EddieLomax - Kommentare
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Alle Kommentare von EddieLomax
TOP TEN FANTASY
(Auch von mir Dank für Dein Engagement!)
DIE NIBELUNGEN (Fritz Lang, 1924)
KING KONG UND DIE WEIßE FRAU (Ernest B. Schoedsack & Merian C. Cooper, 1933)
IN DEN FESSELN VON SHANGRI LA (Frank Capra, 1937)
MÜNCHHAUSEN (Josef von Báky, 1943)
20.000 MEILEN UNTER DEM MEER (Richard Fleischer, 1954)
DIE REISE ZUM MITTELPUNKT DER ERDE (Henry Levin, 1959)
EXCALIBUR (John Boorman, 1981)
CONAN - DER BARBAR (John Milius, 1982)
DIE LEGENDE VON DEN ACHT SAMURAI (Kinji Fukasaku, 1983)
DER HERR DER RINGE: DIE GEFÄHRTEN (Peter Jackson, 2001)
THE KILLER IS LOOSE von Budd Boetticher ist ein Film Noir, des vornehmlich für seine Western-Miniaturen berühmten Regisseurs, in dessen Anschluss er mit dem Meisterwerk SEVEN MEN FROM NOW (1956) den Höhepunkt seiner Kunst erreichte und mit seinem Star Randolph Scott den sechs Filme umfassenden RanOwn-Zyklus startete. Auch hier ist deren erzählerische Dichte bereits angelegt, die Effizienz in Inszenierung und Schnitt, die Bildgestaltung seines Stamm-Kameramannes Lucien Ballard, der später zu Sam Peckinpah wechselte, einfach goldenes Handwerk von Profis.
Der Polizist Sam Wagner (Joseph Cotten) erschießt aus einem Irrtum heraus die Frau des unter Verdacht stehenden Kassierers Leon Poole (Wendell Corey). Der schwört nun, sich nach seiner Haftstrafe an Wagner zu rächen, indem er dessen Frau Lila (Rhonda Fleming) ebenfalls umbringt. Dann bricht Poole aus und zieht eine Spur des Todes bis zu seinem Ziel.
Die Beziehung zwischen Wagner und seiner Frau entspricht zwar ganz dem Bild der Darstellungen im Hollywood der 50er Jahre, weißt aber bereits Brüche auf. So wird das gutbürgerliche Gefüge durch die kritische Hinterfragung ihrerseits durchaus auf die Probe gestellt, während sein patriarchalisches Verhalten keineswegs dominierend ist. Das sind zwar kleine, aber doch deutliche Erschütterungen einer heilen Welt, die nur scheinbar auf sicherem Boden steht.
Richtig interessant wird es, wenn sich der Blick auf den Antagonisten richtet, dessen lebenslange Erfahrung von Erniedrigung und traumatisierenden Kriegserlebnissen, ihn zu einem zutiefst verstörten Charakter werden ließ, der nur von seiner Frau ernstgenommen und geachtet wurde, dem nunmehr durch ihren gewaltsamen Tod alle Sicherungen durchbrennen. Wendell Corey spielt das ganz famos, zurückgenommen und konzentriert und macht aus dem vermeintlichen Psychopathen einen vielschichtigen Menschen, der nicht nur Täter, sondern zugleich auch Opfer ist.
ZWISCHEN DEN JAHREN von Lars Henning bietet dem unverwechselbaren Peter Kurth erneut die Möglichkeit seine ganze Bandbreite auszuspielen. Als geläuterter Ex-Knacki Becker schiebt er jetzt Nachtschichten als Security-Mann und bekommt mit Barat (Leonardo Nigro) ausgerechnet einen Ex-Bullen zur Seite gestellt. Nach einiger Zeit bricht das Eis zwischen den beiden und mit der attraktiven Rita (Catrin Striebeck) von der Putzkolonne bahnt sich sogar so etwas wie eine Romanze an. Wäre da nicht der mysteriöse Typ (Karl Markowics), der ihm auf Schritt und Tritt folgt. Die Schatten der Vergangenheit rücken für Becker näher und näher. Das meist bei Nacht spielende Drama erzählt von Menschen am unteren Rand der Gesellschaft, die sich unter prekären Bedingungen versuchen ein halbwegs lebenswertes Leben zu ermöglichen, aber von den Umständen, der Gesellschaft oder einfach nur anderen Leuten, die entweder ihre Macht über sie auspielen oder denen sie, wie im Fall von Becker, massiv geschadet haben, ausgeliefert sind. Der ruhige Film hält sich sehr lange darüber bedeckt, was eigentlich passiert ist und weshalb der Fremde Becker ans Leder will, urteilt jedoch nicht, sondern schildert nur, dass jeder Gefangener seines Schicksals ist und handelt, wie er handeln muss. Das ist nicht einfach und ganz sicher nicht schön, wie einige heftige Reaktionen auf den Film zeigen, doch am Ende muss sich jeder selbst eine Meinung zum gezeigten bilden. Wer von Peter Kurth jedoch bereits in HERBERT (Thomas Stuber, 2015) oder IN DEN GÄNGEN (sic, 2018) beeindruckt war, sollte hier auf jeden Fall zugreifen.
