angucker - Kommentare

Alle Kommentare von angucker

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    angucker 31.08.2022, 08:51 Geändert 03.09.2022, 10:13

    "Stormy Monday" ist ein bereits 1947 komponierter Blues-Standard und gehört zu den Klassikern des Genres. Der Song beschreibt die bösen Veränderungen am rauen Montag - wie auch dieser Film. Regisseur und Musiker Mike Figgis entwirft hier 1988 mit faszinierenden Außenaufnahmen und harten Schnitten eine melancholische Gangstergeschichte, die vor allem durch viel Atmosphäre gewinnt. Die regennassen Straßen der Hafenstadt Newcastle upon Tyne glitzern im bunten Licht der Lampen, die Garderoben sind sehr 80er und in fast jeder Szene ist irgend eine interessante Musik zu hören. Die Musik ist hier das zweite Hauptthema des Films. Eine polnische Freejazz-Band wird unauffällig in die Handlung integriert, schockiert und belustigt auf dem Flughafen die Einheimischen und die von Tommy Lee Jones angeführte Gangsterbande aus den USA und brüskiert später in einer auf subtile Weise urkomischen Szene mit einer im Stil von Jimi Hendrix verzerrten Version des Star-Spangled Banner vor amerikanischen Fahnen die von den Gangstern ausgerichtete Propagandaveranstaltung. Da gehen von originell gecasteten polnischen Nebendarstellern gesungene melancholische Volksweisen unmittelbar über in die von Regisseur Mike Figgis selbst komponierte, durchweg beeindruckende Filmmusik. Da spielte der hier mal als Schauspieler tätige Sting ein einsames Kontrabass Solo in seinem Club. Da blitzen zwischendurch immer wieder Bruchstücke von modernem Jazz in der Geräuschkulisse auf und es wird ganz Englisch viel über Musik gefachsimpelt. Die tiefe Integration der Musik in die Handlung erinnert an die Meisterwerke von Milos Forman, etwa dessen "Der Feuerwehrball" (1967).

    Die Handlung ist hier eher nebensächlich und selbst die Dialoge beschränken sich darauf, genretypische Sätze zu sagen, die die Handlung nicht voranbringen. Melanie Griffiths als kleine Kellnerin und Gangsterliebchen spielt sehr präsent, zeigt viel Körper und auch, warum sie eine der dominierenden Filmschauspielerinnen dieser Zeit war. Der damals noch ganz junge Sean Bean gibt mit Griffith ein wunderbares Paar ab, dass genau wie der ganze Film eine Hommage an den französischen Film noir der fünfziger und sechziger Jahre ist. Für Freunde des atmosphärischen und bilderlastigen Kinos ist dies eine kleine Perle. Alle anderen werden an dem Film nichts finden und sollten darum besser einen Bogen machen.

    Einen Extrapunkt gibt es für die wirklich originelle und geschickt eingesetzte Musik.

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      angucker 30.08.2022, 10:25 Geändert 31.08.2022, 18:44

      Politsatire 4.0 - fast wäre dies ein neuer Lieblingsfilm geworden. Es geht fast klischeehaft los: Steve Carell ist ein abgebrühter, geschiedener und verfressener Wahlkampfmanager (Spin-Doktor), der für die Demokratische Partei die Bürgermeisterwahl in einer kleinen Gemeinde in Wisconsin (Swing-State!) beeinflussen und mit einem durch YouTube Video viral gegangenen Ex-Marine (brillant: Chris Cooper) gewinnen möchte. Nur muss er dazu persönlich nach Deerlaken (Wisconsin), und dort den Wahlkampf selbst führen. Das missfällt seiner ewigen Konkurrentin Rose Byrne von der republikanischen Partei, die daraufhin ebenfalls nach Deerlaken aufbricht. Die beiden liefern sich mit zunehmend hohem finanziellen Aufwand eine Wahlkampfschlacht, die auch auf der Ebene persönlicher Auseinandersetzung immer mehr eskaliert. Während dessen muss der arrogante Großstädter Steve Carell sich mit der selbstbewussten Tochter (Mackenzie Davis) seines Klienten und den in seinen Augen hinterwäldlerischen Einwohnern der Kleinstadt auseinandersetzen. Dies alles eskaliert am Tag der Bürgermeisterwahl.

      Bereits auf dieser Strecke macht der Film nicht viel falsch. Trotz der manchmal schwer erträglichen Art von Steve Carell (einem ehemaligen Standup-Comedian), mimisch zu übertreiben und einzelne Gags zu breit auszuspielen, sind die sozialen Konflikte zwischen dem in luxuriösen Verhältnissen lebenden Politiker-Profi, der im Privatjet zu seinem erzwungenen Provinzaufenthalt anreist einerseits und den einsilbigen Provinzlern andererseits unterhaltsam angelegt. Hier zeichnet der Film humoristisch und mit kleinen Übertreibungen, mal grob und mal subtil ein Bild der amerikanischen Provinz einerseits und der völlig enthemmten, extrem zynischen Welt des professionellen politischen Betriebes in Washington D.C. andererseits. Dabei geht die satirische Darstellung bis in Details der modernen Wahlkampfführung, wenn etwa einzelne Wohnviertel nach demographischen Besonderheiten durchkämmt werden (alleinstehende Frauen zwischen 30 und 50 Jahren – ein sehr schöner Gag) und vielfach auch mit illegalen Methoden gearbeitet wird. Wer sich mit den absurden Besonderheiten des amerikanischen Politikbetriebes auskennt oder einfach nur aufmerksam zuhört und zuschaut, kann hier bereits seine helle Freude haben. Hilfreich ist es dabei, sich folgendes klarzumachen: die USA empfinden sich selbst als das Mutterland der Demokratie, was sie historisch auch sind. Bloß leider beruht das gesamte politische System der USA auf einer mittlerweile mehr als 300 Jahre alten, sehr schlichten Verfassung, die von weißen Sklavenhaltern für reiche weiße Sklavenhalter geschrieben wurde und vor allem darauf ausgelegt ist, schwarze und arme Menschen am Wählen zu hindern oder (wenn dies nicht möglich ist) wenigstens von den Ergebnissen einer Wahl auszuschließen. Nur so ist das irrwitzige System von privat finanzierten Wahlkämpfen, Parteienfinanzierung über private Aktions-Komitees (PACs) und auch das von den Republikanern seit 1980 perfektionierte Gerrymandering (Zuschneiden von Wahlbezirken nach dem mutmaßlichen Ergebnis) erklärbar.

