ein beeindruckendes Langfilm-Debüt abgibt, war zuvor vor allen Dingen für Behind-the-Scenes-Dokumentationen zuständig und u.a. eben auch für Filme von David Fincher. Es könnte also durchaus sein, dass sich David Prior die Art der visuellen Gestaltung und des Erzählens von Fincher abgeguckt hat. Dieser Stil war bereits in David Priors 40-minütigem Kurzfilm AM1200 zu erkennen, mit dem der Regisseur nicht nur zeigen sollte, welches Talent er besitzt, sondern für den David Fincher dann auch selbst lobende Worte fand:

      „In 40 short minutes, David Prior shows why he is one of the most promising directors I’ve ever seen. People always ask me what to do for a ‘calling card’ in Hollywood. Well do something like this, and try to do it half as well.“

      Ob er die lobenden Worte aber nur deshalb fand, weil er seinen eigenen Stil darin selbst erkannt hat, bleibt natürlich eine offene Frage.

      BE KIND REWIND.

      Das soll allerdings nicht bedeuten, dass David Prior keinen eigenständigen Film geschaffen hätte. Diese Hintergrundinformation soll nur verdeutlichen, mit welcher Akribie und Präzision der Regisseur ans Werk gegangen ist. Jede Handlung, jede Kamerabewegung, jede einzelne Sequenz wirkt durchdacht. Somit zählt THE EMPTY MAN zweifelsohne zu den qualitativ hochwertigsten Horrorfilmen der letzten Jahre, der trotz Überlänge nie langatmig wirkt.

      Das einzige Manko des Films scheinen die visuellen Effekte zu sein, denen stets anzusehen ist, dass sie aus dem Rechner stammen, wodurch der Grusel an jenen Stellen dann doch etwas gehemmt wird. Und gewiss stellt auch die Auflösung der Handlung ein Streitpunkt dar, denn man wird mit einigen offenen Fragen zurückgelassen. Allerdings ist das Ende dann doch weit davon entfernt, den gesamten Film noch im Nachhinein zu verderben. Viel eher könnte es sogar dazu einladen, den Film noch ein weiteres Mal etwas aufmerksamer zu schauen und sich wie ein:e Ermittler:in auf Spurensuche zu begeben und auf wichtige Details oder Hinweise zu achten.

      Insgesamt ist THE EMPTY MAN ein wahrer Geheimtipp für all jene, die auf generische Jump-Scares verzichten können und die offen für atmosphärische, düstere Horrorfilme sind.

      EIN (FAST) PERFEKTER GEHEIMTIPP!
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      1
      • 5

        Es durchaus ganz spannend, wenn sich Schauspieler:innen in Rollen versuchen, die völlig konträr zu dem zu stehen scheinen, wofür sie sonst vielleicht eher bekannt sind. Und so fand ich es auch ganz interessant, Sean William Scott mal nicht in der Rolle des Idioten zu sehen, so wie ich ihn aus Filmen wie EY MANN, WO IS‘ MEIN AUTO? (OT: DUDE, WHERE IS MY CAR?, 2000), VORBILDER?! (OT: ROLE MODELS, 2008) oder eben der AMERICAN PIE-Reihe (1999, 2001, 2003, 2012) kenne. In BLOODLINE spielt dieser nun einen liebenden Familienvater, der tagsüber als Vertrauenslehrer arbeitet und des Nachtens denjenigen den Garaus macht, die ihren Kindern schlimme Dinge antun.

        Ein sonst netter Typ wird zum Serienkiller, geht aber nach einem bestimmten Kodex vor und richtet nur die hin, die es seiner Meinung nach verdient haben – das klingt für mich ein wenig nach DEXTER. Nur dass BLOODLINE dann doch in eine etwas andere Kerbe schlägt und wesentlich rauer und ernster daherkommt als DEXTER.

        Leider wurde Sean William Scott mit nicht ganz so viel schauspielerischem Talent gesegnet, wie bspw. Michael C. Hall, der seinerseits in DEXTER den titelgebenden Serienkiller mit Bravour spielt. Vielleicht liegt es aber auch an der Regie und gar nicht an Sean William Scott selbst. Doch während er die psychopathische Seite seiner Figur durchaus glaubhaft präsentiert, kauft man ihm den liebenden Familienvater zu keiner Zeit ab.

        Ohnehin fehlt es dem Film an emotionaler Tiefe, alles wirkt ein wenig unterkühlt. Und das macht es durchaus schwer einen Zugang zu dem Film und zu den Figuren zu finden, worunter vor allen Dingen die Spannung leidet.

        Die FSK 18-Freigabe hat der Film definitiv verdient, denn die Kills sind – wenn auch etwas repetitiv – ziemlich blutig und schmaddrig und eine explizite Geburtenszene gibt es gleich mit obendrauf.

        Der Synthie-Soundtrack von Trevor Gureckis will zwar an einigen wenigen Stellen etwas zu viel, passt ansonsten aber sehr gut zur düsteren Stimmung es Films.

        BLOODLINE ist ein ambitioniertes Langfilm-Debüt mit hohen Ansprüchen, denen das Ergebnis aber leider nicht gerecht wird.

        • 6 .5

          Ein paar Student:innen wollen die Halloween-Nacht mit ein paar Drinks und ein bisschen Nervenkitzel verbringen. Und so landen sie schlussendlich in einem für Angstlustige zurechtgemachten Gruselhaus. Doch darin warten nicht nur ein paar Attraktionen und maskierte Darsteller:innen darauf, der Gruppe einen Schauer über den Rücken zu jagen. Denn das Grauen zeigt bald sein wahres Gesicht und die Nacht wird für einige tödlich enden.

          Die Handlung von HALLOWEEN HAUNT (OT: HAUNT) klingt zwar etwas generisch und sie ist es vielleicht auch, dennoch weiß das Autoren- und Regie-Duo Scott Beck und Bryan Woods das Beste aus dieser Prämisse herauszuholen. So ist jeder einzelne Raum des Geisterhauses auf eine kreative Art unheimlich gestaltet worden, die wortkargen und maskierten Mörder:innen wirken bedrohlich und überraschenderweise besteht die kleine Clique nicht nur aus egalen Opfern, deren möglichst grausamen Ende man entgegenfiebert.

          Gegen Ende geht dem Film zwar etwas die Puste aus, die Figuren treffen genretypisch manchmal ziemlich doofe Entscheidungen und leider bleiben auch ein paar Fragen ungeklärt. Aber alles in allem ist HALLOWEEN HAUNT wie eine gute Geisterbahnfahrt: Sobald der Spaß vorbei ist, ist auch die Gänsehaut verschwunden, aber bis dahin wird kurzweiliger Grusel geboten.

          • 8

            VON GOTT VERLASSEN.

            Der US-amerikanische Filmemacher Mike Flanagan ist kein unbekannter Name, wenn es um den gegenwärtigen Horrorfilm geht. So zeichnet dieser für mehrere, mindestens solide Horrorfilme der letzten Jahre verantwortlich. Darunter befinden sich originäre Stoffe wie STILL (OT: HUSH, 2016) und BEFORE I WAKE (2016), aber auch literarische Adapationen wie DAS SPIEL (OT: GERALD‘S GAME, 2017) und DOCTOR SLEEPS ERWACHEN (OT: DOCTOR SLEEP, 2019) – beides Verfilmungen von Stephen King-Romanen. Mike Flanagan ist aber auch der Schöpfer der beiden Netflix-Serien SPUK IN HILL HOUSE (OT: THE HAUNTING OF HILL HOUSE, 2018) und SPUK IN BLY MANOR (OT: THE HAUNTING OF BLY MANOR, 2020), deren Ursprung ebenfalls in literarischen Werken zu finden ist und von denen vor allen Dingen erstgenannte Serie einen regelrechten Hype erfahren hatte. Nun wurde mit MIDNIGHT MASS die neueste Horror-Serie von Mike Flanagan auf Netflix veröffentlicht.

            Riley Flynn (Zach Gilford) muss eine vierjährige Haftstrafe absitzen, weil er unter Alkoholeinfluss Auto gefahren ist und einen Unfall verursacht hat, bei dem eine junge Frau ums Leben kam. Als die vier Jahre verstrichen sind, kehrt Riley zu seinem einstigen Heimatort zurück: Crockett Island. Eine kleine Insel, die vom Festland mehrere Meilen entfernt liegt und nur mit einer Fähre zu erreichen ist.

            Riley wird zwar von seiner Mutter Annie Flynn (Kristin Lehman) sowie seiner ehemaligen Schulfreundin Erin Greene (Kate Siegel) willkommen geheißen, aber wirklich Zuhause fühlt er sich nicht in dieser Gemeinde, die er lange vor dem tragischen Unfall verlassen hat und von der er sich in all den Jahren immer mehr entfremdet hat.

            Doch nicht nur der verlorene Sohn ist in Crocket Island eingekehrt. Auch der junge Pastor Paul Hill (Hamish Linklater) hat sich am selben Tag dorthin verirrt, um, wie er selbst sagt, für einige Zeit den gealterten Monsignor Pruitt zu vertreten und statt seiner die Predigten abzuhalten. Aber mit Riley und dem jungen Pastor scheint noch etwas anderes die Insel betreten zu haben – etwas Finsteres. Zunächst ist es nur ein Gefühl. Doch schon bald geschehen unerklärliche Dinge; Wundersames wie Schreckliches, Göttliches wie Dämonisches.

            STEPHEN KING UND PERSÖNLICHE DÄMONEN.

            Auf dem Papier liest sich das so, als hätte die Geschichte aus der Feder von Stephen King stammen können. Und tatsächlich fühlt sich MIDNIGHT MASS – im positivsten Sinne – oft so an, als handele es sich um eine weitere Adaption eines Stephen King-Romans. Doch auch wenn das Schaffen von Stephen King mit Sicherheit einen großen Einfluss auf die Geschichte gehabt haben dürfte, so handelt es sich bei dieser Serie um einen originären Stoff.

            MIDNIGHT MASS ist eine wahre Herzensangelegenheit von Mike Flanagan gewesen. Mehrere Jahre hat der Filmemacher diese Idee mit sich herumgetrafen. Immer wieder hat er in anderen seiner Filme kleine Easter Eggs eingebaut, die auf MIDNIGHT MASS verweisen, ohne dass eine Umsetzung aber jemals wirklich absehbar gewesen wäre. Erst mit dem Erfolg von SPUK IN HILL HOUSE und dem sich daran anschließenden Deal zwischen dem Filmemacher und Netflix sollte sich die Möglichkeit für eine Realisation ergeben.

            MIDNIGHT MASS war vor allen Dingen eine Herzensangelegenheit für Mike Flanagan, weil dieser darin eigene Erfahrungen verarbeitet hat. Vor allen Dingen die Figur des Riley Flynn stellt eine Art „Avatar“ für ihn dar. Wie Riley wuchs Mike Flanagan in einer kleinen Stadt auf, wurde katholisch erzogen und war als Junge ein Ministrant in einer kleinen Kirche. Und ebenfalls wie Riley ist auch Mike Flanagan ein trockener Alkoholiker. In den sieben Folgen der Mini-Serie erzählt der Filmemacher eine sehr persönliche Geschichte.

