Nonkonformist - Kommentare
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Alle Kommentare von Nonkonformist
Irgendwie war ich ein wenig erschrocken, als ich feststellte, dass "Der Dieb von Paris" bereits mein elfter Film von Louis Malle ist. Mehr noch, als ich erkannte, dass bis auf zwei seiner Filme (Mein Essen mit André & Die Komödie im Mai) alle mindestens 7 Punkte erhalten haben und meine Erwartungen an diesen Film doch ungemein gering waren.
Die Kritiken sind nicht besonders überragend, so wenig, dass ich erst auf den Film stieß, als Studiocanal ihn vor einigen Monaten an einem Tag mit den noch weiter in Vergessenheit "Viva Maria", um den ich bewusst zunächst einmal einen Bogen machte, veröffentlichte. Malle hatte für mich immer zu den Regisseuren der Nouvelle Vague gehört, wie auch eine Agnes Varda zum Beispiel, obgleich beide nur äußerst wenig mit den Ursprüngen jener Bewegung zu tun haben. Zu sehr aber vermitteln "Fahrstuhl zum Schafott", "Die Liebenden" und "Das Irrlicht" das Gefühl jener Tage, zu sehr scheint auch Malles Werk ab Mitte der 60er, fast parallel zu denen von Godard und in Ansätzen auch Truffaut, zunehmend an Qualität zu verlieren. Paradox irgendwie, dass daraus das Vorurteil entstand, bei "Der Dieb von Paris" könne es sich um einen schlechten Film handeln. Vielleicht auch lag es an Belmondo, der mir zwar nie unsympathisch war, aber dem ich zu jener Zeit immer einen Léaud oder passender noch Delon vorgezogen hätte.
Vermutlich ist "Der Dieb von Paris" auch am Ende tatsächlich kein Meisterwerk, ziemlich sicher sogar, eher wie das was überwiegend in den Folgejahren von Malle, Godard, Rivette oder auch Chabrol kommen sollte - gut, interessant, aber am Ende auch nichts, was wirklich auf außerordentliche Weise bewegt. Was aber fasziniert und mich an Malle auch immer schon in ganz besonderem Maße begeistert hat ist seine unfassbare Vielfältigkeit, das Gefühl, dass Louis Malle wirklich in jedem Genre absolut großartige Regiearbeit leisten kann - etwas, was man auch hier in keinem Film wegdiskutieren kann. Wie groß nur ist der Spannungsbogen zwischen "Das Irrlicht" und "Zazie", "Der Dieb von Paris" und "Fahrstuhl zum Schafott". Das Handwerk zu beherrschen ist eine große Kunst und etwas, was er zweifellos konnte und "Der Dieb von Paris" zu einem, trotz weitestgehend belangloser Geschichte, mindestens sehenswerten Film macht.
ARTE, ARTE, ARTE.
https://www.arte.tv/de/videos/080232-000-A/suspiria/
Diesen wirklich wunderbaren Film (den ich ganz nebenbei kürzlich in meine "Top 50" aufgenommen habe - falls es ein zusätzlicher Anreiz sein sollte den Film zu sehen), gibt es derzeit zu sehen in der ARD-Mediathek.
https://www.ardmediathek.de/tv/Dokumentarfilm/Das-Salz-der-Erde-Sebasti%C3%A3o-Salgado-im/SWR-Fernsehen/Video?bcastId=1105036&documentId=57927466
2013, 2014, in meinen Anfängen bei Moviepilot gab es jemanden, der eine erschreckende Parallele zu meinem Filmgeschmack aufwies. Daydreamer95, damals gerade 18 bzw 19 Jahre alt, wohnhaft in Italien mit, soweit ich mich erinnere, österreichischen Wurzeln, die es ebenso wie mich im Jahre 2012 erstmals hierhin verschlagen hat. Vor ein paar Jahren als es ein paar Umstellungen gab, war ihr Profil plötzlich weg, wie auch meines häufiger ohne erkennbare Gründe gelöscht wurde. Während ich immer wiederkam, blieb sie weg, so sehr ich auch immer nach einem Profil suchte, das sie hätte sein können. Wir hatten damals 98% Übereinstimmung, bei jeweils etwa 400 oder 450 bewerteten Filmen hatte es maximal 15 gegeben bei denen wir eine größere Abweichung als 0,5 Punkte hatten. Es war vollkommen paradox und doch so einfach, wie ein sicherer Gewinn im Lotto. Immer wenn ein Film von ihr eine gute Bewertung bekam, schaute ich ihn mir zeitnah an und umgekehrt mit fast ausnahmslos überragendem Erfolg.
Vor ein paar Monaten, ich denke es war Ende letzten Jahres, bekam ich plötzlich eine Mail mit einer Nachricht, mir hatte offenbar jemand über imdb geschrieben. Ich war dort nie sonderlich aktiv, hatte von Zeit zu Zeit nur meine Bewertungen dort eingetragen, aber sonst in keiner Form je aktiv an der exorbitant großen Community teilgenommen. Ich verstehe die Seite einfach nicht, es ist wie ein gigantisches Puzzle, das sich mir nicht erschließt, zu komplex und unübersichtlich, sodass ich nicht einmal wusste, wie ich die Nachricht öffnen konnte. Nach langer Suche und mit etwas Glück gelang es mir, ehe ich voller Freude entdeckte, dass die Nachricht von ihr kam. Ob ich es sei, fragte sie, sie hatte damals eigentlich gar nicht vor endgültig zu gehen, aber irgendwie war es dabei geblieben und wie das nun mal so ist, sehe sie auch keinen wirklichen Grund mehr zurückzukommen. Ich wusste nicht wie sich mich gefunden hatte, ob und wenn ja, wie ich ihr antworten konnte, doch freute mich, dass man in Zeiten des Internets und der visuellen Anonymität scheinbare Wunder erlebt.
Ich konnte ihr nie antworten, durchforstete Suchmaschinen und Funktionen ohne Erfolg, doch habe heute unter meinen Lesezeichen die imdb-Seite, in der ich ihre neusten Wertungen sehe. Immer wenn ich auf imdb klicke, geht der Weg über sie, über ihre Inspirationen, ihren noch vielfach besseren Filmgeschmack als es meiner je sein könnte. Klassiker aus Russland, Rumänien oder Polen finden den Weg zu mir, weil sie sie entdeckt hat, wie früher, damals, in den Anfängen meiner Zeiten hier. Damals wie heute, wegen einem ehemaligen Mitglied, das ich nie vergessen habe.
Ich bin seit mehr als einem Jahrzehnt begeisterter Filmfan und da braucht es dann tatsächlich die Situation irgendwie noch einen zehnten Film für die 10 für 50 Blu-Ray-Aktion finden zu müssen, um diesen Film dann vermutlich irgendwann bald tatsächlich zum ersten Mal zu sehen.
Jap, ich verstehe mich auch oft nicht.
