eXonic - Kommentare

Alle Kommentare von eXonic

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    Es sollte lediglich ein weiterer Giallo des Sergio Martino werden, doch wuchs seine fünfte und schließlich letzte Auseinandersetzung mit dem Subgenre mit der Zeit zu einem filmhistorisch nicht ganz unwichtigen Werk heran, denn es gab gemeinsam mit Mario Bavas „Reazione a Catena“ die Blaupause für die vielen US-Slasher der 80er. Sogar noch heute dient vor allem „I Corpi presentano tracce di violenza carnale“ als Inspirationsquelle für Exploitation-Liebhaber wie Eli Roth, Robert Rodriguez oder Alexandre Aja, die immer wieder bemüht sind, die Stimmung der 70er in ihre Werke zu transferieren und gar offensichtlich Szenen kopieren, wie beispielsweise Aja in „Haute Tension“.

    Allerdings handelt es sich nicht unbedingt um Martinos besten Film und im Vergleich mit den Gialli einiger anderer Regisseure zieht er oft den Kürzeren. Deshalb erscheint es zunächst auch etwas seltsam, warum denn gerade „Torso“, wie er in den USA vermarktet wurde, diesen Kultstatus genießt, da sich Kritikpunkte en masse darin finden lassen.

    Schon der Einstieg fällt nicht gerade leicht, denn innerhalb weniger Minuten gliedern sich beinahe alle halbwegs bedeutsamen Charaktere in die Geschichte ein, die Aufgrund ihrer Vielzahl und Eindimensionalität teilweise schwer zu unterscheiden sind. Glücklicherweise handelt es sich hierbei um einen waschechten Giallo, was bedeutet, dass ein maskierter Killer sein Unwesen treibt, der schon recht bald an der Übersichtlichkeit für den Zuschauer arbeitet, denn wie der Originaltitel schon sagt, müssen Körper Spuren körperlicher Gewalteinwirkung ertragen. Dennoch: Probleme mit den Figuren bleiben weiterhin bestehen, denn trotz ihrer fortschreitenden Dezimierung ignoriert es Martino eine bestimmte Person zum Sympathieträger zu ernennen, bis letztendlich nur noch eine übrigbleibt.

    Folglich entsteht als Nebeneffekt Spannungsarmut, wenn nicht gerade der Mann mit der Skimaske im dicken Nebel herumschleicht und auf seine Opfer wartet. Anscheinend hat Martino genau dieses Manko erkannt und wendet deshalb, damit man(n) nicht schon frühzeitig abschaltet, ein altbewehrtes und einfaches wie effektives Mittel an: Brüste. Schon in seinen vorigen Filmen ließ sich erahnen, dass Martino offenbar ein großer Fan des Busens ist, doch wie er in „I Corpi presentano tracce di violenza carnale“ den Sleaze in die Höhe treibt, ist selbst in der Welt des Giallos wahrscheinlich einmalig. Hier fehlen wirklich nur noch die Titten-Tapeten und Glocken-Gemälde. Etwa eine halbe Stunde vor Ende erfährt der Film dann aber einen Wandel: das Holz vor den Hütten ist mit der „Säge des Teufels“ in viele kleine Teile zerteilt und übrig nur noch eine der jungen Damen. Dass genau diese ziemlich prüde ist und nie die Hüllen fallen lässt, kommt Martinos Film jedoch nur zu Gute. Endlich konzentriert er sich nämlich darauf, ein enorm hohes Spannungslevel zu erzeugen und dieses auch zu halten. Etwas getrübt werden diese letzten Minuten leider nur noch durch das schwache, viel zu schnell heruntergespulte Ende, das kaum einfallsloser hätte sein können und in ähnlicher Weise schon in einigen anderen Gialli vorher zu sehen war.

    Was sich Martino aus anderen Vertretern des Subgenres wiederum nicht abgeschaut hat, ist vor allem der edle Style, der viele dieser Werke oft erheblich aufwertet. Jedoch ist es genau diese Tatsache, die „I Corpi presentano tracce di violenza carnale“ so herausstechen lässt. Martino zieht den Giallo auf gewisse Weise durch den Dreck, ganz so wie es der Mörder auch mit einem seiner Opfer anstellt, und schafft mit seiner Ruppigkeit und Härte in der Inszenierung eine schmutzige Atmosphäre wie sie auch später so manche Backwood-Slasher versprühen sollten. Für das Subgenre nicht unüblich ist es auch die Tötungsszenen zu zelebrieren, sie als etwas Schönes darzustellen, doch selbst dem wirkt dieser Film entgegen: ziemlich schnell und grob vollführt der Killer sein Handwerk und sorgt auch für so manchen Ekel-Moment, auch wenn die Effekte als solche sehr deutlich zu erkennen sind. Ein Hauch von Trash liegt nicht nur deswegen in der Luft, was zum allgegenwärtigen Schmuddel-Charakter jedoch äußerst passend ist.

    Im Vergleich mit Martinos anderen Gialli ist „I Corpi presentano tracce di violenza carnale“ bestimmt der mit den wenigsten originellen Ideen, der mit der vorhersehbarsten Geschichte und der unästhetischste. Trotzdem müssen sich – mit Ausnahme von „Lo Strano vizio della Signora Wardh“ - alle anderen Werke Martinos hinter ihm einreihen, denn dieser Mix aus Gewalt, Nacktheit und Spannung, wenn auch etwas unausbalanciert, tut genau das ganz hervorragend, wofür er gemacht wurde: unterhalten.