            Das macht sich u.a. auch darin bemerkbar, wie sie konzipiert ist. In erster Linie geht es nämlich nicht um das Grauen. In erster Linie geht es um die Figuren und ihre Schicksale, ihre Überzeugungen und ihre Beziehungen zueinander. Die Serie ist viel eher ein Kleinstadt-Drama im Mantel einer Horror-Serie – oder umgekehrt.

            Die Gemeinde wirkt wie eine echte Gemeinschaft. Alle kennen sich, es wird getratscht und es gibt Freundschaften wie Feindschaften. Und die einzelnen Figuren, ganz gleich ob Haupt- oder Nebenfiguren, fühlen sich irgendwie lebendig, fast schon natürlich an. Ganz so, als hätte jede von ihnen eine eigene Geschichte zu erzählen.

            DIE RUHE VOR DEM STURM.

            Und zu erzählen bekommen die Figuren reichlich. Sie lernen sich gegenseitig (neu) kennen, genau so wie wir sie kennenlernen. Sie erzählen von sich und ihren Gefühlen, von dem was sie beschäftigt. Sie führen Diskussionen und streiten, sie versöhnen und vergeben sich. Dabei entstehen großartige, sehr tiefgreifende Dialoge (und Monologe) über Sucht und Verantwortung, Glaube und Existenz, Schuld und Sühne – und das ist für die Serie Fluch und Segen zugleich.

            Denn während es auf der einen Seite durchaus interessant ist den Figuren bei ihren philosophischen Streitgesprächen zuzuhören, so sind die Dialoge mitunter doch etwas ausufernd, was die Geduld einiger Zuschauer:innen gewiss auf die Probe stellen dürfte. Auch drehen sich die Gespräche oft um die gleichen Themen, weshalb im Verlauf der sieben Folgen das Gefühl aufkommen kann, dass die Serie manchmal etwas auf der Stelle tritt.

            Dieses Gefühl wird durch das generell langsame Erzähltempo noch einmal verstärkt. MIDNIGHT MASS ist ein waschechter Slow Burner, also eine Serie, die langsam Fahrt aufnimmt, sich nach und nach immer weiter zuspitzt und erst zum Ende hin den wahren Terror entfacht. Bis dahin vergeht aber viel Zeit und über die vorhandenen Längen können auch die wenigen Schockmomente und Jump-Scares nicht hinwegtäuschen.

            Dass die Serie Längen enthält heißt jedoch nicht, dass sie langweilig ist. Denn statt durch ein hohes Erzähltempo zeichnet sie sich durch eine dichte Atmosphäre aus. Eine kleine Gemeinschaft lebt auf einer kleinen Insel. Um sie herum meilenweit nichts als Wasser. Und plötzlich geschehen seltsame Dinge. MIDNIGHT MASS ist fast wie ein Kammerspiel, gepaart mit Gothic Horror- und Mystery-Elementen. Verstärkt wird die Atmosphäre durch das unterkühlte, düstere Bild und durch die Filmmusik, welche nie zu aufdringlich die nahende Bedrohung ankündigt.

            ENGE VERTRAUTE.

            So wie sich Mike Flanagan auf seine Figuren, die Dialoge und die Atmosphäre verlässt, verlässt er sich ebenso auf vertraute Weggefährt:innen und das sowohl vor und als auch hinter der Kamera. So hat Kameramann Michael Fimognari bereits mehrere seiner Filme sowie die Serie SPUK IN HILL HOUSE bebildert und die Newton Brothers sind seit dem Film OCULUS (2013) für den Score jedes einzelnen Projekts zuständig gewesen. Und auch mit vielen der Schauspieler:innen hatte der Filmemacher bereits zusammengearbeitet. Am häufigsten standen wohl Henry Thomas, der hier Riley Flynns Vater spielt, sowie Mike Flanagans Frau Kate Siegel, die hier in der Rolle der Erin Greene eine der Hauptrollen spielt, vor der Kamera. Diese Vertrautheit ist MIDNIGHT MASS anzumerken. Jede einzelne Leistung ist on point und trägt zur Qualität dieser Serie bei.

            Letztendlich wirkt MIDNIGHT MASS vielleicht, als wäre es die Adaption eines verschollenen Meisterwerks von Stephen King. Und auch wenn Mike Flanagen auf den Pfaden des Stephen King wandelt, so hat die Serie auch etwas eigenständiges, etwas persönliches. Wenn man sich auf den Mystery-Anteil einlassen kann, von der Atmosphäre einfangen lässt und über so manche Längen hinwegsehen kann, dann bekommt man hier eine Serie, die bis zum Ende fesselnd ist und die auch über das Ende hinaus mit philosophischen Fragen beschäftigt. Und nicht zuletzt zeigte sich der „König des Horrors“ himself von dem Ergebnis begeistert. Welch größeres Lob für einen waschechten Horror-Fan kann es da schon geben?

            „MIKE FLANAGAN HAS CREATED A DENSE, BEAUTIFULLY PHOTOGRAPHED TERROR TALE THAT CLIMBS TO A HIGH PITCH OF HORROR BY THE 7TH AND LAST EPISODE.“ - STEPHEN KING
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            4
            • 9
              über Dune

              SAND IM (FILM)GETRIEBE.

              Bereits dreimal gab es in der Vergangenheit Bestrebungen, Frank Herberts Science-Fiction Roman DUNE (1965) zu verfilmen. 1984 erschien David Lynchs Kinofilm DER WÜSTENPLANET (OT: DUNE) und 2000 folgte die Mini-Serie DUNE – DER WÜSTENPLANET (OT: FRANK HERBERT‘S DUNE). Allerdings wurde das Ergebnis in beiden Fällen mit eher gemischten Gefühlen aufgenommen. Und dann gab es da noch den Versuch von Alejandro Jodorowsky, aus dem Science-Fiction-Stoff das abgedrehteste Filmerlebnis zu schaffen, das es bis dato gegeben hätte. Allerdings ist dieses Vorhaben bereits in der Vorproduktion grandios gescheitert ist. (Näheres dazu gibt es u.a. in dem Video-Essay „Die irre Geschichte des größten Films – den niemand kennt“ des YouTubers David Hain zu erfahren.)

              Nun sollte es also noch einmal eine neue filmische Version zu diesem Stoff geben. An dieser Stelle muss ich gestehen, dass mich diese Neuigkeit zunächst eher kalt gelassen hat. Zwar habe ich Frank Herberts Roman nie gelesen und auch David Lynchs Adaption nie gesehen, doch die Mini-Serie ist mir als eher träge Angelegenheit in Erinnerung geblieben.

              Als ich jedoch erfuhr, dass der kanadische Filmemacher Denis Villeneuve für den Regieposten verpflichtet wurde, war mein Interesse geweckt. Denis Villeneuve hatte bereits erstklassige Filme wie PRISONERS (2013), SICARIO (2015), ARRIVAL (2016) oder BLADE RUNNER 2049 (2017) abgeliefert. Die Zeichen für ein hervorragendes Science-Fiction-Abenteuer standen also gut.

              Ein kleiner Wermutstropfen sollte aber dennoch bleiben. Denis Villeneuves Vorhaben ist es nämlich von Anfang an gewesen einen Zweiteiler zu drehen, um der Geschichte den nötigen Raum zu geben. Das klingt zwar nach einem ehrenwerten Vorhaben, allerdings ist ein zweiter Teil nur dann wahrscheinlich, wenn bei diesem Film das Einspielergebnis stimmt. Und wenn man sich nun vor Augen führt, dass Denis Villeneuves letzter Film BLADE RUNNER 2049 an den Kinokassen gefloppt ist, zusätzlich derzeit immer noch Corona grassiert und sich Warner Bros. im Zuge dessen dazu entschieden hatte, seine Kinofilme 2021 zeitgleich in den Lichtspielhäusern sowie auf dem hauseigenen Streamingdienst HBO Max zu veröffentlichen, dann bleibt die bange Befürchtung, dass DUNE ebenfalls ein finanzieller Flop werden und uns somit ein zweiter Teil verwehrt bleiben könnte.

              Immerhin: DUNE ist gar nicht mal so schlecht gestartet. In den Ländern, in denen der Film bereits gestartet ist, konnte er knapp 37 Mio $ einnehmen (Stand: 20.09.2021). Die Einnahmen von dem US-Kinostart stehen allerdings noch aus, jedoch müsste der Film wohl mindestens 400 Mio $ einnehmen, um nicht als Flop zu gelten.

              BLOCKBUSTER MIT SUBSTANZ.

              Einen zweiten Teil – so viel sei verraten – wird es aber definitiv brauchen, um die Geschichte in voller Gänze zu erzählen. Denn es erfordert Zeit, um in die Welt einzuführen, die hier aufgemacht wird. Wie ist dieses Universum aufgebaut? Wie sind die Strukturen der verschiedenen Zivilisationen beschaffen? Welche Regeln herrschen hier vor? Es gibt so vieles zu entdecken, so vieles zu lernen. Das Ganze in einen einzigen Film zu packen, wäre unmöglich gewesen, ohne dabei wichtige Details wegzulassen und somit der Geschichte ihrer Tiefe zu berauben. Allerdings erscheint es auch fast unmöglich, in einer kurzen Synopsis zu beschreiben, worum es im Film eigentlich geht, ohne zu viel zu verraten. Was mir an dieser Stelle zu DUNE – PART ONE zu sagen bleibt, ist:

              Man muss es einfach selbst gesehen haben, denn das, was hier gezeigt wird, ist einfach überwältigend.

              Eigentlich ist es schon fast ironisch, dass ich in meiner Review zu DER RAUSCH meine Filmauswahl noch damit begründete, lieber über einen kleineren Film reden zu wollen, als über einen Film der großes Spektakel bietet. Denn augenscheinlich ist DUNE erst einmal genau das: Ein großes, bombastisches Spektakel.

              Am ehesten sei wohl dazu geraten, den Film auf einer IMAX-Leinwand zu sehen. Aber selbst wenn das örtliche Kino, in dem der Film ggf. gezeigt werden sollte, keine Leinwand im IMAX-Format zu bieten hat, sollte DUNE im Kino erlebt werden. Weite Landschaften, riesige Raumschiffe, prachtvolle Gebäude – das Bild ist in erster Linie für die große Leinwand geschaffen und nicht für den heimischen Fernseher.

              Ebenfalls spektakulär ist nicht nur das, was gezeigt wird, sondern wie es gezeigt wird. In jedem Moment geschieht etwas, das man keinesfalls missen möchte. Das führt unter anderem auch dazu, dass sich die Laufzeit von 155 Minuten gar nicht so lange anfühlt. Viel eher möchte man es gar nicht glauben, wenn der Film nach den knapp zweieinhalb Stunden schon zu Ende ist.

              Aber im Grunde ist DUNE dann doch wiederum auch mehr, als nur reines Popcorn-Kino. Hier gilt nämlich nicht die Faustregel: „Hirn aus, Film an.“ Neben den großen Schauwerten hat dieser Film noch mehr zu bieten und zwar etwas, das wohl noch viel entscheidender für einen guten Film sein dürfte: Inhalt.

