YupYum - Kommentare

Alle Kommentare von YupYum

  • 4 .5

    Mit keinem Wort möchte ich hier die edle Intention, der Geschichtsaufarbeitungswille und die Wichtigkeit des Themas der Polittragödie „Nahschuss“ (2021) in Frage stellen, doch ein packendes Drama sieht für mich anders aus: Hier wird in einer Schwerfälligkeit sondergleichen den Fall des vom DDR-Regimes ermordeten Finanzökonomen Werner Teske (1942 - 1981) als staubtrockene Fiktion dem Zuschauer vorgelegt, die wie ein Schulbuchprozess einfach von A nach B verläuft. Mit einer Finte wurde der arme Mann damals zur Überwachungs- und Denunziationsbehörde, dem „Staatssicherheitsdienst“, verpflichtet - ein Job auf Lebzeiten!

    Das ist dermassen deprimierend und ohne einen Funken Hoffnung umgesetzt, dass dieses Drama im braungrauen Farbton die Grenze zur Unerträglichkeit (besonders in der letzten halben Stunde) tatsächlich zu überschreiten weiss. Man wird als Zuschauer regelrecht in einen Strudel der Tränen gezogen, in dem einen alle guten Geister verlassen haben. Ein Film zudem, der nicht enden will. Lieber wiedermal das um Welten packendere und wirklich ekzellente „Das Leben der anderen“ (2006) zum selben Thema anschauen.

    PS: Der Film eignet sich als Fazit dennoch hervorragend, nämlich für die Zielgruppe der 18 - 24-Jährigen, die anscheinend so demokratiemüde und wohlstandsverwahrlost sind und von Umverteilung, Sozialismus und Planwirtschaft träumen, dass sage und schreibe jeder Vierte von denen bei den letzten Bundestagswahlen 2025 „Die Linke“ einwarf - also die SED der heutigen Zeit.

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    • 7

      Drei männliche Geschwister kehren in ihre süditalienische Heimat zurück und sehen sich nach langer Zeit wieder, um ihrer verstorbenen Mama die letzte Ehre zu erweisen. Ihre unterschiedlichen Berufe - gefährlich lebender Mafia-Richter in Rom, Sozialarbeiter für verhaltensauffällige Jugendliche in Neapel, bessergestellter Fabrikangestellter in Turin - haben jedoch einen tiefgreifenden Einfluss auf die Reaktion dieses Wiedersehen.

      Francesco Rosi (1922 - 2015) war einer der einflussreichsten Vertreter des politischen Italienkinos der Sechziger- und Siebzigerjahren. Seine scharfsinnigen Analysen von Macht und Machtmissbrauch, im Spannungsfeld von institutionalisierter Gewalt und Widerstand, schrieben Kinogeschichte. Seit Beginn seiner Karriere liess der gebürtige Napoletaner keinen Zweifel an den fatalen Verflechtungen von organisierten Verbrechen, Wirtschaft und Politik. Im Zentrum seiner Arbeiten steht oft die Auseinandersetzung mit der verarmten Bevölkerung des ländlichen Südens, die von der Mafia schonungslos für ihre Zwecke ausgebeutet wurde. Seine Tochter Carolina drehte kürzlich über ihn den Dokumentarfilm „Citizen Rosi“ (2019).

      Das Sozialdrama „Tre Fratelli“ (1981) sah ich zufällig mal als Jugendlicher am TV in der damals obligat guten deutschen Synchronversion. Dieser Film blieb mir als sehr lyrisches Landschaftsbild in Erinnerung, vor allem eine Szene zu Beginn war in mir drin. Auf einem Feldweg sagt die alte Nonna dem Grossvater „Hier schnapp das Kaninchen🐇 am Boden! Ich wollte es gerade kochen, aber aus Angst vor einer Schlachtung lief es davon.“ Der betagte Italiener nimmt das kleine Tier also und gibt es Nonna. Doch die stellt es nur wieder zurück auf die Erde und lässt es überraschend durch ein Gebüsch weglaufen. Dann sieht man die alte Frau wieder auf dem Weg, dem Mann lächelnd zuwinken, dasselbe nochmals von einer anderen Perspektive aus, und dann ist die Frau einfach ganz plötzlich aus dem Bild verschwunden.

      Ich habe selten einer poetischere Variante einer Versinnbildlichung von Sterben und Tod auf der Leinwand gesehen, und der Wunsch nach einer DVD-Veröffentlichung des Films wurde mir nie erfüllt. So hatte ich den Film gestern endlich wieder im Kino im Rahmen einer Rosi-Perspektive gesehen. Nach mindestens 35 Jahren.

      Meine Eindruck von gestern war nicht mehr ganz der gleiche wie damals. Das lag vielleicht daran, dass der Film in Originalsprache mit einem ziemlich schwierig verständlichen und recht rar genutzten englischen Wörterbuch untertitelt war. Die teilweise scharfen Auseinandersetzungen der Brüder waren zudem so zackigschnell italienisch gesprochen, dass die Untertitel zu wenig lang vor meinen Augen standen.

      Der Film spielt nun nicht einfach auf dem Land im Süden, er lebt von zahlreichen Einspielern, wie Rückblenden, Verbrechens-Footage oder Alpträumen, aus denen der ständig von Mafiosi bedrohte Richter schweissgebadet aufwacht. Es wird zudem kurz mal die Kindheit der drei Brüder gezeigt, wie amerikanische GIs mit Panzern, aus denen Jazzmusik herausdringt, das Land und die Gegend aus den Klauen des Faschismus befreien. Eine Rückblende zeigt wiederum die Grosseltern als junges verliebtes Paat am Strand.

      Des weiteren wird nicht mit Auseinandersetzungen gegeizt - in der Vergangenheit beispielsweise mit der Ex-Ehefrau des Jüngsten, in der Präsenz mit den Brüdern, die sich komplett voneinander entfremdet haben. Das wird dann beispielsweise schmerzhaft an die Oberfläche gespült, wenn der jüngste der drei eben derjenige, der als Jugendsozialarbeiter in einem Heim für schwere Jungs arbeitet, mit seinen aggressiven Fragen nach einer Frau diesen der (damals verpönten) Homosexualität überführen will.

      Für mich hatte dieser Film nicht mehr ganz der gleiche Effekt wie bei meiner Erstsichtung. Die grosse Poesie von damals erkannte ich nicht mehr wirklich, mit Ausnahme der oben beschriebenen Anfangsszene. Immerhin wird der Lokalkolorit gross aufrecht erhalten, die Musik von Piero Piccione (in den Credits erscheint am Ende gar noch der Name Pino Donaggio) ist symphonisch schwebend, die präsenten Details (wie die typisch italienischen MS-Zigaretten*), die schönen kargen Landinterieurs und Kneipen sowie das unglaublich schöne Schlussbild lassen mich dennoch eine wohlwollende Werung geben.

      *Und MS-Zigaretten nennen die Italierner übrigens „Morta Sigurra“! 🚬 ⚰️ 🪦

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      • 5
        YupYum 28.02.2025, 12:41 Geändert 28.02.2025, 13:05
        über Lucy

        (Kurzkommentar:)
        Mit dieser Lucy habe ich mich schwer getan: Zu Beginn macht das zwar noch Spass, wenn die herrlich unbedarfte Scarlett Johansson in die Fänge dieser tumben Mafiachinesen kommt und lange nicht ersichtlich ist, was die eigentlich von dem naiven Twen wollen. Den Rest der Geschichte scheinen eh alle zu kennen, ohne Pause geht es von einem CGI-Overkill zum nächsten, inklusive völlig lächerlichen Zeitreise- und Evolutionstheorie-Exkursen. Dass wir anscheinend nur 10% unserer Hirnkapazität nutzen, davon schwafelten früher schon die Scientologen. Luc Besson‘s Actionbraut „Anna“ (2019) gefiel mir da um einiges besser als ihre Filmfreundin „Lucy“ (2014). Und zum Thema „künstliche Leistungsdroge“ gibt es noch den echt interessantereren Thriller „Limitless“ (2011; mit Bradley Cooper).

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        • 6 .5

          Neben den Zwanzigerjahren waren für mich die Sixties eigentlich die kulturell und fashionmässig die mit Abstand die wichtigste und bedeutendste Dekade von allen. Natürlich war auch (gesellschafts-)polisches einiges am Dampfen, hatten wir u.a. den Mauerbau in Berlin und die in der DDR in Kraft gesetzte sozialistische Verfassung, der Prager-Frühling, den langen Contergan-Skandal, erster sowjetischer Raumflug und die amerikanische Mondlandung, die erstmals zugelassene Babypille, die schwarzen Bürgerrechts- und Studentenbewegungen, die ersten Stonewall-Unruhen, die Ermordung zweier Kennedys und den schwarzen Bürgerrechtlern Martin Luther King, Malcolm X und Fred Hampton, die globale Kubakrise und natürlich der Vietnamkrieg.

          Musikalisch hinterliessen uns die Menschen damals ihre allergrössten Schätze - in den Bereichen Jazz, Hard Bob, Soul und Funk, der British Invasion, dem Folk-, Country- und natürlich dem Psychedelic Rock. Der vorangegangene Twist sei auch erwähnt. Die Schallplatten von damals werden von den Fans heute als allerhöchste Güte klassiert und Orginalkopien tauschen die Hände in teils astronomischen Summen aus.

          In der TV-Chronologie „The 60s“ (1999) hört man denn auch viele Beispiele, es sind jedoch vor allem die grossen Hits von Girlgroups wie den Shirelles, Dylan, den Doors, The Band, Hendrix und Jefferson Airplane. Immerhin erinnerte man sich an den Smash „Nature‘s Way“ von der grossen Band Spirit des charismatischen Randy California. Doch die späten Sechziger hatten musikalisch weit mehr zu bieten als die gängigen Hits: Zwischen 1967 und 1969 schossen unzählige kleine Bands u.a. aus Ballrooms und Schulkonventionen wie Pilze aus dem Boden, die nur eine einzige, meistens rare (und praktisch immer eine qualitativ hochwertige) Schallplatte aufnahmen. Es gab auch nicht nur das berühmte Woodstock Festival, sondern neben beiden Fillmores und der Bay Area unzählige Festivals, von denen uns viele Aufnahmen erhalten blieben.

