Hooded Justice - Kommentare
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Alle Kommentare von Hooded Justice
Was für eine wunderschöne Filmerfahrung! Woody Allens gemütliches Gefühlschaos lässt einen extrem vertraut und wohl fühlen, wie er in seinen unvergesslichen Bildern von New Yorks vergnüglichen Abendstunden eine Gefühlsachterbahn von jungen zu alten Menschen, von melancholischen zu leichten, amüsanten Augenblicken und von Partys ins behagliche Appartement zaubert. Hier in Manhattan ist eben alles möglich und selbst die Liebe zwischen dem 42-jährigen unzufriedenen Woody und der 17-jährigen Mariel ist hier fast genauso normal wie auf einer Party über falsche Orgasmen zu reden. Und: »My ex-wife left me for another woman«.
»Es wurde spät und wir mussten beide gehen. Aber es war toll, Annie wieder zu sehen. Und da musste ich an den alten Witz denken. Den von dem Mann, der zum Psychiater kommt und sagt: ›Doktor, mein Bruder ist verrückt. Er denkt, er wäre ein Huhn.‹ Und der Doktor sagt: ›Warum bringen Sie ihn nicht ins Irrenhaus?‹ Und der Mann sagt: ›Das würde ich ja gern, aber ich brauche die Eier.‹ Tja, ganz ähnlich ist es auch mit menschlichen Beziehungen, habe ich das Gefühl. Sie sind oft so irrational und verrückt und absurd, aber trotzdem machen wir das mit, weil … die meisten von uns die Eier brauchen.«
Jetzt will ich auch. Kenne gerade mal drei von ihm, alle cool.
Ein verwobenes Netz aus Kriminalität, Schuld und Reue. Jeder Tat folgt eine neue Webe, bis wir alle ineinander verhakt sind – und jeder jedem in diesem Geflecht früher oder später begegnen wird. Derek Cianfrance erzählt in drei Stücken die verflochtenen Schicksale des Motorradstuntfahrers und verzweifelten Vaters Luke und seiner Liebe Romina, eindringlich gespielt von Ryan Gosling und Eva Mendes, des scheinbaren Polizeihelden Avery Cross, überraschend bewegend gespielt von Bradley Cooper, und vom tragischen Höhepunkt der Geschichte, dem Zusammenkommen ihrer beiden Söhne – eine bedrückende Tragödie über den Platz auf der Welt jenseits der schönen, grünblühenden Pinien. Die Worte im Trailer sagen es vielleicht am besten: Ein Augenblick bestimmt dein Schicksal. Derek, ich bin jetzt schon Fan. Das moderne Drama lebt.
»He’s my son and I should be around him.«
Man kann 'The Tree of Life' sicherlich viel zu leicht als niedliche Filmesoterik hinstellen, oder als unglaublich bewegende Kinomagie über unser Dasein auf der Welt, das wahnsinnig befreiend ist und gut tut. Es ist wie eigentlich immer mit Malick ein sehr subjektives Erleben seiner Filme. Ich kann mich in 'The Tree of Life' wiederfinden, mir tat das Nachdenken über unsere Existenz extrem wohl, die ganz natürlichen Gedanken eines Kindes oder einer Mutter trafen und bewegten mich teils zu Tränen und mein Herz blühte für Malicks Weltanschauung unbeschreiblich auf. Er möchte uns nicht mit Brocken voller Lebensphilosophie bewerfen, sondern uns in seiner Erzählung zum Schwelgen und Reflektieren bringen. Mich hat’s erreicht.
Zack Snyder treibt das Blockbusterkino eigentlich auf den Exzess: Alles ist so bombastisch wie es nur geht, Zeit für Sinneseindrücke gibt es nicht mehr, Hans Zimmers Scheißmusik knallt so laut wie nie, die Kostüme glitzern und schillern so lächerlich wie nie, die Hollywoodstars setzen ihr Popoface auf Megadramatik (Michael Shannon, warum?), es wackelt, es rumst, es flackert. Die Dimensionen dieses Films sind extrem, ja. Viel mehr kann man über diesen Wahnwitz aber auch nicht sagen.
