Hooded Justice - Kommentare
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Alle Kommentare von Hooded Justice
»We had a dream that we would always be best friends.«
»Ginger & Rosa« ist ein fantastischer Film ums Großwerden, Freundschaft und ihre Krisen. Die beiden Protagonistinnen auf dem Weg nach Sichselbst erleben alles miteinander, rauchen ihre ersten Zigaretten zusammen, bügeln ihre Haare und baden ihre Jeans hauteng. Der Film zeigt uns die kleinen, großen und tieferen Gedanken unseres alltäglichen Erlebens und Heranwachsens. Die Inszenierung, so ruhig, feinfühlig und authentisch. Schauspielerisch eine Wucht. Ein Kunstwerk voller magischer Momente und Gefühle. Ein Meisterwerk und sicherlich das Beste, was dieses Jahr noch kommt.
Ein Film, der dem Wahnsinn des Lebens schon sehr nahekommt.
Ähnlich wie in »High Tension« verarbeitet Alexandre Ajas Wiederbelebung von »Maniac« besonders zum Ende erneut und doch ganz anders die verzweifelte Liebe eines desorientierten Protagonisten. Modern, schleichend, kühl, ästhetisch und zuweilen extrem radikal; es trifft leibhaftig tief. Die Schlusssequenz des Auseinandernehmens der Hauptfigur malt noch einmal den absoluten Wahn. Wer auf Alexandre Ajas Horrorultrakunst steht, wird ihn lieben, wenn auch nicht vollkommen. Doch wieder beweist eine (teils) französische Produktion, wie kunstvoll das moderne Horrorkino ausschauen und auch sein kann.
Toll. In Sachen Soundtrack harmonieren unsere Geschmäcker. :)
"Ich schaute eine Folge von The Walking Dead und fand sie sehr spannend. Aber die Zombies stolpern wieder so herum, was ich verabscheue." :*
Die Macher sagten, sie machten »Spring Breakers« nur, um Geld zu verdienen. Doch so irreführend wie diese Aussage scheint auch der Ausgangspunkt der Handlung des Films zu sein, in welchem alles mit Party und der Suche nach Spaß beginnt. Nur, um alles später wie eine marode Fassade in sich zusammenbrechen zu lassen. Zu Anfang sehen wir die bunten Bilder, wie sich junge Erwachsene vor sonniger Kulisse in knappen Outfits vor schriller Elektromusik die Kante geben. Dann, nach gar nicht allzu langer Zeit, ist plötzlich nichts mehr lustig. Das Vergnügen, die unbeschwerte Party eskaliert und schwindet. Spätestens als wir in aller drückenden Stille und Extreme merken, wie ernst es der Film meint. Drogen. Haft. Alien, James Franco als klischeehafter Rapper. Drogen. Sex. Zuspitzung. Party kann den Menschen manchmal befreien und ihn in eine einfache, sinnlose Welt führen; ich würde fast behaupten, sie ist sogar wünschenswert, um uns in Zeiten von Depression und Magersucht mit Momenten der Ausgelassenheit am Leben zu halten. Doch nur für einige Stunden. Immer wieder heißt es im Film jedoch »Spring Break forever«. Was der Film uns hier zeigt ist, dass das schnell auf die falsche Fährte führen kann und die Ausgelassenheit aus der Bahn gerät. Die Party soll im Film niemals enden, es soll immer so hemmungslos und vergnügt weitergehen. Einige der Mädchen merken die Zuspitzung. Andere nicht. Die Folgen auf Letzteres beweist der Film in seinem wahnsinnigen letzten Part.
Magischer Kinomoment ist die bedrückende Performance von Britney Spears‘ »Everytime«. Ihre suizidale Abrechnung mit der schweren Welt wird auch die von »Spring Breakers«, in der alles auf eine beängstigende Eskalation hinausläuft. Harmony Korines Film wird nun mehr und mehr zum beklemmenden Erlebnis des Zuschauers. Und der Film zum Brocken im Kopf des Publikums.
»I guess I need you, baby.«
Beste Folge aller Zeiten.
