Der Witte - Kommentare

Alle Kommentare von Der Witte

  • Hier auf moviepilot fehlt der Film "HEISSE KATZEN IN DER GRÜNEN HÖLLE" aus dem Jahr 1981, in dem weder DIESER Paul Lee mitspielt, noch irgendjemand sonst, der u.U. in der mp-Datenbank verzeichnet ist. Nicht mal der Regisseur ist hier vertreten, daher muss ich zu solchen Mitteln greifen. You're welcome! Also:

    Im Genre der Frauengefängnisfilme darf man eigentlich keine Ansprüche stellen. Zumindest ideologisch lässt man sich dabei ohnehin freiwillig auf Stoffe ein, die unter keinerlei gesunden Umständen vertretbar sein dürften. In den meisten Fällen sind derartige Filme aber auch nur bedingt darauf angelegt, eine Wandlung im Zuschauer zu erwirken. Stattdessen regiert der simple Thrill in der geballten Verletzung weiblicher Unschuld, getragen von expliziten Nackt- und Gewaltszenen, die im Regelfall aus männlicher Dominanz entstehen und vom genüsslichen Rachegedanken letzten Endes eine nicht minder blutige Katharsis erhalten. So weit, so erwartbar kann man auch an diesen Film von, je nach Quelle, Pasha oder Pasan oder Shan Pa herangehen. Als Ko-Produktion aus Hong Kong und den Philippinen besitzt dieses Genrewerk jedoch eine flotte Kurzweiligkeit, die nur noch vom massiven Räudenfaktor des dramaturgisch konsequenten sowie spannungsbefreiten Trivialgehämmers übertroffen wird.

    Mädels über Mädels werden im Dschungelknast niedergeballert; einmal wird sogar einem kleinen Schwein per Tiersnuff der Kopf zersäbelt; Drahtzieher im spekulativen Frauensklavenhandel sowie dessen Wärterinnen sind gerne auch plakativ homosexuell; alle prollen sich mit arschigen Sprüchen um die Wette zu, etc., etc. Dazu gesellt sich allerdings auch eine bunte Schönheit auf der visuellen Ebene, bei welcher der Dschungel, Discos und pappige Sets in buntem Cinemascope leuchten - eine Energie, die sich sodann in schnellen Schnitten, unnachgiebigen Schusswechseln und einer Hemmungslosigkeit im Spiel und Inhalt äußert, bei welcher der gängige Filmverkoster einen Schock fürs Leben erfährt, während erfahrene Cine-Freunde ihren hellen Spaß am genüsslichen Zynismus erleben dürften. Für charakterliche Stärken bleibt nämlich nur wenig Zeit, dafür rotzen sich die Damen und Herren der Fantasie-Kriminalität unentwegt die Fressen voll, während beinahe episodenhafte Szenarien von Folter, Ausbeutung, Anmache, Flucht und Rache ihre Aufwartung machen.

    Circa 82 Minuten Laufzeit eignen sich bei solch einem flotten wie wilden Kintopp nun mal kaum zum filmischen Anspruch, stattdessen darf man mit dem Jux an der Verkommenheit sowie knackig nihilistischen Synthie-Rhythmen Vorlieb nehmen. Zig Blutbeutel werden zerplatztm durch die Palmen blitzen schwüle Sonnenstrahlen und in den tief versteckten Sex-Clubs der achtziger Jahre ist nackte Haut nun echt keine Mangelware. Eben alles schön, verdorben, taktlos und höchst naiv - bis zur indiskutablen Gewaltverherrlichung hin aber unmöglich ernst zu nehmen. Wenigstens folgt im befremdlichen Krankenhaus-Finale der Sieg des Gerechten, wenn auch mit wohlwollender Tendenz zur Selbstjustiz, aber auch weiblicher Emanzipation vom Terror durch Terror. Eine Ironie, die dem Film an sich nicht entsagt bleibt und ihn heuchlerisch wirken lässt. In seiner Dreckigkeit verbleibt er dennoch mit Vorbehalt unterhaltsam - nur für Erwachsene!

    6/10 Punkten

    5
    • 6
      über Ant-Man

      [...] Während sich größtenteils eine stimmige und eigenständige Geschichte um Räuber-Genie Scott Lang (Paul Rudd) bildet, tauchen immer wieder Sequenzen auf, die viel zu bemüht auf eine Verbindung zu den Avengers hinarbeiten – ein Kompromiss, den Wright verständlicherweise nicht eingehen wollte. [...] Insbesondere die Schauwerte jener Mächte des Verkleinerns und Vergrößerns verraten ihren Ursprung in einer Virtuosität, der jeder Ersatz-Regisseur nie wirklich gerecht werden könnte. Als Zuschauer kann man sich dennoch glücklich schätzen, dass offenbar nicht allzu viel am ursprünglichen Potenzial verändert wurde. [...] Dazu gesellen sich auch noch niedlich glucksende Ameisen, kindische Schauplätze für massive Duelle (eine Ironie, die der Film gerne genüsslich umspielt) und zu guter Letzt auch noch ein psychedelischer Sprung in unbekannte Dimensionen, von dem Christopher Nolan feuchte Träume in Farbe kriegen könnte. Kleine, feine Elemente für einen Film, der kleine, feine Kerle und Tiere zum großen Abenteuer macht. „Ant-Man“ ist somit auch nicht allzu überbordend und verpflichtet sich immer noch einem klassischen wie funktionierenden Narrativ, welches in heutiger Zeit ungefähr an die Qualität von Werken wie „Die Reise ins Ich“ anknüpfen darf. [...]

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      • 5 .5

        Versuchen wir mal eine ähnlich einsilbige Einschätzung zum Film, wie er selber schon seine altkluge Reflexion zum Älterwerden und Showbusiness in spekulativen Banalitäten ausdrückt: "Die Wolken von Sils Maria" trifft "Wish I was here" auf dem "Zauberberg" - alle positiven wie negativen Werte dieser Werke mit eingeschlossen. Wohl deshalb ist er auch soviel auf einmal: visuell glanzvoll und doch gezügelt; empathisch und doch prätentiös; ambitioniert und doch arg gestelzt; ehrlich, dämlich, kitschig, altbacken, laberig, teilweise berauschend musikalisch, herzlich und künstlerisch wie künstlich - ganz wie Paul Danos Schnurrbart. Ein Unding in episodenhafter Redundanz, bei dem alle Elemente bedeutungsschwanger und ungenutzt im Raum stehen, während dem Esprit des kreativen Schaffens nachgetrauert oder dieser auch in großen Gesten euphorisiert wird. Und obwohl es Sorrentino offensichtlich besser weiß, kommt er selbst in seinen fähigsten Momenten nicht umhin, dümmliche Klischees heranzuholen, bei denen der Schmalz zur Glorie der Altehrwürdigen sowie die Ein-Deckel-für-jeden-Topf-Mentalität noch die Spitze des Eisbergs bilden.

        So lädt die Verballhornung sowie verbale Degradierung von Videoclips und Genrefilmen nicht weniger zum Fremdschämen ein, als es bei Assayas schon der Fall war - allerdings hier eher unhomogen als Attribute ausgedrückt, die Sorrentinos ernsthaft problembehafteten Charakteren angehören. Das ist eben auch Teil seiner etwas halbgaren Gesamtgestaltung, bei der die Probleme der oberen Zehntausend anhand alter Menschen mit reichlich Kohle zur Identifikation anregen sollen und dennoch im unkonzentrierten Narrativ wahllos verloren gehen; wo Wahrhaftigkeit zur Lebenserkenntnis versucht wird, während computeranimierte Tennisbälle und unmöglich weisheitsspeiende Kinder ihre Unterstützung für das Alte aussprechen. Ein süßlicher Gedanke, doch in der Ausführung ebenso albern wie die sonstige Konstellation der "Ewigen Jugend": Vom Stil her hochklassig und in ausgewählten Momenten potenziell verwegen oder auch poetisch (Sauna-Sequenz), gleichsam belanglos und von frustrierender Gestelztheit gezeichnet (siehe Rachel Weisz' Monolog in der Schlammkur oder auch das Drehbuch-Brainstorming auf dem Balkon). Nicht nur etwas mehr Schwung, Paloma Faith und Sex in den Knochen hätten Jung & Alt hier gut getan.

        10
        • 4 .5

          [...] Cameron musste seinerzeit mit Limitierungen arbeiten, anhand derer jede außergewöhnliche Einstellung zwangsläufig wichtig, da kostbar wurde. Inzwischen jedoch soll Computertechnik an sich als Spektakel ausreichen, was unter den richtigen Rahmenbedingungen Sinn ergibt, hier aber gegen das Herz arbeitet, welches die Reihe in ihren besten Zeiten definierte: die menschliche Erfahrung von Bedrohung, Zusammenhalt, Furcht vor Ersetzbarkeit und dem Über-sich-hinaus-wachsen. Diese Faktoren spielen hier auch eine Rolle, werden aber zur zweiten Geige degradiert, welche dem publikumstauglichen Fokus auf Dystopie Folge leisten muss. [...] Ein Hoch auf die Nostalgie! Das will der Film gerne sagen, doch natürlich darf er sich nicht daran halten, selbst wenn er mit zig Querverweisen auf die Stichworte der Vorgänger anspielt und zu variierten Szenarien zusammenwürfelt. [...]

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          • Auf CEREALITY habe ich in den letzten Monaten eine Retrospektive zu den Filmen der CANNON Produktionsgruppe betreut. Nun sind alle Besprechungen in einem Artikel zusammengefasst. Viel Spaß beim Lesen, erneuten Lesen und eventuellem Weiterleiten :D

            http://www.cereality.net/thema/die-wilde-welt-der-cannon-films-075223

            4
            • 7

              Axel Ranisch hat mit diesem entschieden minimalistischen Werk ein Kleinod erschaffen, aus dem man selber Inspiration zum einfachen Geschichtenerzählen schöpfen kann wie er auch ohnehin insofern fasziniert, dass er auf derartig kleinem Boden effektiv Charakter und inhärente Verbundenheit erbaut. Einmal die MiniDV zum freien Umgang parat wie sich auch auf einen gemäßigten und intimen Handlungsspielraum konzentriert wird, präsentiert sich hier ein normaler wie herzlicher Alltag, an dem die Improvisation recht mühelos zur Menschlichkeit gelangt; quasi in der Formalität eines Home-Movies auch technische Wiedererkennbarkeit erzeugt. In solch einer freimütigen Flexibilität lassen sich sodann ganz goldige Figuren repräsentieren; stets irgendwo zwischen Frust, Arbeit, Liebe, Glück und privaten Eigenarten schlendernd, wie man es als Mensch allzu (un)stimmig kennt, hier im Blockkomplex Berlins mit Sehnsucht und Eigenart aufwartet, ohne einer strengen Stilisierung Folge leisten zu müssen. Da wünscht man sich schon, dass dieses simple Wirken schlicht solange wie möglich weitergehen dürfe; die unvermeidliche dramaturgische Wende gibt aber im Folgenden keine falschen Töne ab und sucht Spaß wie Konfrontation im immens kurzweiligen Lebenspotpourri. Absurd, billig, schludrig, offen, enthemmend, lebendig, einschüchternd, ätherisch, doof, tragisch, zart: Hier gehen viele Attribute im Einklang miteinander auf, ohne die Bandbreite zu überspannen oder innerhalb von 77 Minuten Laufzeit zu gehetzt zu wirken. Eben eine charmante Liebesgeschichte unter Familien und Männern, in der Realismus keinen gestalterischen Zwang darstellt und der Austausch unter Menschen fern filmischer Funktionen sowie Filmförderungen wirkt - jedenfalls gelingt der Eindruck in der Hinsicht zu einem Gros an Unterhaltung. Mehr Erläuterung ist für eine Empfehlung jetzt erstmal nicht nötig, da entzückt der Film als spontanes Erlebnis ja umso mehr. Auf jeden Fall darf man einen menschennahen Lachfaktor erleben, der sich ohne jede Gesteltztheit gewaschen hat.