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    • Die Top 7 der coolsten Heist-Movies ohne "Heat"? Wirklich?

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      • Ich mag beide Filme. Snyders Variante wurde im jugendlichen Alter natürlich regelmäßig abgefeiert, ohne zu wissen, wer oder was überhaupt ein Romero ist. Und auch heute würde er mir wahrscheinlich noch viel Spaß machen.
        Doch einige Jahre später, als ich begann mich für Filme näher zu interessieren - für Horror im Speziellen - wurde ich dann auf das Original aufmerksam. Von dort an existizierte nur noch der wahre "Dawn of the Dead" für mich und wenn ich Lust auf Zombies hatte, war die Entscheidung auch nicht sonderlich schwer, welchen Film ich denn aus dem Regal kramen würde und wie ich hier und heute meine Stimme vergebe.

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        • Am schönsten ist es immer noch, seine Lieblingsfilme auf Blu-Ray/DVD/VHS im hauseigenen Regal stehen zu haben.

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            Aus den ewigen Tiefen unzähliger Gialli und Poliziescos steigt 1971 dieses nur schwer einem der beider Subgenres zuordenbares Kleinod empor und beweist einmal mehr eindrucksvoll, dass ein italienischer Thriller ohne Actionszenen, blutigen Morden und viel nackter Haut trotzdem spannend und mitreißend sein kann. Auf elegante und eindringliche Weise erzählt Maurizio Lucidi in „La Vittima designata“ seine Geschichte und verzichtet dabei auf die üblichen Unterhaltungselemente, um alle Zeit den Figuren zukommen zu lassen und ihre Entwicklungen authentisch zu veranschaulichen. Das Ergebnis davon ist ein minütlich intensiver werdender Psychokrieg zweier Männer, die anfangs noch ein freundschaftliches Verhältnis pflegen, welches durch ein Ereignis jedoch zerschlagen wird und sie fortan so lange um ihr Recht kämpfen, bis Worte bedeutungslos sind, nur noch Taten zählen und nach der letzten, schockierenden Einstellung dieses Bombardement auf die Nerven des Zuschauers endlich ein Ende findet. Allerdings fängt „La Vittima designata“ nach dem Abspann erst so richtig an, seine großen Qualitäten zu entfalten. Allein das finale Bild ist hierfür verantwortlich, stellt alles Vorangegangene nochmal in Frage und lässt verschiedenste Interpretationen zu, wer dieser von Pierre Clémenti so herausragend gespielte Graf Matteo Tiepolo denn nun ist und weshalb er den von Tomas Milian ebenso überzeugend dargestellten Stefano Argenti als seinen Spielball benutzt. Einfach unheimlich, welch fiese Gedanken dieser Film in meinem Kopf erzeugen konnte.

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            • 6

              Kaum ein Genre, das zu seiner Zeit in Italien populär war, ließ Mario Bava in seiner Karriere zwischen den 50ern und 70ern aus. Deutlich anzumerken ist dies in seinem „Il Rosso segno della follia“, in dem er einige seiner Vorlieben bunt durcheinandermischt: eine schwarze Komödie trifft auf einen Giallo und entwickelt sich zu einem klassischen Geisterfilm. Grundsätzlich ein interessanter Gedanke, da Bava in all diesen drei Bereichen große Talente besitzt, doch miteinander verknüpft gelingt es dem Film nicht, nur eine seiner Komponenten komplett zu entfalten.

              Der Humor ist anfangs noch schön makaber, wenn John Harrington, der sich im Hackebeil spiegelnde Bruder von Patrick Bateman und gleichzeitige Cousin von Norman Bates aus dem Off äußerst amüsant von seiner Verrücktheit und seinem Drang zu Töten erzählt oder mit Vergnügen einer Frau berichtet, wie er eine Vermisste tötete und dann in seinem Ofen verbrannte, die alles natürlich für einen Spaß hält. Je mehr Zeit vergeht, desto rarer werden allerdings solche Momente, bis sich „Il Rosso segno della follia“ irgendwann wie aus heiterem Himmel unpassenderweise in einen Geisterfilm entwickelt und gleichzeitig ernster, jedoch nicht spannender wird, denn das Ende ist schon lange vorher zu erraten und der Giallo-Teil somit ebenfalls enttäuschend.

              Durchgängig überzeugen können hingegen – wie bei Bava eigentlich üblich – die jederzeit atmosphärischen Bilder im wunderbar ausgestatteten Spukhaus der Harringtons. Wie eine Geisterbahnfahrt wirken die farbenfrohen und zugleich düsteren Aufnahmen, wenn der von Mordlust besessene John mit seinem nichtsahnenden nächsten Opfer zwischen den Brautkleider tragenden Schaufensterpuppen zum Tanz bittet und damit auch an Bavas Ur-Giallo „Sei donne per l'assassino“ erinnert.

              Die Bava-Ästhetik wertet „Il Rosso segno della follia“ letztendlich deutlich auf, aber da weitere positive Aspekte Seltenheitscharakter besitzen, verbleibt leider ein etwas zwiespältiger Eindruck. Bewundernswert ist es dennoch, wie es Bava schafft, trotz einer durchschaubaren, unspannenden und genreverwurstende Geschichte einen sehenswerten Film zu erschaffen.

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              • 10

                Hi, hi, hi, meine Brüder! Nach einem erfrischenden Glas Molocko-Plus fühlte sich euer ergebener Erzähler nun dazu geneigt, seinen Zuhörern ein wenig von einer ultrabrutalen Horrorshow namens „Clockwork Orange“ zu berichten. Die hat ihm so richtig das Hirn verknotet und ist härter als das ewige Rein-Raus-Spielchen, genüsslicher als jeder Zuckerphallus und aufregender als eine wilde Fahrt mit einem Durango 95 vorbei an den Bäumen in das tiefe Schwarz der Nacht.