Mein moviepilot-Freund Der Dude schrieb über den Film: »Drei Stunden zelebriertes Leben«. Und das ist es wirklich.
Ich für meinen Teil liebe die Klatschpresse. Nur um mein Leben und Sorgen ein wenig zu vergessen, um für ein paar Momente in die Lebenswelten und Angelegenheiten derer zu fliehen, von denen man denkt, dass sie alles hätten. Aber wenn man diesen Film sieht, dann bekommt man schon ein sehr seltsames Gefühl vermittelt, wenn man hinter all die Oberflächlichkeit blickt und in die traurigen Tiefen der Stars und Sternchen in Rom sieht. Ein leichtes Leben, so voller Reichtum und voller Sinnlosigkeit. Wie es gleich zu Beginn des Films heißt »Ich habe viel Geld und Sie keins. Und doch sind wir beide unglücklich.« Enden tun diese ersten Momente gleich mit einem Suizidversuch, doch ist es nur der Beginn einer ganzen Reihe von Wahrheiten über die glänzende Oberfläche. Schnell wird die Verzweiflung unserer glamourösen Figuren deutlich. Ebenso schnell finden wir uns als Zuschauer fasziniert von dieser Welt in den Film ein. Und schnell begreifen wir, dass Fellini hier einen Film voller Tiefen über die Oberflächlichkeit erschuf, der noch lange aktuell sein wird. Denken wir nur an die sogenannten »Trash Promis«, deren Job es eigentlich ist, auf Partys und Veranstaltungen zu gehen, sich im Nachtleben zu tummeln und in den Medien präsent zu sein.
»La Dolce Vita« ist ein Film voller Prunk, wie es genau richtig ist. Genau gesagt sehen wir fast drei Stunden lang nur glänzende kontrastreiche Bilder, wunderschöne Stadtaufnahmen, Kostüme und Partys. Eine Bilderbuchsinnlosigkeit, wie man sie sich doch in manchen Momenten nur wünscht, um dem mühevollen Leben zu entfliehen: konsumieren bis zum Gehtnichtmehr, die Nächte durchtanzen und tanzen lassen, trinken, sehen und gesehen werden. Doch sobald der Film hinter seine glitzernden Gemälde blickt, blicken wir in scharfsinnig ausgearbeitete Figuren. Das leichte, süße Leben in der Öffentlichkeit scheint äußerst schick zu sein, doch glücklich macht es nicht. Ein erfülltes Leben vor den Fotografen. Aber ein einsames allein. Vielleicht sowas wie der Film zu Britney Spears‘ »Everytime«.
Am beeindruckendsten ist »La Dolce Vita«, wenn er ungebremst kompromisslos und intensiv wird. In einer nahezu verstörenden Szene wälzt eine Diva betrunken ihren Kopf auf einem Tisch und ruft: »Ich will das Leben, ich will die Liebe, ich will die Wahrheit« – vom Konsum zum Exzess. Und spätestens als der Protagonist und die anderen Partygäste zum Ende hin völlig im Alkoholrausch versinken, merken wir, was für ein Nichts die ganze Zeit eigentlich geschieht. Genau wie die sinnlose Hälfte der Dialoge. Um es auf den Punkt zu bringen: Fellini hat eine Meinung zum inhaltslosen Dahintreiben der Prominenz, doch er verurteilt nicht. Er zeigt uns charakterliche Tiefen, Seelen geprägt von Befangenheit. Gefangen in einer Scheinwelt. Sehen Sie doch nur einmal hin!
