ProsperDune - Kommentare
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Alle Kommentare von ProsperDune
Prokrastination hat auch seine unbestreitbaren Vorteile:
Ich setzte mich mit irgendwelchen Dingen auseinander bzw. mit Dingen, mit denen ich mich aus unbekannten Gründen bisher in nullster Weise beschäftigt habe. (In diesem Fall ist der Grund aber wahrscheinlich durch filmische Sozialisation im familiären Umfeld erlernte Ignoranz.) So kommt es, dass ich nach einigen arbeitsverdrängenden, aber freudebereitenden Umtrieben feststellen muss: Ich mag Helge Schneider.
Ich finde ihn sogar grandios! Vor allem in Anbetracht seines Filmes JAZZCLUB, welcher mich durch seine melancholisch gestimme Porträtierung gesellschaftlicher Außenseiter mitunter an die besten Filme eines Jim Jarmusch und Aki Kaurismäki erinnerte. JAZZCLUB kommt gar an die Größe dieser Filme heran!
Erzählen durch das Montieren von (ausschließlich) Großaufnahmen von Händen, Bresson-Poesie inklusive:
CUTAWAY von Kazik Radwanksi
https://www.youtube.com/watch?v=wHV73H0o-uQ
Ergänzend dazu, dieses erhellende Videoessay von Harun Farocki:
https://www.youtube.com/watch?v=0Jj8fYeVUa8
Phase Eins: Entzückung.
Süß, diese Schlamm-und-Schlabber-Romantik. So viele tolle Gesichter. Grinst eines in die Linse, bekommt es von mir ein Grinsen zurück. Ich bin in freudiger Erwartung dessen, was noch kommen wird, denn diese kinematographische Frische, die von der Leinwand recht derb und ungalant zu mir herüberweht, bereitet mir mächtiges Vergnügen.
Phase Zwei: Konfusion.
Zunehmend nimmt die Klarheit ab. Wer ist diese Gestalt, wer ist jener Hampelmann, wo kommen die her? Warum machen die das und sagen jenes? Was soll das alles? Ich kratze mich am Kopf. Die Ungewissheit bereitet Unbehagen. Ich wünsche mir, das Treiben möge für ein paar Momente innehalten - kein durchs Bild geworfenes Huhn oder mir entgegengeschleuderter Rotz, kein Scheppern, kein Glotzen, kein Faseln! - auf dass mir jemand die Zusammenhänge erkläre.
Phase Drei: Meine Lieblingsphase.
Wie durch ein Wunder ist Phase Zwei Vergangenheit. Die Gegenwart ist absolute Immersion. Das Zeitgefühl schwindet. Ich bin benebelt und betört. Meine Sinne werden durch den Matsch gewühlt, aber daran denke ich gar nicht mehr, ebensowenig an anderes. Am Ende ist leider leider Ende. Ich stehe aus dem Kinosessel auf. Versehentlich stoße ich meine leere Kirschlimo-Flasche um. Ein Klang entsteht: klein, aber enorm und ziemlich echt, und ich bin mir gar nicht sicher, ob dieser noch zum Film gehört oder ob ich das gerade selbst zu verantworten hatte.
[------Spoiler-----] Heute war einer dieser schlechten... nicht so guten Tage. Und ausgerechnet heute sah ich mir MOUCHETTE an - denn ich hatte gerade anderthalb Stunden Zeit und ja, Lust. Dann ist der Film vorüber... und der Tag verschlimmert sich. Ich bin aufgewühlt, nunmehr in zweierlei Hinsicht. Ich rauche eine Zigarette, weil ich das neuerdings hin und wieder tue, heute Abend öfters. Dann einige Stunden später... ich denke zurück an eine bestimmte (Film-)szene: Mouchette ist gerade etwas Tragisches widerfahren. Eine Bäckerin lädt sie zu sich ein, stellt ihr Kaffee und Croissants hin, möchte dem Mädchen ihr Mitleid bekunden. Doch Mouchette gefällt das nicht. Die Bäckerin steckt ihr einen Croissant in die Jackentasche. Doch Mouchette fällt nicht ein sich zu bedanken. Schließlich wird die Bäckerin beleidigend. Sofort verlässt Mouchette die Bäckerei wieder, aber nicht ohne das Plunderteiggebäck aus ihrer Tasche zu nehmen und es zornig zurück auf die Theke zu werfen... Vollstes Verständnis! Da enstand ein großes, breites Lächeln auf meinem Gesicht. Und inzwischen geht's mir wieder richtig gut. :-)
I love you.
