Framolf - Kommentare

Alle Kommentare von Framolf

  • 5

    Netflix und seine Endzeitfilme... Wie auch immer die Strategie dieses Streamingdienstes aussehen mag, dystopische Szenarien scheinen dabei eine ganz wichtige Rolle zu spielen. Also lässt man in 'How it Ends' (2018) einmal mehr die Zivilisation untergehen. Die Rahmenbedingungen sind also oftmals ähnlich, während die variablen Parameter in erster Linie die jeweiligen Charaktere betreffen. Hier geht es im konkreten Fall um einen Mann (Theo James), der mit seinem Schwiegervater (Forest Whitaker) aufbricht, um zu seiner Partnerin (Kat Graham) zu gelangen. Beide sind sich nicht besonders grün und dementsprechend reserviert treten sie auf, doch das gemeinsame Ziel vereint sie. Zudem erscheint fraglich, ob die lange Reise unter derlei Rahmenbedingungen überhaupt alleine zu bewerkstelligen ist; daher raufen sich die beiden zusammen und ziehen (zumindest einigermaßen) am selben Strang. Dass dabei Konflikte ebenso wenig ausbleiben wie verbindende Elemente, versteht sich fast von selbst.

    Zu sehen bekommt man also eine Art Buddy-Movie, nur ohne die genretypische Leichtigkeit. Statt lockerer Sprüche und halbgarer Witzchen dominiert hier also der Eindruck von Schwere, Bedrohung und Verzweiflung, die jedoch von einem gewissen Hang zur Hoffnung eingebremst werden. Mangels genaueren Wissens um die Lage im Rest des Landes können die Protagonisten auch keinen richtigen Plan für die Zeit nach der Ankunft bei Samantha schmieden (bzw. sie können zwar einiges aushecken, doch ob das auch umsetzbar sein wird?). So oder so: Das Finale hält nochmal einen Wechsel der Tonlage parat. Vielleicht wäre es sogar ratsam gewesen, den Großteil der Handlung auf der finale Konstellation aufzubauen. Zumindest liegt gegen Ende hin deutlich mehr Spannung in der Luft als über weite Strecken zuvor.

    KURZFAZIT

    Durchschnittliches Endzeitdrama, das phasenweise in Richtung Thriller tendiert.

    34
    • 6
      Framolf 06.01.2025, 23:56 Geändert 04.03.2025, 01:16

      Der filmtastische Festtagskalender 2025

      Film #2 - Hl. Dreikönigstag

      Drei Freunde – gespielt von Seth Rogen, Joseph Gordon Levitt und Anthony Mackie - wollen es in der Weihnachtszeit ordentlich krachen lassen. Ebenfalls mit dabei: Lizzy Caplan, Mindy Kaling, Jillian Bell und Michael Shannon. Aber eigentlich müsste man nur Seth Rogen nennen, um den Humor von 'Die Highligen Drei Könige' zu beschreiben. Sexwitze, Drogengags, manische Charaktere, einige überdrehte Szenen, hier und da ein Schlag in die Fresse und natürlich darf auch ein Dickpic nicht fehlen. Filme mit Seth Rogen: Kennste einen, kennste (fast) alle; zumindest wenn es sich um Komödien handelt, bei denen er sowohl als Hauptdarsteller als auch als Produzent fungiert.

      Auch wenn die Handlung von Jonathan Levines Verfilmung nicht viel mit dem Dreikönigstag als Feiertag zu tun hat, sondern im Dezember spielt (der Originaltitel lautet 'The Night before', der deutschsprachige Titel ist eine Ausgeburt der hiesigen Vermarktungsstrategen), tragen die drei ähnliche Geschenke wie ihre biblischen Vorbilder mit sich herum. Marihuana statt Weihrauch, Dollars statt Gold und Pilze statt Myrrhe. Wohin das führt, besonders wenn der von Seth Rogen gespielte Charakter der Hauptkonsument ist, kann sich jeder bereits vor der ersten Sichtung ausrechnen. Und so wird man eben Zeuge eines ziemlich irren und durchaus kurzweilig inszenierten Trips, bei dem sich die Fremdscham stets im Schlepptau der drei „Könige“ befindet. Dabei ist so ziemlich alles garantiert – nur keine niveauvolle Unterhaltung. Ist aber nicht weiter schlimm, denn schließlich schaut man einen Film mit dieser Truppe ganz sicher nicht, um auch nur ansatzweise anspruchsvoll bespaßt zu werden. In diesem Sinne:

      „Hi(gh)!“
      ・ „Wo?“
      „In der ganzen Stadt!“

      Passend zum Datum gerade noch sechs Punkte.

      KURZFAZIT

      Durchgeknallter Großstadttrip. Fröhliche W-high-nachten!

      37
      • 4

        Leilanie (Issa Rae) und Jibran (Kumail Nanjiani) hatten einen guten Start in ihre Beziehung. Auch einige Zeit später scheinen sie durchaus aufeinander fixiert zu sein, doch wirkliches Verständnis haben sie füreinander noch nicht so richtig entwickelt. Einerseits fehlen ihnen die Faktoren Zeit und Erfahrung, durch die langjährige Paare eine gewisse Eingespieltheit erreichen, zudem haben beide ihre Egos nur bedingt im Griff. Trotzdem würde Leilanie gerne an einer Gameshow teilnehmen, bei der es extrem wichtig ist, gemeinsam am selben Strang zu ziehen. Doch es kommt es kommt ganz anders – und irgendwie doch nicht.

        Ehe sie sich versehen, werden die beiden in einen Mordfall verwickelt. In rasender Panik treffen sie eine Fehlentscheidung nach der anderen. Da sie sich selbst als Hauptverdächtige wähnen, flüchten sie vor der Polizei. Auf ihrer Flucht versuchen sie, dem wahren Mörder das Handwerk zu legen. Wenig überraschend sind sie sich zunächst nur selten einig. Hinzu kommt, dass beide in ihren Gaga-Dialogen mehrmals äußerst exklusive Schlussfolgerungen ziehen und sich in ihrer Aufgelöstheit auch noch gegenseitig zusätzlich verunsichern. Und so reiten sie sich immer tiefer in die Ausweglosigkeit hinein. In der besagten Gameshow hätten sie sich wohl blamiert, doch ansonsten wäre das wohl folgenlos geblieben. Nun müssen sie sich unter Extrembedingungen beweisen – heiter für die Zuschauer, übel für die beiden. Aber immerhin können sie so für ihren geplanten TV-Auftritt trainieren – sofern sie nach ihrer anstehenden Verhaftung eines Tages wieder aus dem Knast kommen...

        In einer kurzweilig inszenierten Mischung aus Buddy-Movie, Beziehungsgroteske, Kriminalthriller und Actionkomödie streiten sich die beiden Protagonisten durch eine absurd anmutende Handlung. Natürlich raufen sie auch sich mit zunehmender Spieldauer zusammen, denn nachdem der durchaus skurrile Kriminalfall ausgebreitet wurde, erlebt man hier keine allzu großen Überraschungen mehr (abgesehen von einer Pointe zum Ende der Ermittlungen). Filme wie diese braucht die Welt nicht, aber für einen einzelnen Abend kann man in der richtigen Stimmung durchaus solide Unterhaltung bekommen.

        KURZFAZIT

        Nicht gerade originell, aber immerhin recht kurzweilig inszeniert.

        35
        • 4
          über Solo

          Basierend auf wahren Begebenheiten...

          Ein Mann rutscht an einem Steilhang an der Küste ab und kann gerade noch Halt im Sand finden. Wenige Augenblicke später rutscht er erneut, ehe er sich kurz darauf an einer isolierten Bucht wiederfindet. Aufgrund einer multiplen Verletzung sind seine Möglichkeiten eingeschränkt. Zwar ist er als Surfer durchaus sportlich, doch das Zusammentreffen aus einer anspruchsvollen Topographie und seiner körperlichen Lädierung erschweren seine Rückkehr in die „Zivilisation“ ganz extrem. Und so beginnt er, kritische Ereignisse aus der jüngeren Vergangenheit (vornehmlich in Bezug auf seine Beziehung) aufzuarbeiten, während er versucht, den entlegenen Strand zu verlassen.