17.November.2018
Schon wieder ist das Jahr fast vorbei, die Tage werden kürzer, draußen ist spürbar der Herbst eingekehrt. 214 Filme habe ich bisher in diesem Jahr gesehen, viele davon zum ersten Mal. Gar nicht so wenig, wenn ich bedenke, dass ich das Gefühl einer nachlassenden Begeisterung für diese von mir sonst so geliebten Kunstform verspürte. Vielleicht aber war auch nur der Sommer zu lang und zu heiß, die Arbeitstage zu viel und die Müdigkeit oft zu ausgeprägt, denn jetzt, während es im Haus wieder gemütlicher ist als draußen, blüht sie wieder voll auf jene Begeisterung mit der ich das Kino seit Jahren betrachte.
Lustlos und müde lag ich auf der Couch, konsumierte fast beiläufig ein paar alte Folgen "Kalkofes Mattscheibe" von DVDs, die ich irgendwo in den Tiefen meiner Regale zu meiner eigenen Verwunderung gefunden hatte. Doch ich brauchte mehr Inhalt, einen Film, irgendwas, was mir nicht nur das Gefühl gab mich berieseln zu lassen. Seit Wochen arbeite ich konsequent die seit langen liegen gebliebenen DVDs und Blu-Rays ab, reduziere die ungesehenen Filme in meiner Sammlung zunehmend, nur um mir selbst zu Weihnachten einen großen Stapel neuer Inspirationsquellen zu schenken. Eine, die ich irgendwann aus mir nicht mehr näher bekannten Gründen offenbar bestellt hatte, war John Guillermins "Rapture", eine Blu-Ray aus England, selbstverständlich ohne deutschen Ton oder Untertitel. Wie nur war ich auf diesen Film gekommen, was hatte mich dazu bewegt ihn zu kaufen und vor allem, wie lange hatte er jetzt schon ungesehen dort gelegen. Zwei, vielleicht drei Jahre, lange, sehr lange jedenfalls, fast als sei es damals tatsächlich ein Zufallskauf gewesen, eine Intuition, irgendetwas.
Es ist oft eine schwierige Sache mit den Erwartungshaltungen. Schaute ich einen Tarkovsky, Bergman oder Bresson in diesem Jahr zum ersten Mal war da immer die Ausgangslage, dass ich ein Meisterwerke erwartete. Ich kann an solche Filme einfach nicht mehr herangehen, ohne, dass ich im Vorfeld exorbitante Erwartungshaltungen entwickele. Nicht so bei "Rapture", nicht so bei diesem Zufallsfund in meinem Regal, dass irgendwie einfach da war. John Guillermin ist für mich Neuland, eine französisch-amerikanische Produktions nichts, was winkend nach dem Meisterwerk schreit, als dass es sich entpuppen sollte.
"Rapture".
Nein, nicht gut, fabelhaft, im wahrsten Sinne fabelhaft ist er, zweifellos einer der besten, ja vielleicht DER beste Filme, den ich in diesem Jahr zum ersten Mal gesehen habe. Wie aus dem Nichts entstand da plötzlich das wohlige Gefühl fantastisches, puristisches Kino mit Spannung und psychologischer Tiefe zu bekommen. Ein Film mit Schauspielern, die so in ihren Rollen zu stecken scheinen, dass man oftmals ganz vergisst, dass es sich hier nur um einen Film handelt, während im Hintergrund weiterhin mit klangvoller Schönheit das Meer im stilvollen Schwarz-Weiß dahinplätschert. Meine Leidenschaft zum Kino führte mich zuletzt häufig auf Irrwege, ließ große Erwartungen platzen und Begeisterung missen, doch katapultiert mich hier zweifellos wieder zurück zu den besten Zeiten. Feinfühliges, wundervoll inszeniertes Kino, dass nicht nur in meinem Regal sondern generell nicht mehr länger übersehen werden sollte. Ein Film, der so voller Poesie steckt, dass er in keinster Weise derart in Vergessenheit geraten darf.
9 Punkte, weil alles andere schlichtweg viel zu wenig wäre. Mindestens.
Sehr schön, dass sich jemand dem ungarischen Kino annimmt :)
Wie das tschechische (oder polnische) leider viel zu unbekannt, obwohl alle Filme, die ich aus diesen Ländern gesehen habe, fast ausnahmslos gut waren.
Lose Gedankenfetzen zu Ozon, "Eine neue Freundin" und der ewigen 7
01
2016 sah ich "Frantz" im Kino ohne zu wissen, wer dieser Francois Ozon eigentlich ist. Das moderne Kino war wie so oft einfach an mir vorbeigegangen, ich nicht am Puls der Zeit und doch im positiven Sinne erstaunt darüber, wie sehr mich der Film begeisterte. Francois Ozon, den ich bis heute (vermutlich fälschlicherweise) wie das englische Wort Ocean ausspreche, noch immer kaum kenne, aber mit jedem Film ein klein wenig mehr mag. Es ist selten geworden, dass ich mich gegenwärtigem Kino gegenüber öffnen kann, einem Jarmusch oder Kaurismäki, Regisseuren, die seit dreißig, vierzig Jahren aktiv sind, einmal ausgenommen. Modernes Kino, feinfühlig und authentisch, große kleine Filme, vielleicht ein bisschen Eric Rohmer, manchmal, zwischen den ruhigen Tönen, klar erkennbar französisches Kino und doch frei von Ort und Zeit.
02
Am Samstag betrat ich nach langer Zeit wieder einmal die heiligen Räume eines Freundes, der ein noch größerer Film-Enthusiast ist als ich es bin und vermutlich je sein werde. 4.000 Filme, Arthaus, Hollywood, Berge von seltenen Editionen und beinah verschollenen Filmen, eine eigene Videothek, getürmte Berge voller ungesehener Filme. Ozu neben Bergman, Dreyer und Tati, daneben Spielberg, Michaell Mann oder auch Til Schweiger. Filmgeschmack grenzenlos, alles querbeet und in seiner Begeisterung ungemein ansteckend. Ich kam um mir "Suspiria" zu leihen, einen Film, den ich nie gesehen hatte, doch kaum betrat ich die Räume überkam mich das Gefühl die halbe Sammlung leihweise an mich nehmen zu wollen. Da das nicht ging, mir mein Kumpel aber "Eine neue Freundin" ans Herz legte, waren es letztendlich immerhin zwei statt nur einem Film, ehe ich ihm zwei schwer zu bekommende Bergman-Filme im Tausch lieh. Kino als gemeinsame Leidenschaft, gut eine Stunde zwischen vier Wänden voller Filmen und Filmpostern und eine Blu-Ray in den Händen zu einem Film, der mir, wie so viele aktuellere Filme, noch vollkommen fremd war. Francois Ozon, eine, meine dritte Begegnung mit ihm - endlich.
