Hooded Justice - Kommentare

Alle Kommentare von Hooded Justice

  • 10
    über Titanic

    „Für alle anderen war es ein Traumschiff. Für mich war es ein Sklavenschiff, das mich in Ketten zurück nach Amerika bringen sollte.“
    Das Maß, in dem James Cameron das faszinierendste Tiefseegrab des Atlantikbodens wiederbelebt, ist überragend. Dass 'Titanic' eine enorm gefühlsbetonte Romanze bergt, sollte jedem vertraut sein. Aber was macht diese so fantastisch? Es ist das, was die Romanze so kompliziert macht: Der unterschiedliche Stand in der Gesellschaft, die Herkunft und der gegensätzliche Lebensstandard von Rose und Jack. Ein Kontrast von– im wahrsten Sinne des Wortes – verbotenem Ausmaß. Das, was Lessing und Schiller mit ihren Werken „Emilia Galotti“ oder „Kabale und Liebe“ literarisch zum Ausdruck bringen möchten, wird in 'Titanic' filmisch umgesetzt. Wenn der künstlerische Weltensegler Jack zeichnend zu Rose hinaufblickt und der Kumpane scherzend „Ach, vergiss es, an die kommst du nicht ran; vorher fliegen dir kleine Engelchen aus dem Hintern“ sagt, dann kitzelt es dem Zuschauer erstmals arg im Herzen und das Thema des Films wird zum ersten Mal angeschnitten: Der arme Pokerspieler verliebt sich in die reiche Geschäftstochter. Auf den ersten Blick.
    Was 'Titanic' an dieser Stelle gänzlich gelingt, ist sein Aufbau von Sympathien: Auf der einen Seite steht Rose, getragen vom Pessimismus und der Abscheu gegen ihre arrogante Familie, den Mann, den sie heiraten soll und ihrem Stand in der Gesellschaft – wie sie später selbst erzählt: „Ich hasse mein Leben, die Menschen in meinem Leben, die Machtlosigkeit; ich schreie, doch niemand sieht zu mir hoch“. Rose träumt von einem Leben wie Jack es führt, vom Reiten in der Brandung (mit einem Bein auf jeder Seite) und Achterbahnfahren, womit das damalige Frauenbild, die Hilflosigkeit in ihrem Stand, aus der sie nicht entfliehen kann, gleichzeitig dargestellt wird. Auf der anderen Seite steht der vermögenslose Künstler Jack, der Abenteurer. Lebenserfahren, in gewisser Art sogar weise, ist er der eigentliche „Held“ des Films: Er rettet Rose das Leben ihres eher unbesonnenen Suizidversuchs (ob sie nun gesprungen wäre, darf im Raum stehen gelassen werden), schafft es, ihr ein gewisses Lebensgefühl zu vermitteln, sie glücklich zu machen und sie vor allem zum „Losreißen“ zu ermutigen („Die halten Sie gefangen, Rose, und wenn Sie da nicht ausbrechen, werden Sie sterben. Vielleicht nicht gleich, weil Sie stark sind. Aber früher oder später wird das Feuer, das ich so an Ihnen liebe, Rose, irgendwann erlöschen.“).
    Nach der anfänglichen, vielleicht sogar provokanten Versuchung von Rose aus, mit einem ihr so strengstens verbotenen Drittklässler Umgang zu haben, wird aus Rose und Jack mehr als nur eine Versuchung. Und hier treffen die zwei Planeten aufeinander. Gar nicht unbedingt von den beiden Protagonisten ausgegangen – ganz im Gegenteil findet Rose Jacks unvermögenden Hintergrund faszinierend –, sondern von Rose Familie aus: Explizit wird die Hinterlistigkeit und Arroganz der damaligen Oberschicht dargestellt („Meine Mutter sah ihn [Jack] an wie ein Insekt, das schnellstens zerquetscht werden musste“) und das obwohl die Familie, wie sich später herausstellt, selbst pleite ist.
    Doch was macht 'Titanic' so – allgemein berühmt – traurig? Es ist Tatsache, dass Rose und Jack sich gerade auf dem Höhepunkt ihrer Verbindung befinden, als die Katastrophe beginnt. Rose hat sich von Jack zeichnen lassen, ihre „Kleidung niedergelegt“ und sich ihm hüllenlos hingegeben. Doch als es der Chefkonstrukteur Mr. Andrews selbst ausspricht – „Die Titanic wird untergehen“ – ist das Schicksal ab diesem Zeitpunkt eigentlich schon von vorne rein festgelegt. Denn wie Rose schon vorher bemerkt hat, gibt es „nicht mal ansatzweise so viele Schiffe für alle Passagiere“. Nun gelten die wenig tugendreichen, aber bedauerlich wahren Worte von Roses einstig zukünftigen Ehemann: „Die Hälfte der Menschen wird ertrinken. Aber nicht die bessere Hälfte.“
    An dieser Stelle trifft auch die Titanic selbst auf ihr Schicksal: Das „unsinkbare Schiff“, der Luxustitan hat seine Pflicht verfehlt. Wieso musste das passieren?, fragen sich viele. Doch die Antwort findet sich in des Menschen Seele selbst: Der Kapitän erhält den Zuspruch, wie wunderbar es nicht wäre, wenn die Titanic frühzeitig im New Yorker Hafen eintreffen würde, es wäre sensationell. Hierin liegt der Kern des Versagens: Viel zu schnell rast der Dampfer durch den kalten Atlantik, Eisbergwarnungen zum Trotz, denn Ruhm und Bewunderung ist ja alles. Der Mensch und seine Überschätzung, sicherlich sogar der fehlende Respekt vor seiner eigenen Natur, der Gewalt und seiner Kräfte. Die Titanic mag mit Sicherheit das prunkvollste, wunderschönste Schiff gewesen sein, doch immun gegen unsere Natur mag vielleicht nichts sein. Allem Gold, allem Prunk und allem Luxus an Bord, die Titanic bleibt eine Masse aus Stahl, ein „hohler Götze unserer Zeit“, wie Franz Werfel es in Worte zu fassen vermag.
    Das Ende im strömenden Regen vor der Freiheitsstatue lässt den Zuschauer noch einmal warm ums Herz werden, wenn Rose auf die Frage „Wie ist ihr Name?“ mit „Rose. Rose Dawson.“ antwortet, und endet nach der Grundstimmung „Ich bin Zuhause, habe mich losgerissen. Aber glücklich, das bin ich nicht.“, doch hinterlässt die wunderbare Gegenantwort auf Roses einstige Äußerung vom Anfang: In Ketten wurde sie nicht zurückgebracht.
    'Titanic' war damals für mich der erste Film mit Liebe, Sex, Action und Katastrophe und ist mittlerweile der letzte seiner Art, bei dem man sich für feuchte Augen nicht zu entschuldigen braucht.
    „Das Herz einer alten Frau ist ein tiefer Ozean voller Geheimnisse.“

