Der Witte - Kommentare

Alle Kommentare von Der Witte

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    [...] So gelingt Geißendörfer in seiner Beobachtung dieses Komplexes ein Film, der Barmherzigkeit und Unbarmherzigkeit in Personalunion übt. Gebrochene spielen sich gegenseitig aus; wer kann auch über den Gebrochenen in seiner Verzweiflung urteilen, wo er nur dazugehören will? Zu dieser abgeschotteten Idee von Familie, von der er wiederum abgeschottet war und die Schwierigkeiten hat, sich wieder mit ihm zu vereinigen? Dieses Problem ist in seiner Grundform so deutsch, dass es bis über die Wende hinaus anhielt und heute noch in den Köpfen herumspukt. Ideale können nicht mehr aufrechterhalten werden, und wie deren Ziele dann zur Erfüllung kommen, ist eine Sache für sich. „Die gläserne Zelle“ sucht dafür unter Häuserschluchten, findet für die ehemals Unschuldigen Entlastung und Vergebung im Mord, ohne aber die Katharsis zu bieten, die den Zuschauer sicher entlässt [...]

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    • 7 .5

      [...] Es lodert das Kaminfeuer, zu anderer Zeit kommen milchige Sonnenstrahlen durchs Fenster. Aber es wird finster, sobald die Wahrheit ans Licht kommt: Die Gardinen werden zugeschoben, es regnet in Strömen, der Staub fetzt von den Wänden – und selbst über den Tierchen auf dem Dachboden lauert der Schatten des Todes. Die Inszenierung spielt aber weiterhin keine Aufregung vor und muss in ihrer soziologischen Beobachtung nicht viel umstellen, da ihre durch und durch nahestehenden Charaktere sowie deren Schicksale am stärksten die Richtung des Zuschauers bestimmen. Und wenn diese derart bitter ausfällt, ist keine Melodramatik von Nöten, sondern eine Art nüchterner Schock, der die Machtlosigkeit nachfühlen lässt. [...]

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      • Herbst kommt vorbei und somit ein neues Video zum Filmmonat September, inkl. Twin Shadow! Bin schon recht stolz auf das schöne Stück und hoffe, ihr habt ebenso zwei spannende wie rhythmische Minuten damit.

        https://www.youtube.com/watch?v=Ku5mb1i2c-o

        Wer auf bestimmte Empfehlungen aus ist, kann sie hier im folgenden Artikel abchecken:

        http://www.cereality.net/thema/filmempfehlungen-im-september-095622

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          • 7 .5
            über Lobster

            Episode 6: Das Kind

            [...] Geißendörfer geht erneut mit einem audiovisuellen Verständnis heran, das sich ebenso effektiv in der Charakterzeichnung seiner gebrochenen Figuren widerspiegelt, wobei Lobster hier so stark wie noch nie an die ethischen Grenzen seines (nur bedingt Genrekonventionen erfüllenden) Berufes gerät und deren bittere Konsequenzen erleben muss. Solange der soziale Wille jede Herausforderung zu bewältigen versucht, lässt es sich eben leben. Die dunklen Seiten jenes Lebens mögen zwar an jeder Ecke lauern – aber es gilt, sie nicht bloß mit der Kelle zu vertreiben, sondern mit einem Sinn für Gerechtigkeit auf allen Seiten zu konfrontieren. [...]

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            • 7 .5
              über Lobster

              Episode 5: Blut

              [...] Lobster stieg der Alkohol vom Anfang wohl zu Kopf und legte sich wie ein Schleier über das Handeln des Privatdetektivs, der nur noch bedingt Rücksicht nimmt auf die verängstigten Gefühle der Mutter. Er weiß sofort, dass etwas Perfides im Argen liegt, und gibt sich im Folgenden so ordinär, dass sich die Folge dem anpasst und die Mutter auch kaltschnäuzige Phrasen hinrotzen lässt, welche mit lautstarken Anschuldigungen quittiert werden. Das Verständnis bleibt da verständlicherweise auf der Strecke und verwandelt diese Geschichte in weit hergeholte, aber dennoch kurzweilige Reißerware.

