angucker - Kommentare

Alle Kommentare von angucker

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    angucker 21.01.2023, 17:31 Geändert 23.01.2023, 16:48

    1933 entstand diese Großproduktion der UFA mit der tragisch im Alter von nur 31 Jahren unter dubiosen Umständen verstorbenen Renate Müller in der Hauptrolle. Der klassische Stoff von der arbeitslosen Kleindarstellerin, die als Mann verkleidet eine Karriere als Frauendarstellerin macht (also Frau spielt Mann spielt Frau) ist natürlich immer interessant, jedoch hier ziemlich bieder inszeniert. Vor allem Hermann Thiemig in der Rolle des für jede Rolle geeigneten Kleindarstellers ist für die heutige Zeit nicht mehr prickelnd. Da wird übertrieben und Klamauk veranstaltet, dass sich die Kinoleinwand kräuselt - was immer ich an Darstellern wie Theo Lingen oder Heinz Rühmann hölzern und doof finde, hier ist es.

    Aber dennoch ist dies eine im damaligen Stil perfekt gemachte Produktion. Der Schnitt ist flüssig, die Musik folgt auf die Millisekunde der Handlung, dass Hans Zimmer vermutlich vor Neid erblassen würde. Auch die übrigen Darsteller wie der fantastische Anton Walbrook alias Anton Wohlbrück machen ihre Sache gut. Es gibt akrobatische Einlagen, Varieté und wenn das luderhafte Nummerngirl, die "Fee von der Spree" mit ihren aufwendigen Kostümen durch die Gegend wackelt, dann sieht man schon an den austrainierten Beinen dieser Nebendarstellerin, dass hier eine perfekt ausgebildete Tänzerin mit üppiger Oberweite für diese kleine Nebenrolle gecastet wurde.

    Und so ist dies trotz der manchmal quälenden, zeitgeistigen Gesangseinlagen eine sehr solide Komödie, die anschaulich macht, auf welchem Niveau damals schon Filme produziert wurden. Nicht annähernd vergleichbar mit der charmanten, knalligen Verfilmung "Victor/Victoria" von Blake Edwards mit der unglaublichen Julie Andrews. Aber immer noch ziemlich gediegen.

    Hauptdarstellerin Renate Müller ist eine tragische Figur. Ein Star schon zu Stummfilmzeiten schaffte sie es, auch im Tonfilm dank ihrer netten Singstimme Karriere zu machen. Sie lehnte es ab, Geliebte von Hitler zu werden und hatte danach buchstäblich die berufliche Hölle zu durchleben - zu populär, um sie abzusägen wurde sie geschnitten und bespitzelt, kam zu Alkohol und Drogen und starb mit nur 31 Jahren an einem angeblichen Fenstersturz (vielleicht wurde sie auch von der Gestapo einfach aus dem Fenster geworfen). Ihre Beerdigung wurde Schauplatz einer groß angelegten Überwachungsaktion im Stil der Stasi einschließlich Filmaufnahmen - ein zerstörtes Leben einer jungen Schauspielerin in einem totalitären Deutschland.

    Ein Extrapunkt für die durchweg gute Produktion insgesamt.

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      Eine kleine Perle sowohl der 80er als auch des britischen Kinos: 1985 erschienen, beschreibt der Film sowohl die vollständige Verzweiflung und Verarmung der englischen Bevölkerung, als auch die allmähliche Öffnung der Sowjetunion nach Westen - sozusagen die ersten Düfte der Perestroika. 1985 war in England der Höhepunkt der Bergarbeiterstreiks, es gab Tote, Unruhen und die "einfachen Leute" hatten ein schwere Zeit unter Maggi Thatcher. Das nimmt der in teilweise kaum noch verständlichem Liverpooler Slang gesprochene Film auf, wenn die von Magi Clarke gespielte Arbeiterin aus einer Hühnerfabrik Teresa sinngemäß sagt, ihr Leben bestünde darin, "gevögelt zu werden, 300 Hühnerärsche täglich zu stopfen und viel zu trinken". Diese Hoffnungslosigkeit einer britischen Arbeiterin, die am Wochenende buchstäblich nur noch Betäubung und Abwechslung von der eintönigen, entfremdeten Arbeit sucht, für etwas Kleingeld sogar einen waschechten Raub begeht, nur knapp an der Prostitution vorbei schrammt - das ist kühl dargestellt, in sehr schönen Aufnahmen eingefangen und immer leuchten die roten Kleider und Lippenstifte der beiden Arbeiter-Heldinnen durch die dunkle Liverpooler Nacht. Überhaupt hat der Film eine interessante Kamera, die oft minutenlang auf den vollkommen durchnässten und dunklen Straße von Liverpool klebt, immer wieder Rot als Komplementärfarbe zum blauen Dunkelgrau der Stadt ins Bild bringt. Die Handlung ist hier Nebensache - eine zufällige Liebesgeschichte zweier unterschiedlicher Paare. Doch die Inszenierung einschließlich der gut ausgewählten, sorgfältig gemachten Musik (der Titelsong wurde vom Liverpool Symphonieorchester eingespielt und von Magi Clarke gesungen), die extrem derben Dialoge, die guten Schauspieler - das ist eigentlich alles großes Kino.