                Welly, welly, well, alles dreht sich um den Beethovenfan Alex DeLarge, der ganz und gar kein gewöhnlicher Maltschik ist, denn wenn er mit seinen Droogs loszieht, endet das nicht in den üblichen Alkohol- und Drogenexzessen, sondern in Ultrabrutalem, Vergewaltigungen von Dewotschkas und Tollschocks, wonach dem fantastischen Abend mit einem Gläschen Zitzenmilch in der Korova-Milchbar das Krönchen aufgesetzt wird. Bei dieser scheinbar so sinnlosen Gewalt, mit der die vier in den Farben der Unschuld gekleideten Bandenmitglieder ein Menschenleben nach dem anderen ruinieren nur um etwas Spaß zu haben, sollte eurem Erzähler eigentlich rasende, intolerable Schmerzen in den Gulliver schießen, doch das genaue Gegenteil ist der Fall. Unterlegt mit der Neunten des göttlichen Ludwig Van wirkt Stanley Kubricks stilisiertes Haudrauf auf ihn faszinierend, lässt seine Bodyhärchen aufstehen und so zu einem von Alex‘ Komplizen werden.

                Nicht, dass euer Freund und ergebener Erzähler ein Befürworter des Ultrabrutalem wäre, doch wird hier ein Spielchen mit ihm getrieben, das zur Folge hat, dass in ihm neben der enormen Abscheu für die grauenvollen Taten ein unangenehmes Rauschgefühl entsteht, dem er sich, so seltsam es klingen mag, nur schwer entziehen kann. Schläge in die Eggiwex sind in bester Musicalmanier inszeniert, lauthals wird „Singing in the Rain“ geträllert und dazu getanzt, was die Gewalt so unwirklich und surreal erscheinen lässt, dass sie schon fast als neue Art der Kunst durchgehen könnte. Oh, meine Brüder, es sind Szenen, die wie Spiegel sind, die die innere dunkle Seite eines Jeden nach außen kehren, deren Existenz sich vielleicht gar nicht jeder bewusst ist und auch wenn man es sich nicht eingestehen will, sie ist da, righty right?

                Die Droogs lassen also so richtig schön die Kuh fliegen. Doch woher kommt all die Lust nach all dem Tschipoke? Die Welt, in der Alex lebt, ist gewiss keine, in der es ihm unmöglich ist, ein erfülltes Leben zu genießen. Er hat seine Kumpanen, seine Musik, Frauen und Eltern, die sich um ihn kümmern. Nur eines fehlt und das ist die freie Verwirklichung seines Selbst, nach dem sich Alex in diesem Spießbürgertum sehnt, woraus er unbedingt ausbrechen möchte. Auf die Spitze getrieben wird dieses Thema natürlich dann, wenn Alex zur Behandlung der Ludovico-Therapie unterzogen wird, nach der er nicht mehr fähig ist, irgendeine moralische Entscheidung zu treffen. Der Staat nimmt ihm diese ab und führt ihn dazu, alles in dessen Sinne Richtige zu tun und ergreift somit jegliche Kontrolle über seine Opfer wie ein Marionettenspieler.

                So entpuppt sich auch der wahre Übeltäter, der der Menschheit die Möglichkeit des freien Willens raubt und so zu einem funktionierenden Uhrwerk umprogrammiert, das ganz genau so tickt, wie es eben eingestellt wird. Das ist die wahre Gewalt, welche den einzelnen zwar zu einem Schoßhündchen transformiert, deren Folge es jedoch ist, dass lediglich mehr Gewalt entsteht und nur Opfer und Täter ihre Rollen tauschen. Es sei denn, der Staat manipuliert all seine Bürger auf diese Art, doch kann dann noch von einer lebenden Gemeinschaft gesprochen werden, deren Tun von einem anderen bestimmt wird? Ein System ohne Leid und Schmerz kann in einer Gesellschaft nicht existieren, solange wir Menschen darin involviert sind, denn der Sinn nach Rache und bösen Gelüsten ist in uns allen tief verankert. Maltschiks mit düsteren Gedanken gehören einfach dazu, so wie das Rein zum Raus oder das Plus in das Glas Molocko.

                Das ist zwar alles andere als gut, aber immerhin besser, als sich nicht selbstständig für das Gute oder Böse entscheiden zu können. So muss ein Wechsel der Fronten ebenfalls durch den freien Willen und Überzeugung erfolgen, denn die Nebenwirkungen werden heftig sein. Dies verdeutlicht in diesem Beispiel, dass Alex nach seiner Behandlung fortan nicht mehr in der Lage ist seine innig geliebte Neunte des gottesgleichen Ludwig Van zu hören.

                Well, nach über zwei Stunden Horrorshow war euer Erzähler einerseits von einem heftigen Gefühl der Euphorie gepackt, da sie ein unvergleichbares Festmahl für seine Glotzies war, doch anderseits konnte er es kaum glauben, von einem Mörder fasziniert zu sein und ihm später sogar noch Mitleid entgegenbringen zu können. Kubrick zauberte aus Burgess‘ Vorlage einen Film auf den Screen, der so wunderbar manipulativ ist wie die Behandlungsmethode, die an Alex ausprobiert wird. Ebenso wie ihm wurde uns durch die perfekte Inszenierung die Entscheidung abgenommen, zu welcher Seite wir uns hingezogen fühlen. Sollte es nach dem Abspann jemanden danach gelüsten, selbst ein Droogy zu werden und mit Alex einen grausamen Rachefeldzug starten zu wollen, dann hat Kubrick sein Ziel erreicht und alles richtig gemacht, alright?

