mikkean - Kommentare

Alle Kommentare von mikkean

  • 5 .5
    über Proxy

    Babys, die noch im Mutterleib zu Tode geprügelt werden, was für ein Mittel zur natürlichen Selektion des Publikums. Zack Parker's "Proxy" macht jedenfalls keinerlei Anstalten, sich bei zart besaiteten Seelen anzubiedern.

    Dies ist ein Exkurs in soziopathische Gedankenwelten. Hier dürfen wir hautnah miterleben, zu welch abstoßenden Mitteln gestörte Persönlichkeiten fähig sind, um sich die Aufmerksamkeit anderer zu verschaffen. Ein wahrhaft ungewöhnliches Horrowerk für Hartgesottene. Denn selbst ohne ausgewalzte, grafische Scheußlichkeiten, wird hier ziemlich konfrontativ aufs Moral- und Geschmacks-Empfinden losgegangen.

    Auf seine morbide Weise funktioniert "Proxy" allerdings. In seiner traumwandlerischen Blase ist es durchaus möglich, vom Geschehen gefesselt zu werden, was vor allem dem gar nicht üblen Schauspiel zu verdanken ist. An seine selbsternannten Vorbilder wie Stanley Kubrick kommt Parker jedoch nicht heran. Dafür bleibt der Film trotz aller Krassheit einfach nicht lange genug im Gedächtnis haften.

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    • 2

      Herrjemine, ein weiblicher Rache-Engel im Nonnenkostüm provoziert mich zu einer außergewöhnlichen Grundsatzdebatte. Es hilft nix, da müssen wir jetzt durch.

      "Get My Gun" ist einerseits ein Low-Budget-Schocker, triefend vor dem Charme ranziger Bums-Motels, Vergewaltigen, drastischen Verstümmelungen. Offenkundige Verbeugungen vor Abel Ferrera und John Carpenter dienen als zusätzliche Schoko-Streusel auf dem stinkenden Kuchen.

      Zudem könnte sich der Film mit den Federn einer schonungslos feministischen Selbstjustiz-Phantasie schmücken. Genauso gut ließe er sich auch missverstehen als Plädoyer der Waffenlobby und als Futter für die Verfechter:innen der letalen Selbstverteidigung.

      Und zu guter Letzt, reden wir von einem jener Titel, bei denen die FSK heutzutage noch in die Hände klatscht und gleich fünf Minuten entfernt sehen will. Objektiv ärgerlich. Gleichzeitig darf das verkürzte Sehvergnügen durchaus als Erleichterung empfunden werden.

      Denn, aus welchem Blickwinkel auch betrachtet, "Get My Gun" rechtfertigt keine der naheliegenden Diskussionen. Trotz zerfetzter Hände, zermatschter Schädel und satanischer Baby-Räuberinnen, rast der Film eine geistige Einbahnstraße hinab, die uns schnell ins Wachkoma befördert.

      Ich moniere an dieser Stelle nicht einmal fehlende Moral-Diskurse oder charakterliche Reflexion. Was ich sagen will: dieser Film ist die reinste Zeitverschwendung. Wären der erste und letzte Akt als Bebilderung für Cannibal Corpse oder Slayer angefertigt worden, ließe sich ein milderes Urteil fällen.

      Aber so, für sich allein, verfehlt der Möchtegern-Aufreger jedes seiner selbstgesteckten Ziele. Und pustet sich mit seiner "Inside"-Episode jeglichen Rest Logik aus der eigenen Birne. Da kann auch ich nicht an mich halten und sage, selbst in verstümmelter Form offenbart sich hier das ganze Elend. Lieber nicht selbst nachprüfen. Ich schwöre, es gibt besseren Gewalt-Schund.

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      • 1

        Der Horror-Jux für die nächste Ü-60-Party. Dem blutsaugenden Ding aus dem Sumpf sollten sich alle möglichst nur im Strahlenschutz-Anzug nähern. Best-Ager als Held:innen und ein Ferienort als Kulisse, klingt ja noch nach einer recht vielversprechenden Trash-Perle.

        "Bog" hingegen ist mit regelrechtem Unvermögen erdacht, gespielt und realisiert worden. Selbst fürs Erscheinungsbild-Jahr 1979 wirkt der Film geradezu aus der Zeit gefallen. Einfach alles, an jeder dargebotenen Leistung, wirkt so, als hätte es lieber anderthalb Jahrzehnte zuvor Wellen schlagen sollen.

        Die Billig-Kulissen und der Monster-Anzug sind natürlich wahnsinnig grotesk. Das nervige, wie endlos wiederholte, Titellied fräst sich schnell ins Hirn wie der Song von Silver Shamrock.

        Es lässt sich aber nicht verhüllen, wie erbarmungslos langweilig "Bog" an sich ist. Es darf gelacht werden, der Gag nutzt sich ziemlich schnell ab.

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        • 4

          Auch ein Ring-Master kann einmal daneben greifen. Hideo Nakata darf sich jetzt und für alle Zeit, verdientermaßen etwas auf seine Referenz-Titel "Ring 1 & 2" und "Dark Water" einbilden. Mit "Split Desires – Dunkle Triebe" möchte er uns aufs erotische Glatteis führen. Was ihm allerdings anders als von ihm beabsichtigt gelingt.

          Herausgekommen ist ein kaum verwirrender Psycho-Thriller mit melodramatischem Touch. Wo der Film im Grunde echte Nicht-Rätsel zu bieten hat, wartet er wiederum mit lesbischen Liebesspielen, samt feuchtfröhlichem Gefummel und abgeleckten Vibratoren auf.

          Japanischen Moralhütern mag da, auch wegen der Kulisse von Lutsch- und Stöhn-Geräuschen, noch die glühende Rübe durchbrennen, westliche Augen dürften hingegen kaum mit der Wimper zucken. Dafür ist Nakatas Stil so moderat, wie auch irgendwie einschläfernd.

          Als Porträt eines Missbrauchsopfers mit multiplen Persönlichkeiten könnte das noch funktionieren. Doch für eine wirklich fesselnde Erzählung fehlt es an Figuren, die echte Impulse geben. Und selbst bei den eruptiven Gewaltschüben schlägt die Nadel bei "Split Desires" kaum aus. So langsam der Film verläuft, so schnell ist er wieder vergessen.