          Der Film konzentriert sich auf eine bürgerliche Familie aus Chicago, in der ihre Kinder aus verschiedenen Gründen rebellieren, sich der Studentenbewegung anschliessen, nach San Francisco abhauen, ungewollt schwanger werden oder nach der Heimkehr von Vietnam völlig traumatisiert sind. Des weiteren wird eine schwarze Familie porträtiert, die der Gewalt einer reaktionären Polizei ausgesetzt sind, weil sie sich der Bürgerrechtsbewegung angeschlossen haben. Bill Smitrovich als spiessiger weisser und sich wandelnder Familienvater sticht schauspielerisch heraus.

          Über diese Porträts von amerikanischen Durchschnittsfamilien erschliessen sich die gesellschaftlichen und politischen Ereignisse eines Jahrzehnts, das von Kriegsgeschehen, Attentaten, Protesten und Demonstrationen, LSD und natürlich der Musiker mit ihren wegweisenden Texten geprägt wurde. Der Film montiert geschickt das fiktive Geschehen in dokumentarisches Material ein. Von wem keine Footage vorhanden war, der wurde mit Schauspiel nachgestellt.

          Musikalisch begegnen wir: Phil Ochs, Joan Baez, Mary Travers (von Peter, Paul and Mary), natürlich Dylan, Grace Slick (von Jefferson Airplane), und einem herrlich gespielten Jimi Hendrix.

          Politisch streifen wir: ML King, Malcolm X, beide Kennedys, den reaktionären Sherriff Bull Connor, den Sozialaktivist Abbie Hoffman, den Polit-Comedian Lenny Bruce, den tockkonservativen Senator Eugene McCarthy, Robert, President Lyndon B. Johnson, Richard Delay (Bürgermeister von Chicago), dem unliebsam entfernten Richard Nixon, dem ermordeten Fred Hampton und LSD-Guru Timothy Leary.

          Trotz der Länge von fast drei Stunden ist das eine unterhaltsame und spannend aufbereitete Geschichts-Stunde, die jedoch eher in die Breite geht und unzählige Themenbereiche (zu) kurz abdeckt, als denn die Tiefe beleuchtet. Doch das kann man auch gar nicht von einem zusammenfassenden Panoptikum verlangen. Daher ist das eher ein Film, der für Novizen geeignet ist, denn für Kenner der Zeit. Von Kitsch à la Hollywood wird man bis zu den letzten Minuten verschont. Prädikat: Durchaus sehenswert.

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          • 4

            (Kurzkommentar:)
            Mann, sind die alle so cool drauf hier im High-Tech-Gedröhne „Blackhat“ (2015)! Wenn Chris Hemsworth und seine coole Truppe (u.a. eine verheizte Viola Davis) was wollen, wird ein cooler Spruch platziert oder Chris knifft schnell cool die Augen zusammen, überlegt mal kurz scharf und Bingo!, schnell kommt man eine Pokerrunde weiter auf der Suche nach dem ominösen Hacker, von dem natürlich erst mal keiner dessen Motiv durchschaut. Dann jettet man dann so James Bond-mässig um die halbe Welt, bis dann irgendwann der geheimnisvolle Mr. X doch noch auchtaucht und so ein Gemisch aus Zero Mostel im Hawaiihemd und Jeff Lynne vom „Electric Light Orchestra“ darstellt. Zum Glück hat Chris eine treue Asiatin gefunden, die sowohl kochen, einkaufen und mit Verbänden verarzten kann. Zwischen der Hammer-Ääkkschen bleibt dann immer genügend Zeit für etwas Bettgymnasik. Und nein, Michael Mann, der Film ist echter Crap, danke!

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            • 5

              „You walk into a room, you walk out of a room. In, out, what does it matter?“

              (Kurzkommentar:)
              Helen Mirren sehe ich eigentlich immer gern, doch dass sie mal gar im Auto einen Orgasmus stöht, das war auch für mich eine Novität. Ich möchte dem Schriftsteller Tennesssee Williams auch nicht zu nahe treten, aber irgendwie gibt diese Prämissen-Grundlage „Abgehalfterte Contessa von Rom schickt ihre Loverboys zu gelangweilten Amerikannerinnem, um denen nach einer ordentlichen Portion Triebbefriedigung ihre Dollars abzunehmen“ einfach zu wenig her. Von daher geht „The Roman Spring Of Mrs. Stone“ (2002) schon fast als Sexfilm durch. Hätte dieser Lover (Olivier Martinez) nicht auch einige richtig aggressive und bösartig-cholerische Seiten an sich, die die angeblich psychologische Tiefe des Streifens unterstreichen sollten, gäb‘s hier neben der fauchenden Contessa (Anne Bancroft) kaum was darüber zu melden.

              PS: Das Original von 1961 mit Vivian Leigh kenne ich nicht.

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              • 7
                über Chase

                Was für eine Schei-e: Da will man doch nur schnell seine Angetraute bei ihrem Eltern abladen, dass weil es in der Ehe kriselt und man mal eine Auszeit von einander braucht; haltet kurz an der Tanke an, um schnell die Karre mit Gasoline aufzuzufüllen und schwupps! ist die Dame verschwunden, die nur schnell im „Qwikshop“ ein Wasser holen war. Zu allem Übel ist dann auch grad noch das hiesige Videoüberwachungssystem im Eimer - oder etwa doch nicht?

                Ach, wie ich sie liebe: Diesen kurzen und knackigen Thriller, die mit kleinsten Zutaten maximale Spannung rausholen. Immer wieder kommt in diesem Minimal-Plot vom Vanishing-Thriller „Last Seen Alive“ (2022) eine (böse) Überraschung auf Gerard Butler zu, die der Geschichte immer wieder richtig Schub gibt. Wenn man es dann noch mit spiessigen Schwiegereltern und irgendwelchen bescheuerten Hinterwäldler zu tun hat, geht mein Herz dann so richtig auf.

                Es ist eine tolle Abwechslung, dass Butler - der in seinen Filmen eigentlich meistens alle(s) unter Kontrolle hat - hier mal selbst so richtig in der Bedrouille ist. Abzug gibt es für mich höchstens, dass die Action und eigentlicher Showdown an diesem, nennen wir es mal ein „geheimer Ort“ (um nichts zu spoilern), die Action einfach zu kurz kommt. Hier drin hatte es soviel Utensilien aus Glas gehabt, die man richtig zum scherbeln hätte bringen können.

                Thriller, in denen jemand verschwindet, gibt es zahlreiche. Meistens sind es Töchter, die unauffindbar sind, selten eine Ehefrau. Das thematisierte bereits Hitchcock in „Vertigo“ (1958) und war in den späten Achzigern sehr eindringlich Thema in Roman Polanski’s superben „Frantic“ (1988; mit Harrison Ford).

                Kommen Sie mir einfach nicht mit diesem üblen Ding, genannt „Spoorloos“ (1988) eines Holländers mit dem blöden Namen George Sluizer, der als Mutter solcher Filme herhalten sollte. Dieser Sluizer war selbst so überzeugt von seinem eigenen weirden Stoff, dass er sich gar noch selbst den Auftrag erteilte, das Ami-Remake zu drehen (das hatten wir doch schon bei diesem sich ebenso selbst überschätzenden Österreicher mit dem ähnlich hirnrissigen „Funny Games“). Hier bestand der erbärmiche Schluss nämlich lediglich darin, dass die arme Frau elendig in einer vergrabenen Holzkiste erstickte.

                Dagegen wartet dann das sogenannte „Chase“ (finden Sie es eigentlich auch so komisch, wenn der neue deutsche Titel dann auch englisch ist?) schon mit einem etwas optimistischerem Finale auf. Mehr zu sagen gibt es eigentlich nicht mehr, daher kurz: Wenn Ihnen temporeiche Thriller im amerikanischen Hinterland liegen, die einem in 90 Minuten kaum Zeit zum Luftholen lassen, dann sind Sie bei „Last Seen Alive“ jedenfalls genau richtig.

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                • 3 .5
                  YupYum 20.02.2025, 08:51 Geändert 24.02.2025, 08:13

                  POSSIBLE SPOILER ALERT
                  Das Protokoll „Reality“ (2023) ist ein 80 Minuten langes Verhör der damals 25-jährigen Reality Winner durch zwei FBI Agenten, das stattgefunden hatte, weil sie angebliche nachrichtendienstliche Informationen zur russischen Einflussnahme auf den US-Wahlkampf 2016 an die Nachrichtenwebseite „The Intercept“ weitergeleitet hatte. Dafür kassierte sie im August 2018 eine satte Strafe von 5 Jahren und 3 Monaten Haft, wurde jedoch wegen guter Führung vorzeitig entlassen.

                  Der Film ist das Regiedebüt von Tina Satter. Ein Drehbuch hat sich praktisch erübrigt, da alles auf den (fast) unveränderten Originaldialogen einer FBI-Tonaufzeichnung bei einer Hausdurchsuchung Winners basiert. Da werden erst mal die erste halbe Stunde die immer gleichen FBI-Standardfragen zur Sicherheit bis zum Taumeln wiederholt, wie „Leben Sie alleine im Haus?“, „Befinden sich ausser Ihnen noch andere Personen im Haus?“, „Haben Sie Waffen im Haus?“, „Haben Sie einen Hund im Haus?“, „Zeichnet sich dieser Hund durch aggressives Verhalten aus?“, „Haben Sie noch andere Haustiere im Haus?“, „Und die Katze? Ist sie gefährlich?“. So will das nicht mehr aufhören.

                  Im kahlen Kellerabteil erfährt der Zuschauer dann mal diffus, um was es hier gehen könnte, essenzielles erfährt er dank nachträglicher Zensurierung des Protokolls dennoch nicht. Und was ist eigentlich das Motiv des Films selbst, fragt man sich zunehmend: Geht es letztendlich hier nur darum aufzuzeigen, wie erbarmungslos die amerikanische Justiz zusammen mit dem FBI eine solch reizende junge Frau akribisch auseinander nimmt und dann unverhältnismässig hart bestraft wird, oder ist noch mehr dahinter?

                  Das FBI hat seinen Hauptsitz also in Washington und verfügt über 56 Außenstellen im ganzen Land, die Fälle von Cyberangriffen und Wirtschaftskriminalität bis hin zu Mord und Anschuldigungen sexuellen Fehlverhaltens untersuchen. Das FBI untersteht dem Justizministerium.