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                • 8

                  Schon zu Beginn stellt Luigi Bazzoni klar, dass sein Film ein vollkommen andersartiger Vertreter des Giallos ist: der erste Schauplatz befindet sich auf dem Mond. Auf Anweisung von Klaus Kinski wird dort ein Mann ausgesetzt und seinem Schicksal überlassen, in völliger Einsamkeit. Maßgebend für die Stimmung des gesamten Films sind diese ersten Minuten, denn sie spiegeln genau das wider, was Alice (oder Nicole?), die Hauptperson, in „Le Orme“ durchlebt. Sie ist ebenso alleingelassen in der Gesellschaft, soziale Kontakte scheint sie zu meiden und selbst in ihren Beruf als Übersetzerin ist sie in ihrer kleinen Sprecherkabine abgeschottet von ihrer Umgebung. Florinda Bolkan, eine frühere Größe des Italokinos, erweist sich als ideale Besetzung für die schwierige Rolle dieser dem psychischen Niedergang nahestehenden Frau und vermittelt subtil und glaubhaft die Entfremdung ihrer eigenen Person. Langsam, aber unaufhaltsam ist Bazzonis Weg in den Wahnsinn und knüpft damit dort an, wo er mit seinen wenigen Vorgängerfilmen so hervorragend aufgehört hat. Warum das kein weiteres Mal geschehen und „Le Orme“ sein letzter Film bleiben sollte, bleibt ein ewiges Geheimnis. Dieser Mann wäre auf jeden Fall dazu im Stande gewesen noch mehr dieser audiovisuell beeindruckenden und psychisch belastenden Ausnahmegialli zu produzieren. Ein Regisseur von einem anderen Stern.

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                  • Legitimierter Schwarzfahrer. Man merkt, dass ich mich mit Almodóvars Filmen nicht wirklich auskenne. Ich brauche also diese Box.

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                    • Hört sich nicht schlecht an. Das könnte mein erster Bond seit vielen, vielen Jahren werden.

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                      • Rick Melton malt wunderbare Poster zu Horrorfilmen aus den 70ern und 80ern: http://www.stunninglysavage.com/gallery.php
                        Dem UK-Label Arrow dienen seine Werke übrigens als Cover für deren DVDs und Blu-Rays. Sehr hübsche Dinger sind das.

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                        • 8

                          Es gibt wohl kein anderes Wort, das Luigi Bazzonis dritten Film so gut beschreibt wie „geradlinig“: „Giornata nera per l'ariete“ ist als klassischer Giallo aufgebaut und reiht fast alle gängigen Motive des Subgenres wie den mordenden Unbekannten und den Einzelgänger als Hobbydetektiv nahtlos aneinander, ohne aber an Originalität einzubüßen. Als passend erweist sich das Adjektiv jedoch auch in Hinsicht auf die Optik von Bazzonis Film. Tiefe Fluchtpunkte, der ständige Gebrauch von geschlossenen Jalousien und lange Treppen vermitteln ein Gefühl des Gefangenseins inmitten diesem gigantischem Netz aus Linien einer weiten, tristen Welt. Auch sonst weiß Bazzoni immer ganz genau, was er seinem Kameramann Vittorio Storano („Apocalypse Now“) vor die Linse stellt. Egal ob es die Silhouetten der Figuren in der Dunkelheit sind oder die vielen stilvollen Sets, jeder Moment ist mit größter Sorgfalt und aus den besten vorstellbaren Blickwinkeln fotografiert. Dabei haften an den Bildern einerseits die ganze Zeit über Kälte und Sterilität, ähnlich einem „Tenebrae“, doch strahlen sie anderseits, trotz der künstlerischen Aufnahmen, eine Natürlichkeit aus, die das Geschehen realitätsnäher und somit grausamer erscheinen lassen.

                          Damit die musikalische Untermalung der optischen Raffinesse in nichts nachsteht, kam hierfür nur einer in Frage: Ennio Morricone. Was dieser Mann zu seinen Lebzeiten geleistet hat, ist schon mehr große Klasse. An unzähligen Produktionen war er in den frühen 70ern mit seinen Klängen beteiligt, doch trotz der wenigen Zeit, die er immer für seine Kompositionen haben musste, ist einer seiner Soundtracks besser als der andere – und der aus „Giornata nera per l'ariete“ zählt zu seinen Glanzstücken.

                          Das Genie-Dreigestirn aus Bazzoni, Storano und Morricone sollte sich leider nie mehr wieder für ein weiteres Projekt zusammentun, was sehr schade ist, denn es wäre eine Garantie für viele gute Filme gewesen – erst recht, wenn auch wieder Franco Nero dabei gewesen wäre.

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                          • 10

                            Es war einmal vor langer Zeit, …

                            … als ein pickeliger Teenager auf der Suche nach dem angsteinflößendsten und abscheulichsten Horrorfilm war, den er sich nur vorstellen konnte. Nach „Saw“ und „Hostel“ führten ihn seine Gelüste schließlich zum verhältnismäßig steinalten „Suspiria“. Was er sah, ließ ihn allerdings ziemlich unbeeindruckt zurück und er fragte sich, warum gerade dieser Film unter so vielen Genrefreunden einen derartigen Kultstatus genießt, denn er ist ja so alt und erzählt eine geradezu lächerliche Geschichte. Der pickelige Teenager war übrigens ich und mir sollte noch nicht klar sein, über welches Meisterwerk ich zu jener Zeit lästerte. Trotz der eher unbefriedigenden ersten Begegnung ließ mich „Suspiria“ dennoch nie so richtig los und so gewährte ich ihm nach Jahren und viel mehr Filmerfahrung auch eine zweite Chance – mit überwältigendem Erfolg.