              STAR WARS MEETS GAME OF THRONES

              Als Denis Villeneuve darüber sprach, was er mit dem Stoff vor hätte, äußerte er, dass er einen STAR WARS-Film für Erwachsene kreieren wolle. Nun, diese STAR WARS-Vibes sind nicht von der Hand zu weisen. Gerade der erste STAR WARS-Film KRIEG DER STERNE (1977) ist die Erzählung einer Heldenreise in Reinform. Und bei DUNE handelt es sich im Grunde ebenfalls um eine Erzählung einer ganz klassischen Heldenreise, in welcher sich der junge Held Paul Atreidis (Timothée Chalamet) auf einen langen, beschwerlichen Weg begibt, diverse Herausforderungen meistern und daran wachsen muss. Auch das Vorkommen eines Imperators, die monarchistisch anmutenden Machtstrukturen und nicht zuletzt der Wüstenplanet Arrakis selbst erinnern stark an STAR WARS. Vermutlich liegt dies daran, weil sich der STAR WARS-Schöpfer George Lucas offensichtlich selbst sehr stark von Frank Herberts Roman „inspirieren“ ließ.

              Aber auch eine gewisse Parallele zu GAME OF THRONES ist nicht von der Hand zu weisen. So geht es um Machtkämpfe zwischen den einzelnen Häusern, um Intrigen und Verrat.

              Allerdings weist DUNE nicht nur Parallelen zu fiktiven Werken auf. Auch was ganz reale geopolitische Ereignisse anbelangt, können einige Parallelen gezogen werden. Wenn bspw. eine kriegerische Großmacht in den Lebensraum eines anderen Volkes eindringt, um sich an den dort vorkommenden Rohstoffen zu bereichern, dann geht es ganz offensichtlich um Themen wie Raubbau und Kolonialismus, es werden aber auch Erinnerungen bspw. an den Krieg in Afghanistan wach.

              ZU VIEL DES GUTEN?

              Im Anbetracht dieser Fülle an Themen sowie der Komplexität der eröffneten Welt, kann durchaus die Frage gestellt werden, ob der Film nicht etwas überfrachtet daherkommt. Und ja, dieser Kritikpunkt erscheint in gewisser Weise berechtigt. DUNE – PART ONE fühlt sich stellenweise wie eine überlange Exposition an. Ehe das Abenteuer richtig begonnen hat, rollt bereits der Abspann über die Leinwand. Fraglich, ob ein zweiter Teil allein überhaupt ausreichen würde, um diese Geschichte zu einem Ende zu führen.

              Was ebenfalls stellenweise zu viel erscheint, ist der Score von Hans Zimmer. Nicht nur, dass der Sound unverhältnismäßig abgemischt wurde und die Dialoge zwar in einer normalen Lautstärke abgespielt werden, die Musik hingegen aber dröhnt und donnert, so dass einigen die Ohren schmerzen dürften. Auch hätte man sich hier an der einen oder anderen Stelle ruhig etwas zurücknehmen können. Das bedeutet nicht, dass die Musik an und für sich generell unpassend wäre, aber wenn selbst in ruhigeren Moment der Score aufbraust, dann wäre hier weniger manchmal mehr gewesen.

              Doch letztendlich trüben diese Kritikpunkte das Filmerlebnis kaum. Denn dem gegenüber stehen atemberaubende Aufnahmen und beeindruckende visuelle Effekte, ein wahrlich meisterhaftes Schauspiel und eine tiefgründige Story, die so im Blockbuster-Kino selten zu finden ist. Denis Villeneuve hat mit DUNE ein SciFi-Epos geschaffen, das, ebenso wie seine Roman-Vorlage, zu einem absoluten Klassiker werden dürfte.

              BOMBASTISCHES ERZÄHLKINO.

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              • 8

                Auf einer Hochzeit lernen sich Sarah (Cristin Milioti) und Nyles (Andy Samberg) kennen. Sie ist die Schwester und die Trauzeugin der Braut. Er ist nur das Anhängsel der besten Freundin der Braut. Doch Sarah und Nyles verstehen sich blendend und verbringen den restlichen Abend zusammen. Was sie jedoch nicht weiß, ist, dass er den Hochzeitstag schon unzählige Male in unzähligen Variationen durchlebt hat.

                Plötzlich taucht eine Verrückter namens Roy (J. K. Simmons) auf, der Nyles mit einer Armbrust hinterherjagt. Und dann folgt Sarah Nyles in eine Höhle, obwohl dieser sie versucht davon abzuhalten. In der Höhle befindet sich ein goldener Lichtschein. Kurz nachdem Sarah das Licht betreten hat, wacht sie auf. Es ist derselbe Tag wie zuvor. Nun ist auch sie in der Zeitschleife gefangen und Sarah und Nyles müssen sich fortan gemeinsam der Frage stellen, wie sie mit der Situation umgehen wollen und ob es einen Ausweg gibt.

                PALM SPRINGS ist ein weiterer Eintrag in das Register der schier unzähligen Zeitschleifen-Filme. Dabei hat der Film zwar einige kreative Ideen vorzuweisen, wenngleich auch hier das Rad nicht unbedingt neu erfunden wurde. Was den Film aber davon abhält, lediglich ein „ganz okayer“ Beitrag in der Time-Loop-Filmliste zu sein, ist, dass er so charmant und witzig geschrieben ist.

                Oberflächlich betrachtet ist PALM SPRINGS eine schwarzhumorige Sommerkomödie, in der die Figuren das vermeintlich Beste aus ihrer Situation machen und mal so richtig die Sau rauslassen – denn Konsequenzen scheint es offenbar kaum zu geben. Egal wie viel Mist sie bauen, der Tag beginnt ohnehin wieder von vorn. Doch irgendwann, wenn man gefühlt schon alles ausprobiert und alles erfahren hat, kommt zwangsläufig die Frage auf, ob das Leben nicht eigentlich mehr sein sollte als das.

                Das Zeitschleifen-Szenario ist hier also nicht nur ein Gimmick, um möglichst abgedrehte Situationen aneinanderzureihen und dann eine Art HANGOVER in der Warteschleife zu inszenieren. Viel eher wird das Szenario als Vehikel genutzt, um eine Botschaft zu transportieren. Manchmal erscheint das Leben wie festgefahren und nichts ergibt mehr einen Sinn. Der Alltag hält einen fest im Griff und einige versuchen diesem Trott zu entkommen, indem sie bis an die Grenzen oder sogar darüber hinaus gehen. Doch statt sich im Exzess zu verlieren, sollte man sich lieber daran erinnern, wer oder was das eigene Leben wirklich lebenswert macht, um anschließend einen Weg zurück in eben dieses Leben zu finden – zur Not geht dies eben auch mit einem lauten Knall.

                Klar, wirklich wasserdicht ist das Zeitschleifen-Szenario hier nicht. So fügt sich eben nicht alles problemlos ineinander und ein paar kleine Fragen bzgl. der Logik bleiben am Ende offen. Vielleicht hatte Drehbuchautor Andy Siara eine professionelle Beratung im Bereich der Quantenphysik, aber der Film macht keinen Hehl daraus, dass er es mit der Wissenschaft dann doch nicht ganz so genau nimmt. Das Gute ist aber, dass die Suche nach einer Lösung des Problems nicht unnötig verklompliziert wird, wodurch die entstandenen Logiklöcher nicht sonderlich ins Gewicht fallen.

                Letzten Endes ist PALM SPRINGS ein lebensbejahender Feel-Good Film, der von der Chemie zwischen den beiden Hauptdarsteller:innen und deren Figuren getragen wird und stellenweise sogar nahe geht.

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                • 5 .5
                  wordspersecond 20.09.2021, 16:30 Geändert 20.09.2021, 16:39
                  über Cruella

                  Prequels haben in meinen Augen immer mit einem großen Problem zu kämpfen: Sie erzählen die Vorgeschichte zu etwas, das bereits weithin bekannt ist.

                  Natürlich kann es durchaus interessant sein, bspw. etwas mehr über die Vergangenheit einer bestimmten Figur zu erfahren. Und so wird uns in CRUELLA eben die Hintergrundgeschichte der gleichnamigen, eigentlich sehr interessanten Hauptfigur präsentiert. Es wird gezeigt, wie aus Estella, einem kleinen, liebenswerten, wenn auch etwas aufmüpfigen Mädchen, die Cruella werden sollte, die wir bereits in dem Disney-Klassiker 101 DALMATINER als wahrhaftig bösartigen Charakter kennengelernt haben.

                  Die Grundlagen für ein gutes Prequel sind im Prinzip vorhanden. Emma Stone ist zudem eine talentierte Schauspielerin, die auch sichtlich Spaß an ihrer Rolle und der Verwandlung hat. Emma Thompson als kaltherzige, durchtriebene Baroness ist eine ebenso gut aufgelegte Gegenspielerin. Und eigentlich ist es doch auch mal ganz angenehm, dass sich an einem etwas wilderen, ja, "punkigeren" Disney-Film versucht wurde.

                  Nun ja, irgendwie bekommen wir das mit CRUELLA auch – nur eben dann doch nicht so ganz. Denn für Punk ist der Film immer noch zu sehr Disney und anstatt eine düstere Charakterstudie à la JOKER zu kreieren, war man offenbar doch zu sehr darauf bedacht, lieber wieder die ganze Familie in den Kinosaal bzw. vor den Fernseher zu locken. Daher muss die Hauptfigur eben nahbar bleiben und darf den Kinderlein mit ihren grausamen Taten nicht allzu sehr Angst einjagen.

                  So funktioniert das Ganze dann auch weitestgehend nach der typischen Disney-Formel. Obendrein ist die Figurenzeichnung ziemlich inkonsistent und es ist schleierhaft, wie die Cruella, die wir in diesem Film bekommen, zu der Cruella passen oder werden soll, wie wir sie eben aus dem Zeichentrickfilm kennen – aber vielleicht wird das der bereits angekündigte zweite Teil noch richten.

                  Letztendlich will der Film so gar nicht in eine Schublade passen – was, wenn man genauer darüber nachdenkt, dann doch irgendwie schon wieder punkig ist. Aber für Kinder dürfte der Film etwas zu düster, zu schwer und zu lang sein. Für ein erwachsenes Publikum ist CRUELLA dann aber wiederum zu zahm und kindgerecht.

                  Mein Fazit lautet also: Hier wurde leider Potential verschenkt.

                  • 8

                    Say his name.

                    Nachdem der Candyman bereits 1992 zum ersten Mal auf der großen Leinwand sein Unwesen trieb, ist dieser nun 2021 noch einmal in die Kinos zurückgekehrt. Eigentlich sollte CANDYMAN bereits im Juni 2020 in den Kinos anlaufen, allerdings wurde der Starttermin, wie bei vielen anderen Filmen auch, aufgrund der COVID-19-Pandemie verschoben. Der Film ist die zweite Regiearbeit von Regisseurin Nia DaCosta, welche auch gemeinsam mit Win Rosenfeld und Jordan Peele das Drehbuch geschrieben hat.

                    In CANDYMAN begibt sich der junge Künstler Anthony McCoy (Yahya Abdul-Mateen II) auf die Suche nach einer Inspirationsquelle für seine nächsten Werke. Einen Pinsel hatte dieser seit geraumer Zeit nicht mehr in der Hand und eine wirkliche Eingebung lässt noch auf sich warten. Doch in wenigen Tagen schon soll eine Kunstausstellung stattfinden und dafür muss und will er etwas vorweisen.