              10
              • 8 .5

                Ein aufrichtiges und vergnügtes Märchen aus tschechoslowakischer Widerstandshaltung, das als politisches Gleichnis nicht allzu schwer zu entschlüsseln ist, sich aber auch nicht auf ideologische Absichten versteift. Im Gegenteil: Die Fantasie kehrt von Anfang an ins Ambiente ein und unterwandert reelle Strukturen, auf dass Jung und Alt einen Spaß jenseits der engen Kleinstadtmauern erfahren. Lehrer Robert (Vlastimil Brodský) sowie der wundersame und altkluge Oliva (Jan Werich) geben den Kindern dahin gehend schon eine Grundlage der Freiheit, Freundschaft und Ehrlichkeit; im Gegensatz dazu klammern sich der penible und konspirative Schuldirektor (Jiří Sovák) sowie gewisse andere Bürger an ihren Regeln, Mächten und Lügen, wie es unter "Genossen" nun mal wie überall auf der Welt leider üblich war und ist. Doch alsbald manifestiert sich der Elan des Phantastischen zur bunten Wahrheit, als ein Zirkus mit Kater angerollt kommt. Das Besondere an diesem Kater: Wenn man ihm seine Brille abnimmt, schaut er auf die Bevölkerung und legt wortwörtlich deren wahre Farben offen.

                Für Regisseur Vojtech Jasný bedeutet das, eine bunte Sause in musikalischer Logik zu inszenieren, bei der Choreographie und Farben die Wahrheit einer jeden Person aussprechen. Ob Neid, ob Feigheit, ob Gleichgültigkeit, Argwohn und natürlich Liebe: Der schwelgerische und turbulente Tanz ist eröffnet, welchen manche mit offenen Armen empfangen oder vor Angst vermeiden. Manch einer entpuppt sich sogar als Chamäleon! Und weil das nicht allen passt, versucht der Schuldirektor den Kater (für ihn) unschädlich zu machen und die strenge Normalität zu reetablieren. Doch da hat er nicht mit Roberts Rückrat und dem seiner Schulklasse gerechnet, wie im Verlauf auch überhaupt die ganze Stadt auf eine Wahrheit drängt, die als Konflikt durchweg angemessen unschuldig arbeitet, aber dennoch nicht fürs kleine Zielpublikum weich gewaschen wurde. Die politische Parabel wirkt zielsicher nach und dürfte Grund genug sein, warum der Film in der DDR um knapp zehn Minuten gekürzt wurde. Er hat aber noch weitaus mehr zu bieten, als jene Ebene - das fängt schon in der visuellen Brillanz an, die in 2,35:1 verzaubert und dementsprechend zauberhafte Tricks anwendet, um die Lust am ausgelassenen Glück wahr werden zu lassen.

                Man wird sich wundern, wie viel Freude man an simplen Stoptrick-Effekten haben kann! Darüber hinaus stellt sich hier feinsinniger wie menschennaher Humor auf, der von der lockeren Gutmütigkeit Olivas grundiert wird und sich fortwährend in der magischen Subversion des Alltags fortsetzt. Und dann sollte man natürlich erst recht nicht verachten, wie viel romantische Lyrik noch in der Enthemmung der inneren Zustände ans Tageslicht gelangt und so dynamisch leuchtet, dass das breite Grinsen nimmer schwindet - höchstens, wenn sich der Schuldirektor einmischt, da etabliert der Film ganz klar Antagonisten, wie sie entschiedener nicht agieren können (und dennoch eine überaus drollige Strafe erhalten). Knallharte Satiren oder pathetische Manifeste sehen im Gegensatz dazu auf jeden Fall anders aus, bei dem Film erklärt sich das Spiel der Mächte und die Leichtigkeit der Güte auch alles so ganz einfach - mit BILDERN (und wie immer niedlichen Katzen und Damen)! Audiovisuell wie in seiner erhebenden Gemütsqualität also ein leicht unbekannter Klassiker, den ich jedem nur wärmstens empfehlen kann.

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                • 6

                  Wie man es von Regisseur Philippe Mora gewohnt ist, stellt sich selbst dieses übernatürliche "Drama" in den Regionen ausserirdischer Entführung und Analsonden als äußerst bizarr heraus - eigentlich recht passend bei jenem Sujet. Im Zentrum dessen steht die an sich schon eigenwillige wie herzliche Familienkonstellation unter Protagonist Whitley Strieber, welcher dementsprechend wirrköpfig von Christopher Walken verkörpert wird. Der ist als abstrakter Autor in allen Fällen ein Garant für künstlerische Unschlüssigkeit; Moras Gestaltung dessen kann aber zumindest eine freimütige Authentizität im Ensemble-Spiel erschaffen, die fern des Konsens fasziniert und somit selbst den dünnen Handlungsfaden von Begegnung & Erforschung voller Häh?-Momente ausschmückt. Im Gegensatz dazu bleibt der Aha-Effekt entschieden aus wie Mora ohnehin am dramaturgischen Korsett vorbei dreht und gerade dann lebendige Charakterstudie betreibt, ohne direkte Lösungen oder gar Identifikationen für den Zuschauer bereitstellen zu wollen. Was nämlich noch als suggestiver Horror der Alien-Alpträume anfängt und Kopfkino wie direkt aus der Schlafparalyse wahr werden lässt, ist gegen Ende hin (auch erst recht dem freimütigen Elan Walkens geschuldet) ein wunderliches Kleinod, aus dem Tanz, Ekel, Spiegelungen, Halluzinationen, Hirngespinste, fliegende Schädel und so viel mehr hervorragen, bis keine gängige filmische Struktur mehr übrig bleibt - und das im gar nicht mal aufwandsfreien Cinemascope, voll bewegter Masken und obskurer Sets. Mit Walken als Hauptdarsteller geht es nun mal nie normal und das ist schick, dafür gibt Mora das ideale Ventil. Eine Erfahrung, die im Nachhinein nicht viel Substanz vorweisen kann, sich als spekulatives Unding jedoch ungern verfehlen lässt.

                  7
                  • 5 .5

                    In diesem erotischen Melodram von Hans Schott-Schöbinger ist die spekulative Psychologie zur Nymphomanie nur ein bedingt einnehmender Antrieb für den Zuschauer und nicht mal zur unfreiwilligen Unterhaltung eines Aufklärungsfilms tauglich. Jedenfalls ist die laxe Handlungsentwicklung wie auch der immens beschränkte dritte Akt dazu nicht im Stande, jenseits des Reißertums zu fesseln und verfehlt damit allzu grob eine Identifikation mit der Hauptfigur, welche hinsichtlich des Entstehungsjahres 1968 zudem in sexuell recht konservativen Szenarien endet. Ein Leben mit jener dargestellten Form von Nymphomanie mag gewiss am Selbstwertgefühl kratzen wie auch die anstehende Aufgabe der bewährten Sicherheit durch Verkauf des Familienhauses an der inzwischen elternlosen Protagonistin nagt. Ihr Schicksal vermag der Film aber nicht allzu stimmig zu empathisieren, dafür fehlt ihm sowohl die Dringlichkeit zur inneren Veränderung wie auch die Glaubwürdigkeit dorthin.

                    Nicht gerade grundlos funktioniert er selber als sexuell aufgeladener Genussfilm, bei dem das karikierte Gesellschaftsbild mondäner Langeweile sowie der gemeine Pöbel seine erklärte Freude am Sex hat. Alle Szenarien spielen sich dabei im Ohrwurm-tauglichen Easy-Listening-Groove ab, ob Andrea nun proaktiv Stallburschen wie Arthur Brauss um die Finger wickelt oder von Herbert Fux per Ledergürtel im Neonlicht ausgepeitscht wird. Sleaze und Kolportage des Zeitgeists entwerten schlicht die Stärken der eigentlichen Charakterzeichnung und so muss man mit anderen, hauptsächlich ästhetischen Vorzügen vorlieb nehmen. Vorteilhaft für diesen Fall ist, dass eine junge Dagmar Lassander als omnipräsente Lustdame die Wimpern flattern und Negligees abblättern lässt. Im geradlinigen Fokus des Films auf ihre erregenden Abenteuer vom schicken Schlafgemach zum Moloch hin, ist die Kamera ihr bester Freund und ein Sprachrohr der sehnsüchtigen Haut, mit der sie sich auch stimmungsvoll ins Heu bei Mondlicht begibt und gerne auch in Gedanken verloren am Schilf umherschlendert.

                    Die Sinnlichkeit hat Schott-Schöbingers Gestaltung dabei ausgezeichnet drauf, wie sie sich auch in Tagträumen einfindet, auf deren Betten und Körpern die Herbstblätter niedergleiten. Gleiches gilt für jene Szenen, in denen Lassander um ihre Zukunft bangend in die nachdenkliche Bewegung flüchtet - mit die schönsten Momente, zusammen mit den lyrischen Liebesspielen, die während eines Gewitters mit Art Brauss vollzogen werden. Warum dann also hält der Film es für sinnvoll, die körperliche Lust als Last zu verinnerlichen; als zweifelhaften Umstand zu werten, bei dem ganz klar werden soll, dass Sex ohne Liebe nichts wert ist? Schließlich wird selbst der ruppige Charakter von Herbert Fux in all seiner manipulativen Schmiere zum selbstsicheren Dandy stilisiert, der zudem eine recht lockere und glückliche Beziehung mit seiner Freundin führt, obwohl er gerne einige Betthässchen mit nach Hause bringt. Der Film schafft es einfach nicht, sich zu entscheiden, wie ernst er sein Sujet angehen will, was letztendlich dazu führt, dass er mit verlogener Moral hantiert und jedes charakterliche Verständnis ad absurdum führt.

                    Dabei könnte man die Problematik der Nymphomanie gewiss stilsicherer hinterfragen, ohne den Widerspruch konservativer Engstirnigkeit im Reigen des Körperkults befürchten zu müssen. So aber ist der thematische Aufhänger trivial angesetzt und dennoch mit einem schlussendlichen Nervenzusammenbruch gezeichnet, der sich nur bruchstückhaft nachvollziehen lässt - was übrigens auch für andere leichtsinnige und devote Handlungen Andreas gilt, sofern man diese nicht bloß anhand der Geilheit begründen will. Eine schwierige Angelegenheit, dieser Film, erst recht, wo man(n) doch schlicht nicht umhin kommt, der Ausstrahlung Lassanders bedingungslos zu folgen. Daran hätte sich das Narrativ ein Beispiel nehmen sollen und ein liberales Glück finden können. In dieser Konstellation bleibt jedoch trotz aller gezeigter Schönheit ein Nachgeschmack des Frusts hängen.