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              • 7 .5
                über Lobster

                Episode 4: Handschellen

                [...] Nähert sich voller Kompromisslosigkeit den finsteren Implikationen des Krimis und erschafft in knapp einstündiger Laufzeit eine zwar handwerklich unaufdringliche, aber unheilvolle Spannung auf demselben Fleckchen Erde, auf dem sonst Humanismus versucht wird. Dieser wird hier auf eine sadistische, schmerzvolle Probe gestellt und muss dabei auf verzweifelte bis clevere Verteidigungsmaßnahmen zurückgreifen. Schlussendlich siegt die Menschlichkeit, da Lobster alle seine Fähigkeiten bis zur Selbstaufgabe einsetzt, um sein höchstes Gut, das Leben seiner Tochter, zu retten. Ein intensives Kammerstück, das die Sicherheit seiner Charaktere außerhalb der seriellen Erwartung unterwandert und die familiäre Sorge dabei weiterhin entschieden in den Fokus stellt.

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                • 7 .5
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                  Episode 3: Stirb

                  [...] Die Liebe zu Tochter Tessa ist ohnehin ein ausschlaggebender Faktor zur minutiös offenbarten Nachvollziehbarkeit seiner Entscheidungen und reflektiert die harmonische Beziehung zwischen Lobster und seiner Tochter, die bereits in vorhergehenden (und kommenden) Folgen Probleme zu meistern hatten. Es ist für Geißendörfer zwar gen Ende klar, welche familiäre Einheit im Duell die Oberhand behalten wird – doch für ein Urteil nimmt er seinem Helden doch noch spielerisch den Wind aus den Segeln, während die Verlierer mit ihrer unausgegorenen Ideologie als Menschen jenseits ihrer Kontrolle das Verständnis des Zuschauers gewinnen [...]

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                  • 7 .5
                    über Lobster

                    Episode 2: Zwei Fliegen

                    [...] Passend zum Verweis auf seine eigene Stilistik zeigt Geißendörfer eine Affinität zum Genre der Privatdetektivserie, deren Formeln er in der ersten Folge eigensinnig umstellte, hier nun effektiv aufblühen lässt und sogar typische Romantisierungen des Berufs anwendet, inklusive Explosionen, Schusswechseln und Verhören. Doch auch hier dreht er den Spieß um und lässt durchscheinen, dass jene Handlungen zum Leiden des Gatten und anderer beigetragen haben dürften. Lobster hat es immerhin noch mit echten Menschen zu tun, inmitten eines trostlosen und visuell zynischen Herbsts. Und da liegt es der Serie schlussendlich eindeutig fern, jenem selbstgefälligen Fantasie-Ethos des etablierten Sendungsformats die Bühne zu überlassen.

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                    • 7 .5
                      über Lobster

                      Episode 1: Der Einarmige

                      [...] Interessanterweise löst Geißendörfer seinen Showdown allerdings wie schon in „Perahim“ nicht reißerisch auf, sondern erzählt mit nüchterner Zielstrebigkeit das Nötigste. Er bleibt gefasst und bodenständig, wie es zum Fall und zur Person des Lobsters an sich passt. Dabei schafft er es zudem, stilsicher mit den Formeln und Protagonisten des Genres sowie einem Gespür für das Menschliche, dessen alltäglichen Schicksalen, Motivationen und Sorgen zu jonglieren. Das erfüllt sich in jener konzentrierten Größenordnung mit einer emotionalen Wirkung, wie es nur wenige Serien in ihren ersten Lebensstunden schaffen. [...]

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                      • 5

                        [...] Joseph überrascht zudem mit ungehemmten Stilistiken der Pop Art und knackt filmisches Regelwerk, indem er kurzweilig kreative Gedankengänge vermittelt. Das bedeutet vor allem reichlich irre Texttafeln und Schnittbilder innerhalb des Wesens unseres Discjockeys. Übertreibung ist da zu erwarten und wird gerne aufreizend entgegengenommen. Auf die ganze Romantisierung folgt aber auch die Pflichterfüllung [...] All dies schleppt sich ein wenig zu sehr am Bekannten entlang, versucht sich mit musikalischen Montagen voranzutreiben und beweist zumindest einen gewissen Respekt vor den Figuren, macht sie aber nie ganz dreidimensional. [...]

