Hooded Justice - Kommentare

Alle Kommentare von Hooded Justice

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    Liebeskomödien sind doof, klischeehaft und kitschig. 'Prime' ist großartig. Denn was der Film im Untergrund aufweist, ist eine fantastische Inschrift: Wir können nicht ohne Geheimnisse eng unter- und miteinander leben, wie wir es vielleicht als „normal“ bezeichnen würden. Rafi, gespielt von Uma Thurman, die nach ihren „unzerstörbaren“ Powerwoman-Rollen wie in 'Pulp Fiction', 'Batman & Robin' oder besonders in 'Kill Bill' sich einer ganz konträren Rollenfigur hergibt, nämlich der verlorenen, deprimierten Frau Ende dreißig, erlebt es am ganzen Leibe. Ihre Therapeutin, der sie ihre Geheimnisse und tiefsten Probleme schildert, wird plötzlich zur Schwiegermutter; der Therapeut, der nichts anderes als unser innerstes Ebenbild zu kennen scheint, wird zum Teil des engsten Bekanntenkreises. In einer Szene sagt Rafi: „Manchmal vergesse ich, dass du seine Mutter bist.“ Der Film zeigt eigentlich nichts anderes, als dass wir uns ständig verstellen, und sobald wir es nicht tun, der Mitmensch unsere Schwächen, Probleme und quasi unsere Seele kennt, dann stehen wir in komplett anderem Licht vor ihm: nackt. Jeder hat Geheimnisse und das ist auch gut so. Ohne sie könnten wir nicht miteinander leben und so umgehen, wie wir es alltäglich tun. Wir brauchen Geheimnisse, um Achtung und Respekt vor uns selbst und vor unseren Mitmenschen zu bewahren. Die Weisen sagen: „Wir können doch über alles reden, wir können mit allem umgehen. Wir sind doch offen für alles.“ Doch sind wir es? Vielleicht in einigen vielen Jahren.

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    • 7

      „10. Mai. Endlich hat es geregnet. Dreck und Abfälle wurden von den Bürgersteigen gespült.“
      Mir lief in den letzten Jahren des Öfteren ein unangenehmer Schauer über den Rücken, wenn ich Kommentare wie „Ich kann mich mit Travis identifizieren“ lesen musste. Sicherlich sind wir alle mal angewidert von lasterhaften Menschen mit dreckigen Berufen oder von seltsamen Gestalten, die so leben, wie wir es uns im Traum nicht vorstellen könnten. Dennoch ist eine Identifikation mit Travis mehr als bedenklich, denn er selbst ist das Produkt seines Hasses. Er selbst ist längst zum Dreck geworden. Wenige Jahre zuvor mordete er im Krieg, er „reinigte“ das Schlachtfeld vom Gegner, dem von der Regierung eingeredeten Bösen, Dreckigen und Schlechten. Zurück im für ihn nun sinnlos erscheinenden New York macht er sich genau das zur Beschäftigung und gleichermaßen zum Problem: Er möchte seine Stadt, welche in seinen Augen vielleicht als sein Vaterland erscheint, vor dem Feind und dem „Abnormalen“ verteidigen, quasi „für sein Vaterland kämpfen“; genau, wie er es die letzten Jahre tat. Was hier mit Travis passiert, ist ein ganz normaler Prozess des Menschen: Er hat gelernt, er wiederholt das Gelernte und übernimmt das Verhalten. Oder noch schlimmer: Er ist davon traumatisiert. Er beginnt, das „Unreine“, „Andersartige“ zu hassen. Scorsese zeigt eine abgründige Gesellschaft anhand eines Charakters, der mitten drin in der abgründigen Gesellschaft dazugehört. Ein Charakter, der genauso abgründig ist, wie das, was er verabscheut. Scorsese zeigt die Widersprüchlichkeit eines Mannes, der alles hasst, sich dabei aber die ganze Zeit selbst in der von ihm so verhassten Sphäre aufhält. Er hasst die Perversen, aber geht ins Pornokino, in welchem es nur so von Perversen wimmelt. Er hasst die Menschen des Nachtlebens, aber möchte die Berufung, sie durch das Nachtleben zu fahren. Er erscheint zweifelhaft und widersprüchlich und dabei ist dies genau der Punkt, den der Film widerspiegeln möchte: Die Welt ist zweifelhaft und widersprüchlich, der Mensch ist abgründig und unfair.
      In einer Szene zeigt der Film Travis‘ Kollegen über Prostituierte und Homosexuelle herziehen. Ist dies als ernstgemeinte „Mahnung“ vor Menschen zu deuten, die unsere Welt etwas „abnormaler“ macht? Nein, ich denke nicht. Wir sollten Scorseses 'Taxi Driver' mehr als pessimistisches Zeitdokument sehen als eine Entlarvung nach dem Leitmotiv „Schaut, was für ekelhafte Leute es gibt!“. Ist es nicht verblüffend, dass der Film genau nach der Zeit entstand, als all die Hippies und Blumenkinder für den Frieden auf die Straße gingen? Vielleicht lässt das die Botschaft etwas deutlicher erscheinen: Die Welt lebt noch nicht in Frieden, auch nicht, wenn der Krieg längst vorbei ist. Ganz im Gegenteil: Der Krieg hängt sich wie ein toter, aber noch immer herrschender Schleier über der Menschheit.
      Niemand sollte sich mit dem Film identifizieren, denn er selbst ist das, was er kritisiert: Der brodelnden Kessel einer Spirale aus Hass und Gefühlskälte. Scorsese zeigt nur, aber er meint nicht.

