Hooded Justice - Kommentare
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Alle Kommentare von Hooded Justice
»Sensual desire indulged for its own sake is the misuse of something sacred.«
Nach Lars von Triers »Dogville« ein weiteres Meisterwerk, in dem wir die Tragödie nur auf einer Theaterbühne sehen – hier jedoch die Bühne der adligen Künstlichkeit. Joe Wright ist dort angekommen, wo er hingehört, Keira Knightley auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, Musik und Bild in einem Einklang zum Sterben schön. Doch »Anna Karenina« ist viel zu großes Gefühlskino, als dass es meinerseits noch an großen Worten bedarf.
»You can't ask ›Why‹ about love.«
»Olivia, hast du jetzt einen Penis oder nicht?«
Mag den zwar auch nicht, aber was du im Text rausholst, ist eine Frage wert.
Verrückt.
Zur Zeit, in der Jugendliche ihre Mitschüler auf Schulhöfen vermöbeln, andere zusehen, filmen und klatschen, und in U-Bahn-Stationen alte Herren bewusstlos geschlagen und ausgeraubt werden, ist James Watkins intensive Genreglanzleistung »Eden Lake« nicht nur äußerst gegenwärtig, sondern birgt eine ganz beachtliche Substanz. Wenn ein Film – speziell ein Horrorfilm – sich so etwas zur Thematik macht, kann das nicht nur verdammt verhängnisvoll sein, sondern auch ungemein reizend und scharfsinnig.
Die Verurteilung, der Film ginge eindimensional an seine Thematik heran, weil er Jugendliche fernab der Realität durchweg als gefühlslose, mordshungrige Bestien zeige, ist dahingesagter Quatsch. »Eden Lake« begründet in keinem Moment, dass alle Teenager schlecht, böse und unerzogen sind, sondern zeigt auf einer viel interessanteren Ebene den Hintergrund: Der Gruppendruck. Wenn man als achtsamer Zuschauer in die Augen der »Täter« blickt, wird deutlich, dass die Kinder besonders in der immer weiter schreitenden Zuspitzung nicht gewissenlos handeln. Man beachte ihre zimperlichen Blicke und Ängste. Doch sie sind zu einer Clique zusammengewachsen, es entstand ein Zugehörigkeitsgefühl, aus dem an diesem Punkt keiner mehr zu fliehen wagt. Es ist Angelegenheit der ganzen Gruppe geworden. Und das sogar – wie es ganz real nun mal ist – nur oberflächlich: Einer – umgangssprachlich mit dem »Anführer« der Clique zu identifizieren – kommandiert, die anderen machen und ziehen mit. Weil sie mit drin stecken. Genau das, was in der Pädagogik doch bewiesen ist. Keiner der Kinder merkt nicht, was sie dort tun. Am Ende erfolgt doch sogar eine bittere Einsicht. Niemand will hier darstellen, wie boshaft, unzutraulich und feinselig alle unsere Jugendlichen sind, sondern doch viel mehr dahinter steckt. Die Angst davor, als der Loser in der Gruppe dazustehen; der Druck, mitzumachen und auch »cool« im Sinne der Werte der Gruppe zu sein. »Eden Lake« zeigt uns, wie schnell es gehen kann, dass die harmlose Provokation, die man heutzutage doch überall finden kann, aus der Bahn gerät. Das, worauf wir immer wieder in der realen Welt stoßen. Und natürlich beginnt die Erziehung, die erste Lebenswelt und Milieuzugehörigkeit, in unserem Elternhaus. Wir sehen das gebrochene Elternhaus an einer Stelle im Film. Wer dies als klischeehaft decken möchte, liegt falsch. Denn das ist pädagogische Tatsache.
Umso erstaunlicher ist es, wie genau »Eden Lake« als ganz fantastischer Film über Ursache und Wirkung fungiert. Das, was hier passiert, ist nicht nur die anspruchsvolle Aufarbeitung der realen Jugendgewaltbereitschaft als auch die Inszenierung einer stürmischen Eskalation. Aus den instabilen Familienverhältnissen und der gescheiterten Erziehung folgen – leider des Öfteren – verhaltensauffällige Kinder; aus deren anfänglicher Provokation wird ein Teufelskreislauf aus Gewalt, Überleben und Sterben.
