Hooded Justice - Kommentare

Alle Kommentare von Hooded Justice

  • Da hab ich ja was nachzuholen :D ♥

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          über Julieta

          Ich bin froh, dass Pedro Almodóvar nach seinen letzten beiden Experimenten wieder zu dem zurück findet, was ihn für mich so groß macht: Filme über Frauen, ihre Leben, ihre Geschichten und ihre Geheimnisse. »Julieta« wirkt einem in seiner Stimmung und seiner Poetik so vertraut und entwickelt sich zu einem fantastisch erzählten Film voller Gefühl, Tragik und Schmerz. Nicht vergleichbar mit seinen großen Meisterwerken, aber Pedro erschuf endlich wieder nachdenkliches feminines Gefühlskino.

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            Es ist wunderschön, wenn wir Rom, die Stadt der ewigen Schönheit, immer wieder als eine Art Parallele zu unserer Protagonistin Karen Stone erkennen. Denn genau wie Rom ist auch Karen, gespielt von einer atemberaubenden Vivien Leigh, auf der Suche nach der großen Pracht, dem ewigen Glück und der Leichtigkeit des Lebens. Und gleich zu Beginn des Films offenbart der Erzähler, dass Karen aufgrund ihrer Trauer in der Vergangenheit lebt und ihr Rom tröstlich und beruhigend erscheint – Rom, die „vergangene“ Stadt überhaupt, in der man sich vorkommt, als laufe man auf Historik herum. Vivien Leigh spielt Karen, die nach dem Tod ihres Mannes und dem langsamen Niedergang ihrer Karriere verzweifelt auf der Suche nach Halt, Sinn oder einfach Irgendetwas ist, mit einer solchen Eleganz und Melancholie, die dem Leerlauf und der Melodramatik des Films eine ganz neue Substanz verleiht. Und wenn sie sich mit gläsernen Augen durch Rom wühlt, da bekommt man eine richtige Gänsehaut.

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                Ich bin ein Ästhet. Ich liebe schöne Dinge. Und ich liebe schöne Filme mit einzigartiger Ästhetik. Und ich wollte nicht auch noch darüber schreiben, aber selbstverständlich geht es in diesem Film um die Schönheit. Zuerst dachte ich, er handelt in seiner ganzen Oberflächlichkeit und seiner sinnlosen Suche nach Beauty von Nichts. Doch wie der Film selbst sagt, ist Schönheit »das Einzige«.

                Es würde mir unfassbar leicht fallen, diesen Film schlecht zu machen. Natürlich ist er langweilig und das liegt eindeutig vor allem daran, dass er unheimlich berechenbar ist. Auch hat »The Neon Demon« rein gar nichts Neues über die Modebranche zu erzählen. Wir kennen die Widersprüchlichkeit des Schönheitsideals, das auf der großen Suche nach der natürlichen Schönheit ist, und wenn keine Schönheit da ist, so wird an bestimmten Stellen nachgeholfen. Das sehen wir alles in dem Film. Die einmalige, natürliche Schönheit wundervoll von Elle Fanning verkörpert. Und die austauschbaren Huren des Laufstegs, gespielt von Abby Lee und Bella Heathcote. Alles endet in einer Flut aus Neid und Wahnsinn.

                Das Interessante in meinen Augen ist jedoch, dass Refn einen völlig gestalteten, stilvollen Film über Stil machte – man könnte auch sagen: einen schönen Film über Schönheit oder einfach einen oberflächlichen Film über die Oberfläche. Der Film selbst ist die ganze Zeit unaufhaltsam auf der Suche nach Schönheit, nach der nächsten schönen Belichtung, nach dem nächsten Farbfilter oder nach der nächsten großen Symbolik. »The Neon Demon« hat es nicht mehr nötig, sich mit dem Innenleben der Figuren zu beschäftigen – was doch dem Business so unfassbar nahe kommt, welches dies nämlich auch nicht tut. Er trägt seine ganze Erzählung auf die Äußerlichkeit. Wir haben es nur noch mit Körpern oder wandelnden Leinwänden zu tun. Wie bei einem Gemälde. Form ist Inhalt.