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      • Ich sehe größtenteils große Übereinstimmung. Obwohl man ja in keinen fremden Tagebpchern blättern sollte ...

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        • 10

          „Alles, was mir an Eden so wunderschön vorkam, ist womöglich hässlich.“

          Das erste Wort, das auf dem Bildschirm erscheint, ist „Lars von Trier“. Bereits hier wird klar, worum es dem Skandalregisseur geht: Um sich selbst, er ist „Darsteller“ auf Ebene der Gefühlsentwicklung, Erschaffer und der Regisseur, und das hat viel weniger mit Arroganz zu tun, als mit einer Verarbeitung einer Lebenssituation, quasi eine autobiografische, künstlerische Schaffung eines Daseinsgefühls. Lars von Trier litt lange Zeit unter Depressionen und verarbeitet seine Lebensansicht in seinem eigenen Film. Und was kann es hinsichtlich einer solchen Angelegenheit Beeindruckenderes geben?

          Der Schmerz als tragende Parabel der Depression

          Doch was hat Lars von Trier hier gemacht? Ist es lediglich die verfilmte Symptomatik eines seelisch erkrankten Regisseurs? Das, was Lars von Trier hier fabriziert, ist, uns seine leidende Seele vor die Füße zu werfen, wie es vielleicht nie ein Filmemacher tat. Es geht nicht ausschließlich um die in der Öffentlichkeit bekannte Leitfrage, was wäre, wenn nicht Gott, sondern der Teufel die Welt erschaffen hätte – in einer Szene besonders erkennbar, als die Frau es mit der Aussage „Der Boden brennt“ ausdrückt, quasi nach dem Motiv „Wir laufen die ganze Zeit auf höllischem Boden; die brennende Hölle ist dicht unter uns“. Viel mehr geht es um das Leben, das Erleben und Durchleben des Regisseurs. Was, wenn auch Lars von Trier selbst das Gefühl erlitt, er habe etwas verloren – und wenn es allein seine Hoffnung sei –, genau wie das Paar im Film, gespielt von einer atemberaubenden Charlotte Gainsbourg und einem nie beachtenswerter gewesenen Willem Dafoe, ihr Kind verlor? Wir alle haben schon mal verloren, sei es ein geliebtes Haustier oder selbst ein Kuscheltier, zu welchem man eine sentimentale Bindung aufgebaut hat, ein Mensch, der einem nahe stand, oder sogar das eigene Kind. Menschen versinken zeitweise in Angst, Panik, in Trauer oder sogar endgültiger Verzweiflung. Ein tiefes Loch der Depression, ein Strudel aus hoffnungslosen Gedanken und einer aussichtlosen Weltansicht.

