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Alle Kommentare von Jürgen Kiontke
Vielleicht wäre in diesem Fall ein Alien-Film ohne Alien besser gewesen: Irgendwelche Fans hätten sich, so die Produktionslegende, nach einem Zusammentreffen der beiden Menschenjäger gesehnt. Als sei das Grund genug, den Alien-Topos zu zerstören, der kunstvoll durch mehrschichtig aufgebaute Filme entstanden ist. Produktionsmaschine »Mutter«, Gender-Krieg, Überleben im All, Funktionalisierung, First Contact, Suspense, Einsamkeit, Kapitalismuskritik, geniale Unterwäsche – alles vergessen: Die Popkultur gibt eben, und sie nimmt auch wieder.
Robert Stadlober brilliert als Fraktion Unterhemd. Als Großstadt-Einzelner Tom hängt er mit den anderen Einzelnen rum. Sie heißen Freunde. Mit Freund Malte (Axel Schreiber) bildet er ein Musikproduzenten-Duo.
Nachts wird im Club gearbeitet, tagsüber geträumt. Beim Kellnern. Im Vorzimmer der Plattenfirma, wo man sich so seine Gedanken darüber macht, wie man außer mit Wohnungsmiete, Umweltplakette und Drogen den Rohstoff Jugend ausbeuten kann, haben sie schon gesessen. Bald kommt auch noch die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule.
Man fährt Ford Granada und BMW 1600 mit H-Kennung. Man trägt Tattoos in den Formen der Verzierungen auf den Unterhosen der KiK-Klamottenkette. Döner Kebaps isst man nicht, man wirft sie nach Touristen. Flatrate-Saufen, Träume, Sexualität. »Ich find’ dich echt nett. Wie bescheuert, dass du deine Freundin mithast. Wollen wir uns nicht für eine Minute auf’m Klo treffen, ist besser als gar nichts … ?«
Dann kommt die Müncherin Mavie (Anna Brüggemann) und mit ihr Dialoge der Spitzenklasse:
– Was machst du?
– Ich studier’ Politik.
– Was macht man damit, wenn man fertig ist?
– Was bewegen … ? Und du?
– Ich mach’ Musik.
– Was macht man damit, wenn man fertig ist?
– Was bewegen … ?
Ein warmer Aufguss von Filmen wie »28 Days«. Wahnsinnige Irre, Panik. Abends wird dicht gemacht – ein Meilenstein im Genre des Rolladenfilms. Wenigstens spielt der Film im Sommer, das Kino als lichttherapeutische Anstalt. Regisseur Francis Lawrence: »Mich regte die Vorstellung an, dass ein Einzelner völlig isoliert in einer modernen Großstadt existieren muss.«
Das müssen die Einzelnen in Großstädten alle.
In »Alien vs. Predator II« gibt es folgende Szene: Das Mischwesen aus Predator und Alien hat sich eine neue Fortpflanzungsmethode ausgedacht. Es würgt seine Embryos aus dem Hals – hinein in den Mund einer Schwangeren, die kurz vor der Entbindung steht. Die Brut macht sich umgehend auf den Weg in die Gebärmutter, wo sie die Babys auffrisst. Der Bauch der Schwangeren platzt nun auf, mitten im Matsch quieken die kleinen Aliens.
Das ist neu. Nie dagewesen. Man hat einen unsäglich schlechten Film drumherum gedreht. Der Anblick hat mich 8,20 Euro gekostet.
Die Kinokartenpreise stagnieren seit Jahren, behauptete jüngst der Chef der Deutschen Filmakademie, Stefan Arndt: »Der Kinobesucher zahlt inzwischen fast mehr für das Parkhaus als für die Kinokarte.«
Sicher könnten Filme wie »Alien vs. Predator II« mit 18,20 Euro honoriert werden – bei dem Erinnerungswert.
„Böse Geister? Ach wo“, antwortet der junge Mann der alten Frau. Warum es den Menschen schlecht geht? Dafür sind ganz konkrete Dinge verantwortlich: „Die Leute werden von der Goldgewinnung krank.“ Das dafür benötigte Natriumzyanid würde eben einfach in die Landschaft geschüttet. „Und vergiftet Mensch und Tier.
Womit man in der Mongolei zu kämpfen hat, das erzählt der schöne Film „Das Lied von den zwei Pferden“ en passant. Im Zentrum steht die Sängerin Urna, die sich aufmacht, die uralte Pferdekopf-Geige ihrer Großmutter restaurieren zu lassen.
