EddieLomax - Kommentare

Alle Kommentare von EddieLomax

  • 9

    Ostfront 1943: Feldwebel Steiner (James Coburn), desillusioniertes Frontschwein und Träger des eisernen Kreuzes, kennt nur ein Ziel, nämlich sich und die Männer seines Trupps, eine Gruppe von Außenseitern (u.a. Klaus Löwitsch und Vadim Glowna), möglichst unbeschadet durch den Irrsinn den man Krieg nennt zu bringen. Er hasst Offiziere und führt seinen Zug nach eigenen Regeln. Den Regeln eines erfahrenen Soldaten, der längst nicht mehr an den Endsieg glaubt.

    Als Hauptmann Stransky (Maximilian Schell) auf eigenen Wunsch an die Front versetzt wird und den Befehl über die eingeschworene Gemeinschaft übernehmen soll, stößt der aufstrebende linientreue Nazi in zahlreichen Situation an seine Grenzen und macht sich durch seine harte, starre Haltung schnell unbeliebt. Denn Stransky will, um seine Familienehre zu retten, unbedingt ein eisernes Kreuz. Und dafür ist ihm jedes Mittel recht. Nachdem er festgestellt hat, das er Steiner nicht manipulieren kann, schickt er ihn und seine Männer auf ein Himmelfahrtskommando hinter die russischen Linien, von dem es kein zurück geben kann. Doch Steiner kehrt nach harten Kämpfen und unter schweren Verlusten mit seiner Einheit zurück und er beweist Stransky, das auch eiserne Kreuze diesem Wahnsinn keinen Sinn geben können.

    Basierend auf Willi Heinrichs zweiteiligem Roman STEINER verfilmte Sam Peckinpah im Auftrag des deutschen Porno-Produzenten Wolf C. Hartwig hier den ersten Teil "Das geduldige Fleisch". Wie fast immer lieferte sich Peckinpah mit dem Produzenten erbitterte Zweikämpfe und schaffte es, trotz der äußerst chaotischen Produktionsbedingungen, einen zwar nicht meisterhaften aber dennoch herausragenden Beitrag des Kriegsfilm-Genres herzustellen, der für sich genommen noch immer eine Rarität bei dieser Art Film darstellt.

    Er zeigt den Krieg nämlich einzig aus deutscher Perspektive. Peckinpah gelingt es, und das muss man sowohl seinem Genie als auch seiner Herkunft anrechnen, einen objektiven Blick auf die Figuren und die Zustände an vorderster Front zu werfen, ohne freilich seine Liebe zu den Individualisten zu verleugnen. Er stellt dabei der inneren Zerissenheit der Protagonisten, Bilder der ausufernden vernichtenden Gewalt gegenüber, die bis heute einzigartig sind und den ganzen Horror des Krieges eindrucksvoll dokumentieren. Hier trifft in den Figuren Stransky und Steiner das System Faschismus auf das System Soldat und beide sind dabei sich gänzlich aufzulösen weil klar wird, dass weder das eine, noch das andere an diesem Punkt funktionieren können. Die Eigendynamik des Krieges macht jedes dieser Systeme unwirksam und sinnlos. Selten wurde diese Absurdität klarer und greifbarer herausgestellt. Ein in Blut und Schlamm getauchtes Kriegsgemälde, mit dem Sam Peckinpah zwar keine Filmgeschichte schrieb, aber ein einzigartiges Genre-Unikum schuf.

    15
    • 6
      EddieLomax 19.11.2024, 22:51 Geändert 19.11.2024, 23:22

      JEON, RAN von Kim Sang-man ist ein Schwertkampf-Epos und basiert auf einem Drehbuch von Park Chan-Wook, dass dieser aus terminlichen Gründen nicht selbst verfilmen konnte, aber es zumindest produzierte. Es erzählt die auf historischen Ereignissen fußende Geschichte eines Jungen, der versklavt und seinem etwa gleichaltrigen neuen Herrn zugeteilt wird, sozusagen als dessen Spiegel, Schatten und Auffangbecken jeglicher Strafen für Fehlleistungen fungiert. Sein Freiheitsdrang führt immer wieder zur Flucht. Als die Japaner Korea erobern wollen, finden sich die nun erwachsenen Männer im Krieg wieder. Verwickelt erzählt, kann die komplexe Geschichte lange Zeit unübersichtlich erscheinen, überzeugt aber durch Atmosphäre, starke Bildsprache und tolle Schauspielleistungen. Auch an Action fehlt es nicht, die Kämpfe sind choreographisch hochwertig gestaltet, schnell und brutal. Dennoch war es schwierig für mich, dass Geschehen vollumfänglich zu erfassen und ich könnte mir vorstellen, bei einer Zweitsichtung mit etwas höherer Aufmerksamkeitsspanne eine bessere Wertung zu erzielen. Die vielschichtigen Charaktere und mehrdeutigen Handlungsebenen bergen sicherlich noch einiges an gewinnbringendem Inhalt, vor allem wenn man den historischen Hintergrund berücksichtigt, doch dafür war heute wohl nicht der richtige Zeitpunkt.

      11
      • 7

        MILES DAVIS: BIRTH OF THE COOL von Stanley Nelson bietet einen guten Einstieg in das Schaffen des großen Jazz-Mysteriums ohne dabei, trotz seiner Laufzeit, allzusehr in die Tiefe zu gehen, was durch die schiere Masse an Material, die hier verarbeitet wurde, nahezu unmöglich scheint. Dennoch kommt man dem Genie auf die Spur, was vor allem deshalb gelingt, als dass Davis im Kommentar in eigenen Worten zitiert wird, angereichert durch viele Interviews mit Verwandten und Weggefährten. Als Soundtrack hören wir in dem chronologisch strukturierten Dokumentarfilm zahlreiche berühmte Stücke des Ausnahme-Künstlers, dessen dunkle Seiten ebenso berücksichtigt werden, wie sein Fehlverhalten. Alles in allem ein sehenswertes Portrait, dass noch bis zum 16.12.2024 in der arte-Mediathek zu finden ist:

        https://www.arte.tv/de/videos/117748-000-A/miles-davis-birth-of-the-cool/

        12
        • 5
          EddieLomax 16.11.2024, 00:06 Geändert 19.11.2024, 19:22

          GLADIATOR 2 von Ridley Scott könnte auch SHARKIATOR - HAIE IM KOLOSSEUM heißen und würde seinem Titel dennoch vollauf gerecht werden, da sowohl die Assoziation den raubfischähnlich agierenden Machthabern, als auch ihren Widersachern entsprechen kann, wiewohl dem Publikum in der Tat Haie und anderes Getier in der Arena präsentiert werden. Das kann dem Gedanken geschuldet sein, sich im Vergleich zum Vorgänger bei den Kampfszenen um keinen Preis wiederholen zu wollen und deshalb Szenarios entworfen wurden, die genau das nun beweisen, so abstrakt es auch sei, oder man dachte sich nur, je bescheuerter, desto besser.