          Genau hier steckt der Kern des Geschehens: die menschliche Angst und ihre zerstörende Konsequenz. Denn jagt der Film uns nicht Angst ein? Ist der Film nicht die Angst selbst? Lars von Trier wirft „nur“ mit seiner zerbrochenen Seele, die für Momente wie eine geladene Pistole vor der Stirn wirkt und uns zu erschießen droht. Doch sind es nicht letztendlich wir, die den Film fürchten? Ist es nicht der Zuschauer, der den Schmerz wie seinen eigenen spürt? Und sind es nicht wir, die unsere Gefühle und Empfindungen über das Gesehene noch lange nach dem Film verarbeiten müssen? Verarbeiten, weil wir verletzt wurden, weil wir deprimiert und verstört zurückgelassen werden und die Verzweiflung erlebt und hautnah gefühlt haben. Vielleicht genau wie Lars von Trier, als er in seine Depression fiel. Wenn ein Film so etwas schafft, dass der Zuschauer über den Film das Genie dahinter fühlen kann, dann ist es ein bahnbrechendes Meisterwerk.

          Die Symbolik der Gefühlsverwüstung

          Die Symbolik des Films führt das Kunstwerk weiter ins verstörende Chaos: Der Wald, die unberührte Natur, spiegelt auf vielerlei Ebenen das Schicksal und Empfinden der beiden Hauptfiguren wider und blüht lediglich in ihrer polemischen, bedrohlichen oder „satanischen“ Form auf, genau nach dem Leitmotiv des Film „Die Welt ist Satans, nicht Gottes Werk“. Die Frau sagt es selbst: „Die Natur ist Satans Kirche“: Die gestörte Geburt des Rehs oder das gefallene Vogelbaby, geholt vom Falken, dem natürlichen Feind, quasi dem Tod selbst, oder der Fuchs, der sich selbst isst, als Symbol für die Verzweiflung und Selbstverstümmelung, die vorherrschen wird, und sein Schrei „Chaos regiert!“ im Sinne des Chaos‘, in dem sich die Gesamtlage befindet. Ebenso der Anblick des kompletten Waldes gegen Ende, der nur noch im trauernden Nebel hängt und die seelische Kälte und Verlorenheit der Figuren widerspiegelt. Selbst die ständig wackelnde Kamera reflektiert die Unruhe der beiden Protagonisten. Die „Folter“ des Mannes – sowie gleichermaßen des Zuschauers – ist die vorletzte Verzweiflungstat, ausgelöst von der Angst, noch jemanden zu verlieren; in der Szene, in der die Frau ihre Klitoris mit einer Schere abschneidet, lässt die Verzweiflung und das zerstörerische Leid einer Seele ein letztes Mal zurückwerfen.

          Das seelische Meisterwerk

          Man kann es verabscheuen, aber auch genau dafür lieben: ‚Antichrist‘ ist das vielleicht authentischste Filmwerk, das es je gegeben hat, weil der Film die Seele des Schöpfers selbst beinhaltet. Der Vorwurf, von Trier ginge zwanghaft an eine Kunstinszenierung heran, ist völliger Quatsch. Kunst kann nur von Kunst kommen, die Kunstumsetzung nur von einer Kunstidee.

          Betrachtet man ‚Antichrist‘ nun als Gesamtwerk, lässt es sich etwas einfacher auf den Punkt kommen: Lars von Trier erschafft einen Film über die Angst, Schmerz und die menschliche Depression mit einem Film, der die Angst, Schmerz und Depression selbst ist. Er erschafft ein Werk und lässt – und das ist es, was ihm zu einem verblüffenden Genie und den Film zu einem unvergleichlichen Kunstwerk macht – den Zuschauer genau das fühlen, was seine Seele, das menschlichste im Menschen, fühlt und erlebt. Gefühlskino, das nie auf einer radikaleren Art existierte.

          Ich möchte den Film an dieser Stelle gar nicht in allzu rationalem Licht stehen lassen, denn ‚Antichrist‘ ist ein einziges Empfinden, ein Gefühl und emotionales Erleben. Bereits zum fünften Mal verspürt und längst ein Teil meines Vorhandenseins geworden.

          „Ich hörte ein Geräusch, das Weinen und Schreien von all den Dingen, die sterben müssen.“

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          • 8 .5

            Charlie Chaplins wunderbare Kritik auf die Modernisierung! Die Maschinen regieren und vertreiben das menschliche Sein. Hierbei koppelt 'Modern Times' Spaß, Romantik und Kritik, erschafft aus der üblen historischen Tatsache der Maschinerie – und somit dem Überflüssigwerden des Menschseins – ein komisches Denkmal, welches nicht nur einen Finger auf das Falsche zeigt, sondern den Daumen für das Lebenswerte hoch hält: Unser Dasein mit Herzlichkeit beleben – oder anders gesagt mit unserer Menschlichkeit.
            „An den Scheidewegen des Lebens stehen keine Wegweiser.“ – Charlie Chaplin.