      Jedenfalls eskaliert die Wahlkampfschlacht zu einer Fundraising-Schlacht ungeahnten Ausmaßes. Die diese Phase des Films einleitende Inszenierung einer Spendengala in New York, bei der Chris Cooper mit Hosenträgern und offenem Hemd mit seiner unnachahmlich männlichen Sprechweise eine bunte Truppe von New Yorker Schickeria (man achte auf die Kostüme und die vielen vielen Nebendarsteller) mit einer überraschend denkwürdigen Kurzansprache zu Spenden überredet. Ab hier legt der Film dann noch mal einen Turbogang ein und gipfelt über verschiedene Intrigen in einer Pointe, die ich hier noch nicht einmal andeuten möchte, um den Spaß am Film nicht zu verderben.

      Das alles wird ermöglicht durch einen sehr sorgfältig ausgewählten Cast, bei dem Rose Byrne als republikanische Superschlampe ebenso überzeugt wie Mackenzie Davis als die aufmerksame und intelligente Tochter ihres einsilbigen Vaters. Bemerkenswert auch die Nebendarsteller, allen voran Topher Grace und Natasha Lyonne als kriminelle Social-Media Expertin. Obwohl es anstrengend ist, sollte man den Film im Originalton sehen, weil sonst viele Gags und sprachliche Details in den Wortgefechten einfach untergehen. Die Kritik hat den Film völlig verrissen. Ich habe den Eindruck dies liegt daran, dass viele Kritiker insbesondere aus dem amerikanischen Raum betriebsblind geworden sind für die Unzulänglichkeiten ihres eigenen politischen Systems und deshalb weder dessen satirische Zuspitzung in den ersten 3/4 des Films noch die Pointe gut finden konnten. in meinen Augen bildet dieser Film genau das ab, was mit den USA seit dem berüchtigten Wahlkampf 2016 für die gesamte Weltöffentlichkeit sichtbar passiert ist – eine Banalisierung und völlig enthemmte Kommerzialisierung des Politikbetriebes, die die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft möglicherweise für immer zur Tatsache gemacht hat.

      Wer auf die Pointe vorbereitet sein möchte, sollte sich vielleicht vorher über das System der amerikanischen Wahlkampffinanzierung informieren, insbesondere über die PACs und Super-PACs, zum Beispiel bei Wikipedia:

      https://de.wikipedia.org/wiki/Political_Action_Committee

      Man kann den Film aber natürlich auch zweimal schauen. Komplex und intelligent genug ist er dafür. Gut passend ausgewählte Songs als musikalische Begleitung hat er auch.

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        angucker 29.08.2022, 10:23 Geändert 29.08.2022, 15:47

        Ron Howard (Regie) Werkschau #9: Der Film zeigt in schnellem Tempo die Wirren und Kämpfe eines von Michael Keaton gespielten Nachrichtenredakteurs auf der fieberhaften Suche nach der besseren oder besten Story für seine Zeitung. Viel Text, extrem hohe Gag-Dichte - als Mediensatire oder unterhaltsame Komödie aus dem Zeitungsmilieu funktioniert der Film ganz gut. Das liegt aber nicht an dem auf einer ziemlich durchschnittlichen Story aufbauenden Drehbuch, sondern an den zahlreichen Schauspiel-Assen, die hier richtig Gas geben. Glenn Close spielt gekonnt eine charakterlose Karrieristin, die wegen ständiger Geldsorgen durch teuren Lifestyle ihrer Umgebung massiv auf die Nerven geht. Michael Keaton verkörpert den gestressten Journalisten und Ehemann der hoch schwangeren Kollegin Marisa Tomei (fantastische Ausstrahlung) und Robert Duvall gibt den von kaputter Gesundheit und Familie geplagten Chefredakteur. Randy Quaid als wilder Cowboy und verhinderter Kolumnist mit Schusswaffe hält die Handlung am Laufen und in einer kleinen Nebenrolle zeigt Jason Robards, wie gut er den harten Kerl spielen kann. Die Kamera macht einen guten Job, gleitet durch die oft sehr theatermäßig aufgebauten Szenen. Aber irgendwie hat mich der Film trotz guter Situationskomik und teilweise rasanter Gagdichte nicht richtig packen können. Zu sabbelig, das Ganze und die Twists am Ende wirken extrem bemüht. Trotzdem sehenswert, wenn man Schauspielerkino von einem Schauspieler-Regisseur mag oder Fan von Glenn Close ist.