Es kommt einem etwa so vor, als sei Xavier Dolan erwachsen geworden. Keine Spur mehr von schwarzweißen Selbstnahaufnahmen im Badezimmer von hier und nochmal von oben oder kleinen Eifersuchteleien unter Dreien. Seine Spielerei in Bild und Ton sind entfernter von dem, was Idioten »hipster« nennen, und Dolans Gespür dafür, seine Geschichte charakterlich nahe und empfindsam zu erzählen, macht seinen dritten Spielfilm zu seinem sicherlich ausgereiftesten Werk. Tragisch, manchmal sogar mit etwas Komik, erinnert Dolans Film an eine Mischung aus Almodóvars Sonderbarkeiten und Truffauts Liebeswirr, die herrlich leicht und schick um die Ecke kommt – vielleicht wie ein unerwartetes Treffen. Er weiß die Höhen und Tiefen seiner Figuren zu zeichnen und Kleidung regnen zu lassen; und es gibt Schauspielkunst vom Feinsten – abgesehen von den wunderbar besetzten Hauptrollen entdeckte ich die großartige Catherine Bégin, die furchteinflößende alte Dame aus »Martyrs« – und musikalische Einsätze von Depeche Mode oder Visage (magischer Kinomoment: http://www.youtube.com/watch?v=C0NiPPlx2LY). Es scheint, als hätte Dolan sich gefunden, wenn auch nicht komplett mich. Trotzdem: Sein ausgewachsenster und ein schöner Film über die etwas andere Art der Liebe.
Lustige Liste, nur das mit Iñárritu überlese ich. Furchtbar, dass du ihn nicht magst ... Tz.
»A director must be a policeman, a midwife, a psychoanalyst, a sycophant and a bastard.«
Billy Wilders Filme sind große Klassiker, die in einen überwältigenden Zustand der Nostalgie führen. Sie treffen ins Herz und zaubern in ihre Welt. Doch was macht Billy Wilder so unwiderstehlich? Na ja, er liebt eben seine Figuren und daher lieben wir ihn und seine Sympathie für Jedermann. Er liebt die hübschen Blondinen, die gerade oben neu eingezogen sind, oder den Frauenchor mit zwei als Frauen verkleideten Kerlchen. Er liebt den Vater, der alleine im heißen Sommer in New York zurückbleibt und prompt der scharfen Nachbarin verfällt, oder den einsamen Kerl, der sein Apartment an die Arbeitskollegen vermietet, um endlich befördert zu werden. Er liebt die süße Prostituierte Irma, die Musik studierte und eigentlich Konzertpianistin werden wollte, doch nun zu diesem Gewerbe fand. Und er liebt sogar den armen jungen Mann, der sich auf dem Lebensweg verlaufen hat und nicht mehr vom Alkohol wegkommt. Oder die alternde Diva, dessen Zeit abgelaufen ist und die nunmehr ein ebenso einsames wie suizidales Dasein pflegt.
Was Billy Wilder ausmacht, ist seine Ode an das Gute im Menschen, das sich eigentlich in fast jedem von uns wiederfinden lässt. Seine Helden sind tollpatschige, liebenswürdige Männerfiguren wie der tapsige Spielplatz-Polizist Jack Lemmon in »Das Mädchen Irma La Douce«, Tony Curtis und Jack Lemmon in »Manche mögen’s heiß«, die sich als Frauen verkleiden, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, William Holden, der sich in »Sunset Boulevard« in einer Schaffenskrise befindet, oder Tom Ewell, der völlig ungeschickt und unbeholfen vor Liebe in »Das verflixte 7. Jahr« agiert. Billy Wilders Figuren brauchen keine großen Heroen oder Sieger zu sein, um die Helden unserer allen Herzen zu sein. Sie sind Menschen wie Du und Ich. Sie alle kämpfen mit ihren kleinen oder größeren Problemen, sie alle haben ihren eigenen Alltag, manchmal können Menschen Menschen helfen, manchmal geht alles gut aus, meistens siegt der, die oder das »Gute«. Manchmal nicht.
Denn manchmal ist es fatal und pessimistisch. In einem meiner Lieblingsfilme von ihm »Frau ohne Gewissen« vermittelt er uns ein Menschenbild, das auf den ersten Blick höchst trügerisch und hinterhältig ist – grandios gespielt die Femme fatale von Barbara Stanwyck und Fred MacMurray als ihr Komplize. Doch besonders die männliche Hauptfigur erscheint uns so nahe, dass wir uns fragen müssen: Sind nicht gerade auch diese Gefühle äußerst menschlich? Wie weit muss MacMurray gehen für die Frau, die doch gerade sein Herz zutiefst eroberte? Sie hingegen liebt ihren Mann nicht mehr, will ihn loswerden. Und dabei noch ordentlich absahnen. Wilder zeigt uns – geprägt vom Pessimismus der damaligen zeitaktuellen historischen Ereignisse –, dass auch solche Gefühle wie Hass in uns schlummern können. Hier provoziert er ihn bis aufs Äußerste: Er führt bis zum Mord. Er fragt den Zuschauer nach der Moral.