          Der hier gewählte Ansatz, neben der akuten Notlage auch die „inneren Dämonen“ des Protagonisten zu visualisieren, bringt den Vorteil mit sich, dass man ihn dadurch etwas besser kennenlernt und er als Charakter greifbarer wird. Das Problem dabei: Infolge seines Verhaltens gegenüber anderen Menschen erscheint er dadurch nicht gerade sympathischer. Die Mischung aus Ignoranz, Desinteresse und emotionaler Kälte, mit der er manch anderen Personen begegnet, verleiht der Inszenierung zwar durchaus Authentizität (in dem Sinne, dass man als Zuschauer keinen Seemanns- bzw. Surfergarn vorgesetzt bekommt, bei dem sich jemand selbst in möglichst gutes Licht setzen will), doch selbst als Zuschauer im Fernsehsessel kann man sich durchaus angenehmere Gäste im Wohnzimmer vorstellen (auch wenn er nur via Bildschirm oder Leinwand vorstellig wird). Natürlich wünscht man ihm alles Gute, denn trotz aller Ecken und Kanten scheint er ja keineswegs „böse“ zu sein, doch Alain Hernández (Regie) scheint auch keinen allzu großen Wert darauf zu legen, mehr Spannung zu erzeugen als unbedingt nötig. Vielmehr scheint es der Plan zu sein, eine mehr oder minder meditative Inszenierung vorzulegen.

          Deutlich weniger ambivalent stellen sich hingegen die Drohnenaufnahmen von der Steilküste dar, von denen sich einige als äußerst sehenswert erweisen.

          KURZFAZIT

          Müde inszenierte Geschichte, die sich vor einer durchaus imposanten Kulisse abspielt.

          32
          • 1
            über iBoy

            Es gibt Filme, bei denen liest sich schon der Titel wie eine einzige Warnung; dementsprechend lässt man sie vielleicht auch jahrelang auf der Watchlist oder bei den Vorschlägen des Streamingdienstes verstauben, ohne überhaupt nur eine Zeile bezüglich der Prämisse zu lesen. 'iBoy' ist ein heißer Anwärter auf einen Platz in dieser imaginären Hall of Shame.

            Aber gut, (fast) jeder Film hat eine Chance verdient, warum also nicht auch dieser? Das Problem mit dem Kommentieren dieses Machwerks beginnt bereits damit, dass man sich eigentlich fast schon für die Zusammenfassung der Ausgangslage schämen müsste:

            Ein junger Mann wird angeschossen, wobei Splitter seines Smartphones in seinem Gehirn landen (und auch nicht operativ entfernt werden können). Fortan kann er seinen Körper als Handy nutzen (leider kein Witz). Er kann Funksignale empfangen, Nachrichten verschicken und diverse Elektrogeräte fernsteuern. Und das Beste daran: Er hat offenbar die Nummern aller anderen Menschen im Kopf und muss noch nicht mal sein Guthaben aufladen bzw. eine Rechnung begleichen.

            Im Grunde wird hier also die Origin Story eines neuen Superhelden dargeboten. Eine gute Gelegenheit, ein ganzes Genre durch den Kakao zu ziehen. Doch weit gefehlt. Inszeniert ist dieser grobe Unfug nicht etwa als Parodie oder Satire, sondern über weite Strecken bitterernst. Als Gegenspieler bekommt iBoy einen Kriminellen, der wie ein blasses Abziehbild derjenigen Gangster wirkt, die in herkömmlichen Filmen als Punching Ball herhalten müssen, wenn ein neuer Superheld erstmals seine neu erworbenen Fähigkeiten oder neue Ausrüstung ausprobiert. Unfassbar spannend...

            Als Kirsche auf dem Misthaufen thront eine deutschsprachige Synchronfassung, die selbst hinter das Niveau von Asylum und Co. zurückfällt. Wenn ohnehin schon zweifelhafte Szenen auch noch mit dümmlichen Dialogen unterlegt werden, fällt es schwer, neben der vergleichsweise kurzen Laufzeit noch weitere Pluspunkte zu finden (für die Akten: auch Maisie Williams kann hier nicht viel retten). Zumindest eine visionäre Facette hat diese Produktion dann aber doch, denn immerhin trägt sie schon (mehr oder weniger) die passende Punktewertung im Titel.

            KURZFAZIT

            1Boy

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            • 5 .5

              Das dunkle Verlies wird wieder gefüttert. Mit reichlich Menschen – und mit ein wenig Nahrung. Nach dem wilden Hauen und Stechen in der ersten Episode und der (nicht ganz so überraschenden) Erkenntnis, dass die Trickle Down Theorie in der Praxis doch nicht funktioniert, organisieren sich einige Insassen nun selbst. Legislative, Judikative und Exekutive liegen nun gewissermaßen in der Hand eines selbsternannten Anführers und seiner Jünger. Sie definieren die Regeln der Essensverteilung und sanktionieren tatsächliche oder vermeintliche Verstöße. Dabei stützen sie sich auf eine Art Spitzelsystem, das vielleicht auch deshalb recht effektiv funktioniert, weil die Gruppierung über einen Gründungsmythos verfügt, der offenbar bei genügend Menschen verfängt. Der Anführer geriert sich wie ein religiöser Anführer und vergibt entsprechende Titel an seine Gefolgsleute. Seine Gruppierung errichtet also innerhalb des Unterdrückungsregimes des Gefängnisses ein eigenes Unterdrückungsregime, in dem sie nicht nur alle drei Gewalten an sich reißt, sondern zudem noch eine religiöse Funktion für sich beansprucht. Die Durchsetzung der Regeln soll durch die Androhung und den Vollzug regelrechter Gewaltexzesse gewährleistet werden. Kann eine Schreckensherrschaft, die (vielleicht vorgeblich, vielleicht auch aufrichtig) hehre Ziele mit derart drastischen Mitteln durchzusetzen versucht, langfristig überhaupt funktionieren?

              Die Versuchsanordnung in dieser Fortsetzung wirkt deutlich weniger aufgeräumt als noch in der ersten Episode. Der bisweilen betont kryptische Modus der Erzählung verkompliziert die Lage zusätzlich. Für den Fall, dass trotzdem noch jemand durchblickt, steuert auch noch ein Hobbyphilosoph seine Gedanken bei. Der Verdacht liegt nahe, dass sich die Produzenten entweder ein wenig verhoben haben könnten oder dass hier ganz bewusst Verwirrung gestiftet wird, um was auch immer zu überdecken. Etwas weniger wäre hier vielleicht mehr gewesen.

              KURZFAZIT

              Mit dieser Fortsetzung verhält es sich wie mit dem zugeteilten Essen auf den Etagen 20 - 40. Zu viel oder zu wenig des Guten? Man weiß es nicht genau.

              33
              • 7 .5
                Framolf 02.01.2025, 21:56 Geändert 03.01.2025, 21:38

                Das Leben von Julie (Laetitia Dosch) ist aktuell etwas chaotisch. Sie ist knapp bei Kasse, eventuell schwanger und ihre berufliche Situation ist eher verworren. Ausgerechnet in dieser Lage findet sie den Abschiedsbrief einer Schülerin, die ihren Freitod für die kommende Nacht ankündigt – und Julie ist vielleicht die einzige Person, die das noch verhindern kann. Gleich zu Beginn ihrer Recherchen macht sie einen Lehrer der Jugendlichen ausfindig, der ihr (zunächst eher widerwillig) hilft. Auch er hat sein Päckchen zu tragen. Augenscheinlich ist er Alkoholiker und lebt zurzeit in seinem Auto. Es hat sich also eine schräge Zweckgemeinschaft zusammengefunden. Beide Beteiligte haben eigentlich selbst genug Probleme. Auf der anderen Seite bringt die Hobbydetektivarbeit auch etwas Abwechslung und Ablenkung mit sich; also werfen sie sich recht engagiert in ihren selbstgegebenen Auftrag. Zwar geraten sie sich wiederholt in die Haare, doch irgendwie scheint die gemeinsame Suche auch etwas therapeutisches für beide zu haben.

                Als Zuschauer wohnt man in 'Petite leçon d'amour' einer nächtlichen Schnitzeljagd bei, die durch verschiedene Ecken von Paris führt. Neu ist der Ansatz zwar nicht, doch dank zweier recht lebensecht agierender Hauptdarsteller weist die Inszenierung genug Erdung auf, um zumindest halbwegs glaubwürdig zu wirken. Zwar wurde beiden Charakteren eine Vielzahl von Skurrilitäten und Übertreibungen auf den Leib geschrieben, doch die Art und Weise, wie dies durch Regie und Darsteller an das Publikum verkauft wird, lässt auch die unwahrscheinlicheren Ereignisse halbwegs plausibel erscheinen.