                  Die Premiere des Sachfilms erfolgte im Februar 2023 bei der 73. Berlinale, also zwei Jahre vor der Amtsvereidiugung von Donald Trump, dem ein angeblicher Klüngel und Filz, inklusive Korrruptionsvorfürfen innerhalb des FBI schon lange ein Dorn im Auge ist.

                  Die Auswahl von Kash Patel zum neuen FBI-Direktor passt zu Trumps Ansicht, dass die Strafverfolgungs- und Geheimdienstbehörden der Regierung radikal umgebaut werden müssen - und zu seinem im Wahlkampf immer wieder geäusserten Willen zur Vergeltung an vermeintlichen Gegnern. Brisant dabei ist, dass Patel die Bundespolizei immer wieder frontal angegriffen und ihre Existenz infrage gestellt hat. In seinem Buch „Government Gangsters“ schrieb er, das FBI bleibe eine Bedrohung für das Volk, wenn nicht drastische Massnahmen ergriffen würden. Man kann also davon ausgehen, dass er die Behörde radikal umbauen wird.

                  „Kash ist ein brillanter Anwalt, Ermittler und ‚America First‘-Kämpfer, der seine Karriere damit verbracht hat, Korruption aufzudecken, die Gerechtigkeit zu verteidigen und das amerikanische Volk zu schützen.“, meinte Trump. Patel wird also den aktuellen FBI-Chef Christopher Wray ersetzen, der 2017 von Trump ernannt wurde, aber beim Präsidenten und seinen Verbündeten schnell in Ungnade gefallen ist. Obwohl die Position eigentlich auf zehn Jahre vergeben wird, kommt die Absetzung von Wray nicht unerwartet.

                  „Dieses FBI wird die wachsende Kriminalitätsepidemie in Amerika beenden, die kriminellen Migrantenbanden zerschlagen und die üble Geissel des Menschen- und Drogenhandels über die Grenze stoppen“, erklärte Trump.

                  Sie sehen also, auch hier überschlagen sich die Ereignisse, wie sie das seit der Amtseinführung von Trump sowieso schon zur Genüge tun. Dieser staubtrockene und dramaturgisch völlig abstrahierte Film bringt schon von daher nicht viel. Für mich ist er nur eine müssige Durchhalteübung. Er geniesst aber in diesem Forum ausschliesslich hohe Bewertungen, was daran liegen könnte, dass sich bei vielen seiner Konsumenten wahrscheinlich ein hohes Ausmass an Antiamerikansmus und Oikophobie (= westlicher Selbsthass) bemerkbar macht.

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                  • 6
                    YupYum 19.02.2025, 14:14 Geändert 19.02.2025, 21:24

                    Der Film wurde damals 1993 als Premiere im unserem (damals noch guten) Staatsfernsehen SRF gezeigt, danach schoben sie gleich den Polar-Eisenbahn-Thriller „Runaway Train“ (1985) hinterher, wahrscheinlich um dem Publikum latent die Pünktlichkeit und weiteren Vorzüge unserer Schweizer Bundesbahnen (SBB) schmackhaft zu machen („Der Kluge fährt im Zuge.“).

                    Ich war damals vom viel schlanker und straffer inszenierten „Narrow Margin“, (1990) dieser Odyssee durch das kanadische Monashee-Gebirge 🇨🇦, mehr angetan als denn von diesem darauf folgenden eintönigen Eiswüsten-Geratter. Ich staunte ab den akrobatischen Kunststücken am kurvenreich peitschenden und sich über Schluchten und durch Tunnels schlängelnde Zug von Gene Hackman, der damals immerhin bereits 60 Jahre alt war.

                    Und heute? Ich kann zwar immer noch unterschreiben, dass ich das nach wie vor tolle Thrillerkost in einem ungewöhnlich klaustrophobischen Setting finde, und hier auch immer wieder neue Nuancen dazukommen, die für genügend Abwechslung beitragen, - beispielsweise mit dem Erscheinen der mysteriösen Blondine (Susan Hogan) aus Bel Air. Es geht ebenso schnörkellos voran, keine einzige Länge plagt.

                    Dennoch: So taufrisch empfinde ich „Narrow Margin“ nicht mehr wirklich, und so kompakt inszeniert das eben nicht. Die Dialoge wirkten für mich teilweise etwas verzettelt, zu brav und manchmal seltsam unlogisch: Zum Beispiel das überaus höfliche Gespräch im Speisewagen mit den Gangstern. Oder das merkwürdige Aufmüpfen der angehenden Kronzeugin in einer lebensbedrohlichen Dauerbelastung. Oder halt auch das grobe Logikloch im Coupet, als die seltsame Blondine gar nicht drin ist, sondern nur der Train Security-Mann in seinem Zustand. Trotzdem geht der Film vorüber wie im Flug, und das ist eigentlich mein wichtigstes Hauptkriterium bei allen Thrillern.

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                    • 8
                      YupYum 19.02.2025, 14:08 Geändert 19.02.2025, 21:21

                      Als ein gerissener Erpresser, Diamantenräuber und brutaler Mörder aus San Francisco unauffindbar flieht, findet FBI Agent Wareen Stantin (Sidney Poitier) seine Spur ausgrechnet an der amerikanisch-kanadischen Grenze, im zerklüfteten Berggebiet Bishop Falls von Britisch Columbia des Nordwestens, wieder. In Konsequenz muss der Verfolgende die vertrauten Strassen der Stadt gegen unbekannte Pfade in der Wildnis eintauschen. Völlig überfordert, ist Stantin gezwungen, die Hilfe des erfahrenen Wildnisexperten Jonathan Knox (Tom Berenger) in Anspruch zu nehmen, der von dessen Plänen, einen skrupellosen Gangster in luftiger Höhe zu schnappen, nicht gerade angetan ist.

                      Der Villaint hat sich also in eine geführte, mehrtägige Hiking Tour eingeschlichen (um nach Kanada 🇨🇦 zu gelangen), die von Knox' Freundin Sarah (Kirstie Alley) geleitet wird. Keiner der Beteiligten weiss von seinem Glück. Inzwischen sind Stanton und Knox der nichtswissenden Sarah und ihrem Trupp dicht auf den Fersen, doch die Strapazen werden für den mehr und mehr erschöpften Stanton immer harter im Nehmen: Die Wanderung wird zur Bergkraxeltour, Knox verunglückt schier mit einer Schwebebahn über der Schlucht, eine Felswand steht im Weg, und über allem droht eine Schlechtwetterfront immer näherzurücken.

                      Spätestens als das gelbe Wasserflugzeug auf dem imposanten Taku River landet, ahnt der Zuschauer, dass hier ein Abenteuerlichfilm mit Naturaufnahmen allerhöchster Güte aufwartet. Szenisch ist es unglaublich abwechslungsreich, diese Hikes, die bis über verschneite Gipfel führen, haben es einfach in sich. Das Wetter wird hautnah gespürt, der platzierte Schneesturm ❄️ ist ein meteorologischer Höhepunkt.

                      Die Spannung wird hier durchgehend hochgehalten, die Action ist knackig, die Dialoge sind durchzogen von kauzigem Humor, die grossartige Synchro lässt einem viele grosse Stimmen von damals hören und die Story ist einfach gewieft: Der Zuschauer weiss natürlich nicht, wer von den Wanderern der Mörder ist, und dass sie es auch nicht herausfinden, wurde sie ausschliesslich mit mehr oder weniger bekannten Film-Knackis besetzt.

                      Der grosse Sidney Poitier (1927 - 2022) kehrte nach zehnjähriger Filmabstinenz wieder zu einer seiner körperlich anstrengendsten Rollen zurück - was der 61-Jährige hier leistet, das muss ihm zuerst einer nachmachen. Tom Berenger fiel ein Jahr früher schon durch die Hauptrolle im exzellenten Thrilller „Someone To Warch Over Me“ (1987) positiv auf. Eighties-Jeansgirl Kirstie Alley hatte schliesslich mit der „Cheers“-Sitcom Erfolge gefeiert, ihre Scientology-Hörigkeit (sie erreichte die zweithöchste Stufe in der mafiaähnlich strukturierten Paychosekte) war ihrer Karriere alles andere als dienlich, und 2022 starb sie an den Folgen von Darmkrebs.

                      Für mich ist der makellose Wildnis-Thriller „Shoot To Kill“ (1985; mit seinem späteren Abstecher in die Zivilisation) eine absolutes Top-Eighties-Erzeugnis. Hier stimmte einfach alles: Tempo, Abwechslung, Schalk, die Vintage-Bergmode und die schönen Karossen. John Scott‘s grossartige Soundtrackklänge machen einem beinahe etwas wehmütig, man wünscht sich die Zeit wäre einfach stehengeblieben.

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                      • 4

                        (Kurzkommentar:)
                        Natürlich macht es sich in der Filmografie eines grossen Stars immer ziemlich gut, wenn man auch mal einen super-epischen Historien-/Meloschinken wie „Indochine“ (1992) vor exotischer Kulisse abdrehen kann. Catherine Deneuve, wahrscheinlich einer der schönsten Frauen der Welt, flog also mit ihrer Crew in den Vietkong, und so befindet man sich dann angeblich dort im Jahr 1930. Wenn ihre vietnamesische Adoptivtochter schwer angeschossen im Asphalt liegt und ausgerechnet vom französischen Kolonialherr-Lover von Catherine errettet wird, ist sie denn grad wieder putzmunter und verknallt auch gleich sich in den Typen, was die Mama natürlich nicht besonders toll findet. So kämpft sich der Zuschauer also 2/1 2 Stunden durch diese pseudohistorische Abhandlung einer nicht endend wollenden Odyssee hindurch, bekommt Klischees en masse aufs Auge gedrückt, wird von überfrachteter Violin-Soundtrack-Musik 🎻 genervt (die dann ultradramatisch einsetzt wenn gar nix passiert) und mit passender Empathie-Synchro auf gebrochen deutsch-vietnamesisch „nicht arbeiten“, oder „ich nicht machen“ versorgt (nein, „Flüülingslolle“ war leider nicht dabei). Da mich das alles völlig kalt liess, drückte ich nach 80 Minuten auf den erlösenden DVD-Eject-Gnadenknopf. Lieber wieder mal das zeitgleich erschienene und um Welten bessere „L‘amant“ (auch 1992) nach Marguerite Duras anschauen.