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                • Ich habe die Emporium Suites in Bangkok besucht, das Hotel aus Only God Forgives. Die haben sich sehr gewundert, wieso ich in der Lobby ein Foto von mir wollte :D

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                    Hooded Justice 24.06.2016, 11:39 Geändert 24.06.2016, 11:41

                    Kaum zu glauben, dass dies ein Film von Bustillo und Maury ist. Was ihre vorherigen Filme so besonders machte, war ihr Gespür für Stimmung, für Atmosphäre und für punktgenauen Nervenkitzel. Dieser Film hingegen ist ein räudiges, stumpfes Potpourri aus Schund und Dummheit. Ich respektiere und liebe die Vielfalt, die Kreativität und den Mut des Horrorfilms, aber ich bin erschrocken, was für ein dümmliches, geistloses und lächerliches Filmchen Bustillo und Maury hier erschaffen haben. Was die Leute als »wirr« bezeichnen und dass »oben nicht zu unten« passe, ist das Ergebnis aus einer kindischen Abfolge von Ideen und Inspirationen, irgendwo zwischen Stephen King, 80er-Jahre US-Horror und Dario Argentos beschissenem Spätwerk. Als »Among the Living« dann immer mehr ins familiäre Sozialdrama gezogen wird, am Ende sogar am Grabe gemeinsam getrauert wird und das alles ernst gemeint ist, war mir richtig übel.

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                      Hooded Justice 22.06.2016, 14:30 Geändert 22.06.2016, 17:48
                      über Ronaldo

                      Dieser Film hat tatsächlich etwas Verstörendes an sich. Er könnte in seinen stillen Momenten sogar von einem Refn gefilmt sein und er ist so sentimental, dass er einem Iñárritu gleicht. Wenn dann auch noch diese schwermütige Musik im Hintergrund eingespielt wird oder eine unvergleichlich melancholische Stimmung aufkommt, als Cristiano Ronaldo »Stay« von Rihanna trällert und im Wechsel ein Moment mit seinem Sohn bei einem Feuerwerk gezeigt wird, dann bekommen die schönen glänzenden Bilder fast schon eine tiefe Nachdenklichkeit.

                      Ronaldo ist eine Oberfläche, eine Marke und ein Werbeplakat. Und er ist sich dessen bewusst. Er weiß, dass er ein großes Ego hat und er weiß, wie er nach außen wirkt und was die Leute sagen. Umso interessanter ist dieser Film, in dem wir ihm ganz nah sind und eigentlich auch nicht. Außergewöhnlich ist, dass wir trotz der Nähe wenig über ihn erfahren, was wir nicht schon wussten. Es ist ein unnahbarer Film über eine unnahbare Persönlichkeit. Vielleicht weil Ronaldo nicht viel mehr hat als den Sieg, den Luxus und seine Mutter. In diesem Film bekommt der Zuschauer jedenfalls immer wieder dieses bedrückende Gefühl – auch ein Grund dafür, dass so viele den Film »gruselig« oder »traurig« fanden. Es ist fast krankhaft, wie Ronaldo den Sieg vergöttert. Es gibt nichts anderes in seinem Leben als den Sieg. In einer Szene sagen seine Freunde, er sei nie zufrieden mit dem, was er habe. Er wolle immer mehr. Und dann bekam er einen Sohn, der vielleicht das größte Geheimnis von allem ist. Als Ronaldo davon spricht, dass er niemandem sagen möchte, wer die Mutter ist, kommen einem fast die Tränen: „Die Leute spekulieren, wer die Mutter ist. Ich habe es keinem gesagt und ich werde es nie sagen. Und später, wenn er erwachsen ist, werde ich mit ihm sprechen und ihm sagen, was ich getan habe, was ich fühlte und was mir durch den Kopf ging.“ Ich glaube, in ihm steckt eine große Sehnsucht. Als wolle er vor lauter Einsamkeit eine kleine, glückliche, unschuldige Seele in seiner kühlen Designervilla haben. Und es ist schön, die beiden zu sehen. Als habe der siegessüchtige Weltstar ein wenig mehr Sinn im Leben gefunden.