          Sir Ridley kommt mir nach seinen letzten filmischen Ergüssen immer mehr wie Opa Hoppenstedt vor, dessen Puls nur noch in Ekstase gerät, wenn er zur lauten Marschmusik im Takt mitgröhlen kann. Immer wieder zeigt er Ansammlungen von rohen, ungewaschenen Kerlen, die durch Brandreden befeuert Zustimmung herausbrüllen, pathetisch bis zur Selbstkarikatur. Überhaupt erscheint das Antik-Stadl oft wie teurer Edel-Trash voller absurder Szenen, bei denen man entweder nur den Kopf schüttelt oder sich enthemmt vor lachen darüber hinwegkringelt. Frauen gibt es im alten Rom Scott's praktisch nicht, mit Ausnahme der übers Ziel hinaus gebotoxten Connie Nielsen und einen anfänglichen zweiminütigen Alibi-Auftritt der Ehefrau des künftigen Gladiatoren, die sich sogleich rachewirksam dahinmeucheln lassen darf.

          Apropos dahinmeucheln; hier scheint der Regisseur nochmal alle Register ziehen zu wollen, soviel Blut wie hier floss selten in einem seiner Filme. Von der epischen Erhabenheit des Originals ist in der Fortsetzung nichts zu spüren. Hier ist alles Oberfläche, flach wie der Boden des Kolosseums, Tiefgang gibt's nur in den Unterwasser-Szenen, was wohl David Scarpa anzulasten ist, der sich als Lieblings-Drehbuch-Kollaborateur des Regisseurs nach dem desaströsen NAPOLEON mal wieder kaum bemüht zu haben scheint, auch nur einen gehaltvollen Dialog zustande zu bringen. Figurenzeichnung: Fehlanzeige. Das geht vor allem zulasten des Protagonisten, der von einem charismabefreiten Paul Mescal als recht tumber Haudrauf dargestellt wird, wobei ich bezweifle, dass es so beabsichtigt war. Nebenfiguren bekommen kaum Raum, was im ersten Teil noch gänzlich anders war, als man mit den Kampfgefährten des Helden ebenso mitgefiebert hat, wie mit ihm selbst. Hier spielen sie keine Rolle und sind nur da, um das Bild zu füllen.

          Doch es gibt auch positives zu berichten. Denzel Washington gibt dem CGI-Affen sprichwörtlich ordentlich Zucker und hat offenbar als Einziger erkannt, was angesichts der Script-Eskapaden zu tun ist, um die Toga-Party am laufen zu halten und Pedro Pascal zeigt einmal mehr seine Fähigkeit einen solchen Film über weite Strecken zu dominieren, in dem er sicherlich der geeignetere Hauptdarsteller gewesen wäre. Zudem gibt es einige sehr sehenswerte und aufwändige Panoramen zu bestaunen, Bilder in denen das Römische Reich, womöglich ein letztes Mal, in solcher Größe auf der Leinwand wieder auferstehen kann, was den Kino-Besuch für sich genommen bereits rechtfertigt. Außerdem ist GLADIATOR 2 trotz seiner enormen Länge stets unterhaltsam und niemals langweilig. Purer Eskapismus, der sich kein Stück um Glaubwürdigkeit schert und sich ganz dem Spektakel hingibt, ohne Rücksicht auf Verluste.

          19
          • 7

            TERRITORY von Greg McLean (WOLF CREEK 1& 2 + Serie) ist eine (bislang) sechsteilige Serie und so etwas wie YELLOWSTONE light. Es geht um die Familie Lawson, welche die größte Ranch der Welt im australischen Northern Territory betreibt und ständigen Intrigen, Machtkämpfen und Fehden ausgesetzt ist. Daneben gibt es reichlich innerfamiliäre Verwerfungen und Konflikte, denen ebenso viel Raum gegeben wird, wie der Organisation des Arbeitalltages und den nicht immer legalen Nebenbeschäftigungen einiger Familienmitglieder. Das ganze ist gut geschrieben, dabei nicht so überdreht wie das US-Vorbild, aber dennoch spannend und steigert sich von Folge zu Folge, wobei keinerlei Längen entstehen. Das Finale wird dann so richtig dramatisch, lässt sich allerdings eine Hintertür offen, kann jedoch ebenso gut als Abschluss fungieren. Besonders punktet die aufwändig produzierte, zeitgenössische Western-Serie durch die ausgezeichnete Besetzung um Anna Torv (MINDHUNTER) und Robert Taylor (LONGMIRE), sowie einem frischen jüngeren Cast, der wirklich Laune macht. Sehr positiv ist mir im Verlauf die Einbindung der australischen Ur-Einwohner bei den zu verhandelnden Themen aufgefallen, deren historische Rolle in der Gesellschaft des fünften Kontinents unterschwellig immer mitschwingt und kein gutes Licht auf den aktuellen Umgang mit dieser Bevölkerungsgruppe wirft. Der wahre Hauptdarsteller ist ohne Wenn und Aber die überwältigende Landschaft des Outback, die jederzeit ins rechte Licht gesetzt wird und eine nicht zu unterschätzende Funktion in der Erzählung besitzt. TERRITORY ist eine erfreuliche Überraschung. Von mir aus kann es gern weitergehen.