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                        • 4 .5

                          „What we admit we believe, and what we believe, I suppose, could destroy us“

                          Ja logo, dass so Giallo- und Hammerfans da völlig ausrasten, wird ihnen mal nicht die grosse Dosis Blut und Trash geboten. Dabei ist der Okkultmurks „The Witches“ (1966) in den ersten zwei Drittel noch recht ansprechend, wenn der ziemlich absurden Geschichte nämlich einen subtilen Suspense-Aufbau vorausgeht.

                          Joan Fontaine kommt also als Lehrerin und gute Seele ins englische Kaff Heddaby, um ihre Schützlinge zu besseren Menschen zu erziehen und muss leider feststellen, dass das Dorf einem allgemeinen Voodoo-Zauber erliegt. Das erinnert natürlich schwer an das um Welten bessere Vorbild „Schloss des Schreckens“ (1961), und das wird dann im letzten Drittel schliesslich zum Höllenritt à la „Die schwarze Dreizehn“ (1966 - ebenfalls mit Deborah Kerr, die übrigens die Hauptrolle hier dankend ablehnte). Auch dieser praktisch zeitgleich erschienene Horrorthriller war um Welten besser.

                          Kein Wunder: Die letzten paar wilden, endlos wirkenden Szenen, als Voodoo-Hexenmeisterin Kay Walsh die blutjunge Teenagerin Linda (nach Vorbild Sharon Tate) in einem Opferitual als unbetatschte Jungfrau dem Teufel übergeben will, wirkt das mit all den in Kollektivekstase jaulenden und tanzenden Engländer (die sich u.a. Fäkalien ins Gesicht schmieren) wie wenn man einem Laientheater auf schlechtem Magic Mushroom-Trip 🍄 beiwohnt. Das ist so lächerlich, wie die ganze Auflösung dieses amateurhaft geschriebenen und umgesetzten Old Hokkum.

                          PS: Martin Stephens, der englische Kinderstar, der im „Schloss des Schreckens“ als besessener Junge Miles eine schauspielerische Glanzleistung hinlegte, ist hier in einer Gastrolle als Gärtnersohn Ronnie Dowsett zu sehen. Ich habe ihn nicht wiedererkannt.

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                          • 5 .5

                            „What we’re doing is a means to an end. Now you agree with the end, don’t you? Well, then you must agree with the means. You can’t have one with the other.“

                            Der Brite Bryan Forbes aus Stratford (1926 - 2013) gehört zu meinen Lieblingsregisseuren. Seine sozialen Bestandesaufnahmen und filmischen Sezierungen eines tristen Englands der Sechzigerjahren sind für mich immer noch etwas von eindrücklichsten, was das Kino des 20. Jahrhunderts zu bieten hat. Später wurden seine besetzten Genres sehr viel breiter, er drehte Mistery („The Stepford Wives“), Screwball mit Katherine Hepburn („The Madwoman of Chaillot“), Kriegsfilme („King Rat“) und sogar mal ein Märchen („The Slipper and the Rose: The Story of Cinderella“).

                            „Seance On A Wet Afternoon“ (1964) wird uns Laien (mit den Plakat einer in Trance schwebenden Frau vor einer flackernden Kerze 🕯️) als (mystisches) Kriminaldrama verkauft. Doch das ist nur halbwegs richtig. Vielmehr kann der Film als akribisches und erneut sezierendes Psychogramm einer dominanten und psychisch schwer kranken Frau und ihrem labilen Ehemann verstanden werden, die diesen am Gängelband aus Hörigkeit und Devotion hält, um mit ihm einen abgefahren-durchgedrehten Plan einer Wahnsinnnstat zu vollziehen.

                            Mrs. Savage ist nämlich von sich selbst überzeugt, dass sie ein grosses Medium ist, seit sie ihr einziger Sohn Arthur durch eine Totgeburt verloren hatte und sie diesen nun bei ihren verstörenden Séances zu ihr sprechen und ihr wichtige Botschaften aus dem Jenseits übermitteln hört. Um ihren Hokus Pokus im Dorf glaubwürdiger zu machen, planen die beiden also ein kleines Mädchen auf dem Schulweg zu kidnappen und zu Hause festzuhalten. Damit will die selbsternannte Heilbringerin Mrs. Savage ihre Gabe allen beweisen, weil sie natürlich die einzige ist, die mit einer ihrer Séances die Polizei auf die richtige Spur bringen kann. Man braucht selbst nicht die Sterne lesen zu können um vorauszuahnen, dass das nur schiefgehen kann….

                            Mrs. Myra Savage wird von der New Yorkerin Kim Stanley in ihrer gelernten Method Actingtechnik eindringlich gespielt, Richard Attenborough (der immer ein naher Freund Forbes‘ war) glänzt ebenso als Myra‘s charakterkränkelnder Ehegatte Bill, der schliesslich alles tut was diese gestörte Frau von ihm verlangt. Ein beklemmender Horror!

                            Natürlich ist das Kammerspiel wieder bis auf jede Einstellung, jeden Dialog-Fetzen und jeder Soundtupfer von Forbes perfektioniert worden. Kameramann Gerry Turpin gelangen wieder diese Forbes-typischen expressionistischen B/W-Bilder, Derek York‘s gewiefte Schnitte sind makellos, und der junge John Barry („James Bond 007“) zauberte schon damals seine Soundkniffs aus dem Hut, übertönte beispielsweise einfach die Schreilaute des Mädchens mit schrillen Violinklängen.

                            Nun denken Sie wahrscheinlich, dass ich aufgrund all dieser Aufzählungen ein grosser Fan dieses Films bin. Nein, bin ich nicht! Das Drama in seiner Überlänge erinnerte mich einfach zu sehr an die Schwerfälligkeit eines Ingmar Bergmann oder August Strindberg (von dem Bergmann nachhaltig beeinflusst wurde).

                            Hat Mrs. Savage dann wieder einen ihrer berühchtigten hysterischen Anfälle im Film, geht ihre schrille Stimme einem durch Mark und Bein. Solche schrecklichen und manipulativen Frauen im mittleren Alter, die sich zwischen Benzodiazepinen und Eso-Geschwurbel bewegen, sind mir im Leben genug begegnet (auch in meiner eigenen Familie). Meistens füllen sich ihre Ehemänner in Konsequenz die Kappe mit Wein 🍷, um solche Frauen überhaupt 24h auszuhalten. Hier im Film muss man das wenigstens lediglich zwei knappe Stunden ertragen. Als Fazit ist für mich diese Seance (die natürlich im Buch „The Great British Films“ einen langen Eintrag hat) ein handwerklich unglaublich präziser aber sehr schmerzhafter und auch überlanger Film, der einen seelischen Trümmerhaufen hinterlässt - sowohl bei den Beteiligten und auch beim Zuschauer - und den ich niemals je wieder sehen will.

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                              „Das ist die perfekte Welleeeeeee….!“ 🌊
                              Ich mag mich noch gut daran erinnern, wie kurz nach der Millenniumswende so deutsche Bands aus dem Boden schossen, die meistens mit einer Sängerin bewaffnet, das Mainstreamradio mit so Gute Laune-Songs für das Morgenprogramm fütterten. Diese an sich schon gezwungen positiv aufgesetzten Moderatoren spielten solche Songs dann mit der Absicht, uns Katergeplagte mit einem besonderen Boost einer hohen Arbeitsmoral in den Allltag zu entlassen.

                              Mit dieser Meinung stand ich natürlich alleine da. Eine obertoughe Freundin eines damaligen Kollegen von mir, die einen Surf- und Beachwear-Shop in einem Zürcher Nobelquartier besass, war jedenfalls ganz wild nach Juli. Die Trällerschnulze dudelte nicht nur ständig aus ihrem Offroader heraus, nein, sogar auf ihrem Facebook-Profil war der Satz „Das ist die perfekte Welleeeeeee!“ 🌊 ganz oben zu lesen. Wahrscheinlich dachte sie in aller Gewieftheit, dass sie mit dem Lied unterbewusst die Leute dazu manipulieren könne, in ihrem Laden Geld für einen überteuerten Lumpen auf den Tresen zu legen.

                              Natürlich mochte sie auch andere solche Bands, wie Silbermond, Glasperlenspiel, Luxuslärm, Ich + Ich, Christina Stürmer und Sarah Connor. Anyway, irgendwann ging die Soll- und Habenseite des oberhippen Ladens im Seefeld von Zürich nicht mehr auf, das Geschäft machte dicht und jetzt ist eine Anwaltskanzlei drin, deren Betreiber halt auch die Miete locker ausrichten können: „Es war ‘ne geile Zeit, aber tut mir leid, jetzt ist vorbei!“ Das war übrigens auch so ein Juli-Hit, und wenn die Dame sich schon verpisst, muss sie sie das auch nicht so heuchlerisch bedauern. Whatever, das stand jedenfalls nicht auf Facebook-Profil der Surflady 🏄‍♂️ nach der Ladenschliessung.

                              Ich weiss nicht mal, ob sie den thematisch ultimativen Surffilm „Point Break“ (1991) überhaupt mal gesehen hat. Er stammt von der Regisseurin Kathryn Bigelow, der späteren Action-Frau für gröbere Geschütze, die damals noch nicht mal 40 Jahre alt war. An Board sind all diese (meist) blonden supercoolen California Surfshine Boys - inklusive Gastauftritt von Anthony Kiedis („Givvv rrrrr away, Givvv rrrrr away, Givvv rrrrr away now! 🎶).

                              Dass das mit dem vielen Surfen nicht zu eintönig ausfiel, mixte Katheryn eine wilde Banküberfall-Sache in die Story rein. Das kann man entweder toll finden, oder halt auch ein bisschen doof. Kamera und Schnitt sind natürlich erste Sahne: Als es hier mal eine wilde Verfolgungsjagd durch die Häuser und Gärten von Vorstadt-L.A. gibt (bei der dem Zuschauer gar einen Hund zugeworfen bekommt!), ist das schon eine Meisterleistung von Kameramann Donald Peterman (der später auch „Die Addams Family“ oder „Schnappt Shorty“ bildtechnisch einfing). So akribisch nahe am Verfolgten dran zu bleiben, bedarf einfach ein hohes Mass an handwerklichem Können.