03
Als ich "Frantz" sah gab ich 7,5 Punkte, eine Wertung die auch "Jung und schön" später erhalten sollte, ehe ich mich dazu entschloss die halben Wertungen abzuschaffen. Filme zwischen 0 und 10 im 0,5er-Schritten bewerten zu können bedeutet 21 unterschiedliche Bewertungen zu haben - was für eine Auswahl, was für eine unglaublich schwierige Auswahl bei jedem einzelnen Film. Wie macht man das, drückt all die Emotionen und Gedanken zu Filmen in eine einzige Wertung, presst sie irgendwo zwischen 0 und jener 10 ein, sucht sich das passendste aller einundzwanzigstel heraus. Ich mache das nicht mehr, trenne die Filme nur noch in ganzen Schritten und habe seither mit Ozon das selbe Problem wie mit so vielen anderen Regisseuren. Die 7 ist meine Allzweckwaffe geworden, eine Wertung, die jeder Film erhält, der irgendwie gut ist, der mir gefällt, der aber im Zweifel eben nicht gut genug erscheint, nicht zu sehr in meinen Gedanken bleibt als dass ich eine 8 als gerechtfertigt sehe. Von einer 9 ganz zu schweigen, gab es doch seit jener Änderung meiner Wertungen gerade einmal zwei Filme, denen ich diese Wertung verlieh. Einige achten und sehr, sehr viele siebenen, fast jeder zweite Film, "Tagebuch eines Landpfarrers" - 7, "Der Ghostwriter" - 7, "Eine neue Freundin" - wieder eine 7. Gute, teils sehr gute Filme, potentielle 7,5er, denen ich ihre Stufe in der Skala beraubt habe um ein Dilemma entstehen zu lassen, dass nie zu enden scheint. Die Unbewertbarkeit in zu vielen Stufen als Kontrast zu der mangelnden Aussagekraft der zu wenigen Stufen. Ich, das undankbare Kind eines immer mehr impulsiv entstehenden Bewertungssystems.
Frantz, 7. Jung und schön, 7. Eine neue Freundin, 7.
Drei sehr unterschiedliche Filme, drei sehr gute, drei "sehenswert" irgendwo als Dauerstempel einer allgemeinen Zufriedenheit. Warum auch nicht?
Großartige Liste von der ich immerhin 70 FIlme gesehen habe :)
Ab morgen, den 01.11 für sieben Tage online in der Tele5-Mediathek:
https://www.tele5.de/mediathek/filmarchiv/metropolis
Außerdem u.a. aktuell dort zu sehen sind:
- Funny Games
- Bang Boom Bang
- Lammbock
Ich habe tatsächlich vergangene Tage eine Liste, die derzeit noch auf privat gestellt ist, vorbereitet - zu exakt dem selben Thema. Sehr schön, dass du dich dem schon angeommen hast! Antihelden sind eben häufig die wahren Helden :)
Manchmal bedarf es vielleicht einer kurzen Erklärung, warum man beispielsweise so gerne Lakritz isst, obwohl es doch so viele nicht mögen, warum man nur schlafen kann, wenn das Fenster auf ist, auch wenn es draußen -10 Grad sind oder eben auch warum man eine Dokumentation über Zlatan Ibrahimovic besser bewertet als beispielsweise "Ein andalusischer Hund" und "Angst essen Seele auf".
Seit meiner Kindheit interessiere ich mich für Fußball, ohne je wirklich extrem viel Zeit damit zu verbringen oder Partei für eine Mannschaft gehabt zu haben, wenn gleich es auch für mich immer sympathischere und unsympathischere Vereine gegeben hat. Was ich mag ist das was sich hinter dem vielen Geld, den vielen Egozentrikern und dem ganzen Kommerz befindet - etwas was Menschen zusammenbringt, Menschen aus unterschiedlichen Kulturen vereint und ablenkt von dem oft rauen Alltag. Zlatan Ibrahimovic, ist dabei bekommt durch sein auffallend häufig großes Mundwerk, seine nicht selten arrogante Art und aber eben auch durch durchaus guten erfolgreichen Fußball als einer der über mehrere Jahre erfolgreichsten Stürmer. Nur sympathisch war er mir in all der Zeit, als jemand der immer auch den Menschen hinter all dem betrachtet, nie. So sehr die Arroganz auch oft gespielt sein mochte und es zu einem Image geworden war, so sehr widersprach es meiner Ansicht, das sympathisch finden zu können.
Doch "Ihr redet - ich spiele" ist anders, zeigt uns einen anderen Zlatan. Den Jungen der aus einem harten Umfeld kommt, früh große Armut kennt und für den Fußball oft die einzige Flucht vor dem sozial schwachen Umfeld ist. Zlatan ist wie auch viele der großen Fußballer Südamerikas es beispielsweise auch sein, ein Straßenjunge, einer, der wenn es den Fußball nicht geben würde, wohl noch immer zur untersten Gesellschaftsschicht gehören würde. Seine Arroganz, sein exorbitantes Selbstvertrauen wirkt dabei beim genaueren Blick schnell wie eine Maske, eine, die er sich selbst auferlegt hat, um im urbanen Dschungel aus dem er kommt, nicht unterzugehen. Beschäftigt man sich einmal mit den Hintergründen wird schnell klar, dass hinter dieser Doku aber vor allem auch ein Sozialdrama steckt, das auf wunderbar ruhige Art aufzeigt, was Fußball eigentlich auch ist und sein sollte - etwas, das Menschen hilft und vereint und nicht zufällig entstanden ist in den armen, englischen Arbeitergegenden. Denn auch wenn es merkwürdig erscheint, zeigt Zlatan in "Ihr redet - ich spiele" mit psychologischer Tiefe in diesem sehr persönlichen Portrait den Kern und die immer seltener gewordenen positiven Seiten des Fußballs auf.
Gute Nachrichten am Morgen :)
Deutschland bekommt bald seine eigene "Criterion Collection". Das Label "Vintage Cinema Collection" wird unterschiedlichste Klassiker auf DVD und Blu-Ray veröffentlichen - viele davon zum ersten Mal in Deutschland. Genaue Veröffentlichungstermine gibt es derzeit noch nicht, wer auf Amazon nach dem Label sucht findet bereits angekündigte Blu-Rays mit Covern zu den Filmen:
- Der Fuhrmann des Todes (Victor Sjöström)
- Ehre deine Frau (Carl Theodor Dreyer)
- Die einsame Frau (Satyajit Ray)
Auf der Website des Labels "vintagecinema.de" sind zudem Erwähnungen zu:
- Ikiru (Akira Kurosawa)
- Nachtzug nach München (Carol Reed)
- Sansho Dayu (Kenji Mizoguchi)
- Der nackte Kuss (Samuel Fuller)
__
Laut Facebook sollen drei Reihen veröffentlicht werden (mit klaren Parallelen zur Criterion Collection):
Vintage Cinema Collection: Blu-rays und DVDs der größten Filme aus der ganzen Welt, mit zusätzlichen Funktionen, die die Wertschätzung der Kunst des Films erhöhen.
