Pyro 91 - Kommentare

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    Pyro 91 24.04.2013, 02:35 Geändert 15.02.2017, 15:36

    Für mich Kurosawas Opus magnum seiner Nicht-Samuraifilme.
    Wie er hier Charakterstudie, Gesellschaftskritik und Crimethriller spielend miteinander vereint, ist einfach meisterhaft. Jede Figur bekommt eine Stimme und wird in moralischen Fragen auf die Probe gestellt, wodurch sich eine faszinierende Grauzone zwischen Recht und Unrecht bildet.

    Ein kleiner Junge wird entführt und Kurosawa zeigt die Auswirkungen dieser Straftat auf alle Beteiligten. Wir sehen nicht nur den Schmerz und die Angst des leidenden Vaters oder dessen zwiegespaltenen Arbeitgeber, der das Entführungsgeld zahlen soll; nein, wir sehen auch den Täter mit seinen Selbstzweifeln hadern und wie selbstgerecht die Polizei handelt, um ihn am Galgen zu sehen. Die ganze Zeit verschieben und verändern sich unsere Sympathien für die Figuren und als Zuschauer ist man ständig damit beschäftigt, deren unterschiedliche Blickwinkel wahrzunehmen und sich in die Lage der Betroffenen hineinzuversetzen. Solche Filme will ich sehen!

    Dass alle Beteiligten, im speziellen Toshiro Mifune und Tatsuya Nakadei, geniale Schauspielleistungen abliefern, versteht sich eigentlich von selbst. Am stärksten ist der Film aber eigentlich immer dann, wenn die Figuren gar nichts sagen und sich nur zueinander im Raum positionieren. Was für ein Mis-en-scene-Himmel!

    Während die erste Stunde in der selben Location spielt und mit ihren langen, distanzierten Shots und wenigen Cuts einen Theaterspiel gleicht, wirkt die zweite Hälfte, in der es um die Polizeiarbeit geht, nahezu hyperaktiv. Viele hektische Kamerabewegungen und atmosphärische Außenaufnahmen, geben einem das Gefühl mitten im Geschehen zu sein und den Ermittlern auf Schritt und Tritt zu folgen. Unterbrochen werden diese beiden diametrial-arbeitenden Hälften in der Mitte des Films, wo Kurosawa bei einer Lösegeldübergabe mit einer Handkamera arbeitet und das Ganze in Echtzeit(!) filmt.

    Meisterwerk!

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      Der ultimative Pay-off! Über vier Stunden scheinbar nicht-endende Kinomagie. Selten habe ich einen Film gesehen, bei dem ich wirklich über die gesamte Laufzeit "weg" und nur in dieser Fantasiewelt Zuhause war. Erst nachdem die Credits auf meinem Bildschirm auftauchten, wurde mir klar, dass es jetzt vorbei war. Wirklich beeindruckend, wie Peter Jackson es geschafft hat, jeder noch so kleinen Figur eine entscheidende Rolle zu geben, trotz all den "Schlachtengedöns" niemals die emotionale Realität seiner Charaktere zu vernachlässigen und unzählige Momente voller Liebe, Freundschaft, Mut, Tapferkeit, Triumph und "Loslassen" voller Wärme und Anteilnahme auf der Leinwand zu zelebrieren.
      "Meine Freude...ihr verbeugt euch vor niemandem."
      Nur ich verbeuge mich vor Peter Jackson, Fran Walsh und Phillipa Boyens für diese meisterhafte Trilogie, die mich seit meinem 11. Lebensjahr begleitet und wahrscheinlich bis ins hohe Alter jedes Mal zur Weihnachtszeit wieder begeistern wird! Danke.

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        Pyro 91 27.02.2018, 19:01 Geändert 11.03.2018, 23:46
        über Sieben

        Ich muss damals wohl 16 oder 17 gewesen sein, als ich "Sieben" zum allersten Mal mit einem guten Freund auf DVD sah. Zu dem Zeitpunkt war ich noch auf der Suche nach spannenden Twist-Filmen, also Werken, die den Zuschauer vor allem kurz vor Schluss nochmal so richtig den Boden unter den Füßen wegzogen und durch eine nötige Neuinterpretation der bisherigen Geschehnisse für einen krassen Mindfuck sorgten. Inzwischen sehe ich Filme dieser Art oft als lästige und vorhersehbare Taschenspielertricks an, die beim zweiten Durchlauf eher wenig Neues zu bieten haben und somit stark an Wirkung und Effektivität verlieren. Das ist hier allerdings nicht der Fall. Denn auch wenn ich damals den relativ ruhigen Aufbau des Films noch nicht zu schätzen wusste, hab ich wohl dennoch bis dato noch nie so viel Anspannung und Aufregung empfunden, als während der letzten Autofahrt der Detectives mit dem Killer im Schlepptau. Daran hat sich auch bis heute nichts geändert.