      Nur im O-Ton (diesen Dialekt kann man nicht synchronisieren) und nur mit UT (verstehen kann das auch niemand richtig).

      Ich hatte den Film vor fast 40 Jahren mit deutscher Synchro im Kino gesehen und als "ganz nett" in Erinnerung, aber mit etwas Abstand und im O-Ton ist der richtig gut. Nie war England so hässlich wie damals.

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        angucker 16.01.2023, 13:47 Geändert 16.01.2023, 13:48

        Originelle, stark auf visuellen Efffekten und verspielten Requisiten aufbauende schwarze Komödie "French Style". Hier wird ein sehr ordentlich inszeniertes Heist-Movie, eine rabenschwarze Kritik an den Machenschaften der Waffenindustrie ("Dr. Seltsam" lässt grüßen), viel Akrobatik , viel derber Humor für Erwachsene und insgesamt eine skurrile Parallelwelt geboten, die an Tim Burton oder bessere Comics erinnert. Das ist witzig, verspielt, voller gut eingesetzter Effekte und ziemlich derbe. Macht richtig Spaß, auch wenn das Genre eigentlich überhaupt nicht meins ist.

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          angucker 16.01.2023, 13:39 Geändert 16.01.2023, 14:41

          Dieser zweite Langfilm von Ang Lee gewann einen Goldenen Bären bei der Berlinale 1993 und war damit der Beginn einer der der längsten und diversesten Regie-Karrieren von Hollywood - zu Recht!

          Es ist zunächst irritierend, wie nah und fast kühl der Film an seinen Figuren ist. Die alltäglichen Konflikte und die tiefe Liebe eines schwulen Liebespaares werden in fast belanglosen Dialogen (noch dazu großenteils in Chinesisch - UT sind hier Pflicht) ausgebreitet. Wir erfahren, dass der aus Taiwan kommende, nicht immer nur sympathische Schönling Wai-Tung ein heftig mit seiner Immobilie spekulierender Yuppie ist, der Probleme mit seiner taiwanesischen Familie hat, sich noch nicht geoutet hat und seine schöne, aber illegal in den USA lebende Mieterin Wei-Wei (enorm präsent: May Chin) kaltherzig ausbeutet, als illegale Mieterin eigentlich nur duldet, um "etwas Kohle einzufahren". Es eskaliert, als die Familie von Wai-Tung ihren Sohn verkuppeln will, sich immer wieder nach der ersehnten Schwiegertochter und Mutter eines Enkelkindes erkundigt und zuletzt überraschend den einzigen Sohn in den USA besuchen kommt. Unterstützt von seinem sehr zugewandten, unterstützenden Geliebten (Mitchell Lichtenstein) macht sich Wai-Tung daran, seinen Eltern eine Scharade vorzuspielen. Und das - wir können es uns denken - geht ziemlich schief.

          Elegant spielt der Film auf diversen Ebenen: Das schwule Beziehungsdrama, der Culture-Clash eines assimilierten amerikanischen Chinesen mit seiner Familie, die klassische Hochzeitskomödie, der Konflikt des Sohnes mit dem übermächtigen Patriarchen (der aber starke gesundheitliche Probleme hat) und das verständnislose Nebeneinander der chinesischen und der amerikanischen Kultur. Es ist witzig, es ist überraschend (so räumt der Film mit dem verbreiteten Klischee auf, Chinesen würden nur distanziert und höflich sein - hier gibt es fette Party mit Besäufnis, Kotzen und allen unmöglichen derben Späßen - Hangover "China Style"). Und es ist perfekt geschnitten, die Schauspieler beherrschen jede Sekunde ihre Rollen unterstützt von einer unauffällig gekonnten Regie. So sind auch schwierige Szenen ("wie sag ich's Mutter", "Samenraub", "im Standesamt") elegant und extrem verdichtet dargestellt. Das Erzähltempo ist letztlich so fließend, dass viele Zuschauende den Film wohl als langweilig empfinden können. Aber hier wird eben viel mehr verhandelt als in einer klassischen, langweiligen Rom-Com.