Die auf dem Instrument eingravierten Strophen des alten Liedes „Die zwei Pferde des Dschingis-Khan“ sind aber nicht vollständig. Und so bereist Urna das ganze Land auf die Suche nach den fehlenden Textteilen. Während der chinesischen Kulturrevolution waren Lieder und Geigen verboten. Und jetzt? Ist heute alles verschwunden?
Nein, noch nicht ganz. Der Film bestimmt den Standort der heutigen Mongolei zwischen Tradition und Moderne detailgetreu: Einerseits ist die Tradition noch sehr lebendig. Andererseits vergessen die Menschen ihre Erzählungen über iPod und Handy. „Wehe denen, die schlechte Lieder singen“, sagt eine alte Sängerin.
Die Technisierung ist aber noch keineswegs flächendeckend - der Film stellt es in einer wunderbaren Szene dar: Einmal muss Urna das Handy fünf Meter in die Luft werfen, um eine SMS abzuschicken. Das Netz ist da, aber es reicht nicht bis auf den Erdboden.
„Das Lied von den zwei Pferden“ - ein besonderes Stück Musik-Kino abseits der Hauptreiserouten.
»Avatar«, das soll der Film für die ganze Familie sein; die ohnehin fragile Mittelschicht, die die Zielgruppe bilden dürfte, soll nicht verstört werden. Das schließt auch den Nachwuchs mit ein. Ausgerechnet ein technisch beschlagener Visionär wie Cameron lässt den interstellaren Maschinenpark der Menschen entsetzlich langweilig daherkommen. Der Feldzug soll natürlich eine harsche Kritik an der gegenwärtigen Kriegsführung sein. Vielleicht ist es so: Mit »Avatar« soll das Kino eine ganze Welt erfinden. Und da liegen wohl die Stärken: Der Film liefert unglaubliche Ansichten einer phantastischen Welt. Dafür wurden gar neue Kameras erfunden, die in Computerkulissen filmen können.
Man hat Tiere und Blumen neu designt, zeigt bioenergetische Kommunikations- und Lebensadern, ein Aufgehen der Lebewesen in der sie umgebenden Welt. Der Wald leuchtet, das Gras steht unter Strom, die Tiere haben Schnittstellen. Ja, es gibt Bilder, die gab es noch nicht.
Eine echte Science-Fiction-Welt: Wozu braucht es eine Handlung mit Menschen? Der erste Kinofilm der Geschichte hatte beides nicht – er zeigte eine heranrasende Eisenbahn. Das Kino der Brüder Lumière war am Ende des 19. Jahrhunderts eine Jahrmarktsattraktion. Jetzt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, ist es das wieder, nur im neuen Format – vielleicht als Movie-App fürs iPhone.
„Eine Perle Ewigkeit“ lautet der Titel des diesjährigen Berlinale-Gewinnerfilms, der im Original „La teta asustada“ heißt, auf Deutsch: „Die erschrockene Brustwarze“. Der Film bot Kritikern ob solcher und anderer Petitessen Anlass zu Spott und Hohn – vielleicht, weil man hierzulande mit einer Bildsprache voll mythischer Anspielungen und phantastisch durchwirkter Gegenwart nicht allzuviel anfangen kann.
„La teta asustada“ war der erste peruanische Film, der jemals im Wettbewerb der Berliner Filmfestspiele lief. Er übersetzt brutale Ereignisse der jüngsten Geschichte des Landes in äußerst eigenwillige Bilder. Am Schicksal des Dienstmädchens Fausta werden die Folgen des Bürgerkriegs zwischen dem Militär und der Guerilla „Leuchtender Pfad“ thematisiert, der von 1980 bis 2000 über 70.000 Menschenleben kostete.
Fausta ist ein Opfer der „Milch des Leids“ – einer magischen Krankheit, die durch die Muttermilch übertragen wird: Nach einem alten Inka-Mythos übertragen jene Mütter diese Krankheit auf ihre Töchter, die während des Krieges Opfer von Gewalttaten wurden. Fausta weiß nur, dass sie leitet – und drückt ihren Schmerz in indianischen Lieder aus.