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            • 8 .5
              über 2046

              Realität verschmilzt mit Fiktion. Atemberaubende Schönheit mit Violinenmusik. Ein Zuschauer mit einem Film.
              Wong Kar Wai kreiert die reinste Form der Schönheit. Jeder Bildausschnitt ein Kunststück, jede Lichteinsetzung ein Artefakt. Intim stellt er einen Sog aus Erinnerungen, einen innigen Abriss eines menschlichen Lebens, dar; eine Seele, die einem Strudel aus Gelüst, Sehnsucht nach Innigkeit, Leidenschaft, Lebens-, Liebes- und Leidensgefühlen und Hirngespinsten purer Phantasie gleicht. Genau wie das Gesamtwerk als solches: Aufnahmen, Farben, Menschen, ihre Blicke und Kostüme von unbegreiflich ferner Schönheit.
              Dennoch bleibt '2046' ein eher schwächeres Werk Wong Kar Wais: In seiner audiovisuell darstellerischen Kraft sicherlich überragend, in seinem Erzählstil allerdings nicht nur ruhig und bewegend poetisch, was für sich spricht, sondern teilweise etwas arg lahm und besinnlich. Schließlich bleibt letzten Endes nichts anderes als das dumpfe Gewissen, es ginge in diesem Traum von Film um nichts anderes als Liebesaffären sowie die bereits genannten Sehnsüchte nach Liebe und sexueller Nähe. Gewiss nicht Wong Kar Wais bester und wenig vergleichbar mit seinen vorigen Meisterwerken 'Chungking Express' oder 'In the Mood for Love' – dessen großer Bruder dieser sichtlich gerne gewesen wäre –, aber sein erwachsenstes Werk, weil so gigantisch und hörbar-sichtbar beeindruckend stilsicher; acht Punkte.

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              • 8

                'À bout de souffle' ist ein Film für Leute, die sich keinen originalen Film noir leisten können. Der Ästhet darf staunen, doch Jean-Luc Godards angepriesenes Meisterwerk ist keine Hommage auf feiner Ebene, sondern eine Nachahmung von wunderbaren Bildern aus einer Film noir-Atmosphäre samt Straßenaufnahmen und Fedora-Hut, und das grundiert in einer selten – ganz und gar nicht Schwarze Serien-verdächtig aufregenden – öde ablaufenden Geschichte. Ein bemerkenswerter Filmansatz und irgendwie ein Garnichts.

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                • 4

                  Das Thema ist eigen, seine Umsetzung auch. Zweiteres im negativen Sinne. Dass Thailand ganz tolerant und verständig mit sogenannten Ladyboys, thailändischen transsexuellen Männern, umgeht, ist ein großer Schritt in Richtung mehr Liberalität. 'Beautiful Boxer' erzählt die Geschichte eines solchen Jungen, der in seinem Leben sogar auf genau den Gegenpol seines Klischees stößt: Er entdeckt sein Talent für das Kickboxen. Nicht, dass das Thema uninteressant wäre, interessanter könnte es vielleicht nicht sein. Aber sein buntes Thaikitsch Inszenesetzen, fernöstliche Klänge erinnernd an Mamas Yoga-DVD und vielerlei unsicheres Schauspielern darf einer manchen menschlichen Wahrnehmung nach nur einigen Minuten an den Nerven zerren – ist das Land nicht wundervoll? Die Gefühlsebene einer solchen Angelegenheit wirkt in die Enge getrieben, zu lang und häufig wird an der Oberfläche herumpraktiziert, wenig tiefgetaucht. Thailändisches Kino mit Nebenwirkungen.