                    Der Funke scheint überzuspringen, als Anthony von erschütternden Ereignissen hört, die sich vor mehreren Jahren in Cabrini-Greene, einem Stadtteil von Chicago, zugetragen haben sollen. Auf eine unerklärliche Art fasziniert von dieser Story, stellt er einige Nachforschungen an, die ihn bis hin zu den Überresten des inzwischen fast völlig gentrifizierten Stadtteils Cabrini-Greene führen. Dort trifft er auf William Burke (Colman Domingo), einem Mann, der seit seiner Kindheit in diesem Viertel lebt. Dieser berichtet Anthony schließlich von dem Candyman, einer tragischen Schreckgestalt.

                    Wie manisch beginnt Anthony daraufhin wieder zu malen. Er steigert sich immer mehr in diese Geschichte hinein. Schließlich findet die Ausstellung statt, wo er ein Werk mit dem Titel „Say his name“ präsentiert. Das Werk besteht aus einem Spiegel sowie kleineren Zeichnungen. Eine Anleitung lädt die Betrachter:innen dazu ein, in den Spiegel zu schauen und fünfmal den Namen des Candyman zu sagen. Allerdings ahnt Anthony nicht, welches Grauen er damit noch heraufbeschwören soll.

                    Die Wiederbelebung eines Horrorfilm-Mythos.

                    Wenn seit dem ersten Film fast drei Dekaden vergangen sind, dann ist eine grundlegende Skepsis durchaus angebracht. Denn, warum sollte man eine längst totgeglaubte Horrorfilm-Reihe wiederbeleben? Die Antwort würde in den meisten Fällen wohl lauten: Des Geldes wegen.

                    Doch in diesem Fall scheint das Geld nicht der vordergründige Antrieb für eine Neuauflage gewesen zu sein. Viel eher fühlt sich der vorliegende Film so an, als hätten die Filmemacher:innen wirklich etwas zu erzählen. Als würde ihnen etwas auf der Seele brennen, dass sie unbedingt loswerden wollten und wofür sich die Figur des Candyman wunderbar angeboten hätte.

                    So ist das Feedback zu dem Film auch überwiegend positiv. In der Podcast-Folge „Die Rückkehr des Hakenmörders“ des Formats Zwei wie Pech und Schwafel meinte der YouTuber und Podcaster David Hain etwa, dass CANDYMAN der beste Film von Jordan Peele sei, nur das Jordan Peele bei diesem Film eben selbst nicht Regie geführt habe. Dieser Aussage kann ich mich zwar nicht ganz anschließen, da GET OUT (2017) meines Erachtens nach immer noch Jordan Peeles bis dato bester Film ist. An die Qualitäten eines WIR (OT: US, 2019) kann CANDYMAN aber durchaus heranreichen. Und auch der Vergleich zu den angeführten Filmen kommt nicht von ungefähr. Denn wie schon erwähnt, hat Jordan Peele am Drehbuch mitgewirkt und wie ebenfalls bereits erwähnt, hatten die Filmemacher:innen offenbar etwas zu sagen.

                    Gruseliges Gesellschaftsdrama a.k.a. Social Thriller

                    Dass es eine Message gibt, spiegelt sich bereits in dem Genre wieder, welchem CANDYMAN zugeordnet werden kann: Social Thriller. Der Bergriff „Social Thriller“ beschreibt einen Film, in dem die Gesellschaft das eigentlich Böse darstellt. In dieses Genre ordnet Jordan Peele seine Filme ein und genau dort ist auch Nia DaCostas CANDYMAN zu verorten. Es geht nicht einfach nur um einen gruseligen Mann mit Hakenhand, der durch eine bestimmte Zeremonie heraufbeschworen wird und nach dem Leben derer trachtet, die ihn gerufen haben. Es geht um ganz aktuelle Themen wie Rassismus und Gentrifizierung.

                    Dabei jonglieren die Filmemacher:innen gekonnt mit diversen Ängsten. Einmal mit der kindlichen Angst vor dem Unbekannten, vor dem Bösen, vor dem, was in der dunklen Ecke, unter dem Bett oder im Schrank lauert. Der Candyman ist die Personifizierung dieser Angst. Einmal gerufen, kann er jeden Moment kommen, um dich zu töten.

                    Hinzu kommen die Ängste der Black People of Color in den USA: Ihre Angst vor einer völligen Machtlosigkeit. Aber auch die eigene grausame Geschichte, die noch längst nicht verwundet ist, spielt darin eine Rolle. Oberflächlich betrachtet scheinen sie es geschafft zu haben. Sie haben sich emanzipiert, sind Teil der US-amerikanischen Gesellschaft und leben ihre Leben. Sie haben Jobs, verdienen gutes Geld und gehen wählen. Betrachtet man dieses Bild aber etwas genauer, so offenbart sich, dass dieses Bild immer noch nach einem ähnlichen Muster gezeichnet ist, wie noch vor 30 Jahren.

                    Ja, es ist schon unheimlich, wenn der Candyman die ersten Male auftritt, um sich seine Opfer zu holen. Das ist alles sehr gut inszeniert und dürfte Horrorfans zufrieden stellen. Doch, was wirklich den Angstschweiß auf die Stirn treibt, ist der strukturelle Rassismus. Er ist hier das eigentliche Monster. Und davor müssen sich alle in Acht nehmen.

                    Der Candyman-Mythos lebt fort.

                    Doch der Film kann nicht nur inhaltlich zu überzeugen, auch formal ist hier wenig zu beanstanden. Das Bild ist sehr wertig und die Kamera weiß stets gekonnt mit der Wahrnehmung des Publikums zu spielen. Robert Aiki Aubry Lowe hat einen wirklich fantastischen Soundtrack beigesteuert, der noch einmal zusätzlich für Gänsehaut sorgt.

                    Während einige der Nebenfiguren etwas flach gezeichnet sind und so wirken, als dienten sie lediglich dazu die Aussage des Films zu unterstreichen, sind es vor allen Dingen die Hauptfiguren, denen die nötige Tiefe verliehen wurde – sowohl von den Autor:innen, als auch von den Schauspieler:innen. Yahya Abdul-Mateen II verkörpert sehr gut den aufstrebenden Künstler Anthony, der nicht weiß wie ihm geschieht und der uns immer weiter in sein eigenes Unheil mit hineinzieht. Daneben ist Teyonah Parris in der Rolle von Brianna hervorzuheben. Sie ist mehr als einfach nur Anthonys Freundin. Sie verkörpert eine starke, selbstbewusste Frau, die weiß was sie will und wie sie sich anderen gegenüber behaupten kann.

                    Was leider nicht ganz so gelungen ist, sind die digitalen Effekte. Hier merkt man, dass es sich eben um keine Big Budget-Produktion handelt. Glücklicherweise hält sich der Film mit digitalen Effekten etwas zurück – zumindest bis er auf das Finale zusteuert. Doch, selbst abgesehen von den digitalen Effekten, wirkt das Finale reichlich übertrieben. Es enthält zwar Anleihen an den ersten Candyman-Film, allerdings wird doch etwas zu dick aufgetragen.

                    Immerhin wird der Film im Finale zu einem schlüssigen Ende geführtführt. Wobei Ende nicht unbedingt das richtige Wort ist. Zum einen, weil es durchaus noch genügend Möglichkeiten gäbe, um mit Variationen zu spielen und den Mythos rund um die Figur des Candyman zu erweitern. Zum anderen, weil das im Film benannte gesellschaftliche Problem natürlich noch längst nicht gelöst ist.

                    Abschließend möchte ich noch die Frage klären, ob man sich CANDYMAN ansehen kann, ohne zuvor einen anderen Teil aus der Reihe gesehen zu haben. Die Antwort darauf lautet: Ja. Auch ich habe den Film im Kino gesehen und mir erst im Anschluss daran den Original-Film zu Gemüte geführt. CANDYMAN ist zwar ein Sequel, der einzelne Elemente aus dem ersten Teil aufgreift und den Mythos weitererzählt. Aber gleichzeitig handelt es sich bei dem Film auch um eine Neuerzählung, welche diesen Mythos für eine neue Generation von Kinogänger:innen wieder zum Leben erweckt.

                    Und hinzu kommt, dass CANDYMAN einer der besten und wohl auch wichtigsten Horrorfilme der letzten Jahre ist.

                    CANDYMAN. CANDYMAN. CANDYMAN. CANDYMAN. CANDYMAN.
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                    • 7

                      Wenn es in meiner sozialen Blase mal darum ging, die beliebtesten Slasher-Charaktere zu nennen, dann fielen fast ausschließlich die Namen von „White Guys“ wie Freddy Krueger, Jason Voorhees oder Michael Meyers. Kaum jedoch wurde der Candyman genannt. Auch schaffte es dieser auf gerade einmal vier Filme – der neueste Eintrag ist aus diesem Jahr – während seine oben genannten Genre-Kollegen regelmäßig aus dem Reich der Toten zurückgeholt wurden, um oft junges, dafür aber nicht mehr ganz so unschuldiges Blut literweise zu vergießen.

                      Daher hatte ich stets den Eindruck, dass es sich bei Bernard Roses CANDYMAN‘S FLUCH (OT: CANDYMAN) aus dem Jahr 1992 um einen (fast) vergessenen Kultfilm handeln würde. Und es brauchte erst einen Namen wie Jordan Peele, um den Candyman-Mythos weiterzuerzählen und damit (auch meine) Aufmerksamkeit (wieder) auf diese Figur sowie den Ursprungsfilm zu lenken.

                      Begeben wir uns also zurück in das Jahr, in dem der Candyman das erste Mal die große Leinwand betreten sollte. In CANDYMAN‘S FLUCH forschen die junge Doktorandin Helen und deren Kollegin Bernadette zu urbanen Legenden. Der Fokus ihrer Untersuchungen liegt dabei auf dem Candyman-Mythos.

                      Der Candyman, dessen eigentlicher Name Daniel Robitaille lautete, war ein gut gestellter Afroamerikaner, der Ende des 19. Jahrhunderts lebte und Weiße porträtierte. Eines Tages verliebte er sich bei seiner Arbeit in eine junge, weiße Frau. Diese wurde jedoch von ihm schwanger, woraufhin Daniel von ihrem Vater sowie einigen anderen gefoltert und getötet wurde. Seitdem kehrt er jedes Mal zurück, wenn man in einen Spiegel blickt und dabei fünfmal "Candyman" sagt.

                      Helens Nachforschungen führen sie in das Soczialbauviertel Cabrini-Greene, wo sich der Candyman Gerüchten zufolge aufhalten soll und sich bereits seine ersten Opfer geholt hat.

                      CANDYMAN‘S FLUCH ist die filmgewordene „Urban Legend“. Das liegt zu allererst natürlich daran, dass urbane Legenden das zentrale Motiv des Films sind. Des Weiteren orientiert sich die Heraufbeschwörung des Candyman selbst an einer solchen Legende, nämlich an jener der Bloody Mary. Und nicht zuletzt gilt der Candyman selbst zunächst nur als eine urbane Legende in seinem eigenen Film.

                      Dabei spielt der Film eigentlich ganz clever mit der Frage, was real ist und was nicht. Gibt es den Candyman wirklich? Oder hat sich bloß jemand die Legende zu Nutze gemacht, um selbst Morde zu begehen? In Zeitungsartikeln steht das eine, vermeintliche Augenzeug:innen berichten etwas anderes.