Joa. Obwohl ich bei Lars Schwächsten an den Comedy-Ausrutscher The Boss of It All, bei Kubrick an Eyes Wide Shut denke, und ich Der Mann aus London gar nicht so schlecht finde wie den alle finden. :)
»Inside« ist ein atmosphärisches Extremkunstwerk, das nur Spießbürger als sinnfrei abstempeln würden. Die Inszenierung deutet den Wahnsinn, die Auflösung des Films die Eskalation aus Eifersucht und unerfülltem Kinderwunsch. So wie Lyriker wie Gottfried Benn oder Georg Heym im Expressionismus den humanen Ekel und seine Hässlichkeit in ihren Werken ästhetisierten, so nimmt auch »Inside« den Menschen in atmosphärisch schönen Bildern doch wörtlich auseinander – psychisch in der niedergeschlagenen Frau, die ihren Mann verlor (»Ich-Zerfall«), und physisch in allen Leibern und im schwangeren Bauch, der das neue Menschenleben bedeutet. Wir sehen eigentlich nichts anderes als die expressionistische Ästhetisierung der »Öffnung« des menschlichen Inneren, ein Spiel mit dem Ekel. Nur um den Menschen, den Zuschauern, später darin zu verabscheuen, wachzurufen und anzuwidern; ihnen den menschlichen Bruch und Überlebenstrieb darzulegen; um ihnen den schmalen Pfad zwischen krankhafter Rachsucht und missinterpretiertem Recht zu zeigen. Und das in Extremform. »Inside« zeigt uns in radikaler Art und Weise, zu was ein Mensch in seinem Gefängnis seiner Gefühlswelt in der Lage sein könnte.
« Voulez-vous me tuer de nouveau ? »
So wunderschön Wong Kar Wai in »The Grandmaster« seine Poesie aus Bildästhetik, Musik und diesmaliger Kampfkunst in die Kinowelt zaubert, so schaffen es Emotionen durch ungewohnte Figurendistanz und tatsächlich auftretender kühlen Langatmigkeit diesmal leider selten, wirklich auf den Zuschauer überzuspringen. Nichtsdestotrotz verspüren wir die großen Momente der Kampfkunst und noch viel mehr den philosophischen Verstand dieser, die Wong Kar Wai auf beeindruckende Weise erzählt und bildgewaltig inszeniert. Es wäre ungerecht zu übersehen, wie viel Detailverliebtheit, Mühe und besondere Persönlichkeit in seinem neuem Film steckt; Wong Kar Wai selbst studierte jahrelang seine Historie und das merkt man »The Grandmaster« auch an. Sicherlich sein überraschendster Film, so vergleichsweise leer an großen Gefühlen, die auf den Zuschauer mal wie Hagelkörner, mal wie sanfter Schnee niederprasseln, doch auch das kann Wong Kar Wai sein: Ein großer Geschichtenerzähler auf wahre Vergangenheiten.
»Werde ich jemals wieder so glücklich sein, wie ich es damals war, zu Beginn jenes wundervollen Sommers an der Riviera?«
Der Rückblick an die glücklichste Zeit im Leben, die Wiederkehr in den deprimierenden Alltag, das ist »Bonjour Tristesse«. Es ist grandios, wie Otto Preminger uns eine so einfühlsame Geschichte der Nostalgie an die glückliche, sorglose Zeit des Lebens zeigt, mich mit seiner Hauptfigur Cecile, gespielt von einer traumhaften Jean Seberg, verschlingt und identifizieren lässt. Cecile ist geplagt von wunderschönen Erinnerungen, die sie wie eine Mauer einengen und bedrücken, während sie mit ihrem Vater zwischen Luxus und Langeweile in Paris lebt, ihr alles sinnlos erscheint, sie mit den Menschen um sich herum nichts anfangen kann und sie eigentlich so gar nicht weiß, was sie will. Trübselig erinnert sie sich an die schöne, unbeschwerte Zeit in der Sonne an der französischen Riviera mit ihrem Vater und seiner Freundin. Hier war jeder freundlich zu jedem, sie fühlte sich wohl, sie war geborgen und niemand zwang sie. Hier lernt sie nicht für das vermasselte Exam, sondern