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                        • 6 .5

                          Michael Lehmann schafft hier, einmalig als Regisseur und Autor in Personalunion, einen bissigen Blickwinkel auf das kontemporäre Amerika seiner Zeit, gebraucht aber einige Umwege, um dies zu offenbaren. Zunächst wirkt "Applejuice", oder im Original "Meet the Applegates", wie ein provinzielles Einwegmärchen der Marke "Coneheads" - unterhaltsam in seiner sozialen Beobachtung, aber etwas naiv und platt in der Gestaltung des suburbanen Ensembles, das nun von verrückten Käfer-Viechern/Ausserirdischen/humanoiden Mutanten heimgesucht wird. Gepaart mit der zu Beginn schon angesetzten Öko-Kritik, bereitet man sich auf ein gut gemeintes, doch gefälliges Lustspiel vor. Doch obwohl die Applegate-Heuschrecken in ihrer Verkleidung der idealen amerikanischen Familie starten, wird dieses friedliche Bild in der bloßen Interaktion mit der wirklichen Welt stetig korrumpiert und allmählich auf den Ekel reduziert, der tatsächlich im Zeitgeist schlummert.

                          Das Ungeziefer in zweiter Haut ist nämlich nichts gegen das Ungeziefer der Selbstsucht und Perfidie in den modernen USA zwischen High School, Kirche, Shopping Mall und Atomkraftwerk in der Nachbarschaft. Bei der erforderten Anpassung kommen demnach auch Drogen, Gewalt, Kaufrausch, Sex, Vergewaltigung, Misstrauen und zuguterletzt die Lynchjustiz nicht zu kurz. Ein genüsslich hundsgemeines Abbild der Zustände, dem die vermeintlichen Applegates mit geheimen Verpuppungen entgegenkommen; sprich, ihre Probleme unter dem Teppich kehren oder im Keller verstecken, wie es im biederen Einfamilienhaushalt gang und gäbe ist. Doch auch hier suppt der Einfluss der Aussenwelt auf die ungewöhnliche Familie hinein und verformt sie zum verdorbenen Extrem/Konsens, bei dem Lehmann reichlich kompromissloses Gift sowie Horror verspritzen darf.

                          Er behält sich dabei stets eine ulkige Perspektive vor und agiert gerne auch hyperaktiv und cartoonhaft, obgleich im Bunten pechschwarzer Hass verpackt ist. Das satirische Potenzial muss also ein Stück weit entpackt werden und geht dementsprechend nicht immer in jenem Einschlag auf, den es als Überraschungseffekt haben könnte. Die Lösung aller Probleme durchläuft sodann auch harmlosere Wege; vermischt Cleveres mit Albernem und füttert die Gefälligkeit zwar mit subversiver Kritik, wirkt in seiner Gesamtheit aber manchmal dann doch zu forciert komödiantisch - auch in seiner gesellschaftlichen Häme. Dennoch bleibt eine Erfahrung, die sich kontinuierlich als gehaltvolleres Werk entpuppt, als es in seinen Anfangsmomenten zu werden scheint und beweist, dass Michael Lehmann vielleicht einer der unterschätztesten Filmsatiriker seiner Ära war.

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                          • 6 .5

                            Bei Kinderfilmen muss man scheinbar immer ein Auge zudrücken, wenn es um Glaubwürdigkeit, reelle Logik oder überhaupt cineastische Qualitäten geht. Wenn all diese Faktoren allerdings in der Wende von den 80ern zu den 90er Jahren mit Familiendrama, komödiantischem Jugendabenteuer, Underdog-Heldensage und Videospiel-Werbung verbunden werden, ist die Kernschmelze garantiert. In Regisseur Todd Hollands Bemühung, jene narrativen Stichworte miteinander zu versöhnen, geht es nämlich drunter und drüber - angefangen bei haltlosen Charakter-Klischees des amerikanischen Mittelstands, hin zur spekulativen Darstellung eines Traumas/Autismus (?) und infantilen Widersachern in Form von Gamer-Profis-mit-Sonnenbrillen-namens-Lucas und pseudo-seriösen Kinderfängern (ein gängiges Problem der Ära?).