                      Was dem Publikum jedoch schnell dämmert, ist, dass das Gezeigte bald sehr blutig werden könnte. Gerade zu Beginn wird der Eindruck vermittelt, dass es sich bei dem Film um einen waschechten Slasher handelt. Doch dafür wird in CANDYMAN‘S FLUCH erstaunlich wenig gemetzelt und spätestens ab dem Punkt, an dem der Candyman höchstpersönlich seinen ersten großen Auftritt hat, geht der Film in eine etwas andere, jedoch nicht minder blutige Richtung. Es entfaltet sich ein Psychospiel, in dem Helen die zentrale Figur ist und der Candyman den jeweils nächsten Spielzug zu bestimmen scheint.

                      Natürlich dürfen in einem 90er-Jahre Quasi-Slasher die obligatorischen Jumpscares nicht fehlen. Aber fernab davon schafft es Bernard Rose eine unheimliche Atmosphäre zu erzeugen. Gerade wenn wir uns in Cabrini-Greene befinden und durch heruntergekommene Treppenhäuser oder leerstehende Wohnungen streifen, die ruhige Kamera die düsteren Orte einfängt und die stimmungsvolle Musik von Philip Glass ertönt, wird ein besonderer Grusel erzeugt.

                      Dem gegenüber stehen leider etwas flach gezeichnete Figuren, die nicht nur kaum sympathisch sind, sondern sich mitunter auch wirklich dämlich verhalten. Das schließt auch Hauptfigur Helen mit ein. Selbst der Candyman bleibt kaum greifbar. Er taucht erst sehr spät im Film auf und seine Taten sind zudem nicht immer nachvollziehbar. So ist aber der Film insgesamt stellenweise etwas holprig erzählt. Es gibt vereinzelt ganze Szenen, die gar keinen Sinn zu ergeben scheinen und die man ohne weiteres hätte weglassen können.

                      Vielleicht liegt es auch an meinen Sehgewohnheiten bzw. daran, dass heutige Filme ihre Geschichten (bestenfalls) anders, sprich runder erzählen – siehe etwa Nia DaCostas und Jordan Peeles Neueintrag in die Candyman-Reihe aus diesem Jahr. Aber auch wenn sich CANDYMAN‘S FLUCH stellenweise so anfühlt, als wäre er nicht ganz so gut gealtert, so ist er für einen 90er-Jahre Slasher-Film erstaunlich progressiv und deutlich in seinen Aussagen. Es werden Themen wie Rassismus und Gentrifizierung ganz offen kritisch angesprochen. Offenbar hatte man dem Publikum etwas mehr zugetraut, als stumpfes, schnödes Geschnetzel. Und das hat mir – trotz der genannten Schwächen – sehr zugesagt.

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                      • 6 .5

                        Fast 20 Jahre hat es gedauert, bis Edward Nortons Romanverfilmung MOTHERLESS BROOKLYN dann doch noch 2019 in die Kinos kam. Darin untersucht der am Tourette-Syndrom leidende Detektiv Lionel Essrog – gespielt von Edward Norton himself – den Mord an seinem Freund und Mentor Frank Minna. Dabei stößt er auf eine Verstrickung, die bis hin zum mächtigsten Mann von New York reicht.

                        MOTHERLESS BROOKLYN ist Edward Nortons zweite Regiearbeit, für die er auch das Drehbuch geschrieben hat und womit er sich – abgesehen von der Tatsache, dass er in der Vergangenheit auch als Produzent in Erscheinung getreten ist – nicht nur als herausragender Schauspieler, sondern nun auch als solider Filmemacher qualifiziert hat.

                        Der Kriminalfilm ist zwar kein Meisterwerk geworden, denn dafür ist er viel zu überladen, unausbalanciert und langatmig. Doch im Gegensatz dazu erzeugt der Film eine schöne Atmosphäre und entführt das Publikum mit seinen tollen Kulissen und Kostümen sowie dem jazzigen Soundtrack direkt in das New York der 50er Jahre. Auch die Kameraarbeit ist sehr gelungen und lässt Film Noir-Vibes aufkommen.

                        Des Weiteren machen alle Darsteller:innen ihre Sache wirklich gut. Selbst Bruce Willis in der Rolle des Frank Minna erweckt den Anschein, als hätte er zumindest mal wieder etwas Spaß an seinem Job gehabt. Wobei neben Edward Norton vor allen Dingen Gugu Mbatha-Raw als junge Aktivistin sowie Alec Baldwin als großer Antagonist hervorzuheben sind.

                        Wenn man also über den einen oder anderen Leerlauf hinwegsehen kann und etwas Sitzfleisch mitbringt, dann ist MOTHERLESS BROOKLYN durchaus eine gute Wahl für einen gemütlichen Krimi-Filmabend.

                        • 7

                          Die Teenie-Komödie BOOKSMART dreht sich um zwei High School-Absolventinnen, die ihre gesamte Schulzeit darauf verwendet haben, um zu lernen und Bestnoten einzufahren. Nun wollen sie aber noch einmal richtig einen drauf machen, bevor sie ihre Zeugnisse in den Händen halten und die Zeit an der High School damit endgültig vorbei ist. Allerdings verläuft in jener Nacht nichts wie geplant und die beiden Freundinnen müssen einige Lektionen lernen, die so nicht in den Lehrbüchern stehen.

                          Diese Prämisse klingt wohlvertraut. Natürlich hat man das Alles schon einmal in ähnlicher Form gesehen, natürlich werden auch in diesem Film die typischen Meilensteine abgehakt und natürlich ist das völlig überzeichnet und weg von der Realität.

                          Das Drehbuch ist dann aber doch so smart geschrieben und der Film mit so viel Herz inszeniert, dass BOOKSMART trotzdem frisch wirkt. Und Kaitlyn Dever und Beanie Feldstein spielen die beiden Hauptfiguren Amy und Molly so sympathisch, dass man nur zu gerne mit ihnen gemeinsam diese irre Nacht durchlebt.

                          • 8
                            wordspersecond 29.08.2021, 16:01 Geändert 10.09.2021, 08:59

                            DIE FAMILIE KANN MAN SICH NICHT AUSSUCHEN.

                            Im Grunde möchte ich meine Filmbesprechung zu COME TO DADDY nicht auf diese Weise beginnen, aber ich tue es trotzdem, da mir das Thema etwas unter den Nägeln brennt – und dafür möchte ich mich vorab schon einmal herzlichst entschuldigen.

                            Was ich immer sehr schade finde, ist, wenn Schauspieler:innen, die aufgrund einer bestimmte Rolle Bekanntheit erlangt haben, auch im Nachhinein, selbst Jahre später, immer wieder mit dieser Rolle identifiziert werden. Ganz so, als würden sie es nie so richtig schaffen, sich gänzlich von dieser Paraderolle lösen zu können. Und so steht etwa ein Elijah Wood in einer Reihe mit Kolleg:innen wie Daniel Radcliffe und Emma Watson oder Robert Pattinson und Kristen Stewart. Denn ganz gleich, wie sehr sie auch versuchen, sich von ihren stereotypen Images freizuspielen, sie werden doch immer wieder zwangsweise damit in Verbindung gebracht.

                            Sei es aufgrund der Tatsache, dass die Karriere seit dem Ende des großen Franchises nicht weiter verfolgt wurde und es dann irgendwann heißt: „Hey, ist das nicht der:die aus Filmreihe XY?“. Oder sei es, weil der:die Schauspieler:in aus purer Ignoranz immer wieder mit der Rolle aus Filmreihe XY in Verbinung gebracht und dabei sogar ausschließlich beim Figurennamen genannt wird. Oder sei es, weil aus einer besserwisserischen Arroganz heraus bei jedem neuen Film angesprochen werden muss, dass sich der:die Schauspieler:in jetzt aber wirklich, definitiv und zu 100% von dieser einen Rolle freigespielt hat.

                            Und auch wenn ich verstehe, dass es durchaus hilfreich sein kann, eine Verbindung zu der Rolle aus Filmreihe XY herzustellen, etwa um den:die dahinter stehende:n Schauspieler:in besser zuordnen zu können, so finde ich es auf der anderen Seite einfach sehr schade, da es die jeweilige Person samt ihres Könnens und der schauspielerischen Bandbreite immer wieder auf dieses eine Minimum reduziert. Und so befürchte ich auch, dass ein Elijah Wood für einige auf ewig einfach nur Frodo Beutlin aus der DER HERR DER RINGE-Trilogie bleiben wird oder sich zumindest den Verweis auf diese Rolle gefallen lassen muss, ganz gleich wie viele Jahre, wie viele Filme und wie viele gute Performances dazwischen liegen.

                            Damit möchte ich an dieser Stelle nun aber meine Ausführungen beenden und noch einmal höflichst um Entschuldigung bitten!

                            So, let‘s come to COME TO DADDY.

                            Starten wir endlich mit der eigentlichen Filmkritik und beginnen dabei ganz routiniert mit einer kurzen Inhaltsangabe:

                            Nachdem Norval (Elijah Wood) quasi ohne Vater aufgewachsen ist, hat er von diesem nun einen Brief erhalten. In dem Brief steht, dass sich sein Vater freuen würde, seinen Sohn kennenzulernen und ob Norval ihn nicht gerne einmal besuchen würde. Beigefügt ist eine Karte samt Wegbeschreibung, ähnlich einer Schatzkarte. Und was Norval nach seiner langen Reise bei dem abgelegenen Haus seines Vaters vorfindet, scheint zunächst das pure Idyll zu sein.

                            Doch schnell beschleicht ihn ein eigenartiges Gefühl. Sein Vater scheint ganz und gar nicht Norvalls verblassten Erinnerungen und damit auch nicht seinen Vorstellungen zu entsprechen. Der Mann ist kalt, ein Alkoholiker und zuweilen unberechenbar aggressiv. Und so stellt sich Norval berechtigterweise die Frage: Warum sollte ihn sein Vater darum gebeten haben ihn zu besuchen, obwohl dieser ihn augenscheintlich gar nicht bei sich haben möchte?

                            Mehr soll an dieser Stelle nicht über die Handlung des Films verraten werden. Der Film hält so einige überraschende Wendungen parat und es wäre am spannendsten, wenn ihr mit Norval gemeinsam den mysteriösen Vorkommnissen auf den Grund gehen würdet, ohne dass ich euch die Überraschungen durch etwaige SPOILER verderbe.

                            Spannend, schrullig und brutal.

                            In jedem Falle erzählt Regisseur Ant Timpson in seinem Langfilm-Debüt eine sehr außergewöhnliche Vater-Sohn-Geschichte. Die Tonalität pendelt relativ ausgeglichen zwischen düsterem Humor, Beklemmung und packendem Horror hin und her, wobei sich der Film zugleich jeglicher Genrezuordnung entziehen zu scheint. Das Gezeigte hat stets eine angenehm bizarre Note, d.h. es wird nie zu schräg, so dass der Film nicht vor den Kopf stößt mitreißend bleibt. Allerdings bietet COME TO DADDY nach einem nervenaufreibenden Moment auch die Gelegenheit, von dem Geschehen kurz einmal Abstand nehmen und durchatmen zu können.