                Kurios: Weihnachtsdeko vor einem Haus in einem Pariser Vorort im Frühjahr. Passt allerdings gut zu den sonstigen Ansonderlichkeiten dieser Geschichte.

                KURZFAZIT

                Augenzwinkernd erzähltes Großstadtabenteuer mit solidem Unterbau.

                31
                • 6
                  Framolf 01.01.2025, 21:12 Geändert 04.03.2025, 01:16

                  Ein frohes und gesundes neues Jahr euch allen!

                  [Neues Jahr, neues Projekt: Zu ausgewählten Festtagen im Jahr (müssen nicht zwingend offizielle Feiertage sein) poste ich einen passenden Kommentar. Los geht es mit Neujahr.]

                  Der filmtastische Festtagskalender 2025

                  Film #1 - Neujahr

                  Vorneweg: Der Filmtitel geht eher in Richtung Marketingschachzug, denn der Höhepunkt der Handlung spielt sich an Silvester ab und weite Strecken des Handlungsaufbaus an verschiedenen über das Jahr verteilten Zeitpunkten. Speziell der Neujahrstag spielt eigentlich keine nennenswerte Rolle (abgesehen davon, dass die Hauptcharaktere den Trubel der Silversternacht für ihre Pläne nutzen wollen); aber sei's drum.

                  Die Prämisse: Ein bunt zusammengewürfelter Haufen gründet eine Tanzgruppe, um die in Dubai stattfindende Tanzweltmeisterschaft als Deckung für einen Coup der ganz anderen Art zu nutzen. Ein Teil des Finales wird bereits zu Beginn vorweggenommen, aber wie man es eben auch aus vielen anderen Produktionen kennt, bildet der Auftakt natürlich nur einen Teil der Wahrheit ab. Und genau daran zeigen sich schon eine wesentliche Stärke und eine grundlegende Schwäche der Inszenierung von Farah Khan. Zwar wird eine stattliche Anzahl an bewährten Erfolgsrezepten kopiert, allerdings zu dem Preis eines hohen Ausmaßes an Vorhersehbarkeit. Nahezu sämtliche markante Wegmarken der Handlung stinken mehrere Kilometer gegen Wind – und viele von ihnen sind nicht einmal plausibel. Dementsprechend wird hier vor allem über diverse kleinere Entwicklungen gepunktet. Besonders bei den Humoreinlagen findet ein steter Wechsel zwischen beiläufig eingestreuten Gags und geradezu absurden Späßen statt, was – im Verbund mit den schrulligen Charakteren – über die Vielzahl an Plattitüden im Drehbuch hinwegtröstet. Irgendwie passt die Inszenierung von ''Happy New Year – Die Herzensdiebe' somit auch recht gut zum Jahreswechsel an sich. Eis ist zwar vom groben Ablauf her jedes Jahr dasselbe, aber die Details ändern sich und irgendwie sind meistens auch verrückte – wenn auch unspektakuläre - Ereignisse dabei.

                  5,5 – 6 Punkte.

                  KURZFAZIT

                  Ocean's Six auf indisch.

                  29
                  • 6

                    [Zufallstreffer. Kein Weihnachtsfilm, aber es wird wiederholt Weihnachten gefeiert. ^^]

                    Im Jahr 2024 hat das dänisch-isländische Survivalabenteuer 'Against the Ice' gerade einmal zwei Jahre auf dem Buckel und kann schon aus einer Perspektive betrachtet werden, die die Weltöffentlichkeit zunächst wahrscheinlich noch nicht auf dem Schirm hatte. Konkret geht es um zwei Entdecker, die sich auf eine äußerst lange und beschwerliche Reise durch Grönland machen. Unter anderem sollen sie dabei herausfinden, ob die Hauptinsel im Norden durch einen Kanal zerteilt wird (streng genommen ist dies nicht ihr primäres Ziel, da bereits andere Forscher vor ihnen in dieser Causa unterwegs waren). Davon wiederum hängt ab, welche Nation die aussichtsreichsten Chancen bei der Durchsetzung ihrer territorialen Ansprüche haben wird. Ein Thema, das rund 120 Jahre später erneut bzw. immer noch von hoher Brisanz sein dürfte. Die dänische Regierung gibt Ende 2024 zweistellige Milliardenbeträge zum Aufbau weiterer Verteidigungskapazitäten frei, während nicht zuletzt der designierte US-Präsident Donald Trump erneut Ansprüche auf das Territorium erhebt. Rohstoffvorkommen und die strategische Lage wecken eben Begehrlichkeiten.

                    Jedenfalls haben Ejnar Mikkelsen (Nicolaj Coster-Waldau) und Iver Iversen (Joe Cole) mit so ziemlich allen Widrigkeiten zu kämpfen, die sich im Vorfeld als mögliche Komplikationen erahnen lassen. Für die Zuschauer hat diese Geschichte den Vorteil, dass hier nicht ein Reisender alleine unterwegs ist; denn so kann der jüngere von beiden als Captain Obvious seinem Weggefährten wiederholt Erklärungen liefern, die eigentlich an das Publikum adressiert sind. Überhaupt trägt die Einbindung mehr oder weniger durchgängiger Dialoge merklich dazu bei, dass nicht allzu viele unnötige Längen aufkommen; auch wenn die Gespräche oftmals ähnlich unterkühlt wirken wie das Wetter. Abseits davon lassen die Produzenten in allererster Linie die Magie ihres Settings wirken. Die Landschaft, die deutlich weniger eintönig wirkt, als es anfangs vielleicht laienhaft zu vermuten wäre, erweist sich somit als heimlicher Star der Inszenierung.

                    Gerade noch 6 Punkte.

                    KURZFAZIT

                    Nicht unbedingt angenehmer, aber doch recht sehenswerter Trip durch eine eisige Landschaft.

                    29
                    • 7
                      über Trumbo

                      Der filmtastische Adventskalender 2024 /
                      Oscar Madness (1 Nominierung)

                      [Bonusfilm VI]

                      (Der perfekte Übergang vom filmtastischen Adventskalender in den cineastischen Alltag, da eine Szene während der Weihnachtszeit spielt)

                      ++ Leichte SPOILER ++

                      Der Autor Dalton Trumbo wird in den 40er Jahren nicht zuletzt wegen seiner Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei, aber auch wegen seiner veröffentlichten Inhalte sowie der Verweigerung einer Aussage zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und zudem auf Hollywoods schwarze Liste gesetzt, was faktisch einem Berufsverbot gleichkommt. Trumbo, der weiterhin emsig bzw. fast schon mit wilder Besessenheit Texte produziert, sucht daher nach Wegen, seine Skripte weiter verfilmen zu lassen. Seine Familie vernachlässigt er dabei zunehmend. Beruflich wiederum erweist sich sein Weg zwar als steinig, aber auch als durchaus erfolgreich. Der Stoff aus dem Dramen sind.

                      Hauptdarsteller Bryan Cranston ('Breaking Bad'), der 2016 für diese Rolle mit einer Oscarnominierung in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“ bedacht wurde, bringt sich mit außerordentlicher Leidenschaft in Jay Roachs Inszenierung ein. Die Rolle des unbeirrbaren und schreibwütigen Autors bietet ihm eine breite Fläche zur Darstellung vielfältiger Emotionen, die er in höchst unterschiedlichen Situationen zum Ausdruck bringen kann.

                      Trotz unbestreitbarer Stärken der Inszenierung (etwa in Bezug auf die Ausstattung und die Darsteller) sah sich Jay Roach nach der Veröffentlichung auch einer Reihe an Vorwürfen ausgesetzt. Neben einem etwas blauäugigen Umgang mit dem Hauptcharakter und dessen politischem Wirken wurde dem Regisseur auch geschichtliche Ungenauigkeiten bzw. eine stellenweise Überdramatisierung zur Last gelegt. Speziell der mit Trumbo befreundete Schauspieler Edward G. Robinson soll den Autor – entgegen der Darstellung im Film - offenbar nicht vor Gericht verraten haben.

                      Unabhängig von derlei Fragen bleibt unter dem Strich aber dennoch der Eindruck eines sehenswerten Ausflugs in die Historie Hollywoods.

                      KURZFAZIT

                      Künstlerbiographie, Politdrama und Hollywood-Geschichtsstunde in einem Film.

