Darbon - Kommentare

Alle Kommentare von Darbon

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    Die smarte doch ironiefreie Verbrecherkomödie besteht mit passabler Action-Rasanz im übersättigten Video-Ozean der gerade so beliebten Plagiate des von Jules Dassin mit "Rififi" und "Topkapi" erfundenen Raubüberfallfilms.

    Die temporeichen Sequenzen mit flott auf U-Bahn-Gleisen dahinrasenden Minis können nicht darüber hinwegtäuschen, dass stoische Superstar-Chargen (Jason Statham, Mos Def) nur markige Sprüche aufsagen.

    Statt von Vorbild die raffinierte Struktur eines fast sympathisch gezeichneten Räuber-Sextetts zu übernehmen (wie vor allem in "Topkapi" Peter Ustinov), ist der Einbruch hier geplant von verdammt tumben Jungs, die mit ihren Millionen die Weiber dazu bringen wollen, ihnen auf Ledersitzen eines Angeber-Edelschlittens einen zu blasen; der unmuskulöse Freak erfindet lieber eine fette Anlage, die den Tussis einfach die Kleider vom Leib bläst, hähä.

    Das alles wäre in seiner hochbezahlten Fehlbesetzung (was außer verklärter Nostalgie treibt Donald Sutherland erneut in die Venedig genannte Kläranlage?) nicht so erschreckend, wenn eine "Real Doll" à la Angelina Jolie oder Jessica Alba den weiblichen Hauptpart übernommen hätte. Neben Sutherland und Norton als Schnauzbart-Bösewicht krampft sich das dritte Talentkaliber Charlize Theron bierernst als Tresoröffnerin und mein-Verbrecher-Papa-ist-tot-Rächerin durch einen auf primitive Lachsalven ausgerichteten Abklatsch von Räuberpistolen.

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      Darbon 24.06.2009, 00:59 Geändert 08.03.2017, 09:57

      Etikettenschwindel, denn Suspense fehlt hier entgegen dem angeblichen Vorgänger gänzlich. Der 2008er "Lodger" hat auch inhaltlich nichts mit dem Hitchcock-Original von 1927 gemein außer der Verwendung einiger Passagen einer Romanvorlage.

      Zugegeben: Hope Davis darf glänzen als Vermieterin, die sich im weiteren Verlauf rote Farbe in Gesicht und Kleidung gönnt, weil sie sich nach dem Untermieter (Simon Baker ist die sehenswert schöne Entsprechung zu Hitchcocks Ivor Novello) verzehrt. Sie erscheint wie einige hübsch plazierte Clin d'oeils als Referenz an Hitchcock [Grace Kelly wechselte in "Dial M for Murder" von Rot zu grau, Hope Davis konterkariert diese hier rein optische Wandlung]. Doch ihre Leistung rettet trotz oder gerade wegen finaler Wende den "Lodger" nicht aus seiner Mittelmäßigkeit.

      Hitchcock legte dem Publikum neben immer komplizenhaft einbeziehenden auch falsche Fährten, doch dieser Film setzt sich das derzeit angesagte Ziel, den Zuschauer für dumm zu verkaufen und in den letzten Minuten ein abstrus konstruiertes und zudem durchweg unglaubwürdiges Ende zu servieren. Da das Ende in seiner "Überraschung" gerade so "en vogue" ist, bleibt es nur bieder und muffig.

      "The Lodger" langweilt zudem mit dem unpassend plazierten Hauptstrang um einen hässlich gezeichneten Kommissar, den der Film manchmal gern scheitern lassen will wie Jack Nicholsons Figur in Sean Penns Dürrenmatt-Verfilmung "Das Versprechen". Doch dieser hier unsensibel gewollte Bulle soll zudem unfähig zu Empathie und obendrein hinrichtungswütig und cholerisch sein: Alfred Molina ist in seiner der ihm eigenen Nettigkeit überfordert und langweilt dackelig nebst zickiger Tochter und klapsmühligem Eheweib über zwei Drittel des Films, dessen Ästhetik bis auf wenig gelungen entzückende Sequenzen - Sonne und Regen geht immer! - den Videoclips der 80er entspricht.

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        Kinderklone singen vor Zuckerbergen eine Ode an das Edelweiß und lassen damit den "Sound of Music"-Konsumenten entsetzt teilhaben am kläglich-trefflichen Höhepunkt des österreichischen Widerstandes gegen das Nazi-Regime. Die Schmonzette erhielt fünf Copyright-Oscars inklusive den Academy Award für den "besten Film".

        Der wirkliche Papá der Trapp-Familie wurde für das Torpedieren eines U-Boots und das Versenken eines Panzerkreuzers mit dem österreichschen Maria-Teresia-Ritterkreuz dekoriert. Der schießwütige Trapp verspekulierte sich hernach in der Weltwirtschaftskrise bei der berüchtigten Lammer-Bank und seine Frau Maria musste der vielköpfigen Familie mit der Gründung des Trapp-Gesangsvereins mehr Haushaltsgeld beschaffen. Nach der Weigerung, vor Hitler zu singen und der darauf folgendenden Flucht bei einem Konzert in Italien gen USA füllen sie in den Staaten die Säle und werden die legendäre "Trapp-Family".

        Nach dem miefig-bundesdeutschen Erfolg einer Schnulze mit Ruth Leuwerick schrieb Oscar Hammerstein ein Musical. Aus dem seinen Kindern eher zu nachgiebigen Georg Trapp (Fehlbesetzung mit Killergesicht Christopher Plummer) wird ein strenger Offizier, der seinen Kindern das Marschieren beibringt und das Singen verbietet. Aus seiner Frau Maria (Julie Andrews), einer dem Kloster entstammenden Erzieherin, die eigentlich nur eines seiner Kinder betreut hatte, wird eine Kloster-Novizin, die sieben Kinder, die nie singen durften, zu Volksmusikstars formt.