Ich finde meine Kinnlade nicht wieder...
Weil du es mir versprochen hast.
Film ist Wahrheit, getarnt als Lüge.
http://www.slantmagazine.com/assets/film/ulyssesgaze.jpg
"When I return, it will be with another man's cloth. Another man's name.
My coming will be unexpected.
If you look at me unbelieving and say 'You're not he',
I will show you signs and you will believe me.
I will tell you about the lemon tree in your garden,
the corner window that lets in the moonlight.
And then signs of the body, signs of love.
And as we climb trembling to our old room,
between one embrace and the next, between loveless calls,
I will tell you about the journey,
all the night long,
and then all the nights to come,
between one embrace and the next, between loveless calls...
the whole human adventure...
the story that never ends..."
Die Unschuld vergangener Tage ist schon längst verfallen. Wieder an das Früher anzuknüpfen zu können, liegt nicht im Rahmen der Realität. Allerhöchstens im Kopf, der den Rahmen sprengt und wo Zeitreisen auf Gedanke hin ausnahmsweise realistisch sind.
Die Welt außerhalb des Kopfes betrachten wir durch einen starrenden, unverwechselbaren Blick, der sucht und sucht nach der Möglichkeit, in Gänze zurückzukehren zur Vergangenheit.
Aber wer zu sehr will, der scheitert unausweichlich.
Tieftraurig, bittermelancholisch und überpessimistisch.
Das sind die Filme von Theo Angelopoulos: Nichts, was das Leben mit schönen Licht erhellt, und auch nichts, das mir leichtfällt zu lieben.
Doch eins muss ich ihm lassen: Mit DER BLICK DES ODYSSEUS schuf er die vielschichtigste und bedrückendste Ausgestaltung seines eigenen, ganz persönlichen "starrenden, unverwechselbaren Blicks" auf die Welt (und wie so unablässig bei ihm auf die Geschichte seiner Heimat).
Besonders stark ist Harvey Keitel, der in seiner Ausstrahlung Härte und Sanftheit vereinigt, den perfekten Angelopoulos-Protagonisten abgibt.
Träumen Dinosaurier vom immer währenden Glück?
GEHEIMTIPP!!!
SON FRÈRE von Patrice Chéreau
Es geht um Krankheit, Sterblichkeit und die Körperlichkeit unserer Existenz, um Krankenhäuser, Operationen, Schläuche, Narben, aber auch ums Meer, um Überfahrten, um Familie, um Lichtblicke, um das Begreifen und Verstehen, das beim Warten und Zugucken betrieben wird.
Menschen verändern und verhalten sich irrational im Angesicht von Fratze Tod und Zerfall, die jede Lust auffrisst, aber die Liebe nicht wegzuschrecken vermag.
Die Sprache des Films ist rau und unmittelbar wie die schroffe felsige Küste, an der der Film beginnt und endet. Das Bild ist körnig, oft nah dran und schaut selten weg.
Der Film geht unter die Haut und ist sehr kurz - wie das Leben eigentlich auch.
ashes to ashes
dust to dust
http://www.youtube.com/watch?v=Iyw0-3lAZkQ
"Ich möchte nicht wieder [...] zerlegt werden."
::: ProsperDune schaut und schreibt über John Cassavetes | Teil 2 :::
::: A CHILD IS WAITING :::
::: Ist Liebe nicht genug? :::
Ein sehr weiser Mann aus einer sehr weisen Serie sagte einmal, dass das einzige, was er fürchtete, eine Welt sei, in der Liebe nicht genug ist.
Ich glaube, John Cassavetes war genau derselben Ansicht. Vielleicht kommt mir das nur so vor, doch besonders einer seiner Filme kann durchaus gelesen werden als eine Auseinandersetzung mit dieser Auffassung. Ich meine seinen Film A CHILD IS WAITING, der die Frage nach dem richtigen Umgang mit behinderten Menschen stellt.