Eclipse: eine Auswahl verlorener, vergessener oder überschatteter Klassiker in einfachen, erschwinglichen DVD-Editionen. Jede Serie ist eine kurze filmische Retrospektive für den abenteuerlustigen Heimbetrachter.
Essential Art House: elegante, reine Film-DVD-Editionen der wahren Klassiker des Art House.
Manchmal frage ich mich, warum ich Aki Kaurismäki eigentlich so sehr mag.
Dann lese ich Interviews und Aussagen von ihm, und erinnere mich.
12 Zitate, die deutlich machen, was ich an Kaurismäki so sehr mag:
1
"Ich habe mich schon immer gefühlt, als wäre ich etwas aus der Zeit gefallen. Ich mag keine modernen Gebäude, ich mag keine modernen Autos, und ich mag auch die moderne Gesellschaft nicht besonders. "
2
"Bäumen. Und der Wahrheit."
[auf die Frage, worauf oder wem er vertraut]
3
"In allen meinen Filmen wird eine Menge geredet. Denken Sie nur an „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik, wo der erste Satz schon nach fünfzehn Minuten fällt! Und der zweite nach vierzig Minuten. In „Hamlet goes Business“ schwatzen die Figuren die ganze Zeit. Sie benutzen nur nicht unbedingt Worte dazu."
4
"Ich bin sehr faul, deshalb nenne ich schon zwei Filme Trilogien, weil ich dann gezwungen bin, noch einen dritten Film zu drehen."
5
"Ich bin kein Philosoph, aber mit meinen Filmen versuche ich, meinen Kopf gegen die Wand der kalten menschlichen Gleichgültigkeit zu schlagen."
6
"Ich hasse Geld. Ich hasse es im ganz physischen Sinn. Wenn ich Geld in der Tasche habe, muss ich es sofort loswerden. Ich gebe es aus, so schnell es geht. Ich lasse das Geld überall. Natürlich muss ich meine Mitarbeiter bezahlen, aber alles andere gebe ich sofort aus."
7
"Es wäre einfach schön, wenn die Menschen wieder die Namen ihrer Nachbarn kennen würden. So wie in den Fünfzigern und Sechzigern."
8
"Ich hörte diesen Witz und dachte: "Das ist ein schlechter Witz, mach doch mal einen Film daraus."
9
"Jeder hat seinen eigenen Stil, außer die Yankee Boys in Hollywood, die überhaupt keinen Stil haben."
10
"Ja, so ein Handy ist praktisch, wenn ich Bierflaschen öffnen will."
[auf die Frage, ob er ein Handy besitzt]
11
""Niemand, der ernsthaft trinkt, hat daran Spaß."
12
"Wenn Brüssel sagt, die europäischen Gurken dürfen nur noch zwanzig Zentimeter lang sein, lachen sich die Leute in allen anderen Ländern der Gemeinschaft tot. Nur die Finnen nicht. Die züchten solche Gurken sofort und gerne."
..
Schon 1976 prangerte Wim Wenders in seinem Film "Im Lauf der Zeit" das zunehmende Aussterben kleiner (Provinz-)Kinos und die Entwicklung hin zu immer größeren "Kinopalästen" an und eine solche Umfrage, bei der natürlich (logischerweise) die meist frequentierten Massenkinos auch die meisten Stimmen kriegen, lenkt den Fokus meiner Meinung nach genau auf die falsche Sache. Warum nicht einmal eine Reihe mit (Mehr-)Wert über kleine, alte Kinos, die aber den Puls der Zeit überlebt haben und entgegen des Massenkonsums noch immer Filme zeigen - Filme, die man nicht in jedem XXL-Popcornkino zu sehen bekommt, Filme mit einer gewissen Exklusivität.
Nehmen wir mal Münster, einfach weil es die Stadt ist, bei der ich das ein bisschen besser fundieren kann als in anderen Städten. Logisch, dass es hier das größte Kino der Stadt, das Cineplex in die Auswahl geschafft hat mit seinen massenweisen Blockbustern, die man im Umland auch in jedem anderen Kino sehen könnte, das eben auch jene Masse bedient. Einige Straßen weiter aber ist ein wunderbares Café mit einem Kino dahinter, eines das den klangvollen Namen "Cinema & Kurbelkiste" trägt, in dem es in einem der Säle nur vier Reihen und noch Garderobenständer gibt, das aber ungemein urig ist und in der aber Filme gezeigt werden, die oft im Umland von mehreren hundert Kilometern nicht zu sehen sind. Ein Freund von mir, der mittlerweile für die Lichtburg in Essen arbeitet, kommt manchmal extra hierher, weil hier u.a. Filme laufen, die es sonst nur in (noch) weiter entfernten Kinos zu sehen gibt.
Zum zweiten Mal erst habe ich "Die unschuldigen Zauberer" heute gesehen, obwohl er seit einigen Jahren, seit der Erstsichtung, ein Dauergast meiner überschaubaren Lieblingsfilmliste und Teil meiner Filmsammlung ist. Was für ein Meisterwerk sich hier einem nur bietet, was für ein Aufgebot der polnischen Filmszene sich hier die Klinke gibt. Andrzej Wajda, einer der größten polnischen Regisseure überhaupt führt Regie, ein anderer, Andrzej Skolimowski, schreibt das Drehbuch, Roman Polanski spielt eine der Nebenrollen, ebenso wie Zbigniew Cybulski, der "polnische James Dean". Dazwischen wunderbar smoother Jazz, eine Atmosphäre, die gelungener kaum sein könnte, verspielte Heranwachsende zwischen Jugend und Erwachsensein, die Liebe und diese unendliche Leichtigkeit. Ein junger Sportarzt, der gleichzeitig Musiker und Aufreißer ist, bis er seinen weiblichen Gegenpart findet, verloren in der Monotonie des immer gleichen Alltags, jung und wild und doch viel zu orientierungslos um auszubrechen. "Die unschuldigen Zauberer"war einer der Urväter der polnischen neuen Welle, parallel zur französischen Nouvelle Vague, an die er teils stark erinnert. Statt Humphrey Bogart hängt dort Albert Einstein an der Wand, statt die Verlorenheit eines flüchtigen Verbrechers haben wir die eines Musikers als Stellvertreter einer ganzen Generation, statt Seberg und Belmondo die intellektuellere Konversationen führenden Lomnicki und Stypulkowska. Polens etwas philosophischerer "Außer Atem" ist ungleich runder, verspielter und doch erwachsender, ist doch auch die politische Komponente, die Nachkriegsgeneration, die fundierte Leere ein nicht zu übersehendes zentrales Element des Werks. In nicht ganz 90 Minuten vereint Wajda Filmkunst mit Content, ohne dabei je zu verkopft zu sein und erobert dabei mein Herz immer und immer wieder.