            14
            • 6

              Die Proteste nehmen überhand. Immer wieder enden die Märsche in blutiger Gewalt. Die Opposition ist entschlossen, macht aber einen Kuhhandel, der ihrem erklärten Feind General Caius Martius (Ralph Fiennes) nützt. Der kommt nun nach dem Sieg über Tullus Aufidius (Gerard Butler) an die Macht. Mit seinem Volk kann er sich jedoch nicht identifizieren. Zu fremd bleibt es dem Vollblut-Militär. Nur durch seine intrigante Mutter Volumnia (Vanessa Redgrave) kann er sich im Polit-Zirkus behaupten, flankiert vom erfahrenen Menenius (Brian Cox). Doch seine Gegner um Senator Sicinius (James Nesbitt) schmieden bereits ein Komplott gegen Caius Martius. Es gelingt, ihn zu stürzen. Er wird in die Verbannung geschickt. Nicht einmal seine Frau Virgilia (Jessica Chastain) begleitet ihn. Caius Martius, der sich seit seinem größten militärischen Sieg Coriolanus nennt, hat nur noch ein Ziel. Er will sich an seiner Familie, seinem Volk und seinen Feinden rächen. Dafür stellt er sich in den Dienst Tullus Aufidius. Gemeinsam mit dem jetzt besänftigten Feldherrn und dessen Heer zieht er gegen Rom.

              Ralph Fiennes modernisiert den Shakespeare-Stoff intelligent und zeitgemäß, spielt seine Parade-Rolle von den Theater-Bühnen mit Hingabe, scheitert aber inszenatorisch am eigenen Anspruch. Das kann und muss nicht jedermanns Sache sein, ist für Shakespeare-Liebhaber aber trotzdem einen geschulten Blick wert. Im ersten Drittel dominieren wilde Action-Szenen, Häuserkampf wie in FULL METAL JACKET, Massen-Proteste, Schießereien und Prügel-Szenen. Da fällt es nicht leicht den Überblick zu behalten, wird dies doch immer wieder von den typischen klassischen Dialogen gebrochen. Etwas irritierend ist das schon.

              Wenn der Erzähl-Rhythmus erstmal gefunden ist, besticht der Film, wie die meisten Shakespeare-Verfilmungen, eher durch die erlesene Besetzung und deren schauspielerische Leistungen, gibt es doch kaum etwas dankbareres sein Talent zu zeigen, als in einem Stoff des Mannes aus Stratford upon Avon, dessen Dialoge, wenn auch hier leicht verändert, wie immer brilliant und zeitgemäß funktionieren, wuchtig und aussagekräftig daherkommen. Mit derartigen Updates habe ich zwar hin und wieder meine Probleme, muss jedoch feststellen, dass es hier überaus gelungen ist. Die Verlegung in ein postmodernes Italien zwischen Occupy und Bürgerkrieg passt auf den Punkt, der filmische Stil schwankt zwischen italienischem Politkino der Siebziger Jahre und modernem Mockumentary-Stil. Das ist zugegeben etwas sperrig, aber wenn man im Shakespeare-Modus angekommen ist, zieht es einen doch noch in seinen Bann. Insgesamt gelungen, wenn auch mit Abstrichen.

              14
              • 8

                Texas um 1890: Nachdem der Raubmörder Purvis (David Arquette) in der Wildnis nach schrecklicher Tat knapp mit dem Leben davongekommen sein Heil in Bright Hope zu finden sucht, gerät er durch sein verdächtiges Verhalten sogleich mit dem Sheriff Hunt (Kurt Russell) und dessen Deputy Chicory (Richard Jenkins) aneinander, was ihm eine Kugel im Bein und eine Nacht im Gefängnis einbringt. Dort ärztlich behandelt von Samantha O'Dwyer (Lili Simmons), der Frau des verunfallten Cowboys Arthur (Patrick Wilson), soll die Nacht abgewartet werden und die Klärung der Verhältnisse am nächsten Tag erfolgen. Als Sheriff Hunt am nächsten Morgen nicht nur einen Mord aufklären muss und im Gefängnis niemanden mehr vorfinden kann, wird schnell klar das es einen Zwischenfall gegeben hat, bei dem Mrs. O'Dwyer, der Gefangene und ein weiterer Deputy entführt wurden. Gemeinsam mit Chicory, Arthur und einem besorgten Bürger namens Brooder (Matthew Fox), startet Hunt eine Suchaktion, die direkt in die Hölle zu führen scheint.

                Große Fußstapfen sind es, in die Multitalent S. Craig Zahler da steigt und er schlägt sich wacker. Unverkennbar von Vorbildern wie (zu Beginn) Howard Hawk's RIO BRAVO oder (im Verlauf) John Ford's THE SEARCHERS beeinflusst (wenn auch ein paar Nummern kleiner), erweist sich sein Regie-Debüt als durchaus eigenständiger Genre-Bastard, der als atmosphärischer Mix von Filmen wie THE MISSING (Ron Howard) und RAVENOUS (Antonia Bird) zu gefallen weiß. Wird die Suche zunächst konventionell erzählt, den Charakteren dabei Tiefe und Glaubwürdigkeit verliehen, wandelt sich die Geschichte im letzten Drittel schleichend in einen lupenreinen Horrorfilm, der auch vor drastischen, teilweise verstörenden Bildern nicht halt macht. Das sich alles dennoch zu einem homogenen Ganzen fügt, ist nicht nur der Klasse der Schauspieler dieses in nur 21 Tagen abgedrehten Low-Budget-Western, was man ihm zu keiner Zeit ansieht, sondern dem romanhaft entwickelten Drehbuch geschuldet, für welches Zahler, neben der Arbeit an Schnitt und Soundtrack ebenfalls verantwortlich zeichnet.

                Kurt Russell, der 2015 gleich für zwei Western (außerdem Quentin Tarantino's THE HATEFUL 8) vor der Kamera stand, trägt das Werk mühelos mit seiner natürlichen Art und verleiht der Geschichte ihre nötige Bodenständigkeit. Richard Jenkins' Chicory ist die heimliche Hauptfigur und erinnert in ihren besten Momenten an Walter Brennans legendäre Sidekick-Rollen in einigen Western-Klassikern als pausenlos plappernder alter Hilfssheriff. Patrick Wilson, der Timothy Olyphant ersetzte, gibt einmal mehr den Normalo der sich durchbeißt und Matthew Fox überzeugt als arroganter Indianer-Hasser, der im letzten Moment Verständnis für seine Figur aus der Unsympathen-Rolle herauskitzeln kann.