          Die deutsche Synchro ist unterirdisch schlecht, was bei mir zu einem Punkt Abwertung führte - abgelesen ist echt bescheiden! Aber ich hatte den Film leider nur mit deutschem Ton. Untertitel von Anfang an einschalten, sonst verpasst ihr den halben Film!

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            Trotz der extrem schematisch angelegten Charaktere (die verzogene Tochter, der nerdige Sohn, der durchgeknallte Unternehmensberater) noch ansehbare Dramolödie über die Lebens- und Firmenkrise eines griechischen Unternehmers in London. Denn mit viel Liebe und sehr lakonisch spielen die Darstellenden ihre Rollen, ist Stephen Dillane in seiner versteinerten Depression und seinem gut dargestellten Kontrollzwang. Hervorragend auch die deutsche Synchronisation - da wird perfekt "mitgespielt", geatmet, gestottert und allein schon der dezente amerikanische Akzent der flotten Unternehmensberaterin ist gut gemacht ohne Übertreibung. Gut gefallen haben mir auch die zwischen griechischer Folklore und modern orchestriertem Score pendelnde Musik und die detailfreudige Ausstattung der sehr unterschiedlichen Behausungen. Weniger schön ist die oberflächliche Darstellung der Konflikte, der stets begeisterten und niemals verzagenden Angestellten des Papadopoulos und sehr schlecht sind die lustlos gemachten Gruppenszenen.

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              Arg harmlos, diese Dramolödie vor dem Hintergrund zerbombter Londoner Reihenhäuser.

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                Männer sind asozial, können nicht über Gefühle reden und neigen zur Gewalt. In schönen Bildern erzählt der Film die Geschichte einer scheinbar grundlosen Fehde. Das ist gut gespielt, hat betont skurrile Charaktere und traumhafte, allerdings digital stark bearbeitete Außenaufnahmen.

                Aber was soll das? Keine Ahnung. Ist wie „ Der Leuchtturm“, nur dass hier kein Sperma von der Decke tropft.

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                  angucker 05.01.2023, 21:29 Geändert 05.01.2023, 21:29

                  Männer Ende 50 mit Bäuchen, Bärten und vielen teuren Spielzeugen tun so dies und das. Proudly sponsored by Luxuswagenhersteller XYZ. Dazu ein Guru, Designerdrogen, Rotweine und einige leicht bekleidete Mädels als Eye Candy. Wie armseelig ist das denn?

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                    Ein in jeder Hinsicht herausragender Film. In genauestens komponierten, oft auf Symmetrie oder Hell-/Dunkel Kontrast angelegten Einstellungen erzählt der Film die Geschichte von Val, einer Hausangestellten mittleren Alters, die bei einer reichen Familie in Sao Paulo wohnt und arbeitet. Seit Jahren krault sie dem gelangweilten, ständig kiffenden Sohn den Kopf und schläft auch mal mit ihm in einem Bett, täglich weckt sie den in einem dunklen Raum der großen Villa im Souterrain vor sich hin vegetierenden Vater der Familie spätestens um 11 Uhr und bringt ihm sein Bier. Und seit Jahren ist sie den Launen und dem exaltierten Gehabe der Hausherrin (großartig in ihrer kalten Art: Karine Teles) ausgesetzt.

                    Da kommt die seit langem in der Provinz lebende Tochter von Val zu Besuch, die sich in Sao Paulo für einen Studienplatz in Architektur bewerben will. Widerwillig zieht sie zu Ihrer Mutter in die Villa des Arbeitgebers, isst vom "guten" Eis (das eigentlich für den Sohn der Familie reserviert ist), nimmt wie selbstverständlich am Tisch der Familie Platz, lässt sich teilnahmslos von dem zu einem läufigen Kater mutierenden Vater anbaggern und fordert die Hausherrin zu heftigen Eifersuchtsattacken heraus.