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    • 9

      Mit melancholischen Klängen von Mihály Vig, trüben schwarz-weiß-Aufnahmen und einem fast ständigen Beisammensein mit dem liebenswerten Protagonisten János ein einziges Kunstwerk über Empfindungen und Hemmungen, doch ist der Film dabei die größte Empfindung selbst. Sicher ist Béla Tarrs 'Werckmeister harmóniák 'nicht unbedingt ein Film, den man immer wieder sehen wird oder muss, sondern ein Film, an dem man teilhaben wird.

      10
      • Gerade gestern gesehen. Klasse Film, klasse Kommentar.

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        • 8

          Gesanglicher Ohrenschmaus, verregnete Bilderpracht, atmosphärische Vollkommenheit. Und um nur eins vorweg zu sagen: Béla Tarr, ich liebe dich bereits jetzt.
          Doch ist es teilweise einfach „nur“ blanke, impressive Atmosphäre, die für sich selbst spielt. Manchmal ist es nur diese eine Perspektive, manchmal nur ein Dialog. Manchmal nur die traditionelle Volksmusik und manchmal nur der bildhafte Anblick der Titanik Bar im betrübenden Regenguss. Béla Tarrs 'Kárhozat' zeichnet eine verlorene Welt – wie der Titel ansatzweise auch verrät, eine Welt der Verdammnis. Der Protagonist Karrer schaut eindruckslos und isoliert aus dem Fenster, beobachtet die Wirtschaft, das Treiben der Arbeitstiere dort draußen. Vielleicht eine Welt, in der nichts anderes mehr zählt. Eine freudlose Zukunftsfiktion, in der die Arbeit und der Handel gegen das Leben und das Vergnügen gesiegt haben. Letzter Ausweg oder kurzzeitige Flucht stellt für die Bürger die Bar dar, in der Karrer der Barsängerin hinterherschwärmt. Neben seinem eher tristen Leben eine Hoffnung, die es zu erreichen wert wäre. Dabei stellt sich die Frage, ob das Ganze nicht vielmehr in Verfahrenheit verläuft als Glück bedeutet.
          Sicher ist Tarrs 'Kárhozat' nicht unbedingt handlungstechnisch durch seine eher nebenbei herlaufende Kriminalhandlung das, was man ein Meisterwerk nennt, aber inszenatorisch ein totalitäres Kunststück. Oder wie Béla Tarr sein Werk selbst beschreibt: „Es geht um die Landschaft, um die Elemente und die Natur, um eine eigenartige Welt, in der es nichts mehr gibt. Um die Frage, ob man heutzutage wirklich von Perspektiven sprechen kann oder lediglich von der Perspektive der Hoffnungslosigkeit. Es geht hier um Glauben, Illusionen und Möglichkeiten.“