Erstaunlich ist es aber doch, wie er es in seinem Film »Das Mädchen Irma La Douce« konkret auf den Punkt bringt: »Das ist die Geschichte von Irma La Douce. Eine Geschichte voll Leidenschaft, Blutvergießen, Sehnsucht und Tod. Kurz: Alles, was das Leben lebenswert macht.« Tja, das ist es, trotz überspitztem Unterton. Die Welt und das Leben und der Mensch. Bei Billy Wilder gehört all der Schmerz, die Schwierigkeit und Last zum Leben, ohne dabei irgendetwas zu verharmlosen, aber vor allem auch ohne irgendetwas aufzupusten. Da darf im Gerichtssaal auch mal über den lieblichen alten Herrn Anwalt – der Wahnsinn: Charles Laughton als Sir Wilfried in »Zeugin der Anklage« – gegrinst werden, eine Fahrt zum Polizeipräsidium zu einem spaßigen Erlebnis eines von Prostituierten umringten Polizisten und die Nazigesellschaft zur absoluten Lachnummer werden.
Mit voller Liebe zu seinen Figuren geht es auch in seinem Meisterwerk »Manche mögen’s heiß« zu, wenn es am Ende auf die Äußerung des als Frau verkleideten Jack Lemmon »Ich bin ein Mann!« vom Boot fahrenden Joe E. Brown heißt: »Na und. Niemand ist vollkommen. « Billy Wilder, so tolerant er ist, erschafft einen der größten Kinomomente der Filmgeschichte und beweist wie selbstverständlich, dass die Liebe keine Geschlechter oder Oberflächlichkeit kennt, um Liebe zu sein. Sie ist dieselbe Liebe. Ähnliche Rufe können wir auch in einer Szene aus »Das Mädchen Irma La Douce« erhören, in der der Protagonist die Nacht mit einer Prostituierten verbringen will und dann zuerst Zeitungen vor die Fenster klebt, damit sie keiner sehen kann: »Bedenken Sie doch mal in was für einer bösen Welt wir leben. Liebe ist illegal, aber Hass nicht. Man darf jeden Menschen hassen, wann und wo man will. Und kein Mensch ist darüber empört. Aber wenn man jemanden liebhaben will, dann muss man sich in der dunkelsten Ecke verstecken.« Wie es dort auf das Zusammenleben mit einer Prostituierten bezogen ist, so können wir einen noch viel zeitaktuelleren Ruf nach Freiheit der Liebe entziehen wie die Homoehe. Denn eine Handvoll Männer Hand in Hand und Arm in Arm im »Stalag 17« zu »I Love You« tanzen zu lassen, ist für Billy Wilder nichts sonderlich Ungewöhnliches.
»I have ten commandments. The first nine are, thou shalt not bore. The tenth is, thou shalt have right of final cut.«
Wenn ich Billy Wilder gucke, kommt mir das Leben für eine Weile ein bisschen leichter vor. Sensibel, eben ein echter Krebs. Und Billy, gelangweilt hast du mich nie.