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          angucker 27.08.2022, 22:05 Geändert 28.08.2022, 10:05

          Diese französisch-italienische Koproduktion erzählt von den Greueln einer organisierten Massenentführung von Jesidinnen als Sklavinnen für IS-Kämpfer und -etwas idealisiert- von dem kurdischen internationalen Frauenbatallion, das diese zu befreien und zu rächen versucht. Dabei hält der Film geschickt die Balance zwischen Kriegsdrama, Geschichtsstunde und (ich traue mich fast nicht, es zu sagen) Feelgood-Movie. Die Figuren der unterschiedlichen Kämpferinnen, darunter auch 18jährige Teenager aus Frankreich, sind glaubwürdig angelegt, die Darstellerinnen gut gecastet, die Außenaufnahmen beeindruckend und nur die eigentlichen Kriegshandlungen genügen vielleicht nicht dem Gold-Standard für actionreichen Kriegsfilm. Dafür bekommen wir glaubwürdige, teilweise sogar witzige Dialogszenen (z.B. wenn eine jüdische Teenagerin darüber belehrt wird, dass die Jesiden etwa 70 Holocausts hinter sich haben, also die verfolgteren Juden sind) und der Film überschreitet nie die Grenze zum blöden Kitsch. Gut gemachte, originelle Filmmusik (da hatte ich so viel Schrott zu hören in letzter Zeit, z.B. bei "Top Gun - Maverick"). Auch die Geschichte der kurdischen Frauenbatallione lohnt sich, erzählt zu werden. Und die Hauptdarstellerin ist eine große Schönheit, die auch gut spielen kann.

          Und wer das Thema dokumentarisch als Film möchte, sehe "Commander Arian" (2007) über die mehrfach verwundete Kommandeurin einer solchen Truppe im Kampf gegen den IS - den gab es sogar mal umsonst bei YT.

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            angucker 27.08.2022, 10:48 Geändert 29.08.2022, 09:50

            Der Film ist gut und routiniert gemacht mit seinen skurrilen Robotern (die Szenen im Labor gehören zu den schönsten des Films) dem spektakulär guten Schnitt und der flüssigen, routinierten Art von Regisseur John Woo, Szenen zu visualisieren und auch grafisch aufzubereiten. Nur das dämliche Herumgeschiebe von Grafiken auf imaginären Bildschirmen hätte nicht sein müssen. Womit wir beim Problem des Films sind: Ben Affleck. Mir ist bis heute unklar, womit dieser mimisch ausdruckslose Fleischklops von white American guy seine Hauptrollen bekommen und behalten hat. Diesem Typen nehme ich (anders als unzähligen anderen Darstellern) gerade mal noch die Honorarverhandlung ab. Aber kein Stück mehr. Auch Uma Thurman und der gut aufgelegte Paul Giamatti können es da nicht mehr reißen. Und die Story ist ohnehin schwach. Ein Briefumschlag mit 19/20 McGuffins und was Erinnerung ist, bekommt der Plot auch ständig durcheinander.

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              Der irakische Informant Curveball des BND ist eine leider wahre Geschichte von den Umtrieben der Geheimdienste, die hier gradlinig und gekonnt erzählt wird. Absurder als die Aktionen von BND und CIA kann es eigentlich kaum noch werden. Das Drehbuch könnte direkt aus Hollywood kommen. Gekonnt fängt der Film mit geschickt ausgewählten Locations die zeitlos muffige Atmosphäre der deutschen Geheimdienstbeamten und des einsamen Biowaffenexperten ein und erzählt -ergänzt von Originalmaterial - diese irre Geschichte von Lügen, Karrieren und Krieg so direkt, dass es durchweg unterhaltsam bleibt. Die absurden Übertreibungen (bayerische Trachten der CIA) hätte es nicht gebraucht und das kleine Budget ist manchmal zu sichtbar. Dennoch ist dies ein sehenswerter Film. Der kleine deutsche Bruder von "Charlie Wilson's War".

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                In fantastisch ausgeleuchteten Kameraeinstellungen und mit gut gemachten CGI Sequenzen feiert Top Gun II die Virilität der Rentnergeneration (ja, Tom Cruise ist auch schon 60 Jahre alt!), die Endlosigkeit belangloser Actionfilme der 80er, das Ringen um Bedeutung und Beschäftigung und Liebe im Rentenalter. Da hat der Film seine Momente. In den Dialogen zwischen Cruise und Conelly, in den Szenen, die Anerkennung der älteren Baby-Boomer durch die Jüngeren suggerieren sollen. Da fühlen sich Menschen meines Alters (und wir sind die Zielgruppe) natürlich vollstens verstanden. Auch der vollkommen stille Freeze beim Wiedereintritt des Testpiloten in die reale Welt nach einem verkackten Testflug - gekonnt gemacht!

                Bescheiden dagegen der aufgesetzte Militarismus, die hohle Musik von aktuellen Pop-Stars und oberätzend die Dauerschleife von blöden Akkorden an Stelle einer richtigen Filmmusik.

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                  angucker 25.08.2022, 07:35 Geändert 29.08.2022, 16:44

                  Drei Jugendliche, davon zwei Geschwister, lernen sich in der Cinematique Francaise kennen, ziehen sich während der Pariser Unruhen 1968 in die großbürgerliche Wohnung der Geschwister zurück, deren Eltern über den Sommer verreist sind. Sie verwüsten und plündern die Küche, versuchen Ratatouille zu kochen, plündern den Vorrat an Luxusweinen der Eltern (einschließlich Verlesung der Etiketten), haben Sex und schlafen zu dritt in einem selbst gebauten Zelt aus Tüchern, wie es Kinder tun. Zwischendurch gibt es Streifzüge durch die Filmgeschichte, deren Szenen geschickt gegen den eigentlichen Film geschnitten sind.