          9
          • 9
            über Persona

            Zwei Frauen. Allein. Die eine schweigend und nicht weniger apathisch als ein starres Chamäleon, die andere eine offen erzählende Optimistin. Die andere redet ohne Bedenken, während die eine die andere still studiert. Was bedeutet ein Lächeln, was ein ausdrucksloser Mundwinkel? Wie sehr vertrauen, wie sehr misstrauen? Wie mir eigentlich gar nichts in Bergmans 'Persona' sicher zu deuten erscheint, bleibt es vielleicht das einzig Richtige zu sagen, dass dieser Film ein einziger, kräftiger Seelenblick des Menschseins ist.

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            • 8

              Die Gelassenheit und das Gespür, mit welchem David Mackenzie seine Geschichte eines heiklen jungen Kerls erzählt und dennoch eine anziehende Spannung aufbaut, ist famos. Schnell wird klar: Hallem hat Probleme. Hallem weiß nicht, wer er ist, was er soll, wie er soll und vor allem was seine Stiefmutter hier soll. Wir begleiten ihn auf seiner Jagd nach sich selbst, der Verfolgung irgendeiner Bestimmung; oder einfach den Weg eines jungen Mannes, der erwachsen wird.
              Nicht zuletzt dank der ausgereiften Darbietung von Jamie Bell eine traumhaft starke britische Indietragikomödie, gebrandmarkt von einer mal mehr, mal weniger behaglichen Atmosphäre, einem außerordentlichen Soundtrack und dem Gefühlschaos eines verwirrten jungen Menschen.

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              • 3

                „Das ist der schönste Tag in meinem Leben.“
                'Mr. Nobody' strahlt wie ein Asteroid am Himmelszelt; unangenehm blendend hell, erfüllt von Engelskindern mit farbenfrohen Kleidern, einem Jared Leto mit seinen himmlisch blauen Augen, einem schwulstigen Haufen familienfreundlicher, stellenweise leider auch enorm flacher Lebensphilosophie und teilweise sehr verfehlter, phrasenhafter Muckelmusik. Das Zukunftsbild im 08/15 Metropolis-Look schaukelt eher belächelbar daher, doch das Tödlichste ist Dormaels Überladung und gleichzeitige Leere: Übervisualisiert, schlagartig effekthascherisch ist 'Mr. Nobody' irgendwo viel zu viel und dennoch ungeheuer wenig und leer. Von atmosphärischen Brüchen, der theatralischen Art und dialogbratzigen Eierei ganz zu schweigen. Die Emophasen fand ich allerdings super.

                9
                • 8

                  'Idi i smotri'. Ein Film, viel zu eindringend, als dass man ihn niederschreibend wieder hochkommen lassen könne. Die Kindheit, Freundschaft, Familie und ein gnadenloser Krieg. Hässlich, niederschmetternd, unüberhörbar. Ich kam und ich sah.

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                  • 9

                    Mit einer nie zuvor dagewesenen Detailverliebtheit, einer einmaligen Ruhe und einem Gespür für das Innerste sowie der langsamen Ausführung ist 'Harry Potter and the Half-Blood Prince' nach '… the Prisoner of Azkaban' mein Liebling der traumhaften Fantasy-Ära. So düster, kühl und ruhig, für einen manchen vielleicht ermüdend, erschafft David Yates in einer deutlichen Sicherheit für Ästhetik, Effekt sowie Gefühlsgewirr eine annähernd poetische Fantasy-Schönheit. Schöpferisch agiert mit Kummer, seiner aufwühlenden, deprimierend zerstörerischen letzten halben Stunde und dem hoffnungslosen wie gleichzeitig hoffnungsvollen Ende ein unvergesslicher Fantasy-Rausch mit der imponierenden Schlagkraft, einen einmaligen Einblick in Voldemorts Vergangenheit zu bekommen.
                    „Mir ist nie aufgefallen, wie wunderschön Hogwarts ist.“