        Selbst wenn wir die Verlogenheit dieser sich "auf wahre Begebenheiten" berufenden Geschichtsstunde ignorieren, fehlt dem Filmmusical der für das Genre nötige Schwung - bei 167 Minuten abzüglich sieben Minuten Vergnügen bleiben über zweieinhalb Stunden schunkeliges "Musikantenstadel" übrig. Dass der schnulzige Heimatfilm für den romantischen Konflikt eine Nebenbuhlerin in Gestalt der Baroness Schroeder erfindet, die bis zu ihrem Weggang [unter extremem Weichzeichner] nur in der Totalen auftreten darf, ist bei der Vergeudung der großartigen Eleanor Parker schlichtweg zum Katharsismachen.

        Erst nach über 53 Minuten voller fader Alpen-Lieder stimmt Julie Andrews mit den sieben Orgelpfeifen das schmissige "Do-Re-Mi-Fa-So", das zudem superb choreographiert ist, und bei einem Puppenspiel das legendäre "High on the hills with the lonely goatherd - lay-od-lay-od-lay-he-hoo" an. Doch die zwei wirklich gelungenen Gesangsnummern rechtfertigen das Ansehen des tatsächlich "meistgesehenen Films aller Zeiten" bei weitem nicht.

        PS: Gerade bei Tante Wiki nachgeschlagen: "In das Haus der Familie Trapp zog übrigens Heinrich Himmler ein und ließ sich dort ein abhörsicheres Zimmer einrichten"

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        • 8

          Kann eine Regierung gezwungen werden, dem Volk die Wahrheit zu sagen? Wem hat sich ein Präsident zu beugen: der eigenen Ethik oder politischen Zwängen einer mafiösen Regierungsstruktur? Aldrich musste seinen Film in Deutschland produzieren, da die USA und insbesondere deren Armee die bittere Analyse amerikanischer Politik nicht unterstützen wollten. Kühner und fesselnder Politthriller über die verbrecherische Verflechtung von Politik und Militär, der seine spannende Geschichte über den stimmigen Einsatz einer Splitted Screen - teils bis zu vier Parallelszenen - erzählt.

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            Die gern verbreitete White-Trash-Arthouse-Liebhaber-Legende "Ein Film mit Philip Seymour Hoffman muss ein guter Film sein" gilt spätestens seit "Der Krieg des Charlie Wilson" nicht mehr. Seine aufgebrachte Tirade als aufrechter und todesmutiger Agenten-Fettsack gegen einen Sesselfurzer ist zwar laut und aufbrausend gespielt, doch der fade Beigeschmack der patriotischen Mobilmachung zerstört die Leistung in einem verlogenen Fall von Geschichtsfälschung.

            Selbst die wirklich bezaubernde Amy Adams kann als Augenweide und mit superbem Talent nichts daran ändern, dass man sich beim Ausbleiben ihrer dezenten Aufritte nur noch mit Grausen abwenden kann. Wenn der feiste Tom Hanks ihr schniefend eine sülzige Kindheitsepisode um die Rache an einem getöteten Hund als seine Liebe zu Amerika erörtert, rettet ein Blick auf ihr fast unsichtbar maliziöses Grinsen nur kurz aus der verlogenen Kriegsverklärung. Ihre Bonnie nennt die Freunde des Doppelkinn-Patrioten einen Haufen ultrarechter Reaktionäre. Und diese Freunde, die der Film mit ihren Alkoholexzessen und der Vorliebe für schlechten Geschmack dem gewöhnlichen Publikum als "Menschen wie du" verkauft, erhebt und feiert der Film, der als einer der letzten filmischen Propaganda-Aufbäumer der Bush-Ära einzuordnen ist.

            Spannung gibt es keine, die Ausstatttung für einen 80er-Jahren-Historienfilm ist billig und lustig wird es in diesem als "Komödie" vermarkteten Film nur sehr selten. Wenn Ned Beatty Babykissing wie Ute Ohoven betreibt und dann Geld für Waffen rausrückt, ist das einen müden Grinser wert. Und satirische Ansätze bekommt der Film erst, wenn verstümmelte afghanische Kinder mit Ärmchenstumpfen rumsitzen und eine Dolmetscherin zugetränt erklärt, dass die Bälger ihre Patschehändchen einfach nicht von Spielzeuggranaten lassen können. "Tote Kinder sind besser als Verletzte, denn die Verwundeten verlangen den Eltern sehr viel ab". Hanks schlägt sich nun aber nicht auf die Schenkel sondern verzieht seinen aufgedunsenen Kopf zur widerlichen Tom-Hanks-spielt-Schmerz-Grimasse. Er muss Waffen beschaffen, denn tote afghanische Kinder sind immerhin besser als verletzte... (Natürlich behauptet Tom Hanks Charlie, er brauche das Geld für Schulen, aber m.W. wurden danach keine Schulen über Afghanistan abgeworfen).

            Der kürbisdumme Patriot Tom Hanks geht mit diesem als Satire getarnten Propagandafilm à la RAMBO für die bildungsnahe Mittelschicht und Fahnendussel voll auf, denn hier ist er in seinem Metier der God-bless-you-Geschichtsklitterung. Doch Julia Roberts, die sich für dieses Machwerk hergab, wirkt deplaziert. Auch hätte sie auf ein Körperdouble bestehen sollen, wie sie es 1989 bei "Pretty Woman" dem Erfolg zuliebe eingefordert hatte. Nach so langer Karriereerfahrung stapft sie immer noch wie ein Bauerntrampel, was als "Erin Brockovich" Charme haben kann, doch hier watet sie durch zähen Pathosschleim, das einem übel wird.