Doch die Mutter stirbt, und Faustas Leben soll sich drastisch verändern. So kommt die junge Frau als Bedienstete in den Haushalt einer reichen Pianistin, die in Fausta eine Inspiration sieht – und in ihren Liedern finanziellen Potenzial. Für Fausta könnte dies aber ein Schritt aus dem Schatten der belastenden Vergangenheit sein.
„Eine Perle Ewigkeit“ ist zauberhaft real und wenig subtil – eine der zentralen Einstellungen ist die vom Hochzeitsbett, in dessen Bettkasten die tote Mutter während der Hochzeitsnacht einquartiert wird!
Die Welt geht unter, fast die ganze Menschheit wird vernichtet, und eine Menge Platz in der Arche Emmerich geht für Pekinesen und Schäferhunde drauf. Die eigentliche Fallhöhe besteht in diesem Film darin, dass er die Banalität der Erzählweise nicht mit den optischen Eindrücken auf einen Nenner bringen kann. Fazit: Es gibt nicht viele Regisseure, die so wenig mit Menschen anfangen können wie Emmerich. Mit anderen Dingen aber schon: Er sollte der Erde endlich Adieu sagen und gigantische Science-Fiction-Schlachten zwischen den Galaxien inszenieren.
Axel Ranisch ist eine imposante Erscheinung: Ausgestattet mit Leibesfülle und Fusselbart macht er schon rein optisch dem großen Vorbild Michael Moore Konkurrenz.
Das ist gewollt und eine Persiflage auf das Dokumentarfilm-Genie. Denn auch Axel soll ein Filmemacher sein. In Philipp Eichholtz’ Doku-Drama übernimmt er als investigative Figur die Spielszenen zwischen den O-Tönen: Als klammer Regisseur möchte er einen kritischen Dokumentarfilm drehen, bekommt Ärger mit der Lebenspartnerin und alsbald auch mit der Armutsverwaltung. Nun kann er das Ausmaß der deutschen Datensammelwut am eigenen Leib erfahren - und mitfilmen.
Regisseur Eichholtz wählt eine ungewöhnliche Form, um von seinem Anliegen zu berichten: der Vorratsdatenspeicherung und Überwachung durch Behörden und Konzerne. Dabei lässt er seinen Adlatus Ranisch den - echten - Interviewpartnern aus Parteien und Ministerien beharrlich die immergleiche Frage stellen: Was passiert angesichts der aktuellen Rechtsprechung und geplanter Gesetzesvorhaben wie etwa der Online-Durchsuchung von Computern mit meinen Daten?
Von Terrorismusabwehr ist die Rede, und dass alles schon nicht so schlimm wird.
Die Datenschützer, die Ranisch ebenfalls interviewt, sind sich da gar nicht so sicher. Die jüngsten Datenskandale bei der Telekom oder der Bahn sprechen eine andere Sprache: Ist Überwachung einmal im Gange, entzieht sie sich schnell der Kontrolle. Auch wenn die Erzählkonstruktion des Films gewöhnungsbedürftig ist - sonderlich beruhigend sind die Statements nicht.
Die Waris Dirie in diesem Format kann nicht reden, nicht schreiben, nicht lesen. Sie hat keine richtigen Papiere und stolpert durchs Leben. Sie ist wunderschön, aber das sind viele; ihr Typ ist gerade gefragt, der Zufall ist ihr Kunde.
Ruppig und rüde ist der Stil dieser Erzählung des Lebens der Dirie von Beginn an; glänzend bis unmöglich die Verfilmung: Immer in Hetze, atemlos, so dokumentiert dieser oft brüchige und unklare Film diese Geschichte, die ebenfalls voller Brüche und Unklarheiten ist.