studiert, wie man sich die Zeit vertreibt. Jedenfalls bis Anne dazu kommt, sich einmischt, alles verändert und die Unbeschwertheit zerstört. Jemand, der sie dazu bringt, ihr eigenes Spiegelbild zu sehen: faul und verwöhnt. Eine Erfahrung verbunden mit einem furchtbaren Gefühl, das wir sicherlich alle schon einmal erleben mussten. Doch weil wir (nicht alle?) dieses Gefühl hassen, entwickelt Anne sich schnell zu jemandem, der schleunigst beseitigt werden muss, bevor sie das leichte Leben zunichtemacht. Nach und nach merken wir, dass all das Geld für Momente sehr glücklich machen kann, doch besonders in der Szene im Casino, in der sich die Liebe dreht und wendet, bekommen wir zu spüren, wie alles nur noch nach Lust und Laune läuft, wahre oder gar tiefere Gefühle gibt es hier kaum noch. Immer wieder wird gesagt, wie vergnüglich alles war. Alles ist nur noch Vergnügen. Wie im Bilderbuch, wie man es sich wünscht, wie ich es mir zurückblickend auf all die schönen, freien, unbeschwerten Tage wünsche. Doch im allen Überfluss wie in diesem Film, in dem es nichts anderes mehr gibt, da eskaliert diese Unbeschwertheit, weil sie nichts mehr wert ist. Am Ende ist dann alles so, als sei nichts gewesen. Und weil die belastenden Wahrheiten verschwiegen werden, müssen letztlich die von aller Vergnügung unterdrückten Tränen endlich raus.
»Bonjour Tristesse« darf man bitte nicht rational betrachten und als Abgesang auf irgendeine verwöhnte Gesellschaft sehen. Der Film ist dafür viel zu verzwickt in seiner Erzählung und seinen Charakteren. Hier gibt es kein rationales Gut oder Böse. Hier gibt es nur Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen. Der Film wird schnell zu einer Frage des Einfühlens in die Charaktere und wer Cecile, ein junges, verspieltes Mädchen, das im Reichtum und Komfort aufgewachsen ist, nicht verstehen will, wird sich vielleicht weniger in diesen Film verlieben können. Wer den Roman von Françoise Sagan gelesen hat, sieht, mit wie viel Einfhlvermögen die Geschichte geschrieben ist. Und beeindruckend einfühlsam hat auch Otto Preminger das Buch verstanden und wundervolles Charakterkino auf die Leinwand gezaubert. Interessant am Roman ist auch Ceciles ständige Zwiegespaltenheit, ihre Unsicherheit, wo sie eigentlich steht, einerseits findet sie es so, andererseits aber auch so. Otto Preminger verstand all diese jungen Mädchengefühle und machte einen erwachsenen Film daraus. Besonders interessant ist doch die Szene, in der Cecile es selbst in Worte fasst: »Anne hielt mir einen Spiegel vor die Augen, zum ersten mal sah ich, wer ich bin: faul, verwöhnt, jung, unerfahren.« Für mich ist »Bonjour Tristesse« jedenfalls großes Gefühlskino der Nostalgie und einer heiklen unbeschwerten Welt, in das ich mich persönlich wiedergefunden habe. Die fantastischen Kulissen, der durchdachte konträre Stil zwischen sonnigem Urlaub (Bonjour) und tristem Schwarzweiß (Tristesse) und Juliette Grecos Song »Bonjour Tristesse«, der den Film wie ein Grundgerüst durchläuft, macht Otto Premingers Romanadaption zu einem absoluten Meisterwerk. Einer meiner persönlichsten Lieblingsfilme.
Puppige Grinsebübchen, grüne Wiesle, Zuckerberge und süßes Herumgetolle vor Heimatfilmchenkulissen. »Und schon bald singen die Kinder, anstatt zu salutieren.« Spätestens als Maria (Julie Andrews ist toll) samt Gitarre und Kids auf der Weide hockt und beginnt, »Do-Re-Mi« zu trällern, verspürte ich das Gefühl, DVD und Hülle unverzüglich zu verbrennen. Christina Aguileras Lieblingsfilm halt. Wer’s mag.