Aber was heißt in diesem Fall überhaupt richtig? Der Film gibt dazu keine eindeutigen Antworten, stellt lediglich zwei gegensätzliche Ansichten gegenüber und kommt zu keinem Ergebnis. Die Eine (Judy Garland) glaubt fest daran, dass man mit viel Zuneigung, Fürsorge und genügend Liebe den Behinderten einen Platz in der Welt geben kann, an dem sie glücklich werden. Der Andere (Burt Lancaster) setzt darauf, dass man sie nicht verhätscheln, nicht isolieren darf vom Rest der Menschheit, dass man sie integrieren muss, so dass sie gleichberechtigt leben können in unserer Gesellschaft, die sich Toleranz und Respekt für diese nicht mindermenschlichen Wesen einverleiben muss.
Bei A CHILD IS WAITING handelt sich um einen verkannten „kommerziellen“ Film von John Cassavetes. In meinen Augen spricht allerdings nichts dagegen, ihn sich anzuschauen. Im Gegenteil. Ich finde es sogar ein bisschen schade, geradezu seltsam, dass dieser Film im Gesamtwerk des Regisseurs gerne unterschlagen wird, spricht dieses Werk doch eine sehr kräftige Sprache, die nicht im Geringsten daran zweifeln lässt, dass sich dahinter ein Mann mit weitreichender Menschenkenntnis und großem Talent im Umgang mit dem Medium verbirgt.
Schon der Anfang des Films ließ mich mit offenem Mund dasitzen. Und später gibt es eine Szene (eine Theateraufführung der behinderten Kinder), die in ihrem ganzen Arrangement der Konflikte, in ihrem Ablauf und durch die immer aussageKRÄFTige Kameraführung eine ungeheure Intensität auf mich ausübte, die mir eine Gänsehaut verschaffte.
Diese Eindrücke sind sehr oberflächlich beschrieben, ich weiß. Zu viel möchte ich nicht verraten. Meiner Meinung nach sollte jeder den Film selbst erleben. Denn für mich ist CHILD IS WAITING einer der menschlichsten Filme aller Zeiten. Damit steht er auf ein und derselben Stufe wie David Lynchs ELEFANTENMENSCH oder Akira Kurosawas IKIRU. Ich zweifle nicht daran, dass John Cassavetes einer der größten Humanisten des Kinos war. Ihm sind die Menschen wichtig, das fällt mir bei Betrachtung seiner Filme immer wieder auf. Ganz besonders deutlich wurde mir das nun einmal bei A CHILD IS WAITING.
Vielleicht bin ich aber auch nicht ganz ernst zu nehmen: Inzwischen führe ich, nur weil der Name John Cassavetes draufsteht, innerlich Jubeltänze auf und meine Emotionen kochen hoch nur wegen irgendwelcher Kameraeinstellungen oder wegen irgendeines im Hintergrund platzierten Gegenstands. Dabei sollte ich mich eigentlich fragen, in welchem Maße A CHILD IS WAITING überhaupt letzten Endes der Verdienst von John Cassavetes ist, denn dieser verabschiedete sich angeblich mitten im Schneideprozess von dem Film aufgrund kreativer Differenzen mit dem Produzenten. So war die Melodramatik, die den Film durchzieht - aber nicht beherrscht!!! -, wahrscheinlich nicht Cassavetes‘ Intention gewesen.
Auf jeden Fall sind Cassavetes die hervorragenden Darstellerleistungen zu verdanken. Gena Rowlands spielt natürlich, wie sollte es anders sein, wirklich gut, fällt aber wegen ihrer begrenzten Screentime längst nicht so gut auf wie Judy Garland und Burt Lancaster, die unter Führung des Regiegotts nur das Beste aus ihren Rollen herausholen. Am allerbemerkenswertesten ist aber die Performance, die Bruce Ritchey mit der Darstellung des autistisch veranlagten Jungen Reuben hinlegt. Er bewegt sich immer auf einer Ebene, die glaubwürdig ist und das behinderte Kind nie zum Mitleidsobjekt werden lässt. Man muss sich fragen, was in Reuben für Talente schlummern, die bisher keine Gelegenheit hatten, sich zu entfalten und von seinen Mitmenschen entdeckt zu werden. Es steckt sicher mehr in Reuben drin, als es für manche den Anschein hat. Der junge Darsteller bringt das wunderbar rüber.
Meines Erachtens hat John Cassavetes mit A CHILD IS WAITING alles gesagt, was über das Thema gesagt werden muss. Damit meine ich nicht, dass sich nach A CHILD IS WAITING jeder andere Film über das Thema erübrigt, er sollte sich aber auf jeden Fall an diesem messen.