                            … als Dario Argento seine ganz eigene Version eines modernen Märchens verfilmte und passenderweise zu seinem gänzlich unwirklichen Grundgedanken die Ästhetik so surreal wie nur möglich ausfallen ließ. Die Tanzschule, die an einen riesengroßen Irrgarten erinnert, erstrahlt aus jedem Winkel und jeder Ecke in allen möglichen Farben, welche sogar in ihrer Kräftigkeit und ihrem inflationären Gebrauch die komplette Handlung überdecken. Hätte Argento die Schwerpunkte anders verteilt, wäre „Suspiria“ wohl ein unerträglich schlechter Film geworden, denn über seine unausgereifte Story kann er einfach nicht funktionieren. Logik uns Sinn sind, wie jedoch bei einem Märchen üblich, Nebensache und darum ist es so wichtig, sich dem gewaltigen Bilderrausch hinzugeben, denn ansonsten werden die ersten Eindrücke, wie bei mir, nicht allzu positiv ausfallen. Die exzellente und auffällige Kamera verschafft allerdings eine hervorragende Ablenkung von jenen Schwachpunkten; besonders dann, wenn sie Aufnahmen durch Glühbirnen oder düstere Fahrten durch die unheimlichen Flure der Tanzschule liefert. Im Einklang mit der riesigen Farbpalette und dem Soundtrack ist die Reizüberflutung letztlich dermaßen hoch, dass es überhaupt nicht möglich ist, sämtliche Details zu erfassen und somit bei jedem Sehen immer wieder neue Eindrücke entstehen.

                            … als sich schon in den ersten Minuten, in welchen sich Suzy im Taxi zu ihrer neuen Tanzschule chauffieren lässt und zum ersten Mal der Score ertönt, die enorme Intensität aufblitzt, deren Krallen frühzeitig nach den Zuschauern greifen und ihn bis zur letzten Sekunde nicht mehr loslassen. Durch unheimliche, dunkle Wälder und schwere Gewitter führt die Fahrt, tief hinein in das unheilvolle, mit jedem zurückgelegtem Meter spürbarer werdende Verderben. Am Ziel angekommen, setzt Argento sofort den ersten Höhepunkt, der ein Ausmaß erreicht, an welches nahezu kein anderer Horrorfilm über seine komplette Lauflänge herankommt – in diesem Falle sind jedoch gerade einmal 15 Minuten verstrichen. Unglaublich, doch von dort an wird die Spannungsschraube dennoch weiter und weiter angedreht, bis sie den Anschlag erreicht – und noch weiter. Mordszenen sind mehrminütige Kompositionen, die mit seltsamen Geräuschen oder Schatten die Einleitung zur Furcht vor dem Unsichtbaren darstellen, bis sich im Hauptteil tatsächlich ein Verfolger auf die Jagd nach einem Opfer macht und Todesangst erzeugt, die dann schließlich zum Abschluss in einer furiosen und ästhetischen Tötungssequenz endet.

                            … als die Prog-Rock-Band „Goblin“ den schlichtweg besten Filmsoundtrack aller Zeiten schrieb. Er untermalt das gespenstische Geschehen mit exotischen Instrumenten, die der Atmosphäre eine nochmals undurchdringlichere Dichtheit verleihen, sodass es unmöglich erscheint, ihr auszubrechen. Die Musik lässt sowieso schon einprägsame Momente unvergesslich werden und schafft das, was das Ziel eines jeden Komponisten ist, der für einen Horrorfilm schreibt: sie gruselt. Sie ist schweißtreibend, erzeugt Gänsehaut und erreicht dies sogar schon beim bloßen Anhören, losgelöst von den einzelnen Szenen. In Verbindung mit diesen vermag ich gar nicht mehr zu beschreiben, was die Musik in meinen Gedanken auslöst. Es ist der blanke Horror, den Argento in jeder Hinsicht mit seinem Werk erreicht. Dass dies jedoch unter anderem mit einem kindlichen Spieluhrthema gelingt, ist umso beeindruckender und unterstreicht den märchenartigen Charakter von „Suspiria“. Auch die Darstellerinnen fügen sich diesem Konzept und wirken mit ihren infantilen Dialogen und ihrem unschuldigen Spiel in dem riesigen Hexenhaus mit hohen Räumen und Türen mit weit oben angebrachten Knäufen und Klinken wie kleine Mädchen. Somit erreichte Argento, dass ein Jeder sich in deren Lage zu versetzen weiß, denn Kind war schließlich jeder und mit Ängsten vor der Dunkelheit, Geräuschen und gespenstischen Gestalten hatten die meisten schon zu kämpfen.

                            Es war einmal vor nicht allzu langer Zeit, als ich meine innige Liebe zum Meisterwerk „Suspiria“ entdeckte. Der Weg dorthin war steinig und lang, denn ganz gewiss ist es kein perfekter Film, aber trotzdem hat mich Dario Argento mit unvergleichbarer Atmosphäre, Spannung, Musik und Magie verzaubert und meine Gedanken davon besessen gemacht.

                            „Magic is everywhere“.