                Ein düsterer Horror-Western der morbiden Art mit einigen drastischen Gewalt-Szenen, der als im positiven Sinne kruder Genre-Mix mit atmosphärischer Inszenierung und tollen Schauspielerleistungen zu überzeugen vermag.

                16
                • 7

                  PEDRO PÀRAMO ist das Regie-Debüt des Star-Kameramannes Rodrigo Prieto (KILLERS OF THE FLOWER MOON) und die bereits vierte Verfilmung des gleichnamigen Roman-Klassikers von Juan Rulfo aus dem Jahr 1955 (auf Deutsch bei Hanser erschienen), dabei vermutlich die erste für ein internationales Publikum. Ein Mann sucht nach dem Tod der Mutter seinen Vater, den er nie kennengelernt hat und findet ihr Heimatdorf in der nordmexikanischen Einöde verlassen vor. Einzig die Haushälterin der Familie lebt noch hier in der Geisterstadt, was durchaus wörtlich zu nehmen ist, und nimmt ihn auf. An diesem Ort herrscht eine merkwürdige Stimmung, denn die Frau kann offenbar mit den Verstorbenen kommunizieren, der Mann bekommt seltsame Träume, begegnet den Toten, die Nachts durch die Straßen wandeln, ihm Geschichten über seinen Vater Pedro Pàramo erzählen und nur wenig positives über ihn zu berichten haben. Langsam ergibt sich das Portrait eines Menschen, der aufgrund seiner Erlebnisse in Kindheit und Jugend zum Despoten wurde. Der Tod ist allgegenwärtig in dieser Geschichte des Niedergangs und kann als Parabel gesehen werden. Das sehr ruhig erzählte Drama übersetzt den magischen Realismus des Romanes in atmosphärische Bilder mit suggestiver Wirkung, arbeitet mit den filmischen Mitteln des Fantasy-Horror in einem typischen Western-Setting, ohne dabei die Ernsthaftigkeit seiner Erzählung zu vernachlässigen.

                  15
                  • 6

                    THE TAKE von Robert Hartford-Davis ist eine ungewöhnliche Mischung von Blaxploitation-Action und Neo Noir aus britischer (!) Produktion mit komplett amerikanischer Besetzung, allen voran Billy Dee Williams als durch und durch korrupter, stets auf den eigenen Vorteil bedachter Cop, der in New Mexico mit Hilfe eines Gangster-Bosses (Vic Morrow) Karriere machen will. Auch seine Kollegen, u.a. A Martinez, Eddie Albert & Albert Salmi haben alles andere als eine weiße Weste, was den gesamten Polizei-Apparat in keinem besonders guten Licht erscheinen lässt. Anfang und Ende des Films bieten handfeste Action, dazwischen geht es mehr um charakterliche, wie institutionelle Untiefen, die allerdings nicht sehr differenziert ausgearbeitet werden. Dennoch kann man sich das seltene Stück mal geben. Die Gelegenheit dazu findet sich neuerdings bei YouTube.

                    11
                    • 7

                      UTAH BLAINE von Fred F. Sears ist die Verfilmung eines Romans von Louis L'Amour und dreht sich um einen Konflikt zwischen Landräubern und Farmern, die unerwartet Hilfe von einem Revolvermann erhalten. Mike Blaine, genannt Utah Blaine, saß in Mexiko im Knast. Nun sucht er den Typen, der ihn dort hineingebracht hat. Er findet ihn zufällig, als er einen Farmer vor dem lynchen rettet, der zum Opfer von Landräubern geworden ist. Blaine stellt sich auf die Seite der Farmer, um seine Rechnung zu begleichen. Eine exemplarische Western-Geschichte, gut geschrieben, gut gespielt und solide inszeniert, profitiert natürlich ungemein von der Präsenz Rory Calhouns, dem auch bei positiv besetzten Charakteren immer etwas hintergründiges und gefährliches anhaftet. Solch ambivalente Figuren lagen ihm einfach und hoben so manchen seiner Western über den Genre-Durchschnitt, so auch hier.

                      13
                      • 8

                        MR. & MRS. BRIDGE ist eine Literaturverfilmung von James Ivory nach zwei Romanen von Evan S. Connell. Eine Besonderheit ist dabei die Besetzung des Ehepaares Joanne Woodward und Paul Newman als Titelfiguren, was dem formal klassisch gediegen inszenierten Drama eine sehr glaubwürdige Komponente verleiht und natürlich an der hohen schauspielerischen Qualität der beiden Stars liegt. Vor allem Newman ist hier völlig gegen den Strich besetzt und zeigt mit der Verkörperung des distanzierten und vermeintlich gefühlskalten Ehemannes und Familienvaters eine der besten Vorstellungen seiner langen Karriere, wobei er die Bühne zumeist seiner Frau überlässt, welche die Gelegenheit über die Maßen zu glänzen zu nutzen weiß. Oscar- und Golden-Globe-Nominierungen waren ihr Lohn. Zu sehen in der arte-Mediathek.

                        14
                        • 7

                          SUR LES CHEMINS NOIRS von Denis Imbert basiert auf dem gleichnamigen Reise-Bericht von Sylvain Tesson, in dem er von seiner Wanderung einmal quer durch Frankreich erzählt, die er nach einem schweren Unfall unternahm, ins Leben zurückzufinden. Während die Bücher Tessons immer wieder reflektierend von Grenzerfahrungen erzählen und dadurch sehr bereichernd sein können, ist es beim Medium Film schon schwieriger eine ähnliche Wirkung zu erzielen, da wir die meiste Zeit einem wandernden Mann dabei zuschauen, wie er eine überwältigende Landschaft durchschreitet und währenddessen viel nachdenkt. So ist es seinem Darsteller Jean Dujardin zu verdanken, dass wir ihm bis zum Ende folgen, seinem inneren Monolog lauschen und vor allem die Bilder genießen. Der Selbstfindungstrip als Flucht nach draußen in die Weite des Landes wird zur Reise ins Ich.