                            Beim darauf erbauten Roadtrip wird zudem zeitweise auf verbindende Mittel der Verständlichkeit verzichtet, während der Honkfaktor im Drehbuch gar nicht mal so stark auf Naivität aufbauen könnte, wo er doch Kindesmissbrauch für Gags benutzt und Kindtod sowie Traumata in emotionaler Aufarbeitung anwendet. Doch ehe man sich versieht, reiht sich eine Unfassbarkeit an die nächste - vor allem in der deutschen Synchro kommt der Quatsch zur Ekstase und drückt unentwegt dort aufs Gaspedal, wo das befremdliche Weltbild schon seine unbeholfensten Situationen als alltägliche Grundierung verkauft. Das geht dann am unglaublichsten in die Hose, sobald die Nintendo-Werbemaschinerie fast aus dem Nichts in den Film suppt und im Verlauf allentscheidend für die Bewältigung psychischer Unzugänglichkeiten wird. Es wirkt folglich so unnatürlich wie auch das Spektrum an kindlichem Slang heutzutage eine unfreiwillige Pointenfülle bereitstellt. "Du bist echt ein funny boy!"

                            Und ganz abgesehen davon kommt man aus dem Lachen nicht heraus, für welche liebens- und schämenswerten Leistungen sich Recken wie Beau Bridges, Christian Slater sowie die spätere Rilo-Kiley-Sängerin Jenny Lewis, Tobey Maguire und King Kong hergeben. Das liegt aber auch an den Filmemachern an sich, die ausgerechnet ihren Fokus auf Videospiele in den Details so vergeigen, dass selbst Laien der Materie erkennen, wie wenig Ahnung hier an den Tag gelegt wurde. In diesem Sinne gewinnt der Film mächtig an Unterhaltung, versagt und verwundert gleichermaßen und bleibt dabei stets in poppiger Bewegung, hin- und hergerissen zwischen plakativer Sentimentalität, alles andere als zeitloser Musik und Technik, beknacktem Slapstick sowie exzessivem Product Placement im Herzen eines noch etwas unschuldigeren Amerikas. Muss man gesehen haben!

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                            • 7

                              [...] Wie der Student ist man als Zuschauer dazu gezwungen, zu beobachten und mitzumachen, ganz gleich, was geschieht und wie lange der Anstand es noch zulässt. Gewiss zeichnet sich hier ein unterhaltsames Spektrum ab, das die Strukturen familiärer wie gesellschaftlicher Ideale ad absurdum führt und die Angst vor der Außen- und Innenwelt konfrontiert. Es betrügt jedoch nie seine Wurzeln, auch, weil sich diese nie entblößen, sondern höchstens die (soweit möglich) logischen Ausmaße präsentieren; unter anderem anhand von ödipalen Komplexen und der Ermöglichung dieser durch die Mutter. Fakt ist, dass „Der Bunker“ als Film zwar den Reiz jener Ungewissheit erforscht, doch diesen nicht in türmende Eskalationen sprengt. [...]

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                              • Ist doch obligatorisch, dass jeder US-Mainstream-Release in China abstaubt - man darf sich also auf weiteren Franchise-Kack in Mengen freuen, denn Quantität > Qualität für Hollywood und seinem asiatischen Partner im Moneydumping.

                                • 7

                                  [...] Der Film spielt ausgerechnet zu Weihnachten. Derartige Emotionalisierungen sind zwar effektiv, aber eher das Werk des Drehbuchautors Steven Knight, dessen Handschrift in vielerlei Hinsicht überschwappt. [...] Solche Ideale von Gerechtigkeit und Ehre beißen sich normalerweise mit dem blanken Schrecken Cronenbergs, wenn man nicht auf „Die Brut“ zurückblickt und erkennt, wie sehr ihm dort die Sorge ums Streitobjekt Kind ans Herz ging. [...] Es geschieht eine Übersetzung, die auch hinsichtlich des Tagebuchs im Film vollzogen wird – ganz zu schweigen von der Verständigung im multikulturellen Ensemble der Unterwelt, in der es viele Stichwörter fürs Lebensende, doch auch für Vergebung gibt. [...]