Wie eine Mutter am Ende des Films sagt: »Es sind doch nur Kinder.« Der Film ergießt uns hier mit gar keiner Meinung, er fragt vielmehr an. Wir werden zerrüttet und gefragt zurückgelassen, was dort eigentlich gerade über uns herfiel. Viel intensiver kann ein Film seiner Art eigentlich nicht sein.
Eine Auswahl, die ihresgleichen sucht.
Um es vorweg zu sagen: »High Tension« ist der vielleicht ausdrucksvollste Horrorfilm der letzten Jahre. Wir nehmen das gesamte Geschehen so bestimmt und affektiv wahr, wie in längst keinem anderen Horrorfilm. Wir sehen, wie eine gesamte Familie brutal ermordet wird, wir blicken tief in die Augen der Opfer. Wir sehen uns der Todesangst und dem Schrecken direkt gegenübergestellt. »High Tension« ist viel zu intensiv und nachdrücklich, als dass man sagen könne, er sei nicht emotional. Meinem geringen Empfinden nach ist er sogar seelisch.
[Achtung Spoiler] Dass ausgerechnet Marie, fantastisch gespielt von Cécile De France, als lesbische junge Frau zu der Tat in der Lage ist, ist kein Zufall. Und wer wie ich anfangs meint, »High Tension« sei deswegen homosexuellenfeindlich, weil vermeintlich dargestellt wird, nur eine Lesbe könne so etwas tun, liegt falsch. »High Tension« zeigt, wie weit ein Mensch aus Verzweiflung vor problematischer Liebe gehen kann. Wir sehen quasi, wie sie wahnsinnig vor Liebe wird. Und welche Liebe ist auch noch heutzutage problematischer als die homosexuelle? Wie Marie es am Ende des Films ausdrückt: »Ich lasse nie wieder zu, dass jemand zwischen uns steht.«
Sehr gute Liste. ;)
Warum bin ich in Danny Boyle verliebt?
Ganz offensichtlich ist Danny Boyle ein Möchtegern-Alleskönner, der alles kann. Wie gekonnt er sich durchs Genrekino boxt, er Ideen und Kreativität in seinen Filme umsetzt und atmosphärisch, optisch wie emotional anspricht, ist außerordentlich. Doch wir sollten Boyle nicht aufgrund seines mehr oder weniger mainstreamlastigen Genrekinos auf seinen Unterhaltungswert reduzieren und sein gekonntes Handwerk als Blenderei brandmarken. Denn hinter all seiner filmischen Schönheit verbirgt sich in Boyles Filmen besonders eins: Fantastische Geschichten über den Menschen mit Anstoß, Sinn und Reflexion der Gesellschaft.
»Always changing genres, making very different films is a good idea. It's a way of making yourself feel vulnerable again, getting back to that innocence.«
Allen Filmwerken voran gilt »28 Days Later« in meinen Augen als Boyles absolutes Essenzwerk. In einer Szene sagt ein Soldat über die Wutvirus-Epidemie: »Was ich während der Epidemie sah, war: Menschen töten Menschen. Was ich vor der Epidemie sah, war: Menschen töten Menschen.« Hier wird Boyles Aussage ganz besonders deutlich: Mit den mordenden Infizierten hält Boyle uns einen Spiegel unserer selbst vor die Augen; ob Wutvirus oder nicht, der Mensch tötet – und wo töten wir mehr als im Krieg? Boyles »28 Days Later« besitzt eine Antigewaltbotschaft wie sie vielleicht nie vermittelt wurde. In den ruhigen, optimistischen Szenen des Films wird die Schönheit der Welt, die Natur verlassen von dem Menschen und die Hoffnung, die allein von Nächstenliebe erzeugt werden kann, in wunderschöne, herzerwärmend humane Momente gefasst. Hiermit zeigt Boyle uns, wie schön die Welt sein kann – ein beeindruckender Gegensatz zu dem, was hier im Rest des Films passiert. Die Welt ist schön, doch leider machen wir sie hässlich.