                            Mit Norval gemeinsam betreten wir den Kaninchenbau und folgen ihr immer tiefer dort hinein, um endlich Licht ins Dunkel zu bringen. Dankenswerterweise ist Norval eine sehr zugängliche Identifikationsfigur, mit der man bereitwillig mitgeht, mitfühlt und mitfiebert. Das liegt nicht zuletzt an Elijah Woods Darbietung, der seine sensible und einfühlsame Figur mit sehr viel Sensibilität und Feingefühl spielt. Dem gegenüber steht Stephen McHattie, welcher die unberechenbare Vaterfigur verkörpert, als wäre sie ihm auf den Leib geschrieben worden. Seine Anwesenheit löst stets ein Unbehagen aus und man wartet jedes Mal gespannt darauf, wann die Situation wohl eskalieren wird.

                            Ebenfalls positiv fallen die Kameraarbeit und die Montage auf. Anders als bei anderen modernen Horror-Thrillern ist hier kein Schnittgewitter zu erwarten. Stattdessen wird den Szenen genügend Zeit gegeben, um sich zu entfalten. Somit kommt auch die unheimliche Atmosphäre viel besser zur Geltung. Die Bilder zeugen dabei von einer mitunter malerischen Schönheit und ergeben im Zusammenspiel mit der Montage und dem Soundtrack eine unheilvolle Poesie.

                            Für ein Spielfilm-Debüt ist COME TO DADDY äußerst dicht inszeniert. Einziger Wermutstropfen ist, dass die zugrundeliegende Prämisse ihr Versprechen nicht ganz einzulösen vermag und der Film die aufgebauten Erwartungen somit nicht vollends erfüllt. Aber nichtsdestotrotz bleibt der Film bis zum Ende hin spannend und für Fans des besonderen, etwas anderen Horrorfilms, die zugleich aber auch drastischere Gewalteinlagen zu ertragen, kann eine definitive Sehempfehlung ausgesprochen werden.

                            Unheimlich gutes Erstlingswerk.

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                            • 7

                              Ein junger Schwarzer Mann wird von einem Polizisten am Boden gehalten. Der junge Mann kann sich kaum gegen den Übergriff wehren. Er sagt nur immer wieder, der Polizist solle von ihm runter gehen. Er wird gewürgt. „Ich bekomme keine Luft“, sind seine letzten Worte.

                              Im ersten Moment klingt das verdächtig nach aktuellen Ereignissen, nach rassistisch motivierter Polizeigewalt in den USA. Doch so weit weg ist das gar nicht. Diese Szene mag zwar an die Tötung von George Floyd erinnern, aber Schauplatz der (fiktiven) Handlung ist Dänemark.

                              Und letztendlich geht es in SHORTA – DAS GESETZ DER STRASSE genau darum, dass rassistisch motivierte Polizeigewalt gar nicht so weit weg ist, sondern dass wir dieses Problem auch hier in Europa haben.

                              Die eigentliche Handlung des Films setzt kurz nach der Eröffnungsszene an. Zwei Polizisten sind in einem „Problemviertel“ auf Streife. Ihr rabiates Vorgehen wird zunächst kritisch beäugt, doch wenig später eskaliert die Situation und die beiden Polizisten werden selbst zu Gejagten.

                              Die beiden Drehbuchautoren und Regisseure Anders Ølholm und Frederik Louis Hviid zeigen in ihrem Action-Thriller auf, wie grandios wir bisher mit der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund gescheitert sind. Anstatt sie in unserer Gesellschaft aufzunehmen, haben wir sie ihrem Schicksal überlassen. Und dort, wo wir sie hin verbannt haben, ist eine Parallelgesellschaft entstanden, die nicht mehr nach den Regeln unserer Gesetze spielt, auch wenn wir noch so sehr versuchen ihnen diese mit Gewalt aufzudrücken.

                              Spielräume für Interpretationen werden hier kaum geboten. Stattdessen wird der Finger in die Wunde gelegt. Wir bekommen ein dystopisches Szenario präsentiert, welches mancherorts bereits schon zur Realität geworden ist.

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                                Als Jugendlicher baute Max S. wortwörtlich aus seinem Kinderzimmer heraus einen riesigen Onlineversandhandel für Drogen auf. Als er schließlich hochgenommen wird, stellt die Polizei etwa eine Tonne Drogen sicher.

                                Diese Story ist wirklich so geschehen, diente als Grundlage für die Netflix-Serie HOW TO SELL DRUGS ONLINE (FAST) und wird nun in der Netflix-Dokumentation SHINY_FLAKES: THE TEENAGE DRUG LORD noch einmal rekapituliert.

                                Wie hat Max S. das alles alleine auf die Beine stellen können? Warum hat er das überhaupt gemacht? Und wie ist es ihm gelungen, für eine solch lange Zeit nicht erwischt zu werden – weder von seiner Mutter, noch von den Behörden?

                                In der Doku werden nicht nur diejenigen befragt, die damals mit dem Fall betraut waren, sondern auch der überaus redselige Max S. kommt selbst zu Wort. Darüber hinaus hat sich die bildundtonfabrik einiges einfallen lassen, um die Doku interessant zu gestalten. Visuell weiß SHINY_FLAKES: THE TEENAGE DRUG LORD zu überzeugen und über die Interviews hinausgehend wurde zusätzlich noch das Kinderzimmer von Max S. nachgebaut. In diesem Nachbau stellen sie das Vorgehen von Max S. noch einmal nach – mit ihm als Protagonisten. Und darin scheint dieser sich auch sichtlich wohl zu fühlen, in der Hauptrolle seiner eigenen True Crime-Geschichte.

                                Die Dokumentation schrammt zwar ganz knapp daran vorbei, ihn als junges Genie, das die „unfähigen“ Strafverfolgungsbehörden an der Nase herumführte, zu glorifizieren. Aber das gehörte vermutlich auch zur Dramaturgie dieses Katz-und-Mausspiels. Und es führt uns ein Stück weit auch unsere eigene Sensationslust vor Augen. Dafür sollte man die spannende Dokumentation in jedem Fall zu Ende schauen, denn, wie es die Regisseurin Eva Müller in einem Interview mit dem BR selbst sagte: „Die Moral ergibt sich durch das Ende.“

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                                Interview im BR: https://www.br.de/kultur/film/dokumentation-shiny-flakes-netflix-how-to-sell-drugs-interview-100.html

                                • 7

                                  Eigentlich hätte die zweite Staffel dieser Netflix-Zombie-Serie den Titel „Black Winter“ tragen müssen. Von Schnee bedeckte Landschaften, eisige Kälte – es ist mehr als offensichtlich: Der Sommer ist vorbei.

                                  Die Handlung setzt etwa vier Monate nach den Ereignissen aus der ersten Staffel an. Seitdem ist viel geschehen. Wobei sich trotz einiger Veränderungen im Kern eigentlich nichts geändert hat. Neben einigen bekannten Gesichtern treten viele neue Charaktere auf den Plan. Doch eines haben sie alle gemeinsam – sie kämpfen um das nackte Überleben. Und dabei schenken sie sich nichts.

                                  Es ist manchmal kaum zu fassen, wie nihilistisch diese Serie ist. Niemand traut hier irgendjemandem über den Weg. Die Untoten stellen zwar eine Bedrohung dar, aber die größte Gefahr geht immer noch von den Menschen aus. Ähnlich wie in späteren Staffeln von THE WALKING DEAD rücken auch hier die Untoten zeitweise fast gänzlich in den Hintergrund, während die Konflikte zwischen den verschiedenen Überlebensgemeinschaften an Bedeutung gewinnen.

                                  Die zweite Staffel setzt die erste Staffel damit inhaltlich konsequent fort und das Ganze ist dadurch irgendwie „more of the same“, nur jetzt noch etwas größer.

                                  Was die Serie davon abhält mit der Zeit belanglos zu werden, sind einige kreative Einfälle, die für etwas frischen Wind sorgen. Außerdem weiß auch diese Staffel aus kinematografischer Sicht wieder zu gefallen. Nicht nur, dass das Gezeigte wieder den bekannten dokumentarischen Look erhalten hat, es wurde sich auch mit längeren, durchgetimeten Plansequenzen ausgetobt. Dadurch wird das Gefühl erzeugt, noch näher am Geschehen dran zu sein.

                                  Während die Serie sich wieder auf qualitativ relativ hohem Niveau befindet, ist das große Manko das Fehlen einer echten Identifikationsfigur. Bis auf Sun, die wir bereits aus der ersten Staffel kennen, gibt es so gut wie keine sympathische Figur, wodurch es mitunter schwer fallen kann, mit den Protagonist:innen mitzufühlen.

                                  Nichtsdestotrotz ist auch die zweite Staffel einen Blick wert und es bleibt zu hoffen, dass die offenen Fragen in einer möglichen dritten Staffel geklärt werden.

                                  • 7

                                    Es ist der Beginn einer Zombie-Apokalypse. Bevor die Menschen realisieren können, was überhaupt vor sich geht, ist die Situation bereits außer Kontrolle.

                                    Jede einzelne der insgesamt acht Folgen der ersten Staffel von BLACK SUMMER ist in mehreren Kapiteln unterteilt. Episodisch werden die Schicksale einzelner Übelebender verfolgt. Ihre Wege kreuzen und verlieren sich immer wieder. Nichts ist von Bestand oder Dauer. Niemand ist sicher.

                                    Für eine The Asylum-Produktion ist BLACK SUMMER nicht nur überraschend ernst, sondern die Serie kann erstaunlicherweise auch qualitativ überzeugen. Aufgrund der quasi-dokumentarischen Kameraführung wirkt das Gezeigte fast schon realistisch und dadurch besonders bedrohlich.

                                    Inhaltlich hat BLACK SUMMER dem auserzählten Zombie-Genre nichts Neues hinzuzufügen. Dennoch ist die erste Staffel spannend und nicht nur aufgrund der mageren Anzahl an Folgen sehr kurzweilig geraten.

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                                      wordspersecond 15.08.2021, 18:58 Geändert 15.08.2021, 19:00

                                      Eine Kleinstadt in Alaska wird von einem brutalen Dreifachmord erschüttert. Im Fokus der Handlung steht nun aber nicht die Suche nach möglichen Täter:innen oder die Aufklärung des Falls. Vielmehr wird gezeigt, welche Folgen diese Tat für die Personen aus dem näheren Umfeld der Opfer hat.

                                      SWEET VIRGINIA ist ganz klar „Character Driven“, d. h. er steht und fällt mit seinen Figuren. Glücklicherweise sind die Protagonist:innen angenehm bodenständig und natürlich gezeichnet. Die Darsteller:innen machen ihre Arbeit ebenfalls gut – Christopher Abbotts Performance ist eindringlich und Jon Bernthal ist die perfekte Wahl für den augenscheinlich rauen Ex-Rodeo Champion, in dessen Brust aber ein gutes Herz schlägt.

                                      Regisseur Jamie M. Dagg hat bei seinem zweiten Langspielfilm nicht auf Tempo gesetzt, was einige sicherlich als langatmig empfinden dürften. Auch wird es einige unbefriedigt zurücklassen, dass die Drehbuchautoren Benjamin und Paul China einige Nebenhandlungsstränge ins Leere laufen ließen. Doch im Grunde zeigt der Film nur einen Ausschnitt aus dem Leben einer handvoll Menschen. Die aufgemachten Nebenhandlungsstränge dienen im Endeffekt viel eher dazu, den Charakteren noch mehr Tiefe zu verleihen. Was die offenen Enden anbelangt, nun, das bleibt der Fantasie des Publikums überlassen. Gerade dieser Kniff und die Entschleunigung haben den Film für mich aber noch intensiver werden lassen.