        Ich habe mir Finchers Meisterwerk wohl über die letzten zehn Jahre mindestens fünf, sechs Mal angesehen und war stets wieder überrascht wie intensiv, packend und frisch sich der Film trotzt der zahlreichen Sichtungen und meinem kontinuierlich erweiterten Filmhorizont anfühlte.
        Doch wie das oft so ist bei Lieblingsfilmen, kommt für mich hier einfach alles perfekt zusammen. Ich bin ohnehin ein großer Fan von True Crime /Serienkiller-Filmen/Büchern und ich liebe Werke in denen rechtschaffene, teilweise auch idealistisch-handelnde Protagonisten einen langen und grausamen Abstieg in die Hölle, die dunklen Abgründe der Menschheit wagen und wegen dem, was sie dort vorfinden, überfordert, geschockt, ja in ihren eigenen Moralvorstellungen erschüttert sind und dadurch auch mit ihren inneren Dämonen ringen müssen (Daher auch meine Liebe zu "Apocalypse Now" und "True Detective").

        Vom allerersten Frame an, ist klar, dass wir uns in dieser anonymen Stadt mit ihrer in Anonymität lebenden Menschen im Vorhof der Hölle befinden. Fincher ist geschickt darin, den eigentlichen Handlungsort der Geschehnisse im Dunkeln zu lassen, selbst den Namen von Mills und Sommersets Dienststelle kennen wir nicht. Menschen leben hier nur nebeneinander her, verlorene Seelen wandern durch den unablässigen, starken Regen, es herrscht Dunkelheit in den Häusern und draußen in der Welt, Apathie und Chaos regiert.
        Dieser Film ist einer der ersten, an den ich denke, wenn ich irgendwo die Bezeichnung "dichte und düstere Atmosphäre" lese. Von Anfang bis Ende sitze ich hier einfach nur vollkommen gebannt und angespannt vor dem Fernseher, freue mich wie ein Kleinkind auf jede noch folgende, in sich perfekt konstruierte Szene und genieße jede Sekunde, die ich mit diesen Figuren in diesem Setting verbringen kann.
        Sommerset und Mills sind natürlich nicht die tiefgründigsten und originellsten Figuren aller Zeiten, nein, auf dem Papier wirken sie zugegebenermaßen eher wie abgehalfterte und tausendfach-gesehene Klischees, die man in anderen Filmen eher ermüdend zur Kenntnis nehmen würde. Doch aufgrund der großartigen Hauptdarsteller (Pitt, Freemann), die ihren Rollen eine eigene liebenswerte und sympathische Note geben und Finchers effizientem Storytelling, wachsen sie schnell über ihren anfänglichen stereotypischen Status hinaus. Hier sei nur einmal Sommersets Einführung genannt, in der wir in nur wenigen Shots sofort verstehen, was er für ein Typ ist: intelligent, organisiert, gründlich, empathisch, insomnisch - ein alter Mann der trotz der zahlreichen Verbrechen und Schandtaten, die er jeden Tag sehen muss, noch nicht völlig abgestumpft ist, sondern sich noch für die zurückbleibenden Opfer dieser üblen Taten interessiert.

        Die darauffolgende Dynamik zwischen Mills und Sommerset, die nicht nur visuell innerhalb des Bildes immer näher zusammenrücken, sondern sich auch persönlich und beruflich immer mehr respektieren und Vertrauen zueinander fassen, ist für mich auch ein großes Highlight des Films und der Grund warum ich mir ihn immer wieder gerne ansehe. Ich kaufe den beiden Darsteller einfach diese wechselhafte Beziehung vollkommen ab und ich schätze vor allem auch die kleinen humorvollen und subtilen Momente zwischen den beiden. (Mein liebster: Sommerset bittet Mills um ein Glas Wein, dieser geht in die Küche und füllt den Wein in ein gewöhnliches Glas ein und reicht es Sommerset, dieser bemerkt es erst am Ende der Szene und schaut verwundert drein).