Zurückbetrachtet auf sein Gesamtwerk lässt sich ein besonderer Standpunkt erkennen: Danny Boyle liebt das Leben. Doch es gibt so viel Unsinn und Unfug, den der Mensch treibt, der uns auseinander bringt, unser Leben erschwert und den Frieden und die Menschlichkeit, die in der Welt regieren könnten, zerstört. In »The Beach« erzählt uns der Protagonist Richard, gespielt von Leonardo Di Caprio, am Anfang des Films, wie sehr er sich nach Abenteuern und dem aufregenden Leben sehnt – den kompletten Film lang über hören wir Richards Monologe über seine lebens- und abenteuerbejahende Lebensphilosophie und Empfinden. Boyle drückt einen und vielleicht seinen eigenen Lebenstraum in diesem Film aus. In unserer heutigen Gesellschaft wird die Weltanschauung für Freiheit und das Träumeleben immer seltener, und überhaupt bezeichnen wir Leute wie Richard doch viel zu häufig als »anormal« oder »verrückt«. Alle sehnen sich nach Freiheit, doch wer lebt es noch? Der Trend führt immer mehr zum Karrieremachen. In »The Beach« wird später dieser Traum von Freiheit für den Protagonisten wahr – ein paradiesisches Leben auf einer wunderschönen Insel mit liebenswürdigen Menschen – das Abenteuer hat sein Ziel gefunden. Als Richard für einen Tag von der traumhaften Insel und der entstandenen Kommune zurück aufs Land fährt, erkennt er, wie sehr ihn diese wahre Welt anekelt: besoffene, feierwütige und stinkende Menschen. Die Schönheit am Leben wird auf ganz besondere Art repräsentiert: Als friedsame Kommune, in der sich die Menschen akzeptieren, jeder jeden kennt, man einander versteht und auf ungezwungene Art die Freiheit auslebt. Doch beeindruckend ist doch die Wendung, die uns zeigt, dass heute selbst diese Kommune nicht mehr existieren kann, weil es immer einen »Boss« oder »Anführer« geben muss, der sich aufspielt, quasi die Regierung sein muss – wunderbar gespielt von Tilda Swinton.
»Slumdog Millionär« wird kritisiert, weil er gesellschaftskritisch sein will und gleichermaßen liebevoll und berührend. Doch wieso sollte sich ein kritischer Film nur auf das Schlechte im Leben reduzieren? Wieso sollte bewusst umgangen werden, dass kleine Jungs sich in Slums verlieben? Wieso sollten auch Jungs aus Slums nicht wissen, wie sie spielen und Spaß haben können? Und wieso sollte sich diese Liebe nicht irgendwann auch zusammenkommen? Gerade durch die Liebe in dem Film werden wir nah und intim an die Figuren herangeführt, dass uns die Wirksamkeit der furchtbaren Schicksale und Gegebenheiten der Figuren doch noch näher treffen. Auch in »Slumdog Millionär« weiß Boyle eins zu sagen: Das Leben kann schön sein. Doch es ist auch extrem verhängnisvoll. Und unser Dasein ist seit unserem existenziellen Ursprung schicksalhaft – wir werden in ein Umfeld hineingeboren und haben alle mit Schicksalen, Problemen zu kämpfen, aber begegnen auch eigenen Hoffnungen und Vergnügungen, die uns am Leben erhalten. Jeder in seiner Lebenswelt.