Grumpy ♥
»I have my own messages, and I don’t want to deliver them bluntly.«
Wie er selbst sagt, sagt er uns nichts. So darf man sich selbst auf die Suche machen. Das Besondere an Tsai Ming-liang ist, dass er es gar nicht mehr nötig hat, uns vollendete Geschichten zu erzählen, sondern er uns das Leben zeigt, wie es tickt, wie der Mensch tickt und das Ding tickt, das man Schicksal nennen könnte. Und das häufig nur in seinen langen Bildstrecken – sei es der Protagonist aus »Der Fluß«, der mit seinem Moped über den Highway fährt und wir die Aufgabelungen der Autobahn sehen, als Symbol für all die sich kreuzenden, aber auch quer aneinander vorbei verlaufenden Lebenswege. Er erzählt nicht die großen Geschichten einiger Leben, er zeigt das kleine Erleben einiger Menschen – und sei es ein Mann, der auf einen schwachen Vogel trifft, der nicht mehr fliegen kann, wie in seinem nahezu künstlichen Ausnahmefilm »Visage«. Ming-liangs ständiger Begleiter: die menschliche Einsamkeit, die Isolation und die atemberaubende Kunst seiner Atmosphären und Stimmungen – der Höhepunkt: die letzten Minuten aus »Goodbye, Dragon Inn«; das Kino ist verstorben, im deprimierenden Regen erscheint eine verlassene Straßenecke in bläulichen Farbtönen, im Hintergrund ein erheiternder asiatischer Song, indem es heißt »Can’t let go«; ein trister Neo-noir-Moment, der seinesgleichen sucht, der wie so oft bei Tsai Ming-liang doch so hoffnungsvoll bleibt. Die Welt geht eben trotzdem nicht unter. Alles geht irgendwie, wenn auch selbst in Noir-Optik, weiter. Das Leben eben.
Dass Tsai Ming-liang Menschen ständig nackt zeigt, ist sicherlich ebenso viel Tsai-Klischee wie Tatsache, denn das wird zum unverzichtbaren Mittel für ihn, um uns in die Lebenswelten seiner Figuren zu führen – nun wurden sie uns gegenüber völlig enthüllt. Dass seine Filme völlig ohne erkennbaren Spannungsaufbau auskommen, ohne viele Worte und ohne große Aktion, wird eigentlich nur eben von dieser Figurennähe so realisierbar gemacht. Und am schönsten ist er, wenn er seine Musicaleinlagen so herrlich ins Irgendwo platziert, dass sie schon wieder passen – besonders eindrucksvoll in »Der letzte Tanz« und besonders wunderschön in »Visage«.
Tsai Ming-liang kann unglaublich verstörend sein – ich denke an die Dark-Room-Szenen aus »Der Fluß« oder das Ende von »Das Fleisch der Wassermelone«. Er kann unglaublich verliebt sein – ich denke an seine Liebeserklärungen an das französische Kino, »Sie küßten und sie schlugen ihn«, in »What Time Is It There?« oder ganz generell in »Goodbye, Dragon Inn«. Er kann wahnsinnig romantisch und herzerwärmend sein – wenn zwei vereinsamte Protagonisten in »Der letzte Tanz« durch ein Loch im Boden zueinander finden. Er kann so ehrlich, traurig und verzweifelt sein – ich denke an die onanierende, trauernde Ehefrau am Ende von »What Time Is It There?« oder der verzweifelte Tränenausbruch aus »Der letzte Tanz«. Und er kann unglaublich komisch sein – ich denke an seine subtile Komik, die sich jedes Mal trotz aller Tragik wiederspielt oder seine Zuspitzung der Komik in »Das Fleisch der Wassermelone«, in der der Mensch plötzlich halbnackt als Wasserdrache verkleidet und singend herumtollt. Kein Wunder, dass als Genre plötzlich Drama, Erotikfilm, Musical und Komödie gleichzeitig gelten. Aber Tsai Ming-liang, und da sind wir im Kern, ist immer menschlich; sein Gefühl und Verstand für den Menschen in seiner ganz alltäglichen Gefühlswelt ist einzigartig. Er fasst die ganz intimen Momente unseres alltäglichen Lebens in Bilder, die für uns plötzlich verschroben und absonderlich wirken – wenn die Protagonistin aus »Goodbye, Dragon Inn« seltsam an ihrem rosa Essen herumspielt, sie abstrus von der hinteren Sitzreihe im riesigen Kino nach vorne kriecht oder wenn die Hauptfigur aus »What Time Is It There?« plötzlich in eine Plastiktüte pinkelt, dann verspüren wir etwas irgendwie sehr fremdartiges, komisches, andererseits aber auch sehr erwärmendes und beruhigendes, denn es ist doch egal, wir alle sind irgendwie bizarr und haben unsere Eigenarten, wir alle sind manchmal deprimiert und haben alle mal mit uns selbst und unserem Schicksal zu kämpfen.