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            • 7

              Der Bourgeoisie-Sezierer Chabrol ist Denis Dercourts glasklares Vorbild, seine Werke hat er obsessiv studiert wie Notenblätter von Bach. Seine bürgerlichen Antihelden sind zwar ähnlich starren Ritualen verhaftet, doch sie sind netter geraten als beim Altmeister. Bei dieser Versöhnlichkeit erscheint die Rache der Metzgerstochter Mélanie, gemessen an der Ursache des verpatzten Vorspiels, sehr brutal. Die systematische und kaltblütige Zerstörung einer heilen Familienfassade kommt auf sanften, schattenhaften Raubtier-Pfoten im bon chic bon genre und unter Verwendung eines Metronoms daher und - anders als bei Chabrol - muss man bangen um die bürgerliche Ariane, die endlich trügerische Zuwendung erfährt. Mit welch gnadenloser Präzision Mélanie ihre Rache ausführt, ist unentwegt bedrohlich und nervenzerrend spannend; doch gemessen an Dercourts weiteren deutlichen Vorbildern wie "All about Eve" und "Teorema" bei aller Eleganz auch nahezu eintönig kühl und glatt erzählt.

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              • 9

                François Truffaut schuf das zeitlos elegante und erheblich spannendere Vorbild zu Tarantinos vordergründiger Schlachteplatte "Kill Bill". Die Ideenvielfalt, mit der Jeanne Moreau bei ihrem Rachefeldzug gegen die fünf Männer vorgeht, allesamt meisterlich gezeichnete und exzellent gespielte Vertreter der bürgerlichen Klasse, ist weitaus reicher, gemeiner - und überraschender. Denn wenn Julie Kohler ("colère", was für ein Name!) einen offensichtlichen Fehler begeht, dann verfolgt sie damit bereits den nächsten Plan.

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                • 0

                  Eitel und traurig posierend schlurfen zwei glatte Teenager zu einer Rockballaden-Choreographie durch das College-Remake eines schwedischen Zwischenwelt-Dramas.

                  Ein Mädchen hat im Zorn einen Jungen angeschossen und seinen Körper im Wald unter einem Gullideckel versteckt; dessen unsichtbares Alter ego erforscht nun die Motive des Mädchens und erfährt durch dessen Monologe, dass -ach!- ihre schlimme Kindheit an allem schuld ist. Das ist zwar nur behauptet, bietet aber wieder Raum für weitere gefällige Rockballaden zur Untermalung der starren Poster-Posen des schnarchigen Pärchens. Der Unsichtbare verliebt sich auch noch ohne jegliche Begründung in das schießwütige Gör, während die Spürhunde immer wieder knapp am Gullideckel vorbeischnüffeln und wie ihre menschlichen Kollegen jede innere Logik wegbeißen. [So reden die Ermittler via Mobiltelefon eine viertel Stunde darüber, dass in 15 Minuten ein Staudamm bricht und erst in letzter Sekunde wählen sie die Nummer des Schleusenwärters, um ihn anzubrüllen, er habe sofort das verdammte Ding abzuschalten.]

                  Der Videofilm ist verlogen und kitschig, biedert sich mit dummen Klischees an und überschreitet in seiner selbstgefällig ausgewalzten Langeweile mit etlichen Logikfehlern viel zu oft die Schmerzgrenze.

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                  • 7

                    Vivaldis Jahreszeiten begleiten den katholischen Priester Jean und das bürgerliche Mädchen Françoise, die aufbegehren gegen eine Welt von Heuchlern.

                    "Die Kirche geht mir - um es mal ausgesprochen bildhaft zu sagen - am Arsch vorbei", darf sich seine Exzellenz, der Bischof, anhören, wenn ein Priester der Résistance beitritt und die ölverschmierte schwarze Kutte an den Nagel hängt.

                    Robert Hossein als Jean und Claude Jade als Françoise sind ein tapferes Liebespaar in den Wirren des II. Weltkriegs; verwirrend sind aber auch die vielen abschweifenden und sich verzettelnden philosophischen Diskurse um den Standpunkt der Kirche.

                    Die Stärke des im Stil konventionellen Films liegt in der Brechung der Geschlechterrollen: Robert Hossein, der sonstige Verbrecher und Frauenschwarm hält sich zurück; Claude Jade, die "ewige kleine Verlobte des französischen Kinos" begehrt auf, denn sie provoziert den Priester "nicht einer Caprice wegen" und bringt den Abbé, der insgeheim für Maurice Thorez schwärmt, auf den richtigen Weg des Widerstandes. Der Hauptkonflikt bleibt, dass eine Mignonne am Vorabend der Machtergreifung Hitlers mit dem Fahrrad stürzt und ein Priester daraufhin ihr Knie verarztet. Und dass am Ende auf der Exekutionstafel unter dem Namen Jean Rastaud statt "Priester" die Bezeichnung "Kommunist" steht, ist nur die konsequente Weiterführung der Geschichte von "Françoises Knie".

                    • 4 .5

                      Man muss Mankells Wallander mögen, um von diesem Film entsprechend begeistert zu sein. Edel und weise sind die Motive allemal; wir wissen, wenn die Justiz nicht funktioniert, ist die Demokratie zum Scheitern verurteilt.

                      Beim ersten Auftauchen einer bestimmten Figur ist offensichtlich, wer der unbekannte Rächer ist, der hier den Abschaum per Axthieb richtet; Wallander selbst, der nur in sich selbst leidet, erkennt ihn auch beim zweiten Treffen nicht. Es ist kein Krimidrama um einen besonders fähigen Detektiv sondern ein Befindlichkeitsdrama um einen adipösen und ungesund lebenden Schweden und nebenbei auch ein Drama um Menschenhandel und die Prostitution Minderjähriger. Dass sich die Schuldigen in der ehrenwerten Oberschicht finden, versteht sich von selbst.

                      Die bildgewaltige Eröffnung mit dem Flammentod im leuchtend gelben Rapsfeld versinkt trotz eines gewissen britischen Tempos und exzellenter Photographie in einer einschläfernden Erzählung; auch die Soap-Dialoge zwischen Wallander und seinem Alzheimer-Vater machen das Drumherum zu einem faden Fernsehabend um das Mankell-Mantra, der im dunklen Herzen der Gesellschaft forscht und daran krankt: "In was für einer Welt leben wir bloß, in der sich ein 15jähriges Mädchen selbst verbrennt?"