Ebenso in seinen Frühwerken »Trainspotting « oder »Kleine Morde unter Freunden« führt er uns das verhängnisvolle Leben und die schicksalhafte Begebenheit vor, die ebenso tragisch wie selbstparodierend sind. Alfred Lichtenstein sagte einmal: »Wenn die Trauer in Verzweiflung ausartet, soll man grotesk werden.« Ist das nicht genau das, was in beiden Filmen – besonders in »Trainspotting« – passiert? Die im Grunde genommen völlig verzweifelten Drogenjunkies hocken sinnlos und stumpfsinnig vor sich rum. Danny Boyle verachtet sie nicht. Er wird grotesk und stellt sich gegen die konventionellen Drogendramen, die uns – natürlich völlig zu Recht – weißmachen wollen, wie schlecht Drogen sind. Er aber führt uns in eine völlig abgedrehte, dreckige Welt, sogar in ein Kaleidoskop eines Junkies, aus der besonders die Toilettenszene oder das wandelnde Baby an der Decke hervorgehen. Natürlich hat ein Junkie in seinem Konsum »Spaß« und verfällt in Ekstase. Doch wir alle wissen, dass er mehr oder weniger eh schon alles verloren hat – oder wie der Hauptdarsteller, fantastisch von Ewan McGregor gespielt, es uns sagt: »Warum sollte ich das [das »Ja«-sagen zur Karriere, zur Familie, zum Konsum und zum konventionellen Leben] machen?« Boyle zeigt uns, wenn auch völlig überspitzt: Mach doch was du willst. Bevor du am Leben verzweifelst werde grotesk. Denn die Freiheit haben wir, auch wenn die Gesellschaft es zu selten wahrhaben will und noch schlimmer: es überhaupt duldet.
Mit »Sunshine« wird Boyle sensibler und melancholischer: Er zeigt uns auf beeindruckende Weise, was das Leben ohne Sonne, ohne Licht, Hoffnung und ohne (Boyles) Optimismus wäre. Die Crew der Icarus spiegelt genau das wider: Suizid, Misstrauen und Melancholie. »Sunshine« ist Boyles pessimistisches Werk, in dem ein häufiges seiner Motive besonders deutlich wird: der Überlebens- und Todestrieb des Menschen; darüber, wie nahe Hoffnung und Hoffnungslosigkeit beieinanderliegen. Er sagte einmal: »The sun is the most important thing in everybody's life, whether you're a plant, an animal or a fish, and we take it for granted.« Auch in »28 Days Later« ist in einer Szene die Rede davon, dass das Töten der Infizierten nicht mehr moralisch unvertretbar sei; es sei nur der Überlebenstrieb des Menschen, der das Morden unverzichtbar macht. Gleiches, wenn auch deutlich zuversichtlicher, verarbeitet er in »127 Hours«, die Geschichte eines lebensbejahenden Sportlers, der plötzlich vom Schicksal selbst gefangen genommen wird. Der Überlebenstrieb wird hier unübersehbar.
Wir können Danny Boyles Standpunkt und Position in seinen Filmen nur erahnen, da er leider nur selten in seinen Drehbüchern selbst mitarbeitet. Doch in der Auswahl seiner Filme, ihren Aussagen und Identifikationsfiguren wird deutlich, wie hoffnungsvoll Boyle mit der Welt umgeht – selbst wenn alles verloren scheint, selbst wenn die Menschheit sich in Bestien verwandelt hat und selbst wenn man in der furchtbarsten Ecke der Erde aufgewachsen ist. Boyle sagte mal: »I like films that have a kind of vivacity about them.« Er liebt die Lebhaftigkeit, er liebt das Leben als Abenteuer und Spiel. Wie es heute leider selten geworden ist.
Warum bin ich in Danny Boyle verliebt? Weil er uns das Leben in seinen Filmen ohne zwanghafte Stimmungsbilder zeigt, wie es eben ist: optimistisch und pessimistisch. Wieso schrieb Shakespeare sowohl Komödien als auch Tragödien? Weil das Leben eine Komödie und eine Tragödie zugleich ist. Oder weil es »D: Schicksal« ist.
Bis auf 6 und 7 absolut kacke. :)
Schön, im Kinojahr 2012 sehen wir uns sehr ähnlich. :) Frag mich nur immer, wie die Leute "Filme für Hipster" erkennen können. Xavier Dolan ist klar, das sieht man dem ja an. Aber Drive, weil er stilistisch und schick ist? Bei Drive denke ich eher daran, wie melancholisch und gelassen der ist.