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                        Hooded Justice 11.06.2016, 18:08 Geändert 11.06.2016, 18:10

                        Bereits seit drei Jahren überlege ich, was mich an diesem Film so fasziniert. Ich las unzählige Kommentare und Kritiken zum Film, aber verstand nie, was ihn nun so groß machte. Zum einen wird der Film natürlich wundervoll von einem Erzähler erzählt, wie wir es auch aus der fantastischen Roman-Verfilmung »Little Children« oder aus Lars von Triers »Dogville« kennen. Zum Zweiten hat der Film eine atemberaubende Grundstimmung, eine tiefe Atmosphäre und spielt mit der großen Charaktertiefe der Figuren. Zum Dritten ist er wundervoll besetzt. Und da stehe ich wieder dort, wo ich auch am Anfang stand. Ich kann nicht mehr über diesen Film schreiben, als ihn damit zu rechtfertigen, dass er etwas ganz Besonderes ist. Irgendetwas in diesem Film löst was in einem aus. Jenny zitierte bereits, dass sie in diesem Film all das fand, was sie in Sergio Leone nie gefunden hat. Und dem stimme auch ich zu. Ich könnte mir selbst in meinen besten Träumen keinen so poetischen, melancholischen Western vorstellen.

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                          Hooded Justice 05.06.2016, 18:26 Geändert 05.06.2016, 18:27

                          Nicht alles, was man in Zeitlupe filmt, wird zu Kunst – das hätte ich gerne des Öfteren mal den Machern von »Hannibal« gesagt, als ich Staffel 3 der bisher großartigen Serie gesagt. Es ist ja nichts Neues, dass meist besonders brutale, blutige oder verstörende Momente in »Hannibal« in eine ästhetische Zeitlupe gesetzt werden – ob fragwürdig oder künstlerisch, da lässt sich drüber streiten. Doch wenn in Staffel 3 sogar ein Groschen, der gerade in ein Münztelefon geworfen wird, in pseudokünstlerische Slow Motion gesetzt wird, dann kann man nur noch den Kopf über so viel gewolltes und völlig planloses Artsy-Fartsy-Getue schütteln.

                          Doch wenn es nur an der Albernheit der Visualisierung läge. Denn noch viel mehr erscheint wie in Dauerzeitlupe: Die Handlung. Diese Staffel ist so unfassbar langsam und langweilig, bestehend aus einer unnötigen Aneinanderreihung aus Zeitlupe, Rückblenden, Fantasien, Albträumen, Realität und der Gegenwärtigkeit. Der Fall um den roten Drachen rollt dann irgendwann mal dazu. Die Psychologie der Figuren, die natürlich wieder fantastisch von Mads Mikkelsen, Hugh Dancy, Laurence Fishburne und vor allem Gillian Anderson besetzt sind, spielt zwar in all dieser Langsamkeit nachwievor eine große Rolle, doch kann auch nichts mehr retten, wenn man sich bereits längst vor Langeweile in eigenen psychologischen Sphären befindet. Das romantische Ende ist dann jedoch schon irgendwie schön.

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                            Da der erste Teil ja bereits nicht wirklich ein Tim Burton-Film war, ist es kaum verwunderlich, dass der Regiewechsel nicht sonderlich auffällt. Der Film setzt völlig selbstverständlich fort, was der erste Teil in die Wiege legte, und kurzerhand führt es uns zurück ins Wunderland. Das Geschehen rund um die Zeitreise erscheint etwas pompöser und meiner Meinung nach aufregender als im Vorläufer, die Ästhetik ist erneut wundervoll und manche Effekte sind wirklich sehr gelungen. Und ich als mittlerweile großer (spätestens seit »Stoker«) Mia Wasikowska-Fan finde den Film allein schauspielerisch höchstinteressant – auch mit Sacha Baron Cohen und natürlich Johnny Depp. Der Film ist längst kein Wunderwerk und viel zu üblich, als dass er einen umhaut, doch was dieser Film einfach macht, und was man ihm auch nicht schlecht reden sollte, ist: unterhalten.