                  Das ist so inhaltsleer wie die Beschreibung der Handlung, so folkloristisch wie die Pariser Revolte von 1968, der Ursprung aller Spaß-Guerilla bis zu den jährlichen Mai-Unruhen in Berlin SO36. Das ist zutiefst bürgerliches Kino, das sich mit der (danke @BossMarco) Pop-Kultur der 68er in Frankreich beschäftigt, dabei aber auf 250 m² Pariser Altbau pausenlos Banalitäten verstreut und den Wein immer bewusst provokant tröpfelnd aus der Flasche trinkt. Das ist Bertolucci mit seiner merkwürdigen Mischung aus sexuellen Unterwerfungsspielen und seinem Interesse an dem Privaten in der großen Geschichte. Das ist als Drehbuch so irre und konstruiert wie der letzte Stein in die Fensterscheibe.

                  Und doch ist dies kein belangloser, kein schlechter Film. Vor allem die drei jungen Hauptdarsteller tragen die zähe Handlung mühelos über die Laufzeit, irrlichtern auch in den Sexszenen so distanziert, so unbeteiligt mit ihren Körpern, wie dies Jugendliche oft tun. Und Eva Green - das anschließende Casting für ihre bahnbrechende Rolle in "Casino Royale" ist einmal mehr Beweis dafür, das die Bond-Reihe auch von gutem Casting lebt. Der Schnitt, die Kamera, die immer wieder lang ausgespielte Musik von Hendrix und anderen - der ganze Film ist vor allem eine Huldigung an das französische Kino und die Pop-Kultur der späten 60er. Und das macht er ziemlich gut.

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                    angucker 24.08.2022, 08:36 Geändert 24.08.2022, 09:47

                    Einer der zeitlosesten Coming Of Age Filme und zugleich provokante Posse über das religiös geprägte Kleinstadtleben in den Niederlanden (die Niederlande haben sehr viele ultra-religiöse Christen, deren absonderlicher Lifestyle ganze Landstriche prägt). Extrem provokant einschließlich Erektionsstörungen (wenig wahrscheinlich bei 18jährigen Jungmännern, aber dramaturgisch passend), Schwanzvergleich mit Schieblehre (!), entblößter Penisse und einer ausführlich inszenierten homosexuellen Massenvergewaltigung. Eindrucksvolle Regie: Der Film wendet sich unauffällig nacheinander seinen vier männlichen Protagonisten zu, integriert allmählich die femme fatale von der Pommesbude und ihren homosexuellen Bruder, bis die Schicksalsschläge wie gekonnte Boxhiebe aus dem Nichts kommen. Packend gefilmte Moto-Cross Szenen, Rutger Hauer als Idol vom Dienst und Jeroen Krabbe als schmieriger Fernsehmann sorgen für eine interessante Rahmenhandlung. Und in jeder Einstellung ist der Film direkt, rau und gekonnt gemacht. Gut passende Musik von Udo Jürgens bis Abba und eine wirklich gekonnte Figurenzeichnung. Wir können froh sein, dass Paul Verhoeven nach diesem Film, empört über die moralischen Besserwisser seines Heimatlandes, nach Hollywood ging und dort ganz großes Kino machte. Der Film erinnert nach Stil und Zeit ganz stark an "Mein wunderbarer Waschsalon" (1985) in der packenden Darstellung der 80er und der direkten filmischen Umsetzung. Aber Paul Verhoeven war früher als Stephen Frears.

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                      angucker 23.08.2022, 06:49 Geändert 23.08.2022, 16:59

                      Faszinierend zu beobachten, wie diese 4 sehr alten "Damen" aus dem britischen Schauspiel-Adel geprägt sind durch ihre langen Zeiten beim Theater. Ganze Textpassagen und die Erinnerungen an spezielle Regisseure waren offenbar prägender als beispielsweise die umfangreiche Filmkarriere, welche Judi Dench erst mit etwa 60 Jahren begann. Worüber ihre Freundinnen ebenso ablästern ("alle Cameo-Auftritte im internationalen Kino sind leider schon mit Dir besetzt") wie über die karriereförderliche Ehe von Joan Plowright mit einer britischen Schauspiellegende. Schade nur, dass dieser Film nicht etwa 10 Jahre früher entstanden ist - die körperlichen Einschränkungen sind doch schon arg spürbar.

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                        Gequirlter Kitsch in meinen Augen. Gestelzte Dialoge, abstruse Geschichte und wer kommt auf die Idee, einen komplexen Charakter mit Katja Riemann zu besetzen?
                        Als kleine Entschädigung gabs eine Stunde schöne Kamera. Länger habe ich das nicht ausgehalten.

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                          Unterhaltsam und betont originell erzählte Gaunerkomödie, deren Plot allerdings für mich zu anspruchsvoll oder zu verworren konstruiert ist. Im Vergleich zu Genreklassikern von Soderbergh oder Ritchie fehlen etwas Stil und Eleganz. Dafür gibt es hier drei glänzend aufgelegte Hauptdarsteller*innen, von denen mich besonders Michelle Monaghan mit ihrer unnachahmlichen Mischung aus Trudchen und Vamp sehr beeindruckt hat.