                      29
                      • 5 .5

                        Der filmtastische Adventskalender 2024

                        [Bonusfilm V]

                        (Der letzte „richtige“ Weihnachtsfilmkommentar für dieses Jahr)

                        Ein reicher, aber einsamer Schnösel (Ben Affleck) lauert seinem Psychotherapeuten in dessen privaten Umfeld auf, um einen Ratschlag von ihm zu erfragen. Dieser gibt ihm die Idee mit auf den Weg, er möge zu seinem Elternhaus fahren und dort einen Zettel mit seinen Gedanken verbrennen. Hauptsache, er wird den aufdringlichen Patienten los und kann endlich in den Urlaub fahren. Vor Ort läuft schließlich alles ganz anders als geplant: Der einsame Patient bietet den neuen Bewohnern des Hauses eine absurd hohe Summe, damit sie ihn über Weihnachten in seinem alten Kinderzimmer wohnen lassen und mit ihm ein Fest nach seinen Vorstellungen feiern. Der Familienvater (James Gandolfini) kann ihn nicht leiden, doch er braucht das Geld. Also raufen sie sich zusammen und das Chaos nimmt seinen Lauf.

                        In der Folgezeit nervt der Protagonist seine Gastgeber mit allerlei skurrilen Wünschen und Vorschlägen; und natürlich bandelt er auch mit der Tochter (Christina Applegate) des mürrischen Familienoberhauptes an. Affleck tritt hier also in einer klassischen Adam Sandler Rolle in einem typischen Happy Madison Stoff auf – nur mit dem Unterschied, dass hier nicht ständig jemand kotzt oder sich einnässt. Nicht fehlen darf hingegen die fast schon obligatorische Läuterung gegen Ende der Geschichte.

                        Aufgrund der Vielzahl an bizarren Momenten bleibt immerhin das Tempo hoch genug. Zudem sorgt Gandolfinis betont knurriges Spiel wiederholt für Heiterkeit und auch einige weitere Nebendarsteller werten die Inszenierung auf. Lässt man dies alles außer Acht, bleibt am Ende aber nicht mehr sehr viel mehr als die alberne Vorstellung eines Pausenclowns übrig. Als Weihnachtskomödie mag dieser Streifen noch einigermaßen funktionieren, wirkliche Vorzüge hat er allerdings nicht zu bieten.

                        KURZFAZIT

                        Ben Affleck in Adam Sandlers Stammrolle.

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                        • 6 .5
                          Framolf 28.12.2024, 21:06 Geändert 29.12.2024, 21:51

                          Der filmtastische Adventskalender 2024

                          [Bonusfilm IV]

                          In Satoshi Kons 'Tokyo Godfathers' wird eine Patchwork Familie der ganz besonderen Art auf eine Odyssee durch eine Großstadt in der Vorweihnachtszeit geschickt. Der Mann, der die Vaterrolle innehat, will kein Vater sein, die Person in der Mutterrolle ist eigentlich ein Mann und das vermeintliche Kind ist bereits volljährig. Natürlich begreifen sie sich nicht als Familie, sondern als reine Weggefährten, doch sie verhalten sich, als wären sie miteinander verwandt und dazu verdammt, die Feiertage und die Zeit zwischen den Feiertagen miteinander zu verbringen. Aktuell fühlen sie sich durch die Entdeckung eines Findelkindes zusammengeschweißt. Zwar lassen sie gelegentlich durchblicken, dass sie auch zuvor bereits einige Zeit zusammen verbracht haben müssen, doch irgendwie scheinen sie sich auch darin zu gefallen, aneinander herumzumäkeln. Dabei funktionieren sie eigentlich recht gut als Team. Zumindest erzielen sie in der Kürze der Zeit mit begrenzten Mitteln und trotz massiver Hindernisse durchaus beachtliche Fortschritte bei ihren Ermittlungen. Wenn es darauf ankommt, können sie sich schließlich doch auf einander (und auf ihr Glück) verlassen.

                          'Tokyo Godfathers' gehört zu jenen Animes, die sich zwar schon irgendwie an die ganze Familie richten (sofern die Kinder nicht allzu jung sind), letztlich aber doch vorrangig ein erwachsenes Publikum im Blick haben. Dies beginnt bereits mit der Wortwahl in den Dialogen und endet mit der sozialpolitischen Dimension der Handlung. Während sich das obdachlose Protagonistentrio trotz gegenseitiger Abneigung wiederholt im Dienst der größeren Sache zusammenrauft, kommen aus der Mittelschicht und dem (wirtschaftlich minimal über den Obdachlosen angesiedelten) Prekariat heftige Attacken auf das Projekt und sogar auf die Gesundheit sowie das Leben der drei Hauptcharaktere. Die Strategie des Teilens und Herrschens scheint auch in Japan ihre Wirkung nicht zu verfehlen. So gesehen liegt Tokyo wahrscheinlich näher an Europa, als es die Weltkarten glauben machen.

                          KURZFAZIT

                          Großstadtabenteuer mit ernstem und sozialkritischem Hintergrund.

                          [Danke an smartbo für den Tipp]

                          29
                          • 6 .5

                            Der filmtastische Adventskalender 2024

                            [Bonusserie]

                            Es ist Weihnachten. Auf dem Flughafen von Oslo geht die Betriebsamkeit ein wenig zurück, doch nach wie vor tummeln sich dort einige Menschen, die verreisen wollen. Erfahrene Weihnachtsfilmzuschauer stellen sich nun natürlich die Frage, ob die Flugverbindungen in Norwegen über die Feiertage denn besser funktionieren als in den Vereinigten Staaten? Dort gehört es in Weihnachtsfilmen schließlich zur Folklore, dass sämtliche Flugverbindungen wetterbedingt gestrichen werden. Ein schwacher Trost für die Amerikaner: In Europa geht es offenbar auch nicht sehr viel zuverlässiger zu. Also strandet auch in Oslo eine Reihe Reisewilliger auf dem Flughafen, um dort die Zeit mit einer Rumpfbesetzung an Personal zu verbringen. Gut und gerne die Hälfte dieser Leute reist als Grinch an, nicht wenige von ihnen werden sich jedoch in den folgenden Stunden mit einschneidenden Wendungen in ihrem Leben konfrontiert sehen. Manche von ihnen erleben positive Überraschungen, andere machen negative Erfahrungen – teils selbstverschuldet und in manchen Fällen auch durch Fremdeinwirkung. Doch es ist Weihnachten – und so kann vielleicht sogar eine Tragödie die Keimzelle zu einer tröstlichen Entwicklung in sich tragen.

                            Das Ensemble an Charakteren, das hier zusammengestellt wurde, könnte vielfältiger kaum sein. An Identifikationsangeboten mangelt es also keineswegs. Problematisch ist in dieser Hinsicht allenfalls der Umstand, dass durch die (gemessen an der Spieldauer) vergleichsweise große Anzahl an Charakteren nur begrenzte zeitliche Ressourcen für einzelne Personen zur Verfügung stehen. Also werden nahezu alle Figuren auf ein bis zwei Facetten ihrer Persönlichkeit reduziert. Innerhalb eines gewissen Korridors machen sie zwar durchaus Entwicklungen durch, doch im Großen und Ganzen bleibt eine Mutter eben eine Mutter, eine Seelsorgerin eine Seelsorgerin, ein Musiker ein Musiker usw. Vielleicht macht ja auch die Seelsorgerin Musik und hat Kinder, doch das ist im Zuge der in dieser Miniserie erzählten Geschichte nicht von Belang; zumindest in Bezug auf die meisten Figuren.

                            Unter dem Strich bleibt also eine Erzählung, die aus zahlreichen Einzelgeschichten besteht, die teilweise miteinander verzahnt sind. Manche Charaktere lernen sich vor Ort kennen, anderen waren bereits zuvor miteinander verbunden. Einige Handlungsstränge verlaufen eher flach, andere lassen etwas tiefer blicken. Am Ende jedenfalls erscheint die Erzählung rund und auch der so oft beschworene Geist der Weihnacht wird bewahrt.

                            KURZFAZIT

                            Aus einer abgestandene Prämisse basiert eine runde Geschichte.