https://www.youtube.com/watch?v=ETkNWL2pFwc
Ab heute für sieben Tage in der ARTE-Mediathek oder alternativ heute abend um 22:45 im TV:
https://www.arte.tv/de/videos/011984-000-A/schiessen-sie-auf-den-pianisten/
Mein Name ist Gerrit, ich bin 26 und wohne in einer beschaulichen Stadt im Münsterland. Ich habe mein ganzes Leben hier gewohnt, bin geboren in dem Krankenhaus, das rund einen Kilometer von meiner Wohnung entfernt ist, aufgewachsen in einem Mietshaus mit vielen anderen Familien, die kleine Kinder hatten und groß geworden in dem Haus, das mein Vater mit seinen Arbeitskollegen und meinem Großvater, der ebenso Maurer war, damals als ich drei Jahre alt war, gebaut haben. In dem Haus in dem ich heute wohne sind noch zwei Wohnungen in denen jeweils ein Rentnerpärchen lebt. Überall auf meiner Straße wohnen Rentnerpärchen, immer seltener sieht man einmal Menschen, die nicht schon im Rentenalter sind oder gerade eine junge Familie gegründet habe. Familienfreundlich sagen sie, blöd nur, dass ich keine Familie habe. Obwohl meine Familie, meine inzwischen geschieden lebenden Eltern, mein Bruder, meine Großeltern, Onkels, Cousins und Cousinen auch alle hier oder in der näheren Umgebung wohnen, sehe ich sie alle nur ziemlich selten. Der Kontakt zu meiner Familie ist nicht gut und war es nie sonderlich, war mir die Geborgenheit, die eine Familie einem angeblich geben soll, doch stets fremd. Fremd geworden sind sie, wie auch viele der Freunde, die ich früher einmal hatte. Jeder einzelne von ihnen ist weggezogen, wohnt mittlerweile bedingt durch Beruf oder Studium in einer größeren, entfernten Stadt in Deutschland oder im Ausland, weit weg von dem Ort, der uns einmal vereinte. Die Globalisierung schreitet voran, spürbar, sind mir beim Blick aus dem Fenster dann wieder einmal alle die vorbeigehen fremd, obwohl ich doch mein ganzes Leben hier verbracht habe.
Ich bin ein sehr ordentlicher Mensch, habe ein ausgesprochenes Organisationstalent, bin beizeiten mitunter kreativ und habe laut einigen Mitmenschen einen subtilen Humor. Ich habe einen Bürojob, um den mich manch einer beneiden würde und eine schöne, große Wohnung, um die mich viele beneiden. Ich bin Gerrit, 26 und wohne immer noch hier. Auf der anderen Seite verstehe ich viele Dinge nicht, neige zu Unentschlossenheit und merke, wie ich mit eigentlich einfachen Dingen schwer zu hadern habe. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie Menschen immer etwas unternehmen können, wie sie die Kraft haben nach der Arbeit regelmäßig Sport zu machen, verstehe nicht, warum Menschen Stöcke brauchen um schnell zu gehen und warum sie Bananen in kleine Plastiktüten packen, bevor sie sie auf das Kassenband legen, nicht, warum sie Jahrmärkte oder Freizeitparks als Vergnügen empfinden können und warum ein Fußboden nur wenige Minuten nachdem man ihn gesaugt hat, bereits wieder staubig ist. Immer häufiger erwische ich mich bei dem Verlangen ganze Tage einfach auf dem Sofa zu verbringen, dass es mich freut, wenn es regnet, weil es mir die Freiheit gibt nichts zu tun und mich zu verkriechen in dem Verlies, das ich mir selbst erschaffen habe. Oft verlasse ich am Wochenende nur die Wohnung um kurz eine Runde um den Block zu gehen oder einzukaufen, längst abgeschiedener von der Außenwelt als ich es selbst je hätte erahnen können.
Meine wenigen Freunde in der Ferne melden sich nur selten, haben wie die meisten Menschen zu viel zu erledigen und sind ohnehin zu weit weg um sie kurz zu besuchen. Fast jeder Mensch den ich kenne scheint aktiver zu sein als ich, mehr zu machen aus seinem Leben, während ich mich meist zu müde fühle und schon erfreue, wenn mein Kopf frei genug für ein gutes Buch oder anspruchsvolleren Film ist. 750 Filme, eine Konsole mit ein paar Videospielen, viele Bücher und Schallplatten mögen für ausgeprägte Interessen sprechen, sind aber auch Zeichen für die stark ausgeprägte Zeit, die man alleine verbringt. Ich gehe alleine schwimmen und ins Kino, reise alleine und bin manchmal dieser Typ, der unterwegs irgendwo in einem Restaurant einzeln an einem Tisch sitzt. Zunehmend habe ich das Gefühl, dass da nie jemand war, der mich wirklich verstanden oder gar wirklich geliebt hat, flüchte dann vor der Erkenntnis, nur um mich nicht noch mehr selbst mit der Situation konfrontieren zu müssen. Ich bin sehr eigenständig sage ich dann, auch wenn ich weiß, dass es nur die bessere Seite der Medaille ist, die ich lieber ins richtige Licht zu rücken versuche. Oft frage ich mich, ob das auch andere machen, sie auch den Fokus auf das positive legen und sich auch so oft müde fühlen, sie sich auch danach sehnen nach Feierabend und am Wochenende einfach auf der Couch zu bleiben und warum sie dann so aktiv sind und nie zu ruhen scheinen.
Ich schlafe viel, mindestens 7, oft 8 Stunden, doch bin trotz allem oft müde und habe auch durch Sport nie das Erlebnis verspürt mich ausgeglichener zu fühlen. Manchmal frage ich mich, ob die Einsamkeit durch die Müdigkeit und den Rückzug aus der Gesellschaft entstand oder die Müdigkeit aus der fehlenden sozialen Komponente in meinem Leben. Es ist wie ein Fluch bei dem ich, wenn ich versuche eines der beiden Übel zu besiegen, nur merke, wie das andere noch intensiver auf meinen Schultern lastet. „Gerrit ist sehr sensibel“ schrieb schon meine Grundschullehrerin auf mein Zeugnis, früh erkennend, dass das irgendwann zu einem Problem werden würde. Vielleicht habe ich viele Probleme, die in den letzten Jahren immer intensiver wurden, auch wenn ich auch das durch eine größere Freiheit als im Leben derer, die bereits durch Familie, Kinder und andere Verpflichtungen eingebunden sind, zu relativieren versuche. Wie viele andere Menschen auch sehne ich oft die Wochenenden herbei, nur um dann zu erkennen, dass ich mich wieder für ein zweieinhalb Tage in meinen eigenen Mikrokosmos verkrieche. Manchmal sehe ich in dieser Zeit fast keinen Menschen, außer meinen Nachbarn beim Gang zum Briefkasten mit dem ich ein paar flüchtige Worte wechsel oder einigen Fremden, die mir beim Spaziergang oder Einkaufen begegnen.