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                    • 10

                      Die Art und Weise, mit der Hitchcock einen Spannungsaufbau kreiert, ist atemberaubend. In 'Schadow of a Doubt' agiert sich das Dasein eines engen, umschwärmten Verwandten um die Gefahr der Nächstenliebe, quasi um den Zweifel im Schatten; im Schatten des Menschen, den man denkt zu kennen, doch eigentlich nicht. Eine Geschichte des Film noir, so schwarzseherisch und geistreich, in seinem Erzählstil und Bildgestaltung wunderschön ausgeschmückt, was Alfred Hitchcocks Meisterwerk der schwarzen Serie bodenlos faszinierend und packend macht. Seine Fasson, in der er zurückhaltend charmanten Humor und Sympathien einsetzt, lässt sich den Betrachter in die Figuren und somit mitten ins Geschehen einfühlen, die glänzende Schauspielschar tritt unwahrscheinlich dufte in Erscheinung.
                      In unserer Lieblingsenzyklopädie heißt es: „'Shadow of a Doubt' gilt als Hitchcocks Lieblingsfilm und auch als sein persönlichstes Werk. Es gibt zahlreiche Parallelen zu Hitchcocks Leben, sei es der Name der Mutter, biografische Erlebnisse, die er in Dialoge einflocht, oder, laut Donald Spoto in seiner umfangreichen Hitchcock-Biographie, die Tatsache, dass man in den beiden Hauptfiguren (den beiden Charlies) die zwei verschiedenen Persönlichkeitsaspekte Hitchcocks wiederfindet.“
                      Gerade mein zweiter Hitchcock und schon jetzt einer meiner verehrtesten Werk für die Ewigkeit.

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                      • Hab's auch verpatzt. Hätte im Fall der Fälle auch gern die DVD.

                        • 7

                          Ich möchte an dieser Stelle nur kurz ans Volke appellieren: Schaut diesen Film. Mittlerweile zum zweiten Mal gesehen und just noch mehr berührt worden.

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                          • Hör Dir gerne zu. Mach weiter!

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                            • 3

                              Vorlesen und vorgelesen bekommen als anheizendes Vorspiel: Kate Winslet macht die arme KZ-Wächterin, leidig blickt sie in die Kamera, anteilnehmend klimpert die Leidensmusik und analphabetische Schicksalsschläge möchten sich fest in des Beobachters längst abgekühlten Herzchens drücken. Nicht zu glauben, aber es wirkt tatsächlich so, als flüstere der Film: „Sie ist auch nur ein Mensch. Wir müssen lernen zu verzeihen.“ Sicherlich nicht falsch. Wir haben die Zeit nicht miterlebt und wer weiß, was der Mensch wie Du und Ich getan hätte. Doch dies in einem Film plakativ, bemitleidenswert und verständniserregend, entschuldigend dargestellt zu bekommen, stellt sich nicht nur als äußerst beunruhigend heraus, sondern erscheint einfach sehr strittig. Dazu grenzwertiges Spielchen vom Krabätchen David Kross; Kate Winslet agiert nicht schlecht, aber war nie schlechter. Doch wenigstens hat sie im Knast schreiben gelernt. Und der Oscar bleibt ein Rätsel.

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                              • 9

                                Ein einmaliges Kunstwerk Lars von Triers, in welchem seine Kunstimagination vollkommen entfachtet wie in keinem anderen seiner Schöpfungen. Das apokalyptische Film noir en jaune, die Suche nach einem Mörder in des Mörders Seele selbst inmitten des Schlunds einer Trance. Ein unvergleichlicher Brocken Kunst.
                                „Do you believe in good or bad?“

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                                • 7

                                  Wie eine vertrauensselige junge Frau mit ihrem Ausdruck und Art einen Film führen kann, offenbart Fellinis 'La Strada' wie eine eins. Es ist die Eindringlichkeit des Spiels und die Ehrlichkeit, mit der erzählt wird, die das Publikum anzieht, für sich gewinnt und letzten Endes teilhaben lässt. An und für sich hoffnungsvolles Gefühlskino, das mein Inneres besiegt.
                                  „The Fool is hurt.“

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                                  • 5

                                    'Videodrome' hangelt sich irgendwo zwischen medienkritischer Genialität und vollkommener Kotze. An dieser Stelle lasse ich Nina Hagen für sich sprechen:

                                    Allein!
                                    Die Welt hat mich vergessen.
                                    Ich hänge rum!
                                    Hab's bei allen verschissen.
                                    Ich sitz' zu Hause,
                                    Keine Lust zu gar nichts!
                                    Ich fühl' mich alt,
                                    Im Sumpf wie meine Omi.