Sicherlich sind Tsai Ming-liangs Filme keine, die man in aller Ungeduld sehen kann, selbst wenn ihre beschauliche Lauflänge das weismachen möchte. Sie sind langsame, aber wunderschöne Erfahrungen aus einer, für uns, räumlich fernen Welt. Und dennoch fühlen sie nichts anderes als das, was uns zum Menschen macht und den ganz normalen Kitzel unseres Lebens ausmacht: die Schwierigkeit des Lebens. Vielleicht ein wenig wie Iñárritu. Die Welt ist schön, das Leben leider schwer. Manchmal.
Eine Epidemie. Ein Loch und Kakerlaken. Singende grelle Frauen im Hausflur, im Kontrast zum Rest der Tristesse wie die letzten knallbunten Funken der Hoffnung auf Glück. Zwei Verzweifelte Menschen, auf der Suche nach anderen Menschen oder Lebewesen, die einem solchen irgendwie nahekommen. Beide eingesperrt, in Quarantäne. Einsam in ihren kleinen paar Wänden, räumlich nahe. Dennoch beide auf der Suche nach Herzlichkeit – der eine jedenfalls sucht Liebe beim Feuerlöscher im tristen Hausflur und einer Katze. Trotz seltsamer Kommunikation erreicht man sich nicht, die Romantik des Films bleibt eine tragische, wenn auch immer wieder eine herzerwärmend bizarre, die zum Schluss anscheinend aber nur in – wie es eigentlich die ganzen 95 Minuten lang im Hintergrund zu hören ist – fließenden Tränen enden kann. Tsai Ming-liang offenbart es uns: Da ist nur eine Wand oder ein Boden mit einem Loch zwischen uns, der uns vom Beisammensein trennt. Durch es hindurch zu schlüpfen stellt sich aber – vor allem mit den Beinen zuerst – als schwierig heraus. Man reiche besser die Hand.
»Evil Dead« ist so düster und wundervoll für einen feinen Horror anzusehen, fast ein atmosphärisches Kunstwerk. Fehlt eigentlich nur noch der große Schock, denn der bleibt leider aus. Stechenden Grusel verfehlt »Evil Dead« bedauerlicherweise weit, selten macht sich wahres, bedingungsloses Grauen breit – worin er seinem verabscheuungswürdig genialen Original leider unterlegen ist. Stattdessen setzt Fede Alvarez lediglich auf Ekel, Brutalität und Boshaftigkeit, die nur spätestens nach dem dritten Mal extrem langweilen und irgendwie auch völlig gleichgültig daherkommen. Vielleicht für Rom-Com-Freunde das Schockierendste, das sie je gesehen haben, sonst nicht viel bösartiger als ein netter Splatterspaß mit eben sehr viel Blut.
Filme von Edward Yang in Worte zu fassen, ist wie den (fast) ganz alltäglichen Gedanken und Gefühlen ihren Zauber zu rauben. Doch so viel: »Kong bu fen zi« ist ein Film über Träumerei und Wirklichkeit, und den meisten Großstadtdichtern und Denkern des Expressionismus‘ zum Trotz, zeigt er uns die Gegenseite zur Anonymität in der Metropole: Wir sind in allem Überfluss der Großstadt, ihrer Weite und Dimension nicht allein. Wir sind vielleicht alle miteinander verwoben.
»The Tall Man« bricht mir mein Herz, denn Pascal Laugier kreierte leider einen wahnsinnig banalen Film – kaum mit seinem Überfilm »Martyrs« zu vergleichen; keine Spur von Verstand oder Doppelbödigkeit, von aufwerfenden Fragen oder eigensinnigen Formen. Seine Handlung haben wir schon hundertmal gesehen und ist so austauschbar und nutzlos wie Jessica Biel in der Hauptrolle und das lautstarke Gepolter, Gekreische und Nichts. Doch am bedauerlichsten ist »The Tall Man«, wenn er mit seinen niedlichen Twists den dummen Zuschauer schockieren möchte, denn spätestens dann möchte dieser am liebsten selbst von dem großen Mann geholt werden, nur um aus diesem Gnurzfilm ganz schnell zu verschwinden. Nächstes Mal bitte wieder Jagdgewehr, Stahlketten und »Pseudotiefsinn«.