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                              Hooded Justice 31.05.2016, 13:14 Geändert 31.05.2016, 13:15

                              »Die Zeit« schreibt von Verharmlosung des Themas Suizid und einem Nachahmungspotenzial. Sicherlich scheint es auf den ersten Blick unangemessen, dass ein Selbstmordversuch als Aufhänger einer (Tragi)Komödie herhalten muss, doch sollte man diesen Film keinen Moment auf das Thema Selbstmord reduzieren. Der Film ist viel mehr als das. Er zeigt ein ganzes Leben, inklusive aller Traurigkeit, Schicksale, Skurrilität, Hoffnungen und der Verzweiflung. Er ist für mich wie eine Achterbahnfahrt, wie das echte Leben, mal ganz oben, mal ganz unten, mal zutiefst bedrückend, mal urkomisch. Jedoch nie hatte ich das Gefühl, hier möchte etwas auf ein Happy End zulaufen. Die ganze Zeit über verschmilzt Komik mit Tragik und Schwermut mit Hoffnung.

                              Und somit geht es gar nicht unbedingt um die Todessucht, sondern um die Sehnsucht. Wenn wir in den Rückblenden die Geschichte zwischen Ove und seiner verstorbenen Frau Sonja erfahren und erfühlen, so verstehen wir schnell, was sie für Ove, einen gebrochenen und entmutigten Mann, bedeutete. Sonja, eine Frau voller Lebenslust und Frohsinn, rette Ove in jeglicher Hinsicht, sie war alles, was er nicht war und was er brauchte. Sonja bedeutete ein Stück weniger Gebrauchsanweisung, Kontrolliertheit und Falschparker verpetzen, sie war die spontane, freie Lebensfreude. Sonja verzaubert auch den Zuschauer im Flug, was es unvorstellbar leicht macht, sich in Ove einzufühlen, der nun alles verloren hat, was ihm Glück und Optimismus gegeben hat: seine große Liebe Sonja, für die er alles tun würde – sei es sogar eines Nachts eine Rampe zu bauen, eine Brücke, die ihr ihren großen Traum ermöglicht. Dass es letzten Endes gerade die Außenseiter der Gesellschaft sind, die ihm neue Hoffnung geben, wie die Familie mit persischen Wurzeln oder „eine schwule Person“, das macht den Film nur noch schöner.

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                                Eigentlich ist »Dick Tracy« die bislang beste Comicverfilmung. Denn ich habe noch nie dieses Gefühl verspürt, einen so lebendigen Comic auf der Mattscheibe zu sehen. »Dick Tracy« ist genau wie ein Comic: diese naive optische Gestaltung und eine völlig überzeichnete Welt, in der eine groteske Figur der nächsten folgt. Im (geheimen) Mittelpunkt steht natürlich Madonna. Auch wenn sie irgendwie immer ein wenig wie ein Stück Dekoration »dahingestellt« wirkt, spielt sie ihre Rolle der kühlen, verführerischen Blondine fantastisch. Doch im Gegensatz zu Madonnas vom Film inspirierten Album »I’m Breathless« fehlt es dem Film einfach an einem roten Faden. Mir kam es vor, als befinde ich mich in einem wilden, chaotischen Strudel aus bunten Comiceinfällen, in dem ich irgendwann verloren ging. Trotzdem irgendwie toll, aber kein wirklich guter Film.

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                                  Hooded Justice 21.04.2016, 15:09 Geändert 21.04.2016, 19:22