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                            • 8

                              Gänsehaut. Erzeugt durch eine unaufhörliche, in jeder Szene gegenwärtige Windbrise. Erzeugt durch das merkwürdige, marionettenartige Verhalten jeglicher Figuren. Erzeugt durch den kalten Schweiß eines Fiebertraums. Erzeugt durch das perfekte Arrangement von Licht und Schatten. Erzeugt durch die Ungewissheit zwischen Realität und Einbildung. Erzeugt durch die Gewissheit, sich auf einer Fahrt Richtung Wahnsinn zu befinden, deren Route Luigi Bazzoni vorgibt.

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                              • 6 .5

                                Wieder ein heißer Anwärter für den unpassendsten deutschen (inoffiziellen) Verleihtitel überhaupt: bekannt ist „Anima Persa“ hierzulande nämlich auch als „Ejakulat des Grauens“. Doch was sich nach trashigem Horrorporno anhört, ist eine fast vergessene Perle des italienischen Spannungskinos, die statt dem Vergießen von Lebenssaft – egal ob weiß oder rot – vielmehr daran interessiert ist, eine ungemein ruhige Geschichte mit viel Atmosphäre zu erzählen. Auf einem konstant hohen Level mag dies Regisseur Dino Risi leider nicht ganz gelingen, denn zu oft verlässt er sich auf die Wirkung seiner düsteren Sets und vergisst dabei die Handlung bis kurz vor Schluss wenigstens ein kleines bisschen voranzutreiben. Was „Anima Persa“ dennoch sehenswert macht, ist die so bedrohliche und dunkle Grundstimmung, die sich über den kompletten Film erstreckt. Venedig ist hier in einen Schleier der Finsternis gehüllt, der nicht nur Schatten über die sonst so schönen Orte der Stadt wirft, sondern auch so manches schreckliches Geheimnis unter sich verbirgt.

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                                • Herzlichen Glückwunsch an alle Gewinner und vor allem an BigDi! Das freut mich ja ganz besonders. Jetzt musst du nur noch Leinwand, Soundsystem und Blu-Ray-Player gewinnen. :D
                                  Den zweiten Platz aus der Vorrunde konnte ich zwar nicht ganz halten, aber ich freue mich trotzdem sehr über meinen Preis, obwohl ich ihn nichtmal benutzen kann. Hätte ja niemals geglaubt überhaupt ins Finale einzuziehen und daher ist mit jeder Preis recht. :)
                                  Schön auch, dass Muffin Man letztendlich doch nicht leer ausgegangen ist!

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                                  • 8 .5

                                    Ganz im Zeichen des Giallos stand in den frühen 70ern das italienische Kino. Wie am Fließband wurde ein Film nach dem anderen produziert, doch genauso schnell wie die Beliebtheit des Subgenres aufkam, so schnell war sie auch wieder verflogen. Wirklich gelungener Rückbesinnungen, die nach 1980 entstanden, lassen sich seitdem an einer Hand abzählen, doch mit „Amer“ erstreckt sich nach jahrelangem Warten zumindest wieder ein Finger aus der verzweifelten Faust des Giallo-Fans. Dem Film von Hélène Cattet und Bruno Forzani gebührt dabei sogar der in schwarzes Leder gehüllte, erhobene Zeigefinger, denn mit diesem Achtungserfolg steht das Regieduo zwar noch ganz am Anfang seiner Karriere, hat aber schon angekündigt, dass es sich auf den bereits verbuchten Erfolgen nicht lange ausruhen und ihnen der Giallo wiederholt als Inspirationsquelle dienlich sein wird.

                                    Mehr als das war das Subgenre zumindest für „Amer“ nicht. Der Film spielt mit all seinen Facetten, lässt sich dennoch nur schwer mit Werken von Dario Argento oder Sergio Martino vergleichen, ist aber bei genauerer Betrachtung trotzdem durch und durch Giallo, aber keine Kopie altbekannter Mordgeschichten. Die drei Episoden, in die „Amer“ gegliedert ist, behandeln jeweils verschiedene typische Hauptthemen wie die Verarbeitung eines Kindheitstraumas, die sexuelle Entfaltung einer jungen Frau oder die Entfremdung vom eigenen Ich. Cattet und Forzani erkannten, dass die oft holprigen Geschichten in vielen Genrevertretern lediglich als Rahmen dienten, um beispielsweise den psychischen Zerfall ihrer Figuren auf spannende Weise erzählen zu können und klammerten diesen deshalb für „Amer“ gänzlich aus.

                                    Was neben der fragmentarischen Handlung übrig bleibt, ist vor allem die den Regisseuren deutlich anzumerkende Begeisterung für die unverkennbare Technik des Giallos. Ihre Experimentierfreude gleicht gar der eines jungen Argentos, dessen „Suspiria“ mit Aufnahmen durch Glühbirnen oder faszinierenden Farbenspielen nur einer unter vielen Filmen ist, die „Amer“ zitiert. Auffallend sind vor allem die zahlreichen Close-Ups verschiedener Körperteile und -stellen, wobei es überwiegend die Augen sind, die in überdimensionaler Größe Gefühle und Stimmungen der jeweiligen Charaktere verraten und dem Zuschauer gleichzeitig vermitteln, dass es mehr um das Sehen und Erleben als das Verstehen geht. Kurz vor dem Eindringen in die Figuren scheint die Kamera dabei oftmals zu stehen, um einen noch genaueren Einblick in ihre Gedankenwelt zu gewähren und somit das verwirrende Geschehen erklären zu können, denn sie selbst geben keine Informationen über sich preis und schweigen nahezu den kompletten Film über. Doch so war ein guter Giallo eben fast immer: mysteriös und undurchschaubar, nur legt „Amer“ diesbezüglich eine Schippe drauf.