        Davon mal abgesehen hat dieses Thriller-Juwel auch viele Szenen zu bieten, bei denen ich einfach nur feuchte Augen bekomme, weil dort das Zusammenspiel von packenden Bildern und mitreißendem Score auf mich einfach eine unfassbare Sogwirkung erzeugt und ich dadurch die Aufregung und den Schock der Figuren richtig intensiv nachfühlen kann. Hier muss ich Auffindung des Trägheitsopfers und die Verfolgungsjagd zwischen Mills und John Doe anführen, in der erster den Täter quer durch ein Mietshaus, über viel befahrenen Straßen und über fahrende Autos jagt. Letztere Sequenz ist für mich einfach jedesmal wieder ein absoluter Thrill, vielleicht auch gerade deswegen, weil der Film ansonsten keine Actionszenen bietet, sondern ruhig und gemächlich erzählt wird. Ich liebe außerdem den Moment als der verwundete Mills auf den schmierigen und aufgeweichten Boden in der Gosse liegt und der bewaffnete John Doe - verkleidet mit Hut, Mantel und Sonnenbrille - direkt auf ihn zukommt, worauf man seine Reflektion in einer Pfütze sehen kann. Unfassbar einprägsames Bild und ich bekomme von diesem Moment einfach immer wieder Gänsehaut. Besonders hervorstechend, ist hier auch wieder Finchers Entscheidung eine Nahaufnahme von Brad Pitts zutiefst beängstigtem Gesicht zu verwenden, als dieser von John Doe seine Waffe an den Kopf gedrückt bekommt. Gerade deshalb so perfekt, weil der Film ansonsten keine Closeups dieser Art besitzt und dadurch die besondere Relevanz von John Does Entscheidung - nämlich dass er nun Mills und sich selbst in seinem Plan integrieren will - nochmal deutlich betont und herausstechen lässt.

        Apropos John Doe: Kevin Spacey liefert hier wirklich eine herausragende Performance ab, verleiht einen über den Dingen stehenden Supervillain dieser Art aber auch eine gewisse Menschlichkeit und psychologische Dimension. War es Finchers oder Spaceys Entscheidung, John Doe beim Verhör mit seinem Teebeutel spielen zu lassen? Denn es passt so perfekt zur Figur: Abwartend, entspannt, in Kontrolle. Details dieser Art mögen vielleicht nicht allzu wichtig sein, denn wenn er dort mit einer Tasse Kaffee gesessen hätte, wäre wohl auch kein Zuschauer verwundert gewesen, aber es sind eben diese scheinbar unbedeutenden Aspekte, die mir enormes Vertrauen in Fincher als intelligenten Regisseur geben, der nichts den Zufall überlässt, jede Szenen genau durchstrukturiert und Kameraeinstellungen, Requisiten sowie Platzierung von Figuren nicht ohne Bedacht, sondern mit einleuchtender Intention wählt.
        So wie in der letzten Konfrontation, als Mills erfahren hat, was Doe seiner Frau und ungeborenem Kind angetan hat. Mills Wut, Schmerz und Unkontrolliertheit wird passenderweise mit einer Wackelkamera eingefangen, um seine aufgewühlte Verfassung zu verdeutlichen, während Fincher bei Schnitten auf John Doe die Kamera stets ruhig und bewegungslos hält, was wiederum dessen Selbstsicherheit als Herr der Lage offenbart. Großartig!

        Kaum zu glauben, finde ich auch das konsequente und unheimlich bedrückende Ende, welches sich aber dennoch wie der logische Schlusspunkt - ein nihilistischer Alptraum - anfühlt und ich mir inzwischen auch kein anderes mehr vorstellen könnte. Interessant finde ich auch das Setting, denn nach 6 Tagen Regen und Dunkelheit - eingepfercht in der Großstadt - befinden wir uns nun im gleißenden Sonnenschein an einem menschenverlassenen, abgeschiedenen Ort. Fast schon grotesk und ironisch wirkt dann auch die Tatsache, dass Mills´ Mord an John Doe die einzige Bluttat ist, die wir im Verlauf des Films direkt miterleben, während wir John Does Opfer bereits ermordet zu Gesicht bekommen. Nichtsdestotrotz steht auch diese Entscheidung wieder exemplarisch für die Anonymität der Leidtragenden, denn wir lernen die Toten zuvor nicht kennen, wir erinnern uns höchstens noch an die Art von deren Ermordung und die jeweilige verkörperte Todsünde, nicht aber an deren Namen. Dies nimmt auch Bezug auf Mills Äußerung, er könne sich nicht mehr an den Namen des einzigen Typen erinnern, den er je im Dienst habe erschießen müssen. Sommersets trauriger Blick daraufhin spricht Bände und zeigt uns dessen Weltschmerz und seine damit einhergehende Überdrüssigkeit des Polizeidienstes.

        Diese thematische, philosophische Tiefe, speziell im Hinblick darauf, dass "Sieben" auch als lupenreiner, extrem spannender Serienkiller-Thriller und Genrebeitrag funktionieren würde, ist dann auch der ausschlaggebende Faktor, der den Film für mich letztendlich zum Meisterwerk und über die meisten anderen Genrevertreter erhebt. Immer wieder ein Hochgenuss!