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                            angucker 16.08.2022, 08:45 Geändert 16.08.2022, 09:04

                            Ein geschickt adaptiertes Drama über Älterwerden einschließlich der nicht weniger werdenden Marotten, körperlichen Gebrechen und richtigen Macken, die ältere Menschen so entwickeln. Nach einer packend gefilmten Exposition (Gewerkschaftsversammlung der 20er Jahre - sowas geht eben nicht auf der Bühne) springt der Film zu seinem sabbel-seeligen Protagonisten (Walter Matthau), der zuerst um sich herum grandioses Chaos verbreitet, um sodann in endlose Mono-/Dialoge auf der Parkbank mit dem einsilbigen Midge (Ossie Davis) zu verfallen, der ihm eigentlich immer auszuweichen versucht. Das ist erstaunlich unterhaltsam auch dank der großen Schauspielkunst des Walter Matthau, der die narzisstischen, schwadronierenden Monologe seiner Figur und deren körperlichen Verfall charmant, aber nie übertrieben präsentiert. Letztlich präsentiert sich die von Anfang bis Ende unsympathische Hauptfigur als einsamer Mann mit einer massiven schizoiden Persönlichkeitsstörung. Das Manipulative, Lügenhafte - sehr unterhaltsam präsentiert, sehr realistisch gemacht. Ich kenne solche Menschen und dies ist ein gutes Porträt dieser Spezies. Die Regie des Autors der Vorlage konzentriert sich völlig auf den Hauptdarsteller, strukturiert geschickt die Handlung durch wiederkehrende visuelle Elemente und ergänzt das Ganze durch sparsam ins Bild kommende Nebendarsteller wie den Vorsitzenden der Eigentümergemeinschaft (herrlich schleimig - Boyd Gaines), die Muse im Park (mit dem Drogenproblem), den "Cowboy" (machohaft: Craig T. Nelson) und die Tochter des alten Mannes.

                            Als Filmmusik gibt es nur überirdisch schöne Fetzen von Saxophonmusik aus dem Hintergrund im Park (eingespielt von Gerry Mulligan himself) sowie einige musikalische Zitate der interessanteren Art.

                            Das Stück selbst stelle ich mir auf der Bühne viel uninteressanter vor. Dies ist ein gutes Beispiel für die bestens gelungene Adaption eines Bühnenstücks für den Film. Trotz der erheblichen Laufzeit von mehr als 2 h unbedingt sehenswert und unterhaltsam. Momentan bei A-Prime.

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                              angucker 15.08.2022, 08:19 Geändert 16.08.2022, 07:26

                              Hier war ein Re-Watch fällig im englischen Original-Ton und das brachte mich dazu, meine drei Jahre alte Besprechung (ein Verriss) zu löschen und die Bewertung von 3 auf 7 anzuheben. Ich hatte damals (teilweise wohl zu Recht) kritisiert, dass dieser Film die Action komplett ins Dunkel und hinter die Kulissen verlagert und die Synchronisation im Stil der klamaukigen 80er nach Art von Wenzel/Lüdecke völlig daneben ist. Beides stimmt, aber der Originalton und ein genauer Blick auf die Art der Inszenierung bringen eine sehr spezielle Perle zum Vorschein:

                              Wie schon in dem wirklich bahnbrechenden Original ist dies ein komödiantischer Schauspielerfilm, bei dem praktisch alle Stunts "echt", also von den Schauspielern ohne Stunt-Doubles gespielt wurden. Und fast alle DarstellerInnen bis auf die noch damals noch relativ junge Kim Katrall sind fast im Rentenalter. Wir dürfen hier demnach keine moderne Stunt-Action erwarten. Stattdessen gibt es ziemlich exakt etwa alle 30 Sekunden einen visuellen oder textlichen Gag und die hervorragend disponierten DarstellerInnen bis hin zu der ehemaligen Serienheldin Kim Katrall lassen nichts anbrennen. Erst die englische Originalfassung bringt die sprachlichen Fähigkeiten, den Witz, die vielen kleinen Seitenhiebe des Drehbuchs zum Vorschein. Von den Albernheiten der rundlich und versoffen daher kommenden Musketiere, die nicht mehr durch das Fenster passen. Über die Anzüglichkeiten und Gemeinheiten des 10jährigen dekadenten Königs, der pausenlos sein Umfeld schikaniert und der 20 Jahre älteren Spionin de Winter natürlich sofort seine galanten Dienste anbietet. Bis hin zu den vielen kleinen Spitzen gegen den verderbten Adel, Witzen über die fehlenden körperlichen Fähigkeiten von Musketieren und (grandios!) die fiesen herablassenden Bemerkungen der von Geraldine Chaplin gespielten Königin-Mutter. Wer auf den Text achtet, hat hier viel Freude. Insofern nimmt der Film mit dieser Mischung aus Schauspielkunst älterer DarstellerInnen und Selbstironie spätere Kassenknüller wie RED locker vorweg.

                              Und meine Bewunderung für Asse wie Philippe Noiret (der seinen Kardinal Mazzarin so lächerlich macht, wie das ohne Übertreibung nur möglich ist), Oliver Reed (mit der Stimme stört sich niemand an seiner Säufernase und dem dicken Bauch) oder Jean-Pierre Cassell (in einem komischen Zwischenstück als Gaukler Cyrano de Bergerac mit Nase) - solche Schauspieler machen den Film schon fast allein. Auch der während der Dreharbeiten vom Pferde gefallene und danach tragisch gestorbene Roy Kinnear als komödiantischer Sidekick/Diener oder mal wieder Christopher Lee mit dieser unfassbaren Präsenz als wiederauferstandener böser Kardinal - es ist eine Freude, so guten Schauspielern bei der Arbeit zuzusehen.

                              Positiv auch die abwechslungsreich orchestrierte Filmmusik von Jean-Pierre Petit (das Main-Theme summe ich heute noch). Wie ein guter Spät-Western ist dies ein gekonnter, melancholischer und humorvoller Abgesang auf das Original von Richard Lester und seiner Truppe von Musketieren, ein Spät-Mantel/Degen Film sozusagen. Und macht im Originalton richtig richtig Spaß, wenn man kein CGI und spektakuläre Stunts erwartet.

                              Richard Lester beendete nach diesem Film mit dem tragischen Unfalltod seines Freundes und Darstellers Roy Kinnear seine Regie-Karriere. Ein Vermächtnis.