PERFECT DAYS von Wim Wenders ist ein Film über Abläufe und Rituale, Alltagsmechanismen und Wiederholungen, über das Erleben von Momenten, das Erfahren von Glück im Kleinen, Wahrnehmung und Selbsterfahrung, über Reduktion und Verknappung, Selbstbeschränkung und Selbstbestimmung, über das sich unabhängig machen von aufoktroyierten Bedingungen, über Erkenntnis durch Beobachtung, darüber ganz bei sich zu sein, sich seiner selbst sicher zu sein, sich gewiss zu sein in seiner Umgebung, seinem Umfeld, seinem Lebensraum, schließlich seiner Existenz im Angesicht der Endlichkeit des Seins. Ein schöner Film, der auch gänzlich ohne Dialog funktioniert hätte, wobei das wenige nicht ins Gewicht fällt. Somit ein Film in dem es um nichts geht, und dabei doch um alles.
Мастер и Маргарита von Michael Lockshin ist eine Literaturverfilmung nach dem berühmten, posthum veröffentlichten Roman-Klassiker von Michail Bulgakow, der sich bei den deutschen Lesern übrigens nach wie vor großer Beliebtheit erfreut. Die bereits 2021 gedrehte, russische Produktion kommt mit einiger Verspätung in unsere Kinos, da es offenbar Interessen gab, eine internationale Verbreitung zu verhindern, obwohl es der bis dahin erfolgreichste Film des Landes war, wobei man sich schon darüber wundern kann, wie ein solch systemkritisches Werk überhaupt den Weg auf die einheimischen Leinwände finden konnte.
Mit Claes Bang und August Diehl in tragenden Rollen gibt es auch eine für das hiesige Publikum reizvolle Besetzung, der es womöglich gelingt, Menschen ohne Kenntnis der Vorlage zum Kauf eines Kino-Tickets zu bewegen. Denn es lohnt sich. Mit purer Opulenz und Bildgewalt beeindruckt die komplexe und verschachtelt erzählte Adaption auf mehreren Ebenen, welche sich nicht immer gleich erschließen, jedoch große Nähe zur Vorlage aufweisen, deren Inhalt mit Bezügen zur Biografie des Autors verbunden wird.
Zunächst sehen wir ein aufwändiges Period Piece im Moskau der 1930er Jahre, parallel dazu die Geschichte des historischen Romans des Autors, dessen Arbeit vor der Zensur des Schriftstellerverbandes scheitert. Anschließend verliebt er sich in die schöne Margarita, welche fortan als seine Muse fungiert und ihn antreibt, ein neues Buch zu schreiben um den Prozess gegen ihn zu verarbeiten und sich mit seinen literarischen Mitteln zu rächen. Hier beginnt ein Fantasy-Epos, in dem Realität und Fiktion zunehmend ineinanderfließen, in dessen Verlauf der Teufel mit seiner Entourage Moskau besucht und diejenigen zur Rechenschaft zieht, die für die Kampagne gegen den Autor verantwortlich sind.
August Diehl glänzt als Woland, die an eine Figur aus Goethes FAUST angelegte Entsprechung des Teufels, spielt ihn als charismatischen Verführer und unbarmherzigen Richter zugleich, dessen Aktionen in einem absurden Theater gipfeln, wie man es auf der Leinwand so noch nicht gesehen hat. Dabei schreitet die Inszenierung mutig voran und arbeitet mit modernsten Mitteln, um eine Fantasy-Welt auferstehen zu lassen, die sich ausschließlich an ein erwachsenes Publikum richtet und der es gelingt erstmals, es ist die vierte Verfilmung des Stoffes, sowohl die Bildwelten des Romans Dank der heutigen technischen Möglichkeiten auf die Leinwand zu bringen und dabei den Ton der Vorlage in Inhalt und Aussage in Film zu übertragen.
BRIGANTI ist eine (bislang) 6-teilige Serie von Marco & Nicola De Angelis über das Brigantentum im Süditalien zur Zeit des Risorgimento und ist ganz dem Stil des Spaghetti-Western verpflichtet mit seinen dreckigen und unmoralischen Figuren, deren einziger Antrieb die Gier nach Gold ist. Hier werden Allianzen geschmiedet und gebrochen, da wird geliebt und verraten, gekämpft und gemordet. Das alles sieht fantastisch aus, ist famos gefilmt und gut gespielt, nur leider auch zu zerdehnt und wenig packend. Trotzdem sticht die Serie aus dem Einerlei heraus, weil sie ein unbeackertes Feld bearbeitet und den Blick auf eine Epoche lenkt, der bislang wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde. Sollte eine zweite Staffel kommen, was nach dem Ende der ersten wünschenswert wäre, besteht die Möglichkeit zur Aufwertung, denn sehenswert ist das allemal.
TAXI DRIVER von Martin Scorsese lief heute zum 50. Jubiläum des Bestehens unseres KinoKlubs wieder auf der großen Leinwand und er hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt. New York als Schmelztiegel, zumeist bei Nacht als Noir-Hommage zum Jazz Bernard Herrmanns inszeniert, Robert De Niro als Travis Bickle, quasi die charakterliche Entsprechung Amerikas, wenig gebildet, dazu noch verwirrt, will das richtige, macht immer das falsche, geht auf in seiner Orientierungslosigkeit, wählt - natürlich - die Gewalt als letzten Ausweg aus seiner Misere, gegen wen auch immer, das System, die Luden, oder wer gerade da ist. Ein gottverdammtes Meisterwerk. Are you talking to me?