                                    Ich schalt' die Glotze an,
                                    Die Daltons Waltons, everyone.
                                    Ich glotz' von Ost nach West!
                                    Ich kann mich doch gar nicht entscheiden,
                                    Ist alles so schön bunt hier!
                                    Ich glotz' TV!
                                    Ich glotz' TV!

                                    Ich bin so tot!
                                    War das nun schon mein Leben?
                                    Meine schöne Phantasie!
                                    Meine Schaltstellen sind hinüber!

                                    Ich schalt' die Glotze an,
                                    Happiness, Flutsch-Flutsch! Fun fun!
                                    Ich glotz' von Ost nach West!
                                    Ich kann mich gar nicht entscheiden,
                                    Ist alles so schön bunt hier!
                                    Ich glotz' TV!
                                    Ich glotz' TV!

                                    Ich krieg 'ne Meise weil
                                    Na, ich fass' kein Buch mehr an!
                                    Literatur? Da wird mir übel!
                                    Und die Arztromane hab' ich mit zwölf hinter mich gebracht.
                                    Mann, bin ich belesen, ey!
                                    Und die Erfrischungswaffeln sind ausgelaufen.
                                    Und diese Scheißschokolade macht einen fetter und fetter
                                    Und fetter und fetter und ach!

                                    Ich schalt' die Glotze an,
                                    Happiness, Flutsch-Flutsch! Fun fun!
                                    Ich glotz' von Ost nach West!
                                    Ich kann mich doch gar nicht entscheiden,
                                    Ist alles so schön bunt hier!
                                    Ich glotz' TV!
                                    Ich glotz' TV!
                                    Ich glotz' TV!
                                    Ich glotz' TV!
                                    Ich glotz' TV, TV, TV, TV, TV, TV, TV!

                                    TV, TV, TV, TV, TV, TV!
                                    TV IST 'NE DROGE!
                                    TV MACHT SÜCHTIG!
                                    TV TV TV TV TV!

                                    – 'TV-Glotzer' von Nina Hagen Band.

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                                      Hooded Justice 31.07.2012, 19:44 Geändert 12.06.2016, 17:35

                                      Verehrtes Publikum, hier ist er! – So oder so ähnlich malte sich ein Jeder einen Christopher Nolan aus, der den Vorhang der Kinoleinwand aufzieht und dem Volke überstolz sein neues Werk präsentiert. Dann beginnt’s. Christian Bale kämpft wieder mit einem Stock im Arsch, Anne Hathaway imitiert die Catwoman und Hans Zimmers musikalische Daueruntermalung macht ein auf Epic – zugegeben: Es ist bombastisch. Christopher Nolan weiß zu inszenieren und was man auch meinen will, scheitern tut er daran nicht. Es ist gigantisch, es ist riesig und Nolan beendete das, was er schuf: Einen Batman in der realen Welt, fantasielos und nüchtern. Ich präferiere den Burton, ‚The Dark Knight Rises‘ ist aber alles andere als schlecht. Es ist Action, nicht mehr, nicht weniger, und das hochgefahren und gewaltig. In meinen Augen nicht bedeutsam anders als sein hochgelobter Vorgänger, subjektiv gesehen hat dieser hier mich sogar noch mehr in den Bann genommen.

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                                        „It’s murder!“
                                        'Double Indemnity' will mir nicht aus dem Kopf, er durchbebt mich. Es dreht sich um die Nebenwirkungen eines Verliebtseins. Wie weit kann ich gehen, wie viel kann ich riskieren und wie rechtswidrig kann ich werden für die Frau, die soeben mein Herz eroberte? Doch um gar nicht zu sehr in den Hintergrund zu tauchen vor allem: Wie weit kann sie gehen, um schnell ihren Mann loszuwerden und dabei noch ein Vermögen abzusahnen? Wie so oft im Film noir verstrickt sich alles in Intrigen, Betrug und die Hinterlistigkeit des Menschen – hier der Frau ohne Gewissen und des einst sauberen Versicherungsherren im Anzug und Fedora-Hut, gespielt von einer wundervollen Barbara Stanwyck und einem brillanten Fred MacMurray. Doch viel mehr zeichnet Billy Wilder ein Frauenbild der Schärfe: Die Dame wird verführerisch, skrupellos, ausdrucksstark, wunderschön und besonders eines: böse. Der Pessimismus getrieben von der menschlichen Angst des Zweiten Weltkriegs und eine desolate Atmosphäre zum Verfallen – oder Zerfallen. Kriminalgeschichten werden zur Gesellschaftsanalyse, angebliche Liebe zur bitteren Geldgier, das Fräulein zur Femme fatale und ein Film zum Geschehen zwischen Leidenschaft und Betrug.
                                        In seinem Stil nicht geringer als meisterhaft, erzählerisch wie ästhetisch kostbar auf ewig. Ein unvergessliches Film noir-Phänomen. Wiki sagte, er sei ein klassicher Film noir. Sicherlich. Nichtsdestotrotz ein ganz famoser solcher, weil so grandios gespielt, grandios bebildert und grandios erzählt. Einer meiner Lieblings-Film-noirs, doch vor allem der, der mich hierhin führte: Zur Liebe der Schwarzen Serie.