Stinkt ja schon beinahe nach einem Slumdog-Millionär-Klischee. In dem Film wird in so vielen Szenen deutlich, was die gesellschaftliche Problematik der Armut bedeutet – der Missbrauch und die Ausbeutung der Kinder in dem Lager, der Bettlerjunge, das verbrecherische Leben von Jamals Bruder und wie Latika zur Meträsse wird. Und vor allem ausgerechnet im furiosen Hauptakt, als der Protagonist von den Machern der Show wahnsinnig gedemütigt wird – lediglich aufgrund seiner Gesellschaftsschicht und Armut. Von der Inszenierung darf man sich nicht blenden lassen.
Wie angelt sich eine alleinerziehende Mutter in den 50er Jahren einen neuen Ehemann? Die frisch getrennte Mutter auf der Suche nach Unterhalt und Verständnis, eine Geschichte ums Erwachsenwerden und der Frauenemanzipation. Während die Gefühle das Leben ungelenkt durch halb Amerika dahintreiben lassen, machen Renée Zellweger und Logan Lerman, die atemberaubende Atmosphäre und die Stimmung, die traurigen wie die glücklichen Momente sowie Charme und manche Hürden diesen Film zu einem wahren Geheimtipp. Frohe Weihnachten!
Unschuldig fallen die Schneeflocken hinab, sündig tropft das Blut in den Schnee. Tomas Alfredsons Meisterwerk »So finster die Nacht« ist nicht nur ein bahnbrechender Vampirfilm; nein, er bricht sogar alle Dimensionen des Horrorkinos.
Doch das besonders Wertvolle an »So finster die Nacht« ist die Art und Weise, auf die Alfredson das Thema Außenseitersein in wirklich eigensinniger Form verarbeitet. Dabei gestaltet er das Motiv genau wie den gesamten Film als solchen: Einerseits real, andererseits fantasiert und triefend vor herausragender Symbolik. Auf der einen Seite steht Oskar, der von seinen Mitschülern gehänselt und verspottet wird. Er ist das Opfer, doch insgeheim unsere und Alfredsons Herzensangelegenheit. Auf der anderen Seite steht Eli, ein Vampirmädchen. Tatsächlich steht Elis Vampirismus viel weniger für strenggenommenes Blutsauersein als viel eher symbolisch für ihre Charaktereigenschaft eines autarken, starken Mädchens. Die beiden Figuren, wie sie in ihrem Verhalten nicht unterschiedlicher hätten sein können, treffen nun aufeinander. Was sie verbindet ist ihr beider Problem: Das Außenseitersein. Verblüffend ist zu sehen, wie beide ganz verschieden damit umgehen: Eli nutzt es, um ihre Anonymität zu behalten, sie hat dabei nichts zu verlieren. Oskar muss dagegen einstecken; er muss all die Hänseleien und Kränkungen auf sich nehmen. Eli stellt hierbei eine Art Vorbild, sie lehrt Oskar, stark zu sein und sich zu wehren. Die gesamte Geschichte bekommt hierdurch einen hinreißenden Reiz an emotionaler Haltung und Affektivität.
»Frierst du nicht?«, fragt Oskar. – »Ich habe vergessen, wie das geht.«, antwortet Eli.
Als Eli Oskar erklärt, wer sie ist, sagt sie, sie sei wie er. Der Unterschied liege lediglich darin, dass sie töten muss; er es gerne möchte. Ebenso interessant an ihrer Freundschaft ist an dieser Stelle die Tatsache, dass Eli immerzu zu Oskar sagt, dass sie kein Mädchen sei. Oskar scheint dies nicht zu interessieren. Hier entsteht eine Verbundenheit und Freundschaft, vielleicht sogar eine Liebe, die die Oberflächlichkeit überwindet. Geschlechter spielen hier keine Rolle mehr.