Ich bin keine Ausnahme, ich weiß das. Filme wie „Mary & Max“ machen das deutlich, Filme die großen Zuspruch bekommen, obwohl sie Menschen portraitieren, die voll von Ängsten und psychischen Problemen sind, Menschen, von denen man glaubt, ihnen nie so auf der Straße zu begegnen. Deshalb, weil man nicht jedem seine Unsicherheit und Angst anmerken wird, auch aber, weil die Zurückgezogenen eben selten das Bad in der Menge genießen. Erfolgreiche Bücher über komplexe psychologische Umstände und Selbstsuche, überfüllte Internetforen über hilfesuchende Menschen und primär traurige Musik, die trotz ihres Inhalts große Resonanz erfährt, machen das deutlich. Statistiken, Datingportale, überfüllte Wartezimmer bei Ärzten machen das deutlich. Menschen, die alleine in Restaurants sitzen oder im Wald spazieren machen das deutlich. Einsamkeit ist überall, nur eben weniger präsent, weniger aufdringlich als die Glückseligkeit derer, die in Gruppen am Straßenrand entlang laufen, die leben, lachen, das tun, was wir als erstrebenswert betrachten. Ich aber bin nur Gerrit, 26, mag Ordnung und bin gut organisiert, sitze trotz allem manchmal am Wochenende auch mittags um 2 noch in Jogginghose auf der Couch, kaufe Bananen ohne sie in Plastiktüten zu packen und trinke auch ab und an gerne mal Earl Grey. Ich bin nicht allein.
Vielleicht gibt es noch Überraschungen. Positive Erlebnisse, die meine zuletzt leicht eingestaubte Begeisterung für das Kino wieder langsam aber sicher ein wenig vom Staub entfernt. Meine liebste Möglichkeit in den kälter werdenden Tagen Filme zu schauen - daheim vor dem Fernseher per Blu-Ray oder DVD - fällt derzeit durch ein paar unglückliche Umstände weg, sodass was bleibt nur das oft unzufriedenstellende Programm bei den zwei Streamingdiensten, auf die ich Zugriff habe, bleibt. Glücklicherweise gibt es hier auch die mittlerweile frei zugänglichen Frühwerke von Alfred Hitchcock, den ein Freund von mir, dessen Filmleidenschaft wohl noch intensiver ist als meine, als - neben Stanley Kubrick - besten Regisseur aller Zeiten bezeichnet.
So ganz teile ich diese Meinung zwar auch nach mittlerweile achtzehn Filmen Hitchcocks nicht, doch wenn ich wieder einmal, wie derzeit häufiger, in der Stimmung für einen guten Kriminalfilm bin, ist er noch immer eine gerne gewählte Adresse. Fast eine Stunde redeten mein Kumpel und ich nach der Premiere von Margarethe von Trottas Bergman-Doku auf der Autofahrt von Essen nach Münster über unsere gemeinsame Leidenschaft - nicht zuletzt auch über die veränderte Wahrnehmung Hitchcocks in der heutigen Zeit. Damals fast größtmöglicher er sich heute - zumindest für mich - von dem Bild eines (in seinen späteren Jahren) klassischen Hollywood-Regisseurs entfernt, scheint mir doch der künstlerische Anspruch in seinem Fall noch immer ausgeprägter zu sein als bei vielen seiner Kollegen, mit deren auf das Massenpublikum zugeschnittenen Filmen ich nie sonderlich viel habe anfangen können.
Möglicherweise finde ich auch deshalb Gefallen an früheren Hitchcocks Filmen, weil sie eben nicht der größtmöglichen Perfektion unterliegen, es keinen Aufmarsch großer Hollywoodstars gibt und man nicht irgendwelche künstlich wirkenden Liebesgeschichten inszenieren muss, um auch wirklich das ganze Publikum abzugreifen. Sie sind ein bisschen rauer, ungeschliffener wie bei den meisten Regisseuren in Anfängen und daher gerade für mich durchaus interessant. Ich mag das, muss gutes Kino doch auch wie der Charakter eines für mich interessanten Menschen Ecken und Kanten haben, es Mut zur Improvision und Laiendarstellern geben. Viel befreiter wirkt es oft als das Kino, das bis ins Mark durchinszeniert ist - so sehr es auch gerade Hitchcock ist, der hierfür sehrwohl bekannt ist. Ob Satyajit Ray oder Jean-Luc Godard, ob Jim Jarmusch oder Francois Truffaut, das frühe Werk vieler Regisseure überwiegt für mich den Glanz späterer Jahre. Oft so sehr, dass ich mir die späteren Filme - wie in Godards Fall - kaum ansehen kann, wenn ich an die Klasse der ersten Werke denke.
"Der Mieter" war dabei zwar nicht Hitchcocks erster, aber einer seiner ersten Filme, ein Stummfilm, der die spätere Klasse des Regisseur vorzüglich andeutet, gedreht im jungen Alter von gerade einmal 27 Jahren. Eine ménage à trois und ein Kriminalfilm, ein geschickt inszenierter Twist und das Abbild einer Gesellschaft in den 1920er Jahren - nicht unentscheident geprägt vom deutschen Expressionismus. Ohne Worte und mit wenigen Zwischentiteln verraten die Blicke viel über die Verunsicherung einer von Morden verängstigten Gesellschaft, die ordentlich an der Moral der eigentlich so feinen Bürger kratzt. Dies ist, vergleicht man den Film einmal mit späteren Werken Hitchcocks, zwar nichts mehr sonderbar neu aus heutiger Sicht, gab es doch später noch häufiger (und im weitaus bekannteren Rahmen) ähnliche Inhalte in seinen Filmen, doch lässt sich hier wunderbar die spätere Handschrift eines Regisseurs erkennen, der diesen Film zurecht als seinen ersten "Hitchcock" nennt.
In annehmbarer Qualität - wie auch andere frühe Filme Hitchcocks - kostenlos zu sehen auf Watchbox:
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12 Jahre ist es her, als ich damals in meinem kleinen Zimmer saß und das Paket mit den auf Ebay ersteigerten Filmen öffnete. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich lediglich eine DVD, die in meinem Regal stand und ebenfalls erst wenige Tage zuvor erworben wurde. Nie hatten mir oder irgendwem in meinem Freundeskreis oder der Familie Filme viel bedeutet, doch plötzlich entdeckte ich eine Faszination darin. Voller Vorfreude, die bei keinem der vielen, vielen folgenden Pakete größer war, öffnete ich den Karton in dem neun Filme waren, aus denen einer ganz klar hervorstrahlte. Ganz oben lag es, das mattschwarze Steelbook mit dem Gesicht Jean Renos als "Léon - Der Profi" drauf, das ich wie ein Heiligtum in meinen Händen hielt. Kurz zuvor hatte ich im Fernsehen einige kurze Ausschnitte gesehen von dem jungen Mädchen mit den Blumen in der Hand, nicht wissend, worum es dabei eigentlich wirklich ging. Ich war 14 und "Léon" einer der Urväter meiner Leidenschaft für das Kino und das spätere Sammeln jener Silberscheiben.