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          • 6 .5

            Es ist doch immer wieder schön zu sehen, dass sich aus der Allerwelts-Beschreibung "einsames Haus in der Dunkelheit", doch noch spannende Filme zaubern lassen, die sogar echte Impulse für ein übersättigtes Genre geben können.

            Alles, was es bei "The House at Night" für diese Leistung braucht, sind gut genutzter Raum, verhaltenes Tempo und vollstes Vertrauen ins emotionale Repertoire der Hauptdarstellerin. Rebecca Hall beweist da ihre ganze Klasse, indem sie uns auf den Weg der jüngst verwitweten Beth mitnimmt, vom Schock über den Suizid ihres Gatten, auf die Fährte seiner sorgsam verborgenen Schattenseiten.

            Das mag an sich nicht allzu untypisch für einen Horrorfilm klingen, erweist sich letztlich aber als klügster Schachzug für einen der überzeugendsten Beiträge der jüngsten Zeit. David Bruckner überzeugte ja bereits mit seinen Arbeiten an "V/H/S", "The Signal" oder "Southbound", mit "The House at Night" beweist er, dass Atmosphäre und Set Design auch über weite Strecken für jede Menge (An-)Spannung sorgen.

            Bis zur Enttarnung des eigentlichen Bösewichts funktioniert das auch hervorragend. Ab da erleben wir ein zweigeteiltes Werk, das mich persönlich, vollends unterhielt. Es darf jetzt aber nicht kriminalisiert werden, zu behaupten, dass die erste Hälfte für mich die Zweite etwas übertrifft. Der Endkampf ist dicht inszeniert, da gibt es nichts zu beanstanden.

            Es liegt vielleicht in der Natur der Sache, dass sein derart stimmiger Film nicht mit jeder Überraschung die eigene Messlatte zerbersten lässt. Vor dem letzten Akt jedoch würde ich "The House at Night" auch eine höhere Bewertung zuschreiben. Ich muss mich vielleicht nochmals mit dem Rest versöhnen. Eine definitive Empfehlung lässt sich an dieser Stelle aber auch nicht vermeiden.

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            • 7

              Ein schöner Einlauf für Amerikas Hass-Maschine. Auch wenn die es gar nicht nötig hätte. Bei "The Hunt" gehen die Meinungen, gelinde gesagt, ziemlich auseinander.

              Die einen insistieren, hier würde uns die böseste und sehr verkannte Gewalt-Satire der letzten Jahre vorliegen. Andere heben die Diskussion lieber gleich aufs politische Level. Der trottelige Donald T. beispielsweise polterte damals, dieser Film verkörperte einen unverhohlenen Gewalt-Aufruf ans ach so bedrohte konservative Lager.

              Und wer behauptet, "The Hunt" sei eine lediglich mittelmäßige Modernisierung des Motivs der Menschen-Jagd, die sich vor allem inhaltlich aufbläht, hat auch nicht so Unrecht.

              Die Wahrheit ist, auf einen Film wie diesen sollten die Leute deutlich reagieren. Dass allerdings mehr über die Frage gestritten wurde, welche Leute hier im Zielfernrohr anvisiert werden, anstatt moralische Empörung über den bloßen Gedanken ans Töten zu üben, sagt schon einiges über manche Gesellschaften.

              Was das Handwerkliche angeht, haben wir es mit einem unterhaltsamen Jagdbetrieb zu tun, der ein paar wirklich gute Gags auffährt. Wie satirisch und entblößend es nun auch erscheinen mag, vermeintliche Gutmenschen (mit all ihrer moralischen Erhöhung) als Killer darzustellen, sei einmal dahingestellt.

              Hingegen sehr hilfreich für den Verkauf des Stoffes ist Hilary Swank als Ober-Schurkin. Es hätte keine bessere Besetzung geben können und Swank macht mit ihrem herrlichen Auftritt gelegentliche Fehlgriffe wie "Fatale" vergessen. Da braucht es natürlich schon eine ebenbürtige Gegenspielerin. Mit Betty Gilpin wird diese Aufgabe mehr als ausreichend erfüllt.

              Gilpin's Überlebenskämpferin ist denn auch der wahre Star von "The Hunt". So wortkarg wie sarkastisch und wenig zimperlich, bestimmt Crystal May Creasey (allein der Name ist doch pure Poesie) den Ton des Films und verkauft uns so auch gekonnt die ein, zwei durchaus anzuführenden Überraschungen des Drehbuchs. Ja, gut, an dieser Stelle muss ich natürlich einräumen, dass auch das Schwein einen nicht unerheblichen Anteil am Erfolg der Unternehmung hat.

              So wenig hintersinnig die Satire auch für manche erscheinen mag, "The Hunt" verkörpert zumindest ein kurzweiliges Vergnügen der etwas fieseren Art, bei dem neben den Tötungen, auch manche Dialogzeile auf schwärzere Weise unterhält. Das mag schon bedenklich klingen, aber wenn schon eine Menschen-Jagd, dann doch bitte eine, bei der ich sowohl den Jägern, wie den Gejagten an sich keine Träne nachweine.

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              • 3 .5

                Wenn RTL Zwei ein Lebensgefühl wäre, dann würde "Lieben ohne Grenzen" als der dazugehörige Film durchgehen. Ein Cast junger, hübscher Menschen durchlebt den Wellengang des Lebens, bestehend aus Krebserkrankungen, rassistischen Vorurteilen und fremdgehenden Partnern.

                Und nein, das geschieht nicht alles einer Person, was der anvisierten Zielgruppe vermutlich auch nicht aufstoßen würde. Unsereins hingegen mag nur den Kopf schütteln, angesichts eines problembeladenen Plot, bei dem sich am Ende alles durch Zuhören und Zureden in reinstes Wohlgefallen auflöst.

                Da wird der Krebsdiagnose durch Kündigung des Jobs getrotzt (monetäre Belange zählen in der Filmwelt nicht). Der Familie muss das auch nicht auf die Nase gebunden, weil die sich schon genug streitet. Und als wäre das nicht schon ausreichend, wartet im Krankenhaus noch ein jugendlicher Patient darauf, eine Bucket List abzuarbeiten, die vom Road Trip bis zum Hollywood-Abschluss kein Klischee auslässt.