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                                Wenig originell, dieser Film über die klassische Midlife-Crisis im sozialistischen Osten. Fazit: Nichts ist anders als im Westen, nur die Wohnung der als junge Frau mit Vaterkomplex gut besetzten Ute Lubosch ist unfassbar primitiv mit Rohrbrüchen im Winter, einem unzureichenden Kachelofen und einem selbst für meine erfahrenen Augen total abgerockten Ost-Berliner Treppenhaus der späten 70er Jahre. Man mag sich kaum vorstellen, wie damals in Ost-Berlin gewohnt wurde. Die sehr konventionell erzählte Story konnte bis zuletzt nicht fesseln. Zwar ist es interessant, wie die Liebe am Arbeitsplatz sofort die Runde macht im sozialistischen Kollektiv, wie der arrivierte Ost-Bürger mit 40 Jahren nur sein altes Auto aus der Ehe mitnehmen will und im völlig abgeranzten Vorzimmer eines Ost-Berliner Anwalts sitzt, um eine Scheidung einzuleiten. Aber der bräsige Erzählstil, die ausführlichen Kommentare aus dem Off (auch bräsig) und die wirklich hölzerne Schauspielerei von Dieter Mann verleideten mir die ohnehin übersichtliche Geschichte. Jutta Wachowiak als gradlinige betrogene Ehefrau spielte hier locker das gesamte Ensemble an die Wand. Leider hatte ihre Figur kaum Raum in diesem männerlastigen Scheidungsdrama. Und wer sich nicht für ostdeutsche Locations interessiert, kann um diesen Film einen Bogen machen.

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                                  angucker 13.08.2022, 19:22 Geändert 17.08.2022, 15:13

                                  Nur 48 Stunden (Ost-Deutsch) - gelungen! Hier sind durch die Bank Vollblut-Profis am Werk bis hin zur Lohnbuchhaltung durch Frau Gaida (Gruß an dieser Stelle)! Caroline Herfurth und Hannah Herzsprung geben die sehr unterschiedlichen Heldinnen trotz der genretypischen Übertreibungen (die Nummer mit dem Drehgriff hätte nicht sein müssen) gekonnt. Frederik Lau überzeugt schon mit seiner sahnigen Bassstimme (die witzigerweise beim Brüllen immer kippt) und Anneke Kim Sarnau (viele Namen, eine Bank von Darstellerin) macht die obercoole Macho-Kommissarin ohne jede Beschränkungen der Regie (was mir bis zum abschließenden Gag mit der ewig flirtenden Kollegin) gut gefällt. Hier auch Kompliment für diese Rückenmuskeln!

                                  Ganz im Ernst: Mit Ronald Zehrfeld, Uwe Preuss (netter Kurzauftritt) und einer gut gecasteten Kinderdarstellerin kann man nicht viel falsch machen. Aber auch die Inszenierung stimmt bis in die letzten Details: Geile Drohnenaufnahmen, gute Tempowechsel, feiner Schnitt (ich bin altmodisch und liebe Schnitte vom Knopf A auf den Fahrstuhlknopf), tolle Berliner Locations und selbst die komischen Einlagen (Entenjagd, Babyalarm) sind fein gemacht. Dazu gibt es (wenn man wie die Regisseurin, Hauptdarstellerin und Drehbuch-Mitautorin seit Jahren in der Filmszene Berlins vernetzt ist) feine Tanzeinlagen (aufpassen: Akrobatik im Hintergrund in der toll gemachten Nachtclub-Szene) und sogar einen fantastischen, gitarrenlastigen und passenden Soundtrack. Manchmal wirkt es etwas bemüht (die große Verführung im Hotel) und das Drehbuch hat ziemlich fette Logiklöcher. Aber WTF - die Hollywood Drehbuchautoren der allseits beliebten Action-Komödien können das auch nicht besser. Ich mag es, wenn Hannah Herzsprung zuschlägt und liebe es, wenn diese Schauspiel-Asse so richtig losschnoddern - ein Film, den man selbstverständlich nur im deutschen Original-Ton mögen kann (-> Liste nur im Original-Ton, bitte!).

                                  Echt mal: Da können Nick und Eddie einpacken. Mehr davon!

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                                    Extrem schlechter Aufguss von "Stirb langsam", dessen Action-Sequenzen durchweg im Dunkeln gedreht wurden. Das reicht aber nicht, um das alberne Gehampel einer hyperschlanken Hauptdarstellerin der 50 kg Gewichtsklasse gegen doppelt so schwere Gegner irgendwie plausibel oder unterhaltsam zu machen. Die hölzernen Dialoge der deutschen Synchro sind im Originalton etwas authentischer. Das macht aber noch kein richtiges Drehbuch.

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                                      Die Anfänge des Spät-Westerns werden markiert durch diesen 1966 entstandenen Klassiker von Richard Brooks und seinen 1960 gedrehten "700 Meilen westwärts". Hier soll ein Team von 4 Spezialisten Claudia Cardinale aus den Fängen eines mexikanischen Revoluzzers/Warlords befreien. Sehr solide, aber in für heutige Verhältnisse unfassbar gemächlichem Tempo spult der Film diese klassische "Team and a mission" Handlung ab, zwischendurch immer wieder beeindruckende Pferde-Stunts und vor allem Burt Lancaster in Action: Der gelernte Zirkusartist flankt, klettert, turnt und springt mit einer unfassbaren Geschicklichkeit durch die Handlung - dafür bräuchte man heute ein ganzes Rudel von Stuntmen. Auch faszinierend, wie charismatisch und gekonnt die vier Hauptdarsteller die von hippieskem Pathos getragene Handlung verkörpern, skurril zeitgeistig die immer wieder eingestreuten sexistischen One-Liner, wenn die sexuellen Fähigkeiten der wenigen schönen Frauen im Film kommentiert werden oder Claudia Cardinale praktisch entblößt zu sehen ist. Der Film ist dabei gekonnt gemacht und unterhaltsam bis zum Schluss mit seinem etwas pathetischen Twist. Und ein hörenswerter, gut gemachter Score von Maurice Jarré. Nicht so überragend wie "Die glorreichen 7", aber zeitgeistig interessant und gut gemacht.