TOP TEN SCIENCE FICTION
PLANET DER AFFEN (Franklin J. Schaffner, 1968)
DER OMEGA MANN (Boris Sagal, 1971)
JAHR 2022... DIE ÜBERLEBEN WOLLEN (Richard Fleischer, 1973)
MAD MAX (George Miller, 1979)
BLADE RUNNER (Ridley Scott, 1982)
TERMINATOR (James Cameron, 1984)
PREDATOR (John McTiernan, 1987)
DIE TOTALE ERINNERUNG (Paul Verhoeven, 1990)
DARK CITY (Alex Proyas, 1998)
MATRIX (The Wachowski-Brothers, 1999)
THE RETURN OF JOSEY WALES ist das Regie-Debüt von Quentin Tarantino's Lieblings-Schauspieler Michael Parks, der auch die Titelrolle spielt, sowie die Verfilmung des zweiten Josey-Wales-Romans von Autor Forrest Carter, nach THE OUTLAW JOSEY WALES (DER TEXANER, 1976) von und mit Clint Eastwood, den dieser ursprünglich selbst verfilmen wollte, aber nach Kontroversen um den Verfasser davon Abstand nahm.
Es sind große Fußstapfen, in die Parks hier getreten ist und das muss ihm bewusst gewesen sein, denn eine Low-Budget-Fortsetzung zu einem angesehenen Kino-Hit eines Superstars zu drehen, erfordert schon mächtig Cojones.
Als ein mexikanischer Capitano mit seinen Rurales in Texas eine Cantina auseinandernimmt, die Belegschaft ermordet und einige andere entführt, dauert es nicht lange, bis der zurückgezogen lebende Josey Wales davon erfährt. Mit zwei Companēros macht er sich auf, die Verschleppten zu befreien und die Getöteten zu rächen.
Das klingt jetzt in der Tat aufregender als es ist, denn weder gibt es eine anständige Dramaturgie, noch kann der Film, obwohl On Location gedreht, visuell überzeugen. Auch die Leistungen der Darsteller gehen weit auseinander und einzig der sichtlich überforderte Hauptdarsteller/Regisseur/Produzent in Personalunion kann durch sein ihm gegebenes Charisma überzeugen, ebenso Everett Sifuentes, der den Antagonisten gibt. Die rar gesäten Actionszenen geben ebenfalls nicht viel her und die klassische Laufzeit von 90 Minuten erscheint dem Zuschauer deutlich länger, weil kaum etwas passiert.
Vermutlich schwebte Parks so etwas wie die Peckinpah'sche Western-Melancholie vor, denn manche Momente wirken durchaus stimmig. Den Vergleich zum Eastwood-Film macht man am besten gar nicht erst auf, denn von erzählerischer Kohärenz bezogen auf den Vorgänger ist hier nicht viel zu finden, zumal Wales als völlig anderer Charakter aufersteht, der weder über seine im ersten Film so mühsam errungene Wahl-Familie verfügt, noch die offensichtlichen Narben zur Schau trägt, die sein Martyrium erst sichtbar gemacht haben.
Ergo ein Film, von dem man lange nichts wusste, der nach allem was ich herausgegunden habe, gegen Ende des Jahres 1980 einen limitierten Kinostart in einigen Autokinos im mittleren Westen der USA feiern konnte, aber gleich wieder daraus verschwand, bis er 1986 schließlich noch auf Video veröffentlicht wurde. Eine Kopie dieses Videos kann man in äußerst mässiger Qualität seit einiger Zeit auf YouTube finden. Ob es sich lohnt, muss jeder selbst entscheiden.
RUST von Joel Souza wird wohl immer für die Tragödie während seiner Entstehung bekannt bleiben und dennoch will ich, der ich bereits vor den Ereignissen an dem Film interessiert war, meinen Blick auf das fertige Werk lenken. Denn nach allem was durch Presse und Netz über die Folgen des Unfalls ging, bei dem die Kamera-Frau Halyna Hutchens ums Leben kam, war es gar nicht mehr sicher, ob der Western überhaupt jemals fertig gestellt und veröffentlicht wird. Doch jetzt ist er da.
Der dreizehnjährige Lucas (Patrick Scott McDermott) kümmert sich seit dem Tod der Eltern um seinen kleinen Bruder und die Familien-Farm. Eines Tages will er einen Wolf vertreiben und erschießt aus Versehen einen Farmer, der auf dem Weg zu ihm ist. Lucas wird wegen Mordes zum Tode durch Erhängen verurteilt. Als sein Großvater Harlan Rust (Alec Baldwin), ein berüchtigter Outlaw davon hört, macht er sich auf den Weg seinen Enkel zu befreien. Auf der gemeinsamen Flucht durchs Indianerland kommen sich die beiden näher, während ihnen ein Aufgebot des Marshals und mehrere Kopfgeldjäger auf der Spur sind.
Writer/Director Souza, der mit seinem preisgekrönten Vorgänger-Film CROWN VIC bereits Aufmerksamkeit auf sich lenken konnte, ließ sich von einem wahren Fall des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts im alten Westen inspirieren, bei dem tatsächlich ein Dreizehnjähriger zum Tod durch den Strang verurteilt wurde. Man kann sicherlich nicht mit Gewissheit sagen, inwieweit sich Inhalt und Ton des Werkes von dem ursprünglich geplanten Inszenierungsvorhaben unterscheiden, doch jetzt sehen wir einen großartig fotografierten, ruhig gestalteten Western, der viel Wert auf Charakterzeichnung legt. Der überraschend lange Film behandelt im wesentlichen die Themen Verlust, Trauer und Schmerz und lässt zu keiner Zeit erkennen, dass zwischen Beginn und Fertigstellung der erstaunlich stimmigen Produktion eine Lücke von gut zwei Jahren klaffte.