Wenn Polizeihauptmann Nascimento zur Arbeit geht, dann hat er eines immer dabei: eine durchsichtige Plastiktüte. Die stülpt er den widerspenstigen jungen Drogendealern in den Favelas Rio de Janeiros über den Kopf, um sie ein wenig gesprächiger zu machen. Das Opfer japst, dann spritzt Blut. Aus den Ohren? Aus der Nase? Egal, die Tüte färbt sich rot. Ein schauriges Bild. Es ist nicht die einzige Szene in Jose Padilhas Favela-Film "Tropa de Elite", in der exzessive Gewalt gezeigt wird. An anderen Stellen werden Menschen zerstückelt und verbrannt. Aber es dürfte die Tütenfolter sein, mit der es der Schauspieler Wagner Moura in der Rolle des depressiven, Pillen schluckenden Capitão Nascimento in Brasilien zu Kultstatus gebracht hat: Essen Kinder ihren Teller nicht leer, heißt es: Achtung, der Capitão Nascimento kommt. Auto falsch geparkt? Ein Fall für den Capitão. Nascimento, er ist eine Kultfigur geworden - in den Favelas wie auch in der gehobenen Gesellschaftsschicht. Er steht für rücksichtsloses Durchgreifen. Und Gewalt, die hat in "Tropa de Elite" einigen Schauwert. Der Schauwert solcher Einstellungen kann nicht darüber täuschen, dass der Film nicht nur die schwärmerische Studentensicht auf die Armut, sondern jegliche zivilgesellschaftliche Initiative denunziert. Spätestens mit der Schlussoffensive der Tropa schiebt der Film den Zuschauer auf die Seite der waffenstarrenden Kämpfer des Capitão Nascimento. Doch was ist deren Job wirklich? Sie liquidieren Kindersoldaten im Drogenkrieg. Was der Film vernachlässigt: Der Aufstieg der Drogenbanden wird auch durch die rigiden sozialen Verhältnisse begünstigt. Die Favelas von Rio sind Heimat der Reservearmeen für den Hausangestelltenmarkt der Mittel- und Oberschicht. Da mutet es absurd an, wenn der Staat als Träger sozialer Funktionen abwesend ist, aber Militäreinheiten zur Erhaltung einer Ordnung aufbietet, die im wesentlichen auf der Selbstorganisation der lokalen Bevölkerung beruht. Der Regisseur, José Padilha, ist in den letzten zwei Jahren nicht müde geworden zu betonen, dass sein Film die Methoden des BOPE anprangert. Der Film frage nach den Menschenrechten im täglichen Gemetzel. Beim Publikum bleibt aber offensichtlich anderes hängen.
Es ist aber nicht nur der Kampf der Regierung gegen die Drogenszene, der hier gezeigt wird. Es ist der Kampf aller gegen alle. Und die Verleihung des Goldenen Bären der Berliner Filmfestspiele 2008 war schon allein deshalb berechtigt, weil "Tropa de Elite" weltweit der umstrittenste und meistdiskutierte Film war.
Wir sind jung, stark und motiviert.« Der 22jährige Valtis aus Kamerun weiß, wie man die Afrikaner seiner Generation charakterisiert. Wie seine Altersgenossen, die Bettina Haasen in ihrem Film »Hotel Sahara« porträtiert, ist er auf dem Sprung nach Europa. Und wie Zehntausende anderer ist er in der Stadt Nouadhibou im westafrikanischen Mauretanien klebengeblieben. Die Überfahrt ist zu teuer. »Casablanca des 21. Jahrhunderts« ist der Schimpf- wie Spitzname der Stadt.
Nouadhibou ist für die Reisewilligen des ganzen Kontinents oft die letzte Station vor dem großen Sprung. Hier steigen sie in die klapprigen Boote der Schlepper und hoffen, dass sie heil auf den 1 000 Kilometer entfernten Kanarischen Inseln ankommen. Mit erschütternden Bildern von fast oder ganz Ertrunkenen geht diese Reisewelle einher. Denn Europa hat sich gegen legale Einwanderung abgeschottet, der illegale, oft todbringende Weg über das Meer ist der einzig mögliche.
Früher hätten sich die Europäer der Sklaverei bedient, heute eben der illegalen Migration, erklärt ein Fischer am Strand: »Afrika baut Europa auf.«
Stumm und überwältigend illustrieren Dünenlandschaft und rostige Schiffe die Aussagen – »Hotel Sahara« ist ein in seiner Fotografie und Montage herausragender Film, der die Geschichte der Migration von unten erzählt.
Lena (Penelope Cruz) hat das Leben als Sekretärin satt. Heimlich hat sie Schauspielunterricht genommen. Ihre große Chance lässt nicht lange auf sich warten: gleich gibt’s die Hauptrolle in dem Retro-Blockbuster „Frauen und Koffer“ und auch eine im Leben des geheimnisvollen Regisseurs Matteo (Lluís Homar).
Eine gefährliche Leidenschaft: Denn Lena ist noch mit dem stinkereichen Ernesto (Jose Luis Gomez) liiert - ein böser, eifersüchtiger Mann. Und alt: Ernesto ist 60, hat Geld wie Heu und halb Spanien gehört ihm auch. Bald übrigens auch der Film. Was Wunder, dass es alsbald mannigfache Verwicklungen gibt.