                    Dies stürzt die stets unterwürfige, ganz auf Beibehaltung der sozialen Trennung zu den Herrschaften bedachte Mutter in einen tiefen Konflikt. Vor allem, als diese bemerkt, dass ihre Tochter einen ganz eigenen Plan verfolgt und in ihrem eigenen Leben schon recht weit ist.

                    Die eindrucksvollen Bilder, die sehr straffe Regie (wären dies professionelle Schauspieler, könnte man von "Overacting" sprechen - so ist es einfach nur witzig), der leise Humor, der unerbittliche Fortgang der Geschichte, die Gnadenlosigkeit der Auflösung - dies ist der bessere, weniger plakative "Parasites" - ein Film über das verborgene Leben von Dienstboten. Es gibt immer wieder beklemmende oder belustigende Szenen (wie etwas das irre Gebalze des Vaters auf dem Ausflug oder die wahnwitzigen Kämpfe um den Sitzplatz und den Inhalt des Kühlschranks).

                    Und nebenher erfahre ich, dass Sao Paulo mit ca. 12 Millionen Einwohnern eine der größten Städte der Welt (praktisch ein eigenes Land in Brasilien) ist und bin begeistert von der formalen Geschlossenheit und dem hohen Unterhaltungswert dieses Films.

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                      angucker 01.01.2023, 22:57 Geändert 13.01.2023, 17:54

                      Gänsehaut, als das Studioorchester die finale Entwicklung des Bond Theme für Casino Royale im Studio unter den Augen der Produzenten und des Regisseurs einspielt. Mehr musikalische Spannung geht kaum. Und die Anekdote von Michael Caine über seine erste Begegnung mit John Barry und seinem "Goldfinger" - köstlich! So waren die "Swinging Sixties" in London offenbar.

                      Ansonsten etwas hektisch geschnittene Doku über 60 Jahre Bond Pop-Musik mit viel Selbstlob der Bond Franchise über sich selbst, aber sehenswert. Einige MPs haben zu Recht angemerkt, dass hier ziemlich viel Billie Eilish gefeatured wird. Und das ist weder musikalisch noch von den Wortbeiträgen her die große Offenbarung. Andererseits ist gerade dieser betont diverse popkulturelle Ansatz der Bond Franchise für ihre Musik Markenzeichen und Herausforderung. Man will immer ganz von vorne die Welle reiten - und das geht natürlich auch manchmal schief.

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                        angucker 01.01.2023, 22:29 Geändert 10.01.2023, 13:53

                        Eine plumpe dümmliche Rom-Com, die durch das künstliche Handlungsgerüst und die schwachen darstellerischen Leistungen des Regisseurs und Drehbuchautors nicht besser wird. 2015 darf man so einen primitiven Schrott nicht mehr bringen. Da brauche ich sofort mindesten zwei klassische Komödien wie "Rendezvous nach Ladenschluss", um den faden Geschmack loszuwerden.

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                          angucker 01.01.2023, 10:32 Geändert 01.01.2023, 18:09

                          Cédric Klapisch spiegelt die einsamen Großstadtleben zweier Mittzwanziger gegeneinander. In perfekten Einstellungen konstruiert er eine maximale Parallelität (nebeneinander liegende Wohnungen, dieselbe Katze, dieselbe Psychotherapie bei befreundeten Doktores, derselbe Kaufmannsladen im Kiez) und lässt die Handlung der beiden bindungslosen Tinder-Nutzer komplett parallel laufen. Das ist keine schlichte Rom-Com - das wäre zu einfach. Sondern führt zwei junge Menschen mit fast wortgleichen Gesprächen bei ihren Seelenklempnern zu der Erkenntnis, was das Wichtigste ist für ein glückliches Leben. Und deutet ohne abschließende Wertung an, warum die allzeitige Verfügbarkeit sexueller Kontakte über eine Handy-App keine Lösung ist. Und dass nicht jede Häufung von Einsamkeit, diffusen Schuldgefühlen und Schlafstörungen eine Depression sein muss.