»Why do they look for a new master of suspense, when they’ve got the original?«
Wer ein mustergültiges Biopic über Alfred Hitchcock erwartet, hat selber Schuld, denn »Hitchcock« gelingt etwas anderes, aber bei weitem nicht Unaufregendes: Der Meister wird alt, die Welt sucht nach einem Neuen und mit der Überzeugung von seinem neusten Projekt »Psycho« steht Hitch so ziemlich allein da. Hier setzt Gervasi an und zeigt uns eine überraschend reizende Art von »Lovestory« zwischen dem alternden, größten Filmemacher seiner Zeit und seiner Ehefrau, ihrem Zusammenhalt und den spannungsreichen Produktionsarbeiten zu einem der besten Horrorfilme aller Zeiten. Sicherlich nicht die ganz große Offenbarung, aber ein überaus anständiger Einblick ins Leben des Meisters.
»I like the dark. It's friendly.«
Kennst du 'Restless' vom Gus? Der's toll.
Amen. Danke.
Ui, Paul Thomas Anderson macht mal wieder ganz großes Darstellerkino. Seine Mieze Philip Seymour Wer und … ach, im ernst: »The Master« ist ein wirklich sehr schicker Augen- und Ohrenschmaus, der gekonnt subtil an sein Thematik herangeht. Dass manchmal einfach nichts passiert und er sehr langsam vorankommt, ist nur Teil seiner für sich sprechenden Ruhe. Viel schlimmer ist eigentlich die so öde und mutlos runtergekurbelte Handlung. Rein inhaltlich bleibt die ganz große Offenbarung aus und auch der Blick auf seine Charaktere bleibt eher Pfütze als Meerestiefe. Der Zuschauer nimmt apathisch am Geschehen teil, wenn es interessant wird, stockt die Erzählung, und trauen tut sich Anderson im Endeffekt eigentlich (außer ein paar nackte Frauen im Sand und sogar in Echt) wenig. Dieses träge, stille Wenig kann man nicht nur mit dem vergleichen, was man langweilig nennt, sondern geht einem nach gewisser Zeit auch irgendwann ziemlich an die Nerven. Andersons Zweitbester.
Thilo Sarrazins Lieblingsfilm.
Diese … Darsteller Hamsterbackenbananenmaul David und Miss Alkoholbeichte Jenny im vielleicht antisubtilsten Film aller Zeiten. Bitte lieber als Plattenbautourist die pösen Ausländer selbst beobachten, wie sie den ganzen Tag Schwuchtel, Hurensohn und Opfer aus dem Fenster brüllen, andere verprügeln und den armen deutschen Babyfacebubi dann auch noch ins Drogengeschäft bringen und ihn zuallerletzt sogar [Achtung Spoiler] zum Morden zwingen. [Spoiler Ende] Dass da in etwa durchaus wahre Zustände hinterstecken, kann ich nicht leugnen, doch diese unfassbar engstirnige, klischeebeladene Darstellung der Situation zum noch mehr Vorurteile bilden ist wirklich asozialer als seine Thematik selbst. Aber Deutschland baut sich ja ab.
Meine erste Vorpremiere dieses Jahres und dann so riesig. Mit Sicherheit hätte man die Revolution historischer erzählen können, aber zweifellos nicht viel leidenschaftlicher oder emotionaler und mit Helena Bonham Carter und Eddie Redmayne auch nicht besser besetzen können.
»I dreamed a dream in time gone by … when hope was high, and life worth living.«
♥
Punshas Meisterwerk.
« J'en avais jamais mangé à la fraise. »
Wie ehrlich François Truffaut seine eigene Kindheit Revue passieren lässt, ist schlicht atemberaubend. Und dann in so schönen Aufnahmen des damaligen Paris‘. Und diese Momente der Filmmagie: Wenn Antoine ins Heim gefahren wird und ihm in all der Dunkelheit eine Träne übers Gesicht rollt; oder als er dann über den Strand läuft. Wow.