                      Branagh spielt bewusst träge, sperrig und besserwisserisch, leicht dicklich und mit geröteten Augen, wofür er den britischen Broadcasting Press Guild Award und weitere Fernsehpreise erhielt; berühren kann diese dauertraurige Maskerade der depressiven Schwermütigkeit nicht. Das liegt dann - Branagh zugute haltend - an der Figur des Wallander, der ewig an seiner eigenen Betroffenheit leidet.

                      Branagh selbst sagt, dies sei kein Whodonit sondern ein Whydonit. Diesem Anspruch der Motivationen wird der Film nicht gerecht. Er lässt neben Branagh nur die Landschaft von Ystad als zweite Hauptdarstellerin. Immerhin bieten die wenigen Auftritte von John McEnery als versoffenem Ex-Journalist Lars Magnusson und David Warner als Wallanders Vater in dieser Tristesse für kurze Lichtblicke.

                      Gegen Ende - der pensionierte Polizeibeamte und Oberschurke der gesellschaftlich hochrangigen Zuhälterbande um Kunsthändler und Justizminister wird gegen seinen Willen aus dem Gefängnis entlassen, um als Köder seinen Schädel zur Spaltung anzubieten - kommt tatsächlich etwas Freude auf, doch dann stehen Wallander und sein Vater auch schon wieder bleischwer am Bootssteg und starren in die schwedische Landschaft. Die omnipräsente Landschaft, die dem Vater seit Jahren die immergleichen Motive für die immergleichen Bilder bietet, so wie der Sohn die immergleichen Motive des ewiglich Bösen ergründet.

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                      • 8

                        "Der Riss", ein großer Film, dessen Vorlage "Der Ballon-Mann" im Französischen treffender "Der Tag der Parzen" heißt, ist mir in seiner beklemmenden und befreienden Wirkung der liebste Chabrol und sein bester Psycho-Thriller, hier in einer expressionistischen Verquickung mit absurdem und schwarzhumorigem Theater.

                        Chabrol gelingt eine getreuliche Abbildung der abgefeimten, verlogenen und entstellten Welt und er teilt sie deshalb folgerichtig klar auf in Gut und Böse. Das Böse, einmal mehr die Reichen, bedroht hier Unschuld und Tugend. Die Bourgeoisie wird wieder als das gezeigt, was sie ist: Die Zerstörerin der Gesellschaft. Chabrol orientiert sich an Fritz Lang und dessen Mabuse; diesen spielt hier Michel Bouquet als einen Mann, der glaubt, er sei Gott, nur weil er Geld hat.

                        Wie immer in dieser Schaffensperiode heißt Stéphane Audran erneut "Hélène" und dieses Mal soll sie, die sonst auch mal Vertreterin der entlarvten Klasse ist, das käufliche Opfer der reichen Bürger - hier ihres Schwiegervaters - werden. Die absolute Identifikation mit der engelsgleichen Hélène ist es, die deren Gefangensein in einer menschlichen Hölle so intensiv miterleben lässt. Ihr Anstand und ihre Aufrichtigkeit sind Waffen, die sich nun gegen Hélène selbst richten. Jean-Pierre Cassel ist ausgezeichnet als der ebenso schöne wie gewitzte und widerwärtige Handlanger der Reichen und immer, wenn wir glauben, der machiavellistische Paul bekäme endlich Skrupel, geht er nur um so perfider vor. Rufmord, ein Porno mit einer Schutzbefohlenen und ein Drogencocktail sollen den Engel Hélène endgültig zerstören. Eine teuflische Intrige, aus der ein Entkommen immer unmöglicher wird.

                        Uns wird als beteiligtem Beobachter ständig der Boden unter den Füßen weggezogen. Verstörend, beklemmend spannend, immer unerwartet in seinen Wendungen und mit einem mehr als überraschenden Ende, an dem die drei Parzen einen nicht geringen Anteil haben. Zu den Guten gehört denn auch Hélènes Mann Charles (Jean-Claude Drouot), der zu Beginn sein Kind durch den Raum schmeißt und auch nur ein Opfer Bouquets ist.

                        Chabrol führt ein erlesenes Ensemble: Neben den Stars Audran, Cassel, Bouquet und Drouot sind da Jean Carmet und Annie Cordy als Pensionsbetreiber mit Tochter Katia Romanoff als übergroße Puppe mit übergroßer Brille, Michel Duchaussoy als Hélènes warmherziger Anwalt, Mario David als unbestechlicher Künstler und Marguerite Cassan als Frau des Ungeheurs Bouquet. Catherine Rouvel amüsiert zudem als Cassels ordinäre Fickgefährtin Sonia. Chabrol hinterlässt mit dieser ersten Garde französischer Schauspielkunst auch das griechischen Schicksalsgöttinnen-Trio um Margo Lion, das verschmitzt seine Karten legt sowie die unvergesslichen Bilder eines Luftballonverkäufers (Dominique Zardi) und psychedelische Farben zu delirierenden Tönen. Hitchcock-Epigone Chabrol zeigt sich hier als ungleich besserer Lehrmeister für Hitchcock.

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                        • 7

                          Dem titelgebenden Abkreuzspiel entsprechend, schippern die Bremer wieder einmal mutig in fremden, weil so richtig abgefahrenen Gewässern und darauf sind wir gefasst - spätestens seit "Requiem"- und um so mehr gespannt. Die Gastbesetzung ist wie Postel und Mommsen, die bereits im ersten Bild im tiefgekühltem Fischallerlei einen Menschenkadaver finden, erste Sahne: Hans-Peter Hallwachs knallt per Rohrstock gegen seine profitgeile Reederei-Erbin Ina Weisse, die als veritable Hanseatenschlampe erst zehn kleine Negerlein über die Klinge springen lässt und dann weitere Seeleute wie Gustav Peter Wöhler und Micha Gwisdek meucheln will, um die Versicherungssumme abzukassieren.