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                    • Das SAVOY Filmtheater in Hamburg besitzt nicht nur einen ausgezeichneten Komfort und vielleicht die größte Leinwand der Stadt zur stimmungsvollen Architektur klassischer Schule; nein, es zeigt seine Vorführungen, ganz gleich ob Neustart oder auch regulär laufender Klassiker (!), hauptsächlich im höchst dynamischen O-Ton (letztens erst MAD MAX: FURY ROAD - das hat gebrettert!). Dazu gesellt sich ein übersympathisches Personal, mit dem man zweifellos ganz freundschaftlich werden kann, sowie ein ausgezeichnetes Angebot an Snacks, Kaffees und Spirituosen. Und die Toiletten sind ebenso stylisch und sauber. Die Lage nähe Hauptbahnhof ist günstig und schnell erreichbar, die Preise durchweg im normalen Spektrum (es sei denn, man schnappt sich Cocktails und Mixgetränke). Alles im allen ein durchweg sympathischer Laden und zudem seit 2014 die Heimat des Fantasy Filmfests. Wobei man aber die anderen Kinos in Hamburg nicht verachten sollte. Viel Zeit verbringe ich auch im Abaton Kino beim Grindelhof, wo reichlich kleinere Filme (und Pressevorführungen) in heimeliger Atmosphäre laufen und wo der beste Milchkaffee der ganzen Stadt zubereitet wird; ab und an geht's auch ins Passage Kino in der Mönckebergstraße, sowie ins Cinemaxx Dammtor. Für die ganz besonderen Filme, welche auch auf 35mm laufen und zwischen Klassikern und Außergewöhnlichem alles aufbieten, ist hingegen das Metropolis Kino am Stephansplatz sehr empfehlenswert und außerdem recht günstig. Für den Filmfreund im Norden sind also reichlich wunderbare Möglichkeiten geboten - da vergeht das Monatsbudget wie im Flug!

                      5
                      • 6 .5

                        Obwohl dieser Film nach einer verzwickten Vorproduktion in die Hände von Regisseur Enzo G. Castellari gelangte, ist die ursprüngliche Handschrift Luigi Cozzis durchweg zu spüren. Schließlich ist sein Herkules-Darsteller Lou Ferrigno prominent als Titelheld vertreten, während der Elan der eskapistischen Grenzenlosigkeit zum beglückenden Abenteuer zwischen Fantasie und Unvermögen einlädt. Der ungenierte Quatsch fängt da schon im Intro an, das Edgar Allan Poe als Ideengeber des folgenden Narrativs ausweist; führt sich sodann in einem milchigen Mädchenzimmer-Set fort, wo eine Mutter ihrem Kind zum Einschlafen vom eineinhalb Stunden langen Abenteuer des „Herrn der sieben Meere“ erzählt. Dieser kämpft fortan mit seinen plakativen wie vergnügten Freunden um das Wohlergehen der ehemals glückseligen Stadt Basra, die unter der magischen Fuchtel Jaffars (John Steiner) zum Trauertal verkommen ist, wobei dieser zudem die Liebe zwischen Sindbads Freund Prinz Ali und der Prinzessin Alina (zwei Namen wie zur Einigung geschaffen) gefährdet. Um der Übermacht Jaffars Einhalt zu gebieten, gilt es nun also vier magische Steine zu finden, die über die Weltmeere verteilt sind und größtenteils von Untoten sowie verzauberten Amazonen bewacht werden. Dabei geht es wohlgemerkt mit ruppigem Gestus zu, weshalb Ferrigno Muskeln wie Mimik drollig spielen lassen kann und vor allem im deutschsynchronisierten Sprüchelager für unschuldigen Machismo-Charme sorgt.

                        Seiner Kraft sind dabei scheinbar keine Grenzen gesetzt, kann er doch nicht nur Legionen von Zombies vermöbeln und selbstverständlich Lasersteine bedienen, sondern ebenso Schlangen zureden, dass sie ihm als Seilformation aus einer Höhle helfen. Da muss er es sich auch nicht verkneifen, indiskret siegessicher in die Kamera zu schauen und wie ein Wrestler seinem Rivalen Jaffar die Meinung zu geigen. Der verlässt sich als Gegner nun mal hauptsächlich auf seine dusselige Lache, Connections in der Unterwelt sowie schwarze Magie und versucht es daher gar nicht erst, mit Persönlichkeit oder gar einer nötigen Rasur zu punkten, so wie er das Herz von Alina erobern will. Stattdessen gedenkt er eine obskure Apparatur gebrauchen, durch die sie gefügig gemacht wird - doch wie alles an seinem Plan wird auch das schief gehen. Cozzis Konstrukt des Sindbad-Märchens gibt nun mal zu verstehen: Mit künstlicher Liebe zum Sujet bringt man es einfach nicht. Herrlich charakteristisch für einen Film, der mit einem frohlockend anpackenden Ensemble aufwarten kann, das sich durch schmucke Kulissen und marode Schergen durchboxt, selbst wenn oder gerade weil im Hintergrund anachronistische Kräne, Wolkenkratzer, Etiketten auf Sanduhren und Autowagen vorzufinden sind - dem exzellenten Blu-Ray-Bild sei dank.

                        Schließlich geht es um das Abenteuer an sich und das findet sich gerne in der Naivität klassischer Ray-Harryhausen-Epik wieder, wie auch überhaupt die Klammer der familiären Erzählung den Zauber des fantasiefördernden Geschichtenerzählens verinnerlicht (und gerne mal Charakterisierungen wie Handlungsentwicklungen beiläufig hinweg erklärt). Ganz gleich, mit welchen Mitteln man da auskommen muss: Der Enthusiasmus zur gutmütigen Heldenbildung behält seine Gültigkeit und kann gerade in diesem Rahmen einer italienischen B-Movie-Produktion goldig überzeugen. Und weil alles daran in seiner exaltierten Mickrigkeit reichlich Muskeln aufpumpen kann, gibt es zudem starke Synthie-Rhythmen wie schimmernde Zeichentrick-Effekte dazu, bei denen das Herz eines jeden Junggebliebenen aufgehen dürfte. Ferrigno hat dafür natürlich auch ein keckes Lächeln parat, wobei er sich ebenso entschlossenen Mutes in pappige Showdowns altertümlicher Mystik stürzt. Unter den Bedingungen wird aber auch jeder aufgeregter Zugriff zur Pointe, weshalb der Spaß eigentlich nur selten zum Halten kommt.

                        Für Cozzi-Verhältnisse könnte der unterhaltsame Wahn aber noch weiter gehen und sollte im ursprünglichen Drehbuch sogar zum Mond führen (landet hier ferner bei der eher mäßigen Liebesgeschichte mit Kyra und ihrem spackigen Heißluftballon-Dad). Unter den Sparmaßnahmen der Produzenten gibt es stattdessen leicht repetitives Faustgemenge, wozu die bunte Mischung von Sindbads Kollegium (u.a. ein Wikinger, ein Chinese und ein Zwerg) noch gewisse abwechslungsreiche Dresch-Varianten beitragen kann. Gleiches gilt für einige schleimige Monster und spekulativ vergrößerte Piranhas, wie sie erst Ende der achtziger Jahre von der italienischen Filmindustrie losgelassen wurden. Man merkt es auch am Gesamtfilm an sich, wie er beinahe schon als letztes Überbleibsel einer Ära steht: Unbeholfene wie ungenierte Genrekost für Liebhaber eskapistischer Sausen im Plumpformat; für ein internationales Publikum mit Schauwerten der dummdreisten Schaffensfreude ausgestattet, auf dass der Ernst krepiert, der ehrliche Spaß jedoch mitten ins Herz trifft. Ging bei Cozzis „Herkules“ aber noch stimmiger auf, da muss Castellari noch einiges (bzw. seit „Zwiebel-Jack räumt auf“ eigentlich gar nichts mehr) lernen.

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                        • Weil mir langweilig ist, ich aber trotzdem einen einigermaßen sachdienlichen Hinweis liefern will, gebe ich hier nun einige wahllose Empfehlungen durch, die in den kommenden Monaten für gleichgesinnte Filmfreunde interessant sein dürften:

                          Im Rahmen einer mehrmonatigen Rainer Werner Fassbinder Retrospektive und einer zu "Artur Brauner und die CCC Filmkunst" zeigt das Metropolis Kino Hamburg mehrere schicke Filme, die man höchstwahrscheinlich nicht mehr so oft auf der Leinwand sehen wird.

                          Unter anderem im Juli schon zu sichten: Angst essen Seele auf, Chinesisches Roulette, Faustrecht der Freiheit, Martha, Morituri, Epilog, etc.
                          Auf jeden Fall anwesend sein will ich bei:

                          16.07. Mädchen hinter Gittern (Alfred Braun, 1949) - 17 Uhr
                          20.07. Angst vor der Angst (RWF, 1975) - 19 Uhr
                          28.07. Satansbraten (RWF, 1976) - 17 Uhr

                          Wer aber das Heimkino vorzieht, bekommt in nächster Zeit ebenso einige schöne Sachen geboten. In diesem Sinne hier mal meine persönlich heiß erwarteten Kandidaten fürs Regal (sofern diese auf Blu-Ray erscheinen, steht ein BR dahinter):

                          03.07. Tätowierung (Johannes Schaaf, 1967)
                          31.07. Das Todeslied des Shaolin (Jimmy Wang Yu, 1977) - BR
                          06.08. Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (Wim Wenders, 1972) - BR
                          14.08. Wenn die Musik spielt am Wörthersee (Hans Grimm, 1962)
                          14.08. Übermut im Salzkammergut (Hans Billian, 1963)
                          14.08. Ich kauf mir lieber einen Tirolerhut (Hans Billian, 1965)
                          20.08. Der Gigant aus dem All (Brad Bird, 2000) - BR
                          24.08. Eaten Alive (Tobe Hooper, 1977) - britische Arrow-BR
                          XX.09. Die Engel von St. Pauli (Jürgen Roland, 1969) - BR
                          04.09. John Glückstadt (Ulf Miehe, 1975)
                          04.09. Bibi & Tina - Voll Verhext (Detlev Buck, 2014) - BR
                          17.09. Mad Max: Fury Road (George Miller, 2015) - BR
                          24.09. Zardoz (John Boorman, 1974) - BR
                          09.10. Lady Snowblood (Toshiya Fujita, 1973) - BR
                          04.12. The Sword of Doom (Kihachi Okamoto, 1966) - BR

                          Fleißig notiert? Oder noch weitere Empfehlungen für mich in petto? Dann schreibt hier drunter oder auch nicht, ich weiß ja gar nicht mal, ob das überhaupt jemanden interessiert. Egal :D

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                            Jemand muss mal die Musikauswahl der Filme Alan Vydras zusammenfinden. So wie er hier nämlich schon anfängt und seine Carolyn Grace im Neonlicht der urbanen Nacht nach der Ekstase suchen lässt, hat schon etwas Beschwörendes, das durch elektronische Impulse zur vereinnahmenden Sehnsucht wird. Dabei ist dieses Intro auch die dringliche Fantasie unserer Hauptprotagonistin, deren Ehe mit dem lyrischen, doch altertümlichen Gatten Paul stets in sexueller Langeweile endet. So flüchtet die schüchterne, doch unerfüllte brünette Schönheit in Eroberungsfantasien sowie Tagträume mit Männern wie Frauen, oftmals auch mit ihren aktiveren Freundinnen als Ersatzakteure ihrer insgeheimen Lust auf mehr. Vydras Inszenierung und Drehbuch stellt die hin- und hergerissene Verklemmtheit seiner Hauptdarstellerin angemessen dar und fällt in seiner natürlichen Grundierung nicht in jene beliebte Genre-Fallen, die jenseits der Charakterzeichnung auf plötzliche Geilheitsausbrüche im Männerfang setzen, nur um weitere lüsterne Szenarien aneinanderzureihen. Im Gegenteil: Sobald sich sogar potenzielle Sexszenen mit anderen Charakteren ergeben könnten, an denen Carolyns Figur nicht weiter teilnehmen wird, blendet der Film respektvoll ab und behält ihre Geschichte weiter im Fokus.