Ich habe mich eigentlich viel zu lange davor gedrückt, über Lars von Trier zu schreiben. Vielleicht, weil »Ich liebe dich« zu sagen noch immer schwieriger ist als alles andere, und diese Art von Seelenverwandten mit Worten zu beschreiben nicht gerade leicht fällt, ohne an sich selbst zu geraten. Lars ist – und da mag mir sicherlich niemand widersprechen – ein schwieriger Mann. Seine Hauptdarstellerin Björk sagte einmal nach der Zusammenarbeit für sein Meisterwerk von Musical »Dancer in the Dark«, dass sie niemals wieder mit ihm arbeiten möchte. Kirsten Dunst sagte zu der Arbeit zu »Melancholia«, dass sie den Film (nur) für Lars machte. Und ganz viele Menschen meinen ja, Lars sei frauenfeindlich, krank und ein prätentiöser Regisseur, der in seiner Kunstauffassung seiner Filme selbstverliebt ertrinkt. Ich behaupte, Lars von Trier ist der wahrscheinlich interessanteste Filmemacher Europas seit ich auf der Welt bin.
Wenn ich Lars von Trier sehe, mag das sicherlich stimmungsabhängig sein – wer möchte sich seine Filme schon bei Heiterkeit antun? Wenn ich mich larsvontrierig fühle – und das tat ich in letzter Zeit sehr –, dann sehne ich mich nach emotionaler Zertrümmerung (vielleicht sogar meiner selbst). Und wie wir wissen, treibt er dies auf die Extreme. Das, was seine Filme ausmacht, ist gewiss die unübersehbare Hemmungslosigkeit vor emotionalen Grenzen in ihnen. Oder selbst, wenn er auf Hochglanz und Bildschönheit zu seiner Dogma-95-Blütezeit in »Idioten« oder »Breaking the Waves« verzichtet, er in »Dogville« sogar nur eine schwarze oder weiße Leinwand als Kulisse benötigt, sind seine Filme vollgepackt von atmosphärischer Perfektion über das vielleicht doch nicht ganz so einfache Leben auf dieser Erde. Wie es Jenny in ihrem Kommentar bereits erfasste, fasst es Justine aus »Melancholia« entschieden in Worte: »Die Welt ist schlecht. Wir brauchen nicht um sie zu trauern.« Vielleicht ist genau das der rote Faden in Lars von Triers Filmen.
In seinem Frühwerk »The Element of Crime« nimmt er uns mit auf eine pessimistische Reise durch eine fiktive trostlose Welt der Kriminalität. In »Europa« zeigt er uns eine ganz reelle, düstere Reise durch unsere europäische Historik: Deutschland zur Nachkriegszeit. Mit »Breaking the Waves« und »Dancer in the Dark« fühlen wir uns in zwei Frauen und werden schmerzend fallengelassen. In »Dogville« zeigt er uns das – vielleicht doch nicht ganz so fiktive – Dorfidyll und lässt es abgründig stürzen, stellt uns vor Moral und Werte und Amerika. Ähnlich wie in »Manderlay«, doch auch hier gehen wir einen Schritt weiter zur Realität und Historik: Die Sklaventreiberei. Lars von Triers Gesamtwerk zeigt uns deutlich das, was Justine sagt; aber dennoch viel mehr: Die Welt ist schlecht, und dennoch platziert von Trier immer etwas, für das es wert ist zu leben. Was das ist, mag der Rezipient in jedem seiner Filmen selbst finden. Ähnlich wie der Blick auf seine Filme: Können wir uns mit seinem Pessimismus anfreunden oder nicht? Eine Frage des subjektiven Weltbilds. Lars von Trier macht uns in so gut wie jedem seiner Filme seinen Standpunkt deutlich, erschafft Sympathien, Identifikation und Abneigung. Wer sich darauf schwer einlassen kann, hat eigentlich schon verloren, da gerade das den Reiz seiner Filme ausmacht. Wie epd-Film mal über »Dogville« schrieb, so können wir eigentlich alles, was aus Lars von Triers Köpfchen und Händchen stammt, beurteilen: »Vielleicht treibt er damit eine Menge Leute aus dem Kino. Aber diejenigen, die bleiben, können ein kleines Wunder erleben.«
Wie wir schon lange wissen, zeigt uns Lars mit seinen leidenden Frauenfiguren keine Opferrollen im klassischen Sinne, sondern zeichnet uns Identifikationsfiguren, mit denen wir uns identifizieren und in die Seele der Figur geführt werden, ihr Innerstes fühlen und nicht selten schonungslos leiden – denken wir an Selma aus »Dancer in the Dark« oder die beiden Frauen aus »Melancholia«. Wir verspüren den Schmerz, den das Leben uns bereiten kann, wie wir es eigentlich in keinen anderen mir bekannten Filmen fühlen können.