                          Das hört sich schlicht an, wird aber durch die Perfektion der Bildsprache, durch die stets sorgsam gewahrte Parallelität der Handlung, durch die exzellente Musik und auch durch die hervorragenden Nebendarsteller (Camille Cottin, Francois Berleand, Simon Abkarian, Eye Haidara und eine süße kleine weiße Katze, die den Oscar bekommen sollte) zu einem guten Film. Und die beiden Hauptdarstellenden sind in jeder Hinsicht "Bombe" - sie darf minutenlang in der Badewanne singen und er klettert, als sein seelischer Knoten geplatzt ist, wie ein junger Gott. Guter Film!

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                            Kein Film für Vegetarier, diese schräge Dramolödie aus dem sozialen Umfeld einer traditionellen französischen Fleischerei. Das ist interessant und nett gemacht, solange es um Kapaune und glückliche Rinder geht. Das hat gute Locations, liebevoll gestaltete Interieurs und die Story plätschert angenehm dahin. Doch leider sind die letzten 10 Minuten des Films eine lustlos abgedrehte Zumutung, die Reste der Story zersülzen im Liebestaumel und das in der letzten Einstellung gezeigte neue Logo der Fleischerei ist das dümmste und sexistischste Ausstattungsdetail eines Films, das ich in 2022 gesehen habe. So grauenhaft muss ein Film nicht enden.

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                              angucker 30.12.2022, 09:34 Geändert 13.01.2023, 17:58

                              Eigentlich wollte ich nie wieder einen Film mit Adam Sandler sehen, der auch hier extrem schwach, ausdruckslos und teilweise unfreiwillig komisch ("Hilfe, ich bin betrunken") die Hauptrolle verkörpert. Aber es gibt Paz Vega in der Rolle der mexikanischen "Übermutter" und James L. Brooks als Regie/Drehbuch - das lässt hoffen.

                              Leider ein zwiespältiger Film: Mit satter Überlänge entfaltet sich eine Geschichte von der besseren Mutter. Culture Clash, Ehedrama und Satire auf den bürgerlichen Lebensstil der reichen amerikanischen Mittelschicht - eigentlich alles dabei. Paz Vega spielt die in jeder Hinsicht (bis auf die anfänglich fehlenden Sprachkenntnisse) perfekte, empathische, durchsetzungsstarke und auch noch superhübsche mexikanische Single Mom. Die das Beste für ihre Tochter will und natürlich immer sofort checkt, wenn die Arbeitgeberfamilie übergriffig, rücksichtslos oder vereinnahmend ist. Das bleibt in den vielen Klischees hängen, obwohl man in jeder Sekunde sieht, was sich Brooks dabei gedacht hat. Téa Leoni übertreibt ihre Rolle als gewichtsoptimierte, übergriffige und unsympathische Vollzeit-Hausfrau mit Sixpack in einem Maße, dass es häufiger anstrengend wird. Die Schwiegermutter/Mutter ist eine einfühlsame, liebevolle Alkoholikerin - auch hier Klischees ohne Ende. Und Adam Sandler, dem ich ehrlich gesagt noch nicht einmal zutrauen würde, heil über die Straße zu laufen, spielt einen Star-Koch, der nur seinen Beruf liebt und seine Familie, aber mit seiner Frau nichts anfangen kann. So weit, so schlicht.

                              Trotzdem hat der Film immer wieder Momente. Wenn die hektische Hausfrau die Tochter der Mexikanerin "kapert" und entführt (weil die eigene Tochter dick und hässlich ist), wenn der smarte Makler mit dem Cabrio in einer kurzen, fast wortlosen Einstellung zum neuen Liebhaber mutiert - der Film ist eigentlich immer am besten, wenn nicht geredet wird. Denn die zahlreichen, langatmigen Dialoge sind durchweg bemüht, wirken konstruiert und blutleer. Wie schon bei älteren Filmen von Brooks merkt man jederzeit, dass hier ein humanistisch geprägter Kontrollfreak für das Drehbuch einer Komödie (!) verantwortlich ist. Das funktioniert fast nie über Sprache, jedoch bestens, wenn sich der Film mal auf Bilder verlässt: Die langhaarige Gattin lernt, wie man als hübsche Hausfrau ohne verwehte Frisur Cabrio fährt. Der Wind drückt das züchtige Kleid an den Körper der vollbusigen Mexikanerin, was den Hausherrn zu der knurrigen Bemerkung veranlasst, sie solle doch bitte aus dem Wind gehen. Der Wettlauf zweier sehr unterschiedlicher Frauen. In den Bildern hat der Film seine Momente, seine guten Einstellungen und das macht Spaß.