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                              Der filmtastische Adventskalender 2024 /
                              Oscar Madness (5 Nominierungen plus 1 Spezial-Oscar für technische Verdienste)

                              [Bonusfilm III]

                              George Bailey (James Stewart) ist seines Lebens überdrüssig. Ausgerechnet am Weihnachtsabend möchte er sein Dasein beenden. Jedoch nehmen die Schutzengel davon Kenntnis und schicken ihm einen Auszubildenden, der sich seine Flügel erst noch verdienen muss. Was ist also geschehen, dass George so verzweifelt ist? Und wird der Engel es schaffen, Georges Leben zu retten und sich somit seine Flügel zu verdienen?

                              Doch bevor diese Fragen beantwortet werden, wird zunächst ein ausführlicher Rückblick dargeboten. Nach zwei einschneidenden Erlebnissen aus seiner Kindheit werden verschiedene Episoden aus seinem Leben als Erwachsener gezeigt. Zwar scheint ihm die schnelle Auffassungsgabe aus früheren Tagen etwas abhanden gekommen zu sein, doch dafür erfüllt er eine wichtige soziale Funktion in seinem Heimatort Bedford Falls: Er fungiert als mehr oder weniger einziger Gegenspieler des örtlichen Magnaten Henry F. Potter (Lionel Barrymore, Bruder von Ethel Barrymore und Großonkel von Drew Barrymore). Dieser nennt einen Großteil der gewinnträchtigen Immobilien im Ort sein Eigentum und nun greift er auch nach dem Wohneigentum zahlreicher verschuldeter Privatleute.

                              Für das FBI war das 1946 schon zu viel des Guten, denn 'Ist das Leben nicht schön?' geriet in den Fokus der Ermittlungen. In einem Memorandum wurde festgehalten, „dass der Film recht offensichtliche Versuche macht, Bankiers zu diskreditieren“ und „dass dieser Film […] absichtlich die Oberschicht schlecht mache“ - garniert mit dem jahrzehntelang üblichen Vorwurf des Kommunismus. Regisseur Frank Capra, der für seine Arbeit an diesem Film mit zwei persönlichen Oscarnominierungen (Regie und Bester Film) sowie drei weiteren Nominierungen (Schnitt, Ton und Hauptdarsteller James Stewart) und einem Spezialoscar für technische Verdienste für Mitglieder seiner Crew bedacht wurde, konnte von den Lorbeeren im Rahmen der Award Season 1946 (er erhielt zudem einen Golden Globe) jedoch nur wenig bis gar nicht profitieren. 'Ist das Leben nicht schön?' waren in den Vereinigten Staaten von Amerika zunächst keine nennenswerten finanziellen Erfolge beschieden. Zwar konnten im Rahmen der weltweiten Vermarktung sowie bei späteren Gliedern in der Vermarktungskette passable Einnahmen verbucht werden, doch der Niedergang seiner zuvor beachtlichen Karriere schien spätestens nach der Veröffentlichung seines Werkes über George Bailey besiegelt. Dabei dürfte es auch und gerade speziell die Klassenkampf- und Immobilienthematik sein, die die hier erzählte Geschichte so zeitlos erscheinen lässt. Frank Capra lässt sich so in eine lange Auflistung an Filmemachern mit einreihen, deren Karrieren durch eine geradezu hysterisch geführte Kampagne zerstört wurden.

                              KURZFAZIT

                              Weihnachtsklassiker, dessen Handlung auf einer offenbar zeitlosen gesellschaftspolitischen Thematik basiert.

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                                Oscar Madness (4 Auszeichnungen, 2 weitere Nominierungen)

                                [Bonusfilm II]

                                Die Mitglieder der Familie Ekdahl, die im Schweden des frühen 20. Jahrhunderts unter vergleichsweise wohlhabenden Bedingungen lebt, haben nicht unbedingt dieselben Sorgen und Nöte wie die allermeisten Familien aus der Mitte der Gesellschaft. Wie es sich für eine gestandene Dynastie gehört, machen sich manche der Ekdahls ihre Probleme einfach selbst. Von kleinbürgerlichen Moralvorstellungen möchten sie nicht allzu viel wissen, dementsprechend locker lassen sie es zeitweise auch angehen. Doch das ist nur die eine Seite der (nur bedingt glänzenden) Medaille. Zwar verstehen sie durchaus zu leben und zu feiern, doch nicht wenige von ihnen sind auch mit verschiedenen Schattenseiten des Lebens vertraut – oder sie werden diese schon bald kennenlernen.

                                Ingmar Bergman inszeniert 'Fanny und Alexander' als eine Familienchronik der etwas anderen Art. Erzählt werden im Grunde gleich drei Geschichten in einer – wenn nicht sogar noch mehr. Geschildert wird ein Großteil der Ereignisse aus der Perspektive zweier Kinder, die nach dem Tod ihres Vaters zunächst in eine düstere und etwas später in eine bizarre (aber nicht minder finstere) Szenerie geraten.
                                Inszeniert wurde diese etwas ander Familienchronik mit großer handwerklicher und konzeptioneller Kunstfertigkeit, die sich auch im Gewinn von vier Oscars (Kamera, Ausstattung, Kostümgestaltung und bester fremdsprachiger Film) sowie zwei weiteren persönlichen Nominierungen für Bergman (Regie und Original-Drehbuch) widerspiegelt. Mit einem bemerkenswerten Auge für Details erfolgt nicht nur die visuelle, sondern auch die inhaltliche Ausgestaltung. In dieser Hinsicht dürfte die Blu-ray zu diesem Film neben diversen Klassikern im Bücherregal mindestens ebenso gut aufgehoben sein wie im Filmregal.

                                KURZFAZIT

                                Mit einem cineastischen Besuch bei den Ekdahls kann es sich anfangs womöglich ähnlich verhalten wie mit einem Ausflug im realen Leben an einen bisher unbekannten Ort: Zunächst fremdelt man vielleicht noch etwas mit der latent unterkühlten Atmosphäre, doch nach und nach intensiviert sich der Ablauf der Ereignisse. Doch obwohl man einem bemerkenswerten Ereignis beiwohnen darf, sind nicht wenige Zuschauer eventuell auch ganz froh, wenn endlich die Rückkehr nach Hause ansteht.

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                                  Oscar Madness

                                  [Bonusfilm I]

                                  Das Weihnachtsfest steht vor der Tür. Schüler und Lehrer freuen sich auf die Ferien. Warum auch nicht? Schulnoten sind auf vielen Privatschulen kein allzu großes Problem, also erstmal Urlaub machen.

                                  Doch wer so denkt, hat die Rechnung ohne den Lehrer Paul Hunham (Paul Giamatti) gemacht, der nichts zu verschenken hat; zumindest keine Noten. Wer ein C von ihm bekommt, darf sich schon zu den Klassenbesten rechnen. Viele Schüler finden das ebenso ärgerlich wie der Direktor der Schule, der sich dem Vater eines nicht besonders guten Schülers verpflichtet sieht, der gerne mal das Scheckheft für Spenden zückt. Doch gekaufte Noten widerstreben den Prinzipien Herrn Hunhams. Also kommt es zu einem Kompromiss, um alle Interessen unter einen Hut zu bringen: Schüler mit besonders schlechten Noten sollen die Ferien über in der Schule bleiben, um dort für einen Wiederholungstest zu büffeln – betreut von Mister Hunham, dessen Urlaub damit ebenfalls hinfällig ist. Der Protagonist sitzt über die Feiertage also mit der Haushälterin und einem kleinen Haufen an Schülern, die unterschiedlicher kaum sein könnten, im Schulgebäude fest. Eine Neuauflage des Breakfast Clubs oder des Clubs der toten Dichter?

                                  Was sich zunächst tatsächlich so anlässt, entwickelt mit zunehmender Laufzeit einen Drall in Richtung einer augenzwinkernd vorgetragenen Charakterstudie über die beiden Protagonisten. Sowohl der prinzipientreue Lehrer als auch ein recht störrischer Schüler geben nach und nach Einblicke in ihre jeweilige Gedankenwelt frei, wodurch wenig überraschend auch Konflikte zwischen den beiden befeuert werden. Auf der anderen Seite sehen sich beide aber auch dazu gezwungen, ihr eigenes Verhalten sowie die Entwicklung ihres bisherigen und zukünftigen Werdeganges zu reflektieren. Alexander Payne bringt dies mit der ihm eigenen Mischung aus Ernst und Leichtigkeit auf den Bildschirm, wodurch ihm einmal mehr eine Inszenierung gelingt, die trotz ihrer inhaltlichen Substanz über weite Strecken heiter wirkt. Letztlich trifft er damit eine Tonlage, von der so viele Entwicklungen im Alltag geprägt sind. Manchmal ist der berüchtigte Ernst des Lebens eben so absurd, dass man durchaus auch schmunzeln kann. Und selbst wenn etwas misslingt, sollte man stets die Frage nach der Relation im Hinterkopf behalten. Ein beruflicher oder schulischer Rückschlag mag frustrierend sein, das Ende der Welt bedeutet er dennoch nur in den seltensten Fällen. Irgendwie geht es meistens schon weiter - spätestens nachdem genug Zeit ins Land gezogen ist. Letztlich sind wir alle in irgendeiner Form Holdovers bzw. Überbleibsel. Vielleicht nicht jetzt gerade, aber irgendwann ganz bestimmt.