RAMA DAMA von Joseph Vilsmaier (1939 - 2020) war die zweite Regie-Arbeit des früheren Kamera-Mannes nach seinem Debüt HERBSTMILCH (1988) und bringt, wie dort, dieselbe Besetzung in den Hauptrollen mit Dana Vávrová (1967 - 2009) und Werner Stocker (1955 - 1993) auf die Leinwand. Das Drama zeigt die Lebensumstände von einfachen Menschen zwischen Bomben und Trümmern.
Kati erlebt, nachdem ihr Mann an die Front musste, mit ihren zwei kleinen Kindern das Kriegsende im zerstörten München und muss wie viele ihrer Leidensgenossinnen eine lange Zeit der Entbehrungen überstehen. Nach und nach kehren einige Soldaten heim, nur ihr Ehemann nicht. In dem lebensfrohen Heimkehrer Hans findet sie einen Freund. Langsam entwickeln die beiden Gefühle füreinander.
Der Film sorgte bei seinem Erscheinen für einiges Aufsehen, nicht nur weil Vilsmaier die echte Geburt seiner gemeinsamen Tochter mit Dana Vávrová zeigte, sondern auch weil er einen ziemlich nüchternen und ungeschönten Blick auf das Leben in den Ruinen Münchens und die Arbeit der Trümmerfrauen, voller authentischer Momentaufnahmen, kurz nach dem Ende des 2. Weltkrieges zeigt. Einen Alltag im Ausnahmezustand, den der Regisseur als Heranwachsender selbst miterlebt hatte.
Nicht zuletzt zeichneten sich eben diese Arbeiten Vilsmaiers, auch in der Folge mit STALINGRAD (1993), SCHLAFES BRUDER (1995) und COMEDIAN HARMONISTS (1997), um nur die wichtigsten zu nennen, thematisch durch ihren zeitgeschichtlichen Rahmen oder regionalen Bezug aus, der seinen Filmen eine eigene, bildgewaltige Identität gab, die man lange im deutschen Kino so schmerzlich vermisst hatte. Es wird Zeit, Vilsmaier, dessen Filme es vor der Kritik nie leicht hatten, als einen der wichtigsten deutschen Regisseure der letzten fünfzig Jahre zu würdigen.
LIGHTNING JACK von Simon Wincer sollte nach dem durchschlagenden Erfolg der CROCODILE-DUNDEE-Filme den Ruhm des damals bekanntesten Australiers der Welt, Paul Hogan mehren, indem man sich an die durch DANCES WITH WOLVES (Kevin Costner, 1990) und UNFORGIVEN (Clint Eastwood, 1992) ausgelöste Wiedergeburt des ältesten Film-Genres der Kino-Historie, des Western anhängte und mit einer Komödie im Geiste von Burt Kennedy herauskam. Das Drehbuch stammt dabei von Hogan selbst, der natürlich auch die Hauptrolle bekleidet, Regisseur Wincer hatte mit LONESOME DOVE (1989) und QUIGLEY DOWN UNDER (1990) bereits hinreichend Genre-Erfahrung vorzuweisen. Das Budget war hoch, die Einnahmen gering, doch auch wenn das Werk eher ungeliebt ist, unterhält es doch mit seiner professionellen Inszenierung, ansprechender Location und lockerem Witz. Wer wie ich mit Hogans Humor etwas anfangen kann, wird hier ordentlich bedient, denn der Star zieht seinen Stiefel durch, wobei er von Cuba Gooding jr. im Charlie-Chaplin-Modus unterstützt wird, der aus seiner stummen Rolle maximales Vergnügen herausholt. Klar war das damals schon altmodisch, aber das hat mich seinerzeit weder im Kino, noch bei der erneuten Sichtung gejuckt. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
TOP TEN KRIEGSFILME
FÜNF GRÄBER BIS KAIRO (Billy Wilder, 1943)
DIE BRÜCKE AM KWAI (David Lean, 1957)
DIE BRÜCKE (Bernhard Wicki, 1958)
DIE KANONEN VON NAVARONE (J. Lee Thompson, 1961)
GESPRENGTE KETTEN (John Sturges, 1963)
DIE ABENTEUER DES WERNER HOLT (Joachim Kunert, 1965)
DAS DRECKIGE DUTZEND (Robert Aldrich, 1967)
STOSSTRUPP GOLD (Brian G. Hutton, 1970)
DIE BRÜCKE VON ARNHEIM (Richard Attenborough, 1977)
THE BIG RED ONE (Samuel Fuller, 1980)
UNION CITY von Mark Reichert basiert auf einer Kurzgeschichte von Cornell Woolrich, dessen Vorlagen häufig für düstere Kino-Moritaten adaptiert wurden. Der urbane, fast ausschließlich in einer Wohnung spielende Neo Noir war eine reine Low-Budget-Produktion, die On Location in New Jersey gedreht wurde und mit dichter Atmosphäre, einer Handvoll passend besetzter Akteure und stimmungsvollem Soundtrack überzeugt.
Der verbitterte Buchhalter Harlan (Dennis Lipscomb) und seine attraktive Frau Lillian (Deborah Harry) führen keine gute Ehe mehr. Während er ständig Auseinandersetzungen mit ihr herbeiführt, fühlt sie sich zum gut aussehenden Hausverwalter Larry (Everett McGill) hingezogen. Die merkwürdigen Nachbarn scheinen etwas im Schilde zu führen, ist Harlan überzeugt. Während er sich immer weiter in seinen Wahn hineinsteigert, geschehen seltsame Dinge und bald sogar ein Mord.