                                  Natürlich ist diese Serie nicht wirklich ernst gemeint – was die ernsten Themen wie Betrüge, Drogenexzesse, Todesfälle oder Ängste vor gesellschaftlichem Abstieg aber eigentlich nur umso interessanter macht. »The Royals« ist teils so trashig, albern und unreal, dass genau diese traurigen Momente anfangs zwar noch ganz seltsam wirken, sich aber nach und nach als ganz einzigartig herausstellen. Als ich die Serie sah, musste ich ständig an ein Zitat von Alfred Lichtenstein aus der Zeit des Expressionismus‘ denken: „Wenn die Traurigkeit in Verzweiflung ausartet, soll man grotesk werden.“ Genau das geschieht in »The Royals«. Denn die diversen Exzesse der Königskinder, der Drogenmissbrauch der Tochter, der Tod eines Sohnes oder die unfassbare Falschheit der gesamten Familie sind eigentlich alles andere als komödiengeeignet, doch genau dort schlägt die Serie schnell eine groteske Richtung aus Verzweiflung und Trashpromi-Satire ein. Sie selbst sagen, sie verhalten sich „wie Tiere im Käfig“. So lächerlich und platt diese Worte auch zuerst klingen mögen, wenn man die Serie sieht und diese leere, völlig verstörte Welt erlebt, in der die Royals leben, da verschafft diese ehrliche Aussage neben all den Lügen einem wirklich Gänsehaut.

                                  Und wenn am Ende einer Episode ein weiterer wundervoller Song eingespielt wird und alles bröckelt und zerbröselt, dann können wir endlich hinter die Satire blicken, hinter die Oberflächlichkeit, hinter den Luxus und das falsche Lächeln, und wir sehen, dass alles nur eine Farce ist. Dann ist diese Serie unvergleichbar und eine wundervolle Karikatur über das langweilige Leben im Überfluss, zwischen Kronleuchtern und Joints. Und in einer Welt, in der die Royals (noch immer) unter so einem Beobachtungsdruck stehen, ausschließlich harmonische Schlagzeilen zu bringen haben, in der wir uns auf Titelblättern von (Frauen-)Zeitschriften über das royale Babyglück erfreuen dürfen und in der der Hintern einer Pippa Middleton einen königlichen Skandal auslöst, da wirkt diese Serie so frisch, knackig und vor allem längst überfällig – und trotz aller Übertreibung irgendwie auch so ehrlich.

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                                    Dieser Film ist so chaotisch, laut und so unfassbar stumpfsinnig, dass ich einfach keine Worte dafür finde, um es zu beschreiben.

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                                      Da ist sie wieder, Iñárritus Handschrift: das Leid. Nach seinem herrlichen Kurzausflug in die Tragikomödie mit »Birdman« ist Iñárritu wieder dorthin zurückgeflogen, wo er zu Hause ist: im Schicksalsdrama. »The Revenant« ist ein intensiver Film über die Eroberung Amerikas, den Konflikt mit den Ureinwohnern, doch vor allem über den Konflikt untereinander: der Mensch im Überlebenskampf, gegen die Naturgewalt, gegen sich selbst und gegen den Feind. Was Iñárritu erschaffen hat, ist so riesig, atmosphärisch unfassbar und zieht einen in die historische Geschichte wie ein Sog.

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                                        Die ersten Worte des Films, in denen ein Priester von der Welt erzählt, erinnern schon sehr an so etwas wie einen »Kirchenfilm«. Doch nach einiger Zeit, und wenn man Terrence Malick kennt und liebt, dann fühlt man sich wie zu Hause angekommen. Die Bildersprache, die suchenden Menschen, die Stadt und das Land. Dass sich Malicks Stil wiederholt ist vollkommen offensichtlich, was ich weniger als Kritikpunkt sehe, sondern mehr als ein Zeichen für sein Selbstbewusstsein, dass er sein Formgefühl und seine Ausdrucksweise gefunden hat. Doch davon abgesehen hat man nie so einen modernen Metropolitan-Malick gesehen, der die champagnertrunkene Gesellschaft, Rooftop-Partys, Ruhm, Prunk und seine Trivialität behandelt. Entgegengesetzt der wunderschöne Strand, das Meer und die Wüste Amerikas, die Weite der Natur, für alle Zeiten bekannt als Symbole für die Freiheit in der neuen Welt.