                          Unser Rechtsstaat hat gewaltige Löcher, wenn versoffene Kapitänsmützen-Handlanger von geschäftstüchtigen Hoheitsreedern schalten und walten können, ohne dass der verfassungsgetreue Staatsanwalt (hier wieder der fabelhafte Robert Dölle) gegen sie vorgehen kann. Doch wer der nicht so ganz systemkonformen Inga Lürsen ans Leder will, dem klopft der tapfere Stedefreund auf die Finger.

                          Sabine Postel wird ihrer Pistole beraubt, mit einer Schlinge gewürgt, in eine Kammer eingeschweißt und mit Handschellen gefesselt. Und Oliver Mommsen, dem ein ungewohnt und gekonnt hanseatelnder Arndt Klawitter zur Seite steht, bestiehlt ebenso politisch unkorrekt den sarottimohrig grinsenden Heuchler-Botschafter des liberalen Liberia! Natürlich zur Rettung seiner Chefin, die ja bis zum Schluss das gleiche Rückenleiden wie Stedefreunds Mutter hat. Das alles ist unkonventionell schräg und mal wieder verlässlich unterhaltsam.

                          • 7

                            Filmisch eine einfallslose Schwarte (der olle Autant-Lara eben), doch opulent ausgestattet und in seinen nach zu lang gelagerten Buchseiten riechenden Dialogen angenehm pathetisch für einen Fernsehnachmittag. Als Kind habe ich mich in Yvonne Furneaux verliebt. Auch heute lassen ihre von Tränen gefüllten Augen nicht ungerührt. Ihrer Mercédès und deren Hoffnung gehört dann auch das letzte Bild des Films. Saukomisch ist zum Ausgleich das Rampensau-Spiel von Pierre Mondy und Marie Mergey als durchtriebenes und heuchlerisches Meuchelmörder-Ehepaar Caderousse.

                            Wenn auch sehr viele Figuren und wichtige Handlungsstränge fehlen, gelingt diesem Grafen von Monte-Cristo gediegene, konventionelle Unterhaltung. Wer eine werkgetreue Adaption - und nicht die Dayan-Schnulze mit Gérard Depardieu - sehen will, sollte auf eine DVD-Veröffentlichung von Denys de La Patellières Sechsteiler von 1976 mit Jacques Weber warten oder sich die alte VHS in der Filmgalerie ausleihen.

                            • 7 .5
                              über Bonsoir

                              Der einstige Anarcho-Regisseur Mocky bleibt ein Bürgerschreck. Und der erste Broterwerb seines über Nacht arbeitslos gewordenen Helden ist denn auch der Beruf des Passanten-Erschrecker vor einem Bistro, der hernach sein Geld einsammelt. Und diesen spielt Michel Serrault mit blauen Kontaktlinsen und roten Haaren. Der quartiert sich ein bei Vertretern der Bourgeoisie ein und Mocky gibt weiteren Größen des französischen Kinos skurrile Rollen: Jean-Claude Dreyfus ist der debile Inspektor Bruneau, Marie-Christine Barrault eine zeugungs- und gebährfreudige siebenfache Mutter und Claude Jade eine verklemmte lesbische Beamtin. Gerade bei ihr, die erzürnt ist ob seines Störens bei ihrem Stelldichein mit einem Call-Girl (Corinne Le Poulain) weiß er als Laien-Missionar mit Weichheit und Ruhe ("ich bin eine Art Kuckuck") seine Philosophie zu landen und ihre noch weitaus bürgerlicheren homophoben Verwandten zu verschrecken: Nackt präsentiert er sich nun familienfreundlich im Bett der so hinterhältig entlarvten Lesbierin.

                              Mocky ist milder geworden in seiner Methode, doch er führt die Schreckgespenster in so vielen Facetten vor, dass es eine anarchische Freude bleibt, Alex sagen zu hören "Bonsoir". Als Mocky den Film 1992 drehte, mochte der Film um die Chancen gealterter Chefschneider am großen Boulevard nach dem Aus für den Tweed noch Zukunftsmusik sein. Heute passt sein Film um so besser und ebenso warmherzig wie lustig ist er bei allen Hieben immer noch.

                              • 7 .5

                                Lassen wir den Kriminalfilmaspekt außer Acht, erinnert Rolf Silbers Film in seiner Intensität angenehm an den französischen Fernsehfilm "Zwischen Tod im Leben" (1976) nach Georges Simenons "Die Glocken von Bicêtre"; damals war es Michel Bouquet, dem - zunächst gefangen in der Abwesenheit - diese Bilder erschienen und der murmelnd ins Leben zurückfand. Ihm, einem monstre sacré des Französischen Kinos entspricht der immer verlässliche Oliver Stokowski ebenbürtig in präziser Perfektion, die bedrückend, berührend und nie rührselig ist. Und Johanna Gastdorf entspricht der gütigen Wärme und jungen Weisheit der damals von Claude Jade gespielten Krankenschwester. Und der drollige Geschäftsmann, der bei seinem Gang durch den Krankenhausflur langsam wieder erlernt, die Uhr zu lesen, erinnert an jenen Greis, der sich einst in Bouquets Zimmer verirrte. "Zwischen Tod und Leben" konzentrierte sich intensiv auf das Spiel des Genesenden und der Pflegerin, die Affäre um den Verlag und die Ehekrise Bouquets bleibt Nebensache bei blitzlichtartigen Rückblenden und Besuchen am Krankenbett. Das hätte auch hier durchaus zu einem spannenden Fernsehstück gereicht, was auch der feinsinnigen Gastdorf als Schwester Hanna in ihren prägnanten Auftritten noch mehr Raum gegeben hätte; doch Rolf Silber, der dieses Drama so einfühlsam erzählt, fügt dieser Geschichte eine wirklich nicht notwendige, doch bei diesem atemraumenden Krankenhaussuspensedrama einen durchaus spannenden und stimmigen Krimi hinzu. Dessen Intrigenverlauf ist vor allem dank der fabelhaft aus einem parallel entblätterten Trugbild erwachenden Katharina Böhm ein spannendes Stück, in dem noch dazu ein schalkhafter Michael Brandner als gerissener Retter des Opfers aberwitzig einschreitet wie der herbeigesehnte Kasper, der das Krokodil verprügelt, und als scheinbar unbedarfter Dachschadenheini mitmischt. Gerade er nimmt dem Drama immer wieder die Schwere und ist sowohl Ruhepol in Schräglage als auch Spannungserzeuger mit Verve. Die erfreulich ambivalente Nebenbuhlerin Bernadette Heerwagen weiß trotz und mittels dieser Vorlage zu überraschen und Oberschurke Tim Bergmann wird immer hässlicher wie schurkiger und schurkiger wie hässlicher, so dass es eine helle Freude ist, wenn seine Rolle einen erlösenden Abgang hat, der nur als knackig zu benennen ist.