Aus der New Yorker Gegenkultur heraus sind in den 70er und 80er Jahren einige interessante Filme entstanden, man kann vielleicht sogar sagen, dass sie wegbereitend für das Independent-Kino der 90er waren, welches von New York aus dominiert wurde. Für Debbie Harry kam der Film zur rechten Zeit, denn noch während der Dreharbeiten konnte sie mit ihrer Band Blondie einen ersten Welt-Hit (Heart of Glass) landen und so dem Kinostart ordentlichen Schwung verleihen. Ihr Band-Kollege Chris Stein steuerte den wunderbar nostalgischen Score bei.
Der Fokus liegt hier jedoch ganz klar auf der Ausarbeitung der Charaktere und der Dialog ist voll von tiefschwarzen Doppeldeutigkeiten und Gehässigkeiten, dabei von bitterbösem Humor unterfüttert. Zudem würde es mich nicht verwundern wenn ein gewisser David Lynch, der sich ebenfalls zu dieser Zeit in jener Subkultur betätigte, das Werk studiert hätte, denn vieles, sei es die Art der Bildgestaltung, die detailierte Inszenierung der menschlichen Marotten, oder auch die Besetzung von McGill, lassen ein ums andere Mal an das Werk des Meisters erinnern.
Regisseur Reichert drehte indes nur diesen einen Film, der in Szene-Kreisen Kult-Status geniesst. In kleineren Nebenrollen sind u.a. die Sängerin Pat Benatar und die spätere Charakter-Darstellerin CCH Pounder zu sehen. Findet man in guter Quali auf YouTube.
HAVOC von Writer/Director Gareth Edwards besinnt sich wieder auf die Tugenden des THE-RAID-1-&-2-Regisseurs und huldigt nach dem enttäuschenden, ebenfalls für Netflix entstandenen APOSTLE (2018) bravourös dem Heroic-Bloodshed-Cinema des Hongkong-Kinos der 1980er-Jahre, welches seinerseits ja bereits als Reminiszenz sowohl an den klassischen Film Noir, als auch an Sam Peckinpah's Ultra-Violent-Movies fungierte und bietet mit seiner wahnwitzigen Inszenierung jede Menge postmoderne Verarbeitung des selben auf den Spuren von John Woo's Good-Bad-Cop versus Bad-Bad-Cop-Epen a'la HARD BOILED oder THE KILLER, hier passend besetzt mit Tom Hardy gegen Timothy Olyphant in einem wilden, später komplett freidrehenden Bleigewitter-Spektakel, wie es sie eigentlich gar nicht mehr gibt. Das Chaos ist hier Programm und bricht immer wieder, mit fortlaufender Spielzeit häufiger in einen zwar eher schlicht gehaltenen, doch rein selbstgewissen Reisser alter Schule mit Charakterköpfen wie Forrest Whittaker und Luis Guzmán in wichtigen Nebenrollen. Ein echt abgefahrenes Teil.
HAGEN - IM TAL DER NIBELUNGEN von Cyrill Boss und Philipp Stennert kommt mir vor wie die K.I.-Green-Screen-Drehbuch-Adaption eines Romans von Fantasy-Zausel Wolfgang Hohlbein und entstand im Auftrag von RTL (denkt GROß!!!) als Amphibien-Film, also ein gleichzeitig zu einer TV-Serie entstandener Kinofilm, quasi als ein GAME-OF-THE-WITCHER-Mash-Up mit ganz doll viel Atmosphäre. Doch merke: Atmo ist gut, aber Inhalt ist besser. Verwurstet werden, wie in der Vorlage, DIE (guten, alten) NIBELUNGEN, nur hier mit Hagen als Bock, der zum Gärtner gemacht wurde und ein innerlich zerrissener Mann mit Vergangenheit, aber einem Herz aus u.s.w.u.s.f., während der Siechfried ein blutrünstiger, kriegsgeiler Teutone mit einem Körper aus frisch geschmiedetem Stahl, ach Scheiß-Egal...
THE ACCOUNTANT 2 von Gavin O'Connor ist zwar eine späte, doch sehr gelungene Fortsetzung um einen autistischen Buchhalter mit ganz besonderen Fähigkeiten. Ben Affleck kehrt hier in seine vielleicht beste Rolle zurück und es ist spürbar, dass alle Beteiligten einen guten Job machen wollten. Die Gewichtung ist im Vergleich zum spannenden Vorhänger eine andere, es wird deutlich mehr Wert auf zwischenmenschliches und Humor gelegt, wobei vor allem die Kabbeleien zwischen Affleck und Jon Bernthal amüsieren. Handfeste Action gibt es dennoch, gerade der Showdown kommt wuchtig und krachend daher. Fans des ersten Teils können bedenkenlos ein Kino-Ticket lösen.