                                    In all den höchst atmosphärischen Bildern Südfrankreichs fällt es bei den vielen liebevollen Details erst recht nicht mehr schwer, sich in die 70er zurückzuversetzen, wenn der kleine Best-Of-Soundtrack von Morricone, Nicolai und Cipriani erklingt, den die beiden Regisseure verschiedener italienischer Produktionen entliehen haben. Doch auch abgesehen von der musikalischen Untermalung spielen Klänge und Töne in „Amer“ eine wesentliche Rolle: ächzende Gestalten, knarrende Fußböden und zerreißende Dornen verstärken durch ihre unnatürliche Lautstärke zunehmend die Surrealität und Wirkung der ohnehin beeindruckenden Bilder.

                                    „Amer“ ist ein audiovisuelles Erlebnis, ein Film für die Sinne, der die Elemente des Giallos auf ganz unkonventionelle Weise verwertet und nie den Gedanken aufkommen lässt, dass es sich hierbei um einen Abklatsch eines klassischen Genrevertreters handelt. Geeignet ist der Film allerdings nicht nur zum fröhlichen Verweisesuchen für Fans, sondern kann auch einen Jeden begeistern, der mit all dem sonst nichts am Hut hat, aber auf besondere Erlebnisse mit Trip-Charakter steht.

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                                    • Erst gestern wurde mir dieses Problem wiedermal vor Augen gehalten. Von Sonntag bis heute zeigt das örtliche Cineplex insgesamt fünf (!) Vorstellungen von "The Tree of Life" und war damit das einzige Kino im Umkreis von 50km, das das seit Cannes getan hat. Man hätte denken können, dass die Chance so einige Leute nutzen würden, den Film noch im Kino anzusehen, doch waren in der Vorstellung gestern insgesamt 4 Besucher (inkl. mir und meiner Begleitung). Ich denke, in den restlichen vier Vorstellungen wird der Andrang auch nicht unbedingt höher gewesen sein.
                                      Finde ich persönlich schlimm, wenn ein Gewinner von Cannes hier derat unter geht, das Kino bei "Conan" aber dann fast voll zu sein scheint.

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                                      • Filme dieser Art sind mit Schuld daran, dass ich mir hier ein Profil eingerichtet habe, 926 unterschiedliche Filme gesehen habe und Film mein größtes Hobby ist. Nachdem ich nämlich innerhalb einer Woche erst "Donnier Darko", dann "Fight Club" und "Lost Highway" gesehen habe, war es mit meinem Hirn zwar nicht mehr so recht möglich, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, geschweige denn in der Schule mitzukommen, weil ich eben jeden Gedanken an diese Filme verschwendet habe, aber von diesem Gefühl wollte ich seitdem mehr. Jetzt bin ich hier und suche immer weiter.

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                                        • 7

                                          Nach „L‘ Uccello dalle piume di cristallo“ - Dario Argentos erster großen Erfolg und gleichzeitiges Regiedebüt - forderten die Produzenten seines darauffolgenden Films eine bloße Kopie des Karriereauftakts, um einen ähnlichen Kassenschlager in die Kinos bringen zu können, wie es mit jenem Film gelang, der die große Welle des Giallos auslöste. Von diesem Vorhaben gänzlich angewidert, tat Argento alles daran „Il Gatto a nove code“ möglichst viel Eigenständigkeit zu verleihen und neue Ideen einfließen zu lassen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der zweite Teil der lose zusammenhängenden Tiertrilogie eine gewisse Sonderstellung in seiner Filmografie (innerhalb der Frühwerke) einnimmt – im negativen, aber noch mehr im positiven Sinne.

                                          Das Grundgerüst von „Il Gatto a nove code“ zählt trotz aller Bemühungen zum konventionellsten unter Argentos Werken, doch werden solch interessant geschnittene Szenenwechsel oder rasante Autoverfolgungsjagden später leider nicht mehr von ihm aufgegriffen. Auch auf die Wahl der Schauspieler hatte er keinerlei Einfluss, die dennoch überwiegend passend besetzt sind und gute Leistungen zeigen. Schade nur, dass die mangelnde Figurenzeichnung diese teilweise daran hindert, ihr komplettes Können zu offenbaren, denn beispielsweise Karl Malden als blinder Ex-Journalist rückt öfters zu sehr in den Hintergrund.

                                          Neben einer ganzen Reihe von Ungereimtheiten sind es jedoch vor allem die starken Momente in Argentos Film, die sich im Gedächtnis verankern. Spannungsszenen sind mit einer schönen Regelmäßigkeit gesetzt, die der Meister durch vielerlei Point-of-View-Sequenzen, angereichert mit zu jedem Zeitpunkt passender Morricone-Musik, wie gewohnt auf atemberaubende Art zu inszenieren weiß. Dass „Il Gatto a nove code“ die volle Spielzeit über für Unterhaltung sorgt, liegt vor allem am unterschwelligen und im Gegensatz zu Argentos nachfolgenden Film „4 mosche di velluto grigio“ nicht gar so slapstickhaften Humor. Der Pfarrer muss sich im Schimpfwortwettkampf nur knapp einem Ex-Häftling geschlagen geben, der allerdings nur siegen konnte, weil ein früherer Zellengenosse ihm während seines Arrests noch ein paar neue Beleidigungen beibringen konnte: „Gigi the loser wins!“.