                            Beispielhaft dafür sei jene Szene genannt, in der eine ältere Freundin (mit recht verdorbenem Mundwerk) ihr einen Klempner an den Hals schmeißt, der jedoch nicht das Liebesspiel mit ihr vollziehen kann, da sie sich zu unerfahren im Bett wälzt. So entzieht sie sich aus Scham, während sich die Freundin an ihn ran macht, doch darauf wird dann nicht mehr weiter eingegangen. Stattdessen zieht es sie auf den Dachboden, wo im stimmungsvollen Lichteinfall eine Bedienstete ihres Mannes masturbiert, was nach zartem Herantasten zum lesbischen Vergnügen führt. Und auch dort sind Montage sowie Musik von aufgeregter Schönheit gezeichnet und treiben sich wie die Darstellerinnen in ätherische Höhen, zu denen sogar Chöre à la Popul Vuh ihre Aufwartung machen, während in der Dunkelheit das viktorianische Schlafgemach zum Träumen einlädt. Sowieso ist die audiovisuelle Gestaltung Vydras gerne bereit, den Beischlaf geradezu zu pointieren; mit dringlicher Kraft auf den Höhepunkt hinzuarbeiten, der zuckende Glieder auf sanfte Haut und stöhnende Münder treffen lässt. Als Porno wird der bezeichnend betitelte „Happening“ seinem Genre nun mal gerecht, doch gerade die Konzentration auf die Funktion des Titels wird gar nicht mal unwirksam in Bezug auf Charakterstärke eingesetzt.

                            Carolyns Verhältnis zum Sex passiert eben hauptsächlich auf mentaler Ebene - wenn ihr Mann sie nur im Schlafmantel und mit Nachthäubchen begatten kann, bleibt ihr trotz aller gleichgültiger Duldung ihrerseits lediglich noch das Wandern in Fantasie-Momente, bei welchen sie auch gerne gröber und auch gleich von mehreren Herren genommen wird. Erst durch ihre Freundin motiviert, welche eine recht lockere Beziehung zuhause führt, begibt sie sich mit Vorsicht in einen leichtfüßigen Puff, in dem sich allerhand freie Paare zum Stelldichein finden. Nur sie bleibt dabei alleine zurückbleibt; traut sich nicht mal, sich selbst oder andere anzufassen. In dem Moment verliert Vydra aber auch ein Stück weit seine Entschlossenheit, den Fokus auf sie zu belassen und spielt sodann die spaßige Orgie aus, die ihr entgeht. Da wird ganz unbekümmert im flotten Rock-Beat gerammelt, so wie die Lust auf dem Höchststand gerät. Carolyn hingegen kann sich ihre Erfüllung weiterhin nur in kreiselnden Gedanken abholen, während ihr Blick vom malerischen Anwesen über das Gras in den lauen Horizont schweift. Solche Momente der atmosphärischen Ruhe beherrscht Vydra ebenso; lässt der charakterlichen Träumerei nach Verbesserung Luft wie er auch die Dialoge minimalistisch, respektvoll und auch fern vom Klamauk hält.

                            Die Leere von Carolyns Leben in diesem Ambiente ist durchweg zu spüren und strahlt eine verschlossene Tragik aus, die auch dann nicht entwertet wird, sobald sie tatsächlich den reellen Vorstoß zum Beischlaf mit mehreren Mechanikern in einer Autowerkstatt vollzieht. Jedenfalls scheint er real, eine klare Abgrenzung zwischen Realität und Tagtraum schafft Vydra da nicht; suggeriert mit seiner intensiven Bild- und Tongestaltung allerdings eine Anspannung, die sich wirklich lange zurückhielt und nun in heißer Erwartung das Ersehnte geschehen lässt - eben ganz das „Happening“. Zum Schluss bleibt aber eine bittersüße Note, bei der Carolyn trotzdem in glückloser Ehe verharrt; zwar noch immer zaghaft ihre Liebe zu Paul eingesteht, aber mit lethargischer Haltung weiterhin nur ihre Lust in der Fantasie erblicken kann. Wie so vieles im Leben ändert sich ihre Situation nur bedingt, wenn auch ein Funken der Hoffnung überlebt und einigermaßen Empathie beim Zuschauer auslöst - jedenfalls mehr, als es beim gängigen Pornofilm der Fall ist und normalerweise auch weit zynischer behandelt wird. Carolyns Vorstellungen von Beinahe-Überfällen mehrerer Herren ist dabei sicherlich nicht ganz unproblematisch; der Wunsch danach geht aber immer noch von ihr aus, was sich im Rahmen des Films aber vor allem in seinem letzten Akt zur ambivalenten Auslebung eines inneren Zwanges stilisiert.

                            Es gibt im Pornofilm vergangener Jahrzehnte eben auch ein paar andere Facetten abseits der entblößten Fleischeslust zu finden und da ist Alan Vydra mit seiner Ambition zur charakterbezogenen und filmisch motivierten Stilistik stets eine interessante Ausnahmeerscheinung inklusive Hang zum elliptischen Melodram (siehe auch „Abflug Bermudas“). Wem das alles zu hoch ist, kann sich jedenfalls auch weiterhin an schönen und flexiblen Frauen, herrlichen Dekors und Landschaften im Zeitkolorit sowie professionell aufbereiteter Sexualität erfreuen - dafür sind die 77 Minuten Laufzeit auch kurzweilig und befriedigend genug gehalten. Dann darf man aber auch umso angenehmer überrascht sein, wenn man sich mit der frustrierten und nach individuellem Glück strebenden Carolyn irgendwann sogar identifiziert.

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                              Für alle, die vor kurzem noch die Wiederentdeckung der „Mädchen: Mit Gewalt“ feierten, dürfte sich eine angenehme geistige Fortsetzung in diesem Film finden lassen. Viele überraschend ähnliche narrative Elemente werden hier zwar umgekehrt und aus der Bedrängung des Inneren in die Abhängigkeit durch Ferne geführt - weshalb auch weit zärtlichere Banden geknüpft werden -, dennoch werden hier Konsequenzen ausgeführt, die Roger Fritz beim oben genannten Machtspiel der Geschlechter noch im Zaum hielt. Bei Franz Seitz wird das Explizite vom Filmtitel hingegen auch eher im Kopfkino ausgeführt, die Ermattung davor wirkt dennoch gut nach. Ehe diese Unausweichlichkeit jedoch dargestellt wird, setzt der doch arg berechenbare Rahmen einer Gerichtsverhandlung ein, an dem in Rückblenden der Tathergang und seine Ursprünge rekonstruiert wird. So lernen wir zunächst unsere zwei vermeintlichen Protagonisten und Angeklagten kennen, die kultivierten Münchener Damen Andrea (Susanne Uhlen) und Simone (Anita Mally). Umringt von einer gaffenden Männerwelt scheren sie sich nicht um derartig billige Exemplare, verdienen sich stattdessen jeweils ihren Lebensunterhalt als Schallplattenverkäuferin und Redakteurin für Magazinbeiträge, während sie sich vor allem literarisch mit der Historie und dem Wirken von Abelard sowie seiner großen Liebe, Heloise, befassen.

                              Die Poesie der Vergangenheit umläuft ihre Gedanken, sobald sie auch die Zärtlichkeit aneinander entdecken und wie blonde Engel im Zeitgeist versinken. Im Folgenden teilen sie sich jedoch einen ausgesuchten jungen Mann, der die Situation genauso leicht nimmt wie die Beiden sich ihm auch in sommerlicher Fasson eröffnen: Tierarzt Dr. Georg Rauh (Christian Kohlund), ein leichtfertiger wie genießender und entspannter Zeitgenosse, lässt sich auf abwechselnde Liebschaften zwischen den Freundinnen ein, was bei Andrea zunächst nicht unbedingt auf Gegenliebe trifft, aber zusehends für allseitiges Einverständnis in Glückseligkeit und Körperlust sorgt. Jedoch trifft er bald in voller Kenntnis von Andrea und Simone die Theaterschauspielerin Nana (Christine Buchegger) und findet damit die für ihn richtige Partnerin; reist mit ihr zusammen nach Irland und verlebt dort eine lyrische Romantik, bei der Andrea und Simone natürlich ausbleiben. Selbst bei diesen schlauen und objektiven Frauen der Kunst schlägt also die Härte der Eifersucht auf, zeitgleich distanziert sich der Film dann auch von ihrer Funktion als Protagonisten und widmet sich mehr dem Glück Georgs. Nicht allzu subtil geschieht hierin eine Emotionalisierung, welche die baldige Parallelisierung zum tragischen Schicksal Abelards dementsprechend auffällig vorbereitet und auch zur Motivation der beiden Hinterbliebenen ansetzt.

                              Nach geschichtlichem Vorbild die Enttäuschung des Vertrauens zu vergelten, zeugt geradezu von psychotischer Verklärung und da nimmt der Film eine Wendung, welche einerseits so wenig reißerisch wie möglich die Erwartungen am Charaktertypus unterwandert, wie er sich diese Subversion andererseits auch nicht allzu feinsinnig verdient. Der Inszenierung von Seitz kann man dabei zugute halten, wie entschlossen sie jene Lyrik des Schicksals per Sinnlichkeit veräußerlicht sowie das Festhalten an Lust und Leichtigkeit vermittelt. Das Gefühl, das Andrea und Simone beherrscht und trotz seiner kurzen Dauer einen bleibenden Eindruck hinterlässt, kommt daher nicht von ungefähr für den Zuschauer, wie sich auch die schlussendliche Härte des Ganzen in gewissen Eindrücken ankündigt, welche die Kastration eines Pferdes unter klinischen Bedingungen als schmerzlosen Akt der Gnade präsentiert. Ebenso gerät der Affektentschluss der Beiden fast schon zur beidseitigen Katharsis, einerseits für die von der Liebe enttäuschten Frauen, andererseits für Georg, an dem wie zu erwarten das Schicksal von Abelard rekreiert und somit auch die Liebe zu „seiner“ Heloise bewiesen wird - auch wenn er gar nicht darum gebeten hatte.