                          10
                          • 8

                            IN THE LAND OF SAINTS AND SINNERS von Robert Lorenz ist nach THE MARKSMAN die bereits zweite Zusammenarbeit des Regisseurs mit Liam Neeson und auch hier schwebt wieder ein Hauch von Clint Eastwood durch den Film, was nicht nur der Tatsache geschuldet ist, dass Lorenz der langjährige Regie-Assistent der Hollywood-Legende war, sowie später sein Regisseur bei TROUBLE WITH THE CURVE, auch dessen Stamm-Kameramann Tom Stern ist hier mit von der Partie, sowie einige andere Regulars im Stab. Für Neeson bildet der IRA-Thriller eine Rückkehr in seine Heimat Irland, wie er einst im ähnlich gelagerten A PRAYER FOR THE DYING von Mike Hodges an der Seite von Mickey Rourke schon einmal als Killer von der grünen Insel auf der Leinwand zu erleben war. An seiner Seite gibt's mit Colm Meaney und Cirian Hinds alte Weggefährten zu sehen und Kerry Condon konterkariert ihren Auftritt in der Irland-Farce THE BANSHEES OF INISHERIN wahrhaft monströs. Für die größte Überraschung sorgt jedoch GAME-OF-THRONES-Bösewicht Jack Gleeson als junger Killer mit Tiefgang. Das Thriller-Drama bewegt sich dabei dramaturgisch immer nah am Western-Genre und sorgt schon durch seinen Soundtrack für das nötige Feeling. Die Geschichte um den alternden Auftragsmörder entwickelt sich langsam und glaubwürdig, auch wenn sie bereits mindestens einmal zu oft erzählt wurde, doch die hochwertige Inszenierung, der unverbrauchte Schauplatz und das 70er-Jahre-Setting sind reizvoll genug um den geneigten Zuschauer abendfüllend zu fesseln.

                            15
                            • 7
                              EddieLomax 03.11.2024, 01:04 Geändert 03.11.2024, 08:10
                              über Boon

                              BOON von Derek Presley ist Teil einer Reihe von selbst produzierten kleinen Genre-Filmen des Hauptdarstellers Neal McDonough, die er in Ermangelung besserer Rollen seit einiger Zeit auf den Weg bringt und gleichzeitig eine Fortsetzung zum Vorgängerfilm RED STONE. Nachdem Boom im ersten Teil seinen Boss, einen Mafioso, umnietete als sich sein Gewissen gemeldet hatte, ist er auf der Flucht, natürlich mit einer Horde Killer an den Hacken. Einer von ihnen (Jason Scott Lee) erwischt ihn hart, verletzt ihn, sodass er in einem kleinen Kaff abtauchen muss. Doch auch hier gibt es einen Gangster (Tommy Flanagan), der das sagen hat. Boon hat zu tun, muss auf die Beine kommen und die Dinge regeln. Noch konzentrierter als der Vorläufer, besser besetzt und geschrieben, kann der kleine Genre-Reißer sein geringes Budget gut kaschieren und im selbst gesetzten Rahmen vollumfänglich überzeugen.

                              14
                              • 9
                                EddieLomax 02.11.2024, 22:55 Geändert 02.11.2024, 22:57

                                IL DIVO von Paolo Sorrentino ist Biografie, Polit-Thriller und gallige Satire zugleich, fordert höchste Aufmerksamkeit, zeitgeschichtliches Verständnis und einen offenen Blick für einen stilsicheren Mix aus Fakten und popkulturellen Versatzstücken, versetzt den Zuschauer zum Dank in einen mäandernden Rausch aus Bildern, Gedanken und Reflektionen, zieht ihn hinein in den Geist des Protagonisten, versucht dessen subjektives monologisieren zur Manipulation zu nutzen, belehrt stattdessen mit kalten Eckdaten und erbarmungslosen Schicksalen am Wegesrand eines Machtmenschen, dessen Gewissen stets durch seine Religiosität abgesichert ist, der niemals zweifelt oder strauchelt, sich so seinen Platz in der italienischen Geschichte erobern konnte und dafür mit einem biblischen Alter belohnt wurde. Toni Servillos Darstellung wird dem deutschen Untertitel so gerecht, wie sie es nur sein kann, er spielt Andreotti wie einst Max Schreck den Grafen Orloff in NOSFERATU als scheinbar stets schwebenden Blutsauger, der niemals auch nur eine Miene verzieht und seinen Opfern nicht die leiseste Regung zuteil werden lässt. Ein Ansatz, den Pablo Larraín im vergangenen Jahr mit seiner Diktatoren-Horror-Show EL CONDE auf die Spitze trieb.

                                12
                                • 3
                                  EddieLomax 02.11.2024, 08:33 Geändert 02.11.2024, 08:35

                                  TRADING PAINT von Karzan Kader ist ein zu jeder Zeit vorhersehbares Rennfahrer-Drama, sozusagen die White-Trash-Version von "Rivalen der Rennbahn" in der Dirt-Race-Edition. Ende der 90er spielte Quentin Tarantino eine Weile mit dem Gedanken John Travolta und Michael Madsen als THE VEGA BROTHERS vor die Kamera zu bringen, hier nun hat es geklappt, allerdings zwanzig Jahre zu spät. Während es für Travolta ein weiterer Stein des Abstiegs im Business ist, bedeutet der Film für Madsen eine der seriöseren Verpflichtungen, betrachtet man seine Engagements der vergangenen Jahre. Doch wenn sich zwei Best Ager mit über sechzig hinter dem Lenkrad semiprofessionelle Autorennen liefern, kann man das nur noch bedingt Ernst nehmen. Malen nach Zahlen und Beziehungskitsch im Quadrat, Dank der "Rolle" von Shania Twain, die offenbar nur für's Poster gecastet wurde, machen TRADING PAINT zu einer Provinz-Soap an der Rennstrecke, deren bemühte Ernsthaftigkeit so locker daherkommt, wie die steife Hüfte meiner Oma (R.I.P.).