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          Pyro 91 25.10.2017, 13:44 Geändert 25.10.2017, 16:59
          über Psycho

          Umso öfter ich mir "Psycho" über die Jahre angesehen habe, desto mehr ist er in meiner Wertschätzung gewachsen. Egal ob Schauspiel, Inszenierung, Score (!), Drehbuch, Setdesign, Ausleuchtung - hier wird ganz klar Filmgeschichte geschrieben. All diese Stärken kombiniert, machen Alfred Hitchcocks Begründung des Slasher-Genres für mich immer noch zum Horror-Psychothriller schlechthin. 109 Minuten voller Paranoia, Angst und Schrecken, die auch nach jeder Sichtung noch lange nachwirken.

          In keinem anderen Film von Hitchcock wird der Zuschauer so geschickt und effektiv manipuliert wie hier. Besonders erstaunlich ist, wie wir mittendrin mithilfe von zwei, drei pointierten Dialogszenen den Protagonisten wechseln und uns auf einmal mit Norman identifizieren und seinen Blickwinkel einnehmen
          Während wir zu Beginn noch vollkommen mit Marion sympathisieren und wollen, dass sie mit dem Diebstahl durchkommt, damit sie sich mit ihrem Freund Sam ein Leben aufbauen kann, drücken wir vielleicht nur zehn Minuten nach ihrem Tod bereits dem bemitleidenswerten Norman die Daumen, dass das Auto - inklusive Marions Leiche - komplett im Moor versinken möge.
          Später als Marions Schwester Lila und Sam auftauchen, steigt die Spannung um Normans schmutziges Geheimnis ins Unermessliche an und wir wollen nicht, dass er auffliegt - zumal dieser durch die eher tölpelhafte Befragung durch Sam noch sympathischer wirkt - aber gleichzeitig wollen wir Gerechtigkeit wegen seiner begangenen Verbrechen und mit Lila das gruselige und imposante Haus erforschen.

          Im speziellen sind mir dieses Mal die feingeschliffenen Dialoge aufgefallen, vor allem die zwischen Marion und Bates, sowie Arbogast und Bates, welche unerträglich intensiv sind. Während erstere Unterhaltung unterschwellig sexueller Natur ist, handelt es sich bei letzteren, um ein Katz-und Maus Spiel, welches den Begriff "Pulverfass" quasi neu definiert.

          Die berühmt-berüchtigte Duschszene wirkt heute noch genauso bedrohlich und unangenehm wie damals, da sich der meiste Horror ausschließlich im Kopf des Zuschauers abspielt. Zuerst wiegt sich Marion in Sicherheit und lässt sich sozusagen von ihren Taten "reinigen", während sie nicht ahnt, wer sich hinter dem Duschvorhang anschleicht. Nirgendwo sonst wäre sie so verletzlich für eine unerwartete Attacke. Als der Killer sie angreift, befindet sich die Kamera in einer unmöglichen Position, nämlich da wo eigentlich die Wand wäre und man kommt sich unglaublich voyeuristisch vor, diese brutale Tat mit anzusehen. Marions Leben - in Form von Blut - läuft buchstäblich den Abfluss hinunter.
          Bernhard Hermanns klirrender Score dazu bleibt natürlich unvergessen und hämmert sich ins Gehirn, wie Normans Stiche in Marions Körper. Auch nach mehreren Sichtungen schlägt mein Herz hier wie wild, was wie erwähnt, nicht in der grafischen Darstellung liegt, sondern an der überraschenden und ungewöhnlichen Art wie das Ganze inszeniert worden ist und an der musikalischen Untermalung die mir immer weder an die Nieren geht, egal wie oft ich dieses Stück höre oder wie häufig es popkulturell schon zitiert worden ist.

          Die zweite Mordszene wirkt auf mich unglaublich "persönlich", weil wir Arbogast in seiner Furcht und Verwirrung direkt ins Auge sehen, als er rückwärts die Treppenstufen hinunterfällt. Auch hier werden wir anfangs zum Voyeur, indem wir aus der Vogelperspektive hilflos und desorientiert zusehen müssen, wie "Mutter" von der Seite unheimlich schnell und zielgerichtet mit einem Messer auf ihn zukommt.

          Das Finale im Keller ist eines der spannendsten, was ich je gesehen habe und es enthüllt die schreckliche Wahrheit um Normans Mutter. Hier ist auch wieder das am effektivsten, was wir nicht ausführlich zu sehen und hören bekommen. Was hat Norman die ganze Zeit mit seiner Mutter gemacht? Schlief er im selben Bett mit ihr? Spielt er wie ein kleiner Junge mit seinen alten Spielsachen im Kinderzimmer? Wie hat er seine Freizeit verbraucht, wenn er nicht gerade im Motel gearbeitet hat?