                                  Siebeneinhalb von zehn zeitlosen Frisuren.

                                  KURZFAZIT

                                  Tragikomödie mit Payne-Gütesiegel.

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                                    Framolf 24.12.2024, 06:34 Geändert 24.12.2024, 07:49

                                    Liebe Filmfreunde, euch allen frohe Weihnachten!

                                    Der filmtastische Adventskalender 2024 /
                                    Oscar Madness (5 Auszeichnugen, 5 weitere Nominierungen)

                                    [24]

                                    ++ Leichte SPOILER ++

                                    C. C. Baxter, ein Büroangestellter, stellt mehreren Führungskräften in seiner Firma seine Wohnung als Liebesnest zur Verfügung. Als Gegenleistung werden ihm dafür vage Aufstiegsversprechen gemacht. Was anfangs noch recht gut für ihn klingt, wird mit der Zeit zunehmend zur Herausforderung. Seine Gäste empfehlen ihn munter weiter und werden immer fordernder. Baxter findet daher kaum noch Ruhe in seinen eigenen vier Wänden; dementsprechend übermüdet ist er ab einem gewissen Zeitpunkt dann auch. Und während sich seine Vorgesetzten mit ihren jeweiligen Dates in seiner Wohnung vergnügen, kommt sein eigenes Privatleben deutlich zu kurz. Dabei interessiert er sich doch ausgerechnet für eine der Damen, die in seiner Wohnung verkehren. So kann es nicht weitergehen, denkt sich Baxter daher. Jetzt ist guter Rat teuer für ihn.

                                    Billy Wilder, der für seine Arbeit an 'Das Appartement' mit gleich drei Oscar für sich persönlich (Regie, Originaldrehbuch und Bester Film) sowie zwei weiteren für Mitglieder seiner Crew (Schnitt und Szenenbild) ausgezeichnet wurde und darüber hinaus mit seinem Team fünf weitere Nominierungen einheimsen konnte (Kamera, Ton sowie in den Darstellerkategorien Jack Lemmon, Shirley MacLaine und Jack Kruschen), inszeniert diese Gesellschaftssatire als groteske Parodie über Duckmäusertum sowie als Spottlied auf Angestellte, die ihren Beruf in übertriebener (und teils auch zweifelhafter) Weise über private Interessen stellen – nur um eines Tages aufzuwachen und festzustellen, dass für sie manche Türen trotzdem für immer verschlossen bleiben werden. Doch während im Büro eben Türen (bzw. sogar ganze Etagen) regelrecht verschlossen bleiben, wird die Privatsphäre in dieser Inszenierung Wilders nicht nur von außen angegriffen (indem wiederholt Führungskräfte vor der Wohnungstür stehen), sondern zusätzlich auch noch von innen heraus ausgehöhlt. Schon nach kurzer Zeit werden die Zugeständnisse des kleinen Büroangestellten als selbstverständlich betrachtet und ein Zurückfallen hinter derlei Gepflogenheiten erscheint so gut wie unmöglich, so lange er im Dienst dieser Firma stehen wird. Es steht sogar die Frage im Raum, ob es mit einer Kündigung getan wäre, oder zusätzlich nicht auch ein Ortswechsel vonnöten wäre, um einen unbelasteten Neustart bewerkstelligen zu können. Und wofür? Für so gut wie nichts! Doch davon können auch mehr als ein Jahrhundert später noch unzählige Menschen ein Lied singen.

                                    KURZFAZIT

                                    Bissige Gesellschaftssatire im Gewand einer Beziehungskomödie.

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                                      Der filmtastische Adventskalender 2024

                                      [23]

                                      'Eine irische Weihnachtsgeschichte' (Originaltitel: 'An Old Fashioned Christmas') – warum nicht? Beide Titel wecken Assoziationen an bodenständige Menschen, die in einer halbwegs intakten Umwelt ein Fest feiern, bei dem der ursprüngliche Geist der Weihnacht noch besser erhalten scheint als bei so manchen Kommerzorgien jüngeren Datums. Doch gleich vorneweg: All das findet man in diesem Film nicht.

                                      Stattdessen geht es um zwei wohlhabende Damen aus Amerika, die auf dem Anwesen eines abgebrannten irischen Adeligen die Feiertage verbringen wollen. Dessen Mutter hegt bereits Pläne zur Rettung der Besitztümer. Dumm nur, dass Miss Tilly aus den Vereinigten Staaten bereits verlobt ist. Dabei scheint sie durchaus einen Draht zu dem etwas stürmischen Iren zu haben. Ganz anders als ihr Großvater, der sich mit ihrer Großmutter (aus dem anderen Zweig ihrer Familie) so gar nicht versteht. Klingt nach einer unfassbar spannenden Konstellation...

                                      Eigentlich käme jetzt die Stelle, um beispielsweise auf eine zweite Bedeutungsebene oder auf zeitgeschichtliche Umstände einzugehen. Doch was soll man mit einer Geschichte wie dieser anfangen? Es mag durchaus sein, dass sich auch hier etwas extrahieren lässt, doch wer hat bei einer Geschichte wie dieser schon Freude daran, im Subtext zu wühlen? Auf der anderen Seite: Nimmt man das Geschehen als das, was es ist, erwartet einen auch kein besonders großer Wurf, sondern allenfalls ein belanglos vor sich hin plätschernder Flirt sowie nebenbei der eine oder andere Generationen- oder Familienkonflikt. Zwei bodenständige Charaktere sind zwar tatsächlich involviert, doch deren Auftreten ist derart plakativ konzipiert, dass auch ihre Mitwirkungen die Anklänge, die der Filmtitel mit sich bringt, nicht wirklich rechtfertigt.

                                      KURZFAZIT

                                      Eine Mischung aus 'Downton Abbey' und 'Stolz und Vorurteil' in schlecht.

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                                        Der filmtastische Adventskalender 2024

                                        [22]

                                        Julian hat an Weihnachten Geburtstag, doch nach unbeschwerten Festlichkeiten ist dieses Jahr weder ihm noch seinen Eltern zumute. Wenige Monate zuvor ist deren älteste Tochter, Julians Schwester, verstorben. Doch der Alltag des Jungen ändert sich schlagartig, als er während der Adventszeit ein Mädchen in seinem Alter kennenlernt, deren Verhalten wie ein Gegenentwurf zu seinem erscheint. Man könnte fast meinen, beide würden sich zueinander verhalten wie das Negativ und der Abzug derselben Fotografie.

                                        Regie und Drehbuch machen keinen allzu großen Hehl daraus, was hier vor sich gehen könnte. Schon nach wenigen Minuten werden erste Signale ausgesandt, die sich spätestens mit der Szene im Schwimmbad verfestigen, denn

                                        ++ SPOILER ++

                                        der Bademeister (der im Bildhintergrund zu erkennen ist) reagiert nicht auf das untergehende Mädchen. Weshalb er auch Julians Rufe ignoriert, bleibt allerdings ein Rätsel.

                                        Jedenfalls lässt sich die Handlung auf einen einfachen Kern herunterbrechen:
                                        Ein Junge lernt nach dem Verlust seiner Schwester einen älteren Mann (der aussieht wie der Nikolaus) kennen, der in jungen Jahren ein ähnliches Trauma erlitten hatte. Dabei sucht und findet er einen Weg, wie er mit seinem Schmerz umgehen kann.