                                  11
                                  • 7
                                    EddieLomax 31.10.2024, 11:17 Geändert 31.10.2024, 22:44

                                    Die Tage des Zorns beginnen, als Frank Talby (Lee van Cleef) in die Stadt kommt. Zunächst ahnt niemand was der Fremde will, doch verwundert es die meisten schon, dass er sich ausgerechnet des wandelnden Fuß-Abtreters Scott (Giuliano Gemma) annimmt. Dieser weiß erst einmal nicht wie ihm geschieht, ist aber froh endlich jemanden gefunden zu haben, dem er nicht egal ist. So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass er bald zu Talbys größtem Fan wird. Er ist schließlich ein ganzer Kerl und nimmt sich einfach was er will. Mit dem Schießeisen kann er auch gut umgehen. Talby gibt sich Scott gegenüber abweisend und knochentrocken, weiß aber insgeheim schon längst, dass er in dem jugendlichen Taugenichts einen gelehrigen Schüler gefunden hat, den er nach Lust und Laune manipulieren kann. Da Talby noch die eine oder andere Rechnung zu begleichen hat, macht er sich auf den Weg zum abkassieren, immer mit Scott im Schlepptau. Der offenbart mit der Zeit manch verborgenes Talent und als der Zahltag näher rückt, sind die Verhältnisse längst nicht mehr so klar, wie zu Beginn der Partnerschaft. Talby muss sich gut überlegen, ob er in seinem Zauberlehrling nicht seinen Meister finden wird.

                                    Entgegen so mancher euphorischer Kritiken zu diesem Film würde ich ein wenig Unmut auf mich ziehen indem ich den Film nicht als Meisterwerk deklariere. Wenn man den Italo-Western in Kategorien einteilen würde, wobei die drei Sergios (Leone, Corbucci, Sollima) sowie einige wenige andere Regisseure zumindest mehrere Werke der ersten Stufe geschaffen haben, käme I GIORNI DELL'IRA von Tonino Valerii in die zweite Kategorie. Das liegt auch daran, dass Valerii zwar gut bei seinem Meister Leone aufgepasst hat, jedoch nicht über dessen Talent verfügt. So bleibt sein bester Film dann auch IL MIO NOME È NESSUNO, bei dem der Großmeister in nicht nur einer Szene deutlich selbst Hand angelegt hat. Wie das so ist mit dem Einfluß der Mentoren.

                                    Der Mentoren-Western hingegen ist ein kleines Subgenre welches Perlen wie DA UOMO A UOMO oder im US-Western THE TIN STAR und NEVADA SMITH hervorgebracht hat, daneben aber auch viele schwächere Filme. DER TOD RITT DIENSTAGS gehört zwar zu den besseren Spaghetti-Western, bleibt aber trotzdem hinter den Erwartungen zurück. Das liegt nicht am Spiel der beiden Hauptdarsteller. Während Lee van Cleef hier fast so schön böse sein darf wie in IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO, bietet der von Luchino Visconti entdeckte Giuliano Gemma hier eine seiner besten Vorstellungen im Genre. Seine Rolle ist vielschichtig und gut geschrieben und bietet dem Italiener die Möglichkeit seine ganze Bandbreite zu zeigen. Vom naiven Jüngling, der ständig das Opfer ist, bis zum harten unerbittlichen Revolvermann, der noch rechtzeitig sein Gewissen entdeckt. Auch die Nebendarsteller wissen zu überzeugen, vor allem der unvergessliche Al Mulock, der schon bei Leone sein eindrucksvolles Gesicht zeigen durfte. Die Musik von Riz Ortolani ist fetzig, die Action-Szenen können sich sehen lassen.

                                    Die Schwächen sind bei diesem Film ebenso klar zu definieren wie die Stärken. So beginnt der Film doch recht holprig, um dann nach gut zwanzig Minuten seinen Rhythmus zu finden. Einige Szenen sind, wie in vielen anderen Italo-Western auch, schlampig inszeniert. Der Spannungsaufbau will erst gegen Mitte des Filmes richtig funktionieren, von einigen Logiklöchern und Ungereimtheiten bezüglich der Motivation einiger Figuren abgesehen. Zuweilen gibt es melodramatische Momente, die nicht so recht ins Bild passen wollen und dann und wann wurden die berühmten Vorbilder allzu deutlich kopiert. Insgesamt hätten dem Film einige Minuten weniger an den richtigen Stellen gut zu Gesicht gestanden. So bleibt ein meist kurzweiliger, am Anfang etwas schwerfälliger Western der härteren Gangart mit überzeugendem Hauptdarsteller-Duo, der besser als die meisten seiner Art ist, mit den Großtaten des Genres aber nicht mithalten kann. Und was das alles mit Dienstag zu tun hat erklärt sich auch nicht wirklich. Vermutlich haben die deutschen Titelgeber den Film an einem Dienstag gesehen und es ist ihnen nichts besseres eingefallen. Es bleibt anzumerken ein überdurchschnittlich guter Italo-Western aus der Blütezeit des Genres mit guten Schauspielerleistungen, aber beileibe kein Meisterwerk.

                                    15
                                    • 8

                                      DER SCHIMMELREITER von Alfred Weidenmann ist die zweite von drei Verfilmungen der meisterlichen Novelle Theodor Storm's und wenn auch nicht die vergleichbare Intensität des zugrundeliegenden Textes erreicht wird, so kann man doch konstatieren, dass es sich um eine überaus gelungene Adaption handelt. Allein die Besetzung mit dem unvergessenen Gert Fröbe als altem Deichgraf, wie auch die hohe Qualität von Umsetzung und Schauspiel in den weiteren Rollen machen diese Version des zeitlosen Stoffes immer noch sehenswert. Es wird viel Wert auf eine detailgetreue Schilderung der Lebensumstände gelegt, ebenso spielen individuelle Verhaltensweisen in aufeinander angewiesenen Gemeinschaften eine wichtige Rolle, nicht zuletzt geprägt durch den jeweiligen Bildungsstand, Religion und Aberglaube. Der Amerikaner John Phillip Law mag zwar nicht der größte Schauspieler gewesen sein, passt jedoch, obwohl etwas zu alt, gut in die Rolle des Mannes, der stets das richtige will, auch wenn sich alles gegen ihn wendet. Allein seine unbestreitbare Präsenz verleiht der Produktion einen Hauch von internationaler Klasse, die dem universellen Inhalt gerecht wird. Der äußerst selten gezeigte Film kann auf YouTube gesehen werden.