Vielleicht bin ich voreingenommen. Ich habe selbst einen geistig behinderten Bruder und kann mich dadurch möglicherweise einfacher in die Thematik hineinversetzen als andere.
[Anmerkung: Ich möchte die Filme von Cassavetes chronologisch durchgehen, habe nun aber TOO LATE BLUES übersprungen. Der ist allerdings nur schwer zu bekommen und auch gar nicht auf der MP-Datenbank eingetragen. So gern ich ihn auch sehen möchte, ich werde (erst einmal) auf ihn verzichten.]
::: ProsperDune schaut und schreibt über John Cassavetes | Teil 1 :::
„It’s not a question of understanding. If you feel it, you feel it.“
Da habe ich mir aber was vorgenommen. Ich denke es kommt von Herzen. Denn mir liegt mir viel daran, anderen nahezulegen, sich mit den Filmen von John Cassavetes zu beschäftigen -- für den Fall, dass sie es nicht schon getan haben, was allerdings – so mein wahrscheinlich etwas schwachsinniger Eindruck - auf zu wenige Filmfreunde hier auf Moviepilot zutrifft. Daher möchte ich aus dem Schweigen heraustreten und ein paar Worte/Sätze über das Werk dieses überragenden Regisseurs verlieren, mit dem ich vor knapp einem halben Jahr nähere Bekanntschaft machte und den ich seitdem sehr, sehr schätze, da mich sowohl sein Schaffen als auch er als Mensch über alle Maßen faszinieren.
Leider kann ich mit meinen Kommentaren, welche ich jeweils über alle seine Filme und vielleicht auch über andere Cassavetes-bezogene Dinge schreiben möchte, nicht versprechen, Meisterwerke abzuliefern. Rational Argumentieren ist nicht meine Stärke, von Objektivität ganz zu schweigen, und sachlich kann ich sowieso nicht an ein Werk herangehen, das in die Tiefen menschlicher Emotionen eindringt, dadurch praktisch selbst pure Emotion ist und voll in der Seele des Zuschauers niederschlägt. John Cassavetes verfilmt nicht das Leben, er verfilmt Gefühle. Auch wenn vielleicht bloß mein ganz eigenes subjektiv geprägtes Bild das so sieht.
Den Anfang meiner Kommentarreihe macht, wie sollte es anders sein, das Regiedebüt von John Cassavetes, dessen Drehbuch auf Basis einer Workshop-Improvisation entstand und daraufhin an Originaldrehorten verfilmt wurde. Um die Authentizität der Charaktere zu erhöhen, behielten alle Schauspieler den eigenen Vornamen in ihren Rollen bei.
::: SHADOWS – Sich treiben lassen :::
Jemand erzählt still und leise in sich hinein eine kleine Geschichte:
„Mary had a little lamb,
whose fleece was white as snow.
Everywhere where Mary went,
the lamb was sure to go.“
Wir alle tragen unser „Schaf“ mit rum: Ängste, Hoffnungen, Hemmungen, Träume, aber ebenso Charaktereigenschaften (Stärken oder Schwächen) oder die Beschaffenheit unseres Körpers. Nehmen wir mal die Hautfarbe. Bei manchen Menschen ist sie weiß (wie bei Mary), bei manchen Menschen ist sie schwarz, und bei manchen Menschen ist sei eine ganz andere. Bei den drei Geschwistern Lelia, Ben und Hugh, um die sich SHADOWS dreht, ist sie eben schwarz, auch wenn Lelia und Ben gerade so noch als weiß durchgehen. (Nicht nur) das ist vielleicht der titelgebende Schatten, den die drei hinter sich werfen (müssen), wo auch immer sie sich gerade befinden.