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                      • 2

                        'Possession' zeigt ganz wunderbar, dass die Darstellung von einer psychosomatischen Spirale, dem Teufelskreislauf einer Beziehung und der Verzweiflung sowie defensiver Verstörung auch einfach beschissen sein kann. Durchtrieben von einem atemberaubenden Irrsinn und albernen Impulsen, um mutmaßlich einem Tiefsinn gleichzukommen, schauspielerischen Schwächen und atmosphärischer Kraftlosigkeit gleicht Żuławskis 'Besessenheit' eher einem pseudotiefen, provokanten Misthaufen als einer – wie umworben – schwermütigen Meisterleistung.

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                        • 9

                          'Dogville' ist für mich nicht Lars von Triers ergreifendster, aber mit Sicherheit sein urteilssicherster sowie in gewisser Weise progressivster Film. „Hundedorf“ oder „Dorf aus Hunden“, sein von vielen ebenso gelobtes wie verworfenes Werk, zeichnet aber neben seiner „Neuerfindung des Kinos“ ganz besonders eins: den dünnen Pfad zwischen Vorsicht und Ungerechtigkeit, Moral und Versuchung sowie Unverschämtheit. Ganz ähnlich, aber weitaus weniger humoristisch, wie Dürrenmatt es einst schriftlich tat, lässt er eine Art „Besuch der alten Dame“ spielen.
                          Hier strandet Grace. Die Einwohner von Dogville missbrauchen sie. Und warum? Weil sie es können. Grace ist durch ihre Not und Hilfsbedürftigkeit bestechlich geworden. Sie benötigt Hilfe, sie ist hilflos. Einerseits geben Dogvilles Einwohner ihr genau diese, nämlich ein Versteck, aber sie gehen viel weiter und nutzen Graces (vorgegebene) Verlorenheit für sich aus. Und Grace tut zunächst nichts anderes, als sich dem hinzugeben, es über sich hingehen zu lassen. „Wie ein Patient, der sich hilflos seiner Krankheit ergibt“, wie der wunderbare Erzähler es in Worte fasst. Und auch wenn [Achtung Spoiler] alles nur ein Experiment in Anführungsstrichen gewesen sein mag, wie es im finalen Dialog mit dem Vater klar wird, sie viel mehr gespielt und getestet hat, weil sie Dogvilles Einwohner auf einem weniger intellektuellen Standpunkt gesehen hat als sich selbst – Stichwort: Graces Arroganz –, wird doch das Laster und die Schuld der Taten nicht geringer, sondern erhält noch eine gewaltige Wende und einen Tritt ins Gesicht des erwischten Betrachters. [Spoiler Ende]
                          Neben all den Sünden eines Dorfidylls sowie allein damit, dass sich Grace letzten Endes [Achtung Spoiler] mehr oder weniger für die Gangsterbande entscheidet, die doch die ganze Zeit der Grund dafür war, sich weiterhin im Dorf versteckt zu halten, [Spoiler Ende] zeigt Lars von Trier, dass die „Harmlosen“, das arme, rustikale, hinterwäldlerische Dorf, dem Bösen, den Gangstern, niederer kommt. „Die Welt ist schlecht und die Menschen noch viel schlechter.“ Ja, weil es immer öfters der Fall ist. Jedoch deutet Dogville gleichermaßen eine unverzagte Kritik auf den großen amerikanischen Traum – wie Popqueen Madonna es im selben Jahr in ihrem Song „American Life“ sang: „I’m just living out the American Dream and I just realized that nothing is what it seems” – „Ich lebe bloß den amerikanischen Traum und ich habe gerade realisiert, dass nichts so ist, wie es scheint“.
                          Aber dennoch: Wie schön ist es, wenn die zurückhaltende Musik aus dem Nirgendwo erklingt; wenn der Erzähler neben dem nahezu rührenden Geschichtenvorlesens der Ironie verfällt („Dogville mag ja ein abgelegenes Dorf sein, gastfreundlich war es dennoch“, scherzt er, als der Film dem Ende zuläuft und bereits längst das wahre Gesicht des Provinzdörfchens enthüllt wurde); das neunte Kapitel frotzelnd verrät, dass alles alldieweil doch eigentlich nur auf den einen Augenblick zulief („Neuntes Kapitel, in welchem Dogville den lang erwarteten Besuch erhält […]“); oder die vollendete Schauspielschar – Paul Bettany und Nicole Kidman in den Hauptrollen allen vorweg – ihren Rollen Leben schenken.
                          „[…] Vielleicht treibt er damit eine Menge Leute aus dem Kino. Aber diejenigen, die bleiben, können ein kleines Wunder erleben.“ – epd Film.