Für seinen neues Werk musste der spanische Regisseur Pedro Almodovar nicht allzu weit laufen: Das Meiste in „Zerrissene Umarmungen“ spielt mehr oder weniger in einem Filmset. Die Hauptfigur ist ein Regisseur, die Handlung eine Moritat, die sich aus Filmzitaten zusammensetzt. Na, das trifft sich ja gut.
Im Mittelpunkt steht der Autor und Filmemacher Matteo Blanco, der seit 14 Jahren in der Dunkelheit lebt. Das Augenlicht hat er samt seiner großen Liebe Lena bei einem Autounfall auf Lanzarote verloren. Nun diktiert er unter dem symbolträchtigen Namen Harry Caine Drehbücher und Literatur, wenn er nicht gerade eine junge, schöne Vorleserin flachlegt.
Im Anschluss an derlei Exposition geht Almodovars Film zwei Stunden um den Block, bis uns die schröckliche Vergangenheit mit ihrer Wahrheit sukzessive eingeholt hat. Es gibt erschreckend schlecht gespielte Liebesszenen zu besichtigen und ortstypische Wutausbrüche. Überraschende Wendungen der Geschichte bestehen darin, dass irgendwer unerwartet homosexuell statt erwartbar hetero ist. Die andere Hälfte der Witze beruht auf der Altersdifferenz zwischen Lena und ihrem Finanzmogul, Ernesto: „Männer meines Alters können schon mal Herzprobleme kriegen nach sechs Mal.“ Lena: „Du bist kein Mann deines Alters.“
Die Filmstruktur gleicht dabei dem kindlichen Erzählen: Und dann ist das passiert, und dann das. Und dann haben Penelope Cruz und der Mann mal wieder die Klamotten ausgezogen.
Das Erzähltempo gastiert auf der Kriechspur - wie bisweilen auch die Action-Szenen: So kriegt Almodovar das sicherlich schwierige Kunststück hin, Penelope Cruz von Ernesto die Treppe hinunterschmeißen und die Szene dabei aussehen zu lassen, als hätte sich keiner bewegt. Cruz nicht, der Bösewicht nicht, die Treppe auch nicht. „Zerrissene Umarmungen“, könnte man sagen, ist mit seiner Klischeehaftigkeit die Arthouse-Version von „Transformers“.
Die Grenzen des wahnhaft Absurden lotet Bechis auch in »Birdwatchers« aus. Für eine realistische Darstellung der Konflikte arbeitete er mit den Indianern vor Ort zusammen. Auf deren Frage, wie man sich das denn vorzustellen habe mit der Schauspielerei, zeigte er ihnen Sergio Leones »Spiel mir das Lied vom Tod«. Er habe damit demonstrieren wollen, dass es weniger auf Dialoge als auf wortlose Aktion ankomme.
Mit diesem Ansatz konnten die Akteure offen sichtlich etwas anfangen. »Birdwatchers« ist nicht weniger karg und roh in der Darstellung menschlicher Beziehungen als der legendäre Italo-Western von Sergio Leone.
Das Phänomen Kandel, den polyglotten, weltoffenen, immer gut gelaunten und doch – oder deswegen – an seine Vergangenheit gebundenen Wissenschaftler, vielen Menschen bekannt zu machen, das kann notwendig sein. Kandel gibt gern Interviews, er erklärt seinen Forschungsgegenstand, er geht in Fernsehshows, er hat 2006 eine Autobiografie vorgelegt, die ein Bestseller wurde. Dennoch hat es sich die deutsche Regisseurin Petra Seeger zum Ziel gesetzt, ihm einen Dokumentarfilm zu widmen. Zwei Jahre begleitete sie den quirligen Mann durch seinen Alltag in New York und auf eine Reise zu seinen Wurzeln in Wien. »Auf der Suche nach dem Gedächtnis« lautet der Titel. »Auf der Suche nach meinem Gedächtnis« wäre auch nicht verkehrt: Kino, das ist technisches Erinnern. Der Film sei für ihn wie eine Psychoanalyse, sagt Kandel. »Die Erinnerung versieht unser Leben mit Kontinuität, ohne die bindende Kraft der Erinnerung würden unsere Erfahrungen in ebenso viele Bruchstücke zersplittern, wie es Momente im Leben gibt.«
Nun schaut man ihm zu, wie er in seiner unnachahmlichen Art mit Leuten ins Gespräch kommt, wie er die Situationskomik des Augenblicks auslebt. Regisseurin Seeger sagt: »Ich habe den Gedächtnisforscher in seinem Prozess der Erinnerung begleitet. Ich habe den Prozess nicht bestimmt, sondern mit dem, was er mir zeigen wollte, gearbeitet.«
Der Film ist sehenswert, weil er sehr gut montiert ist, Lernstoff transportiert und das Wesen des Protagonisten einzufangen scheint. In der Logik des Films bedeutet dies: Jemand, der Leid erfahren hat, konfrontiert sich mit dem Geschehenen und arbeitet genau mit diesem Schmerz und schafft daraus seine Gegenwart. Kandels Forschungen besagen: Das Hirn ist veränderbar. Neue Erfahrungen können alte überschreiben. »Ein antidepressiver Film« sei dies, glaubt Seeger.