                                      14
                                      • 8

                                        L'INNOCENT von und mit Louis Garrel beginnt als Thriller, entwickelt sich zur Komödie und endet als Romanze. Man könnte sagen, es ist für jeden etwas dabei. Das erstaunliche ist, dass es funktioniert. Garrel hält das Tempo hoch, zieht versiert an der Spannungsschraube, deutet dazwischen aber immer wieder mit Humor auf die Herzensangelegenheiten seiner Protagonisten, die Dank ihrer ausgezeichneten Besetzung bei fein gezeichneten Charakteren glaubwürdige Figuren bleiben, mit denen man jederzeit mitfiebert, sei es bei kriminellen Handlungen oder in Liebesdingen. Hätte der Film bereits fünfzig Jahre auf dem Buckel, wäre er heute bestimmt ein Klassiker. So ist es ausgezeichnete Unterhaltung. VERKEHRTE WELT! (in der arte-Mediathek)

                                        11
                                        • 7
                                          EddieLomax 18.10.2024, 22:36 Geändert 18.10.2024, 22:47

                                          STRAW DOGS von Rod Lurie ist neben GETAWAY (Roger Donaldson 1993) dankenswerterweise das bis heute einzige Remake eines Sam-Peckinpah-Films und kam damals bei Publikum und Kritik nicht besonders gut weg, weshalb ich die Sichtung lange vor mir hergeschoben habe. Meine Befürchtungen stellten sich jedoch nun als unbegründet heraus, denn man kann diese Neuverfilmung als durchaus gelungen bezeichnen. Die Veränderung des Schauplatzes vom britischen Cornwall in den amerikanischen Süden ist stimmig, die Besetzung fein und die Inszenierung auf den Punkt. Überhaupt war Regisseur Lurie damals noch ziemlich angesagt in Hollywood und konnte sich recht frei entfalten. James Marsden ist kein Dustin Hoffman, passt aber in die Rolle wie Arsch auf Eimer und ist für seine Verhältnisse geradezu herausragend, Bosworth war noch ziemlich sexy, wenn auch nicht so hintergründig wie Susan George und Alexander Skarsgard ist um einiges verführerischer als das verkommene Pack im Original-Film. Auf der anderen Seite ist natürlich von der perfiden Doppelbödigkeit in Peckinpah's Film nicht mehr viel übrig, hier bleibt alles ganz hollywoodmässig transparent und jederzeit auf den Effekt hin durchgestylt. Die Gesellschaftskritik mit dem Stadtflucht-aufs-Land-Thema ist gerade heute wieder aktuell, findet aber mittlerweile eher in Juli-Zeh-Romanen und Berliner Hipster-Kreisen ihr zeitgemäßes Echo. Sam Peckinpah's extreme Psycho-Studien waren mir da irgendwie lieber.

                                          17
                                          • 8
                                            EddieLomax 17.10.2024, 10:37 Geändert 17.10.2024, 10:38

                                            TUMBLEWEEDS von King Baggot mit Stummfilm-Western-Star William S. Hart in seiner letzten Rolle, der bevor der Film beginnt noch eine rührende Rede (von der Wiederaufführung 1939) zum Abschied an sein Publikum richtet und dabei auch den historischen Zusammenhang der im Film gezeigten Ereignisse erläutert. In TUMBLEWEEDS geht es um die Ereignisse rund um den Oklahoma Land Run am 22. April 1889, der unter anderem später in Anthony Mann's CIMARRON (1960) und Ron Howard's FAR AND AWAY (1992) dargestellt wurde. Der Land Run ist auch der Höhepunkt dieses mit 75 Minuten äußerst kurzweiligen, sehr realitätsnah inszenierten Western. Wenn ich mich nicht sehr irre sind in diesem Film einige Szenen enthalten, die später für den Vorspann der ZDF-Vorabendserie WESTERN VON GESTERN verwendet wurden.

                                            12
                                            • 7

                                              APACHE TERRITORY von Ray Nazarro nach einer Vorlage von Louis L'Amour ist der letzte von drei knackigen Western, die er Ende der 50er Jahre mit seinem Star Rory Calhoun drehte, der auch produzierte. Die anderen beiden waren DOMINO KID und THE HIRED GUN. Gedreht im kalifornischen Red Rock Canyon erzählt der Film von einer Gruppe Reisender, die an einer Wasserstelle in der Wüste von Apachen belagert werden. Bald trifft auch eine Patrouille der Kavallerie ein, die durch einen Angriff bereits stark dezimiert ist. Gemeinsam versucht man der Lage Herr zu werden, wobei immer wieder Opfer zu beklagen sind. Nach zwei kräftezehrenden Tagen und Nächten, zudem von gruppeninternen Konflikten geschwächt, wagen die Überlebenden einen verzweifelten Gegenschlag. Eine stringente Geschichte bei kurzer Laufzeit, ohne Mätzchen inszeniert, zeigt der Film zwar nichts neues, bleibt aber ganz bei sich und überrascht mit einem ziemlich brutalen Finale, dass ich so nicht erwartet hätte. Für Calhoun war es erstmal sein letzter Film für ein paar Jahre, in denen er mit der Serie THE TEXAN Erfolge feiern konnte.