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                                  • 8

                                    [...] So zeichnet er ein Bild der Gesellschaft um die Jahrhundertwende bis vor den Ausbruch des ersten Weltkriegs, das vor Dreck und zwischenmenschlicher Giftigkeit nur so strotzt. [...] Jeder trägt sein Kreuz mit sich und sieht zu spät ein, was richtig und was falsch für ihn war; was sich im Geheimen abspielte oder gut gemeint verdeckt wurde. Vieles darin geschieht aus Selbstsucht, aber auch aus sozialer Unfähigkeit, welche die Eltern geformt haben und so dysfunktional belassen, dass sich die provinzielle Zwietracht zu einem Krebsgeschwür heranbilden muss. [...] Doch Stille bleibt Stille und die Eskalation knallt umso brutaler, je enger der Raum in seiner offenen, doch kargen Natur wirkt. Deshalb ist der „Sternsteinhof“ ein unterdrückendes Monstrum von Film, welches das Perfide am Menschen in seiner Unausweichlichkeit bis zum Ende durchzieht. [...]

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                                    • 7

                                      [...] Seine Buße hört niemals auf und so kapselt er sich auch entschieden von Begleitern aus alten Tagen ab, allen voran der Nachtklubsängerin Rosa, welche ihn noch immer verzweifelt liebt, aber inzwischen zum Wrack mutiert ist. Perahims Abstand von jener Welt, die ihn immer wieder hineinzuziehen versucht, bringt aber auch das Humane in ihm hervor und zeigt Güte wie Anstand; selbst gegenüber solchen, die ihm in Hinterhalt an die Gurgel wollen. Die verletzt er zwar in Notwehr, ruft aber auch den Krankenwagen. Catran lässt dafür die Handschellen klicken, so verdreht ist die Moral jener Umstände und unnachgiebig in ihrer Verfolgung. Es wundert daher wenig, dass der Zusammenbruch bevorsteht und sich nicht aus der Konfrontation von Gut und Böse bildet. [...]

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                                        [...] So entwickelt sich das Ringen um Liebe, Glauben und Selbstaufgabe zu einem unberechenbaren Drama, das Wut und Provokation nicht zurückhält, aber in seiner Selbstverständlichkeit immense Charaktertiefe besitzt. Das würde über die Erwartungen hinausgehen, wenn es denn im Verlauf Erwartungen geben könnte. [...] Aus diesem Grundgedanken schöpft Sono eine natürliche, doch widersprüchliche Vielfalt. Kastrationen, Schwertkämpfe und Bombenanschläge, Blutfontänen, heilige Schriften, desolate Familienhäuser und Psychen, Gehirnwäsche, Freundschaft unter Ganoven, Action, Coming of Age, Romantik, Melodram, Traumata und so viel mehr: Wo soll man anfangen? [...]

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                                        • 3 .5

                                          [...] Das Gesamtkonzept leerer Menschen in leeren Leben bleibt auch als filmische Erfahrung leer. Anachronistische Sequenzen des Reichtums und dessen verschlossener Zwischenmenschlichkeit sowie abstraktes Gesprächsgut allein können nun mal keine Tiefe oder Bewegung erzeugen, wenn keine Kontraste oder gar Beobachtungen jenseits der Oberfläche passieren. Schlimmer noch: Es bleibt kaum Raum, um als Zuschauer das Innere oder nur die Bilder erforschen zu wollen, so eindeutig und künstlich jeder Zusammenhang aufgetischt wird – und das, obwohl der Film, auch explizit in seinem letzten Kapitel, nach Freiheit strebt. [...]