                                        Christian Bale fasst es im Film selbst kurz in Worte: »Niemand ist zu Hause«. Und das ist besonders er selbst wirklich nicht. Er befindet sich als Hollywood-Drehbuchautor immer wieder in neuen Hotelzimmern. Und in seinem eigenen Apartment spielt sich wenig Heimisches ab, zu Beginn wird es sogar vom Erdbeben heimgesucht. Nach und nach sehen wir immer mehr, in was für einer sinnentleerten Welt der Protagonist existiert. Sein Arbeitsplatz, die künstlich erbaute Stadt des Filmstudios, ist das absolute Symbol für die Plastikwelt, in der er lebt: Nichts ist echt. Dann befindet er sich sogar in der Fake-Metropole überhaupt, Las Vegas, wo er unter dem nachgebauten Eiffelturm, zwischen Casinos und Luxushotels entlang läuft und trostlos und gelangweilt feststellt: »Die Welt hielt mir den Spiegel vor die Augen, du kannst dir nehmen, was du willst«. Und dann sehen wir den ganzen Prunk, die Oberfläche, alles glitzert golden, doch hat keinen Inhalt und keinerlei Bedeutung. Die luxuriösen Hotelhallen, die teuer gekleideten Damen, die vergoldeten Brunnen und das Versace-Mobiliar; alles scheint im Zusammenhang mit Malicks Ausdruck vollkommen sinnentleert. Zu Anfang ist der Luxus unterhaltsam, doch irgendwann merkt man, dass das Leben mehr verbirgt als das. »Da liege ich in einem stinkenden Gefängnis, wo ich längst in Freiheit sein könnte«. Ich möchte nicht verleugnen, dass meine Kritik persönlich ist, denn ich selbst hatte vor wenigen Wochen ein ähnliches Empfinden, wie es in diesem Film gezeigt wird. Ich hoffe jeder wird irgendwann so etwas fühlen.

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                                            Hooded Justice 18.03.2015, 13:44 Geändert 18.03.2015, 16:55

                                            »Der Felsbrocken hat einen Sprung bekommen.«

                                            Was für ein spannendes Meisterwerk aus vollkommen überbrodelnden emotionalen Kreisläufen und Zusammenbrüchen, ständig auf der Suche nach Wahrheit in einer Familie, die allein aus Verlogenheit zusammengehalten wird. Selbst die Kinder, die immer wieder den gefühlt ersten wahrheitsgemäßen Dialog zwischen Brick und Maggie stören, wirken wie eine einzige Farce. Und eigentlich verläuft so ziemlich alles in diesem Film im Kreis: Sei es der Musikapparat, der von dem Einen eingeschaltet, vom Anderen wieder ausgeschaltet und vom Dritten wieder eingeschaltet wird, oder das ständige Gestreite, bei dem doch nie wirklich auf den Punkt gekommen wird – zumindest nicht für eine lange Zeit. Dieser ganze Geburtstag von Big Daddy wird so künstlich inszeniert und in allem Überfluss von Schmuck und Süßigkeiten gestelzt. Die Kinder wieder, als agieren sie hier lediglich als Symbol und Beweis für die familiäre Harmonie, werden wie eine Schar Schmuckstücke zur Unterhaltung dahingestellt – aber leiden kann sie hier doch irgendwie keiner so wirklich.

                                            Die Traurigkeit der scheinenden Fassade dieser Familie bekommt seinen ersten Höhepunkt, als Big Mama zum ersten Mal bemerkt, dass ihre Liebe zum Ehemann eigentlich nie von gemeinsamen Glück beseelt war – wie sie es in Worte fasst: »Ich habe sogar deinen Hass und deine Härte geliebt. Du hast mich nie geliebt. « Auch wenn Big Daddy es an dieser Stelle noch nicht weiß, dem Zuschauer zumindest kommt es bereits eindeutig so vor, als ob Big Daddy vor seinem Abgang endlich mit allen Lügen seines scheinbar strahlenden Lebens aufräumt.