                                              12
                                              • 8

                                                WAY OF A GAUCHO von Jacques Tourneur wurde On Location in Argentinien gedreht und erzählt in schlanken 90 Minuten die epische Geschichte des unangepassten Gauchos Martin, der seine traditionelle Lebensweise über sein persönliches Wohl stellt und so zum Banditen wird. In prächtige Bilder gekleidet, zeugt der ausgezeichnet inszenierte Film von der Meisterschaft seines Regisseurs, dessen Vielseitigkeit in diversen Genres zum tragen kam. Ursprünglich von Darryl F. Zanuck als nächstes Projekt für Henry King und Tyrone Power geplant, wurde nach deren Ausstieg der frisch an 20th Century Fox gebundene Tourneur verpflichtet, dem mit Hollywood-Star Gene Tierney und dem damals aufstrebenden Rory Calhoun ein attraktives Leinwandpaar zur Verfügung stand, dass auf ganzer Linie überzeugen kann. Während Tierneys Rolle etwas mehr Ausarbeitung hätte vertragen können, zeigt vor allem Calhoun sein beträchtliches Talent. Ein wie immer stark aufspielender Richard Boone sorgt für Ambivalenz, das seltene Sujet für zusätzlichen Reiz. Leider blieb für den teuren, auf nahezu allen Ebenen sorgfältig ausgearbeiteten Film der große Erfolg aus, weshalb er zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Der seltene Pampas-Western kann via YouTube gesehen werden.

                                                12
                                                • 4
                                                  EddieLomax 13.10.2024, 11:04 Geändert 13.10.2024, 11:37

                                                  AMBUSH AT CIMARRON PASS von Jodie Copelan, der aus gutem Grund nur diesen einen Film inszenieren durfte, zeigt Clint Eastwood in seiner ersten größeren Western-Rolle und das positivste was sich darüber sagen lässt ist, dass er ihm das Engagement für die Erfolgs-Serie RAWHIDE einbrachte, die ein gewisser Sergio Leone sah und mochte. Der Rest ist Geschichte. B-Westernheld Scott Brady führt ein Ensemble mehr oder minder begabter Vertragsschauspieler durch die Studiokulissen einer Abschreibungsproduktion ohne Handlung, bei der nicht weniger als vier Autoren ihrer Einfallslosigkeit freien Lauf lassen konnten. Eastwood steht die meiste Zeit herum wie Falschgeld, kann aber in einigen Szenen sein bereits vorhandenes Charisma ausspielen. Die dürftige Story um zwei von Apachen belagerte Einheiten von Nord- und Südstaatlern nach dem Ende des Bürgerkrieges böte eigentlich genügend Konfliktpotenzial für ein spannendes Open-Air-Kammerspiel, doch was schlussendlich daraus gemacht wurde, ist nicht der Rede wert. Immerhin darf der gute Clint den Schlusssatz sprechen, der als Omen für seine noch kommende Karriere gelten könnte: "Sometimes you gotta lose, before you finally win." Da der Film bis heute nicht in Deutschland gezeigt wurde, hatte man lange Zeit keine Möglichkeit ihn zu sehen, was mittlerweile Dank YouTube möglich ist. Danke an Eudora Fletcher für den Tipp!

                                                  12
                                                  • 7

                                                    Kalifornien, irgendwann während des Goldrausches. Eine Gruppe von Gold schürfenden Siedlern wird von Männern des Großgrundbesitzers LaHood überfallen. Er will sie gewaltsam vertreiben lassen, um in dem Tal selbst industriell mit Wasserkraft Gold zu erwirtschaften. Die Siedler beklagen wieder einmal Verluste, wollen sich aber dennoch nicht fort jagen lassen. Einer von ihnen, Hull Barret (Michael Moriarty) kümmert sich um die alleinstehende Sarah Wheeler und ihre Tochter Megan, deren Hund dem Angriff der Meute zum Opfer fiel. An dessen Grab betet sie zu Gott, er möge Hilfe schicken. Kurz darauf erreicht ein Mann (Clint Eastwood) das Dorf, welcher der sich wundernden Gemeinschaft scheinbar uneigennützig zu Hilfe kommt. Sie wundern sich noch mehr, wenn sich der Mann als Prediger entpuppt. LaHood heuert bald darauf eine Gruppe von gedungenen Mördern an, um den Prediger und die Siedler ein für allemal zu besiegen. Deren Anführer Stockburn (John Russell) scheint den Mann Gottes zu kennen und auch dieser hat offenbar eine alte Rechnung zu begleichen.

                                                    In der Niemandszeit des Genres, Mitte der Neunzehnhundertachtziger Jahre, konnte wohl nur einer wie Clint Eastwood noch ungestraft einen Western inszenieren. Er hatte sich neun Jahre zuvor erfolgreich mit THE OUTLAW JOSEY WALES eigentlich schon beinahe endgültig von seinem Image des Fremden ohne Namen gelöst. Hier kehrt er noch einmal dahin zurück. Aber nur scheinbar. Arbeitete der Fremde, zunächst unter Sergio Leone, später in Eigenregie, ausschließlich auf eigene Rechnung, stellt er sich hier in den Dienst der (Siedler-)Gemeinschaft, seine Altlast wird nur noch angedeutet. Vielmehr liefert Eastwood ein nur wenig verkapptes, manchmal sogar szenengetreues Remake des Über-Western SHANE (George Stevens, 1953), verändert jedoch den wichtigen Grundtenor der Figur des selbstlosen Helfers. Denn während der vom engelsgleichen Alan Ladd ikonisch verkörperte Shane vom Himmel herab gestiegen zu sein schien, um den armen unterdrückten Siedlern zur Seite zu stehen, kommt der Prediger offenbar direkt aus der Hölle, um die Schurken in selbige zu befördern.

                                                    Das ändert natürlich vieles, etwas Gothic-Feeling kommt in einigen Szenen schon auf, bedient sich Eastwood hier einmal mehr nach HIGH PLAINS DRIFTER mystischer Lesart. Sicherlich bleibt PALE RIDER damit eine Ausnahmestellung, nicht nur die seiner Entstehungszeit erhalten. Leider muss man ehrlicherweise auch sagen, dass Eastwood mit seiner Version der Geschichte zwar im eigenen Kanon funktionieren kann, am Vorbild gemessen jedoch scheitert. Zu wenig geht sein Film in die Tiefe, gerade was die Haupthandlung um Hull Barret und die seinen angeht. Hier wäre deutlich mehr drin gewesen, doch der Regisseur Eastwood begnügt sich mit Stereotypen. Etwas, dass ihm mit seinem letzten Western UNFORGIVEN nicht noch einmal passieren sollte.

                                                    13