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                                          • 2 .5

                                            [...] Skip Woods, der als Drehbuchautor zurückgekehrt ist, hat offenbar noch mehr von seinem Handwerk verlernt – und Verleiher Fox scheint entgangen zu sein, dass jener Herr mit „Stirb Langsam 5“ reichlich Karten zum Spielen verloren hat. [...] Und obwohl die Action ein bisschen Spaß von Bach abverlangen könnte, unterminiert er diesen mit platten Computereffekten (sogar unter Niveau der Vorlage) und einem chaotischen Schnitt. Dennoch könnten diese Szenen mit ihren herrlich dümmlichen Stunts Highlights in diesem gänzlich farblosen Prozedere darstellen, wenn sie nicht deutlich nach Fahrplan abgewickelt worden wären und sich vehement Konsequenzen verwehren würden. [...] Im Endeffekt heißt es: Meiden um jeden Preis. Oder die Erwartungen so weit herunterschrauben, dass man sich als Zuschauer selbst egal wird.

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                                              [...] Der größte Anreiz, sich diesen Film einzuverleiben, stellt allerdings die Beziehung zwischen Billy und seiner Tochter Leila dar. Hauptsächlich liegt das an dem beachtlichen Schauspiel der jungen Oona Laurence. Aber auch sonst manifestiert der gemeinsame Dialog sowie die nachvollziehbare Sehnsucht der Getrennten eine Stärke des Films, die einige aufrichtige Momente der Menschlichkeit in ein ansonsten überzeichnetes Werk injiziert. An allen Ecken wird nämlich emotionalisiert und manipuliert, jede Entwicklung mit Pathos und Härte geschwängert, während Gyllenhaal und Kollegen vor allem solide fluchen und Fuquas Inszenierung zwischen Langeweile und Style hin- und herpendelt [...] Doch im Endeffekt fuchtelt er auch nur um Konventionen herum. [...]

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                                                [...] Die gesamte Bagage ist somit ein vertrottelter Albtraum ohne geerdete Kontraste. Zwar ist die Lust zur Urlaubssause zunächst bescheidener Natur, doch ab Beginn der Reise verläuft alles ins Extrem. Sobald das Maß für alle schließlich voll wird, wirkt dies redundant, so oft die Toleranzgrenze schon überschritten wurde. Hier lassen Daley und Goldstein das Geschick von Harold Ramis und John Hughes aus dem ersten Teil vermissen, bei dem jene Grenze mit jedem Malheur kontinuierlich angestaut wurde und sich schließlich zu einem wahnwitzigen Nervenzusammenbruch überlief. [...] Und obwohl die Konstellation im Vergleich zum Original eher wie ein Cartoon wirkt und entsprechend doofe CGI-Effekte liefert, kommt auf diesem Weg zumindest eine Kurzweiligkeit zustande, die sich als Gagparade ad absurdum führt. [...]

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                                                  [...] Der Rhythmus von Geißendörfers Film könnte unter heutigen Gesichtspunkten ebenso disharmonisch erscheinen, keine gängigen Formeln verfolgen oder sich mit leicht identifizierbaren Figurenzeichnungen begnügen. Umso eher erliegt man jedoch dem Reiz eines komplexen Netzwerkes an psychologischer Ambivalenz. Zwischen kindlicher Unschuld, häuslichen Mysterien und Eskalationen bietet diese Wundertüte von Film zudem reichlich inszenatorische Konzentration – erneut getragen von Kameramann Robby Müller und der Musik Eugen Thomass’ als überzeugende Veräußerlichung eines alle betreffenden Traumas. Das vereint Herz und Schönheit, aber auch Wahnsinn und Schock in sich. [...]

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                                                    über Carlos

                                                    [...] Hans W. Geißendörfer gebraucht das Genre so in „Carlos“ einerseits für eine freie Adaption von Friedrich Schillers „Don Karlos“, andererseits zieht er die gesamte Romantisierung der Filmwelt zurück und schafft ein Abbild des Leidens, an dem Gute wie Böse untergehen. [...] Insbesondere der Impuls zur Männlichkeit und Macht zerstreut hier das Leben und nimmt dafür ein blutiges Ende in Kauf, während die Frauen dieses Films vor rationaler Fassungslosigkeit den Abstand aus der Enge suchen. So trifft man in diesem Anti-Western auf reichlich ermattete Recken, die von der Glanzlosigkeit ihrer Zeit wissen und sich niederschießen lassen, sobald alle rudimentären Verhandlungen ihre Funktion erschöpft haben und sich im Kugelhagel aufgeben. [...]

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