                                            Doch der interessanteste Charakter des ganzen Geschehens ist mit Sicherheit Brick – der mich auf eine bestimmte Weise ein wenig an Justine aus »Melancholia« erinnert. Ein so zerbrechlicher oder bereits zerbrochener Mensch, zurückgezogen auf der großen Party, zurückgezogen von den Menschen, die aufgrund der großen Feierlichkeit ein dickes Grinsen aufzusetzen versuchen. »Ich hasse diesen Ekel. Ich hasse diese schmutzigen Lügen und diese dreckigen Lügner. Ich halte diese Lügen nicht mehr aus! « Was Brick fehlt wird im Film, genauso geheimnisvoll wie die Thematik in der damaligen Realität war, angespielt: nämlich sein verstorbener Freund Skipper, mit dem er eine versteckte Liebesbeziehung pflegte. Nach dem Tod seines Freundes ist er zum Trinker geworden – er hält sein Leben nicht mehr anders als betrunken aus. Gefangen in seiner Gesellschaft muss er – genau wie nahezu alle anderen der Familie – in einer Lüge leben. Einer der größten Momente des Films ist daher auch die Szene im Keller, in der er mit seinem Vater spricht und es verzweifelt über die Lippen bringt: »Ich weiß nicht, was Liebe ist! Ich brauche etwas anderes! « – anschließend zertrümmert er all die Erinnerungsstücke aus aller Welt, die Vasen und Holzfiguren, aus Wut auf sich selbst und auf alle Menschen um ihn herum. Und sicherlich auch aus einem tiefen Liebeskummer. Dass die Thematik von Bricks Homosexualität im Film weniger explizit zum Vorschein kommt als im Stück, darf man 1958 nicht anders erwartet haben. Dennoch vergisst der Film das Thema nicht und behandelt die Thematik so verdeckt wie möglich – was Bricks Unsicherheit betont, damit an die Öffentlichkeit zu gehen –, aber so eindeutig wie nötig, dass der Zuschauer nur auf eine Lösung kommen kann, was zwischen Brick und Skipper lief. Und nicht zuletzt konfrontiert der Film auch mit vielen anderen Tabuthemen der damaligen Zeit: Alkoholsucht, Unfruchtbarkeit, Krebs, Falschheit in der Familie und Ehebruch.

                                            Auch wenn das Ende [Achtung, kleiner Spoiler!] sehr nach Happy End aussieht, bleibt einem das »Happy« ein wenig im Halse stecken. Mir fällt zum Ende das wunderbare Zitat aus »Der große Gatsby« ein: »So regen wir die Ruder, stemmen uns gegen den Strom – und treiben doch stetig zurück, dem Vergangenen zu.«

                                            Welch ehrlicher Film über die Lüge.

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                                              Irgendwie habe ich das bei Fincher – vielleicht auch aufgrund meiner langen Filmpause – zum ersten Mal gefühlt, was bisher nur wenige Filmemacher bei mir bewirkt haben, obwohl ich mich gar nicht mal als großen Fan von ihm bezeichnen würde: Ein ganz warmes, wohltuendes Gefühl des Bekanntseins. Als kenne ich ihn seit Jahren und nun widme ich mich ihm wieder. Danke, David Fincher.

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                                              • 8 .5

                                                Es ist erstaunlich, wie Xavier Dolan wuchs. Wenn ich mich an den wundervollen »I Killed My Mother« erinnere, der in Anbetracht dieses großen Werks wie ein kleines Wunderlein wirkt, oder an »Herzensbrecher« denke, ein Film so verspielt, seltsam und naiv wie die Liebe, so fühlt man sich richtig warm, wenn man begreift, was für eine großartige Entwicklungsreise eines großen jungen Regisseurs wir mitmachen durften. Bereits »Laurence Anyways« war ein riesiges Gefühlswerk, doch »Sag nicht, wer du bist!« ist meiner Meinung nach so punktgenau, explizit und zu jedem Moment passend ins Herz schlagend, wie eine Tragödie nur sein kann. Und es fühlt sich so besonders an, wenn man Dolans moderne, ästhetisch-verspielte Handschrift wieder und wieder erkennt. So kunstvoll und trotzdem so echt und nah, manchmal so schmerzend und niederschmetternd und trotzdem liebevoll und immer nach etwas schreiend. Mit »Sag nicht wer du bist!« gelingt es Dolan fantastisch, das engstirnige Landleben zur Rechenschaft zu ziehen. Und das Leben zu zeigen, wie es ist: ungewiss und voller Geheimnisse, manchmal auch bösen. Ein melodramatisches Kunstwerk, ergreifend, aufbrausend und sogar noch nach Stunden noch etwas unbeschreiblich. In jedem Fall aber mit einer unfassbaren Wirkung. Danke, Dolan.