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                                          „Most men lead lives of quiet desperation. I can't take quiet desperation!”
                                          Ein Film noir wie kein anderer, weil so unvergleichlich explizit und teilnehmend in seinem Belangen. Billy Wilder erschafft eine – ähnlich wie mit seinem 'Sunset Boulevard' – vollkommene Einsicht in eine gebrochene Figur, so eindringlich wie nur selten. 'The Lost Weekend' zeigt den gefallenen Schriftsteller, nunmehr Alkoholiker Don. Ein Leben in der Leere, ein Zustand im Vakuum, ein suizidales Gefecht gegen sich selbst. „Alkohol ist Dein Sanitäter in der Not“, und gleichermaßen der Zerstörer, der eine Existenz zunichtemacht. Viel besser kann ein Film, der sich mit Alkoholabhängigkeit beschäftigt, nicht sein.
                                          „Let me have one, Nat. I'm dying. Just one.“

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                                            Dann wurde das Leben trist. Er ist krank. Das Pferd alt. Anzunehmen, er will in Ruhe sterben. Vielleicht eine Parallele zum Regisseur Béla Tarr und seinem Lebenszustand selbst, wo Tarr doch vor Veröffentlichung des Films prophezeite, es sei sein letzter Film. Ein Film, der seinen letzten Wunsch erfüllt: Sein Filmschaffen in Ruhe absterben lassen. Die Musik erklingt in apokalyptischen Klängen, die Figuren sind gezeichnet durch Betrübtheit, einer Monotonie des Lebens. Das Wetter? Ein einziger Sturm aus Trübsinn und Einsamkeit. Von Lebenslust ist keine Spur. 'A Torinói ló' ist ein Brocken von Film. Ein beeindruckender Brocken. Tarr gelingt es, das Publikum in zweieinhalb Stunden weder gelangweilt noch ungeduldig einfach nur still dasitzen zu lassen. Der Stille zu lauschen, die Bilderpracht wirken zu lassen, der Melancholie zuteil zu werden und dem Ende der Welt ein Stück näher zu kommen. Lebe wohl.

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                                              „Ich bin fertig für die Großaufnahme.“
                                              Der Fall eines Stars. Das Ende des Erfolgs. Der Zerfall eines Lebensgefühls. Die Tragödie einer Schauspielerin. Doch „Hollywood ist böse“ bildet meinem Empfinden nach eher die Grundbasis. Billy Wilder erschafft mit Sicherheit einen tiefen Einblick in die Vergänglichkeit und Unberechenbarkeit des monetären Hollywoodgeschäfts, viel mehr aber einen solchen in die Seele eines gefallenen Stars. Wir erleben es mit Norma Desmond, einst so hoch, nun so tief. Eine Diva, von der Welt vergessen. Ihre letzte Hoffnung ist der Wunsch nach einem Comeback, die Wiederkehr von vergangenen Zeiten, was schließlich in Verzweiflung sein schmerzliches Ende findet, einem suizidalen Dasein, zurückgezogen in pompös ausgestatteten Räumen, welche nichts anderes als einen rêve passé und die letzten Erinnerungen vom damaligen Ruhm bedeuten. Ihr Sturz lässt sie leiden. Sie erlebt es im Film. Wir erleben es täglich. Ein Leiden, vor dem ein jeder von uns Angst hat; der Verlust einer Existenz, einer Berufung oder einer Daseinsart, die dem Leben Leben schenken. ‚Boulevard der Dämmerung‘ ist ein Alptraum eines Traums, der ferner blendet und inszenatorisch entgeistert zurücklässt. Der beste Film noir aller Zeiten und einer der Filmwerke, die mich bis aufs Äußerste immer wieder alleine im Regen zurücklassen.
                                              „Wie nett die Menschen doch mit einem umgehen, wenn man tot ist.“