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                          • 3
                            über Caché

                            „Ist das ein Spiel?“
                            Jenseits jeder Faszination lässt Haneke in unbegreiflicher Uninteressantheit den okzidentalischen 'Lost Highway' der Bourgeoisie beleben. Und dieser ist also tatsächlich der Meinung, der Mensch sei aufgrund Äußerungen, Lügens und Verratens im Kindesalter von sechs Jahren Schuld am verkackten Leben eines pathologisch nachtragenden Vaters, und dass erstgenannter nun ein abgründiger Mistkerl ist, weil dieser sich die Schuld nicht eingestehen kann. Zeit vergisst ja nie und keine Tat bleibt unbezahlt. Auf dass Michel einen dicken Essay im Feuilleton erhielt, denn der gute Mann ist natürlich ein unbeschriebenes Blatt, der reinste Mensch der Menschheit ohne jegliche Vergangenheit und Sünde. Auf dass der gebildete Zuschauer seinen inneren Intellekt finden wird, denn Herr Prof. Dr. Dr. Haneke ist ja so anstrengend, anspruchsvoll und zeigt dem Publikum gekonnt den Mittelfinger. Juliette Binoche spielt schlecht.
                            „Warum haben Sie solche Angst, Monsieur?“

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                            • 7 .5

                              'Der weiße Hai'. Daniela Katzenbergers Lieblingsfilm. Ein Klassiker des Horrors; weder genial noch clever, dennoch in 120 Minuten weder langatmig noch unterhaltungsarm. Ein getrickster Tiefseeschatz, der noch lange verstaubt am Meeresboden liegen bleiben und mich erfüllt von Angst und Beklemmung zerfressen darf.

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                              • 4

                                Anstatt sich an irgendeiner Konfliktbetrachtung zu orientieren, dient die Epidemie in 'Outbreak' vielmehr als Mittel zum Zweck: Der Schaffung eines spannungs- und actiongeladenen Thrillers mit einem Hauch Romantik und einer schnuffigen Dorfgeschichte eines bürgerlichen Kleinortes irgendwo in Amerika. Insofern bezüglich des Unterhaltungswertes nichts arg Ungünstiges, doch mit der fatalen Nebenwirkung, eigentlich nie tiefer als an der typischen 90er-Thriller-Oberfläche zu treiben, besonders angesichts der zweiten Bääm-Bääm-Hälfte. Mit Steven Sonderberghs sechzehn Jahre aktuellerem 'Contagion' ist man sowohl realistisch-sachlich gesehen als auch hinsichtlich seiner Kraft zu Ergreifen und Aufzurütteln besser bedient.

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                                • 1

                                  Ätzend gearthaust in seinen ach so ausgefallenen Kameraeinstellungen und seltenen, aber umso unbeschreiblich bekloppteren Dialogen auf Tiefsinn getrimmt. Manche Filme können sich eine derartige Langsamkeit und Stille erlauben, 'The Limits of Control' ist leider nicht so einer. In seinen 110 Minuten Laufzeit begleiten wir nicht mehr als einen schwarzen Mann ins Café, schauen ihm beim Yoga zu oder beobachten ihn beim Streichholzschachtelaustausch. In jeder Sekunde sowas von uninteressant und antifaszinierend, weder künstlerisch in seinen Bildarbeiten noch in den stupiden Klängen des Klischeethrillergedusels. Einzige Blickpunkte bleiben viel zu kurz kommende Auftritte von Schauspielhelden wie Tilda Swinton, John Hurt, Bill Murray oder Gael García Bernal [würdigend im Gedächtnis verblieben aus Iñárritus Meisterwerken 'Amores Perros' oder 'Babel']. Bleibt nur noch die Frage, wieso Jarmusch nun seine Hauptrolle mit einem derart dürftigen Isaach de Bankolé besetzt.