THE PERFECT FURLOUGH von Blake Edwards ist eine der zu jener Zeit in den USA äußerst beliebten Militär-Komödien und in den Hauptrollen mit den damals echten Eheleuten Tony Curtis und Janet Leigh besetzt. Die Besatzung einer Arktis-Station der US-Army erhält aufgrund ihrer langen Dienstdauer die Chance auf einen Traumurlaub nach Wahl. Leider darf nur einer der ca. hundert Soldaten das Angebot wahrnehmen, die Bestimmung erfolgt per Losverfahren. Ausgerechnet der Frauenheld Cpt. Paul Hodges (Curtis) ist der Glückspilz - und bekommt gleich eine Anstandsdame in Form von Lt. Vicky Loren (Leigh), sowie zwei Militärpolizisten als Aufpasser zur Seite gestellt. Eine turbulente Screwball-Comedy mit spaßigen Dialogen, vor allem zwischen den Vermählten, in der es äußerst witzig ist dabei zu zusehen, wie Curtis wirklich keine Gelegenheit auslässt nach Lust und Laune zu flirten. Es war bereits der zweite gemeinsame Film von Edwards und Curtis nach dem Film Noir MISTER CORY und im Anschluss drehten sie mit UNTERNEHMEN PETTICOAT ihren wahrscheinlich bekanntesten.
L'AVVENTURIERO von Terence Young ist die Adaption des posthum erschienenen Romans "Der Freibeuter" (The Rover, 1923), dem letzten vollständigen Werk von Joseph Conrad. Ein Freibeuter (Anthony Quinn) kommt nach 40 Jahren auf See zurück ins postrevolutionäre Frankreich und gerät sogleich wieder mit der Obrigkeit aneinander. Er versteckt sich auf einem verlassenen Gut am Meer und findet eine späte Liebe, bis seine Verfolger ihn finden. Terence Young's behäbige Verfilmung ist in erster Linie durch Anthony Quinns Leistung sehenswert, während die einstige Kino-Göttin Rita Hayworth, in einer Nebenrolle, nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Die schwermütige Grundstimmung verhinderte sicherlich eine größere Breitenwirkung, sodass der Film, wie so viele dem vergessen anheim fiel. Für Komplettisten dennoch einen Blick wert.
BETRAYED von Constantin Costa-Gavras ist ein Polit-Thriller, dessen negative Rezeption seinem Ansehen lange im Weg stand, doch wie es die Zeit nunmal erweist, ist die Geschichte gar nicht mehr so abwegig, im Gegenteil, sie wirkt in ihrer Aktualität geradezu prophetisch und erschreckend. Debra Winger glänzt als FBI-Agentin im Redneck-Country, wo kleine Faschos davon träumen, Amerika wieder groß zu machen, wenn sie nur mal richtig aufräumen mit dem linksliberalen Gesocks, den Ausländern, den Juden u.s.w.. Dumm nur, dass sie sich in ihre Zielperson (Tom Berenger) verliebt. Was damals als zu konstruiert und unausgewogen verpöhnt wurde, scheint mir lediglich eine Überforderung des Massenpublikums gewesen zu sein, denn der Film startet ganz großartig und schockt zu Beginn des zweiten Aktes ordentlich, sodass sich der Zuschauer erstmal auf die neue Ausgangslage einstellen muss und ganz ähnlich der Protagonistin gezwungen ist, die Situation zu verarbeiten, um sich neu aufzustellen. Die Spannung, die daraus entsteht, ist beträchtlich. Zwar reicht das Werk nicht an die Meisterwerke des Regisseurs heran, ist aber doch weit besser als sein Ruf.
TOP TEN MUSIC MOVIE CHARTS
SINGIN' IN THE RAIN (Gene Kelly, Stanley Donen, 1952)
PAL JOEY (George Sidney, 1957)
KING CREOLE (Michael Curtiz, 1958)
THE HARDER THEY COME (Perry Henzell, 1972)
BOUND FOR GLORY (Hal Ashby, 1976)
THE LAST WALTZ (Martin Scorsese, 1976)
THE COMMITMENTS (Alan Parker, 1991)
THE MAMBO KINGS (Arne Glimcher, 1992)
STILL CRAZY (Brian Gibson, 1998)
A COMPLETE UNKNOWN (James Mangold, 2024)
3:10 TO YUMA von Genre-Experte Delmer Daves ist die Verfilmung eines frühen Romans von Elmore Leonard und kann als Parade-Beispiel des psychologischen Western der 1950er Jahre gesehen werden. Zudem ist es bereits der zweite von drei gemeinsamen Western, in denen Glenn Ford die Hauptrolle spielt, der unter Daves' Regie einige seiner stärksten Auftritte verzeichnen konnte.
Als Bandit Ben Wade, der vom einfachen Farmer Dan Evans (Van Heflin) der Gerichtsbarkeit zugeführt werden soll, während die Bande des Gesetzlosen im Hinterhalt lauert, zeigt er für viele seine beste Leistung überhaupt. Gerade im Spiel mit Charakterkopf Heflin, läuft Ford als verschlagener und doch liebenswerter Schurke zu großer Form auf, während der aufrecht bis zur Selbstaufgabe agierende, aus reiner Not handelnde Farmer letztendlich durch ihn genötigt wird, aus der Defensive kommen.
Frankie Laines Titelsong gibt bereits die düstere Grundstimmung vor, die den Film in Richtung des kleinen Sub-Genres des Western Noir tendieren lässt. In den dokumentarisch anmutenden, scharfkantigen Schwarzweiß-Bildern von Kamera-Aß Charles Lawton jr. spiegeln sich die moralischen Irritationen des Protagonisten im Psycho-Duell mit der mentalen Überlegenheit des Antagonisten bereits wider.
In der ersten Hälfte bewegen sich die Figuren noch in der landschaftlichen, wenn auch unwirtlichen Weite, bis sich die zweite zum Kammerspiel, ja quasi Zwei-Personen-Stück wandelt und die Spannung rein auf Dialog-Ebene hochkocht. Der Showdown kommt dann so ungewiss und unerwartbar, wie es kaum vergleichbar ist. Die angestrebte Authentizität des Machers kommt hier vollumfänglich zum tragen. Etwas, dass man über das 2007er Remake mit Russell Crowe und Christian Bale kaum sagen kann.