Es geht um Rassismus, das aber auf keinen Fall vordergründig und beileibe nicht handelt es sich um einen Problemfilm. Auch ist Cassavetes kein Gehobener-Zeigefinger-Oberlehrer. Vielmehr ist er ein Beobachter, der allerdings nicht unwesentlich ins Geschehen eingreift und miteinbezieht, was ihn am Menschen interessiert. Es geht es ihm darum, einen Ausschnitt zu zeigen. Eine Passage aus dem Leben in Beziehung stehender Persönlichkeiten. Anfang und Ende sind unbestimmt. Der Grundton ist melancholisch, kein anderer Cassavetes (außer vielleicht GLORIA) wird so stark von seinem Soundtrack beherrscht wie dieser. Die musikalische Untermalung ist jazzig-schwermütig, genauso wie die Gemüter der Charaktere selbst, deren Leben – interessanterweise ähnlich der Entwicklung des Drehbuchs – von Planlosigkeit und Spontaneität geprägt ist. Ob ihre Eingeschränktheit und Perspektivlosigkeit nur von ihrer Stellung als Afroamerikaner oder einfach von einer inneren Antriebslosigkeit herrührt, bleibt offen. Zumindest der älteste der Geschwister, Hugh, dem man seine Herkunft sofort anmerkt, hat sichtlich Schwierigkeiten damit, mit seiner Arbeit als Jazz-Sänger Erfolge zu feiern, er sieht sich als Künstler, ist aber wohl oder übel zu unwürdigen Nebenverdiensten gezwungen. (Das ist wiederum sehr interessant, da man darin einen Verweis auf Cassavetes‘ eigene Stellung als Regisseur lesen kann. Er war eine Art Außenseiter im Filmgeschäft und stand der vom Kommerz geprägten Hollywood-Landschaft immer gegenüber. Auch sein Film SHADOWS ist ein Außenseiter, denn es war damals etwas ganz Neues (und sicher von manchen Fachleuten nicht gern Gesehenes), auf Improvisation zu setzen. Ich finde es im Allgemeinen immer ganz toll, dass man Cassavetes‘ Filme auf einer solchen Metaebene betrachten kann.)
Am Ende von SHADOWS bleibt für mich die Erfahrung, an etwas teilgenommen zu haben, das sich echt anfühlt. Die Schauspieler entwickeln untereinander ein glaubwürdiges Beziehungsgeflecht, während Musik, Kamera und Schnitt einen Flow gestalten, dem ich mich nicht entziehen kann – jedenfalls erst bei zweitmaliger Betrachtung. Auf den ersten Blick wirkt SHADOWS befremdlich ziellos. Denn was hat sich am Ende denn für die Charaktere geändert? Hat sich überhaupt etwas getan?
Vielleicht schon: Das Leben geht weiter seinen Lauf. Aber die Menschen gehen weiter mit dem Gedanken, mit der heranreifenden Ahnung, dass es so, wie es ist, nicht weiter gehen kann – dass dieses Sich-treiben-lassen nirgendwo hinführt. (Nicht umsonst wird den Figuren an vielen Stellen empfohlen, doch mal einen richtigen Beruf zu erlernen, eine Familie zu gründen und solche Dinge.) Ändern muss sich was. Es ist an der Zeit, über seinen eigenen Schatten springen. Doch aus diesem Gedanken muss erstmal ein Tun folgen. Und dieser Schritt ist verdammt schwierig, obwohl er eigentlich verdammt einfach ist. Aber sind wir überhaupt verpflichtet, diesen Schritt zu machen?
Das kenne ich irgendwoher. Ich denke, so geht es vielen. Nicht nur mir.
[Anmerkung: Würde mich jemand fragen, ob SHADOWS ein guter Einstiegsfilm ist, würde ich das verneinen. Das beruht jedenfalls auf meiner eigenen Erfahrung. Die melancholische Grundstimmung des Films ist für Cassavetes-Verhältnisse einzigartig, aber nicht repräsentativ. Die Schauspieler sieht man in späteren Filmen nie wieder, Gena Rowlands und John Cassavetes selbst haben in SHADOWS lediglich kleine Cameo-Auftritte.]
Der traurigste Film, den ich seit ich-weiß-nicht-wie-lang gesehen habe.
Bei oben zititerter Stelle aus KRIEMHILDS RACHE bekam ich eine Gänsehaut. Gewaltiger Moment.
Du liebst die Ordnung, kann das sein? :)
Nie gesehen.
Was ist das?
F R E I H E I T !!!
Die Freiheit ist ein Waldspaziergang. Das möchte einem THE WAY BACK vielleicht glauben lassen. Dem Zuschauer wird etliches körperliches wie seelisches Leid ausgespart. Da, wo sich Konflikte anbahnen, wo sich Gefahren in unseren Köpfen gestalten, wird alles letztlich zum Kinderspiel. Wo ist da die Bedrohung?
Man kann dem großartigen Peter Weir vorwerfen, dass er den Film verbockt hat.