                Ja, wer sich mit Figuren abfinden kann, die nichts weiter tun, als gut auszusehen und ein paar Sätze aufzusagen, wird sich an "Liebe ohne Grenzen" vielleicht gar nicht so stören. Dafür muss nur klar sein, dass dieser vollkommen belanglose Film – der mehr wie eine Webserie anmutet – kaum über die Vitalität einer Flatline hinausreicht.

                Es ist schon verwunderlich, wie sich hier recht unterschiedliche Dramen- und Komödien-Ansätze zusammenfinden, nur um einen zähen Brei der Belanglosigkeit zu ergeben. An dieser Stelle kann ich nur appellieren, meinen Worten Glauben zu schenken und sich das hier nicht noch selber zu geben.

                • 4

                  Achtung, vor übertriebener Wertsteigerung wird gewarnt. "Slayed" (alias "Initiation") versucht sich zum Auftakt an einem ganz heißen Eisen.

                  Sexuelle Übergriffe auf Universitäten, systematische Vertuschung durch die Studien-Leitung und dann noch die erschreckende Befürchtung der Heldin, der eigene Bruder sei möglicherweise ein Vergewaltiger.

                  Beklemmender könnten die Argumente für einen Slasher der Post-MeToo-Ära gar nicht formuliert werden. Und sie sollen dem Stoff an dieser Stelle, auch nicht so überragenden Dialogen zum Trotz, durchaus angeschrieben werden.

                  Was dem Film aber das Genick bricht, ist ein anderes dramaturgisches Vergehen.

                  Nach dem allerersten, halbwegs überraschenden Kill, verfällt "Slayed" sehr schnell in ein Muster, das jene finale Demaskierung vorzeitig jeglicher Überraschung beraubt. Die Opfer-Wahl (Ärsche aus der Verbindung) untermauert das noch.

                  Da geht die Suspense zwangsläufig flöten und stellt sich auch bei jedem noch so unheimlich inszenierten Auftritt des Schwarzen Mannes nicht mehr ein. Zumal der Anteil blutiger Schauwerte so moderat gehalten ist, dass die Genre-Umschreibung Krimi in diesem Fall deutlich besser passt.

                  Nicht zu schlimm, zu vorhersehbar und auch wieder schnell vergessen. Tut wenigstens niemandem weh.

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                  • 7 .5

                    Das "Trainspotting" der Achtziger. "Withnail & I" dokumentiert den ländlichen Ausflug zweier abgebrannter, drogensüchtiger Schauspieler/Mitbewohner.

                    Gleich vorweg muss davor abgeraten werden, sich hierbei Slapstick oder offensichtliche Culture-Clash-Gags über die Unterschiede städtischer Paradies-Vögel und versteifter Dorf-Bevölkerung zu erwarten. So ein Film ist das hier nicht.

                    "Withnail & I" gilt zwar als einer der britischen Kult-Komödien überhaupt, der Film war allerdings ein echter Sleeper Hit. In Deutschland ist er bis heute lediglich eingeweihten Kennern bekannt. Diesen Status kann ein Ansehen nur bestätigen.

                    Geht es doch ohne große Hast zur Sache. Vorrangig ergötzen kann sich das Publikum an einer Arschladung voll grandioser Dialogzeilen (mimischer Exzellenz inklusive) und der anhaltenden Verwunderung darüber, hier eine völlig kaputte co-abhängige Beziehung beglotzen zu können.

                    Was selbstverständlich nicht bedeuten soll, dass sich der Kontakt unseres Künstler-Duos mit der Natur und Landbevölkerung, vorrangig ans gehobene Bildungsbürgertum richtet. Der Film ist witzig, manchmal sogar unglaublich. Die ständigen Lügen von Withnail, die Avancen von Onkel Monty und die generelle Unbeholfenheit der Hauptfiguren, die irgendwie kaum in dieser Welt lebensfähig scheinen – das sorgt schon für eine ganz besondere Form der Belustigung.

                    Vermieden werden sollte dabei der Vergleich mit Anarcho-Komödien und Meisterwerken, wie sie die Herren Zucker, Abrahams und Zucker beispielsweise ablieferten.

                    "Withnail & I" ist nämlich im Grunde auch das ganz ernste Porträt von Typen, die jederzeit vor dem Kollaps stehen und ihren Scheiß endlich auf die Reihe kriegen sollten. Wenig verwunderlich also, dass da ausgerechnet ihr, von Ralph Brown gespielter, Dealer mit den scharfsinnigsten Wortmeldungen aufwartet.

                    Annähern also auf eigene Gefahr. Das könnte durchaus in einer neuen Liebe münden.

                    5
                    • 7 .5

                      Vom Schrecken der Zivilgesellschaft zum blutigen Familien-Happening. Mit "Evil Dead Rise" bringt Lee Cronin eine neue Runde Deadites und Kettensägen-Eskapaden zurück ins Kino. Die Zensurbehörden dürfen ihre Fackeln und Mistgabeln dieses Mal aber unter Verschluss halten.

                      Anstatt Mauern einzureißen, verlegt sich Cronin darauf, eine glühende Liebes-Erklärung an Sam Raimi's Original abzuliefern. Wobei vom Pizzakarton bis zum fliegenden Augapfel beweist, dass er seine Zitat-Hausaufgaben auch wirklich erledigt hat.

                      Für Fans dürfte allerdings darin auch die Crux am Horror-Schabernack liegen. Das Blutbad ist gleichfalls matschig, wie auch deutlich professioneller und aufgeräumter aufgezogen, als noch Fede Álvarez Remake von 2013. Und mit all dem Fan-Service und exzessivem Motive-Anführen, schrumpfen sowohl die Schock-Wirkung und die Zahl ausgemachter, eigener Impulse.

                      Dabei kann dem Film zugutegehalten werden, dass er sich heutzutage gegen eine Vielzahl von Monster-Fratzen und Verstümmelungs-Orgien abgrenzen muss, die inzwischen zum guten Genre-Ton gehören. Immerhin blitzt mit der Schwarm-Kreatur im finalen Akt eine gute Portion kindlicher Lust an der irrwitzigen Übersteigerung auf, die im "Evil Dead"-Kanon nie verloren gehen darf.