                              Auch die Kinder spielen toll mit und tragen die Handlung streckenweise ganz allein. Und Paz Vega ist natürlich die ideale Darstellerin für diese Hauptrolle, spielt naiv, energisch, sexy, zurückhaltend - ganz reizend. James L. Brooks hat auch hier (wie schon zuvor mit Hellen Hunt und Rese Witherspoon) seine ideale weibliche Hauptrolle gefunden, aber der Film macht nichts daraus.

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                                über Treason

                                Hätte das Zeug zu einer guten Mini-Serie mit Spionage-Hintergrund gehabt. Das Setting mit Doppelagent im MI 6, die Storyline - alles wäre möglich gewesen. Aber:
                                Die von Olga Kurylenko gespielte Agentin außer Diensten im Rache-Modus ist ein einziges Logikloch, so groß wie ein Fußballstadion. Woher finanziert sich zum Beispiel diese Superagentin mit den unbegrenzten Ressourcen? Die Hauptdarsteller sind (bis auf Oona Chaplin) frei von jeder Ausstrahlung oder schauspielerischem Können. Die Aktionen der Beteiligten machen meist keinen Sinn (mühelos geortete Handies, überraschende Treffen an doch nicht so geheimen Orten, schwere Unfälle auf der Flucht, wir fahren mit zerbrochener Frontscheibe durch halb London, die CIA operiert in aller Ruhe mit großem Stab auf fremdem Territorium - das alles ist maximal dämlich und meist frei von Sinn oder gar Authentizität). Und nicht zuletzt sind die Kinderrollen so schlicht angelegt (der dumme kleine Junge, das ewig trotzige Mädchen). Ich habe mich wirklich bis zur letzten Episode bemüht, aber es war keine Freude. Am Ende eine richtige Netflix Billigproduktion ohne Ambitionen oder positive Highlights.

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                                  angucker 29.12.2022, 09:16 Geändert 29.12.2022, 09:16

                                  Da glüht der Bildschirm: Ein heiter aufgelegter, tiefenentspannter Morgan Freeman (als er selbst) trifft auf eine überbegabte, kantige, gelangweilte Supermarktkassiererin (Paz Vega) und es beginnt auf straffen 1:20 h Film ein entzückendes, sprühendes, glühendes Stück Indie Low Budget Kino, das offensichtlich noch nicht einmal vollständig gescriptet wurde. Da werden T-Shirts gekauft, Autos gewaschen und gerammt, ein kleiner Junge bekommt eine Extra-Lektion Golf-Abschlag von Morgan Freeman und das Ganze bewegt sich tiefenentspannt auf ein Vorsprechen zu, welches aber keinesfalls der dramatische Höhepunkt des Films ist. Wer einen Beweis braucht, dass Morgan Freeman einer der besten Schauspieler und Sprecher seiner Generation ist oder nicht ahnt, wie gekonnt Paz Vega auch diese Rolle einer hartes Spandenglish sprechenden Schönheit mit schmierigem Noch-Ehemann (Bobby Cannavale in einer feinen kleinen Nebenrolle) spielen kann - dies ist der Film, den offenbar alle Casting-Abteilungen in Hollywood der 2000er Jahre übersehen haben. Und nebenher ein heiterer Beweis dafür, dass wir alle jemanden brauchen, dass Danny Devito genau wusste, warum er diese winzige Rolle angenommen hat und dass Paz Vega der heißeste, amüsanteste und schlaueste spanische Hollywood-Export ist seit Penelope Cruz.

                                  Geiles Kino, aber bitte nur im Original-Ton! Ist leicht zu verstehen und man kann das nicht synchronisieren (obwohl sich die deutsche Synchro viel Mühe gegeben hat).

                                  Robometer: 5 Punkte (1 Extrapunkt, weil man Morgan Freeman einfach gerne zuhören muss - egal, wobei).

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                                    angucker 28.12.2022, 13:27 Geändert 28.12.2022, 13:29

                                    Staffel 3 spielt zu 90 % im Dunkeln. Das sollte wohl Produktionskosten sparen, ist aber wenig unterhaltsam. Außerdem ersetzen ständige Ortswechsel noch keine Handlung. Ich bin nur froh, dass Nina Hoss das schauspielerische Niveau etwas anheben darf. Wie sie wieder guckt, wenn sie einen Macho in die Ecke gestellt hat - einfach nur gediegen. Die Verschwörung ist dafür richtig absurd.