Aber ich kann das nicht.
Freiheit ist hier kein Kampf, kein Leidensweg sondern ein Lebensweg, den der Wille ebnet. Am Ende des Weges steht eine Erfahrung. Keine Erfahrung der qualvollen Aufopferung für ein Ziel sondern eine Erfahrung der Zwischenmenschlichkeit, die auf Begegnungen, Gesprächen und Zusammenhalt unter den Gemeinsam-Flüchtenden/-Reisenden/-Gehenden fußt. Die Charaktere mögen nicht tiefgründig sein, aber sie sind doch fern jeden Klischees (meines Erachtens). Beispielhaft dafür: Ungefähr in der Mitte des Films verlässt einer der Flüchtigen die Gruppe. Nicht weil er muss (seine (physischen) Kräfte sind nicht an ihrem Ende angelangt), aber er will einfach nicht weiter, er will nicht weg aus seiner Heimat. Nicht weg von seiner Heimat, in der ein Geächteter/Gesuchter ist. Er wird auch so seinen Weg finden, frei zu sein - irgendwie.
Hoffnung wird großgeschrieben. Aber ganz sicher nicht auf diese verkitschte, pathetische Hollywood-Art (die ich ehrlich gesagt sehr oft mag, aber THE WAY BACK nicht nötig hat.)
Der Weg IST lang, das zeigt der Schluss. Auch wenn der Weg manchmal ziemlich kurz erscheint. Denn ja, ich gebe zu: THE WAY BACK fehlen an der einen oder anderen Stelle einige zusätzliche Filmminuten. Nichtsdestotrotz gelang es ihm schon zwei Male, mir den Atem zu rauben. Vielleicht werden es noch mehr.
U N E N D L I C H K E I T !!!
Das Medium Film ist im Kern reine Science Fiction: Es vermag die Regeln des Raum-Zeit-Kontinuums zu durchbrechen. Zeitreisen, Wurmlöcher, die Schönheit der Sterne und der entfernten Sphären. All das kann man bei Maya Deren finden, wenn man will...
Letztens blickte ich hinauf in den Sternenhimmel, ich musste auf der Stelle hieran denken. Dann sah ich den Mond, ein bisschen von Wolken verhangen - ein Zittern durchfuhr mich, das ich nicht beschreiben kann. So verharrte ich einige Minuten, die eigentlich Sekunden waren...
http://www.youtube.com/watch?v=jXFk67gU-X4
[ [ [ http://www.youtube.com/watch?v=UVf8053iN9M ] ] ]
Des Menschen Gesichter: Traurige. Fröhliche. Weinende. Lachende. Zerfurchte. Unschuldige. Alte. Junge. Müde. Hellwache. Tote und lebendige Gesichter.
Unablässig schweift die Kamera ganz nah über diese physiognomische Vielfalt. Manche Personen lernen wir näher kennen, viele andere werden nur kurz gestreift. Im Hintergrund meist ein Feld von Sonnenblumen oder wehendem Getreide oder ein Meer aus Wolken. Auch die Mienen von Pferden und Kühen und anderen Tieren - Bewohner ein und derselben Erde - blicken gelegentlich gleichsam den Menschen in die Richtung des Zuschauers, als seien sie ebenso Teil des Geschehens.
Ich kann mit der historischen, sozialpolitischen Ebene von ERDE nicht viel anfangen, weil ich zu ihr keine persönlichen Bezüge aufbauen konnte - oberflächlich ausgedrückt, geht es in dem Film um einen Konflikt zwischen der Tradition der bäuerlichen Großgrundbesitzer und den aufkommenden politischen sowie technologischen Veränderungen der Moderne, zwischen den Alteingesessenen und den jungen Revolutionären, zwischen Vätern und Söhnen.
Wofür ich den Film stattdessen wirklich bewundern kann: Es war schlicht und ergreifend ein packendes Stummfilmerlebnis, welches sich Regisseure wie Andrej Tarkowskij, Terrence Malick und vergleichbare zweifellos mehrmals hintereinander angeschaut (wenn es um Tarkowskij geht, wäre "angesehen" natürlich angebrachter) und fleißig studiert haben. Besonders die Naturaufnahmen sowie das Streifen über Gesichter sind für Malick typische Stilmittel, deren Ursprünge man hierin erkennen kann. Ebenso verhält es mich mit den Themen religiösen Inhalts - die Frage nach Gott wird explizit gestellt.