Die wahren »Monster« im Film bleiben schlussendlich lediglich Oskars Kameraden, die letztlich vielleicht sogar nicht einmal vor dem Tode gescheut hätten. Das Blutbad ist hierbei das tragische Happy Ending, das einerseits für Eli nötig war, um ihren Freund zu retten, doch vor allem ein Ende, das es geradezu erzwingt, dieses Meisterwerk des Horrors, der großen Gefühle und der Poesie in unserem Kopf weiterleben zu lassen.
Endlich mal wieder gesehen.
In David Lynchs Meisterwerk »Mulholland Drive« geht es sicherlich um ganz vieles. Und um Träume und Albträume, die Realität werden. Für einen Mann im Schnellrestaurant ›Winkie‘s‹ wird der Albtraum von einem Monster, das im Hinterhof des Restaurants lauert, real – vielleicht ist dies die Schlüsselszene des Films. Aber auch der Direktor im ›Silencio‹ sagt es uns: »Es ist eine Illusion.«
Für Rita, atemberaubend gespielt von Laura Harring, werden ein Autounfall und der Albtraum einer Suche nach sich selbst und seiner Identität real. Für Betty, gespielt von einer grandiosen Naomi Watts, wird der große Traum von Hollywood wahr – in einer Szene sagt sie freudestrahlend: »Und jetzt bin ich in dieser Traumstadt!«. Jedoch beginnt sie, einen ganz eigenen Traum von der großen Traumfabrik zu erleben: Sie erlebt das Mysterium von Rita, für sie beginnt ihr ganz eigener Film und plötzlich erscheint ihr auch der wahre Traum der Schauspielkarriere irgendwie nichtig: Denn trotz lobender Zusage einer Rolle bemerkt sie, dass sie plötzlich noch etwas mit Rita zu erledigen hat und verschwindet. Wie in einem Traum wechseln wir Aktion, Handlung und Ort völlig unabgeschlossen und wirr. Für Adam, gespielt von Justin Theroux, wird der Albtraum einer gescheiterten Filmzusammenarbeit wahr – sein Film ist nicht mehr sein Film. Zu allem Überschuss erwischt er dazu noch seine Frau mit einem anderen Mann im Bett. Und dann kommt diese zerstörerische Wende ...
Wie Sie lesen können, lesen Sie eigentlich nichts. Alles ist verworren und wirr. Es gibt eigentlich keine und damit nur eine Erklärung: David Lynch kreiert die reinste Form des Surrealismus‘, und das auf höchster künstlerischer Ebene. Träume, wie dieser Film ein einziger ist, sind komplizierte Aufhäufungen aus Gefühlen und Fantasien und eine Lösung haben sie erst recht nicht. Doch genau das ist der Reiz an »Mulholland Drive«. David Lynch führt uns surreale Träume und Albträume vor Augen, und zwar auf einzigartige, real werdende Art und Weise. Wir sehen die großen Empfindungen, Verlangen, Wünsche und Mysterien – genau das, was Träume sind, und keine rationalen Tempojagden, wie Christopher Nolan es in »Inception« versuchte, uns auf actiongeladene Fasson eigentlich rein nichts über sein Thema Traum zu sagen. David Lynch selbst erklärte einmal: »Life is very, very complicated and so films should be allowed to be too«. Und dafür dürfen wir ihm dankbar sein, mit Meisterwerken wie diesem die Rationalität der Welt ein wenig entfernter dastehen zu lassen.
»Silcencio.«
Ich wollte den Wichteln und Zwergen und Trollen und Orksen und Zauberern und Elfen hundertneunundsechzig Minuten lang einfach nur ins Gesicht spucken. Nichts für Ungut und nur meine banale Eigendiagnose.
Hatte null Erwartungen und fand den trotzdem kacke.
Allem Hanekehass zum Trotz: Was er hier in seinem Meisterwerk »Liebe« zaubert, ist geradezu atemberaubend. Er offenbart uns die Liebe in vieldeutiger Hinsicht; in Zweisamkeit, im Alter, in Aufopferung, in guten wie in schlechten Tagen, in Träumen und schwelgender Sehnsucht an die Vergangenheit und in der Erlösung des Leidens. »Liebe« kreiert ein wahnsinnig feinsinniges Bild des Lebens- und Sterbeweges, und schließlich sitzen wir ebenso warmherzig berührt wie innerlich besiegt da. Ein intensives Geschehen, das – ich wage mich zu sagen – sogar ganz tief in uns stattfindet.