                                      Somit ist SWEET VIRGINIA ein sehr solider, ruhig erzählter Thriller im Gewand eines Kleinstadtdramas und kann eher denjenigen empfohlen werden, die mit (Indie-)Filmen einer etwas langsameren Gangart etwas anfangen können.

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                                        wordspersecond 13.08.2021, 11:07 Geändert 29.08.2021, 16:18

                                        Die Geschichte eines Moralisten.

                                        Berlin, Gegenwart. Eine U-Bahn kommt am Gleis zum Stehen. Leute steigen ein und aus. Es herrscht ein reges Treiben. Und wir mittendrin. In Schlängellinien durch die Massen hindurch. Von einem Ende des U-Bahnsteigs zum anderen. Richtung Ausgang. Wir tauchen auf. Über dem Geländer gebeugt steht ein junger Mann. Unter ihm hängt an der Wand ein Plakat. Darauf ganz präsent: Ein Hakenkreuz. Die Zeit ist verwischt. Wir sind in Berlin. Im Jahr 1931.

                                        Innerhalb dieser ersten Szene wird bereits deutlich, was der Film FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE will. Er erzählt eine Geschichte über die deutsche Geschichte. Eine Geschichte von damals, neu adaptiert, aus heutiger Perspektive. Eine Geschichte über das Nach- und Auswirken unserer historischen Geschichte auf unsere Gegenwart, auf uns als Gesellschaft.

                                        Der junge Mann, den wir dort über dem Geländer gebeugt sehen, ist Fabian (Tom Schilling). Jakob Fabian ist sein voller Name. Doch alle nennen ihn nur Fabian. Fabian ist jung und gebildet, voller Sehnsucht und voller Ideale. Ein Moralist in einer zunehmend unmoralischen Welt.

                                        An seiner Arbeit hat er kein Interesse. Er geht ihr nur nach, weil sie ihm Geld einbringt. Ein hohes Gut in Zeiten der Finanzkrise. Doch lieber möchte er schreiben.

                                        Des Nachtens gibt er sich dem Vergnügen hin. Die Stadt pulsiert. Alle betäuben sich, wo sie nur können. Sodom und Gomorrah. Willkommen in Babylon Berlin. Willkommen in der Sündenstadt. Doch Fabian möchte mehr, als das immer selbe Unverfängliche. Und so kommt es, dass er sich eines abends verliebt. In die selbstbewusst und selbstbestimmt auftretende Cornelia (Saskia Rosendahl). Er, sein bester Freund Labude (Albrecht Schuch) und Cornelia verbringen fortan viel Zeit zusammen.

                                        Aber die schöne Zeit verfliegt zu schnell und die Realität holt sie bald wieder ein. Labude steht aufgrund seiner lautstarken, politischen Äußerungen unter Beobachtung, Fabian bekommt die Finanzkrise zu spüren und Cornelias Wunsch nach einer Schauspielkarriere ist vom „guten Willen“ eines widerlichen Filmproduzenten abhängig. Kurzum: Die Gesellschaft und das Leben der Drei drohen vor die Hunde zu gehen.

                                        Ich muss gestehen, dass ich ursprünglich einen anders gearteten Film erwartet hatte. Vielleicht etwas mehr in die Richtung von WERK OHNE AUTOR (2018, R: Florian Henckel von Donnersmarck). Oberflächlich betrachtet schien zunächst vieles dafür zu sprechen. Beide Filme weisen eine epochale Laufzeit von knapp drei Stunden auf. In beiden Filmen ist Tom Schilling in der Hauptrolle zu sehen. Und in beiden Filmen wird die deutsche Geschichte sowie deren Wirkung auf die Gegenwart verhandelt. Aber abgesehen davon unterscheiden sich die beiden Filme sehr voneinander. Denn da wo WERK OHNE AUTOR so anmutet, als hätte Florian Henckel von Donnersmarck auf Biegen und Brechen das ganz große Kino auf die Leinwand zu bringen versucht – was ihm zum Großteil auch gelingen sollte – wirkt Dominik Grafs FABIAN ODER DER GANG VOR DIE HUNDE erfrischen originell.

                                        Die verspielte Montage schneidet unbekümmert zwischen hochauflösenden Bildern, von Bildstörungen durchsetzten Aufnahmen und mitunter dokumentarischem Material hin und her und springt damit durch die Zeit der (Film-)Geschichte. Der Film atmet die Luft der Avantgarde, des Theaters, des Kabarett. Das wirkt zwar gewollt künstlerisch, aber nie zu sehr aufgesetzt.

                                        Aus dem Off spricht immer wieder eine Stimme zu uns. Mal die eines Erzählers, mal die einer Erzählerin. Sie kommentieren und beschreiben, erklären und führen uns durch die Handlung. Es ist, als würde man durch den Roman von Erich Kästner blättern und hätte dabei das Geschriebene als Bild direkt vor Augen.

                                        Stilistisch und erzählerisch dürfte der Film gewiss nicht allen zusagen. Und auch ich fragte mich während der ersten Minuten, ob ich mich mit diesem Stil anfreunden könne. Aber letztendlich gilt auch hier: Insofern man sich darauf einlassen kann, wird man sich auch daran gewöhnen.

                                        Woran man jedoch gleich Vergnügen finden wird, ist die Spielfreude, mit welcher die Darsteller:innen ans Werk gehen. Tom Schilling hat sich ohnehin spätestens seit OH BOY (2012, R: Jan-Ole Gerster) in mein Herz gespielt und die Rolle des verträumten Idealisten scheint ihm einfach wie auf den Leib geschrieben zu sein. Aber auch die Nebenrollen sind allesamt gut besetzt, wobei vor allen Dingen Saskia Rosendahl als Cornelia sowie Albrecht Schuch als Labude über jeden Zweifel erhaben sind.

                                        Zudem gelingt es Regisseur Dominik Graf besonders gut, die Bedrohung des aufkeimenden Nationalsozialismus aufzuzeigen. Dieses Gedankengut setzt sich in den Köpfen der Menschen fest, vergiftet ihre Herzen und verbreitet sich wie ein Virus. Die Figuren ahnen noch nicht, welche Gefahr ihnen dadurch eigentlich droht. Nur wir wissen, welches Leid noch folgen soll.

                                        Interessanterweise erschien Erich Kästners Roman 1931 in einer gekürzten Fassung. In dieser Version mit dem Titel FABIAN und dem Zusatz DIE GESCHICHTE EINES MORALISTEN. Erst 2013 wurde die ungekürzte Fassung des Romans unter dem von Erich Kästner ursprünglich sogar angedachten Titel DER GANG VOR DIE HUNDE veröffentlicht. Der Titel des Films stellt somit eine Zusammensetzung dieser beiden Buchtitel dar und schlägt eine Brücke zwischen der gekürzten und der ungekürzten Version. Zum einen wird damit indirekt auf den zeitgeschichtlichen Kontext verwiesen. Zum anderen könnte dies als Metakommentar auf die Zensur von Kunst sowie die Bedeutung einer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft gelesen werden. Wodurch die Bedeutung des Films selbst noch einmal unterstrichen wird. Denn er erzählt zwar vom Gestern, aber aus der Sicht von Heute und ist dabei aktueller denn je.

                                        Pflichtlektüre für die, die nicht vergessen wollen.
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                                          Als Heras Bruder nach einem tragischen Unfall ums Leben kam, war sie selbst noch ein Kind alt. Doch auch noch Jahre später hängt der Tod ihres Bruders wie eine dunkle Wolke über der Familie. Manchmal heilt selbst die Zeit nicht alle Wunden.

                                          Inzwischen ist Hera eine junge Frau. Und wie ihr Bruder damals, hört auch sie gerne Heavy Metal. Durch die Musik kann Hera das Andenken ihres Bruders bewahren. Aber gleichzeitig ist diese Musik auch wie ein Ventil, um ihren Schmerz und ihre Wut herauszuschreien. Dies stößt selbstverständlich nicht immer auf Zuspruch. „Kannst du nicht mal etwas Fröhliches spielen?“, wird sie etwa von ihrem Vater gefragt.

                                          Heras Familie lebt auf dem Land. Ihr Vater ist Viehzüchter und bewirtschaftet ein Feld. Eigentlich ist es ziemlich idyllisch in diesem isländischen Dorf, doch dieser Mikrokosmos birgt aufgrund seiner Homogenität und Abgeschiedenheit auch Konfliktpotential.

                                          In diesem Sinne ist METALHEAD gewissermaßen ein Film über das Erwachsenwerden auf dem Land. So wird beobachtet, wie die Dorfbewohner:innen auf Heras Äußeres reagieren und wie sie ihr begegnen, aber auch, wie Hera selbst ihnen gegenübertritt und wie sie mit allem was sie tut, versucht sich von ihnen abzugrenzen. Für mich als ehemaliger Dorfpunk ein durchaus sehr vertrautes Motiv.

                                          Viel zentraler jedoch geht es darum, wie Menschen mit einem großen Verlust umgehen. Beziehungsweise wie sie damit nicht umgehen, weil sie einfach nicht dazu in der Lage sind, es zu verarbeiten.

                                          Vor allen Dingen zu Beginn ist das Ganze aber recht zäh. Auch insgesamt mutet der Film nicht nach knapp 100 Minuten an, sondern nach fast drei Stunden. Es braucht definitiv Geduld und den Willen, Heras Familie bei der Verarbeitung ihres persönlichen Unglücks zuzusehen.

                                          Auch ist Hera selbst eine höchst ambivalente Figur. Ja, ihr Schmerz und das daraus resultierende Verhalten ist bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Dann wiederum sind manche ihrer Handlungen so extrem, dass man dafür jedes Verständnis verliert und eher mit ihren Eltern mitfühlt, als mit der eigentlichen Hauptfigur.

                                          Dennoch hält METALHEAD auch einige ergreifende Momente bereit. Das blasse, kühle Bild unterstreicht die Einsamkeit, die man auf dem Land verspüren kann und die Musik fegt einen zwar nicht die Haare vom Kopf, weiß aber zu gefallen. Gerade die Stücke, die Hera selbst einspielt, sind mein persönliches musikalisches Highlight des Films.

                                          Das heißt, auch wenn der Film vielleicht nicht alle Töne trifft und die Geduld einiger Leute auf die Probe stellen könnte, ist METALHEAD dennoch ein zumindest interessantes Werk, welches sich mit tiefgründigen Themen auseinandersetzt, zum Nachdenken anregt und zumindest mich noch nachhaltig beschäftigt hat.

                                          • 7

                                            Das Raven’s End Mortuary ("mortuary", zu dt. etwa "Leichenhaus") steckt voller Geschichten. Und zwar Geschichten über den Tod.

                                            Der in die Jahre gekommene Bestatter Montgomery Dark erzählt seiner jungen Anwerberin Sam eine handvoll eben jener Geschichten, welche daraufhin jeweils in einem eigenen Kurzfilm präsentiert werden. Damit ist THE MORTUARY den sogenannten Anthologie-Filmen zuzuordnen. Während die Rahmenhandlung um Sam und den Bestatter in den 1980er Jahren spielt, sind die jeweiligen Geschichten zeitlich irgendwo zwischen den 1950er und 1980er Jahren anzusiedeln.