          Die Szene mit dem Psychologen am Ende ist vielleicht zu lang und könnte gekürzt werden, ist jedoch wichtig um einige neue Informationen zu erhalten (Mutter und Liebhaber wurden vergiftet, er stahl ihren Körper). Im Kontext seiner Zeit gesehen, wollte man hier dem Zuschauer wohl noch eine "Bedienungsanleitung" mitgeben, um das Gesehene besser verstehen und einordnen zu können. Gestört hat mich diese Szene eigentlich noch nie, denn sie wirft uns eher langsam aus dem Film und gibt einem noch Zeit, um die Geschehnisse zu verarbeiten.
          Doch danach zieht uns Hitchcock nochmal den Teppich unter den Füßen weg, wenn wir Norman, dessen Seele nun vollständig der Mutter gehört, in der Zelle sitzen sehen und wir seinen/ihren internen Monolog lauschen können. Das Schlussbild mit Anthony Perkins` dämonischem Grinsen bleibt unvergesslich und man mag sich nur die Reaktion des Kinopublikums im Jahr 1960 vorstellen, als der Film zu Ende war.

          Eine Szene möchte noch besonders hervorheben, denn sie blieb mir noch lange im Gedächtnis und ist neben den "üblichen Verdächtigen" (Dusche, Treppe, Keller) die beste im Film. Es passiert so gegen Ende des Films, als Norman mit seiner Mutter spricht, weil er sie in den Keller bringen will.
          Die Kamera fährt langsam das Treppenhaus hinauf, pausiert vor der Tür, "kehrt um" und nimmt die Vogelperspektive ein. Zum einem hat das natürlich praktische Gründe, damit wir die Mutter nicht sehen, aber es wirkt auf mich so desorientierend: Mit wem redet er da wirklich? Was zur Hölle geht in dem Haus vor sich? Was passiert als nächstes?
          Diese Verwirrung und Unsicherheit seitens des Zuschauers fängt Hitchcock mit dieser Kamerafahrt perfekt ein und deswegen wird sie mir auch nicht mehr aus dem Kopf gehen.

          Fazit: Es fällt schwer bei "Psycho" nicht ständig mit Superlativen um sich zu werfen, doch wenn es einen nahezu perfekten Film gibt, dann handelt sich um dieses Werk. Es beendet außerdem Hitchcocks hervorragenden Lauf in den 50er-Jahren und ist für mich mit "Vertigo" gleichzeitig der Höhepunkt seines Schaffens. Immer wieder gerne.

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            Nach vielen Jahren war es mal wieder an der Zeit mir Fellinis Opus Magnum zu Gemüte zu führen. Der Film befindet sich nunmehr bereits seit 10 Jahren unter meinen Lieblingsfilmen und doch habe ich ihn mir schon lange nicht mehr angesehen.
            Ähnlich wie die Hauptfigur Guido Anselmi fällt es mir schwer mich festzulegen, wohin die Reise denn nun eigentlich gehen soll. Über was soll ich schreiben, was soll ich erzählen?

            Ein Künstler in der Schaffenskrise sucht nach einem Nordstern, an dem er sich orientieren kann und ihn aus seinem mentalen und emotionalen Chaos befreit, ihm ein rettendes Seil zuwirft, das ihn wieder auf die Erde, den Boden der Tatsachen bringen kann. Der ihm die Flucht aus dem eigenen Gedanken ermöglicht, die sich ständig mit wilden Tagträumen, Erinnerungen an prägende Ereignisse und realitätsfernen Wunschszenarien beschäftigen.
            Es ist der Versuch aus der Vergangenheit die richtigen Schlüsse zu ziehen, sie zu verarbeiten, in ihr einen Sinn zu finden und zu etwas konsumierbaren für den Zuschauer zu machen.
            Und doch ist da der Lärm von außen. Nicht nur die eigenen Stimmen im Kopf buhlen um die Aufmerksamkeit des Künstlers, nein, viele Menschen, viele Stimmen wollen auch Teil des Projekts sein, ihre Meinung und eigene Note beisteuern.
            Doch die lange Zeit, die man in seinem Kopf verbringt, gewisse Szenarien immer wieder durchspielt, um nach Ideen zu fischen, die eine Intention, ja Vision ans Tageslicht bringen, sorgen dafür, dass einem die Realität irgendwann plötzlich gar nicht mehr so real vorkommt.
            Der Künstler erschafft Lügen und erzählt sie. Dem liegen wahrscheinlich keinen niederen Motive zu Grunde und dennoch fällt es nach einer gewissen Zeit leichter die praktischen, greifbaren Zustände des Alltags zu leugnen und lieber in einer selbstgeschaffenen Fantasiewelt zu leben, die grundsätzlich die erste Anlaufstelle ist, um ein neues Projekt in Angriff zu nehmen.