                              1991 war auch noch die Leistung der deutschen Synchronisation top, die schnellen und flotten Sprüche („Ich brauch noch ein paar Haare für die Perücke von Kojak!“) gingen da noch richtig locker von der Hand. Und Surferboys wie Patrick Swayze oder Keanu Reeves sind eben auch cool drauf, trinken Whysky aus der Flasche am Strandfeuer, rauchen merkwürdiges Zeugs und singen „Sweet Home Alabama“ - und das „all summer long“.

                              Trotzdem bin ich nicht wirklich der Super-Fan von „Point Break“, will aber auch niemanden den Spass an solches verderben. Mir war das alles ein bisschen zu sehr auf „Lethal Weapon“ mit diesem hohen Buddy-Faktor getrimmt, und zwei ganze Stunden Spielzeit waren mir dann auch zuviel des Guten. Also, 6 wohlwollende Punkte, um niemanden nachhaltig zu verärgern.

                              Artverwandte 🏄‍♂️-Filme: „The Endless Summer“ (1966), „Blue Crush“ (2002), „Big Wednesday“ (1978), „North Shore“ (1987), „Momentum“ (1992), „Unstoppable“ (2018), „Soul Surfer“ (2011), „Chasing Mavericks“ (2012), „Riding Giants“ (2004), „Step into Liquid“ (2003), „The Shallows“, (2016; Grenzfall!) - und die Kindermärchen-Folgen „Surf‘s Up“ sowie das Remake von „Point Break“ (2015) lassen wir mal elegant aus.

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                                (Kurzkommentar:)
                                „Replicas“ (2012) ist wieder so eine Home Invasion-Geschichte, die noch mit einer interessanten Ausgangslage beginnt und sich im weiteren Verlauf unter eigener Ideenarmut begräbt. Da wird dann auch die ganze Psychologie des bösartigen Pärchen links liegen gelassen, man suhlt sich lieber in plakativen Brutalitäten. So kann das nicht fesseln und bringt auch keinerlei Fun of Fright. Immerhin ist die kahle Bildästhetik noch recht originell und es gibt einen nervigen Rotzlöffel in Form eines derangierten Psychojungen drin. Trotzdem keine Empfehlung!

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                                  Wer immer noch nicht genug hat von „Allah ist gross!“ und „Allahu Akbar!“ hat, kann sich hier mit dieser von ARTE mitproduzierten Serie „No Man‘s Land“ (2020) in acht Folgen die volle Dröhnung Dschihad im syrischen Wüstenstaub geben. Da sieht mal also diese überaus sympathischen Mudschahid und wohlstandsverwahrlosten westlichen Konvertiten und Überläufer an ihren Kalaschnikovs dauerballern und sich gegenseitig ins Märtyrium und Nirvana hochbomben, sodass möglichst schnell die versprochenen 72 Jungfrauen in Griffnähe sind.

                                  Einen plausiblen Eindruck dieser ganzen Mittelaltermentalität gibt die Serie schon. Ich weiss auch nicht, ob man das dramaturgisch anders oder besser hätte umsetzen können, mich hat dieses ganze Setting an sich schon früh erschöpft: Je länger das andauerte, desto träger wurde mein Interesse. Denn irgendwie sind mir diese Leute auch vollkommen schnuppe - dort unten wenigstens.

                                  Zudem hat es den meisten eh schon lange den Kragen geplatzt. Die letzen Bilder der Übergabe dieser völlig ausgemergelten Israel-Geiseln aus den Klauen der Hamas-Mörderbande war an ekelerregendem Zynismus jedenfalls nicht zu überbieten. Da war also ein Mann Eli Sharabi, der sagte wie er sich freut, endlich zu seiner Frau und seinen Töchtern zurückzukehren. Er wusste noch nicht, dass diese Barbaren seine ganze Familie am 7. Oktober ermordet hatten. Die Hamas hatte ihn 491 Tage als Geisel gehalten, sein Bild erinnert an die Häftlinge 1945 nach den KZ-Befreiungen. Wahrscheinlich hat ihn die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit seinen Lieben am Leben gehalten. Er kehrt in ein leeres Haus zurück.

                                  Wer auch immer glaubt, man könnte mit diesen Leuten verhandeln oder gar friedlich in zwei Staaten nebeneinander leben, hat sich gewaltig geschnitten. Sie sind Monster und Israel wird keine Ruhe haben, bevor sie nicht alle aus Gaza weg sind.

                                  Und immer mal bewusst machen. Der bisher schwerste islamistische Anschlag in Deutschland ereignete sich 2016 in Berlin auf einem Weihnachtsmarkt. Der Schlachtruf der Islamisten lautete „Allahu Akbar!“. 2024 latschen dann Massen an Syrer durch einen Weihnachtsmarkt in Essen und rufen dabei mitunter „Allahu Akbar!". Keine kulturelle Sensibilität. Keine Rücksicht auf die Traditionen und auch Ängste der Gesellschaft, die einen so großzügig aufgenommen hat. Leben hier größtenteils seit Jahren und haben kein Gespür dafür, wie befremdlich das auf uns mitunter sein muss, und es ist ihnen auch schlicht egal. Aber wehe die Deutschen mucken hier mal irgendwie über die Zustände auf, dann sind sie wieder alle gleich Rassisten und Nazis.

                                  Wenn dann alle syrischen Gruppierungen nach Deutschland migriert sind und sich gegenseitig den Schädel einschlagen, wird vielleicht dann auch der letzte Gutmensch kapieren, dass die Konflikte in diesen Ländern auch irgendwas mit den Menschen dort zu tun haben.

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                                    YupYum 08.02.2025, 09:28 Geändert 08.02.2025, 22:46

                                    (Kurzkommentar:)
                                    Dem neusten Actionstuss „Chief Of Station“ (2024) mit Aaron Eckhart liegt eine hanebüchene Verschwörungsgeschichte um CIA, Russen und Tschetschenen zu Grunde, die so mager wie eine Überdosis Abnehmspritze ist. Eckhart, der mit seinen zusammengebissen wirkenden Lippen, seiner fröstelnd-stoischen Non-Austrahlung und seiner sonor-roboterhaften Eindresch-Mechanik wie ein Kampf-Buchhalter rüberkommt, hat mir noch nie Spass bereitet. Und ein Müh Humor tut einem Kauwumms-Film oft nicht schlecht, doch das nimmt sich selbst bierernst. Leider ist auch die Action nicht besonders clever choreografiert - man kann beispielsweise nicht seinen Rucksack 🎒 mit wichtigen Daten während einer Ballerei kurz nebenaussen holen gehen. Der ständige Aufdringlich-Dröhn-Technosound zerrt höllisch an den Nerven. Dann hat Eckhard hier noch so ein Oberdoofi als Karriere-Prep-Sohn, es gibt ein schwarzer Q und immerhin dazu eine weibliche Kampf-Amazone, die ich in solchen Art Filme noch ganz gern sehe. So kann Eckhart nun für seinen nächsten B-Film-Einsatz weiter auf den in seiner Villa aufgehängten Boxsack reinhauen, um schön fit zu bleiben.

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                                      YupYum 05.02.2025, 10:41 Geändert 05.02.2025, 22:07

                                      Der Seemann und Abenteurer Dave (Sterling Hayden) verliebt sich an einem mexikanischen Strand in die attraktive Rita (Anne Batzer). Die arbeitet jedoch als Lockvogel für Hochstapler und Erpresser Harley (John Hoyt), mit dem sie gemeinsam reiche Männer übers Ohr haut. Doch nun verliebt sie sich in Dave und versucht diesen zu überreden, ihren Geschäftspartner, der auch ihr vermeintlicher Ehemann ist, ins Jenseits zu befördern. Bei einem Unfalltod erwartet sie nämlich seine 300’000 Dollar Vermögen. Den Sprengstoff (um aus aus seinem schnittigen Boot ein Feuerwerk zu veranstalten), hat sie zuvor schon besorgt. Doch dann ist Harley ohne jegliche Hilfe dazu dennoch plötzlich tot. Dummerweise hat ein Privatdetektiv davor heimlich Fotos von Rita geschossen, wie diese mit einer Portion TNT 🧨 aus einem dafür spezialisierten Geschäft rausspaziert…

                                      Dieses hübsche und völlig vergessene B-Noir-Kleinod „The Come On“ (1956) wurde kürzlich von der „Edition Film Noir“-Series zum ersten Mal auf DVD aufgelegt, und die Sichtung gestaltet sich doch sehr kurzweilig:

                                      Der Krimi exotischem Flair ist mit derart vielen Wendungen versehen, dass man ihn locker als Quasi-Vorläufer des verrückten Inders M. Night Shaylaman verstehen kann. Hier wird die herrlich überzeichnete Geschichte praktisch im Fünf-Minuten-Takt wieder aus einer völlig neuen Perspektive dargestellt.

                                      Die Präsenz der göttlichen Anne Baxter (Hitchcock‘s „I confess“) überstrahlt natürlich den Rest der eher mittelmässigen Schauspielgarde. Den Film jedoch als „inszenatorisch und schauspielerisch reizlos“ abzustempeln, wird ihm nicht gerecht. Er ist nämlich äusserst kurzweilig, unterhaltsam und temporeich, und die Geschichte ist auch ziemlich gewieft.

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                                        Völlig lieblos und routiniert heruntergespultes Bio-Pic auf TV-Niveau über Kinderbuchautorin Enid Mary Blyton (1897 - 1968), gespielt von der grossen Kostümdrama-Schauspielerin Helena Bonham Carter. Weder gibt diese vergebliche Abhandlung einen Eindruck vom Wesen ihrer Bücher, noch ergibt sich daraus ein verlässliche Charakterzeichnung der Frau, und schon gar nicht weiss der Film irgendwelche Emotionen beim Zuschauer auszulösen.

                                        Nur dann und wann mal einige Phrasen aus ihren Büchern zitatemässig einzustreuen und diese zusammen mit blöd-kitschigen Fantasy-Einspielungen als Bildsprache zu unterlegen, reicht nun mal nicht aus, einen einigermassen adäquaten literarischen Kontext zu generieren. Ihre berühmte „Fünf Freunde“-Reihe wird nicht mal erwähnt, obwohl man eigentlich vor allem diese mit dem Namen Blyton verbindet.