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                                  • 9

                                    Krieg ist scheiße. Die Welt nicht.
                                    In nahezu unerträglicher Emotionalität zeichnet Terrence Malick den Krieg im Paradies und übergeht dabei weitaus das Tragbare eines Zuschauers. Er reißt quasi in einen Strudel der Qual. Zum einen aufgrund seines bitter bewegenden Kontrasts des Naturreichs und der Gewaltsamkeit, zum zweiten ist es der erschütternde Einblick in das Wesen eines Menschen, der gerade erfüllt von Todesangst eine Arbeit zu verrichten hat, die im Grunde nichts anderes bedeutet als Morden. Getragen von der Lebensphilosophie eines Denkers belebt Malick Gedanken, Erinnerungen und Sehnsüchte; Familien, heile Welten, und das, was der Mensch daraus machen kann. Bilder bodenloser Schönheit erzählen die Ungerechtigkeit. Wie schön ist es hier? Wie schön dürften wir es haben? Palmenblätter wie beflügelt im Wind, Felsen in unberührtem Gewässer erstrahlend in Abendröte, Strände im Sonnenuntergangsschein. Aber wie grässlich treibt der Mensch sein Unwesen, macht alles zunichte? Auf grünendem Boden, vor reifenden Früchten, auf sprießenden Bergen, unter Palmen und inmitten eines erholten Dschungels, dem Zuhause und Biotop eines ganzen Tierreichs. Die hilflose Natur, die schuldlosen Lebewesen schauen zu, wie der Mensch alles töricht zerstört, und fragen sich: „Was soll das eigentlich? Wie lange noch? Und wofür?“. Für sie unbegreiflich. Genau wie früher oder später dem Zuschauer selbst. Die Welt könnte viel zu schön sein, als dass wir sie bekriegen sollten. Orte, Menschen, Kulturen und eine Natur, die es nicht wert wäre, sie durch unsere „Probleme“ zu vernichten. Doch die Botschaft ganz unmissverständlich erscheinend, ist es doch die Innerlichkeit des Films, die grenzenlos überwältigt. 'Der schmale Grat' wühlt und ergreift. Er beinhaltet Seelen. Terrence Malick dokumentiert nicht nur einen Krieg. Er blickt in den Geist eines mordenden Menschen. Gespielt von einer Schauspielkraft der First-Selection.
                                    „Warum herrscht dieser Krieg im Herzen der Natur? Warum bekriegt die Natur sich selbst? Kämpft das Land gegen die See? Gibt es eine rächende Kraft in der Natur? Nicht nur eine, sondern zwei?“

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                                    • 4

                                      „Bäääm.“
                                      Buchstäblich hammerhartes Stahlkrawumm und fatalerweise keinen Atemzug mehr als das durchschnittliche Marvelhelden-Gefighte; lediglich, dass der Zuschauer sie nun alle beisammen die Welt retten sieht. Iron Man lässt seinen Charme spielen, während Thor voller Arroganz in Asgard-göttlicher Rittersprache faselt und Loki seine himmlische Alienarmee freilässt. Im Komparablen schon x-mal gesehen, schon x-mal drüber gelacht und ohne allzu viel falsch zu machen beeindruckt 'Marvel’s The Avengers' in seiner recht trivialen, aber umso massigeren 3D-Actioneffektszenerie zu keinem Moment mit wahrlichem Einfallsreichtum. Vage betrachtend ganz cool, nett und nicht mal ansatzweise schlecht geraten, aber ebenso wenig sonderlich beachtenswert und in seinem Storyverlauf wesentlich berechenbar.

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                                        Hooded Justice 07.05.2012, 17:03 Geändert 13.06.2016, 17:49

                                        Kunst und bittere Gesellschaftskritik verschmelzen. Ich zitter immer noch. Ein gewaltiger Sog, mit dem Noé den Zuschauer 97 Minuten lang foltert, beweist Ungerechtigkeit, Abscheu des Asphalts, der Nacht und Straßen, Greul und Hass und abstoßende Abgründigkeit.
                                        Der Mensch, der bittere Teufel. Die roterleuchtete Unterführung, die degoutante Hölle. Ein Anderer, der während der Teufelstat wegschaut, verlässt tatenlos den Schlund. Verachtung und Zuchtlosigkeit, Schuld und Schändung, ruchlose Gesellschaft, grenzenlose Härte. Zu oft die Realität. Es ist irreversibel. „Die Zeit zerstört alles.“ In gewisser Weise ein Hassfilm. In keinster Weise zu sympathisieren. In irgendeiner Weise genau deswegen ein Meisterwerk.