                                        ++ SPOILER ENDE ++

                                        Am Ende steht ein vorweihnachtliches Drama, das sich ganz ausdrücklich an Menschen jeden Alters wendet und Identifikationsangebote verschiedenster Art bereithält. Julian und seine kleine Schwester, deren Eltern oder auch der ältere Herr – sie alle trauern auf ihre ganz eigene Weise. Keiner von ihnen scheint zunächst eine für ihn oder sie funktionierende Bewältigungsstrategie parat zu haben. Doch durch die Verbundenheit im Schmerz öffnen sie sich zumindest für neue Wege, Methoden und Sichtweisen. Ob diese auch tragfähig sein werden, ist nicht mehr Thema der Handlung und bleibt letztlich der Vorstellungskraft der Zuschauer überlassen.

                                        KURZFAZIT

                                        Metaphernreiche Weihnachtsgeschichte über Trauer und Verlustbewältigung.

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                                          Der filmtastische Adventskalender 2024

                                          [21]

                                          Nikki(!) wird an Weihnachten von Santa attackiert. Aufgrund einer Schnittverletzung am Arm verbuchen die Ärzte ihren Fall als Suizidversuch. Fast auf den Tag genau ein Jahr später erwacht die Patientin aus dem Koma. Ihr Ex-Freund holt sie aus der Klinik ab, damit sie mit ihm und zwei weiteren Personen Weihnachten feiern kann. Doch statt weihnachtlicher Geborgenheit im Freundeskreis liegt erneut eine bedrohliche Atmosphäre in der Luft. Werden sich die blutigen Ereignisse des Vorjahres wiederholen? Kehrt Santa zurück, um sein brutales Werk zu vollenden?

                                          Ein Geistlicher, an den sich eine der betroffenen Personen hilfesuchend wendet (wäre er lieber mal zu einem Schauspiellehrer gegangen), bringt es in seiner ganz eigenen Logik auf den Punkt: Santa und Satan sind fast identische Namen. Beide tragen rot und und sind böse. Santa verhöhne durch das rituelle Verspeisen von Keksen mit Milch das Abendmahl und das Versprechen seiner jährlichen Wiederkehr sei als Spott an der Wiederauferstehung zu verstehen.

                                          Wer jetzt entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, kann jedoch erleichtert aufatmen, denn das Drehbuch hält nach einer schier endlos dauernden ereignislosen Phase auch eine sagenhafte Wendung parat. Gut, sie stinkt meilenweit gegen den Wind, obwohl sie eigentlich gar keinen Sinn ergibt (indirekter SPOILER: Wann und wie sollen bitte die Vorbereitungen zu den Taten stattgefunden haben? SPOILER ENDE). Doch nachdem Filmmusik und Montage (mit Anleihen bei Genreklassikern wie 'Scream' oder 'Saw') wiederholt Spannung aufbauen, ohne dass nennenswerte Ereignisse folgen würden, musste schließlich irgendein Paukenschlag her. Und sei es nur einer, der weitgehend unplausibel erscheint. Immerhin sind das Drehbuch und die „Leistung“ des männlichen Darstellers damit qualitativ aus einem Guss. Herzlichen Glückwunsch dazu.

                                          Gerade noch anderthalb gezuckerte Augen.

                                          KURZFAZIT

                                          Blödie Santa.

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                                            [20]

                                            ++ Leichte SPOILER ++

                                            Regisseur Iain Softley ('K-Pax') erzählt in seinem Kurzfilm 'Der Lotse' eine Weihnachtsgeschichte der etwas anderen Art. Alles beginnt auf einer Militärbasis. Die Weihnachtsfeierlichkeiten sind in vollem Gange und der Himmel über dem Ärmelkanal ist so spärlich frequentiert wie nur an ganz wenigen anderen Tagen. Ein junger Pilot tritt zu einem Übungsflug an. Nach einiger Zeit fallen seine Bordinstrumente aus und es ist auch keine Kommunikation mit dem Festland mehr möglich. Zu allem Überfluss wird auch noch der Treibstoff knapp. Nebelfelder in Bodennähe erschweren zudem die Suche nach einer geeigneten Landebahn. Jetzt ist guter Rat teuer. Was kann unser Pilot noch machen? Irgendwie versuchen, auf gut Glück zu landen? Sein letztes Gebet sprechen? Auf ein Weihnachtswunder hoffen? Eines der drei Szenarien tritt tatsächlich ein...

                                            Surprise, surprise, es ist das Weihnachtswunder! Friss das, Ockham! Ein rätselhafter Lotse (John Travolta) in einer Uniform aus längst vergangenen Tagen und einem alten Flugzeug nimmt Kontakt zu dem in Not geratenen Piloten auf. Er wirkt beruhigend auf ihn ein und stellt das Erreichen einer Landebahn in Aussicht. Später kommen noch weitere rätselhafte Ereignisse hinzu.

                                            Für die allermeisten Zuschauer dürfte sich der grobe Verlauf der Handlung schon früh erahnen lassen, doch was man konkret daraus mitnehmen soll, erscheint eher fraglich. Zum Abschluss der Handlung findet mittels Texttafeln eine verbale Würdigung der Fluglotsen aus der Zeit des 2. Weltkrieges statt. Ob es dafür diesen Kurzfilm braucht, sei dahingestellt. Vielleicht wollte Softley auch einfach nur einen vergleichsweise kurzen Weg zu der einen oder anderen Berücksichtigung (in Form von Nominierungen oder Auszeichnungen) im Rahmen der Award Season beschreiten. Am Ende steht jedenfalls ein professionell inszenierter Kurzfilm mit überschaubarer Aussagekraft.

                                            KURZFAZIT

                                            Für Kurzfilmverhältnisse aufwändig inszeniert, inhaltlich aber vergleichsweise dünn.

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                                              Der filmtastische Adventskalender 2024

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                                              Wenn ein für das deutschsprachige Fernsehen produzierter Weihnachtsfilm in der imdb einen Schnitt von über 6,5 Punkten aufweist, lässt das erstmal aufhorchen. Steckt ein Crowdpleaser oder sogar ein ambitioniertes Projekt dahinter? Der Wikipedia-Eintrag zu Marc Rensings 'Der Wunschzettel' spricht in dieser Hinsicht Bände: „Autorin Martina Mouchot wurde von Filmproduzent Norbert Walter maßgeblich zum Drehbuch von  Der Wunschzettel  inspiriert. Walter hatte sich ursprünglich eine moderne Interpretation des britischen Weihnachtsklassikers  Der kleine Lord (1980) vorgestellt. Mouchot, der die Überwindung von Klassenunterschieden als zentrales Thema eines Weihnachtsfilms jedoch nicht mehr „sonderlich tragfähig“ erschien, entschied sich, bewährte Muster des Films wie „die Menschlichkeit, die Erkenntnis, sich zum Besseren wandeln zu wollen, die Familienheilung, das reine Happy End“ aufzugreifen und sie unter alltäglichen Bedingungen zu erzählen.“ (abgerufen am 18.12.2024)

                                              Man hat sich also ganz bewusst gegen die Thematisierung sozialer Fehlentwicklungen entschieden, um auf eine vermeintlich sichere Karte zu setzen. Durch die starke Bindung problematischer Faktoren an einzelne Charaktere kommt Gesellschaftskritik allenfalls noch in Spuren auf, die man nur wahrnimmt, wenn man bewusst darauf achtet. Was bleibt also übrig vom ursprünglichen Konzept?

                                              Ein chronisch klammer Handwerker schließt mit einer allein lebenden Dame einen Pakt: Sie kauft seinen Kindern Weihnachtsgeschenke, wenn er mit ihr zum weihnachtlichen Familientreffen kommt. Dort soll er sich den bohrenden Nachfragen der Eltern stellen und die Wortgefechte ihrer zankenden Geschwister ertragen.
                                              Was also zunächst als durchaus ambitionierter Neuentwurf eines Klassikerstoffes geplant war, beginnt nun mit einer Prämisse, die vielen weihnachtlichen Ramschproduktionen in nichts nachsteht. Gerade die Motive, die hier verwurstet werden, könnten klischeehafter kaum sein: Eine etwas spleenige Single-Frau, ein verwitweter Handwerker mit Finanzproblemen und ein absurd anmutender Pakt, von dem bereits von vornherein klar ist, dass er früher oder später scheitern wird, ehe man sich anderweitig verständigen wird.

                                              Kurios sind in diesem Fall die vertauschten Rollen von Autorin und Produzent. Während der Produzent hier offenbar inhaltlich höher hinauswollte, fühlt sich die Verfasserin des Skripts anscheinend auf ausgetreteneren Pfaden wohler. Zwar ist die Grundidee einer Schere bei den finanziellen Verhältnissen der Charaktere nach wie vor vorhanden, doch am Beispiel der Hintergrundgeschichte der Eltern wird sicherheitshalber festgemacht, dass finanzielle Engpässe wieder überwunden werden können, wodurch jegliche gesellschaftspolitische Aussage gleich wieder zerbröselt.