Doch mit all dem Pessimismus nicht genug. Zu sagen, von Triers Filme hätten kein Herz und strotzen vor Nihilismus, wäre falsch. Genau wie wir fallen gelassen werden, führt uns Lars von Trier ins Herz des Films – wir schließen Figuren in unser Herz und erleben nicht nur ihren Leidensweg, sondern ebenso die großen Momente des Glücks und der Hoffnung. Die dann meistens doch nicht allzu lange halten.
Doch Lars von Trier geht besonders später noch weiter: Er identifiziert sich selbst mit seinen Figuren und kommuniziert über sie mit uns – denken wir an die Frau aus »Antichrist« oder Justine aus »Melancholia«. Wie wir wissen, litt Lars von Trier selbst lange an Depressionen und zeigt uns nicht nur eine beeindruckende Art von Seelenblick seiner selbst, sondern noch viel tiefgehendere Dramen über die menschliche Verzweiflung und die Erlösung vom Leben, die er auf so vielschichtige Weise in seinen Filmen repräsentiert.
Was Lars von Trier ausmacht, ist nicht sein Pessimismus. Grausige Dramen gibt es wie Sand am Meer. Es ist das bittere Gefühl, das seine Filme im Zuschauer ganz subjektiv auslösen. Die Unberechenbarkeit, die seine Dramen auf niederschlagende Gefühlsbasis in uns erzeugen. Seine herausragenden Ideen und Innovationen sind dabei das, was ihn zu einem Künstler macht. Das, was er mit uns macht, ist das, was ihn zum zweifellosen Genie macht.
:D Geil! Bei mir gibt's nur So finster die Nacht, Mulholland Drive mit der wunderschönen Naomi Watts, Spider-Man mit dem wunderschönen Tobey Maguire, Harry Potter und der Halbblutprinz mit allen drei und Dumbledor, Kill Bill mit der Bride, Bill, dem Zen-Master und ♥ Elle Driver, und natürlich Melancholia. Mit Raritäten kann ich da nicht punkten.
»Martyrs« ist eine filmische Grenzerfahrung. Er ist eine sehr abstrakte Form von Ergründung von Ursache und emotionaler Wirkung von Schmerz und Gewalt. Hier sind die Mörder keine Hinterwäldler mit Kettensägen mehr und auch keine verstrahlten Kreaturen aus Kanalschächten oder von den Hügeln hinter den Hügeln. Die Mörder sind zu einer Gesellschaft geworden – von außen nicht erkennbar, oberflächlich freundliche Glieder des gehobenen Bürgertums, die jedoch im Keller ihr perverses Geheimnis hegen.
Spätestens als die alte Dame, die Führerin, sagt »Es ist so leicht, ein Opfer zu finden«, sollte dem Zuschauer klar werden, wie kritisch und ernst es »Martyrs« ist. Am Ende des Films sehen wir ein kaum noch menschliches Wesen. Es sieht eine andere Welt. Die Wahngesellschaft – die uns in gewisser Weise doch so »völlig normal « erscheint? – ist genau davon fasziniert; das Mädchen leidet, der Schmerz und die Gewalt sei der Schlüssel zur anderen Welt; es geht um die Erforschung und das Wissen um ständige Gewaltzufuhr. Doch diese Faszination dieser Glaubensgemeinschaft dürfen wir nicht bequem als schlimmstenfalls »legitimiert« hinstellen, denn dazu besitzt der Film viel zu böse, ernstgemeinte Kritikelemente. Was die lebensklugen Leute als pseudophilosophisch und sinnlos brandmarken, ist an dieser Stelle doch gerade der Reiz an diesem Meisterwerk: Laugier zeichnet uns ganz überspannt, dass Gewalt den Menschen physisch wie psychisch zerstört. Ähnlich wie in »Antichrist« sehen wir doch in keiner Sekunde die Gewalt als schön an, nur weil sie uns verständlich (nämlich dort aus Selbstzerstörung und Verzweiflung) gemacht und damit begründet wird. Auch in »Martyrs« versucht man sich an Begründung von Gewalt, nämlich als menschenzerstörendes Instrument. Sie ist Mittel, um uns abzustoßen. Und nur