                              Natürlich schwingt in einem derartigen Kontext eine gute Menge fehlgeleiteter Prätension mit, sowohl von Seiten des Narrativs als auch von Seiten des Regisseurs. Die psychologischen Verbindungsstücke sind nämlich doch insgesamt recht lose gesetzt und ebenso spekulativ von einem zweischneidigen Frauenbild abgefärbt. Unterm Strich bietet der Film aber auch einen Sog an, der sich aus der Reflexion seiner Entstehungszeit gründet: In der freien Liebe darf sich jeder jeden anbieten, das Glück lässt sich aber zwangsläufig nicht mit jedem teilen. Schon irgendwo eine konservative Pointe, aber auch ein Zeugnis von der Unausweichlichkeit des Zwischenmenschlichen und „Egoistischen“. Niemand entkommt den Gefühlen oder dem Glück in der Bindung (selbst in der freien Liebe bindet Sex ja physisch wie psychisch zusammen) und nicht jeder findet das rechte Ventil dafür. Ebenso ist dieser Film nicht durchweg stimmig in seinen psychologischen Machtverhältnissen und Identifikationen anhand von Kunst und Geschichte (prominent dabei mitvertreten: Werke von Egon Schiele und Bernhard Wicki), dann aber wieder doch ein Quellbrunnen der Schönheit im jugendlichen Leichtsinn und Anspruch zur Liebe. Auch hier gilt also: Eine Wiederentdeckung wert.

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                                Ein italienischer Indiana-Jones-Verschnitt, welcher allerdings im gehetzten Unterhaltungspegel an fehlender Kohärenz und maximiertem Honk-Witz kaum zu überbieten ist. Unnachgiebig ausgestattet mit einer plakativen Bösewicht-Fraktion, einem haltlos naiven Weltbild der Geschlechter im Reißwolf des Dschungels sowie kostengünstiger Wahnsinns-Action, geht der Film aufs Ganze, ohne jemals einen Ruhepol zum Einfinden anbieten zu können. Statt dessen türmen sich markige Sprüche, Stimmungsschwankungen zwischen Abenteuer und Macho-Fantasie bis hin zur psychotronischen Hysterie und Selbstverständlichkeit erotischer Anziehungskraft sowie Gummi-Effekte am laufenden Band. Regisseur Gianfranco Parolini gibt seinem Comic-Menschen namens Clifton Bradbury III., auch bekannt als „Inka-Man“ (Luigi Mezzanotte), schlicht die Bühne frei und inszeniert um ihn herum ein haltloses Spektakel des spackigen Wahnsinns - Hauptdarstellerin Kelly London hat es da im Vergleich als Partnerin Linda Logan eher schwer, einen Eindruck jenseits ihrer erregenden Figur zu hinterlassen. In der dringlich bewegten (und trotzdem einigermaßen unschuldigen) Zusammenarbeit beider gilt aber auf jeden Fall: Je länger man mit drin hängt, desto erschöpfter wird man; je weniger man versteht, desto besser. Denn was dann an Lachern zusammenkommt, ist kaum zu beschreiben - erst recht, wenn Alkohol mit im Spiel ist, ja sogar im Spiel sein muss. Das einzige, was man in so einem Fall noch machen kann, ohne den ganzen Reiz toterklären zu müssen, ist erneut der Verweis auf den verdammt schönen Trailer, der hier in aller eskapistischer Schrägheit begeistert:

                                https://www.youtube.com/watch?v=DK--qGVn5Eg

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                                  Wie schnell Bert I. Gordon doch zur Sache kommt: Ehe eine stimmige Charaktereinführung von statten gehen kann, entfesselt „Der Turm der schreienden Frauen“ seine mörderischen Kräfte im reißerischen Schwarzweiß. Zumindest so reißerisch, wie es die ausgesprochene B-Movie-Produktion des Ganzen ermöglicht. Was dementsprechend an horriblen Effekten quälender Geister zusammenkommt, ist schon einigermaßen lachhaft wie beglückend charmant. Und weil jene Effekte befriedigend sowie spärlich eingesetzt werden, liegt der Fokus zur Entzückung aller auf Tom Stewart (Richard Carlson), welcher die Affäre mit der heißblütigen Vi Mason (Juli Reding) anhand unterlassener Hilfeleistung tödlich beendet und fortan von der Schuld sowie ihrem intriganten Geist verfolgt wird. Ganze 75 Minuten dauert sodann die spannende Verfolgung ums flache Strandgebiet, weshalb ein außerordentlicher Kurzweil die psychologische Hysterie Toms begleitet und mit plakativen, beinahe pointierten Dialogen aufwartet. Dabei belässt es der gepeinigte wie schuldige Tom nicht nur bei der spirituellen Vi, wenn es darum geht, der Weiblichkeit mit Schwäche, Lüge und egoistischer Mordlüsternheit entgegen zu kommen. Allen voran die Wahrung einer familiären Einheit mit seiner Verlobten Meg (Lugene Sanders) und ihrer kleinen Schwester Sandy (Susan Gordon) geht er so nervös und verdächtig an, dass selbst die blinde Nachbarin Mrs. Ellis (Lillian Adams) ihm ansieht, wie wenig Kontrolle er vorzeigen kann. Dieser kontinuierliche Zerfall moralischer Festigkeit beim „besten Jazz-Pianisten der Welt“ unterhält durchweg; findet eben auch seinen Spaß am Konzept ohne Ablenkung, das zwischen Pulp, Piano und Paranormalität als mörderischer Reigen filmischer Naivität bockt. Viel schöner als erklärende Worte zum Film dürfte allerdings dessen Trailer wirken, weshalb er hier in aller Schönheit präsentiert werden muss:

                                  https://www.youtube.com/watch?v=KRHh5dOYPYc

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                                    Gib Adrian Lyne ein Tanzdrama und es wird das erotisch aufgeladenste Genre-Werk seiner Ära. „Flashdance“ ist in dem Sinne schon ein optisch schwüler Genuss, an dem die Ekstase der choreographierten Bewegung ihr Ventil findet. Dafür steigen mehrere Variationen jener Kunst ins Blickfeld und reißen sich mit einer Handvoll knackiger Hits um die Erfüllung der individuellen Herzenssache. Zentral dafür versucht die achtzehnjährige und immens sympathische Alex (Jennifer Beals) einen Start aus der Nachtbar und dem Stahlwerk hinaus; kämpft aber auch mit Selbstzweifeln und bürokratischen Hürden wie auch ihre Freundinnen mit ähnlicher Begabung am Traum zerbrechen. Das Drehbuch von Tom Hedley und Joe Eszterhas zeigt ein dementsprechend sleaziges Milieu als Alternative wie auch das sonstige Ambiente in Pittsburgh dem Zerfall entgegen läuft. Es geht unmissverständlich bitter zu, doch ein Film namens „Flashdance“ strebt natürlich nicht nach überbordender Traurigkeit, wie er auch kein Glück vorheuchelt.

                                    Liebe lässt sich für Alex in Vorarbeiter Nick (Michael Nouri) finden; ihr Loft in einer verlassenen Fabrik ist geräumiger als meine Wohnung; Mentorin Hanna (Lilia Skala) bekräftigt sie, das Tanzen weiter zu verfolgen und zumindest die Annahme beim Konservatorium zu versuchen; Pitbull „Alter“ hat für jede Situation die goldigsten Reaktionen parat; Kollege Richie (Kyle T. Heffner) dafür richtig lumpige Polenwitze. Die kann eine erstklassige Berliner Synchro noch retten wie ohnehin ein ungezwungener Dialog zwischen allen Parteien zustande kommt. Das erfrischt ganz nach der Methode einiger unbedarft eingestreuter Breakdance-Sequenzen und Spiele mit Polizei-Lotsen; zudem ist Alex nicht verlegen, ihre Hormone auszuleben. Regisseur Lyne nimmt solche Avancen mit kecker Erotik wahr, wobei seine Inszenierung durchweg mit Luftfeuchtigkeit punktet - ob nun anhand von nassen Straßen, schwitzigen Gesichtern und Körpern oder herunterstürzenden Wassereimern: Es geht heiß zur Sache und mit rhythmischer Energie in das Lichtgewitter der achtziger Jahre.

                                    An Strobo-Effekten und Nahaufnahmen in der Hüft-Region wird dabei ganz nach Lyne's Art auch nicht gespart; der Schauwert der Körperbeherrschung ist dennoch stets formvollendet im Fokus, selbst wenn sich die Hoffnung in die Nacht entlässt. Dann laufen die Tränen nämlich den Hals runter und dürfen sofort zarte Hände des Verständnisses spüren. Solche einfachen und ehrlichen Gesten sieht man gerne bei einem gleichsam einfachen und ehrlichen Film, der Charaktere wie Stil liebevoll behandelt, ohne forcierte Bemühung auszustrahlen (abgesehen von der Bemühung, die unsere Protagonisten ansetzen). Manchmal lässt sich eben alles mit bescheidener oder eben stilsicherer Größe sagen, da ist Lyne so eigen wie aufregend und empathisch. Allzu bezeichnend reflektiert sich das im Songtext zu Irene Caras „What a Feeling“: „First when there's nothing, but a slow glowing dream, that your fear seems to hide, deep inside your mind - all alone, I have cried, silent tears full of pride, in a world made of steel, made of stone - well, I hear the music, close my eyes, feel the rhythm, wrap around, take a hold of my heart.“

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                                      Rodney Ascher kehrt nach seinem kontroversen Verschwörungs-Spaß „Room 237“ mit einer Dokumentation über Schlafparalyse zurück, wie sie nur von ihm kommen kann. Acht Opfer der Störung im Traum melden sich dabei zu Wort, während Ascher die Eindrücke und Geschichten mit intensiven Nachbildungen an den Zuschauer heranträgt. Der Horror der Machtlosigkeit gegenüber Schatten, Formen und Geräuschen in jener intimen Sphäre des Bettes, welches im Kopf zur unfreiwilligen Falle wird, ist eben auch nicht nur ein gruseliger Gedanke, sondern auch audiovisuell recht ergiebig. Die Spannung erbaut Ascher somit ganz natürlich aus der stationären Beobachtung, welche in der steten Erwartung des Unbekannten sowie immens real wirkender Traumgebilde nimmer zur Ruhe kommt und sich den Schlafgestörten wie dem Zuschauer bemächtigt.