Alexander Dovzhenkos ERDE beherrscht sowohl stille als auch überwältigende Momente. Der Ton des Films wird im Laufe der Geschichte immer unruhiger. Der Anfang beinhaltet eine einerseits sehr anrührende, aber andererseits irgendwie positiv lächerliche Szene, in der ein alter Mann im Sterben liegt:
Sein Sohn fragt: "You dying?"
Die Antwort: "That I am."
Daraufhin der Sohn wieder: "Then go ahead."
Der alte Mann setzt sich ein letztes Mal kurz auf, sieht ein paar Kinder, die Früchte essen (ein Bild, das sich im Laufe des Films wiederholt), legt sich wieder hin und stirbt.
Spätestens hier hatte der Film mich für sich eingenommen.
Am Ende kulminiert ERDE in einer stakkatoartigen Parallelmontage, die gar nicht mehr so wirkt wie die andächtige Einleitung. Ich möchte dabei mal einen Vergleich mit der berühmten Treppenszene aus Eisensteins PANZERKREUZER POTEMKIN (, den ich zugegebenermaßen nicht vollständig kenne,) heranziehen. Während bei POTEMKIN schnell von Bild zu Bild geschnitten wird, um dem Zuschauer die donnernde Gewalt und Brutalität des Geschehens klarzumachen, handelt sich in der von der Montage her ähnlichen Szene in ERDE nicht um eine Szene des Tötens sondern einfach um einen Trauermarsch, der aber unterstrichen durch die Musik eine nicht minder sondern vielleicht sogar noch aufwühlendere Wirkung beim Zuschauer erzielt, jedenfalls bei mir.
Wie ich oben schon schrieb, sprachen mich die politischen Themen des Films nicht an, ich muss ihm in der Beziehung aber zu Gute halten, dass er nie eine Meinung aufzudrängen und an keiner Stelle den Zeigefinger auf eine Gruppe von Personen zu richten scheint.
Viel Pathos, aber keine einfache Lösungen, wenngleich er dem Setzen eindeutiger Zeichen der Hoffnung nicht abgeneigt ist.
Stummlautes Überwältigungskino, das nicht nur Terrence-Malick-Liebhabern interessante, wenn nicht sogar unvergessliche Eindrücke von weinenden Gesichtern, mit Regen benetzten Früchten und anderen mitunter unscheinbaren Dingen liefern wird.
"I'd been wanting to fly it free, but I daren't. You know, I were frightened, it'd fly off or something like that. This had been going on for four or five days. And I keep on to meself, sayin' that 'Fly it free next day'. Anyway, I got right mad with meself and say: 'Right, I'm flying it free tomorrow.' Anyway, that night [...] I didn't feed her up so that she'd be sharp set next morning. And I went to bed that night - and I didn't get an hour's sleep at all. I were frightened about the bird, that she'd fly off or something like that."
Das fasst es zusammen für mich. Der junge Billy erzählt seiner Schulklasse aus ganzem Herzen seine "Geschichte". Endlich hat er etwas gefunden, wofür er sich begeistern kann, was ihn innerlich aufspringen und nicht mehr loslässt, und natürlich steht der Falke, den er aufzieht, pflegt und zähmt, für die Freiheit und Unabhängigkeit, die Billy woanders nicht findet. Doch er möchte wiederum nicht, dass das Tier dessen wesenseigene Freiheit und Unabhängigkeit nutzt um zu entkommen. Denn das wäre für Billy so, als würde er seine Träume, seine Freuden und das alles auf und davon fliegen sehen, bis sie am Horizont verschwunden wären und er jede Hoffnung verlöre.