                      Vor allem gilt es eine bittere Erkenntnis zu akzeptieren: Einen zweiten Film wie "Tanz der Teufel" wird es so entweder nie mehr oder kaum noch geben. Raimi hat das schon dreimal übernommen und sich jedenfalls selbst übertroffen.

                      Wer das ausblenden oder verschmerzen kann, kriegt mit "Evil Dead Rise" wenigstens einen Horrorfilm geboten, der sich dem Geist seines Vorbilds nicht verweigert und auch alles andere als ein schwarzes Schaf der Reihe darstellt.

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                      • 5

                        Die Opioid-Krise unterm Mikroskop. Sind es nicht die Schusswaffen, dann fallen die Menschen erschreckend leicht verfügbaren Schmerzmitteln zum Opfer, die schon längst nicht mehr nur gesellschaftliche Randgruppen überfluten.

                        Wem haben wir das eigentlich zu verdanken? Korrupten Ärzten, geschmierten Institutionen, Gangsterbossen oder stinkreichen, anonymen Milliardären?

                        "Crisis" beleuchtet diese Problematik auf zwei Ebenen. Eine Geschichte dreht sich um die Bemühungen eines Undercover-Cops, endlich einen dicken Fisch hochzunehmen. Was von einem Selbstjustiz-Drama gekreuzt wird. Auf der anderen wird anhand eines ehrenvollen Professors, der sich mit seinen Forschungen gegen die Pharma-Lobby stellt, die wesentlichen Punkte eines Rufmord-Drehbuchs durchexerziert.

                        Nicht weltbewegend, nicht allzu beleidigend naiv. Aber wieder mit Happy End, auf die ein oder andere Art jedenfalls. Das macht den ziemlich prominenten "Crisis" garantiert nicht zum nächsten "Traffic". Es ist allerdings auch ein Film, der völlig unbedarften Zuschauer:innen mit einem Grundverständnis über die Problematik zurücklässt.

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                        • 3 .5

                          Quizfrage: Was ergeben Olga Kurylenko als namenlose, motorisierte Heldin, Gary Oldman als fieses Einauge, ein bedauernswertes nasses Hemd, ein Trupp böser Buben und ein abgeriegeltes Parkhaus als Spielfläche?

                          Wenigstens ein halbwegs unterhaltsames B-Movie würde als Antwort schon reichen. Leider ist "The Courier" ein gehemmter Actioner, der nicht einmal das mit dem Malen nach Zahlen ohne grobe Schnitte hinbekommt. Diese "Patzer" betreffen hier natürlich das Dialog-Niveau, Klischees zum Abwinken und schon lächerliche Exaltiertheit der Figuren.

                          Die üblichen Baustellen des Kinos also. In diesem Fall rücken besagte Punkte bedauerlicherweise nicht in den Hintergrund, weil die Action-Sequenzen so furios, wie einzigartig aufgezogen werden. Sicherlich darf der Begriff Materialschlacht angewandt werden. Klar, gibt es Schmankerl wie platzende Schädel. Mit der Zeit nutzt sich das Gehetze von einer Ebene zu anderen dann doch merklich ab. Und Ideen wie die Drohne münden auch nur in bedingt memorablen Szenen.

                          Da passt es schon, dass sich Gary Oldman mit einer minimalen Kostprobe seines Könnens begnügen kann. Überheblich lächeln und zufrieden murren geht ja selbst im Halbschlaf. Richtig geraten, das Niveau von "The Courier" schreit nicht gerade nach Oscar-Rausch.

                          Was völlig in Ordnung gehen würde. Nur klappt auch die Sache mit dem Berieseln nicht, da wir alles in diesem Film schon anderswo und besser geboten bekommen haben. Besseres Drama, bessere Witze und weniger nervige Schurken wie den aufgedrehten Befehlshaber im Überwachungsraum.

                          Und wenn das alles zusammentrifft, wirkt selbst ein Durchschnitts-Film wie "The Courier" plötzlich einfach nur verblödet und geistlos ausgetobt.

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                          • 2
                            über Agnes

                            Es gibt Filme, die wollen nicht bloß angeschaut, sondern gelesen werden. Sie fordern unsere Erwartungshaltungen und Gewohnheiten heraus und halten existenzielle Überlegungen zum Menschsein als Belohnung parat.

                            "Agnes" fällt allerdings nicht in diese Kategorie. So sehr sich die ungewöhnliche Mixtur aus Exorzismus-Horror, Satire und Trauma-Bewältigung auch anstrengen mag, mich hatte er irgendwann komplett verloren. Was wiederum was heißen will.

                            In neunzig Minuten bietet dieser Film immerhin Billig-Effekte wie schwebende Kaffeetassen, lüsterne Nonnen und sogar Witze über (nicht mit) kinderlieben Geistlichen. Wäre "Agnes" sich der Zutaten seines ersten Drittels treu geblieben, hätte sich durchaus eine schwarze Glaubens-Komödie daraus fertigen lassen.

                            Doch zu seinem eigenen Verhängnis will der Stoff mehr sein und versucht sich mit Zeitsprüngen und Ortswechseln mittendrin neu zu erfinden. Als gelungenes Beispiel eines derartigen Wagnisses bitte nochmals zu "Betty Blue" greifen. "Agnes" hingegen krankt bereits an sehr fundamentalen Punkten.

                            Wenn uns die Aussage einer Erzählung nicht schon auf die Nase gebunden werden soll, dann müssten wir wenigstens eine sinnvolle Relation zwischen einzelnen Figuren erkennen können. Anstatt, nach Kniffen wie einigen Rückblenden, die Beziehung zweier Charaktere einfach so zu kappen. Gleiches gilt übrigens für die einzelnen Handlungs-Abschnitte.

                            Für einen Independent-Titel mag "Agnes" durchaus noch als recht ordentliche Produktion durchgehen. Immerhin wird Locations, die sich in solchen Fällen alle zu gleichen scheinen, noch eine prägnante Stil-Sprache abgewonnen.