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                                                über Solaris

                                                159 Minuten Dauerfingernägelkauen. Vor Reizlosigkeit still bemerkt. Bereits die erste halbe Stunde ist unheimlich. Unheimlich zäh. Dann befinden wir uns im Weltraum. Spacige Einrichtungsgegenstände, flackernde Knöpfe, Stromkabel und enge Tunnelgänge. Menschen, das Alleinsein, Suizid, Depression. Kritische Philosophien über des Menschen Dasein. Hätte alles so schön sein können. Menschenseele braucht Menschenseele. „Der Mensch braucht den Mensch.“ Verständlich, fasziniert hat es mich aber keine Sekunde. Eine langsame Inszenierung kann manchmal sehr schön sein. Hier ist sie es nicht. Hier ist sie kraftlos. Wie umworben eine überwältigende Science-Fiction-Poesie? Nein.

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                                                  Orientierungslose Handlungsleere und harte Ideenarmut. Damals verlief Schneewittchen sich im Wald, heute mit einem Huntsman in heilige Belanglosigkeit. Eine Schauspielschar wie gewohnt, Kristen Steward am Arsch, Chris Hemsworth ein selten cooler Vollidiot. Da ist es kein Wunder, wenn das Herz für die Antiheldin Charlize Theron schlägt und sich der weinerliche Heldenlauf immer mehr in lächerliche Plumpheit stürzt.

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                                                    Wenn Andrew Garfield sich im engen rot-blauen Strumpfhosenanzug durch die Lüfte schwingt und eine Emma Stone eine Kirsten Dunst in gewisser Weise ersetzen soll, dann darf man skeptisch daher blicken. Doch so blöd die Idee auch gewesen sein mag und so voreingenommen ich den Saal betrat, 'The Amazing Spider-Man' ist tatsächlich besser als man erwarten darf. Andrew Garfields schauspielerische Leistung ist ausgezeichnet, auch wenn er den Loser Peter Parker nicht ganz so glaubhaft wiedergeben kann wie ein Tobey Maguire.
                                                    Doch mithalten oder gar überholen kann 'The Amazing Spider-Man' Sam Raimis Trilogie mit Sicherheit nicht. Dazu hat er ein großes Defizit im Vergleich zur ersten 'Spider-Man'-Reihe: Der warme, herzergreifende Charme. Auch wenn es Garfield mit Sicherheit nicht an Sympathien fehlt, allein die Atmosphäre erscheint nicht ansatzweise so feinfühlig und warm wie im – es sei mir vergeben, ihn so zu bezeichnen – „Original“. Ganz im Gegenteil: Webbs Version wirkt beinahe kühl und sehr modern-realistisch – entfernt von Fantasy, hin zur Science-Fiction. Zugleich die Romanze zwischen Peter und Gwen weniger interessant erscheint als die zwischen Peter und M.J., was vor allem an der geringeren „Komplexität“ liegt. Mary Jane und Peter verband etwas Weitläufigeres, etwas Kindheitstraumhaftes. Die Liebe zu Gwen hat einen solchen Feinsinn nicht. Und auch die Darstellung des Zwiespalts zwischen Macht, dem Heldsein und der Liebe gelingt Marc Webb eher weniger. Ganz davon abgesehen, dass Emma Stone nicht mal halb so viel Liebenswürdigkeit besitzt wie Kristen Dunst. Unter all dem leidet die emotionale Sogwirkung deutlich. Von der Story her nicht ganz so bombastisch wie gewohnt, der Humor ist vereinzelt sogar etwas albern und recht herkömmlich, filmische Déjà-vus gab es allerdings weniger als vermutet.
                                                    'The Amazing Spider-Man' ist für mich keine Enttäuschung, die ich nicht nur befürchtet, sondern eher erwartet habe. Weniger detailverliebt und fantastisch wie sein(e) Vorläufer, unterhaltsam und mindestens solide ist er dennoch. Doch irgendwie nicht ganz so besonders.

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