                                              Um fair zu bleiben: Auch der Ansatz, der schließlich gewählt wurde, besitzt eine gewisse Relevanz. Vorrangig geht es um das familiäre Miteinander, um die Zerbrechlichkeit von Glück und um Toleranz gegenüber abweichenden Lebensmodellen. Die Wahl fiel also auf Themen, die zwar durchaus bedeutungsvoll sind, aber nahezu kein Konfliktpotenzial bergen. Das Ergebnis ist ein anfangs formelhafter, im späteren Verlauf aber durchaus eigenständiger Entwurf, der aus der Masse an vorweihnachtlichen Fernsehproduktionen leicht herausragt.

                                              5,5 – 6 Punkte.

                                              KURZFAZIT

                                              Grundsolider Weihnachtsfilm.

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                                                [18]

                                                Jenny (Anna Kendrick), die einen eher lockeren Lebenswandel pflegt (vor allem in Bezug auf Alkohol), zieht nach der Trennung von ihrem Partner bei ihrem Bruder (Regisseur, Drehbuchautor, Produzent und Darsteller Joe Swanberg) und dessen Ehefrau (Melanie Lynskey) ein, die spätestens seit der Geburt ihres Kindes ein äußerst beschauliches Leben führen. Ihre eigenen Träume stellen die beiden weitgehend hintenan, ihr Gast hingegen denkt in erster Linie an sich selbst. Konflikte sind also vorprogrammiert. Auf der anderen Seite sehen sich alle drei jedoch auch dazu gezwungen, ihren bisherigen, aktuellen und zukünftigen Lebenswandel zu reflektieren. Welches Maß an persönlicher Freiheit und Entfaltung verträgt ein funktionierendes Familienleben? Wie viel Egoismus ist auf der anderen Seite nötig, um nicht innerlich einzugehen? Und wie geht man damit um, wenn verschiedene Lebenswirklichkeiten aufeinanderprallen?

                                                All die genannten Fragen wurden gewiss schon in zahlreichen anderen Beziehungsdramen abgehandelt, redundant wirkt diese Inszenierung aber dennoch keineswegs. Jede Konstellation ist eben anders, wodurch sich auch unterschiedliche Betrachtungen ergeben. Im Fall von 'Happy Christmas' geht es unter anderem um eine Mutter, die sich gerne als Schriftstellerin entfalten würde, zugunsten der familiären Pflichten allerdings darauf verzichtet (SPOILER: In einer für das Dramengenre eher ungewöhnlichen Post Credit Scene bekommen die Entwicklungen zum Schluss doch noch einen unerwarteten Drall).

                                                Für einen Film mit dem Titel 'Happy Christmas' fällt Swanbergs Inszenierung bemerkenswert trist, grau und nüchtern aus; angesichts der Thematik erscheinen diese Stilmittel jedoch passend.

                                                KURZFAZIT

                                                Mischung Familiendrama und Charakterstudie, die zwar rund um die Weihnachtsfeiertage angesiedelt ist, sich im Grunde aber auch zu jeder anderen Zeit des Jahres zutragen könnte.

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                                                  [17]

                                                  Durch dem Unfalltod ihrer Eltern werden vier Brüder plötzlich zu Vollwaisen. Ein Onkel (Ben Stiller), zu dem sie bisher keinen Kontakt hatten, soll sie für einige Tage betreuen, ehe sie zu einer Pflegefamilie vermittelt werden. Der Ersatzvater wider Willen, ein Karrieremensch mit Bindungsängsten, versteht nicht viel von Erziehung. Doch genau darin könnte auch eine Chance liegen, denn das Verhalten der Kinder ist jenseits von Gut und Böse. Durch ihr schroffes und ungehobeltes Verhalten stehen sie sich bei der Vermittlung in ein neues zu Hause selbst im Weg. Vielleicht sind ja gerade die unkonventionelle Herangehensweise des Onkels und sein Wechsel zwischen Fürsorge und Desinteresse der Schlüssel, um Zugang zu den vier Rabauken zu finden?

                                                  Deren Verhalten wiederum wird augenscheinlich durch Misstrauen und Angst befeuert, woraus sie – trotz ihrer demonstrativ an den Tag gelegten krawalligen Attitüde – kaum einen Hehl machen. Zwar benehmen sie sich (zumindest gefühlt) rund um die Uhr trotzig daneben, doch zwei von ihnen lassen auch den Grund dafür wiederholt durchblicken, beispielsweise durch die Frage an den Onkel, ob er denn am nächsten Morgen immer noch da sein werde.

                                                  Hinter der Prämisse, die zunächst vielleicht Anklänge an eine wilde Familienkomödie wecken mag, verbirgt sich also auch eine durchaus ernste Thematik. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Dynamik zwischen dem Vater auf Zeit und dessen Schützlingen, sondern auch hinsichtlich einiger Spitzen gegen verschiedene gesellschaftspolitische Auswüchse - auch wenn diese eher beiläufig abgefeuert werden. Auch wenn das Finale ziemlich klischeehaft (und zudem nicht in allen Einzelheiten plausibel) ausfällt, scheinen Regisseur David Gordon Green und Drehbuchautor Leland Douglas zu wissen, wann auch Schweigen wirkungsvoll sein kann. Schließlich lässt das Ende zumindest etwas Spielraum für Spekulationen offen, was den Vorteil mit sich bringt, dass es durchaus zum Nachdenken einladen kann und dem Publikum nicht zwingend eine Lesart vorgesetzt wird.

                                                  KURZFAZIT

                                                  Tragikomödie, die sich eher an Erwachsene und Jugendliche als an Kinder richtet.

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                                                    Framolf 17.12.2024, 01:14 Geändert 17.12.2024, 02:31

                                                    Maria (Nilam Farooq) befindet sich im dritten Trimester ihrer Schwangerschaft. Kürzlich hat sie mit ihrem Ehemann (David Kross) ein recht großes Anwesen bezogen, das sich schon seit langer Zeit im Besitz seiner Familie befindet. Doch irgendetwas stimmt nicht in der neuen Bleibe. Maria hat das Gefühl, nicht alleine zu sein. Zudem spielt die Elektrik verrückt. Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem sie kaum verletzlicher sein könnte.

                                                    Regisseur Thomas Sieben gelingt es in seiner äußerst montageminimalistischen Inszenierung, eine ansprechende Atmosphäre zu kreieren, deren Wirkung sich durch die Verankerung in einem Umfeld, das wohl jeder deutschsprachige Zuschauer aus seinem eigenen Alltag kennen dürfte, zusätzlich verstärkt. Auch wenn die meisten der vermeintlichen Wendungen kilometerweit gegen den Wind stinken, kommt es immer wieder zu Spannungsspitzen, die die Erzählung trotz ihres überschaubaren Inhalts kurzweilig halten.

                                                    Der Vorsatz, sich mit einem düsteren Kapitel der deutschen Geschichte, dem in Spielfilmen zuvor nicht besonders viel Aufmerksamkeit gewährt wurde, in Form eines Horrorthrillers auseinanderzusetzen, lässt erstmal aufhorchen. Die eher krude Verknüpfung von Backstory und gegenwärtiger Handlung kann allerdings durchaus Stirnrunzeln verursachen.

                                                    ++ SPOILER ++

                                                    Da Wilhelms Urgroßvater seinerzeit an massiven Kriegsverbrechen in Afrika beteiligt war, möchte er (bzw. sein Geist) nun Buße tun, indem er weitere Morde begeht. Sein Lösungsansatz besteht also darin, durch Morde an Familienmitgliedern Absolution für zurückliegende Morde zu erhalten.

                                                    Vielleicht geht es ihm auch gar nicht um die behauptete Erlösung, sondern er ist einfach nur böse. Dann aber stellt sich die Frage, ob es den historischen Unterbau wirklich gebraucht hätte. Die These vom unausrottbaren Bösen, die sich aus dieser Idee ergeben würde, hätte man auch anders (und vor allem griffiger) vermitteln können.

                                                    ++ SPOILER ENDE ++

                                                    KURZFAZIT

                                                    Je nach Sichtweise entweder überambitioniert oder unterkomplex.

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