Dieses Original jedenfalls kann als Meisterwerk neben anderen Klassikern der Dekade wie HIGH NOON (Fred Zinnemann, 1952) mühelos bestehen.
LEX BARKER - WESTERNHELD UND PLAYBOY von Andreas G. Wagner ist eine für arte entstandene, sehenswerte Doku, die sich wohl vor allem an das vornehmlich deutsche Fan-Publikum wendet, da sie zwar einen kurzen Abriss seiner Biographie und Filmkarriere vor seiner Zeit in Europa vermittelt, sich jedoch in der Hauptsache um sein Wirken in Europa, respektive Deutschland kümmert, dabei natürlich die Karl-May-Filme in den Vordergrund schiebt. Was danach passierte, scheint abgesehen von seinem frühen Tod nicht mehr so interessant zu sein, allein die kurze Laufzeit von unter einer Stunde verhindert hier genaueres. Obwohl ein paar Filmkritiker, Verwandte und sogar Clemens Meyer, der Barker in seinem Roman DIE PROJEKTOREN ein kleines Denkmal setzte, zu Wort kommen, ist es eine vollkommen unkritische und unreflektierte Angelegenheit, da über die dunklen Seiten des Stars kein einziges Wort verloren wird, obgleich hinlänglich bekannt. Aber das ist ein anderes Thema..
SINNERS von Ryan Coogler steigt mit dem Ur-Mythos der schwarzen Pop-Kultur ein, der an einer Kreuzung in Clarksdale, Mississippi stattfand, wo ein Junge namens Robert Johnson seine Seele dem Teufel verkauft haben soll, um fortan als Gott an der Blues-Gitarre erfolgreich zu sein.
Auch der Film beginnt 1932 hier in Clarksdale, auch hier gibt es einen Jungen (Miles Caton) mit einer Gitarre, oder dem was davon übrig ist, und auch er scheint eine teuflische Begegnung hinter sich zu haben, die ihn jetzt göttlichen Beistand suchen lässt. Sein Ziel ist nämlich das Gotteshaus seines Vaters, eines Predigers, der seinen Sohn dadurch retten möchte, ihn zu beschwören, dass dieser dem Blues entsagt und von der Gitarre ablässt. Den wahren Grund für die Flucht des Jungen, vor welchen Teufeln auch immer, erfahren wir nun in einer vierundzwanzig Stunden früher angesetzten Rückblende.
Die beginnt mit der Ankunft der Smoke-Stack-Brothers (beide gespielt von Cooglers Stamm-Schauspieler Michael B. Jordan), eines Zwillingsbrüderpaares, welches in die alte Heimat zurückkehrt, der man einst den Rücken gekehrt hatte um in den 1. Weltkrieg zu ziehen und nach dem Ende dessen in den Strassenschluchten von Chicago als Handlanger für Al Capone zu arbeiten. Nach Clarksdale bringen sie nun das Vergnügen in Form von Alkohol, Glückspiel, Musik und Tanz, angeboten in einer alten Mühle am Stadtrand, gekauft vom Ku-Klux-Klan. Jetzt müssen nur noch ein paar alte Freunde, Bekannte und Verwandte (u.a. Delroy Lindo) als Helfer rekrutiert werden, damit die Party steigen kann.
Ein Tag und eine Nacht, voll von Erlebnissen für ein ganzes Leben, vom höchsten Glück bis an den Rand der Hölle. Nicht mehr und nicht weniger bietet der auf mehreren Ebenen erzählende Film. Als an FROM DUSK TILL DAWN gemahnendes Horrorfest in der BLACK EDITION, als populärgeschichtlicher Streifzug durch die afroamerikanische, vor allem musikalische Kultur, als Zeugnis der schwarzen Selbstermächtigung, ebenfalls (wie die Weißen) mit allen vorhandenen legalen, wie illegalen Mitteln für ein besseres Selbstempfinden zu sorgen und nicht zuletzt die Macht des Weiblichen zu feiern, indem die zwei wichtigsten Protagonistinnen (Wunmi Mosaku & Hailee Steinfeld) verantwortlich für die Handlungsbereitschaft ihrer männlichen Widerparts sind.
Die beiden Brüder könnten einem FILM NOIR entsprungen sein, als Veteranen, gebrochene Kriegsheimkehrer, die ihr Heil in der Unterwelt suchen, wo sie die Drecksarbeit für irgendwelche Gangster verrichten, in Rollen, wie sie Humphrey Bogart ein ums andere Mal spielte. Sie gehen nicht nur nach Clarksdale zurück um endlich selbst ein Stück vom Kuchen zu bekommen, sie stellen sich auch ihrer Herkunft, ihrer Vergangenheit, ihrer Identität. Ob gewollt oder nicht, wird für beide die Rückkehr zu einer Reise an ihre Ursprünge, bei der sie lernen müssen, dass sie ihre ureigenen Wurzeln nicht einfach abstreifen können. In der Konfrontation mit dem wirklich Bösen, legen die Berufsverbrecher all ihre charakterliche Ambivalenz offen, bei der die tiefgehenden Wunden ihrer Vergangenheit aufbrechen und der Schmerz ihrer Unterdrückung wieder spürbar wird. Das vom Weg abkommen, was ja auch den Jungen erwartet, wird so zur notwendigen Handlung, der eigenen Seelenpein, entstanden aus den allgemeinen Lebensumständen, zu entfliehen. Um eine eigene, selbstbestimmte Identität zu finden, ist es somit quasi unumgänglich, den Pfad der Tugend zu verlassen.