            Wenn man sich doch nur einer Idee so vollkommen verschreiben und ihr seine ganze Aufmerksamkeit widmen könnte, wie sie es verdient hätte. Es muss es doch einen größeren Plan geben, einen gemeinsamen Nenner, der es einem ermöglicht etwas wahres zu erschaffen, etwas das all diese verschiedenen Lebenserfahrungen und Eindrücke eines Künstlers zu etwas großartigen, ja zeitlosen formen kann. Welches einem ermöglicht einen Sinn hinter all den Ereignissen der Vergangenheit und Gegenwart zu sehen, ein Licht der Wahrheit, das all die oberflächlichen Reize des Lebens durchdringt und offenbart, was gesagt werden muss.

            Am Ende vereint sich der Künstler mit all den wichtigen und bedeutsamen Figuren in seinem Leben, seien sie nun real oder nicht, tot oder lebendig. Für ihn sind sie alle Teil seiner Geschichte und er liebt und schätzt sie alle im gleichen Maßen, fernab von Zeit und Raum.
            Auch wenn der Film nicht gedreht wird, muss die Show trotzdem weitergehen und das offensichtliche Scheitern weicht einer größeren Lehre über die Unbezähmbarkeit des menschlichen Geistes.
            Aus dem Chaos entsteht Kunst.

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              Pyro 91 02.09.2013, 01:05 Geändert 14.06.2016, 13:11

              Dieser Serie mit Worten gerecht zu werden, scheint mir eigentlich eine unmögliche Aufgabe zu sein.
              Natürlich sind die Charaktere so komplex and menschlich, wie man sie selten am Fernsehen sieht - sogar in Anbetracht des restlichen Qualitätsfernsehen von HBO - doch trotzdem kommt es mir seltsam vor hier noch von "Charakteren" zusprechen, wenn es doch eher so scheint, als ob die Fischers Verwandte von mir wären, die ich jedes Jahr besuchen gehe.
              Was ich an "SFU" vielleicht am meisten bewundere ist, dass die Autoren nie den einfachen Weg für ihre Figuren gewählt haben, wenn es nötig war den holprigen und womöglich für den Zuschauer unbefriedigenden zu gehen.
              So sind sich die Fisher-Geschwister bspw. nie wirklich nah, auch wenn sie sich im weiteren Serienverlauf etwas besser verstehen. Dave, Nate, Claire - alle haben sie ihr eigenes Leben und auch wenn sie durch zahlreiche Schicksalschläge als Familie zusammengewachsen sind, trennt sie doch noch eine emotionale Distanz voneinander, da sie einfach so verschieden sind und gerne Dinge für sich behalten.
              Dafür sind dann die Momente, in denen sie sich annähern, umso bedeutsamer und verdient, geschehen sie doch aus dem natürlichen Verhalten der Figuren heraus und nicht weil der Drehbuchautor gedacht hat, dass das Publikum das jetzt gerade toll finden würde.
              Auch Davids Trauma nach seiner Entführung sorgt dafür, dass wir ihn mehrere Episoden lange als nervöses Wrack sehen, das jeden in seiner Umgebung von sich ablockt und angiftet. Speziell in der "That´s my dog"-Folge wird einem als Zuschauer erst bewusst, wozu Fernsehen überhaupt fähig ist und welche Vorteile es gegenüber Film bietet. David, den wir zuvor 3 1/2 Staffeln bei größtenteils realistischen Tätigkeiten zugesehen haben, wird einfach mitten in der Episode entführt, von seinem Peiniger misshandelt und fast getötet! Diese düstere Kapitel von Davids Leben hätte niemals die selbe Intensität in einem zweistündigen Film gehabt. Hier aber überrascht ihn der Horror mitten im Alltag, ohne Vorwarnung und mit schwerwiegenden Folgen.
              Apropro Folgen, in diesem Bereich ist "SFU" auch ausgezeichnet. Alles was die Figuren erleben, wird zu einem Teil von ihnen und nicht einfach nach einer Staffel unter dem Tisch gekehrt. Wenn z.B. Nate Brenda zum zweiten Mal fragt seine Frau zu werden, nachdem er nur Stunden zuvor den Tod seiner ersten Frau aufgeklärt hat, fällt es mir schwer bei Nates bisherigen Historie was Beziehungen angeht, nicht mit den Augen zu rollen, da ich genau weiß, dass er sich nun wieder in eine selbstgebaute Falle begeben wird, aus der allle Beteiligten nur mit Wunden und Narben wieder herauskommen werden.
              Ohnehin haben wir es hier nur mit Menschen zutun, die Starken und Schwächen haben, die gewinnen und versagen, die Höhenflüge und Abstürze erleben, voller Freude jubeln oder zu Tode betrübt sind - das ganze Spektrum eben.
              In gewisser Weise dreht sich jede Folge um Dinge, mit denen wir uns auch alltäglich auseinandersetzen: Der Wunsch nach Nähe oder Distanz, Kommunikation oder fehlende Kommunikation, Geheimniskrämerei oder Offenheit, Selbstbewusstsein oder Selbsthass, Träume für die Zukunft oder Schwelgen in der Vergangenheit, destruktive oder inspirierende Beziehungen, Traumberuf oder Scheissjob, Sinn oder Illusion und Leben oder Tod.
              Somit sind wir im Endeffekt alle ein Teil der Fisher-Familie und sie ist auch ein Teil von uns. Noch haben wir unser Leben vor uns, aber wie lange werden wir es unseren Aufenthalt hier auf Erden noch genießen dürfen? Nach Abschicken dieses Posts könnte ich aus dem Zimmer gehen und tot umfallen. Ist das schockierend? Nein, das ist einfach nur das Leben und wenn man sich dieser Tatsache bewusst wird, scheint es wirklich wenig Gründe dafür zu geben nicht sofort das umzusetzen, was man schon länge hätte tun sollen. Wie es im großartigen, unvergesslichen Serienfinale noch einmal verdeutlicht wird: "You can't take a picture of this, it's already gone."
              Lebe.