12 Jahre ist es her, dass ich "Léon" zuletzt gesehen habe, die DVD wie so vieles was ich über die Jahre kaufte längst in den Händen anderer Menschen, denen jenes Steelbook vielleicht einst ebenso ein Lächeln auf die Lippen gezaubert hat. Zum ersten Mal in dieser langen Zeit lebe ich aktuell ohne DVD- oder BluRay-Player, zum ersten Mal ganz abhängig von Streamingdiensten und Mediatheken, trotz der noch immer gut 750 Filme, die ich mittlerweile auf DVD- und Blu-Ray in Regalen gestapelt habe. Luc Bessons Film ist mittlerweile weit von meinem Horizont verschwunden, das Offensichtliche oft weiter weg als das unbekannte Kino eines tschechischen Regisseurs der 60er oder eines japanischen der 50er. Über Hollywood zu den Ursprüngen gekommen, vermischt sich beides aktuell wieder vermehrt, sodass es mir als ein guter Zeitpunkt erschien auch zurückzukehren zu meinen Ursprüngen.
Vielleicht ist dargestellte Gewalt in Filmen etwas, von dem ich mich in den vergangenen Jahren vermehrt entfremdet habe. Ich sehe sie nicht gern, ob im Rahmen einer Kunstform oder nicht, empfinde sie als Gier einer sensationsgeilen Generation, an die ich mich auch trotz größter Bemühung nur schwer gewöhnen kann. Doch "Léon" ist nicht nur das, nicht nur rohe Gewalt, die sich einem nackt präsentiert, es ist auch ein Werk das voll ist von kleinen Nuancen, von liebevoll gestalteten, ja großartigen Szenen, die ganz frei von Kitsch (und Gewalt) auch mich beeindrucken. Szenen, in denen Mathilda berühmte Personen imitiert, die Léon zu erraten hat oder jene in denen Léon beim Gespräch unter Verbrechern ein Glas Milch serviert bekommt, seine Liebe zu seiner Pflanze oder der Moment in dem Mathilda wie ihr Vorbild eine Mütze überzieht, weil sie sich eben auch nicht gerne erkältet.
Mit "Léon" ist es wie mit den meisten großen Filmen, die allgemein große Akzeptanz erfahren, sie pendeln sich bei mir irgendwo ein zwischen hemmungsloser Begeisterung und vernichtender Kritik, nur, dass das hier oft in einem viel kleineren Rahmen stattfindet und der allgemein Eindruck ein durchaus positiver bleibt. Auch weil da diese Erinnerungen sind, ich diesen Moment damals 2006 nie vergessen werde und der Film immer ein Teil von mir bleiben wird. Auch wenn es, unter Umständen, womöglich erneut 12 Jahre dauern wird, bis ich es schaffe ihn ein weiteres Mal anzuschauen.
""Du liebst deine Pflanze, hab ich Recht?" - "Sie ist mein bester Freund: Die ist immer fröhlich, keine Fragen... Und sie ist genau wie ich, siehst du: Keine Wurzeln."
In der ARTE-Mediathek sind bis zum 30.10 drei Filme von Akira Kurosawa zu sehen:
- Zwischen Himmel und Hölle
- Ein streunender Hund
- Das Schloß im Spinnwebwald
Here you go:
https://www.arte.tv/de/videos/RC-016553/filmreihe-japanisches-kino/
Wundervoller Kommentar, der einen in Nostalgie versetzt. Gedanken, die mir selbst nur zu gut bekannt erscheinen. Schön, wenn es Fime gibt, die einen wieder ein wenig zurück in die Zeit versetzen :)
Wasser hat keine Balken inmitten immenser Wassermassen.
Ich stand vorgestern bei unerträglich heftigen Regengüssen im Keller des EYE Film Instituut in Amsterdam in dem es eine kleine, und zugegeben nicht sonderlich informative, Gratis-Ausstellung zur Filmgeschichte zu bestaunen gibt. Etwas abseitig befand sich ein Raum auf dem man auf unterschiedlichen Bildschirmen Ausschnitte aus (primär niederländischen) Filmen zu einzenen Themengebieten anschauen konnte. Unter ihnen auch Buster Keatons "Steamboat Bill Jr.", den der einzige Herr, der sich außer mir in dem Raum befand, gerade mit großer Begeisterung ansah. Unbemerkt im Hintergrund stehend galt mein Blick weniger dem Film, der mir ohnehin schon bekannt war, als vielmehr dem Herren, der sich - offenbar nicht filmgeschichtskundig - unglaublich über jenen Humor amüsierte, so sehr, dass er den nahezu leeren Raum mit seinem Gelächter füllte, dass es durch das gesamte, wenn auch überschaubare, Museum hallte. Ich war wie der Zuschauer im Kino nur ein stiller Betrachter, wie jene Ausschnitte, wenn Filmbegeisterte im Film ins Kino gehen, wie jene Anna Karina, die in "Die Geschichte der Nana S." unter unserer Beobachtung mit Tränen in den Augen im Kino sitzt oder Antoine Doinel, dem wir seine Begeisterung anmerken als er in "Sie küssten und sie schlugen ihn" ins Kino geht. Er wiederholte jenen Auschnitt, nie müde werdend von dieser einfachen und doch so komplexen und zeitlosen Kunst der Unterhaltung. Langsam und leise verließ ich den Raum und die Wärme, die ihn erfüllte, stieg die Treppen hinauf und ging langsamen Schrittes hinaus. Draußen lief immer noch der selbe Film, erschütterten die Stadt noch immer Regengüsse wie aus Eimern. Den gesamten Tag über, wie ein einziger Rausch. Verfluchtes Amsterdam, dessen Schönheit für einen kurzen Moment von draußen in den kleinen, fast versteckten Raum im Keller verschwand.
Ein bisschen ernüchternd ist das ja schon. Da wartet man jahrelang darauf einen Film zu sehen auf den man große Vorfreude hat, einen Film eines Reisseurs den man sehr schätzt und von dem man weiß, dass er die Sorte Filme macht, die man gerne mag. Schwierig nur, wenn der Film zwei Stunden geht und man schon nach 15 Minuten dezent gelangweilt auf die Uhr schaut, nicht weil man müde ist oder der Film schlecht ist, sondern einfach weil... man es im Grunde selbst nicht weiß. Robert Bresson war nie ein Regisseur, der unterhalten wollte, alle seine Filme sind sehr radikal minimalistisch, wenn auch in diesem Fall alles andere dialogarm. Alle seine Filme sind ohne große Stars und über die kleinen Leute gedreht. "Tagebucg eines Landpfarrers" ist wie jeder andere Bresson-Film und doch so anders - leider.