Was zu der Frage überleitet: Wie und warum funktioniert eigentlich Vergessen? Der Film liefert dazu keine direkte Antwort. »Ohne Gedächtnis wären wir nichts«, sagt Kandel.
Soderbergh führt heran, erklärt sich selbst, was er anderen erklären möchte – und zwischenzeitlich fühlt man sich sogar an Filme von Ken Loach erinnert, dessen Thema das hier natürlich wäre.
Dass Soderbergh leider nicht so genial und kontext-affin ist wie Loach, muss man bald einsehen. Denn allzuviel Energie wird darauf verwendet, dass alles so aussieht, wie es aussehen muss. »Che – Revolucion« bietet eine Menge langer Einstellungen, in denen man den Revolutionären – qualmende Zigarren, qualmende Colts – beim Rauchen zusieht, und dem Betrachter mögen da wiederum die vielen Hansel des Pop-Kosmos einfallen, die genau dieses Verhalten kopiert haben: Sieg eingefahren, Zigarre angesteckt. Dabei u.a. schon gesehen: Arnold Schwarzenegger auf der Cebit, Will Smith am »Independence Day«, nachdem er die Außerirdischen mit der Atombombe verprügelt hat, Rot-grün beim Wahlsieg 1998. So wird Che von der eigenen Serialität eingeholt.Was würde Guevara heute tun, hätte man ihn bei seiner Mission in Bolivien nicht umgebracht? Wahrscheinlich immer noch rauchen, wenn auch auf dem letzten Loch. Und mit Hugo Chávez und Diego Maradona Solarkraftwerke für Südamerika planen. Vielleicht gäbe es weniger T-Shirts – oder mehr Copyright. Kampfgefährte Camilo (Santiago Cabrera) scheint das Schicksal seines Kumpels schon damals verstanden zu haben. »Ich sperr dich in einen Käfig«, sagt er in einer Filmszene von »Che – Revolucion«, »zieh dich durch Kuba und verlange Eintritt. Bald sind wir reich!«
Ahmed und seine Freunde spielen Krieg. Ein israelischer Soldat verwechselt Spaß und Ernst und schießt dem zwölfjährigen Ahmed in den Kopf. Sein Vater gibt die Organe zur Spende frei. Überraschenderweise erteilen sowohl der Imam als auch die Hamas ihre Zustimmung. Das Herz erhält so die kleine Tochter eines orthodoxen Juden.
Die Meldung geht um die Welt. Die Regisseure Marcus Vetter und Leon Geller besuchen Ahmeds Vater Ismael Khatib, begleiten ihn auf dem Weg zu den Kindern, die nun mit den Organen seines Sohnes leben. Das Ergebnis ist der Dokumentarfilm "Das Herz von Jenin", der die Friedensbotschaft verkünden soll: Verständigung ist über alle Schmerzen hinweg möglich. Erreichen tut er womöglich das Gegenteil.