                                ps@assassina: Das von dir erwähnte Lied, das mich an die Sequenzen erinnert, deretwegen ich bei "Der Adler - eine Krimi-Odysse" immer vorgespult habe, empfand ich leider als nicht berauschend und eher störend, aber das ist immer eine Geschmacksfrage.

                                • 7

                                  Erst im Vorspann las ich den Namen Moritz Bleibtreus, nach dem Titel genannt, und ahnte einen überraschungsarmen Besetzungscoup. Doch Schrader dirigiert den seit "Run Lola Run" in den Staaten verehrten Deutschen als ernstzunehmenden Schauspieler. In diesem Film noir, bei dem die Erwähnung des Irakkrieges so beabsichtigt unzeitgemäß ist, weil wir uns ständig in der McCarthy-Ära wähnen, in der Danny Kaye und June Havock, Miss Bacall und Mr Bogart auf die Straße gingen. Wohl deshalb hat die wunderschöne Mittachtzigerin Lauren Bacall ihre Auftritte als einer der ewiglich griechischen Parzen am Kartentisch und darf die Geldheirat als Lüge entlarven: "Frauen, die Geld heiraten, glauben in dessen Besitz zu sein, doch sie dürfen sich das Geld nur anschauen".

                                  Und Moritz Bleibtreu, der nach Deppenrollen endlich mal einen "supporting part" als Co-Heldin hat, küsst den als Testosteron-Held etablierten Woody Harrelson, der seinem Liebhaber verbietet, einen in der Schwulenbar aufgerissen One-Night-Stand als "Bunbury" zu bezeichnen: Benutze nicht Oscar Wilde in meiner Gegenwart!

                                  Der Film lässt seine Stars geistreiche Kommentare abliefern und die Detektivgeschichte bleibt nebensächlich. Jetzt, wo Hollywood das widerliche Gedenkengut des christlichen Glaubens ad absurdum führt und einen Helden seinen Lover küssen lässt, erfreut diese Referenz an jene Filme, in denen Bogart noch auf Kisten steigen musste, um seine Frau küssen zu dürfen.

                                  • 7 .5

                                    "Ist das Demokratie, die Denunzianten frei rumlaufen zu lassen?", fragt Uwe Kockisch in der Schlüsselszene, im Sommer 1945, einen US-Kommandaten.

                                    Kockisch ist hier Pfarrer und auch Vater eines von einem hessischen Dorf unter Mithilfe bewaffneter Hitler-Söldner hingerichteten jugendlichen Deserteurs. Dass gerade die Befehlshaber der Vollstrecker in der Geburtsstunde der Bundesrepublik wieder rasch obenauf waren, muss und kann der Film nach diesem Satz vielleicht nicht mehr erzählen. Das übernahm ja bereits der Fahrstuhl in "Wir Wunderkinder". Und Kockisch, der Pfarrer, wird auch in der Kirche nicht vergeben können.

                                    Mit der ärgerlichen Kürze von nur 90 Minuten Laufzeit gelingt Henriette Piper und Martin Enlen ein längst überfällig reinigender und unverschämter Platzregen. Der ist trotz und gerade wegen bewusst "Event"-fernen Budgets im Bild historisch einwandfrei karg, sowohl groß als auch filigran, aufregend und mitreißend gespielt und noch dazu erfreulich ungeschwätzig. Doch er ist er trotz aller Auslassung geschmäcklerischer Muster zu kurz für die zu rasch erzählte Geschichte, die besser als Zweiteiler hätte produziert werden müssen.

                                    Nach schmonzettigen "Flüchtlingsdramen" ist "Ein Dorf schweigt" eine Vorstoß in den Versuchen der Fernsehfilm-Auseinandersetzung mit 60 Jahren BRD. Das gefällige Sub-Genre "Flüchtlingsdrama" ist zum Glück nur galanter Etikettenschwindel.

                                    Die unverfälschte Katharina Böhm ist berührend, wunderschön, erfreulich faltig und unabwendbar fesselnd als Heldin. Ihre kämpferische Flüchtlingsfrau Johanna, auf deren Haupt von Hitler-Schranzen nach Läusen gesucht wird, ist eine allzu blütenreine Flüchtlingsfrau. Der Raum für Ambivalenz und Vergangenheit ihrer Figur wird verdrängt von zwei konsequent unerfüllbaren Romanzen. Johanna darf inmitten dieses Nachriegsmiefs aus Nazis nur eine eine von Piper gesandte und von Enlen erhobene Botin sein, eine symbolische Vertreterin der so wenigen "Guten Deutschen". Die Herkunft ist da unbedeutend. Und als großartige Schauspielerin macht Katharina Böhm diese durchreisende Reiseleiterin, eine Erbin Athenes aus der Odyssee, spürbar lebendig. Sie wird keine Romanze eingehen, den Bauern ihr Land überlassen und weiterziehen. Entsprechend konsequent überlässt Katharina Böhms Johanna den "Dörflern" die Rampe: die zarte Inka Friedrich überrascht als Mutter mit grässlicher Perfidie, der ausgezerrte Stephan Kampwirth kehrt voller Schmerz und Verachtung für sein Volk zurück in die verdammte Heimat und Uwe Kockisch zieht - erschütternd sanft in seinem Hass auf das schweigende Dorf - die mürben Fäden. Wie sie ihm immer wieder zu entgleiten drohen, ist Suspense par excellence.