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                                          über Hellboy

                                          „Oh Kacke!“

                                          Hellboy war immer und ist noch immer mein Lieblingssuperheld, weil er einfach keiner dieser ist, der wie ein jeder solcher ist, sondern eine sympathische, gebrochene Kreatur, die auf der Suche nach Glück am Verzweifeln ist. Dass Guillermo del Toro mit 'Hellboy' ganz gewiss grandiose Fantasy-Action-Unterhaltung für’n Sonntag-Abend erschuf, erklärt sich von selbst. Was ich aber an Hellboy liebe, ist das, was in den Comics von Mike Mignola nur angedeutet wurde und den mysteriösen Fällen eher im Hintergrund stand, sich in del Toros Verfilmung aber bedeutend klarer in den Vordergrund zeichnet: Hellboy und sein Konflikt mit dem Leben in der rätselhaften Welt der Menschen; sprich: der Menschlichkeit. Hellboy ist ein liebenswürdiges Kerlchen, das durch sein äußeres Erscheinungsbild missverstanden wird. Er kommt hier nicht klar, fühlt sich fehl am Platz; vergleichbar mit einem Autisten, der sich fühlt, als sei er aus einer anderen Welt. Und dabei kommt Hellboy tatsächlich aus einer anderen Welt. Er wirkt hart, nutzt seine Stärke und Kraft gegen das Böse, doch hat seine Probleme mit genau dem, was den normalen Menschen wie Dich und Mich eben ausmacht: mit Liebe und Gefühlen. Er ist „ganz normal“ und unterscheidet sich lediglich durch sein paranormales Äußeres. Hellboy sowie Abe und Liz sind die als „Freaks“ bezeichneten, nicht respektierten Außenseiter – in einer Szene heißt es von Hellboy: „Hey, ich bin einer von den Guten!“, aus der Menschenmenge hallt es ein verleugnendes „Jaja.“. Umso beachtlicher und bewundernswert, dass sie ganz unbeachtet von denen, die sie missachten, für die Menschheit kämpfen. Ihre Gedrücktheit, aufgrund ihres „Andersseins“ nicht unter den Menschen leben zu können und vermutlich (wie in der Fortsetzung noch genauer erkennbar wird) von ihnen auch gar nicht akzeptiert zu werden, lässt eine nahezu traurige Fassette im Film aufkommen – wie Hellboy im „Firmwagen“ der B.U.A.P. zu Abe sagt: „Wir sind nur eine Scheibe Glas von denen [den Menschen] entfernt.“

                                          Und dennoch bedeutet Hellboy trotz entzückender Message für Toleranz riesiges Fantasy-Action-Unterhaltungskino, das in erster Linie aber einfach wunderbar zu sympathisieren ist. Adäquate Musik, Atmosphäre und Drehorte setzen Maßstäbe des Genres, der charmante Sarkasmus wirkt, die Story packt und mit Ron Perlman und John Hurt ist 'Hellboy' auch noch wunderbar besetzt.

                                          „Was macht einen Menschen zum Menschen, hat sich ein Freund von mir mal gefragt. Ist es seine Herkunft? Oder der Grund, warum alles begann? Ich denke nicht. Es sind die Entscheidungen, die er trifft. Nicht wie er etwas anfängt, sondern wie er sich entschei-det, es zu beenden.“

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                                            Hooded Justice 30.04.2012, 22:39 Geändert 13.06.2016, 17:59
                                            über Gamer

                                            In Zukunftsvisionen kann man nun vielleicht nahezu immer einen interpretatorischen Ansatz an Gesellschaftskritik finden. So vielleicht auch in 'Gamer'; Action und Fiktion der Gesellschaft so primitiv und verachtenswert wie lange nicht mehr – und wie ein mancher möglicherweise behaupten mag für die jüngere Erwachsenengeneration. Doch 'Gamer' wegen seiner Zielgruppe, Primitivität oder angeblicher Gewaltverherrlichung zu verurteilen, wäre zu simpel, und zu leugnen, dass die Dystopie der 'Crank'-Macher auf Anhieb keinen Anspruch besitzen darf, ist Unsinn. Viel eher sollten wir erkennen, dass 'Gamer' ein erschreckendes futuristisches Bild zeichnet und unsere Game-Virtualität eine krasse Ebene höher geschraubt wird: Wir spielen nicht mehr mit virtuellen Figuren im Netz, sondern mit Menschenleben. Menschenleben, die nach Ansicht des Staates nichts mehr wert sind: zum Tode verurteilte Persönlichkeiten.