Im Kriegszustand ist alles Krieg, sogar der Frieden: "Rocky Kabul" nennen die Freunde den Soldaten David auf Heimaturlaub. Denn er absolviert seinen Dienst für die Bundeswehr in der afghanischen Hauptstadt. Nur ein Held ist er nicht, wie ihn die Leute gerne hätten. Vielmehr ist er dabei, verrückt zu werden: David kann nachts vor lauter Angst nicht schlafen, weil auch die Angst nie schläft - und tagsüber zuckt er bei jeder Kleinigkeit zusammen. Er rettet sich in Übersprungshandlungen. So will er seinen Halbbruder aufs Überleben trainieren. Ganz klar: David ist durch den Krieg traumatisiert. Er ist die Hauptfigur des deutschen Films "Nacht vor Augen", zu sehen auf dem Filmfestival "Ausnahmezustand" des Vereins Irrsinnig Menschlich e.V. aus Dresden. Das Festival basiert auf einem einzigartigen, von der Berliner Agentur EYZ entwickelten Konzept: Große Organisationen übernehmen die Patenschaften für einen der zwölf Filme. Lokale Gruppen bekunden den Wunsch, das Festival in ihrer Stadt zu zeigen, auf einer Website kann man sich anmelden. Die Organisatoren kümmern sich um Kinos und die Verschickung der Filme. In Zeiten der Kinodigitalisierung ist der Aufwand gering. Die Vorführungen werden von Diskussionen und Filmgesprächen mit Regisseuren, Schauspielern und Unterstützern flankiert. www.ausnahmezustand.de
Als Siebenjähriger verliert Emmanuel aus dem Sudan seine Mutter und wird in einem äthiopischen Trainingscamp zum Kindersoldaten ausgebildet. Ihm und 400 weiteren Kindern gelingt die Flucht. Emmanuel hat Glück, er wird adoptiert. Seine "neue" Mutter schmuggelt ihn nach Kenia, wo er zur Schule geht. Als sie stirbt, ist Emmanuel gerade 13. In dieser Zeit beginnt er, seine Erfahrungen im Bürgerkrieg durch Musik machen zu verarbeiten - mit Erfolg: 2005 landet Emmanuel sogar einen Hit in Kenia. Mittlerweile ist er in Afrika kein Unbekannter mehr. Er nutzt seinen Status, um Jugendliche im Sudan zu unterstützen, damit sie zur Schule gehen und eine Ausbildung erhalten können.
Shaheen Dill-Riaz wurde 1969 in Dhaka, Bangladesch, geboren. Er war Mitorganisator des International Short Film Festivals Dhaka und arbeitete als Filmjournalist. Nach einem Studium der Kunstgeschichte an der FU Berlin begann er 1995 ein Kamerastudium in Filmhochschule Potsdam-Babelsberg.
Sein Abschlussfilm „Sand und Wasser“ zeigt das Leben der Menschen im Jamuna-Delta, wo das Leben der Menschen vom Rhythmus des Wassers, von Dürre und Überflutung bestimmt wird.
Richtig bekannt wurde er mit dem Dokumentarfilm „Eisenfresser“ - 2005 verbrachte mit seinem Team fünf Monate bei den Arbeitern auf einer Werft am Strand von Chittagong.
Mit seinem neuen Film „Korankinder“ findet er Zugang zur Religion – und drehte in den Schulen, in denen die Verse des Koran auswendiggelernt werden, den Madrasas. Sie gelten als Kaderschmieden des islamistischen Terrors.
Für die Wochenzeitung Jungle World führte ich ein Interview mit dem Regisseur.
Als Parabel auf die Gegenwart dient dieser Film kaum, er verweist auf nichts, er nimmt nichts auf, er ist reines Konglomerat. So wirkt der Versuch, Teile älterer Terminator-Filme zu integrieren, beinahe zwanghaft, etwa wenn Arnold Schwarzenegger einen kleinen Auftritt hat oder der gute Mann aus Eisen im Finale des Films den schlechten auch nur mit Stahl abkocht.
Dabei lautet die Frage, deren Beantwortung man sich von »Terminator 4« erhofft hätte: Wie kann eine Science-Fiction-Bildsprache im beginnenden Jahrtausend aussehen?