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                Kurosawas Meisterwerk nimmt sich Zeit seine Titelhelden humorvoll und sympathisch einzuführen und das macht sich in der Endschlacht bezahlt, wen es drunter und drüber geht und viele ihr Leben lassen müssen.
                Man fühlt sich wie "live" dabei, fiebert mit, wenn der Angriff auf das Dorf beginnt und die Kampfbedingungen immer haariger werden. Kurosawa erschafft eine so lebensnahe Realität, dass man Schweiß und Blut, Sieg und Niederlage, Leben und Tod förmlich spüren bzw. schmecken kann.
                So viel wurde zu diesen Film schon geschrieben und ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, was ich dem noch Neues hinzufügen könnte. Es gibt Filme und es gibt FILME. "Die sieben Samurai" gehört letzterer Kategorie an.

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                  "Sheeeeeeeeeet!" (Clay Davis)

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                    Pyro 91 04.01.2024, 02:35 Geändert 20.01.2024, 05:22

                    Ich weiß noch sehr gut, wie überfordert ich bei meiner Erstsichtung von “Mulholland Drive” war. Das dürfte nun gut vierzehn Jahre her sein und erfolgte direkt nachdem ich mir “Twin Peaks”- die Originalserie zum ersten Mal angesehen hatte.
                    Ich wusste allerdings, dass der Film eine gewisse Faszination auf mich ausübte und auch wenn er mich stark verwirrte, schien er doch mein Unterbewusstsein auf Hochtouren zu bringen, das nach dem Abspann das ganze Puzzle zusammensetzen wollte und welches sogar während meines Nachtschlafs nicht aufhörte, zu arbeiten und mir merkwürdige Träume bescherte, die von David Lynch persönlich inszeniert worden zu sein schienen.
                    Nach all den Jahren und wenn man sich der bekanntesten Interpretation dieses Werks hingibt, welche verlautbart, dass etwa vier Fünftel des Films einen Traum darstellen, während das letzte Fünftel eine nicht chronologische Version der Realität erzählen soll, wirkt Lynchs Meisterwerk gar nicht mehr so einschüchternd und überwältigend, dafür tritt aber die unmittelbar erlebte Emotion bei jeder Sichtung mehr in den Vordergrund.

                    Es hat bei mir einige Durchläufe gedauert, bis ich Bettys/Dianes tragische Geschichte auch wirklich verinnerlicht hatte und mir speziell bei der Llorando-Szene im Club Silencio der thematische Kern des Ganzen wirklich klar wurde und mich tiefer berührte.
                    Wie die Hauptfigur geben wir uns der Illusion und der Täuschung hin, erleben künstliche produzierte Bilder und Klänge, die uns von der Realität flüchten lassen und nur Ablenkung in Form von idealisierten, sehnsüchtigen Fantasien bieten, bis es Zeit wird uns mit unseren Missetaten zu konfrontieren und der blanken Wahrheit ins Gesicht zu sehen.
                    Hier erkenne ich auch thematische Parallelen zur letzten “Twin Peaks”-Staffel, die dem Zuschauer den großen Wunsch nach Nostalgie, nach dem Verweilen in der Vergangenheit auf brutale Weise entzieht und die Hauptfigur namens Dale Cooper wieder auf den kalten Boden der Tatsachen ankommen lässt, wo es gilt die Konsequenzen für die eigenen Taten zu spüren und sich die verlorene Zeit nicht mehr zurückholen und gewisse Geschehnisse nicht mehr zurückspulen lassen.