                                            Durch das Motiv des Geschichtenerzählens, das Setting des düsteren Bestattungsinstituts sowie das Vorkommen fantastischer Elemente, werden immer wieder Erinnerungen an die Serie GESCHICHTEN AUS DER GRUFT wach. Und tatsächlich wirkt THE MORTUARY an manchen Stellen wie eine überlange Special-Episode oder ein (besserer) Kinofilm aus dem GESCHICHTEN AUS DER GRUFT-Kosmos.

                                            Da wären außerdem die Figuren, die wie ein Großteil der Protagonist:innen vieler GESCHICHTEN AUS DER GRUFT-Folgen wenig sympathisch, dafür aber umso comichaft überzeichneter daherkommen. Des Weiteren glänzt der Film, ebenso wie die Serie, durch reichlig blutige Effekte und bitterbösem Humor. Und dann wäre da schließlich noch die öffensichtlichste Parallele – der Geschichtenerzähler selbst. Was in GESCHICHTEN AUS DER GRUFT der legendäre Cryptkeeper ist, ist in THE MORTUARY der Bestatter Montgomery Dark, welcher die düsteren Geschichten, die teils mit gesellschaftskritischen Untertönen versehen sind und stets eine moralisierte Pointe bereithalten, zum Besten gibt.

                                            Leider sind die Kurzfilme, ähnlich wie viele Folgen der Kultserie, dann auch weniger gruselig, als viel eher grotesk. Was aber nicht bedeuten soll, dass der Film nicht zu unterhalten oder eine unheimliche Atmosphäre zu erzeugen weiß. Es bedeutet lediglich, dass jene, die sich aufgrund der Prämisse und der Rahmenhandlung Spuk- und Schreckgeschichten erhoffen, gegebenenfalls nicht auf ihre Kosten kommen werden. Sollte man jedoch mit anderen Sub-Genres des Horrorfilms zurecht- und ohne Jump-Scares auskommen, dann könnte THE MORTUARY eine geeignete Unterhaltung zur Geisterstunde darstellen.

                                            • 9

                                              Brandgefahr.

                                              Eigentlich ist EMA – dessen deutscher Verleihtitel den Zusatz SIE SPIELT MIT DEM FEUER spendiert bekam – bereits Ende letzten Jahres in den deutschen Kinos gelaufen und inzwischen ist er auch auf DVD und BluRay erschienen. Ich habe mir den Film nun jedoch noch einmal auf der großen Leinwand im Open Air Kino in Göttingen ansehen können. Ein Freund kam mit diesem Filmvorschlag auf mich zu. Im Vorfeld hatte ich mir keine Inhaltsangaben zu dem Film durchgelesen, keine Trailer angeschaut und somit wusste ich wenig bis nichts über EMA – SIE SPIELT MIT DEM FEUER. Ich hatte keine Ahnung, worum es gehen und worauf ich mich einlassen würde. So wurde ich buchstäblich von dem Gezeigten überwältigt

                                              Falls ihr euch ebenfalls von EMA – SIE SPIELT MIT DEM FEUER überraschen lassen wollt, dann solltet ihr diese und andere Reviews zu dem Film erst lesen, nachdem ihr ihn selbst gesehen habt.

                                              Am Anfang war das Feuer.

                                              Ema (Mariana Di Girolamo) ist eine leidenschaftliche Tänzerin. Sie gibt Kindern Tanzunterricht und tanzt selbst in einer Tanzgruppe, bei der auch ihr Mann Gastón (Gael García Bernal) als Choreograph mitwirkt. Doch Ema und Gastón sind alles andere als glücklich in ihrer Beziehung. Sie mussten ihren Adoptivsohn wieder abgeben und liefern sich nun einen Wettstreit darin, wer an alledem die meiste Schuld trägt.

                                              In Ema brennt ein Feuer. Um von diesem Feuer nicht verschlungen zu werden, lenkt sie es um, lässt es heraus und setzt alles um sich herum in Brand. Ema wendet sich immer mehr dem Reggaeton zu. Diese Musik und dieser Tanz sind für sie der Ausdruck von Freiheit und Freizügigkeit. Es ist für sie wie ein Orgasmus.

                                              Worum es in EMA – SIE SPIELT MIT DEM FEUER genau geht, ist schwer zu beschreiben, ohne dabei zu viel von der Story zu verraten. Der Film offenbart für sehr lange Zeit nicht, worauf es eigentlich hinauslaufen soll. Es werden kaum Erklärungen dafür geliefert, warum Ema tut, was sie tut. Es werden nur verschiedene Hinweise darauf gegeben, dass in ihrer Vergangenheit Dinge geschehen sind, die besser nicht hätten geschehen sollen, die aber auch nicht mehr ungeschehen gemacht werden können.

                                              Emas Leben ist das reinste Chaos. Personen in ihrem Umfeld zieht sie in dieses Chaos mit hinein. Sie steckt alles um sich herum wort- und sprichwörtlich in Brand. Und genauso, wie Ema andere Protagonist:innen in ihr Chaos mit hineinzieht, wird auch das Publikum vom Film in dieses Chaos mit hineingezogen – vorausgesetzt, man kann sich auf die Art des Erzählens einlassen. Denn Ema ist alles andere als leicht zugänglich – das trifft sowohl auf die Protagonistin selbst, als auch auf den gleichnamigen Film zu. Nicht alle werden damit etwas anfangen können.

                                              Eine cineastisch beeindruckende Herausforderung.

                                              Die Charakterzeichnung ist vielschichtig. So vielschichtig, dass es manchmal schwer fällt, zu Ema durchzudringen und sie zu verstehen. Sie ist emotional sehr sprunghaft. Im einen Moment ist sie optimistisch, alles scheint sich zum Guten zu wenden und sie offenbart ihrem Mann ihre Liebe. Im nächsten Moment stößt sie ihn von sich weg, gibt ihm die Schuld an allem, was schiefgelaufen ist, nur um ihn kurz darauf wieder an sich heranzuziehen. Die beiden liefern sich heftige Wortgefechte. Es ist ein ewiges Push and Pull. Ihr Beziehung ist toxisch, sie tun sich nicht gut. Aber sie können auch nicht ohneeinander.

                                              Wo es vielleicht an Nachvollziehbarkeit mangelt, machen die Darsteller:innen dieses Defizit wieder wett. Mit ihren Blicken und ihrer Körpersprache gelingt es ihnen stets, die diffuse Gefühlswelt ihrer Protagonist:innen zu transportieren. Allen voran Mariana Di Girolamo in der Rolle der Ema ist eine Wucht.

                                              Was an EMA – SIE SPIELT MIT DEM FEUER ebenfalls beeindruckt, ist die Bildsprache. Jedes Bild wirkt wohl durchdacht. Manchmal sehr direkt, manchmal ganz abstrakt, aber stets gemacht, um Emotionen zu transportieren oder auszulösen. Gepaart mit dem sehr passenden und teils wunderschönen Soundtrack, stellt sich ein audio-visuelles Erlebnis ein, welches eine fast schon hypnotische Wirkung erzeugt und in seinen Bann zieht.

                                              So ist EMA – SIE SPIELT MIT DEM FEUER ein Film, der vielleicht nicht gleich beim ersten Schauen in voller Gänze erschlossen wird. Er steckt voller Metaphern, die nicht immer gleich zu erkennen oder zu entschlüsseln sind. Doch wenn man sich auf dieses Chaos einlässt, dann entfaltet der Film einen unheimlichen Sog und wirkt bis hin zur völligen Ekstase.

                                              Ein Film, der sich ins Gedächtnis einbrennt.

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                                              • 8
                                                über Lupin

                                                Das die Modernisierung von historischen Werken funktionieren kann, haben u.a. Mark Gatiss und Steven Moffat mit ihrer Serien-Adaption SHERLOCK bewiesen. Während jedoch in der britischen Serie SHERLOCK die Abenteuer des Meisterdetektivs auf erfrischende Art und Weise neu interpretiert sowie die Handlung in das 21. Jahrhundert überführt wurden, dienen in der französischen Serie LUPIN die Geschichten rund um den Gentleman-Gauner Arsène Lupin als Inspirationsquelle.

                                                Assane Diop ist als Dieb ein wahrer Meister seines Fachs. Mit Leichtigkeit gelingt es ihm, reiche Leute auszunehmen. Sein großes Vorbild: Die Romanfigur Arsène Lupin. Doch Assane will mehr. Er sinnt auf Rache. Als er noch ein Teenager war, wurde sein Vater eines schweren Diebstahls beschuldigt. Da die Unschuld von Assanes Vater nie bewiesen werden konnte, wanderte dieser ins Gefängnis, wo er schließlich in seiner Zelle erhängt aufgefunden wurde. Und obwohl seitdem mehrere Jahre vergangen sind, hat es sich Assane zur Aufgabe gemacht, die Unschuld seines Vaters zu beweisen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen - auch wenn das bedeutet, zu illegalen Mitteln zu greifen.

                                                Der eingangs gezogene Vergleich zu SHERLOCK passt in vielerlei Hinsicht. Bei beiden Serien handelt es sich in gewisser Weise um Adaptionen historischer Werke. Im Mittelpunkt des Geschehens steht jeweils ein interessanter, sympathischer, aber auch eigenwilliger Hauptcharakter, der fast schon wie besessen von dem ist, was er tut. Und in beiden Serien wird eine ähnliche Atmosphäre erzeugt.

                                                LUPIN besitzt ein hohes Erzähltempo. Die Bilder sind dynamisch und die Montage ist stets on Point. Mathieu Lamboley hat dazu die passende Musik komponiert, welche der Serie einen erfrischend altmodischen Touch verleiht: Orchestral, aber durchsetzt mit modernen Elementen.

                                                Omar Sy macht seine Sache als Gentleman-Dieb Assane Diop wirklich sehr gut, die Rolle scheint wie für ihn geschaffen. Es ist eine Freude, Assane bei seinem Versteck- und Verwirrspiel zuzusehen und es ist interessant, wie sich immer wieder die großen Gesten mit kleinen Taschenspielertricks abwechseln. Das Sehvergnügen wird nur manchmal dadurch getrübt, dass der eine oder andere Trick und so manche glückliche Fügung etwas an den Haaren herbeigezogen wirken. Für die erste Staffel mag das noch zu verschmerzen sein, aber für die zweite Staffel dürfen die Autor:innen ruhig etwas kreativer werden.

                                                Alles in allem weiß die erste Staffel von LUPIN, welche von Netflix in zwei Teilen mit jeweils fünf Folgen veröffentlicht wurde, bestens zu unterhalten. Es bleibt spannend, wie es 2022 in der zweiten Staffel mit Assane Diop weitergehend wird. Und wer weiß, vielleicht trifft dieser ja dann auf einen an Sherlock Holmes angelehnten Charakter.

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                                                • 7 .5

                                                  Titel, Poster sowie Channing Tatum hatten mich bisher davon abgehalten, diesem Film eine Chance zu geben. Doch man sollte einen Film bekanntlich nicht nur nach seiner Aufmachung beurteilen. Und auch Channing Tatum kann letztendlich mehr, als nur den muskelbepackten Schönling zu mimen. So ist MAGIC MIKE dann auch weniger eine schnöde Komödie über Stripper, als viel eher ein gut gespieltes, subtil geschriebenes und durchaus berührendes Filmdrama.

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                                                  • 3

                                                    Für einige mag es vielleicht einer Gotteslästerung gleichkommen, aber das hier ist absolut nicht meine Tasse Tee.