Zwei, nein, auf Grund mehrerer Unterbrechungen sind drei Stunden vergangen, die mich gequält haben, in denen ich zunehmend abgelenkt war trotz hervorragender Atmosphäre und großer Vorfreude, guter Ansätze und einem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit guten Film, nur eben ohne mich je zu irgendeinem Zeitpunkt wirklich richtig zu berühren oder abzuholen. Schon jetzt ist fast alles wieder verschwunden, ein Film wie Surrealismus, etwas von dem man weiß, dass es genial ist, in dem ich die Genialität aber partout nicht finde. Vielleicht sind sieben Punkte eine Form der Versöhnung, eine es-ist-ja-Bresson-Wertung oder ich-weiß-dass-er-besser-war-als-ich-ihn-empfang-Punktzahl, vielleicht auch nur eine Illusion um mir nicht einzugestehen, dass dieser unter Bressons Filmen nicht ist, wie die Werke seiner Filmografie, die ich so außerordentlich mag.
Vielleicht geriet damals ziemlich viel aus dem Gleichgewicht. Immer häufiger trank er, kam betrunken spät abends von der Arbeit, im Irrglauben man würde dies nicht merken, mit meiner zunehmend zorniger werdenden Mutter daheim erinnert an ihre eigene, von ähnlichen Begegnungen geprägte Kindheit. In meiner Familie waren viele Alkoholiker gewesen, nur, dass sie von der väterlichen Seite kamen, war plötzlich etwas neues, etwas, was umso plötzlicher und heftiger daherkam. Ich habe das nicht mit ansehen wollen, meinen Vater nicht ertragen können in einem Zustand, in dem er mir stets vollkommen fremd war. "Ich habe nichts getrunken" hieß es stets, während er vor sich hin schwankend mit trübem Blick den Flur entlang gelaufen kann. Ich habe nichts, ach, wer soll Lügen glauben, wenn sie doch nur allzu offensichtlich sind. Sie sich einem aufdrängen, dass es schmerzt und man lernen muss seinen eigenen Umgang damit zu finden.
Immer häufiger verschwand ich abends von daheim, flüchtete mich in die farbenfrohe Natur, die unser Haus umgab, nur, um bloß nicht daheim zu sein, wenn er zurückkehrte. Ich hatte nie Teil davon werden wollen, ihn nicht ins Bett tragen oder die Blutflecken nach den Stürzen vom Boden wischen, meine Mutter besorgt mit "er ist gestürzt" anrufen wollen. Wie kann man nur, dachte ich, wie kann man nur darin eine Zuflucht finden, obgleich die innnerfamiliären Probleme unüberseh- und unüberwindbar waren. Blöd nur, wenn die Zuflucht zum Fluch wird, die Probleme, der Streit, die Entfremdung dadurch größer wird, die Ehefrau die Streitereien und die grundnegative Einstellung gepaart mit den ausschweifenden Alkoholeskapaden nicht mehr erträgt und die Söhne flüchten, weil die Situation immer unerträglicher wird. "Ist Papa wieder betrunken?" fragte mein Bruder oft, kam zu mir ins Zimmer, wurde trotz seiner sonst so schweighaften Art redselig, suchte Zuflucht, wie ich sie suchte, wenn ich in die Wälder verschwand.
Ich war damals längst in einem Alter in dem ich mitbekam, was um mich herum geschah, arbeitete selbst und konnte das Leid verstehen, aber am Ende auch nie teilen, weil mein Umgang damit, wir als Vater und Sohn in unserem Kern so grundverschieden waren. Wir hatten uns nie viel zu erzählen, wussten nicht, wie man einen gemeinsamen Nenner finden konnte und flüchteten in den wenigen Gesprächen die wir hatten in Nichtigkeiten wie den neuesten Fußballergebnissen oder das Wetter, eben jenen winzige Gemeinsamkeit, die nicht zu Reibungspunkten führte. 25 Jahre, ein Vierteljahrzehnt lebte ich mit ihm zusammen, sah ihn morgens vor und abends nach der Schule, fuhr sogar für fast zwei Jahre gemeinsam mit ihm zur Arbeit, mehrmals gemeinsam in den Urlaub und doch war da am Ende zunehmend doch so wenig, was uns verband. Vielleicht war ich einfach aus dem Rahmen gefallen, der, der auf jedem Familienfest auffiel und nie so ganz in die Strukturen passen wollte, die mir offensichtlich vorgefertigt wurden.
Langsam treibt das Boot mit den Wellen davon vor dem leisen Plätschern des Meeres fern in die unendliche Weite. Entfremdung auf ihre schmerzhafteste Art. Kino ist keine Unterhaltung, kein Blockbuster-Popcorn-Massenphänomen, sondern Kunst, wirklich echte Kunst, die zu so viel mehr bestimmt ist als nur unsere Zeit zu vertreiben. Es ging nie darum nur die Kinokassen zu füllen und den fünzigsten Prequel zu einer immer belangloseren Filmreihe zu produzieren, nie darum unter den Teppich zu kehren, dass zu gutem Kino auch eine Essenz gehört.
"The Return"
Vergangenen Sonntag saß sie da, stellte sich kurz vor und fragte, wo die Toilette sei. Neben der Haustür, die linke Tür, wir würden schon einmal raus gehen. Schöne Wohnung bemerkte sie, und die Dachterasse erst, so groß für eine Person alleine. Ich mag es alleine zu sein und auch viel Platz zu haben, ich hätte das immer gemocht, erwähnte ich, während mein Vater mir nach draußen folgte. Das war sie also, seine neue Freundin, fast vier Jahre nachdem meine Eltern endgültig die Scheidungspapiere unterschrieben und dem ewigen Ehekrieg damit ein Ende bereitet hatten. Es war dann plötzlich alles so schnell gegangen, ihr Auszug damals in die Wohnung, die jetzt meine ist, ihr neuer Freund, der so anders war als mein Vater und er, dessen Leben nach der Trennung noch mehr in Stücke zu verfallen drohte. Da war dann irgendwann nichts mehr, die viele Arbeit und der Alkohol hatten gesiegt, alle irgendwie ihre Lehre daraus gezogen und doch viel zu lange gebraucht um zu erkennen, dass der Weg in die falsche Richtung führt, das Boot immer weiter treibt entgegen der Richtung die man ursprünglich anzupeilen versucht hatte. "Das ist sie also" sagte ich, zwanghaft schweigsam, da gemeinsame Themen noch immer nicht vorhanden waren, "und, gibt es sonst etwas neues?". "Nein, eigentlich nicht. Es passiert ja nicht viel." - "Nein, eigentlich nicht. Es passiert ja nie viel."
Stille.