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                                        angucker 05.08.2022, 10:16 Geändert 06.08.2022, 09:17

                                        Wie bescheiden sind doch diese "coole Frauen im Strip-Club" Filme und -serien (wie P-Valley). In stets rosafarbenem Licht wackeln da diverse austauschbare Frauen durch die Kulissen und dramolieren vor sich hin, dass die Schwarte kracht. "Front Hook, Knee Hook" - was ist so interessant an Sexarbeiterinnen oder haben wir es hier mit einem Trainings-Video für angehende Pole-DancerInnen zu tun?

                                        Ich wartete noch kurz, ob außer JLo's Hintern und sinnfreien Sätzen wie "Geld macht mich so geil" noch irgendetwas kommt. Kam nicht.

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                                          Endlose Massenszenen, die hunderte italienischer Statisten immer wieder um Anthony Quinn als versoffener italienischer Weinhändler und Bürgermeister versammeln, der dann versucht, temperamentvoll und möglichst komisch sein hemmungsloses Overacting über die Laufzeit des Films von mehr als 2 Stunden zu verteilen, während seine von Anna Magnani gespielte Ehefrau die Xanthippe macht und mit Töpfen nach ihrem Mann wirft. So dumme Klischees waren mindestens damals beim Publikum und der Kritik beliebt, die diesen belanglosen Film wohlwollend aufnahmen. Ich finde es entbehrlich, zumal der Film praktisch keine Handlung hat.

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                                            angucker 04.08.2022, 09:15 Geändert 24.08.2022, 16:59

                                            Diese Verfilmung eines Theaterstücks spielt im Milieu einer armen Familie irischer Abstammung in New York. Der Vater fährt Taxi, sein 60-jähriger Schwager wohnt in dem kleinen Apartment mit der Familie und schläft auf dem Sofa. Die 20-jährige Tochter durfte nicht studieren, weil die Familie sich das nicht leisten kann. Nun möchte sie heiraten – in aller Stille, denn für eine große Hochzeit ist ohnehin kein Geld da. Da hat die von Bette Davis gespielte Mutter die ungute Idee, eine große Hochzeit auszurichten mit etwa 200 Gästen auch aus der entfernten Verwandtschaft. Dies stößt auf erhebliche Schwierigkeiten. Denn es ist kein Geld da - mit den Ersparnissen der Familie möchte Vater endlich ein eigenes Taxiunternehmen aufmachen.

                                            Aus dieser eher übersichtlichen Geschichte macht Regisseur Richard Brooks mit diesem von der Kritik verrissenen Film ein packendes Familiendrama, das mehr über die soziale Wirklichkeit einfacher Leute in den fünfziger Jahren der USA erzählt als fast alle Filme aus dieser Zeit. Der Film glänzt durch hohes Erzähltempo, fantastische Schauspielerleistungen und eine insgesamt sehr konzentrierte Inszenierung. Bereits zu Beginn gibt es eine Szene, wo der von Ernest Borgnine gespielte Taxi fahrende Vater von der Chance hört, die damals sehr wertvolle Taxi-Lizenz (zusammen mit einem alten Taxi) zur Gründung des eigenen Unternehmens zu erwerben. Die kindliche Begeisterung auf dem Gesicht dieses Mannes, die Intensität seiner Freude fesselte mich sofort. Mit hohem Tempo geht der Film dann weiter. Wer wissen will, warum Bette Davis als überragende Charakterdarstellerin ihrer Zeit galt, sollte diesen Film sehen. Ihre durchaus nicht sympathische Rolle spielte sie mit einer Intensität – das ist schwer zu übertreffen. Ihre riesigen Augen und ihre ständig arbeitenden Hände sprengen fast das kleine Schwarzweißbild, ohne dass ihre Darstellung jemals übertrieben wirkt. Die Dialoge sind kurz, knapp und auf den Punkt. Barry Fitzgerald als trinkfreudiger Onkel/Schwager mit irischen Wurzeln ist die reine Freude als komödiantischer Side-Kick. Seine knapp, manchmal lallend gesprochenen Einwürfe in breitestem irischen Englisch sorgen immer wieder für kleine Schmunzler, sodass die gesamte Geschichte nicht zu sehr in Richtung Drama abdriftet. Auch seine durchaus ausführlich dargestellten Annäherungsversuche an eine reiche Witwe aus der Nachbarschaft sind unterhaltsam inszeniert. Faszinierend auch die wenigen Ausflüge in Locations außerhalb der familiären Küche, wo der Film ansonsten zu 90 % spielt (es ist halt ein verfilmtes Theaterstück). Hier gibt es beispielsweise eine Einstellung in einem Automaten-Restaurant, wo die von Debbie Reynolds gekonnt zurückhaltend gespielte Tochter sich mit ihrem Verlobten trifft, um die verrückten Heiratspläne und deren Auswirkungen auf das eigene Leben zu besprechen. Im Hintergrund zeigt der Film beiläufig Kapitalismus pur, nämlich eine riesige Wand mit Fächern, aus denen man gegen Münzeinwurf Kaffee und billige Donuts kommen kann. Immer wieder thematisiert der Film durchaus ernsthaft Themen wie Armut, Statusgeilheit, die Abhängigkeit der Ehefrauen von ihren Männern, Älterwerden, aber auch komplexe familiäre Beziehungen. Und dabei wird es dank des souveränen Erzähltempos sind niemals schmalzig oder übermäßig dramatisch, selbst dann nicht, als Bette Davis den großen Zusammenbruch der von ihr gespielten Mutter geradezu atemberaubend spielt.