Man muss den Film dafür loben, dass er einem so nahe geht, obwohl er so klein gehalten ist. Kaum etwas wird auserzählt, manche Szene wirken ohne Konsequenz. Doch Ken Loach macht dem Zuschauer nichts vor, er durchfüttert ihn nicht mit Bildern, Zeichen oder Symbolen, so dass nie gänzlich klar ist, wie es und was in Billys Kopf vorgeht und wie seine Geschichte weitergeht. Der Film geht da mit wenigen Andeutungen vor und man muss sich viel selbst denken. Für mich ist jedenfalls klar, dass Billy jedes Mal, wenn er mal wieder von Schülern, Lehrern oder vom Bruder schikaniert wird, sich nichts sehnlicher wünscht, als zu seinem Falken - Kes hat er ihn getauft - zurückzukehren, ihm Nahrung zu geben, ihn zu trainieren, ihn durch die Lüfte schwingen zu sehen, mit ihm auf den grünen Wiesen zu spielen und ihn einfach zu beobachten und mit dem Blick in den Himmel von einem Leben zu träumen, das ihn nicht in die schwarzen Tiefen der englischen Kohleminen führt - obwohl gerade das die einzige realistische Zukunft für ihn darstellt, abgesehen von seinem Vogel gibt es niemanden, der ihn nicht unablässig daran erinnert.
Der Jungdarsteller David Bradley schultert diese Rolle mit einer schier atemberaubenden Echtheit, so als würde er überhaupt nicht schauspielern, und es ist zu einem großen Teil ihm zu verdanken, dass KES ein ergreifender Film ist.
Dass ich KES das Herz verliehen habe, war eine völlig spontane Entscheidung ob seiner großartigen Einfühlsamkeit. Ich weiß nicht, ob KES das Herz behalten wird, aber bei solch einem humanen Film wird mir das - so wie ich mich kenne - sehr schwer fallen.
PS: Die Worte, die ich hier niedergeschrieben habe, geben auf gar keinen Fall akkurat und vollständig wieder, was ich bei dem Film fühlte und was man überhaupt alles über ihn sagen kann. Ich fand nur, dass es mal wieder an der Zeit für mich war, mehr als zwei, drei Sätze über einen Film zu verlieren, und es spricht für den Film, dass er mir dazu einen Antrieb geboten hat.
"Do you know something, Sir? I think, [Kes] is doing me a favor, just letting me sit here and watch her."
Oh, das freut mich jetzt aber. Ein herrliches Zitat. :)
Doch inwiefern hast du mir da was zu verdanken?
Ich möchte Urlaub nehmen in dieser Liste. Ein Multiversum aus Abenteuern.
1) Albert Rosenfield.
-- "While I will admit to a certain cynicism, the fact is that I am a naysayer and hatchet-man in the fight against violence. I pride myself in taking a punch and I'll gladly take another because I choose to live my life in the company of Gandhi and King. My concerns are global. I reject absolutely: revenge, aggression and retaliation. The foundation of such a method... is love. I love you Sheriff Truman."
2) Special Agent Dale Cooper.
-- "I'm going to let you in on a little secret. Every day, once a day, give yourself a present. Don't plan it. Don't wait for it. Just let it happen. It could be a new shirt at the men's store, a catnap in your office chair, or two cups of good, hot black coffee. "
2 1/2) Diane
-- Der beste Freund des Menschen ist sein Diktiergerät.
3) Major Garland Briggs. (Don S. Davis ♥)
-- "[I fear] The possibility that love is not enough."
4) Gordon Cole. (David Lynch ♥)
-- "I PLAN ON WRITTING AN EPIC POEM ABOUT THIS GORGEOUS PIE."
5) Pete Martell. (Jack Nance ♥)
-- "The lonesome foghorn blows..."
6) Log Lady.
-- "Sometimes - well, let's say all times - things are changing. We are judged as human beings on how we treat our fellow human beings. How do you treat your fellow human beings? At night, just before sleep, as you lay by yourself in the dark, how do you feel about yourself? Are you proud of your behavior? Are you ashamed of your behavior? You know in your heart if you have hurt someone - you know. If you have hurt someone, don't wait another day before making things right. The world could break apart with sadness in the meantime."
7) Deputy Hawk.
-- "One woman can make you fly like an eagle, another can give you the strength of a lion, but only one in the Cycle Of Life can fill your heart with wonder and the wisdom that you have known a singular joy."
8) Andy.
-- "I'm a whole damn town!"
9) Harold Smith.
-- "Je suis une âme solitaire."
10) Bob.
-- Das Böse. [SPOILER: Es lässt mich nicht los, dass es siegt. Was ist, wenn die schwarze und die weiße Hütte derselbe Ort sind?]
11) Der Fichtenmarder!
[ . . . ]
"Niemals.
Niemals.
Nichts wird vergehen.
Der Strom fließt dahin,
der Wind weht,
die Wolke schwebt,
das Herz schlägt.
Nichts wird vergehen."
*Träne wegwisch*