                                    Am Ende wird Johanna aus der zuvor verschenkten Jacke einen sich vor den Allierten versteckt gehaltenen Knaben zerren: Hitlers Helfer waren eben nicht nur die von Guido Knopp genannten Hunde, Beischläferinnen, Gärtner und Bediensteten. Es war ein Volk.

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                                    • 9

                                      All about Eve or Margo? All about Phoebe?!
                                      Vom Gesicht Bette Davis', das der Luftaufnahme eines Gebirgsmassivs mit zwei riesigen Seen zu entstammen scheint, werde ich mich nie abwenden können. Ihre Leistung als Margo Channing entspricht der Definition für schauspielerische Größe. Anne Baxter muss als Eve theatralisch verlogen spielen und hat nur eine sehr kurze Szene, in der ihre Eve wahrhaftig sein darf: Sie erpresst die Freunde Margos nach deren unbedarftem Kollegensscherz als Handlanger einer von ihr initiierten Intrige. Doch dann wird Phoebe (Barbara Bates) jene allgegenwärtige Eve vom trügerischen Thron des Starseins stoßen.

                                      Ein spannender und twistreicher Film, der Frauen (Bette Davis, Celeste Holm, Thelma Ritter) feiert und sie liebt; und leider nicht das Ende der zerstörerischen und bedauernswerten Karriere Marilyn Monroes war.

                                      Neben unzähligen anderen anbetungswürdigen Phrasen ist eine Bette Davis' Margo zugeigenet: "In diesem Beruf ist jeder schuldig, bis er seine Unschuld bewiesen hat. Das ist der Unterschied zwischen Theater und Zivilisation."

                                      • 5 .5

                                        Hirn abschalten, die Frauenfeindlichkeit ignorieren, Rock Hudson vermissen, den Unsympathen James Garner ertragen und den besten Spruch genießen: "Ich bin Beverly Boyer und ich bin ein Schwein".

                                        • 9 .5

                                          Jimmy Stewart war nie liebenswerter. Ran an seinen Tisch, mit ihm und Harvey picheln und sich klar entscheiden: Früher schlau, heute nur noch freundlich. Ihr findet Harvey an jeder Straßenlaterne oder im Bistro. Und das wunderschöne Ende? Unter Tränen der Glückseligkeit verschwommen.

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                                          • 9

                                            In Deutschland warten wir noch vergebens auf solche Werke. Wie sich die in Frankreich etablierte deutschalgerische Isabelle Adjani, die als Molières Agnès und als Truffauts Adèle Asch erste Triumphe feierte, seit etlichen Jahren für das Schicksal der Einwanderer und gegen Rassismus einsetzt, verdient höchsten Respekt. Das oft emotionslose theatralische Chargieren der maskenhaften Diva mochte bis zu diesem furiosen Auftritt noch Geschmackssache sein. Dank ihrer mutigen Empathie für die Zuwandererschüler läuft sie in ihrer unerwarteten Heimkehr mit aufgedunsenem Gesicht und breiten Hüften als "fette" Sonia zu Höchstform auf, die das jahrelange Leiden der Lehrer und ihre Frustration zum schmerzhaft spürbaren Ausdruck bringt. Was Adjani hier leistet, definiert sie als Schauspielerin neu.

                                            "La journée de la jupe" bietet einen wahrhaft unverfälschten Blick auf jene Migrantenkinder, die keine Lust auf Bildung haben und bei ihren großen und kleinen Verbrechen auf den Koran schwören. Sie wollen vielleicht Superstar einer Castingshow werden und verspüren Wahl-Macht, wenn für sie über Kandidaten à la DSDS abstimmen können. Adjanis Sonia erreicht unter vorgehaltener Waffe nicht nur, dass ihre Schüler den bürgerlichen Namen Molières aussprechen können: Jean-Baptiste Poquelin! Letztendlich gibt es die schuldbewusste Imago eines Hoffnungssstrahls, wenn die Mädchen im Schlussbild knielange Röcke tragen und der Schule der Frauen reminiszieren. Das ist bewegend und treffend, diskutiert nachhaltig Begriffe von Religion und Betrug.

                                            Gerade im Brennpunkt Schule, in dem Lehrer sich den Migranten anzupassen haben, weil sie mit dem Tragen von kurzen Röcken "deren religiöse Gefühle missachten" und deshalb gleich als Rassisten gelten, treffen die Konflikte des "Multikulti" aufeinander. Dass Sonia hier den Schülern mit der Waffe Bildungszwang verordnet, mag einigen Gutmenschen gespenstisch provokant erscheinen, doch es ist ein sowohl überspitzter als auch konkret gewaltfreier Lösungsversuch für diese Unterrichtsstunde, die vor allem eine Bestandsaufnahme sein will - und ist.

                                            Der Film verliert trotz der beständigen Präsenz von Sonias Freundin, Kollegin und Erbin Cécile (Anne Girouard) an Kraft wegen seines unsinnig tragischen Endes. Die Minister verordnen vielleicht verschwommen die Ermordung des Phantmos der Freiheit. Altenative: Kamerateam rein, Fahrt auf Sonia zur Eröffnung ihres Appells an die angeblich hilflosen und als ignorant demaskierten Minister. Aus. Abspann.

                                            Fazit: Welchem Molière-Stück entstammt Agnès' berühmtes Zitat "Die kleine Katze ist tot"? Na?! Das idiotische Portal Google hilft da wohl kaum, hihi...
                                            Weitere Lektion für jenes intolerante Schülerpack, dem dieser Tabu brechende Film respektvoll zugeeignet ist: Wem dieser eindringliche Film auf Nachfrage "am Arsch vorbeigeht", gebührt denn konsequent auf gossenenglisch: "Mission impossible".