                            Trotzdem bleibt der Film – je nach Sichtweise – eine ungewöhnlich erzählte Suche nach Rückhalt und Vergebung oder halt ein sehr effizienter Aufmerksamkeits-Killer im Künstler-Gewand. Es lohnt sich aber nur bedingt, den Unterschied auf eigene Faust herauszufinden.

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                            • 1

                              Also, Leute, das sei jetzt ein für alle Mal festgehalten. Mit Puppen zu Spielen geht grundsätzlich in Ordnung. Frei von Geschlecht, Alter, ob rein im spielerischen Umfeld oder auch im therapeutischen Kontext.

                              Wer gern mit Puppen spielt, darf einen feuchten Kehricht auf die Meinung anderer geben, die sich darüber lustig machen.

                              Ausgenommen davon sind natürlich die Macher von "Dolls". Denen hätten wir ihre Spielsachen lieber wegnehmen sollen. Hört auf jemanden, der die Sünde begangen hat, in einer absolut langweiligen Nacht diesem beleidigend schlechten Horrormurks eine Chance einzuräumen.

                              Asche auf mein Haupt. Und diese Warnung an die Welt als Wiedergutmachung.

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                                Angelina Jolie gegen die dümmsten Auftragskiller der jüngeren Filmgeschichte. Sorry, ich halte das nun einmal für die akkurate Art, "They Want Me Dead" zusammenzufassen.

                                Die Kiste mit einer Feuerwehrfrau, die sich und einen kleinen Jungen/einzigen Zeugen, vor der Kulisse eines infernalen Waldbrands zu retten versucht, versprüht noch viel B-Action-Flair. Mit Script und Inszenierung hat sich Taylor Sheridan, Kopf hinter "Sicario", "Hell or High Water" und "Wind River" keinen großen Gefallen getan.

                                "They Want Me Dead" wird vom weit verbreiteten Symptom der Formelhaftigkeit geplagt, bei dem vor allem die Unfähigkeit besagter Hitmen zunehmend Kopfschmerzen bereitet.

                                Keine Frage, Aiden Gillen und Nicholas Hoult waren nicht die schlechteste Wahl für den Part der Finsterlinge. Machen sie sich doch schon gleich zu Beginn mit der Auslöschung einer Familie bei den Zuschauer:innen unbeliebt. Danach häufen sich neben Leichen auch die Fehler dieser "Profis", bei denen auch schon mal die Lachmuskeln strapaziert werden. Wenn sich das Script nicht gleichzeitig selbst blamieren würde.

                                Bestes Beispiel wäre der kleine Kratzer, den Gillen's Figur lediglich erleidet, nachdem fast sein ganzer Oberkörper in Flammen gehüllt wurde. Nicht das beste Vorzeichen bei einem Action-Thriller, der es unter anderem nicht schafft, unsere Aufmerksamkeit auf eine wichtige Figur zu lenken.

                                Da verbringt Angelina Jolie zuerst die meiste Zeit damit, allen zu zeigen, dass sich ebenso große Eier hat wie ihre Kollegen. Aber, sie wird auch von einem Trauma heimgesucht. Und dann springen wir auch schon zum Ex-Mann der Heldin und seiner hochschwangeren Neuen.

                                Gott sei Dank überhaupt nicht ungewohnt, hat Sheridan ein durchaus nicht uninteressantes Personal an Charakteren ersonnen. Seine geradlinige Geschichte fühlt sich hingegen wie ein spürbarer Rückschritt für jemanden an, der bisher recht aussagekräftige Unterhaltung kredenzen konnte.

                                Mag sein, dass sich die hier verfilmte Roman-Vorlage spannender und vielseitiger liest. Auf der Mattscheibe ist "They Want Me Dead" hingegen ein ziemliches Malen nach Zahlen, bei dem nur selten ein echter Funken der Begeisterung aufflammt, bevor die mittelmäßige Erzählung unsere Erwartung wieder zurechtstutzt.

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                                  Der falsche Film zur falschen Jahreszeit. "A Night of Horror: Nightmare Radio" sollte eigentlich dann genossen werden, wenn sich die Sonne schon am Nachmittag verabschiedet. Zugezogene Vorhänge und verhangene Fenster können natürlich etwas Abhilfe schaffen.

                                  Oder ihr lasst es lieber gleich bleiben. Ein Film mit einem derartigen Doppel-Namen törnt schon ab und auch der Inhalt rechtfertigt das Ansehen. "Nightmare Radio" bietet eine Auswahl qualitativ arg unterschiedlicher Horror-Geschichten, die vor allem eines auszeichnet: sie wirken wie die Aneinanderreihung von Pointen, ohne die dazugehörigen Witze.

                                  Nicht immer, sicher. Nach zwei okayen, wie recht stimmungsvollen, Storys zeichnet sich das Problem jedoch brutal ab. Selbst bei den durchwachsenen Beiträgen von "V/H/S" wird deutlich mehr Drive, fieser Gore und, hin und wieder, genügend Interesse fürs Überleben der Hauptdarsteller:innen geboten.

                                  Davon ist bei diesen Schauermärchen leider kaum etwas zu spüren. Mit der Zeit ähneln sich die Ausgangslagen mit dunklen Gestalten in finsteren Ecken zudem so stark, dass auch vermeintlich Schluss-Gags das Ruder nicht herumzureißen.

                                  Somit ist der Film eher was Gemüter, die es heute noch schüttelt, wenn sie an Omas Warnungen zurückdenken, dass einem bei zu viel Cola die Füße schwarz werden und die Zähne ausfallen. Diese Leute gibt es doch bestimmt, oder?

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                                  • 5 .5

                                    Eine filmgewordene Zeitkapsel der Corona-Pandemie. Die Eheleute "Sie" und "Er" können sich so gar nicht ausstehen. Im zwangsverordneten Lockdown müssen sie trotzdem die Arschbacken irgendwie zusammenkneifen.

                                    Und sie haben viel Zeit, sich übereinander auszulassen oder verloren geglaubte Gemeinsamkeiten auszugraben. "Together" ist eine kuriose Produktion der Covid-Ära.