                                        Immerhin lässt der Film nicht aus, dass Frau Blyton in Wahrheit ein selbstsüchtiger, anmassender und egomaner Kontrollfreak war, die ihr Geschäft vor alles andere stellte, ihren ersten Mann Hugh (Matthew Macfadyen) in Depression und Trunksucht trieb, ihre Kinder zu Nannys und ins Internat abschob und ihre zwei Brüder sowie ihre eigene Mutter zeitlebens ignorierte. Das wurde natürlich dem Buch „A Childhood at Green Hedges“ von Tochter Imogen Smallwood entnommen, das diese 1989 veröffentlicht hatte. Die später immer bemerkbarere Demenz der Mutter wird hier im Film zum Schluss ganz kurz und plakativ abgehandelt - es wirkt wie wenn die Macher noch der letzten Pflichterfüllung einer Biografie nachgekommen wären.

                                        Das einzige was im Bio-Pic „Enid“ (2009) hängenbleibt ist, wenn die Schriftstellerin einmal symbolisch ausdrückt, dass sie sich wirklich in Kinder hereinversetzen könne (zum eigentlichen Widerspruch zu ihrem realen Lebensentwurf): „Ich weiss was Kinder denken und fühlen, was sie mögen und was sie verabscheuen. Erwachsene können das meistens nicht, da sie sich oft kaum an das Wesen ihrer eigenen Kindheit erinnern können. Wie sie damals waren und agierten.“

                                        Mir persönlich ist das auch schon oft aufgefallen: Viele Leute leben einfach völlig gegenwartsbezogen im Hier und Jetzt, alles Vergangene ist ihnen kaum mehr präsent. Da ich selbst über ein ausgesprochen gutes Erinnerungsvermögen verfüge, war für mich die Vergegenwärtigung aus Episoden, Bruchstücken und gesprochenen Phrasen der Vergangenheit immer enorm wichtig - die meisten Leute scheren sie nicht darum. Immer wieder suchte ich auch den Kontakt zu alten Freunden und Schulkollegen, doch es kam nie soweit. Mir wurde im Lauf der Zeit immer klarer, dass sie halt eben einfach gern im Hier und Jetzt leben, für ein Aufwärmen von Nostalgia haben sie nichts übrig. Dies, obwohl man es ja einst mal toll zusammen hatte, man sich viel zu erzählen hätte und in Erinnerungen schwelgen könnte. Bedauerlich.

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                                          „Death... It frightens me most. And this is the basis of my inspiration and creativity. Every moment, death watches to catch me. And every minute he doesn't catch me, I enjoy it tremendous.“

                                          „If I compare myself to American present day painters I‘m way up on the pinnacle. But when I compare myself to Vermeer or Velaquez my work is a catastrophe. Abstract painting will be seen one day as a total disaster.“

                                          New York, 1973: Der 70-jährige Surrealist Salvador Dalí (Ben Kingsley) verbringt zusammen mit seiner exzentrischen Frau Gala (Barbara Sukowa) und seiner Entourage jeweils im Winter ein paar Monate im luxuriösen St. Regis Hotel in New York und frönt dort seinem dekadenten Lebensstil. Seine größten Erfolge liegen bereits zurück und zunehmend machen ihm sein Alter und die fragile Beziehung zu seiner Ehefrau zu schaffen, die sich immer stärker ihren jüngeren Liebschaften widmet - wie beispielsweise dem unrühmlichen Hobbysänger Jeff Fenholt (Zachary Nachbar-Seckel - köstlich!), der sich selbst als eine Art Reinkarnation von Jesus Christus empfindet, seit er 1970 die Hauptrolle in der Triefrockoper „Jesus Christ Superstar“ (von Andrew Lloyd Weber) am Broadway spielen durfte.

                                          Als Dalís Galerist Christoffe (Alexander Beyer) seinen jungen Assistenten James Linton (Christopher Briney) damit betraut, Geld ins Hotel zu bringen, verpasst Dalí ihm den Spitznamen „San Sebastian“ (nach dem berühmten Gemälde von Antonello de Messina) und bittet darum, sich den frischgebackenen Kunsthochschulabsolvent für die Vorbereitungen zu einer anstehenden Ausstellung ausleihen zu dürfen. So wird der hübsche 19-Jährige, der auch Gala Dalí sogleich ins Auge fällt, kurzerhand zum persönlichen Assistenten Dalís und erlebt hinter den Kulissen der Kunst ziemlich wilde Abenteuer…

                                          „Porträtiert man Figuren wie Dalí oder Warhol, geht es nur darum, gewisse Perspektiven und Aspkte von Personen, die ihresgleichen als Genies galten, zu zeigen. Solche Personen können niemals umfassend als Ganzes erfasst werden.“ Das sagt Regisseurin Mary Harron, und sie tat gut daran, diese Blickwinkel aus der Sicht eines unbedarften (fiktiven) Aussenstehenden zu zeigen, der von der Kritik natürlich despektierlich gleich als „blass“ und „farblos“ abgestempelt wurde.

                                          Mary konzentriert sich demnach auch auf das wilde New York der 1970er Jahre (und insbesondere auf die exklusive Lebenswelt der Dalís in ihrem letzten Lebensabschnitt), das sie mit 22 Jahren selbst als Ort der Exzesse, Entdeckungen und Möglichkeiten erlebte, und wollte dieses möglich akkurat wiedererwecken. Man kann in der gleichförmigen Zeit des Postmillenniums diese Szenen von überbordenden und gleichzeitig hochkreativen Ausschweifungen einer unvergleichlichen Stadt von Subkultur- und Studio 54-Prägung nur mit puren Neid begegnen - es wird einem während jeder Einstellung dieses äusserst farbenfrohen Part-Bio-Pics „Dalíland“ (2022) eigentlich ständig vor Augen geführt, wie langweilig unsere heutige Zeitepoche in jeder Hinsicht ist.

                                          Kingsley und Sukowa haben in Ihren gemeinsamen Szenen eine tolle Wechselwirkung aufeinander, ihre Präsenzen sind stets von einer großen Dynamik und Spannung geprägt, inklusive ausbordender Hysterie, Eifersucht, Vorwürfen, Auseinandersetzungen und ihrer alles überschattender Fixierung auf schöne Menschen und Jugendwahn. Während Gala sich ständig mit jungen Männern vergnügte, war Dalí zu praktizierender Sex zuwider - er war Voyeur und liebte es, jungen Menschen bei ihrer Bettgymnastik zuzusehen.

                                          Dieser Film lebt also nicht von einer profunden Recherche, sondern von seinen herrlichen Szenen der Interaktionen, dem gelungenem Schauspiel, der pompösen Ausstattung, der schrägen Side-Figuren (wie Disco-Muse Amanda Lear oder Schockrocker Alice Cooper), dem
                                          Glamrock-Soundtrack, der gezeigten Verschwendungssucht aus Sex, Koks, Champagner 🍾 , viel dramaturgischer Abwechslung und kurzen Schnitten. Kurzweiligkeit ist hier der eigentliche Treiber, und das ist eine wohltuende Abwechslung zu den oft staubtrockenen und ultraseriösen Umsetzungen vieler Bio-Pics.

                                          Werk und Wirken spielen in „Dalíland“ hingegen eine untergeordnete Rolle, was auch sicherlich daran liegt, dass die Gala/Salvador Dalí-Foundation für das Projekt kein grünes Licht gab und die Darstellung seiner Kunstwerke damit untersagt wurde. Man sieht hier als Konsequenz kein einziges seiner Gemälde.

                                          Visuell herausragende Einfälle (was man adäquat zu Dalís surrealer Kunst vielleicht durchaus erwarten dürfte), darf man in Mary Harrons Film ebenfalls nicht gross erwarten. Am ehesten finden sich solche Ansätze noch in den drei Rückblenden und Visualisierungen wieder, in denen der alternde Künstler und der junge Galerist zusammen beobachtend neben den jungen Dalís erscheinen. Ich empfand diese Szenen nicht wirklich besonders gelungen, obwohl sie dem Zuschauer die bizarre Welt der Dalís durchaus weiter näherbringen zu versuchen und immerhin als Mosaik im ganzen Universum sich einigermassen dienlich erweisen. Doch das wichtige Zusammenspiel des spanischen Trios Infernale Lorca/Buñuel/Dalí wird mit keinem Wort erwähnt.

                                          Kritiker monieren, dass sich „Dalíland“ nur im Leben des schillerndsten aller Surrealististen hin und her mäandert. Auch die immer wieder angeschnittene Beziehung zwischen Kunst und Geld sowie einem Fälschungsskandal, der nur zum Ende hin eine Rolle spielt, sei nicht konsequent genug ausgearbeitet worden. Beziehungen und (zum Beispiel diese von James zu It-Girl Ginesta (Suki Waterhouse)) würden zudem emotional nur oberflächlich abgehandelt.

                                          Doch der erzählerisch verfolgte, ähnliche Ansatz wie in „Almost Famous“ (2000) oder „My Salinger Year“ (2020), das hier ebenso dementsprechend komplett aus der Sicht des jungen Galerieassistenten James erzählt wird, ist für mich ein grosses Plus: Der Zuschauer wird mit der wundersamen und rauschhaften Welt des Salvador Dalí quasi als Naivling konfrontiert und wird ab ihr ebenso so grosse Augen wie der Praktikant staunen.

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                                            YupYum 30.01.2025, 09:49 Geändert 30.01.2025, 11:20

                                            Bussy, 1940 (🇫🇷): Die junge Lucille (Michelle Williams) lebt bei ihrer ebenso strengen wie geschäftstüchtigen Schwiegermutter Madame Angellier (Kristin Scott Thomas) als Verpächterin und wartet auf ein Lebenszeichen ihres (nicht wirklich geliebten) Mannes, der für Frankreich in den Krieg gezogen ist. Als der deutsche Offizier van Falk (Matthias Schoenaerts) im Haus der Familie einquartiert wird, reagiert Lucille weniger feindselig als die Schwiegermama. Schließlich ist der gut aussehende Feind ein kultivierter und sensibler Gast, der am Klavier eigene Stücke komponiert und Lucille überaus respektvoll begegnet. Als diese schliesslich einen aufmüpfigen Bauern im Haus versteckt, wird es für alle Beteiligten gefährlich…

                                            Puritaner rümpfen natürlich gleich die Nase: Mal ein „guter Nazi“, wie kann man nur? Angesichts des grössten, je begangenen Verbrechens in der Geschichte der Menschheit, habe ich natürlich für diese Haltung auch Riesenverständnis. Dennoch gab es solche, thematisiert u.a. in den Literatur- und Filmwerken, wie „(Ich war) Hitlerjunge Salomon“ (1990), oder „Der Pianist“ (2002).