                                            Ein in meinen Augen toller, sehenswerter und leider in Deutschland nur schwer zu bekommender Film, den man unbedingt im Originalton sehen sollte. Denn die Darsteller sind auch sprachlich überragend gut und der immer wieder einfließende irische Dialekt ist wahrscheinlich nicht zu synchronisieren. Schon der Titel ist unübersetzbar: Der Begriff "A Catered Affair" bezieht sich in wörtlicher Übersetzung darauf, dass dies eine Affäre mit Lieferservice ist. Da Affäre im englischen aber vieldeutig verwendet wird, zum Beispiel auch "Angelegenheit" bedeuten kann oder in diesem Fall "Hochzeitsfeier", wird daraus im Sprachgebrauch der Familie (das wird auch ausführlich diskutiert) eine große Hochzeit mit Lieferservice – also spielen die Preisverhandlungen mit einem großen Hotel auch eine zentrale Rolle in dem Film. Da dies komplett unübersetzbar ist, hat man im Deutschen daraus den etwas nichtssagenden Titel "Mädchen ohne Mitgift" gemacht.

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                                              angucker 02.08.2022, 08:39 Geändert 04.08.2022, 17:10

                                              Ein Film über die erste Kuh und die erste (ursprüngliche-) Akkumulation im Sinne von Karl Marx. Eine sehr originelle Story, die in laaaangsaaamer Weise und überwiegend in düsteren, dunklen Einstellungen erzählt wird. Es geht um die Freundschaft zweier ethnisch ungleicher Männer, die sich zufällig in Oregon Anfang des 19. Jahrhunderts kennenlernen und zusammen ein Geschäft aufziehen mit der (noch) einzigen Kuh der Gegend, die ihnen aber leider nicht gehört.

                                              Ein Tipp von meiner Tochter, mein erster Gedanke war: "Das ist aber kunstgewerblich!" Schon in den ersten Einstellungen fallen die betont wildwüchsigen Kostüme, die weitschweifigen Naturaufnahmen und das weitgehende Fehlen von Handlung und Dialogen auf. Wer sich über die erste halbe Stunde gekämpft hat, muss etwas aufpassen. Denn die Story wird sehr beiläufig entwickelt, oft erschließen sich die späteren Pointen nur aus kurzen Bemerkungen in den von mir OmU geschauten Dialogszenen. Die drei Hauptdarsteller sind beeindruckend, vor allem Orion Lee mit seiner sonoren, dunklen Stimme und natürlich Toby Jones als "Landlord" - zwischendurch wird der Film immer wieder zu einem "Foodie Pic", wenn es um die Tätigkeit des Kochs und die Zubereitung von Kuchen und Speisen geht.

                                              Der von den Kritikern hoch gelobte Film war mir insgesamt zu dünn und zu ... kunstgewerblich. Dennoch sehenswert, wenn man sehr langsame Filme mag. Und die Story selbst ist interessant (und wird daher hier nicht gespoilert).

                                              Danke meiner Liebsten für den Hinweis auf Karl Marx - ich habe nie Marx Kurse belegt im Studium.

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                                                  Wir waren nicht dabei und sicherlich dramatisiert der Film über die "MeToo" Vorfälle bei Fox News die Ereignisse anders, als diese in der internet-öffentlichen Wahrnehmung angekommen sind. Das mag rechtliche Gründe haben. Wir waren alle nicht dabei, wenn Roger Ailes seine "Vorstellungen von Fernsehen als visuelles Medium" mit den zahlreichen weiblichen Aspirantinnen für einen der begehrten Moderatorinnenposten umsetzte. Und natürlich ist die Schadensersatzklage einer ehemaligen Fox News Anchorwoman auch der Versuch, Geld abzuzocken.

                                                  Aber als Film funktioniert das gut. Die ordinäre Selbstdarstellerei von Murdoch/Ailes/Fox News, die mit dem Pöbel Amerikas enorm viel Geld verdient haben in einer schwierigen Branche, unterstützt von einem ultra-populistischen Donald Trump - das bekommt eine angemessene filmische Darstellung. Was auch an den drei Hauptdarstellerinnen liegt, die ihre Rollen (verschiedene Varianten von ehrgeizigem Blondinentum) perfekt darstellen, unterstützt von rollengerechtem Make up und passenden Kostümen. Vor allem aber beschreibt der Film die mittlerweile bekannten Muster von übergriffigem Sex-Gehabe am Arbeitsplatz sehr präzise. Wie Roger Ailes das Spinnennetz der "Innuendi" (Anzüglichkeiten) immer feiner webt. Wie Kolleginnen neidisch gucken, zu konkurrieren versuchen, sich auf "Blondine mit Beinen" reduzieren lassen. Vor allem auch Margot Robbie als "evangelikale Millennium Blondine" mit opportunistischen Einstellungen spitzt ihre Rolle bis an die Grenze der Parodie zu. Geschickt auch der Wechsel von völlig stummen, musikfreien Passagen mit normalem Filmton. Anschaulicher, unterhaltsamer und wirklichkeitsnäher kann man dieses "House Of Cards" der Fox News nicht verfilmen, ohne dicke Schadensersatzprozesse zu riskieren. Gut gemacht!

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