Es scheint, dass die Macher von »Terminator 4« davon keine Vorstellung haben. Denn Science-Fiction stand lange unter dem Einfluss des Kalten Krieges und beinhaltete neben der Idee vom Vorsprung durch Technik immer auch eine Vision einer besseren Welt. Die lässt sich in »Terminator 4« jedoch nicht ausmachen. Hier nimmt der Maschinenmensch das Menschenkind vielmehr irgendwann versöhnlich bei der Hand. Ob die Fortspinnerei des Terminator-Märchens in dieser Form nun nur gedankenlos ist oder das handfeste Zeichen eines gesellschaftlichen Rollback, mag jeder für sich entscheiden. Männer schmieren hier die Technik, Frauen die Pausenbrote, das jedenfalls wird uns hier gesellschaftspolitisch zugemutet. Der beste Freund des Menschen bleibt dabei immer die Schrotflinte. »Was ist der Unterschied zwischen uns und den Maschinen?« wird an einer Stelle gefragt. Antwort: »Wir begraben die Toten.« Der Film wäre bestimmt sehr viel besser, wenn sich mal zwei Maschinen unterhalten hätten.
"Welcome" perfektioniert die Verschränkung verschiedener Erlebniswelten: Regisseur Philippe Loiret lässt einen geschiedenen Schwimmlehrer während einer tiefen Lebenskrise in der französischen Kanalstadt Calais auf einen minderjährigen Flüchtling aus dem Irak treffen. Der Junge will nach London - zu dem Mädchen, das er liebt. "Ich bin nicht mal über die Straße gegangen, um dich zurückzukriegen", sagt der Lehrer zu seiner Ex-Frau. Der Pädagoge mit olympischer Vergangenheit bildet den Jungen zum Schwimmstar aus -, der muss es schließlich über den Ärmelkanal schaffen. Wie kommt man angesichts freier Warenströme - der Lastwagen kommt auf die Fähre, der Flüchtling nicht - und geschlossener Grenzen auf würdige Art und Weise ans Ziel eigener Wünsche? Härten sind dem Publikum zuzumuten, dieses Kino ist nicht kuschelig.
"London River" löst den Rassismus seiner Protagonistin in den Wirren einer veränderten Welt auf: Eine vorurteilsgeladene Mutter aus England und ein französischer Vater mit afrikanischen Wurzeln begeben sich mit gemeinsamer Abneigung auf die Suche nach ihren Kindern, die im Anschluss an das Londoner Busattentat vom 7. Juli 2005 mit 50 Toten verschwunden sind. "London River" vereint dabei die Ebene des Politischen mit der individuellen Erfahrung der Entfremdung in den Familien. Mutter wie Vater erfahren erst per Zufall, dass ihre Kinder ein Paar waren.
Al-Qaida hat’s vorgemacht, der Westen ist böse, seine Scheißtechnik benutzt man trotzdem. Auch das Motiv des jungen Killers in »Untraceable« ist zivilisationskritisch – wie der ganze Film, der Folgendes erahnen lässt: Entweder werden die behördlichen Befugnisse ausgeweitet. Besser wäre aber: Die Abschaffung des Internets plus Inhaftierung aller Jugendlichen.
Dann müsste ein Web-Killer wieder mit der Super-8-Kamera arbeiten. Das wäre zwar retro, aber eine Chance fürs Kino, wieder an einer eigenen Bildsprache zu arbeiten.
Seit geraumer Zeit privatisieren immer mehr Industrie- und Entwicklungsländer ihre Wasserversorgung und übertragen mitunter das gesamte System an private Unternehmen - meist weltweit operierende Wasserkonzerne, die den Leuten verkaufen, was ihnen ursprünglich selbst gehörte.
Dem gegenüber steht eine Bewegung, die den Zugang zu sauberem Trinkwasser zu einem Menschenrecht erklärt hat, dass geachtet, geschützt und verwirklicht werden muss.
Dies ist der Hintergrund für Udo Maurers Dokumentarfilm „Über Wasser“. Der Film erzählt in drei Geschichten von der existenziellen Bedeutung des Wassers für die Menschheit: In der Steppe Kasachstans, wo Fischerdörfer und Schiffe nach dem Verschwinden des Aralsees plötzlich in einer Wüste stehen, und in den dichtbewohnten Slums von Nairobi, wo Trinkwasser zur teuersten, weil wichtigsten Ware wird: „Nicht jeder kann fließendes Wasser zu Hause haben“, sagt ein Wasserverkäufer, „auch die Finger meiner Hand sind nicht alle gleich lang.“
Wasser, das zwar überall vorhanden ist, aber als Bedrohung daherkommt, begegnet dem Publikum wiederum im überfluteten Bangladesch. Wohnhäuser müssen dort auf einmal als Boote herhalten.
Wasser als Luxus, Rohstoff, Waffe: „Über Wasser“ wirft viele Selbstverständlichkeiten über den Haufen.