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                                                • 6 .5

                                                  Ich mochte das Buch nicht besonders gern. Ich finde die Handlung fad, die Ermittlungen langatmig und uninteressant, die Figuren etwas platt. Vor allem wirkte das Buch auf mich allerdings sehr angestrengt und Adler-Olsens Schreibstil ein wenig zu hochtrabend und affektiert – immer wieder musste ich mich dabei erwischen, wie ich über besonders gestelzte Sätze lachen musste, vor allem in den Teilen des Buches zu finden, die die Gefangenschaft von Merete Lynggaard betrifft (»Doch sie würde nicht aufgeben […]«). Und immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich »Erbarmen« mehr und mehr zum Stieg-Larsson-Abklatsch empfand: Carl Mørck als uncoolerer Mikael Blomkvist und sein cleverer Neuling Assad als lustigere Lisbeth Salander.
                                                  Doch der Film ist eigentlich geradezu wunderbar. Allein atmosphärisch ist »Erbarmen« sogar sehr stark. Die Verfilmung ist von Nørgaard gut gemacht, schauspielerisch gut gespielt und auch charakterlich ist der Film interessant. Während das Buch lang an Ermittlungen festhielt, geht eigentlich so gut wie alles in der Verfilmung schnell und kurzweilig vorüber – für einen Krimi meiner Meinung nach ein Kompliment. Dennoch trifft der Film auch in den gefühlvollen Momenten oftmals den richtigen Ton – besonders während der emotionalen letzten Minuten darf der Zuschauer Gänsehaut bekommen. Anfangs dachte ich, aus »Erbarmen« kann man vielleicht gerade mal einen etwas aufregenderen Tatort machen, doch das stimmt wirklich nicht. »Erbarmen« geht weit über ein wenig Großstadtkriminologie hier und da hinaus. Wenn auch nicht überragend, aber ein kleines aufregendes Spannungsmeisterwerk ist dieser dänische Krimi schon. I like.

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                                                  • 3

                                                    Wie der Film zu Beginn damit propagiert, dass man so eine Geschichte über Krebs nur traurig und ohne Schönreden erzählen kann, ist ein Witz. Wenn der Film dies tun würde und seine Geschichte ehrlich und mutig erzählen würde, hätte mich etwas wie »21 Gramm« oder »Das Meer in mir« erwartet. Aber natürlich ist dies nicht der Fall – wie man eigentlich am albern-naiven Titel schon feststellen kann. Natürlich ist dies eine Liebesgeschichte. Und wird hier nicht die ganze Zeit das Leben schön und lebenswert geredet? Nicht dass das schlimm wäre, doch wenn sich plötzlich doch alles nur noch um Teenie-Schmalz, Witzeleien und um die Süße und Niedlichkeiten des Lebens geht, verstehe ich nicht, wie der Film die Wahrheit über das Todkranksein erzählen will. Denn ich denke, meistens sieht die Wahrheit nicht so aus, dass ich in der Therapie urplötzlich meinen Mr. Charming kennenlerne, mit dem ich Träumen und Kuscheln kann und alles ist – zumindest für eine Weile – gut. Diese Vorstellung ist niedlich und schön, doch geht einem – sicherlich auch solange man kein Teenager ist – schnell auf die Nerven. Überhaupt empfinde ich bei diesem Film eine Peinlichkeit, nicht nur aufgrund der schnuckeligen Versüßung der Krebsgeschichte: Wenn auf einmal nach allem Witz und Charme, nach dem ganzen »Du hast mir das Leben doch noch schön gemacht!« die Stimmung gedrückt werden soll (in anderen Worten: nun zurück zur Traurigkeit, Tränen sollen aus euren Augen fließen! – by the way total berechenbar), dann wird ganz eindringlich und plakativ ein reißerischer Birdy-Song gespielt. Buar. Shailene Woodly spielt meiner Meinung nach übrigens nicht gut.
                                                    »Doch das (Schönreden) ist nicht die Wahrheit« heißt es – dann ist der Film wohl nur eine Lüge.

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