                                    Hauptsächlich ein Zwei-Personen-Stück (der gemeinsame Sohn verschmilzt größtenteils mit dem Hintergrund), angesiedelt auf wenigen Quadratmetern. Vor dem realen Hintergrund des nationalen Notstands braucht der Film keine Entschuldigung für seine reduzierten Mittel.

                                    Es ist dennoch verdammt schwierig, diesen Film in seiner Gesamtheit zu erfassen und zu würdigen. Der Auftakt ist schön gehässig und für Freunde von Wortduellen der Marke "State of the Union". Dann verdunkeln sich die Weltlage und der Ton merklich.

                                    Familien-Mitglieder sterben auch hier, der Job ist nicht mehr der gleiche. Gute Gründe, auch einen arschigen Charakter tief in sich gehen zu lassen und sich eine bessere Welt zu wünschen.

                                    Das ist, vor allem und tatsächlich ernst gemeint, von James McAvoy und Sharon Horgan sehr gut und ehrlich gespielt. Stellt sich allerdings auch die Frage, ob sich ein größeres Publikum unbedingt darauf einlassen will, den Weg zur Besser-Menschwerdung mit eingeblendeten Opferzahlen anzutun.

                                    "Together" ist natürlich kein anstrengender Stoff. Aber er verkörpert halt auch die jüngste Vergangenheit. Die Dialoge sind gut. Wer sich auf Zeit mit dem angeknacksten Paar einlässt, wird es vielleicht sogar ein wenig genießen, wie sie die Gräben überwinden und langsam wieder zueinanderfinden. Es bedarf hierfür allerdings schon der richtigen Stimmung, die schlimmste Phase von Corona im privaten Ambiente nochmals nachzuerleben.

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                                      Spanier und ihre Häuser – ein Segen fürs Horrorkino. [•REC] verwandelte eine TV-Reportage in einen atemberaubenden Zombie-Schocker. Davon wollte sich auch "Sweet Home" eine Scheibe abschneiden.

                                      Ein heruntergekommenes Mietshaus, ein letzter renitenter Bewohner und eine Gutachterin, die ausgerechnet diesen Ort für ein Schäferstündchen mit ihrem Liebsten nutzt. Die Ausgangslage könnte gar nicht bekloppter erscheinen, doch die Umsetzung hält durchaus einige Highlights bereit.

                                      Da ist nicht jeder Einfall ganz taufrisch, doch die Zwangsräumung der radikalen Art kann vor allem mit stimmiger Atmosphäre, guten Kamera-Einfällen und dem Liquidator als krassen Endgegner punkten. Ingrid García-Jonsson darf da als brutal geprüfte Heldin nicht zu gering geschätzt werden.

                                      Mag sein, dass "Sweet Home" nicht jeden Geschmack bedienen kann. Achtzig Minuten können allerdings auch deutlich lahmer verbracht werden.

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                                      • 5 .5

                                        Was könnte die Lebensgeister wohl besser wachrütteln, als ein mörderischer Wettlauf durch ein Killer-Labyrinth?

                                        Der französische Sci-Fi-Survival-Thriller "Meander" möchte diese These durch fiese Fallen, Raumschiffe und ein Helferlein, der wie Vic Rattlehead ausschaut, belegen. Die Anleihen bei "Cube" sind dabei so unübersehbar, wie das Original auch dieses Mal unerreichbar bleibt.

                                        Wenigstens nimmt das Martyrium der, etwas oberflächlichen, Protagonistin während der neunzig Minuten Laufzeit genügend Fahrt auf, um bis zum Abspann mitzufiebern. Europäisches Kino mit etwas Mut, doch aus dem geborgtem Konzept wurde kein Überflieger gebastelt, von dem allzu viel hängenbleibt.

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                                        • 3 .5

                                          Das zarte Mädchen mit der Riesenstimme und einem Karma wie aus einem Drei-Wetter-Taft-Spot. Valérie Lemercier huldigt Céline Dion in einem geleckt wirkenden Biopic-Musical-Drama, das wie ein sülzender Heimatroman daherkommt.

                                          Aber weil das große Idol sich nicht geschmeichelt fühlen könnte, erfindet Lemercier einfach die abgewandelte Kunstfigur Aline Dieu. Jene verkörpert unsere Autorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin übrigens in jedem Alter. Das Gesicht wird einfach auf eine entsprechende Mimin gepappt. Ein echter CGI-Albtraum, der möglicherweise auch extrem unbequeme Fragen über die Romanze Dions zu ihrem deutlich älteren Förderer, Manager und Ehemann René Angélil abschwächen soll.

                                          Wie auch immer, "Aline – The Voice of Love" ist ein grob abgehandeltes Denkmal. Ursprung, Inspiration, Aufstieg und Tragödien gehen hier regelrecht nahtlos ineinander über. Wodurch die Handlung umso unverfänglicher erscheint, da unsere Hauptfigur unglückliche Liebe, den Verlust der Stimme, die Bürde des Mutterseins, Residenzen in Las Vegas und die Krankheit ihres Liebsten, mit Überschallgeschwindigkeit zu durchfliegen scheint.

                                          Da kann sie plötzlich nicht mehr sprechen, ihr wird komplette Stille verordnet und keine zehn Minuten später singt sie wieder lauthals am Radio mit. Hat Aline dabei gelitten? Vielleicht, gezeigt wird jedenfalls nichts. Und auch ein paar Momenten der Niedergeschlagenheit lassen die schier unerschütterliche nichts von ihrem außerweltlichen Glanz verlieren.

                                          Bei so viel Willenskraft und Hingabe an ihre Musik verliert Valérie Lemercier glatt aus den Augen, dass ihr Film eben nicht wie ein Konzert-Erlebnis funktioniert. Einer Figur, der alles gelingt und bei der die lange ersehnten Kinder auf Requisiten reduziert werden, möchten die Massen halt nur bedingt unablässig huldigen. Dramen größtenteils anzusprechen reicht eben nicht, um einen (real inspirierten) Charakter bewundernswert, wie auch scheinbar menschlich, erscheinen zu lassen. Welche Qualitäten ihr auch immer bei den besten Biopics der letzten Jahre geschätzt habt, "Aline" lässt diese größtenteils außen vor.