                                          Falls vielleicht doch die eine oder andere Länge aufkommen sollte, kann man sich allerdings immer noch an den toll ausgestatteten Sets und dem gezielten Einsatz von Farben ergötzen: Argento nimmt hier schon ein wenig vorweg, was er später in „Profondo Rosso“ noch auf die Spitze treiben sollte, denn auch in „Il Gatto a nove code“ steht die Farbe Rot für Gefahr, die zudem einigen Gegenständen eine besondere Bedeutung beimisst und deren Wichtigkeit betont. Doch trotz gewisser Hinweise und Andeutungen bleibt es selbst für den geübten Giallo-Schauer nahezu unmöglich zu erraten, wer hier stranguliert und aufschlitzt. Die Motivation des Mörders liegt zwar auf der Hand, aber dennoch frustriert das Miträtseln gegen Ende, da es eigentlich keine Figur gibt, die für das Blutvergießen infrage kommen könnte. Die Auflösung fällt dementsprechend etwas enttäuschend aus und erreicht lange nicht die Wuchtigkeit manch anderer Argento-Filme. Spannend und mitreißend eingefangen sind die Schlussminuten dennoch, wobei vor allem die letzte Einstellung in Erinnerung bleiben wird.

                                          Argento selbst bezeichnet „Il Gatto a nove code“ als seinen schlechtesten Film. Anzumerken ist es schon, dass er keine Herzensangelegenheit wie „Profondo Rosso“ oder „Suspiria“ war, aber dennoch kann er über fast zwei Stunden bestens unterhalten und lies 1971 schon seine enormen Fähigkeiten erahnen, die ihn zu seinen Meisterwerken der folgenden Jahre verhalfen.

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                                          • Da weiß ich auch schon was. :)
                                            Einfach wunderbar, dass ihr sowas ermöglicht. Ich freue mich jetzt schon so richtig auf die Texte der zahlreichen Spezialisten, die sich hier tummeln.

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                                            • 7 .5

                                              Geradezu nahtlos setzt sich das bedrückende Gefühl der Ausweg- und Hilflosigkeit aus Francesco Barillis „Il Profumo della Signora in Nero“ in seinem drei Jahre später erschienenen „Pensione Paura“ fort und schickt seine Hauptprotagonistin darin ebenso in die schmutzigen Hände ihrer Umgebung. Allein gelassen von jeglichen Vertrauenspersonen muss sich die gebrechliche Rosa gegen lüsterne, vom 2. Weltkrieg verdorbene Perverse (beispielsweise Luc Merenda mit schönem Pornobalken) behaupten, im hoffnungslosen Glauben, ihr Vater würde bald heimkehren und dem ein Ende setzen. Leonora Fani, die Leidende ergreifend verkörpernd, meistert ihre schwierige Rolle für eine noch so junge Frau mit beachtlicher Souveränität und weiß trotz ihres unscheinbaren Wesens den Film gänzlich allein zu tragen. Nicht weniger überzeugend ist Barillis Gespür für interessante Bilder, wie auch sein Verständnis für einen gelungenen Spannungsaufbau, der selbst einen Argento in Staunen versetzen dürfte. Zusammen mit dem leicht an Hitchcock erinnernden Soundtrack, der nebenbei einer der besten ist, der je für einen Giallo komponiert wurde, entstehen unvergleichbare Gänsehautmomente, jedoch mehr aus Verzweiflung und Mitgefühl statt aus Angst.

                                              Ein Jammer, dass „Pensione Paura“ Barillis zweiter und letzter Beitrag zum italienischen Kino der 70er sein sollte.

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                                              • 8 .5

                                                Als nicht genießbar, nicht durchschaubar und erst recht nicht erklärbar erweist sich dieses edle Ausnahmewerk innerhalb des italienischen Giallos. Die oberflächliche Murder-Mystery weicht einem tiefen Blick in eine verwirrte Seele, deren Weg in die erlösende Hölle eindrucksvoll dokumentiert wird. Ein filmgewordener Albtraum, vollgestopft mit allerhand Symbolen und surreal anmutenden Szenen, doch nützt kein sanftes Wachrütteln, um zurück in die Realität befördert zu werden. Nur eine brachiale, fleischzerfetzende Explosion setzt dem tiefen Schlaf ein Ende, die im Kontrast zum vorigen, äußerst ruhigen und langsamen Umherwandeln eine sechshundertsechsundsechzigfache Wirkung erzielt. Alles und nichts macht Sinn, Antworten verschollen irgendwo im Spiegelkabinett, dem Wahnsinn verfallen – ja oder nein? Nur die Dame im schwarzen Kleid mit dem Parfüm weiß Bescheid.

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                                                • Javier Bardems Frisur in "Perdita Durango" ist fast genauso schlimm wie die in "No Country for Old Men".
                                                  http://www.gruselseite.com/reviews/Perdita_Durango/02.jpg

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                                                  • Wirklich toll, was die Moviepilot-Redaktion mit dieser Aktion auf die Beine gestellt hat. Es hat Spaß gemacht und war immer spannend. Danke!
                                                    Ich bedauere nur, dass zum Schluss hin die Leserzahl scheinbar deutlich abgenommen hat und deshalb kein einziger Text von Muffin Man unter den Top 25 gelandet ist. Verdient hätte er es, denn seine Texte waren den Finalteilnehmern auf jeden Fall ebenbürtig.
                                                    Gratulaion an alle, die mitgemacht haben und danke, dass euch meine Texte so gut gefallen haben!

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