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                                      angucker 27.12.2022, 09:36 Geändert 28.12.2022, 13:24

                                      10 Gründe, warum ich "Beziehungsweise New York" von Cédric Klapisch noch etwas besser finde als die ersten beiden Teile von "L'Auberge Espagnole":

                                      1. Natürlich sind mir die Probleme von Erwachsenen in den 40ern näher als das Gefühlschaos von Studenten mit 20.
                                      2. Der Film ist die bessere Version von "Green Card" (1990).
                                      3. Es ist witzig ohne Worte, wie der neue und natürlich superreiche Mann von Wendy ihren Noch-Ehemann um 2 Köpfe überragt (was die Kamera unauffällig betont).
                                      4. Es ist witzig, wie hier minutenlang in fremden Sprachen ohne Untertitel geredet wird. Die Krönung ist die Präsentation der inzwischen zur selbstbewussten Karrierefrau mutierten Martine (Audrey Tatou) auf Chinesisch – man muss nur die Mimik und Gestik der Anwesenden verfolgen und hat seinen Spaß. Das ist genauso wie die Auseinandersetzung der Fahrradkuriere Multi-Kulti ohne erhobenen Zeigefinger.
                                      5. Die im Kino durchaus häufig bemühte Szene mit einer Samenspende im Krankenhaus ist hier dank geschickt eingesetzter digitaler Effekte gut gelöst – frei von Fremdschämen.
                                      6. Die andere kleine Welt der asiatischen Einwanderer in New York ist witzig und völlig frei von Klischees integriert.
                                      7. Endlich einmal darf auch eine Frau den Macho mit der Midlife-Crisis darstellen; wie die verheiratete und lesbische Isabell nur mal eben so das Au-Pair Mädchen verführt, um sich wieder jung zu fühlen – das ist ganz selbstverständlich und passt gut in die Handlung.
                                      8. Die Kinder spielen gut mit und werden vom Drehbuch immer wieder zentral zum Thema gemacht.
                                      9. Es ist witzig und richtig, was der Film an kleinen Weisheiten (aus französischer Sicht) über New York und das Leben der Menschen dort bringt. Auch dies (in Verbindung mit den schön gewählten Außenaufnahmen) ist Multi-Kulti auf die gute Art und Weise.
                                      10. Es ist mir sympathisch und ein gutes Zeichen, dass der Regisseur für den 3. Teil alle wesentlichen Akteure noch einmal gewinnen konnte. Immerhin lagen rund 10 Jahre zwischen dem 1. und dem 3. Teil und die Erde dreht sich weiter.

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                                        Das Erasmus-Jahr als Schauplatz einer Selbstfindung. Abschiede, Trennungen, Affären und erste Kontakte mit einem "richtigen" Leben, in dem auch Kühlschränke in Ordnung gehalten und Körperhaare aus der Badwanne entfernt werden müssen. Dies inzeniert Frederic Klapisch mit einer fast schon aufreizenden Leichtigkeit, lässt seinen Cast schmachten, Händchenhalten, Sex haben und Grenzen testen. Dies unterstützt von Darstellenden, die ihre Rollen fest im Griff haben. Ob das nun Cecile de France ist als Tom-Boy, die ihrem WG Bewohner und Mitstudenten eine handfeste Unterweisung gibt im richtigen Umgang mit Frauen. Oder Judith Godréche mit ihrer Interpretation einer schüchternen, abhängigen und nach Sex suchenden Arzt-Ehefrau. Selbst Audrey Tatou ist hier perfekt besetzt als eigenwillige Bohnenstange aus Paris, die ihren Freund so kalt abserviert, wie dies nur irgend möglich ist. Der Film hat die Leichtigkeit des besseren französischen Kinos, einen guten Rhythmus und macht auch mir (nicht die Zielgruppe) viel Spaß!

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                                          An der Oberfläche ist es eine modisch schrille und ausstattungsseelige Filmproduktion unter Covid-Bedingungen. Aber mir hat's gefallen als wuchtige Satire auf den "größten Unternehmer aller Zeiten" und seine erratischen, supereitlen Spielchen mit Unternehmen, Ideen und sozialen Medien. Leider gingen die Darstellenden in dieser Ausstattungsorgie etwas unter, wobei man durchweg ahnen konnte, warum und wofür sie gecastet wurden.