                                          Und über diese CGI-Maske komme ich einfach nicht hinweg

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                                          • 7 .5
                                            über 1917

                                            Style over Matter, Kamera-Chic statt echter Aussage? Beim Erstkontakt mit "1917" wird zu beiden Teilen deutlich, wieso ein Film einerseits viele Oscar-Nominierungen einheimsen kann und warum er sich am Gala-Abend doch nur mit einer bescheidenen Ausbeute begnügen muss.

                                            Sam Mendes hat den Kriegsfilm sicherlich nicht neu erfunden. Er und sein Kameramann Roger Deakins haben den Ersten Weltkrieg jedoch in ein völliges, immersives Erlebnis umgewandelt, das auf der Erfahrungsebene mehr nachhaltige Eindrücke generiert, als jeder Beitrag aus der ZDF-History-Schmiede. Das ist vor allem für jede nachgeborene Generation objektiv betrachtet eine gute Absicht.

                                            Wieder ist es ein einfach klingender Auftrag, der unsere jungen Rekruten als Laufburschen durch den ganzen Wahnsinn des Krieges marschieren lässt. Okay, Bombardierungen aus der Luft, Flammenwerfer, zerbombte Städte, und Minen zu erleben und zu überleben, ist schon der Garant für die große Frage nach dem Wieso von allem in einem Film.

                                            Da gab es sicherlich auch schon geistige Vorgänger, die mit reduzierten Mitteln zur gleichen Erkenntnis über den nimmersatten Fleischwolf des bewaffneten Konflikts gekommen sind. Und es gibt deutlich krassere Mahnungen über den Wahnsinn, der letztlich über alle hereinbrach, die in jenen große Katastrophen der Menschheits-Geschichte verheizt wurden.

                                            Möglicherweise ist es schon angemessen, "1917" auch als ein Paradebeispiel für die Blockbusterisierung des Weltkriegs zu erachten. Im Gegenzug kann dem Film auch zugutegehalten werden, dass er, in all seinen Mini-Episoden, keinen Dreck, keinen ohrenbetäubenden Lärm und die Orientierungslosigkeit der Schlachten-Hölle zu verschönern sucht.

                                            Gab es auch schon, gehört zum Playbook des Kriegsfilms. Wenngleich nicht an einem Stück, ohne erkennbaren Schnitt. Und auf allzu propagandistische Vaterlands-Liebe und militärischen Gehorsam wird immerhin auch verzichtet. Das macht aus "1917" sicherlich keinen außergewöhnlichen (wie in "außergewöhnlich guten") Film. Ohne den Ballast zu hinterfragender historischer Korrektheit, bietet Sam Mendes ein Stück faszinierend authentischer Geschichts-Lektion, bei der eigentlich nur der Geruch des Krieges in der Nase und der rußige Wind im Gesicht fehlen.

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                                            • 4

                                              Jetzt nicht gleich aus der Haut fahren, weil ich uns das Grusel-Süppchen versalze. "We Still Say Grace" bietet einige viel versprechende Grundzutaten für ein durchaus ansprechendes Low-Budget-Horrorstück. Die unvermeidbare Ranch fernab der zivilisierten Welt, eine streng gläubige Familie und die drei unglückseligen College Boys, mit einem Platten.

                                              Erst ist es weird, sich den strengen Regeln des Patriarchen unterzuordnen. Dann aber wird es creepy und eklig. Ein Glück, dass Schauspiel-Veteran Bruce Davison sich nicht zu schade ist, den Part des Vaters mit all seinen, auch echt üblen Facetten, sein Gesicht zu leihen. Das lässt den Unwohlseins-Faktor noch höher schnellen, wenn erst die besondere Vertrautheit zu einer der Töchter ins Spiel kommt.

                                              Schnell weg von hier, kann da nur die Devise lauten, aber derlei Bestrebungen werden selbstverständlich aktiv blockiert. Und das ist schon kein übler Genre-Motor. Was "We Still Say Grace" nur überhaupt nicht steht, ist die relative Unbeholfenheit, mit der sich Zufall an Zufall bequem aneinanderreihen.

                                              Eine Tochter spürt die Neugier auf das, was da draußen liegt. Sie hinterfragt die Predigten ihres Vaters, hat im Gegenzug aber noch nie einen verbotenen Blick in den Schuppen geworfen, in dem ein altes Auto steht? Und in dem wurde rein zufällig der eine wichtige Beweis übersehen, der Zweifel an den Eltern wachsen lässt? C'mon, really?

                                              Es hätte außerdem erheblich zur Glaubwürdigkeit des Stoffes beigetragen, wenn hier niemand von Handys gesprochen hätte. Einfach die verwendeten Automodelle und die Mode unserer Stadtbuben in ein anderes Jahrzehnt versetzen, dann wären andere Fragen gar nicht erst aufgekommen.

                                              Und so lässt sich ein relativ interessantes Selbstfindungs-Motiv in einem abartig strikten Elternhaus ausmachen, das allerdings im Verlauf auch immer wieder von einer Art Horror-Erzählung auf Kasperle-Theater-Niveau unterbuttert wird.

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                                              • 5

                                                Was von der Pandemie übrig bleibt? Eine verstärkte Hinwendung zum Minimalen. Abgelegene Schauplätze, wenige Sets und eine überschaubare Anzahl an Darsteller:innen. Ja, das ließ sich bisher meist am Budget festmachen, Corona ließ jedoch viele dieser Containment-Filme aus dem Boden schießen.

                                                "The Last Thing Mary Saw" gehört auch formell in diese Sparte. Und ist zu Beginn auch gar nicht mal so schlecht. Vor der Kulisse historischer Kulisse wird uns eine Geschichte, in der Leibeigenschaft, brutale religiöse Ergebenheit und verbotene lesbische Liebe aufeinandertreffen.

                                                Stefanie Scott (Ex-Disney-Sternchen und Hauptrolle in "Insidious 3") und Isabelle "Orphan" Fuhrman verkörpern die glücklose Tochter Mary und die Magd Eleanor, die aller biblischen Verbote, einander verfallen und blasphemische Erzählungen konsumieren. Das bleibt nicht unentdeckt und hat grausame, körperliche Züchtigung zur Folge, bei der einzelne Familienmitglieder ihren Hang zum Sadismus durchblicken lassen.