Ryan Coogler nimmt sich viel Zeit für die Zeichnung der Charaktere, erschafft feine Portraits authentischer Figuren, erstellt ein vielschichtiges Ensemble von ca. sechs Haupt- und nochmal so vielen Nebenrollen, deren Erstehung dreimensional und nachvollziehbar wirkt, was die später im Film stattfindenden Konfrontationen einzelner umso eindrücklicher macht, da sie nie selbstzweckhaft und immer einer Entwicklung unterworfen sind. Das Böse, wenn es dann kommt, obwohl unterschwellig stets präsent, erinnert in seinem Auftreten an Inszenierungen bei ANGEL HEART (Alan Parker, 1987) oder NEAR DARK (Kathryn Bigelow, 1987), kommt unmittelbar, unvorbereitet und scheinbar direkt aus der Hölle, verkörpert von Jack O'Connell, der eine Spielfreude an den Tag legt, die wahrhaft zum fürchten ist, ihn als Seelenfänger und Verführer zeigt, dessen reizvolles Angebot für seine Opfer durchaus eine Option sein kann.
Natürlich kann man ihn auch stellvertretend für die weißen Blutsauger sehen, welche die Schwarzen jahrhundertelang ausgeblutet haben. Er passt sich den örtlichen und zeitlichen Gepflogenheiten an, agiert musikalisch, mitreißend und einnehmend, überzeugt zwingend mit seiner Todes-Metapher als Wiedergänger, als Alternative zum fremdbestimmten Leben unter der Knute, lockt mit Freiheit in alle Ewigkeit, nur unterworfen dem nächtlichen Dasein. Jene Musikalität ist es, die Film und Inszenierung vorantreibt, mit stampfendem Rhythmus und treibendem Blues, mit traditionellem Folk und schwingendem Bluegrass, bis hin zum Soul und wummerndem Beat, in einer zentralen Sequenz, die mit Raum und Zeit bricht und in einem Moment kulminiert, in dem einerseits die übergeordnete Aussage des Films auf den Punkt gebracht, und andererseits eine neue Richtung im Fortlauf der Handlung eingeschlagen wird.
Hier und an anderer Stelle überspringt SINNERS mühelos die Genre-Grenzen und entwickelt sich beispielsweise kurzerhand zum Musical, ohne ein Musical zu sein. Die Versatzstücke fließen ineinander über, wie die Strömungen des Mississippi. Und wenn dem alten Glauben nach die Musik des Teufels die alten Geister ruft, denen man nur mit Hoodoo begegnen kann, trotzt gerade diese religiöse Lüge allen Wahrscheinlichkeiten, weil sich die Betreffenden selbst darauf berufen. Überhaupt wird mit der Religiösität hart ins Gericht gegangen und ihrer Macht zur Gleichschaltung kritisch begegnet, wenn der Junge sich für die wahre individuelle Freiheit entscheidet. Dem Wissen der Naturvölker Afrikas, der Indianer oder auch der irischen Folklore, als Vertreter der Einwanderungsländer, was sich in O'Connells Rolle niederschlägt, wird eine weitaus größere Bedeutung beigemessen, als dem Christentum und ausgerechnet ein Aufgebot von Indigenen tritt mahnend mit der Warnung in Erscheinung, den Untoten nicht ins Haus zu lassen.
Coogler hat das angesammelte Prestige seiner Hollywood-Arbeit für Marvel mit den beiden BLACK-PANTHER-Filmen gut genutzt und die fette Kohle in einen höchst originellen Genre-Bastard investiert, der nicht nur verdammt gut aussieht und sich phänomenal anhört, sondern auch noch inhaltlich echt was zu bieten hat. Das neue BLACK CINEMA ist nach den aufregenden Filmen von ihm und seinen Kollegen wie Barry Jenkins und Jordan Peele wieder voll da.
PHARAOH'S ARMY von Autor/Regisseur Robby Henson, der in verschiedenen Genres ein paar kleinere Filme mit Südstaaten-Thematik drehte (der beste davon ist THE BADGE mit Billy Bob Thornton), widmet sich dem Amerikanischen Bürgerkrieg in einem Drama an begrenztem Schauplatz. Auf einer Farm in Kentucky lebt Sarah (Patricia Clarkson) mit ihrem Sohn Luke, eine Tochter ist gestorben, ihr Mann kämpft im Krieg auf Seiten der Südstaatler. Eines Tages kommt eine kleine Einheit Unions-Soldaten unter Führung des Offiziers Abston (Chris Cooper) und will Nahrungsmittel konfiszieren. Als sich einer Soldaten durch einen Unfall verletzt, muss die Gruppe bis zu dessen Genesung bleiben. Sarah muss sich mit der neuen Situation arrangieren. Es ist ein Schauspielerfilm, getragen von den Leistungen des Hauptdarsteller-Duos, die Inszenierung ist reduziert im realistischen Stil gehalten, dabei budgetbedingt karg und schmucklos, was aber den Fokus auf die Charaktere lenkt. Die Synchro ist mäßig, doch in Ordnung, im Zweifelsfall funktioniert das Werk im Original jedoch besser. In einer Nebenrolle ist Kris Kristofferson, dessen Tochter den Film produzierte, als Priester zu sehen.