                                      An dem aufrichtigen Erfahrungsaustausch der Befragten, zu denen Ascher ebenso als Leidtragender beitragen kann, kommt sodann auch zum Vorschein, wie sich spezielle Eigenschaften der mentalen Erscheinungen bei jedermann gleichen und auch in so ziemlich jeder Kultur auftauchen. Sowieso bleibt die Suggestion, das es jeden treffen und sich eben auch wie eine fixe Idee bei solchen einnisten kann, denen man im Detail von dieser Erfahrung berichtet: Eine vierte Dimension, aus der man teilweise glaubt, nimmer erwachen zu können (Todesfälle sind nämlich auch keine Seltenheit). Dieser angsteinflößenden Form des Kopfkinos kommt Ascher gerne unterstützend nach und macht dabei allzu effektiv darauf aufmerksam, wie ein derartiges Erlebnis verstören kann und warum jene davon befallenen Individuen in der Hinsicht ernst genommen und Hilfe erhalten müssen - ohne dabei nochmal gesondert anbiedernd auf die Nötigkeit derer hinweisen zu müssen; der erhaltene Eindruck sollte schon reichen. Denn die Selbsttherapie, wie sie ebenso thematisiert wird, verstärkt den Impuls der Paralyse nur, da dieser sich anpassen kann. Kein Wunder, wenn dies vom eigenen Hirn und dem unweigerlich ständigen Gedanken daran in Gang gesetzt wird.

                                      Nun ist Aschers Film aber weder Plädoyer noch melodramatisches Rührwerk. Stattdessen erklärt er den Horror eben auch mit dem (geschickt genutzten) Regelwerk des Horrorfilms, weil die Befragten ebenso eine Verarbeitung und Verbundenheit im Horrorfilm finden - ob nun bei „A Nightmare on Elm Street“, „Insidious“ oder sogar „Natural Born Killers“. In dem Sinne legt es Ascher vor allem dementsprechend darauf an, den Schrecken in all seiner Unschlüssigkeit und Härte zu veräußerlichen, teilweise mit pointiert surrealen Sequenzen wie auch mit Jumpscares und äußerst expliziten Schockmomenten - eben so, wie es erlebt und nacherzählt wird. Wäre da eine subtilere Aufarbeitung nicht genauso wirkungsvoll? Wahrscheinlich ja. In dieser mitreißenden und ganz bestimmt auch bewusst reißerischen Form zieht die Erfassung des Phänomens auf jeden Fall ihre schauderhaften Register auf und hinterlässt auf jeden Fall reichlich Ermattung.

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                                        Wirklich gelungene Parodien kommen zusammen, wenn bei der Emulation des ursprünglichen Subjekts auf Glaubwürdigkeit gesetzt wird - selbst wenn man dabei ein vollkommen entbehrliches Spielfilmformat derartig stimmig repliziert, dass alle dessen Schwächen mitgeliefert werden. In diesem Fall erlebt man also auf dem Lifetime-Sender einen waschechten Lifetime-Film, der aber von etablierten Komödianten erdacht und besetzt ist. Selbst wenn man sich hierzulande nicht speziell mit der Marke Lifetime beschäftigt, ist man mit derer Art von Output als erfahrener TV-Zuschauer längst vertraut: Das routiniert heruntergekurbelte Thriller-Prozedere, welches mit geringstem Widerstand auf den anspruchslosen Nervenkitzel abzielt und dabei mit flach eindeutigen Charakterisierungen wie Dialogen zum melodramatischen Klimax ansetzt - audiovisuelle Zweckmäßigkeit und spekulative Psychologisierung inklusive. „A Deadly Adoption“ ist sich dessen allzu sehr bewusst und kann daher vielleicht nicht denselben Charme einer unfreiwilligen Komik vorweisen. Doch anstatt dessen, dass der Film versucht, auf den Humor der schlechten Qualität hinzuweisen oder auf absurde Spitzen zu treiben, spielt er sich gnadenlos straight-faced durch.

                                        Will Ferrell und Kristen Wiig arbeiten sich in dem Sinne per gemäßigten Spiel an ein Drehbuch heran, das bis zum Anschlag mit Klischees gefüllt ist wie es auch eine Zwischenmenschlichkeit aufzeichnet, in der jeder Satz geradezu ökonomisch zum nächsten Anhaltspunkt der dramaturgischen Relevanz kommt. Doch selbst jene Dialoge legen sich in all ihrer Unnatürlichkeit niemals als blanker Witz offen, wie auch die Zuspitzung der Ereignisse zwar hanebüchen, aber niemals zu absurd verläuft. Tatsächlich ist die innere Charakterentwicklung, mag sie noch so trivial sein, sogar stimmig aufgebaut - eben objektiv ein ganz legitimes Standardprodukt und kein gewollter Schrott-mit-Ankündigung. Der Spaß entsteht eben dadurch, dass sich Ferrell und Wiig dem Reigen der Einfältigkeit dermaßen anpassen, dass der Zuschauer unweigerlich zum brüllend komischen Kopfkino verleitet wird, inwiefern sich diese Epigonen der Komik zusammenreißen mussten, um dieses höchst kalkulierende Einwegdrama über die Bühne zu bringen. Ihr Schauspiel zu beobachten, ist dabei ein Genuss, der wohl nur von der ausgelebten Ironie übertroffen wird, mit welcher die Zwei ihre streng ironiefreien und somit umso gestelzteren Figuren auftragen.

                                        Das gilt natürlich ebenso für den irrwitzig-konstruierten Kollegen voller Nettig- und Aufmerksamkeit, Charlie (Bryan Safi), wie auch für die Darstellerin der mysteriösen Leihmutter Bridget, Jessica Lowndes, welche ein ebenso glaubwürdiges Bild zu einer stetig hysterischeren Femme Fatale abgibt. In ihrer Qualität bestehen erst recht keine Unterschiede mehr zum real thing, weshalb sie sogar eher ins Programm reinpassen würde, als die bewusst absurde Note der Anwesenheit Ferrells und Wiigs. Wohl auch deshalb kommt der Eindruck bei „A Deadly Adoption“ irgendwie nie ganz soweit zustande, dass man ihn vom Restbestand der Lifetime-Schmiede auseinanderhalten könnte. In gewissen Zeitpunkten macht er eben auch dumpfe und lange Plätscher in Richtung Spannung; die Emulation kann eben nur in ihrer Vollständigkeit gelingen. Aber wenn sie gelingt, dann mit schallendem Gelächter aufgrund der meisterhaften Entbehrung zur Entbehrlichkeit. Und wenn das nicht reicht, beseitigt der Happy-End-Dance alle Zweifel.

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                                          Ja, es ist wahr: Bei diesem offenbar allseits beliebten Neuling von Animations-Elite Pixar kann man irgendwie nur auf hohem Niveau meckern. Schließlich schafft der allgemein gehaltene Spaß für Jung und Alt in beachtlich fokussierter Effizienz genau das, was er durchweg mit respektvoller Note ansetzt und ausführt: Eine fantasievolle Visualisierung gedanklicher Prozesse als Abenteuer der Emotionen. Und was da alles für Gefühle reinpassen sowie im Wechselspiel clever abgestimmt und schlagfertig konfrontiert werden. Ohnehin: Was für ein kompaktes Drehbuch, an dem sich diese Umsetzung des ganzen Gedankensystems mit grenzgenialer Leichtigkeit vollzieht; wo die Stationen des Kindseins mit veständnisvoller Unterstützung aufgearbeitet werden. Insgesamt also eine geglückte Filmerfahrung, an dem die ganze Familie teilhaben kann. Doch an einigen Sachen hapert es ja immer irgendwo, selbst wenn die Oberleitung von Disney stets den Dreh raus hat, allgemein gelungen zu unterhalten. Wenn man aber als erwachsener Mensch über das Geschehen nachdenkt, kommt man nicht drum herum, einige mehr oder weniger subjektive Schwächen zu finden.

                                          Jetzt kann man ja sagen: Ist eh ein Film für Kinder, nicht drüber nachdenken. Das Ding ist aber, dass „Alles steht Kopf“ mit seiner Verarbeitung des Ganzen und den Assoziationen, die man als Zuschauer im Umgang damit wiedererkennen soll, eben verstärkt Erwachsene anspricht. Da wird komplexe Psychologie in eine treffsichere Erklärung verpackt, die an Kindern allerdings eher vorbeigehen wird, weshalb denen schließlich nur das bunte Abenteuer bleibt. Und dieses vermittelt womöglich auch nicht die stimmigste Botschaft. Schließlich scheint es ja so, als ob man nach Theorie des Films nur bedingt die Kontrolle über seine Emotionen haben könnte; dass diese schlicht von fünf Wesen im Kopf gesteuert werden und sogar motorische Erinnerungen beeinflussen (und wo nur der erwachsene Zuschauer die metaphorische Funktion darin erkennt). Wobei nicht mal wirklich festlegbar ist, ob diese auf die selbstständigen Handlungen ihres Wirtskörpers reagieren oder dessen Reaktionen selbst auslösen. Da hat man es wieder: Ein Fantasy-Film, an dem man Logik überlegen will. Ich finde das ja an mir selber auch nervig und wünschte, ich könnte das Gezeigte einfach so akzeptieren - doch wenn es ein Film nun mal darauf anlegt, in unsere Köpfe zu steigen (nicht nur in den eines kleinen Mädchens) und das Abstrakte am menschlichen Gehirn derartig zu verallgemeinern, ist Wiederfindung unausweichlich.

                                          Da merkt man auch, wie einfach es sich der Film macht, was am geradlinigen Konzept sicherlich noch die sicherste Variante ist, aber nun mal nicht die Schwelle zur Umkehrung der Erwartungen überschreitet. Hauptsächlich geht es nämlich darum, wie die anfangs entschieden plakativen Emotionswärter auf etwas reagieren, was sie sehen. Und da bleibt allein schon der Humor etwas zu sehr auf einer Pointe stecken, an der jeder nacheinander seinen kalkulierbaren Senf zu einer Situation abgeben darf. Humor ist natürlich subjektiv und wird hier im Rahmen des Handlungskonstrukts sowie seiner Möglichkeiten gut abgeglichen verarbeitet - doch das Arbeiten mit Grenzen ist nicht immer von Vorteil; speziell, wenn es noch darum geht, die Komplexitäten der Vorstellungskraft verständlich zu machen, was sie zwangsläufig einschränkt. Daraus wird dann auch wieder ein drolliger wie aufrichtiger Cartoon, der das Schwierige zum Einfachen transformiert. Doch irgendwann fragt man sich dann schon, ob das die richtige Methode ist; ob man nicht doch etwas daran offen lassen könnte, wie Menschen funktionieren und mit welcher Berechnung Gedanken wie Emotionen und Fantasien (und somit auch der Filmplot) zusammenkommen können.

                                          Auf diesem Wege wäre es theoretisch auch gar nicht mal verkehrt, „Alles steht Kopf“ von Kindern fernzuhalten; allein daher, mit welcher Leichtigkeit er eigentlich jede Persönlichkeitsfindung pauschalisiert. Jedenfalls scheint das sein eingeschlagener Weg zu sein, der sicherlich gar nicht mal böse gemeint ist und trotz allem mit einem Gros an Kreativität ausgestattet ist. Der Film will nur helfen und vermitteln, warum das Leben angenehme wie unangenehme Gefühle braucht, um mit Eindrücken und Veränderungen zu wachsen. Wenn sich doch nur alles so einfach erklären ließe. Ist aber nun mal nicht so. Vielleicht erklärt das meine zwiegespaltene Haltung zu diesem wirklich mehr als souveränen Kunststück menschlicher Erfassung. Vielleicht versucht er auch einfach für meinen Geschmack zu sehr, ein Konzeptfilm zu sein, als wirklich etwas über seine Selbstdefinition der inneren Mechanismen hinaus erzählen zu wollen. Und gerade was er darin erzählt, sollte man nicht so einfach hinnehmen - bei aller Liebe zur wunderschönen Animationskunst. Mit diesen Gedanken im Sinn, möchte ich aber nicht von der Ansicht des Films entmutigen, selbst wenn ich meine Probleme damit hatte. Vielleicht hilft es, das Gesehene mit gleichgesinnter Leichtigkeit zu akzeptieren und einfach nicht genauer zu hinterfragen, was denn seine Absichten sind - wenn es denn geht.