                                                Das ist als folkloristisches Horror-Tragödie sehr gut gespielt, wenn auch etwas übersichtlich in der Charakter-Entwicklung. Es stellt sich außerdem die Frage, wieso unsere Verliebten nicht die Flucht ergreifen, wenn sie wenigstens einen Unterstützer haben. Aber was soll's, dann würde uns der sicherlich spannendste, dritte Akt verwehrt bleiben.

                                                Dieser bringt jedoch eine nicht unerhebliche Komplikation mit sich. Die Idee, sich aller Peiniger zu entledigen, ist gut. Die Vergebung dieser Story zu mythologischen Motiven und Erscheinungen funktioniert hingegen nur bedingt. Beiläufiges Gerede von der ominösen, frivolen Schrift steigert keine Spannung, weil kein weiterer Kontext dazu offeriert wird.

                                                Und am Ende übersinnliche Erscheinungen aufzufahren, lässt die gute Grundidee in einen konfusen Sumpf aus mythologischem Geschwurbel abrutschen. Beinahe so, als hätte es das jetzt gebraucht, damit der Film sich interessanter vermarkten lässt. Das mündet zwar in keiner Blamage, beraubt das ursprüngliche Geschehen wiederum aber von einer Menge seiner Aussagekraft. Mit einer klareren und verständlicheren Linie hätte "The Last Thing Mary Saw" jedenfalls das Zeug zu einem echten Geheimtipp.

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                                                • 7 .5

                                                  Colin Firth und Stanley Tucci als Langzeit-Partner stehen am Ende des gemeinsamen Weges. Ein letzter Trip durch ländliche England, ein finales Fest mit Freunden und Weggefährten, bevor die Demenz die Persönlichkeit des einen komplett austilgen wird. Ein letztes Mal alles auskosten, denn der selbstgewählte Augenblick des Abschieds steht schon fest.

                                                  "Supernova" ist ein leises Plädoyer fürs selbstbestimmte Sterben. Leise deshalb, weil sich das Thema im privaten Raum entfaltet. Öffentlicher Diskurs oder aufsehen-erregende Justiz-Streitigkeiten werden außen vor gelassen. Wer dieses Recht also grundsätzlich ablehnt, sollte lieber einen Bogen um den Film machen.

                                                  Für diejenigen, die sich darauf einlassen, offenbart sich ein, inzwischen nicht mehr unübliches, Low-Key-Drama mit Partner:innen, die ihre Beziehung Revue passieren lassen, ein letztes Mal mit Erkrankungen und der Aussicht aufs Alleinsein hadern. "Supernova" wählt dabei die Form eines Kammerspiels, das nur von einem übersichtlichen Schauplatz zum anderen wechselt.

                                                  Und es ist vielleicht die einzige Schwäche, die dem Stoff zugestanden werden kann. Sein Fokus ist so persönlich, wie auch nicht revolutionär. Um beim oben genannten Thema zu bleiben. In den Dialogen und Spielszenen gibt es nichts zu sehen, was den eigenen Blick auf Sterbehilfe möglicherweise umkrempeln wird.

                                                  Hier geht es "nur" um zwei Menschen, die lernen müssen, vorzeitig einander Lebewohl zu sagen (sagen zu müssen). Gestärkt wird die schmerzhaft simple Prämisse von der Energie der Vertrautheit, die Firth und Tucci, als Langzeitfreunde im echten Leben, in ihre Rollen einfließen lassen.

                                                  Weil das nicht revolutionär, weltverändernd ist oder als Zugpferd für eine übergeordnete Agenda dient, kann "Supernova" sicherlich leicht übergangen werden. Als Film zum Thema ist es aber auch wiederum nicht allzu rührselig überkonstruiert und nervtötend moralisierend in den Dialogen. Von daher bleibt es eine Empfehlung für emotional schwierige Gefilde und Dramen, in der nicht andauernd Figuren mit ihren Problemen miteinander wetteifern.

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                                                  • 4 .5

                                                    Die Durchschnitts-Nulpe wird schließlich doch von der, seit Kindheitstagen verehrten, Angebeteten erhöht. Schnitt zur Hochzeit. Süße Blumenmädchen, grinsende Freundes-Cliquen und ganz viel Sonnenschein. Happy End, ab nach Hause Leute.

                                                    Nicht so bei "For Love or Money". Hier muss der gehirnamputierte Hamster Mark kurz vor der Ziellinie aller Rom-Coms erkennen, dass seine zukünftige Märchenbraut Connie der Ehe allein wegen eines baldigen Geldsegens eingewilligt hat. Glück für Mark? Pech für uns, da wir zuschauen dürfen, wie er den Spieß umdreht und zu einem perfiden Spießrutenlauf ansetzt, den die tiefer gelegte Komödie als Charaktertest für die Braut verstanden wissen will.

                                                    Bodyshaming in der Öffentlichkeit und Haarentfernungs-Creme statt Shampoo in der Dusche geben hierbei die ideologische Marschrichtung vor. Und ich will nicht lügen, am Anfang kann das noch das ein oder andere Lachen provozieren. Mit der Zeit überlebt sich das Konzept allerdings.

                                                    Noch bevor der Film eine Kehrtwende vollzieht und aus der Eislady einen Menschen mit echten Gefühlen und verkorkstem Familien-Background werden lässt, könnte sich das Publikum an den Zoten sattgesehen haben. Zumal sich neben Zoten über perverse Schwiegereltern, dem Frequentieren von Sexarbeitern, kaum nennenswerte Variationen des Gag-Musters auszumachen sind.

                                                    Und daraus auch noch das andere große Verhängnis von "For Love or Money": der Film wirkt nur halb zu Ende gedacht. Ja, schon gut. Der arme Mark kriegt seine Genugtuung, bis er hinter die Fassade blickt und von anderen seine Grenzen aufgezeigt kriegt. Und dann? Das Script zeigt ja gleich zwei Alternativen für eine versöhnliche Auflösung auf, von denen keine auch nur annähernd genutzt wird. Da war die Versuchung der nächsten Pointe größer. Unsere Lust am Zusehen lässt das aber auch nicht wachsen.

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