                                            • 0 .5

                                              Reaktionärer und hohler Ballerfilm für Machos: Ein alter Sack und an Alzheimer leidender Profikiller vögelt und ohrfeigt eine in ihn verknallte junge Prostituierte, während ein 12jähriges Mädchen erschossen wird. Der Profikiller, der auch schon mal Streifenpolizisten abknallt, hatte es abgelehnt, das Kind zu töten. Ein anderer tötete das Kind und nun sieht der Killer rot. Er will jenen Baron ans Messer liefern, der das Kind umlegen ließ und ihn töten lassen wollte. Nebenbei hüpft ein junges Fräulin Nackedei umher, bevor es erschossen wird und eine halbnackte Dame im besten Alter wirft Sachen um sich, weil ein Jungpolizist sie nicht vögeln will - weil er "im Dienst" ist.

                                              Markige und durchweg idiotische Sprüche sowie ein Polizist (posiert von Koen De Bouw, der Mannequin für "Bon Prix" und "kik" sein könnte), der den Killer irgendwie mag, verleiden einen Abend, den TV Spielfilm als "spannenden Geheimtip" verkauft hat.

                                              • 3

                                                Nachdem die Furtwänglerin mit Eva Löbau zwei Folgen lang eine anspornende Partnerin hatte, sitzt sie nun mit der ihr ebenbürtig kaltschnauzigen Karoline Eichhorn in der Wanne. Das hat doch mal was in einer Folge mit der faden Lindholm: Die Kommissarin und ihre Jugendfreundin planschen pullernd in Natursekt. Die aufdringlichen Versuche einer Entwicklungsbegleitung der frigiden Lindholm mit dem jugendlichen Verehrer und der Au-pair-Oma lenkt zu sehr ab vom Versuch, einen betulichen Politthriller in die Hannover-Reihe zu integrieren.

                                                Die Geschichte erinnert an die mutigen "Tantalus"-Episoden der dänischen Serie "Der Adler" um die profitablen Verstrickungen okzidentaler Konzerne in die schwarzafrikanischen Massenmorde, ist hier nur sehr viel weniger tapfer erzählt. Die Verantwortung wird nach Afrika delegiert. Nach all dem Spektakel um den "Helden" Stauffenberg heißen die Attentäter von Diktatoren hier "Terroristen". Die laschen Handschellen für Verfassungsschützer Hansa Czypionka sind da ein recht fauler Kompromiss.

                                                Die Heldin darf gegen Ende etwas schmerzverzerrt Entsetzen anspielen und gleich hernach strahlend mit ihrem ätzenden Mitbewohner plaudern. Die Bemühung um Verknüpfung der Burda-Polizistin mit der "Großen Politik" ist gemessen am Vorbild "Adler" hier arg misslungen.

                                                • 6 .5

                                                  Fotz kapott, jetzt bist du tott! :-b

                                                  Die Absurdität religiöser Ritualdogmen weit nach mitteleuropäischer Hexenverbrennung und allemanischem Adelsinzest wird hier trefflich vorgeführt: Arrogant erhebt Proschat Madani als angeblich okzidental kultivierte Türkin ausgerechnet gegen Inga Lürsens Sabine Postel ihre drohende Hand. Denn hier dürfen Türkinnen Allah verfrüht zugeführt werden, weil Jungfernhäutchen nicht rechtzeitig zugenhähnt werden.

                                                  Das den Multikulti-Irrtum aufzeigende Sujet ist mutig und notwendig: Nicht nur ungebildete Schichten sind religiöse Fanatiker. Schmonzettenheld Erol Sander nestelt in seiner Karriere erstamlig in einem guten Film jenseits vom Degeto-Schund an seinen Manschetten. Der Rest der eklatanten Fehlbesetzung der Familie ist mit Jennifer Ullrich und Kostja Ullmann durchweg unglaubwürdig.

                                                  Ein gepfeffert-milder Tatort gegen teutonische Gutmenschen. Da muss sich die politisch linke Inga Lürsen schon mal fragen lassen, ob sie dem feministischen Flügel der NPD angehört. Mit diesem Witz befreit sich das Werk von jeglichem Vorwurf der Duldung reaktionärer Ansichten.

                                                  Dennoch hätten Thea Dorn und Seyran Ateş einen weiteren Drehbuchautoren einladen sollen. Die Dialogen sind zeitweise vorgetragene Thesen, denen das Leben fehlte, wären da nicht die famosen Schauspieler Sabine Postel und Oliver Mommsen.

                                                  ps @rkuehne Der Fall vom Stuhl war herrlich!

                                                  • 8

                                                    Dieser von Lars Montag und Stephan Falk exzellent geschriebene und von Montag spannend, bitter und kraftstrotzend fröhlich inszenierte "Kassensturz" hat mit dem Epilog "Anne-Will-Extra" zu eben diesem "Tatort" eine passable Laufzeit von zweieinhalb Stunden. Mit ganz viel Öffentlichkeit.

                                                    Seit mich das Elend der Legebatterie-Verkäuferinnen bei ALDI und LIDL beim ersten und letzten Einkauf entsetzte, meide ich diese Käfige seit Jahren wie Billig-Eier. Jetzt bin ich auf die Einbußen durch die millionenstarke Tatort-Gucker-Klientel gespannt. Tatsächlich hilft nur Boykott. Dicke Gebietsleiter in Mülltonnen zu stopfen, kann zu Rückenschäden führen.

                                                    Politisch avantgardistisch und die pissgelbe Realität schelmisch widergebend nagelt Montag mutig, potent und vergnügt die Büttel der profitgeilen und skrupellosen Parasiten Theo und Karl Albrecht an den öffentlich-rechtlichen Pranger. Denn in diesem Film ist nichts behauptet.

                                                    Vor allem Jan Henrik Stahlberg und Adele Neuhauser sorgen als sorgfältig inszeniertes Führungsgesindel für famosen Spaß, Odenthal und Kopper finden hier fast nicht statt. Dafür umso mehr die pfälzende Frau Keller (Annalena Schmidt), die dann per Gewinnspiel tatsächlich von Lu nach Hollywood darf.

                                                    Die Macher wissen trefflich darum, dass statt dröger Katharis, die nur betroffen und mutlos macht, ein optimistisches Ende hilfreicher ist - und besser knallt.