wer Verabscheuendes zeigt, kann auch verabscheuen. Hier sehen wir zum Schluss Anna, die durch die Torturen ihre Menschlichkeit verloren hat. Sie empfindet und reagiert nicht mehr auf Reize und Schmerz – eines der Zeichen unseres Seins als Lebewesen. Sie liegt nur noch reglos da, atmet. Sie ist nur noch zum Teil lebendig. Was Laugier uns auf wahnsinnig intensive Art und Weise zeigt, ist, dass Gewalt und ständige Gewaltzufuhr den Menschen in uns zerstört. Im ersten Teil des Films sehen wir Lucie, die die furchtbarsten Wahnvorstellungen aufgrund ihrer langen Qualen hat, des Weiteren aufgrund ihrer Schuldgefühle, der anderen Frau bei ihrer Flucht nicht geholfen zu haben. Im zweiten Teil sehen wir Anna, die durch Schmerz und Gewalt ihr Menschsein verloren hat – sie wurde als Mensch zerstört und existiert hier in dieser Welt nicht mehr. Die Nahtoderfahrung möchte nicht in irgendeiner Weise verarbeitet werden (wie sollte sie auch?), sie unterstreicht nur den Wahn der Sekte. Mit dem Suizid der alten Mademoiselle am Ende weigert sie sich den Mitgliedern des Clans, die Erfahrung von Anna zu berichten. Oder um in den Tod zu gelangen, den Anna sah. Was es nun war, das verrät der Film uns nicht. Doch wir dürfen es uns nicht leicht machen und denken, Laugier möchte, weil das Experiment ja funktionierte und Anna letztlich etwas sah, die Gewalt und das Experiment befürworten. Er sagte selbst über den Film, er möchte uns eine düstere Welt von Gewinnern und Verlierern zeigen, eine Welt, in der über alle Grenzen gegangen wird. Er selbst fühlte sich gefangen in einer solchen Welt, der heutigen Welt; dieses Gefühl wollte er uns mit diesem Film ausdrücken. In einem Interview sagte er: »When critics describe the film as butchery, a display of guts and gore, it saddens me very much. The film is a personal reaction to the darkness of our world. I would like it to touch the viewers, to plunge them in a state of profound melancholy, just like mine when I was filming, because I think that Martyrs is really a melodrama. Hard, violent, very disturbing, but a melodrama all the same. I hope it will be a powerful experience for those who will see it because I put everything I had into it.«
»Martyrs« ist die hypnotisierende Kraft der Gewalt, die wir als Zuschauer wahrnehmen und abstoßen. Es ist die grandiose Darstellung von Kausalität bitterer Gewaltzufuhr; sei es die wie hier bis aufs Äußerste dargestellte oder übertragbar auch nur die »alltägliche« physische oder psychische Gewalt, die uns in unserem gesamten Leben verfolgt, beeinflusst und verstört. Es ist die beeindruckende, kritische Analyse über das, was Gewalt, Schmerz und Auslieferung mit uns macht. Und wir als Zuschauer können mit unserer Abscheu doch genau das spüren. Es ist die Umkehrung des modernen Experimentierens; hier experimentieren die Menschen nicht mehr mit den Tieren, hier experimentieren die »Tiere« mit dem Menschen. Es ist die manifestierte Entlarvung am Schein des Familienlebens, das diese glückliche Familie anfangs ausstrahlt, und nach keiner halben Stunde der wahre Kern und seine Abgründigkeit der Eltern ans Licht kommt; genau wie die »völlig normal« gezeichneten und erscheinenden beiden Leute, die Anna in der zweiten Hälfte des Films foltern, nach dem Leitgedanken »Jeder kann der Böse sein«. Es ist das Urteil an irren, »ver-rückten« Menschen und Sekten, an der Morddevise, wie es in einer Szene heißt, »Es ist so leicht, ein Opfer zu finden«. Und es ist eine emotionale Reise in Menschen. Für mich jedenfalls.