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                                            Der konsequente Abstieg eines Mannes im Wohlstand der BRD, aufgrund von Alkoholkrankheit, war sicherlich kein gern angesprochenes Thema - wie so vieles im Nachkriegsdeutschland bewusst verdrängt und/oder verharmlost wurde. Ohnehin scheint es fraglich, ob überhaupt der gegenwärtige Umgang mit Alkohol viel ernsthafter angegangen wird als es zu der Zeit gegeben war. Peter Beauvais' Film wirkt da von der thematischen Relevanz her nur bedingt in der Vergangenheit verordnet - wenn auch die Methoden der Therapie nicht unbedingt mehr heutigen Standards entsprechen dürften, ist das Verständnis Außenstehender für die Problematik des krankhaften Alkoholikers auch weiterhin nicht die Regel. Bei solch einer Einleitung könnte man jetzt vermuten, dass sich „Rückfälle“ unter Umständen als mahnendes Plädoyer verstehen müsste; vielleicht sogar als reißerisches Aufklärungs-Melodram, an dem spekulative Extreme unvermeidbar sind. Glücklicherweise ist dem nicht so. Die Inszenierung von Beauvais zeichnet mit behutsamer Beobachtung und gänzlich ohne stilisierendes Beiwerk ein geradliniges Alltagsbild, an dessen natürlichen Begebenheiten das eine zum anderen führt und sich bei Hauptcharakter Manfred (Günter Lamprecht) allmählich zum Rückfall in die Alkoholsucht manifestiert.

                                            Anfangs legt er es noch darauf an, diese in der Vergangenheit zu belassen, doch die Vorsicht ist sein ständiger Begleiter wie auch der Reintegration in eine soziale Festigkeit mit Zerbrechlichkeit begegnet wird. Und während er seine bescheidene Fassung aufrecht zu erhalten versucht, pflegt jeder vor ihm (gar nicht mal böse gemeint) den normalen freimütigen Umgang mit Alkohol; redet seine Probleme im Vergleich mit der eigenen Erfahrung zum Spiritus klein und versucht Verständnis, ohne es eben wirklich versuchen zu können. Stützende Lebenspfeiler wie Job und Ehe sind ihm gegenüber dementsprechend ebenso brüchig. Vor allem Ehefrau Eva (Veronica Bayer) trägt merklich die Ungewissheit der Zukunft mit sich; im Verhältnis mit Manfred kommt es somit unausweichlich zu Konflikten wie er gleichsam in eine seelische Sackgasse gerät. Es ist nun mal schwierig, Mut zu fassen, wenn alles im Argen liegt; wenn man dem gängigsten Ventil zum Frustabbau entsagen muss, um sich selbst retten zu können, obwohl es von überall auf einen einschlägt. Beauvais muss gar nicht mal gesondert darauf hinweisen, wie die Zeichen der alkoholisierten Verlockung auftauchen - die hängen schlicht omnipräsent im Detail herum, gehören zum öffentlichen Bewusstsein wie Verkehrsschilder und sonstige Reglements des Alltags.

                                            „Rückfälle“ legt es eben auch nicht darauf an, dass der Alkohol möglichst propagandistisch als Wurzel allen Übels erkannt und eliminiert wird. Abhängigkeit ist nun mal eine menschliche Eigenschaft, weshalb hier nah am Menschen gearbeitet und gezeigt wird, wie sich die unausweichliche Selbstdestruktion anbahnt; wie trotz Ansatz zur Hilfe nicht genug Entschlossenheit geübt wird, um eine Veränderung zu erwirken. Eine Lösung kann der Film in dem Sinne auch nicht anbieten, sondern schlicht zeigen, wie tief es geht und wie wenig man sich auf sich selbst und andere verlassen kann, dass alles irgendwann gut wird. Da kann man „Rückfälle“ unter Umständen Pessimismus ankreiden, nicht aber Voyeurismus. Er stellt nur genauso hilflos dar, wie seine Charaktere hilflos sind; verdeckt weder den Schmerz Manfreds noch jenen, den er seinen Mitmenschen antut. Beachtlich ist, dass die Regie dabei aber auch ohne Drastik oder Aufgeregtheit vorgeht. Günter Lamprecht ist es da zu verdanken, das seine Figur in keinen leichten moralischen Kästen identifizierbar wird; weder Märtyrer noch Testsubjekt darstellt. Sein Charakter sucht schlicht Anschluss und Hilfe, findet nur das Menschenmögliche und verliert allmählich den Halt zu sich selbst. Die Abhängigkeit hält ihn dabei eben gefangen, meldet sich wie ein Reflex zurück und zerstört psychisch wie physisch. Schuld und Willenskraft spielen da gewiss auch Rollen, doch unter den realistischen Bedingungen des Films bleibt der dramaturgisch absehbare Verlust derer glaubhaft und nicht einfach nur narratives Mittel zum Zweck.

                                            Was vielleicht nicht vollständig überzeugt, ist der Gebrauch von Manfreds „Filmrissen“, bei denen er erst zum wiederholten Male im Nachhinein seine destruktive Seite erkennt und in passend konfrontierenden Momenten einen Schock über sich selbst erfährt, wie es eher dem berechenbaren Drama zuzuordnen ist. Abgesehen davon fesselt die TV-Produktion durchweg mit respektvoller Methodik und einer Empathie, die nicht anbiedern oder konstant im Elend betteln muss, um die brutale Lage der Hauptfigur vermitteln zu können. Dass zum Ende hin nochmal verstärkt gelitten wird, kratzt dann vielleicht doch etwas am größtenteils gemäßigten Ton. Gleichsam entgeht man aber auch einem Kompromiss, durch den der Ernst der Lage sonst nicht offen genug behandelt würde. Es macht den Film gewiss nicht einfacher zu verdauen; bemüht arbeitet er sich dadurch aber noch lange nicht ab. Wenn man will, kann man sich auch einfach im Zeitkolorit verlieren, das Ensemble kennen lernen und den Weg zur menschlichen Entgleisung umso stimmiger nachvollziehen - Genug Gelegenheit wird einem dafür ja geboten. Solange man als Zuschauer von der eigenen Welt und ihren Menschen einigermaßen Bescheid weiß, wird das Verständnis zum Film so oder so gelingen. Eine Überwältigung wird man vielleicht nicht erfahren, doch die strebt er auch gar nicht an, wie er auch weder etwas verspricht noch irgendetwas aufdeckt, was man nicht schon längst von selbst erkennen müsste. Gerade deshalb muss es ihn geben - auch, weil sein Abbild der Vergangenheit noch keineswegs gänzlich der Vergangenheit angehört.

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                                              Zeit, sich mal wieder an der Perversität der Kunst zu ergötzen. Zunächst überschäumt diese im fragmentarischem Chaos vor geschlechtsreifer Symbolik, macht dementsprechend Pop-Art und blickt mit scharfen Perspektiven auf objektivierte Weiblichkeit. Tunnel, Löcher, sinnliche Streifen und Formen - schon in der Starre mitreißend, auch dank dem hitzigen Groove Stelvio Ciprianis. Daraufhin einige weitere kryptische Zeichen, nun in biederer Strenge eingefangen. Ganz männlich irgendwie und natürlich nicht ganz sauber. Business ist statt Genre-Erkennung angesagt, doch es kommt schon Spannung in der dubiosen Begegnung von Mann und Frau zustande. In diesem Fall stehen sich gegenüber: Sie, Journalistin Maria (Dagmar Lassander); Er, Dr. Sayer (Philippe Leroy). So selbstverständlich diese zwei zusammenfinden, so wenig offenbart der Film seine Geographie um sie herum. Daraus schlägt er sodann einen Nutzen in der Offenbarung seines mächtigen Kerns. Innerhalb des exzellent kadrierten Privatkerkers des Sayers, welcher sich in seiner futuristischen Allzweck-Komfortabilität formvollendet eingliedert, versucht der Herr Doktor nun die Demontage der modernen Frau. Beispielhaft dazu will er Maria zum Opfer degradieren, anhand seiner stilisierten Macht Stärke forcieren und Schwäche zertreten.

                                              Eine einseitige Lust, die er mit unausgesprochenem Drang zu manipulieren glaubt. Jedenfalls gedenkt er, eine Art Abhängigkeit zu erschaffen, von deren Angst er stets weiß und ausbeuten kann. Piero Schivazappas Film ist aber weder Exploitation noch bezieht er ästhetisch Stellung. Die visuelle Ebene ist schon clever konstruiert, aber trotz allem eher ein zielgenauer Beobachter. Deshalb offenbart sich die Linie seines Films ohne plumpes Plappern, sondern mit einer Bildsprache, die sinnlich vermittelt wie sich auch Maria und Sayer begegnen. Maria versteht es nämlich auf die Art sodann, ihre Haut zu retten und die Brechung ihres Geistes aufzuschieben; einen Weg in Sayer hinein zu finden, an dem seine sinestren Pläne des leidenschaftlichen Mords zum Umdenken angeregt werden. Und das gelingt sowohl mit neckischer Erotik, psychischem Entgegenkommen sowie der Entsagung seines Ziels durch extreme Selbstaufgabe. Schivazappa beendet sein Abstraktum vom Machtspiel der Geschlechter natürlich nicht dort; geht in der Form weiter, dass Sayer Maria die Oberhand gewinnen lässt, um vielleicht eine andere Form von Glück zu erfahren, die seinem Ideal der Männlichkeit das Ruder entreißt.

                                              Vieles geschieht dabei durchs Herantasten, durch Blicke, durchs Ein- und Auspacken, im Tanz sowie in der Nähe und Abschirmung zur Haut - und das alles unter hermetisch abgeriegelten Verhältnissen im klinischen wie poppigen Dekor. Kontrolle wird da das Hauptthema, irgendwie unvermeidlich bei Mann und Frau - nun in einer Beziehung mit erzwungenen Einverständnis, wobei Maria die Alternative probiert und Sayer somit allmählich verwandelt. Lassander hat den Zuschauer dabei ebenso im Bann, hinweg vom zarten Opfer zum Engel der Begierde. Eine feinfühlige Darstellung, die natürlich auch mit der Berechnung der Hormone und Signalen der Menschenkenntnis spielt; eine, die Schönheit in der Erwartung vorgibt und mit der Unschuld das Schuldbewusstsein beim scheinbar dominanten Sayer herausfordert. Man merkt schon, worauf der Film hinaus will, oder? Sei es drum. Die Umkehrung erfolgt erwartungsgemäß wie stimmig und doch nicht ganz offen, wie man es sich jetzt vorstellt.