                                            'Gamer' ist ein göttlich spannendes Actionerlebnis, wie man es selten kurzweilig zu sehen bekommt. Packend hektische und für einen Actionfilm perfekt inszenierte Regiearbeit, die – zumindest mich – in seiner kritischen Erscheinung zum Denken anregte. Zehnmal intelligenter als bekannter, typisch 2000er-Transporter-Actionmüll, in seiner Initiative ganz klar faszinierender, visuell und akustisch reibungslos virtuos. Und falls aufkommen sollte, dass Marilyn Mansons „Sweet Dreams (Are Made of This)“ den Kampf zelebrieren soll, sollte dieser die Lyrics einmal auseinander nehmen. „Ich werde dich benutzen und missbrauchen“; genau das, was in 'Gamer' eigentlich vor sich geht.

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                                              „Andauernd reden heißt noch lange nicht kommunizieren.“
                                              Süße Idee, umso ernüchternder in seiner Umsetzung. Was als die große Bekräftigung angepriesen wird, kann mein Aug und Apfel nicht sehen: Jim Carrey beweist sich hier meinem Augenschein nach in keiner Sekunde als der Mann, der ja doch „ernst“ spielen kann. Achte man auf seine lächerliche Mimik, herumhampelnde Körpersprache und die kleinen Momente, stelle man fest: Carrey kann’s nicht. Selbst wenn die Kritik am Fortschreiten der fragwürdigsten Technologien sich nicht aberkennen lässt, eine wundervolle Kate Winslet mit farbenfrohen Frisuren bezaubert, die schöne Kirsten Dunst sich als Krankenschwester mausert und Elijah Wood am Computer spielt, 'Vergiss mein nicht!' bleibt süß, ganz interessant und irgendwie doch wässrig und unberührend, auf niedlich nervige Weise ein bisschen durchgeknallt und vielleicht auch einfach nichts für mich.

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                                                „Die Leute tragen heutzutage zu sowas was Farbenfrohes.“ – „Ich habe nichts Farbenfrohes.“
                                                'Restless' besitzt fünf unleugbare Stärken: alltäglich deprimierende Atmosphäre, einfühlsame Singer-Songwriter-Musik, Leute, die sich mit dem Tod beschäftigen, zwei außerordentlich talentierte Protagonisten und ein unendlicher Charme. 'Restless' sprudelt für ein derartiges Indiedrama quasi vor zeitgenössischer Phantasie und kreativen Funken, wirkt förmlich inspiriert und tatsächlich sensibel und ergreifend. Viel besser hätte man ein solches Drama voller Romantik, einer Nuance Humor und charmanter Niedergeschlagenheit nicht machen und mit Henry Hopper und Mia Wasikowska in erster Linie sicherlich auch nicht besetzen können. Mein Herz wurde getröstet, zerrissen und fand für eine viel zu knappe Zeit ein seelenverwandtes Zuhause.
                                                „Er ist irgendwie anders.“

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                                                  'Wenn die Gondeln Trauer tragen', wenn das Mädchen im roten Anorak im Teich versinkt, wenn eine blinde Frau Geister sieht und Tauben, lungernde Katzen und Ratten Chaos erbittern, wenn die dunklen Gassen Venedigs widerhallen und wenn ich völlig ergriffen kiebitze. Nicolas Roegs aufwühlende Kunstarbeit und dessen alleinige Grundstimmung, die ihresgleichen sucht, creept auf bedrückendstem Niveau, ohne auch nur in irgendeiner Weise wirklich horrend zu sein. Dabei entdeckt sich seine eigene Kameraarbeit mitten ruhiger Filmpoesie und stilvoll hektischem Gewackel als vielleicht gar größte Spannungseffizienz in Anbetracht des teilweise eher träge zurechtkommenden Handlungsverlaufs. Doch wie der Zuschauer erkennen wird, läuft im Wirrwarr der Trauer, übersinnlichen Hilflosigkeit und rätselhaften Mysterie am Ende [Achtung Spoiler] tatsächlich alles lediglich auf einen Punkt hinaus: Die Konfrontation mit dem Meistgeliebten und dem gleichermaßen Meistgefürchteten. [Spoiler Ende] Ein unvergessliches Klassikererlebnis, das wahrhaftig nachhaltiger ist als seine Bescheidenheit vormacht.
                                                  [PS: Die deutsche Betitelung macht ausnahmsweise echt mehr her als der Originaltitel.]

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                                                    Kraftvoll durchzogen mit durchgehend adäquater Musik, surreal oder übersinnlich, und allemal richtig stilvoll, schick und geradezu lückenlos spannend und knackig kurzweilig. Teenieklischees gehören da genauso rein wie deren dumme Ideen und völlig abgewichste Oldschoolgruselschockeffekte. Nach ihren kunstvollen Horrordrama Inside das zweite doppelbödige Horrorkunstwerk von Alexandre Bustillo und Julien Maury.

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