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                                            angucker 24.12.2022, 17:21 Geändert 25.12.2022, 09:13

                                            Das ist zum Brüllen komisch, solange sich das Drehbuch auf die komödiantischen Talente von Rosalie Thomass verlässt und wird völlig unerträglich spätestens, als die Mädelstruppe sich gemeinsam zur brasilianischen Enthaarung begibt. Als Komödie für stark alkoholisierte Mädelsabende ein geschmackloser Reinfall, als Screwball über Jäger, Hundehaltung und Elterngespräche ganz gut.

                                            An Stelle von Almila Bagriacik hätte ich deren Rolle der blöden und ständig Anglizismen ausstoßenden Influencerin wegen Einfallslosigkeit der Rolle abgelehnt. Und wenigstens eine vernünftige männliche Rolle hätte dem Film wirklich gut getan.

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                                              angucker 24.12.2022, 05:44 Geändert 24.12.2022, 06:31

                                              Ein Bio-Pic über einen jungen Deutschen, der sich für 20 Dollar eine Nacht mit einer dunkeläugigen kambodschanischen Sexarbeiterin kauft und nicht wieder loslassen kann. Regisseur Detlev Buck schwelgt in atmosphärisch dichten Straßenszenen und Außenaufnahmen, steigt mit seinem jugendlich wirkenden Hauptdarsteller über die dunklen Betontreppen von schäbigen Kontakthöfen in die Slums von Pnom Penh und strukturiert die Geschichte durch einen Elefanten, der immer wieder durch ein Minenfeld läuft. Dazu wechselt die stets passende Musik zwischen schwülstigem Orchester und hartem Metal.

                                              Atmosphärisch dicht und formal gelungen kann sich der Film nicht recht entscheiden, ob es Liebesfilm, Bio-Pic, Reise Doku, Drogen Drama oder Coming Of Age werden soll. Sehenswert bleibt es allemale, zumal die stilistische Geschlossenheit und gute Nebendarsteller wie etwa Charly Hübner als Freier die Sache am Laufen halten.

                                              So einen kühlen Film mit diesem Thema hätte ich von Detlev Buck nicht erwartet.

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                                                Der Film hat fast alles, was ich an Filmen nicht mag: Stereotype Charaktere, eine bräsige Erzählstimme aus dem Off, eine völlig eindimensionale Botschaft, stark colorierte Bilder, vorhersehbare Einstellungen, die stets mit der zu erwartenden Auflösung enden (hier sind es diverse Suizidversuche) und dann noch Weichspülmusik im Hintergrund.

                                                Ein Extrapunkt für die gut mitspielende Katze.

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                                                  Seit den "Leiden des jungen Werther" und "Gefährliche Liebschaften" ist der Briefroman nicht wirklich vorangekommen. Auch hier krankt das Ganze daran, dass die visuelle Umsetzung von zahllosen Messages auf die Dauer angestrengt wirkt. Und Nora Tschirner muss man wohl mögen - mir ist das zu sehr Münchener SchiSchi. Erstaunlicherweise funktionierte der "Spannungsaufbau" durch Vermeiden eines Treffens in der realen Welt bei mir ganz gut. Aber nicht gut genug, um den Film über den Durchschnitt zu heben.

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                                                    angucker 22.12.2022, 08:57 Geändert 22.12.2022, 15:16

                                                    Guilty, but not much pleasure: Die in der norwegischen Kleinstadt Lillehammer spielende Serie um amouröse Weihnachtsvorbereitungen einer selbstbewussten Krankenschwester verlässt zwar mit drastischen Aktionen der Hauptdarstellerin (Ida Elise Broch) gekonnt die Trampelpfade einschlägiger anloamerikanischer Filme und Serien. Aber es bleibt dann doch beliebig, zumal viele Aktionen (zum Beispiel das auch filmisch misslungene Speed-Dating) ausgedacht und die Storylines oft konstruiert wirken. Niemand fabuliert beim Speed-Dating über Penisgrößen oder virtuellen Sex - niemand!

                                                    Auf der Habenseite gibt es schöne Handlungsstränge auf der Arbeit im Krankenhaus und sehr viel norwegisches Lokalkolorit, weshalb meine Tochter die Serie auch als harmlose Vorweihnachtsunterhaltung ausgewählt hatte.

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