« Qu’est-ce qui se passe ? »
Mittlerweile kann man ja jeden Dreckseinfall mit Found-Footage begründen. Hier der neuste Beweis. Ti Wests Beitrag ist wenigstens ganz in Ordnung.
Wenn es anfänglich noch wie ein vermeintlich langweiliger Aufbau wirkt, entpuppt sich »The House of the Devil« nach und nach zu einem Spiel mit dem Wahnsinn des Betrachters. Wir beobachten, wie die Protagonistin durch das Haus schlurft, sie hinter knarrende Türen und Fenstern späht und die Treppen und Flure des Teufelshauses beunruhigend hoch und runter schlappt. Doch sehen tun wir sehr lange eigentlich nur eins: Nichts. Ganz im Gegenteil zu unserer Empfindung. Denn »The House of the Devil« macht genau seine Grabesstille und verhängnisvolle Leere zu seiner bahnbrechenden Intention: Es könnte die ganze Zeit etwas Horrendes passieren – und warten wir nicht nur allzu sehr darauf, weil wir denken, wir kennen die Geschichte? Indessen teibt »The House of the Devil« ein ganz besonderes Spiel mit uns. Er jagt nicht nach einer und der nächsten Gräuelausbeute, er führt uns ganz schleichend an unsere eigene Vorstellungskraft von Böse und Grauen – der wahre Schauder findet die meiste Zeit in uns selbst statt. Genau das ist das Spannende und äußerst Aufregende an diesem Horrormeisterwerk. Bis der Film an seinen wahnsinnigen Endpunkt angelangt.
»Talk to me, lord. Talk to me.«
Vegas Meisterwerk.
»The Cabin in the Woods« stielt von seinen großen Vorbildern, ahmt sie vergeblich und ohne Sicht auf Kreativität nach und fühlt sich beim parodieren zahlreicher Klischees wunderbar erfrischend und cool. Leider hält ihn das, wie gern man es ihm gewünscht hätte, nicht gerade davon ab, völlig blöd und langweilig zu sein. Und wen diese drollige Metaebene noch fasziniert, dem sei auch nicht mehr geholfen.
»Good work, zombie arm.« Nö.
Style over substance? Nein, danke.
Dass »Underworld« durch sein geheimnisvolles Mysterienbild der Vampire und Werwölfe fasziniert, ist offensichtlich. Doch wir erkennen im – ich sage es, ohne mich zu schämen – Meisterwerk von Len Wiseman ganz beachtlichen Hintergrund: die Gesellschaftsmuster. Die oberflächlichen Vampire leben hochtechnologisiert in ihrem prunkvollen Schloss, feiern sinnlose Feste, sitzen den Tag über in der süperben Eingangshalle und trinken Blut und lecken rum, und sie leben – wie sich mit der Zeit herausstellt – in einer einzigen Lüge. Es ist ein Bild, das uns an den früheren Adel erinnert; ein Adel, der Orgien feierte und hinter dessen Mauern eigentlich nichts als Doppelspiel steckte. Ähnlich wie Fontane es in seinem Roman »Frau Jenny Treibel« niederschrieb, sehen wir die Falschheit und Oberflächlichkeit der höheren Schicht; es geht um Besitz und das darauf folgende gesellschaftliche Ansehen. Die Vampirgesellschaft, die sich nur an vergoldeten Wasserhähnen die Hände waschen können und hinter deren prunkvollen Mauern ein nur allzu oberflächliches, mittlerweile sogar unsinniges, geistloses Leben treibt – und das eigentlich nur, weil sie es können –, spiegelt genau dieses Bild wider.