                                              Viel spannender als die Entschlüsselung des erdenden Kriminal-Plots wirkt hier eben die psychologische Erzählung, welche auf konzentrierter und doch labyrinthischer Fläche erschlossen wird, dann aber die Kontrolle in offenes Feld verlegt - hinein in eine trügerische Schönheit, in welcher der Mann Opfer seiner selbst wird. Hier ist auch gewiss geschlechtlicher Schlagabtausch und Rache im Spiel, jedoch wie alles im Film auf eine eigensinnige Erfahrung destilliert, die Härte und Sinnlichkeit in allen ihren Kombinationen schlicht spürbar macht - diskret wie auch indiskret. Hier wirkt eine Anziehungskraft im kompromisslosen wie behutsamen Selbstverständnis, an dem Frauen wie Männer ihre Muskeln spielen lassen sowie die Richtungen zum Thriller der Dominanz und Sehnsucht vorgeben. Schenken tut sich dabei keiner was. Das macht auf vielen Ebenen Lust und Angst, entsetzt und heizt an, fasziniert und provoziert. Ein kurioses und freies Exemplar der menschlichen Beobachtung und formalästhetisch wie vom anderen Stern. Ich bitte um eine Blu-Ray-Umsetzung zur weiteren Inspektion.

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                                                Kommt der Rationale ins Gruseldorf, wird das Irrationale zur Devise. Ein klassischer Horror im existenzialistischem Dilemma, der im Folgenden kontinuierlich den Boden unter den Füßen wegzieht - so fesselt Mario Bava den Zuschauer anhand seines Schauerstücks um die Jahrhundertwende, bei dem das Mysteriöse schon zum Beginn am Tage in den Ruinen und Gemäuern schlummert und sodann in einer unendlich erscheinenden Nacht seine Spinnenweben ausschießt. Das Geheimnis dahinter gilt es zu lüften und Schicht für Schicht arbeitet sich dort Giacomo Rossi-Stuart als herbeigerufener Dr. Paul Eswai durch. Als Mann fern des Aberglaubens vermag er die Angst der Einwohner nicht verständlich zu fassen oder per Logik gänzlich verklären zu können; allmählich wandelt nämlich allzu real der Tod am Fenster entlang und führt ihn in ein Schloss unendlicher Gefangenschaft.

                                                An dieser Stelle soll natürlich nicht verraten werden, was sich alles dahinter verbirgt und in welch metaphysischen Nervenkitzel der Horror vollzogen wird. Entscheidend ist bei diesem Film allerdings die elegante wie dichte Gestaltung, welche die Menschen zwischen Nebel und Farben einkesselt sowie mit Schatten und gotischem Dekor geißelt. Alles am Ambiente scheint hier schon lange tot, ist im Nachleben aber umso mächtiger und schnürt schlicht den Atem ab. Die daraus resultierende Angst des modernen Zuschauers entspricht dabei vielleicht nicht mehr damaligen Maßstäben - dieser wird jedoch recht einladend in eine (alp)traumartige Architektur voller Rätsel eingeführt, wie sich auch der Schrecken beinahe ausschließlich suggestiv vollzieht. Deshalb kommen keine Monster ins Blickfeld, die der deutsche Verleihtitel verspricht (und sich eher heterogen in den Dialog einbindet), sondern die blanke Schuld, welche einem vergangenen Übel entstammt und auch von einer menschlichen Ruine zwischen Leben und Tod als Fluch weitergeführt wird.

                                                Einer rationalen Entzifferung verweigert sich Bavas Film letztendlich genauso wie er trotzdem stilsichere Kohärenz ausstrahlt und mit flottem wie glaubwürdigen Taktgefühl ein Kleinod der spirituellen Belagerung konzentriert. Für schaurig schöne Spannung ist also formvollendet gesorgt - eklige Porzellan-Puppen inklusive. Carlo Rustichellis dringliches Orchester fetzt für jenen Kontext vielleicht noch eine zu eindeutige Orgel, doch mit der lebt ebenso noch der Charme eines europäischen Klassikers; irgendwo abseits des Bekannten, sicher und mächtig zwischen reißerischem Bahnhofskino und psychotronischen Geheimtipps verstaut. Sowas wartet gerne ausschließlich in der Vergangenheit des Medium Films, lebt sich aber umso einvernehmender in einen hinein, wenn man ihm begegnet.

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                                                  AKA Mushimaus mag's grad heraus

                                                  Ein ziemlich schamloser Geilmacher, den Hubert Frank hier inszeniert hat. Mit der knackigen Ulrike Butz (R.I.P.) im Fokus der Aufmerksamkeit lässt sich zunächst nur wenig über die unterforderte inhaltliche Ebene meckern. Junge Körper in frohmütiger Wallung sind hier die knapp 85-minütige Freudenspender, zu denen im Titelsong gleich recht unverblümt "Ganz nass werd' ich jedes Mal, wenn du mich küsst..." geträllert wird, ehe dessen Instrumentalisierung alsbald wieder in einen Slapstick-Klamauk wendet. Ziemlich direkte Bumsangebote wechseln sich nämlich gerne mit plakativem Ulk und Honkfressen in Großaufnahme ab, während die Reaktion auf den omnipräsent nackten Körper der jungen und nymphomanischen Senta (Butz) größtenteils steil abgeht. Die wird nach einem durch ihre Erscheinung verursachten Autounfall vom Gericht zu einer Strafarbeit verurteilt, bei der sie ihre Memoiren verfassen und folglich über sich selber nachdenken soll.

                                                  Fortan erinnert sie sich an lose Episoden ihres aufgegeilten Daseins zurück - von der Verführung des dusseligen Klassenlehrers bis hin zum Glockenbimmeln mit dem Sohn des Stadtratvorsitzenden auf dem dörflichen Kirchenturm, mit Abstecher in eine Münchener WG zu einem Homosexuellen, dessen Neigung sie nicht versteht und mit Körpereinsatz umzustimmen gedenkt, woraufhin sie schließlich bei einer emanzipierten Prostituiertentruppe landet, die auf dem Lande einen "Puff zu den nickenden Fichten" errichtet. Insgesamt geht es dabei heiß und heiter zu; von ungelenken Liebesspielen bis hin zu unsimulierten Sexszenen ist da alles vertreten, was sich anpacken und verlöten lässt. Wie die Logistik des Ganzen keinerlei Geschlechtskrankheiten mit sich bringt, ist dabei genauso fragwürdig wie die sonstige Absicht des Films fernab der hormonellen Steilvorlage. Insgesamt stellt sich die Ungehemmtheit immerhin entschieden gegen verklemmtes Sexualverhalten, welches hierin einer ständigen Erhältlichkeit weicht, bei der vor allem das männliche Glied auf Wolke Sieben schwebt.

                                                  Die Ausnutzung des nymphomanen Schubs, was an sich eigentlich nicht gerade der einfachste Lebensumstand sein muss (siehe Lars Von Trier), wird hier jedoch nie hinterfragt, stattdessen mit geradezu aggressiver Freude durchgesetzt und gefördert. Besonders heikel und plump gerät dabei insbesondere Sentas erfolglose Bekehrung ihres klischeeschaften WG-Partners "vom anderen Ufer". Da gerät ihr Voice over befremdlich demonstrativ; beschwert sich darüber, was er sich denn Tolles entgehen lasse und was er nur an Kerlen finden würde. Diese konservative Einfältigkeit schmälert den Spaß, während auch die sonstige Charakterentwicklung an Senta eher ein idealisiertes Lustobjekt stilisiert - wenn auch ein ausgesprochen niedliches und verführerisches. Doch selbst darin findet der Film keine Konsequenz und gibt ihr eine Lösung zur Nymphomanie auf den Weg, die sich nur die denkfaulsten Kindsköpfe einfallen lassen können: Eine Hochzeit, denn Sex ist nichts wert ohne Liebe.

                                                  Das sieht sie ein, sobald sie von einem ihrer einst unschuldigen Verehrer, den sie eigenhändig in die Kunst der Fleischeslust eingeführt hat, irgendwann nur noch wie eine schnell bearbeitbare Matratze behandelt wird. So ohne wahre Leidenschaft kann es nicht weitergehen und obwohl Senta so keck und zeigefreudig wie gehabt bleibt, geht ihr Herz eben irgendwann auf - ohne, dass sich genau erklären ließe, wieso. Solche Fragen stellt der Film eben nicht, der mag es eben "grad heraus" und zelebriert daher im Kurzweil die Fickrigkeit, zu der so mancher doofe Gag der genüsslichen Entspannung halber erlaubt sein darf. Ist auch ganz sympathisch und hübsch wie explizit anzusehen - nur eben bis zum Anschlag trivial und platt.

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                                                    Ganz ehrlich: Nach fünf Besprechungen zu den vorherigen Gamera-Filmen fällt es mir schwer, nochmal irgendwas Neues im siebten Teil der Reihe zu finden - auch weil Regisseur Noriaki Yuasa kaum noch etwas Neues versucht. Zwar noch nicht in der Form wie bei seinem Recycling-Epos "Super Monster Gamera", aber nichtsdestotrotz beinahe komplett überraschungsfrei. Wieder bedrohen Ausserirdische die Welt; wieder kommt ein Duo von Japaner-&-Amerikaner-Kids schneller als jeder sonst darauf, dass Gamera der Freund aller Kinder sei und Japan mit dem Einsatz seines Lebens beschützen kann; wieder sind hübsche Frauen im abgewandelten Rollentypus der "Bösen Tante" eine Bedrohung und wollen schlicht Kinder fressen; wieder gibt es pappig-ulkige und splattrige Monsterschlachten in Matchbox-Größe (man beachte das Finale, bei dem Gamera seine eigene Titelmelodie auf den Knochen von Zigra spielt - ein drolliges Bild, worauf eine brutale Verbrennung des Schergen folgt); wieder werden Expeditionen veranstaltet, bei denen Kinder nicht zugegen sein dürften, sich aber trotzdem rein schleichen und neunmalklug nerven (Stichwort: U-Boot).

                                                    Ein paar Besonderheiten: Hauptsächlich spielt der Film um die "Kamogawa Sea World" herum; im Intro werden die sozialen Verhältnisse und Zahnhygienegewohnheiten von Mensch und Delfin parallelisiert; Planet Zigra will unsere Ressourcen ausnutzen und belehrt zugleich, wie wir unser Öko-System verschmutzen (zu dem Zeitpunkt in jenem Genre eh ein beliebtes Thema - siehe auch "Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster"); die gefühlte Hälfte des Films jagt die böse Alien-Frau unsere zwei Kleinkind-Protagonisten durch die Gegend; einige nette Hypnose-Sequenzen wie auch Bikinis sind zu sehen. Ansonsten stellt sich hier das bekannte Prozedere des kindgerechten Kaiju-Narrativs in gefälliger Aufmachung dar und dürfte für Genre-Fans und Komplettisten der naiven Dusseligkeit noch ein ganz netter wie beliebiger Zeitvertreib sein. Kleines Spiel für zwischendurch: Einfach mal nachzählen, wie oft die kleine Helen nach einer Coke verlangt (zumindest in der englischen Sprachfassung; im Endeffekt trinken alle doch nur eine Limo).

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