                                            Unbedingt zu erwähnen ist nämlich, dass die Buchvorlage von Irène Némirovsky (1903 - 1942) stammt: Mehr als fünfzig Jahre hat das unvollendete Manuskript unentdeckt in einem Koffer überdauert, ehe es 1996 von einer Tochter der ukrainisch-stämmigen Autorin entdeckt wurde. Nur zwei von fünf geplanten Bänden der „Suite française“ konnte Némirovsky vor ihrer Verhaftung 1942 fertigstellen. Noch im selben Jahr wurde sie in Auschwitz ermordet. Der Roman erschien 2004 und avancierte zum gefeierten Bestseller. Die Geschichte ist also keinesfalls aus der Luft gegriffen.

                                            Der britische Regisseur Saul Dibb („The Duchess“) handelt also den ersten Band, der die Besetzung von Paris im Jahr 1940 und den folgenden Flüchtlingsexodus schildert, gleichsam in der Titelsequenz ab. Die Geschichte konzentriert sich dann auf den zweiten, ein Jahr später in der französischen Kleinstadt Bussy spielenden Band.

                                            Wer weiß, vielleicht hätte eine Verfilmung der Entstehungsgeschichte von Irène Némirovskys Roman einen besseren Film ergeben als die Adaption, die uns vorliegt. Ich kann die Kritik gut nachvollziehen, die bemängelt, dass die Inszenierung wenig tut, um wenigstens auf formaler Ebene Eigenes zu leisten. Dass sie sich sich „mit biederer Bebilderung und mit braver Konvention“ begnügt und absolut „klischeehaft“ wirkt.

                                            Bislang hat sich der Krieg hier in Bussy also nur in den Nachrichten zugetragen, aber nun erreichen erste Flüchtlinge die Region und kurz danach auch die deutschen Besatzer. Konflikte sind vorprogrammiert - zwischen Siegern und Besiegten, aber auch unter den Einheimischen, die ganz unterschiedlich auf die Präsenz der Soldaten reagieren.

                                            Dieser filmische Überbau und die Sideplots sind dennoch fesselnd erzählt und die Geschichte einer unmöglichen Liebe durchaus plausibel dargestellt. Was ich jedoch bemängle, ist die ganze BIldästhetik, die ähnlich einer Kostümschmonzette wirkt. Doch mit der wie immer grossartigen Kristin Scott-Thomas und der sonstigen prominenten Besetzung bis in jede Nebenrolle, kann das melodramatische Kriegsdrama „Suite française“ (2014) dennoch als interessante Geschichtsnuance verstanden werden. Dramatisch gibt es zudem keine Durchhänger.

                                            Und zum Schluss noch einen Gruss an die Gesellschaft „Universum Film“: Ich wäre doch zu Dank verpflichtet, wenn mir in den Trailers vor dem Hauptfilm auf der DVD keine Hau rein-Romanzen nach Nicholas Sparks oder dergleichen (mit Triefmusik von Ed Sheeran oder John Legend) aufgedrückt würden - Liebesfilm ist nämlich nicht gleich Liebesfilm, und ab solchem Sparks-Quarks stehen einem doch die Haare auf!

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                                              über Selma

                                              (Kurzkommentar:)
                                              Eigentlich bin ich für Bio-Pics, Geschichtslektionen, True Events und authentische Rückführungsabhandlungen immer zu haben, sind die interessantesten Geschichten natürlich immer die, die das Leben schrieb. Eine akribische und detaillierte filmische Aufarbeitung eines so ehrenwerten und verdienten Mannes wie Martin Lutther King (1929 - 1968) war natürlich schon lange überfällig und man aus dem Grund der Verantwortung gegenüber dem Echtheitsgehalt der Begebenheiten den Verantwortlichen kaum vorwerfen kann, dass sie diesen Stoff anders als dialoglastig und schwerfällig hätten umsetzen können. Die immer wieder platzierten actionhaltigen Breaks von brutal niedergeschlagenen Aufmärschen und Kundgebungen für die Bürgerrechte der schwarzen Bevölkerung der Sechzigerjahre zu den ganzen Planungs- und Strategiedialogen von King & Co. und den teilweise unglaublich theoretischen juristischen und politischen Szenenfragmenten, kommen nicht etwa als eine sogenannt dramaturgische „Abwechslung“ und als filmischen Kontrast daher, sondern ziehen den Zuschauer in der Konsequenz dann ganz runter, was natürlich der Geschiche auch geschuldet ist. Trotzdem ist die Aufarbeitung „Selma“ (2014) ein einerseits sehr trockenes, zähflüssiges und ebenso recht pathosgeschwängertes Bio-Pic, das leider leider durch fehlende Emotionalitätsvermittlung ermüdend wirkt und den Zuschauer erschöpft zurücklässt.

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                                                Hier wird einem schon mit den ersten paar Einstellungen in ungemütlicher Schärfe klargemacht, dass einem nur ein eine oberhohl-peinliche B-Movie-Stalking-Humbug-Variante von „Fatal Attraction“ (1987, mit Glenn Close als Furie) erwarten wird. Eine junge, geschniegelte Yuppie-Prep vergisst also nach der One Night-Stand-Kabelei ihr Handy in der fremden Wohnung und schwupps kommt der mittlerweile unerwünschte Typ nackt aus der Dusche in ihrer (!), um Flugmeilen ✈️ entfernten Luxus-Absteige heraus. Nun darf man sich also in dem rudimentär-verdooften Super-Quatsch „Broken Vows“ (2016) eine weitere Stunde durch gestelzte Dialoge, „Schauspiel“ auf untersten Niveau, Küchenpsychologie und Handlunsstränge durchquälen, die so verblüffend hanebüchen und vorhersehbar sind, dass man sie nur mit einer gehörigen Portion Selbstironie und Masochismus überhaupt überstehen kann. Nach 40 Minuten ausgeschaltet.

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                                                  YupYum 27.01.2025, 14:22 Geändert 27.01.2025, 15:59

                                                  Norfolk, UK: Die kinderlosen Mittsiebziger Kate und Geoff Mercer sind glücklich in einem sehr bürgerlichen Setting verheiratet. Mitten in den Vorbereitungen zur Party ihres 45. Hochzeitstag erfährt Geoff, dass die Leiche seiner ehemaligen Geliebten, die 1962 vor 50 Jahren tödlich verunglückte, in einem Gletscher der Schweizer Alpen gefunden wurde. Während er mit sich wiederholenden Andeutungen der fernen Welt der Erinnerungen frönt, versucht Kate, die in ihr aufkeimende Verunsicherung und Eifersucht mit Pragmatismus zu unterdrücken. Nach aussen geht alles seinen gewohnten Gang. Sie konzentriert sich aufs Organisieren der bevorstehenden Feier, sucht die Musik und das Menü aus. Obwohl der Schein nach außen gewahrt wird, fühlt sich Kate immer mehr wie eine Fremde in ihrem eigenen Leben…

                                                  Vorneweg: Charlotte Rampling gefällt mit ihren unterkühlten Dackelblick, ihren streng nach unten gezogenen Mundwinkeln und ihrer allesamt geheimnisvollen Aura eigentlich meistens recht bis sehr gut. Hat sie eine Nebenrolle, trägt sie mit ihrer Präsenz oft zur einer speziellen Würze im einem Film bei.

                                                  Seit die Britin schon früh in den Spätfünfzigern das kontinentale Kino dem angelsächsischen vorzog, sah man sie auch in meist italienischen Filmen grosser Directors, die nach dem Neorealismus ebenso berühmt wurden. Mit François Ozon‘s Überraschungshit „Swimming Pool“ (2003) katapultierte sie sich im Millennium erneut ins Rampenlicht. Ihre Hauptrolle im Sex-Touristinnen-Drama „Vers le sud“ (2005) wurde nicht unkontrovers aufgenommen. Doch beide Filme gaben ihrer zweiten Karriere neuen Schwung.

                                                  Doch seien Sie mir nicht böse: Ich kann mit solchen kammerspielartigen und todernsten Alterszwiegesprächs-Filmen wie „45 Years“ (2015) einfach herzlich wenig anfangen. Ich finde es nur frustrierend mitanzusehen, wie man sich in einer Ehekiste im letzten Viertel ihres Bestands nicht nur inspirationslos aneinander gewöhnt hat, sondern wie der immer gleiche Tagesablauf in Routine und Gleichschritt im Einfamilienhäuschen abläuft. Die Leidenschaft ist längst verflogen, man hat sich in der Zweckgemeinschaft so praktisch aufeinander eingespielt. Oft ist die Frau vitaler als ihr männlicher Tatteri. In diesem Film gibt es daher auch nicht wirklich was zu spoilern, lesen Sie aber bitte dennoch hier nicht weiter, sollten Sie an ihn völlig unbedarft rangehen wollen.

                                                  Da geht Mrs. Mercer also täglich mit ihrem Schäferhund im wahrscheinlich kalten Januar Gassi - die Bäume sind bezeichnend kahl und die Himmel grau. Oder man fährt per Kleinwagen in die Kleinstadt, um sich in der örtlichen Bibliothek ein Buch auszuleihen, z.B. über den Klimawandel. Oder man trifft kurz seine ebenso langweiligen Freunde (wenigstens die, die noch nicht unter der Erde sind) in einem Café für den super-belanglosen Smalltalk. Wenn es dann mal ganz gut kommt, fährt man eine Runde mit dem Boot auf dem River Yare durch die karge Landschaft.

                                                  Und in diese vermeintliche Idylle der völligen Gleichschaltung schlägt dann eine Nachricht über einen Vorfall, der 1962 stattfand, ein wie eine Bombe und lässt eine Süppchen aus Missgunst und Eifersucht hochkochen. Als Geoff Charlotte‘s wiederholte Frage „Did you intend to marry her?“ dann mal mit einem knappen „Ja“ beantwortet, ist latent angedeutet richtig Feuer im Dach. Als Konsequenz wühlt die Ehegattin wie besessen auf dem Dachboden in altem Kram herum, wie Tagebücher oder Reisenotizen, und findet Oh Schreck! auf einem vergilbten Diapositiv, wie die längst vestorbene Konkurrentin mit ihrer Hand am Oberbauch gar eine Schwangerschaft andeutet.