Truffauts wundervoller Abgesang auf das Kriminalkino und den Film noir. Ein Schmaus für Auge und Hirn und mein Herz. Fast so schön wie Mottowoche und sein Abi zu bestehen. Lebe wohl, François!
Maike! ♥
http://www.youtube.com/watch?v=JeUETaQZivk
François Truffaut lässt die Hochzeitsglocken läuten.
Am Anfang wissen wir gar nichts. Eine Frau will sich umbringen. Dann haut sie ab und meuchelt einen nach dem anderen. Immer wieder flackern Momente auf, die jedem, der »Kill Bill« elf Mal in seinem Leben gesehen hat, vertraut vorkommen. Wie er Beziehungen zu den einstigen Tätern und jetzigen Opfern aufbaut und sie von Julie konsequent fallen lässt, hält mich immer noch befangen. Gewaltig.
François Truffauts Frühwerk ist fantastisch und »Die süße Haut« noch viel besser. Ein leidenschaftlicher Film darüber, wie die eine Liebe einem den Boden unter den Füßen wegreißen kann und die Lüge eine andere Liebe zerstört. Und wenn die Enttäuschung vom geliebten Menschen und Verzweiflung vor seinem eigenen weiteren Leben dazukommt, dann [Achtung Spoiler] zerstört sie sogar ein ganzes Leben – und das sogar in seinem konsequenten Ende im wahrsten Sinne des Wortes.
»Si mon amour se transforme en haine, je vais porter un bonnet.«
Wenn François Truffaut eine Hommage an den Gangsterfilm, das Piano und seine geliebten Frauen erweckt, dann mag das nicht nur famos sein, sondern dann reißt er mich wahrlich in seine Welt. Der Film, getragen von seichter Melancholie, Kriminalität und Musik, gefilmt in atmosphärisch schönen Bildern und getränkt in Kinomagie – ich denke schwelgend an den Moment, in dem Charlie Léna nach Hause begleitet und versucht, sie an die Hand zu nehmen, oder die Fahrt durch das nächtliche Paris zur Musik von Félix Leclerc und Lucienne Vernay »Dialogue d’Amoureux«. Groß.
»We don’t need to be friends. We’re family.«
Wir wissen in der ersten halben Stunde noch kaum, worauf Park Chan-wook hinauswill, doch ahnen wir schon, dass es rätselhaft, seltsam und poetisch wird. Park Chan-wook würde sicherlich auf alles verzichten, nur nicht auf seine traumhaft verspielte Bildarbeit. Und so auch in »Stoker«. Was den Film zu einem meiner Meinung nach so perfekten Film macht, ist seine unfassbar ausdrucksstarke Aufmachung, sein Spannungsaufbau und sein Verstand, den Master of Suspense im Grabe grinsen zu lassen – ob zynische Gesprächsfetzen, einen Onkel Charlie, eine Duschszene, Krähen oder kribbelnde Gewalt. Am besten ist »Stoker« nämlich, wenn er so konsequent, stilsicher und voller kleiner grausiger Abstecher seine Geschichte ins Detail erzählt. Hitchcock hätte es gefallen. Nicole Kidman als unterkühlte Mutter und Mia Wasikowska als junges Mädchen mit autistischen Zügen in ihrem schwierigsten Alter sind atemberaubend.
Es ist wahnsinnig, was »Das Boot« innerlich mit einem macht. Die Rotation einer Bombe lässt es unter dem Zuschauer beben, einströmendes Wasser bindet ihm die Luftröhre zu und die Schreie der Mannschaft lassen ihm die Ohren zerfetzen. Die ganz stillen Momente auf kleinstem Raum dagegen sind das Unerträglichste und lassen selbst den Nervenstärksten die Klaustrophobie spüren. Das Geschehen ist unglaublich nahe, die Empathie und das daraus folgende Mitgefühl mit den Protagonisten nicht so ganz. Ein bedrückendes und ebenso gravierendes Werk, das ganz persönlich aber auch nicht wirklich meins war.
In der Community müssen lauter Intelligenzbolzen stecken, die so einen Mist natürlich verabscheuen. Selbstverständlich eine Staffel, die ihresgleichen sucht.