Die Lykaner stellen hierfür das Gegenbild: Sie sind die Proletarier. Sie leben wie Untouchables in der Kanalisation und vergnügen sich den Tag über an sinnlosen Kämpfen und experimentieren noch mit primitiven chemischen Praktiken, die – wie eindeutig sichtbar – nur schwer zu Erfolgen führen. Sie sind die, die sich verstecken müssen; die Unkultivierten.
Doch eine der Vampire spielt aller Sinnlosigkeit gegen an: Während alle anderen ihrer Rasse ihre blöden Feste feiern, räumt sie mit der Welt auf. Sie ist sichtbar die Einzige, die hier noch denkt. Sie widersetzt sich ihrer Gesellschaftsschicht und ihrer Oberflächlichkeit, sie hinterfragt sie sogar und verliebt sich letzten Endes in den Feind selbst: einen Lykaner, jemanden aus der unteren Schicht – wir erinnern uns an G. E. Lessings »Emilia Galotti« oder Schillers »Kabale und Liebe«, auch wenn »Underworld« sogar noch einen Schritt weiter geht: Denn der Adel verliebt sich nicht nur in das Bürgertum, sondern ins Proletariat. Hier ist es Selene, unsere Heldin, die sich wagt und für ihre Gerechtigkeit kämpft. Wir sehen den Film lang eigentlich nichts anderes als die Gegenüberstellung des Adels, der hochnäsigen Vampirgesellschaft, und der unteren Arbeiterklasse. Die verbotene Liebe zwischen Adel und Proletarier trifft aufeinander. Die Lügen und Intrigen kommen mit der Zeit ans Licht. Und deswegen, und nicht hauptsächlich wegen seiner gewandten Action, seines phantastischen Horrors, seines Stils und Eleganz, ist ›Underworld‹ ganz großes Fantasy-Horror-Kino.
Als Lucian von seiner Vergangenheit in Sklaverei der Vampire erzählt, erwähnt er Viktor, der Angst vor einer Vermischung beider Rassen hatte. Hiermit spiegelt der Film einen weiteren fatalen Idealismus unserer Historik wider: den Nationalismus, die Rassentrennung – später noch eindrucksvoller im dritten Teil der Saga »Underworld: Aufstand der Lykaner« erkennbar.
Die Vampire und der Werwölfe in »Underworld« sind geheimnisvolle, faszinierende Kreaturen, keine vegetarischen Glitzerkids. Bram Stoker hätte es vielleicht gefallen. Ich liebe es.
»Wie die Waffen des vorigen Jahrhunderts werden auch wir überflüssig werden. Schade, denn dafür habe ich gelebt.«
Wir sind mit ihnen gefangen. Eine eingeschlossene Truppe im Panzer. Wir sehen nur aus einem Zielfernrohr nach draußen. Der Anblick eines weinenden Esels. Einer verlorenen Frau. Eines blutigen Schlachtfelds. Einer gebrochenen Einheit. »Menschen sind aus Stahl. Panzer nur aus Blech.« Nein. Ganz und gar nicht. So einen stilllauten, niederdrückenden Antikriegsfilm gab es lange nicht mehr.
»I wanna fuck. It's my fucking big dick. Who wants to fuck?«
Wer über »Boogie Nights« lachen kann und es schafft, ihn ganz amüsiert zu Ende zu sehen, bekommt von mir schon eine geballte Ladung Respekt. Dass Paul Thomas Anderson hier ein ganz verurteilsfreies, enthemmtes Zeit- und Milieubild abgibt, samt kotzbunter 70er-Jahre-Farbstimmung und supercoolen, lockeren Menschen, darf man im Freiraum des Geschmacks stehen lassen. Und wenn die Welt das braucht: Hier ist er, ein auf »krass, Porno ist ja total normal und eigentlich doch total verrückt!« gedrillter Fickfilm über Fickfilme für Leute, die gerne über gigantische Penisse schmunzeln und die Geschichte eines Pornokönigs faszinierend und dann doch irgendwie cool, geil und lächerlich genug finden, um sich über sie amüsieren zu können. Aber wenn Anderson sowas macht, ist das ja eh Kunst, und vielleicht sollte ich erst mal geschlechtsreif werden.