                                                  Zu der obligat-direkten Message eines auf Sozialdramen spezialisierten Autorenfilmers wie Andrew Haigh („Looking“, „Weekend“), gehört natürlich auch dazu, das man den rar stattfindenden Alterssex dann auch recht detailliert zeigt. Spätestens nach dem gefeierten deutschen Werk „Wolke 9“ (2008) sind wir so schlau belehrt geworden, dass wir nun alle eingemeisselt wissen, dass Offenheit gegenüber Lust und Frivolität im gesetzten Alter doch eine pure Selbstverständlichkeit eines jeden aufgeschlossenen Menschen darstellt. Heute weisen ja selbst Apotheken-Ratgeber auf die heilbringende Wirkung von Seniorensex hin: Der Kreislauf kommt auf Trab und der Stoffwechsel in Schwung.

                                                  Dennoch: Ich stehe trotzdem nicht auf diesen Wolke 9-Groove und ich steh ebenfalls nicht auf die Filme, die diesen Faltensex zeigen - z.B. ebenso in „Zweite Halbzeit“ (2005), „Geron“ (2013) „Jonathan“ (2016), „Soulsex mit John und Annie“ (2019)„Meine Stunden mit Leo“ (2022) etc.

                                                  Zurück zum Courant Normal, also der gross verklärten routinierten Alterszweisamkeit: Vielleicht habe ja ich dank meiner eigenen (geschiedenen) Familie selbst ein Alterstrauma, denn so wie meine vier Elternteile wollte ich schon in meiner Jugend als Punk und danach nie werden. Deshalb habe auch keinerlei Affinität zu solchen Sachen, wie „Another Year“ (2010), „Liebe“ (2012) oder eben diesem Film hier, es sei denn die Geschichte ist so interessant wie z.B. „Die Frau des Nobelpreiseträgers“ (2017, mit Glenn Close). Die letzten Einstellungen des Films kommen denn auch von dieser bunten Hochzeitjährungsfeier, bei der nicht mal die Rede des Ehemannes im peinlichen Desaster endet, sondern in aufgelösten Tränen ewiger Liebe. Ich bleib lieber single.

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                                                    YupYum 26.01.2025, 11:29 Geändert 26.01.2025, 13:34
                                                    über Troppo

                                                    „Ich bin der Antichrist. Sobald ich einen Fuss in eine Kirche setze, gehe ich in Flammen auf.“
                                                    (Amanda)

                                                    Amanda Pharrell (Nicole Chamoun) , eine junge Privatdetektivin und Tattoo-Stecherin mit einer kriminellen Vergangenheit als Jugendliche, bittet den abgehalfterten und in Ungnade gefallenen Ex-Polizisten Ted Conkaffey (Thomas Jane) aus Montana 🇺🇸, ihr bei der Aufklärung ihres ersten echten Falls zu helfen: Es geht um das Verschwinden eines koreanischen Familienvaters, der Technologiepionier in einer chicen Hightechbude war, die in ihren aufgemotzen Werbebotschaften der Allgemeinheit die baldige grüne Energierevolution vom Meeresgrund her verspricht. Bei ihren Ermittlungen legt ihnen der örtliche Polizeiinspektor Lou Damfort (David Lyons) gehörig Steine in den Weg. Dennoch geraten sie immer weiter in ein Sumpfkomplott aus Lügen, Vertuschungen, Vereitelungen, (Wirtschafts-)Kriminalität und schliesslich Mord….

                                                    Der damals von der Musik völlig gelangweilte Ex-Beatle George Harrison nahm mit seinem 1982 erschienenen Solo-Album „Gone Troppo“ sein wohl schlechtestes überhaupt auf - er interessierte sich halt mehr für den Formel 1-Grand Prix, wahrscheinlich als brummender Ausgleich zu seinem indischen Meditationsmarathonen. Der seltsame Begriff „troppo“ bezieht sich denn auch auf Leute, die von der tropischen Hitze einen Dauersonnenstich abbekommen haben und in Konsequenz voll abdrehen. 🌞

                                                    Es spielt denn hier auch in Far Queensland im Norden von Australien 🇦🇺, wo sich die Temperaturen immer so um die 30 Grad bewegen. Damit wir das nie vergessen, werden immer wieder schöne und stimmungsvolle Stills von Wildtieren eingeblendet - exotische Vögel, flinke Schlangen und dauerhungrige Krokis 🐊.

                                                    Die Thriller-Serie mit exotischem Flair „Troppo“ (2022/24; bisher erschienen zwei Staffeln) stammt völlig aus Frauenhand, und sie basiert auf dem Bestseller-Roman "Crimson Lake" von Candice Fox - der Name des Kaffs also, der hier der Schauplatz ist. Das Setting ist ungewöhnlich, die Atmosphäre authentisch und der Einblick ins dortige Leben mit allerlei verschiedenen Beteiligten auch gut rübergebracht: Über den Krokodil-Touristen-Bootsführer, die meist gutgelaunte schwarze Barkeeperin, dem lokalen Polizisten-Duo, bishin zum Schlangenzüchter im tiefen Wald, der Gift gar für Yuppie-Touristen für den oberfetten Drogenkick aus den sehr „flexiblen“ Mäuler dieser ungemütlichen und flinken Biester 🐍 rausdrückt.

                                                    Wenn man also die erste Folge mit dieser ungewöhnlichen Privatdetektivin am ankauen ist, kommen einem natürlich ab der äussersen Erscheinung dieser exzentrischen Dame berechtigte Zweifel. Die junge Frau sieht aus wie die Revoluzzer-Sängerin Skin der Nineties-Combo „Skunk Anansie“, die 1997 mit „Hedonism“ ein One Hit-Wonder gelandet hatten. Also, 3 Millimeter-Kurzhaarschnitt, schwarze Klamotten, enge Hosen, schwere Schuhe und der gebräunte Körper übersät mit aggressiven Tattoos. Zudem erfahren wir, dass die Dame im jugendlichen Alter nichts anderes als ein Mord auf dem Kerbholz hatte.

                                                    Ist das nun die australische Variante der kürzlich gezeigten, ersten Trans-Tatort-Ermittlerin auf der ARD? Wird uns hier nun also acht Folgen lang woke Ideologie um die Ohren gehauen?

                                                    Ehrlich gesagt, ich habe grösste Mühe, wenn die Fernsehanstalt- und Studiobosse nun das Gefühl haben, sie müssten dem Publikum eine staatlich verordnete Portion DEI (Diversity/Equality/Inclusion) auf die Fresse geben und sie so zu besseren Menschen erziehen. Zu solchen Menschen also, die dann schon nach drei verdammten Tagen nach einem Fall von Aschaffenburg (an dem ein zweijähriger Junge und sein 41-jähriger Beschützer mit einem Messer ums Leben gekommen sind, der ebenfalls kleine Kinder hinterlässt) gleich an so einer obligat-automatisch stattfindenden „Demo gegen rechts“ teilnehmen, um dort ihre beknackten Grinse-Selfies zu machen und ins Netz zu stellen? Das sind auch keine „Demos gegen rechts“, sondern „Wir wollen, dass alles so bleibt“-Demos. Auf das weiter unbedarfte Unschuldige gemessert und gruppenvergewaltigt werden. Das sind für mich auch keine „guten Menschen“, das ist nur der Abschaum einer (deutschen) Zivilisation.

                                                    Anyway, mit der vielerorts entsetzt aufgewommenen Wahl von Donald Trump erfährt dieser Diversity-Krams nun einen ordentlichen Backlash, verschiedene Firmen sind vom entgleisenden Regenbogen-Zug wieder abgesprungen - das letzte Beispiel ist Amazon. Der Wind hat sich gedreht, links-grüne Wähler speien schon Gift und Galle vor Wut oder posten zusammen mit Claudia Roth solche Videölis auf YouTube à la „We listen and we judge.“

                                                    Ich kann hier allgemeine Entwarnung geben, diese Befürchtungen sind bei „Troppo“ gottseidank falscher Alarm. Mit dem Erscheinen von Thomas Jane, der aus Amerika wegen Rufmord quasi in den Outback geflohen ist, wird gar noch das woke Feindbild des „weissen, alten, männlichen Amerikaners“ ausgiebig zelebriert - seine Griffnähe zur Whikyflasche und die schnoddrig-flotten Sprüche, die ihm immer wieder locker von der Lippe gehen, trösten einem gar über verschiedene Längen und Leerläufe in der Serie hinweg, die den Zuschauer leider hier und da immer wieder mal quälen. Denn dem Mann nimmt man sein cooler Hang zur Verwahrlosung einfach jederzeit ab. Und seine Liebe zu seinen schnatternden Gänsen 🪿 ist einfach rührend und hinreissend.

                                                    Die Folge drei der ersten Staffel beispielsweise kann man hier getrost als reine Überflüssigkeit vergessen, da passiert wirklich gar nichts, was die Welt wissen müsste. Überhaupt fehlt dramaturgisch einfach oftmals der gewisse Schliff, es gibt sehr lange keinerlei Aha-Erlebnisse oder Spannungsmomente, die ich von einer Serie nun mal erwarte.

                                                    Doch stehen Sie die ersten paar Folgen schadlos durch, werden Sie im hinteren Teil mit tollen exotischen Schrägheiten, einer interessanten Trauma-Psycholgie und einer ziemlich tollen Auflösung eines recht komplexen Krimifalles entschädigt und belohnt. Hier überschlagen sich dann die Ereignisse geradezu. In den letzten zwei Folgen wird quasi das Süppchen auf den Siedepunkt raufgekocht und das nachgeholt, was dramaturgisch so lange vernachlässigt wurde. Und ich wusste selbst nicht, dass ein Tröpfchen Schlangengift einer in den Arm reingepumpten Fixe 💉 solche Halluzinationenshöhenflüge auslösen kann.

                                                    Kurtfazit: Beginn futsch und nix, der hintere Drittel solid und fix! (xD)

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