                    Diane nimmt die neue Identität der naiven, gutmütigen und neugierigen Betty an und erfüllt sich auf persönlicher und beruflicher Ebene genau die Wünsche, an denen sie gescheitert ist und deren Nichterfüllung sie verzweifeln und zu drastischen Maßnahmen greifen ließen.
                    Über kurz oder lange droht dieser neue Wunschtraum aber einzustürzen und ihr altes Trauma über den Verlust ihrer Liebsten wird im Club Silencio wieder ausgelöst, nachdem sie sogar so weit ging Rita mithilfe einer Perücke in sich selbst zu verwandeln, also eine tote Frau zu fetischisieren, glorifizieren und sie nach ihrer eigenen Vorstellung zu formen. Alfred Hitchcock (“Vertigo”) lässt grüßen und auch hier geht es darum, von einem Mensch ein gewisses Idealbild zu kreieren und sich in eine Illusion zu verlieben, statt sich mit der realen Version dieser Person auseinanderzusetzen und die Bodenhaftung nicht zu verlieren.

                    Natürlich schließt dies auch vortrefflich an den Abgesang eines Hollywoods als makellose Traumfabrik an, wenn diese als übergriffige, korrupte und von einer unbekannten Macht orchestrierte Maschinerie dargestellt wird, die unter ihrer vermeintlich Unterhaltung und Glamor bietenden Fassade, Ausbeutung, Degeneriertheit und kriminelle Machenschaften versteckt. Wie schon in “Blue Velvet” blickt Lynch auch hier unter die piekfeine Oberfläche der Gesellschaft und offenbart uns das sich tummelnde Ungeziefer, das gleich darunter verweilt und droht, sich seinen Weg nach oben zu bahnen.

                    Repräsentiert die gruselige Kreatur, die hinter Winkies verweilt, Dianes große Angst, was ihr wohl zukünftig noch bevorsteht, nun da ihr Traum, eine große Hollywood-Schauspielerin zu werden, total gescheitert ist? Am Ende des Films sehen wir das schmutzige Monster umgeben von Abfällen am Feuer sitzen. Ein Bild, das man oft mit Obdachlosen verbindet, die in Großstädten wie L.A. in Seitengassen hausen, eventuell drogensüchtig sind und keine Perspektive mehr im Leben sehen. Beim genaueren Hinsehen scheint dieses Ungeheuer durchaus Trauer und Verzweiflung in den Augen zu tragen, als sie am Ende sogar Dianes Großeltern (?) in Minitaturform aus einer Papiertüte entkommen lässt, welche bei ihr im Apartment erscheinen und sie in den Selbstmord treiben. Fungiert diese Kreatur deshalb auch als Hüter ihrer intimsten Geheimnisse, die durch ihre Schuld an Camillas Ermordung wieder in ihr Bewusstsein treten und aufgedeckt werden wollen?

                    “Mulholland Drive” bleibt auch nach mehreren Sichtungen für mich der Mitternachtsfilm schlechthin, dann sobald die ersten Töne von Angelo Badalementis sphärischen Klängen zu vernehmen sind und Lynchs Kamera einer Limousine durch die titelgebende, dunkle Straße folgt, werde ich wie magisch in den Bann dieses Filmes gezogen und durchlebe eine faszinierende nächtliche Odyssee, die mich wie im echten Leben zu später Stunde konzentrierter und hellhöriger werden lässt.
                    Wenn wir uns am Ende des Films im Club Silencio wiederfinden und das letzte Wort gesprochen wurde, fühlt es sich für mich stark wie das Erwachen aus einem Traum an und was darin vollkommen seiner eigenen Logik folgte, wirkt im wachen Zustand nicht mehr allzu rational greifbar und emotional spürbar.
                    Es ist beinahe so, als ob ich diesen Film innerhalb eines Bewusstseinskokons wahrnehme, das mich während der Laufzeit vollkommen umschließt und wie nach einer beeindruckenden Zaubershow dann wieder in die Realität entlässt, wo Schall und Rauch sich verziehen und nichts bleibt außer einer leeren Bühne ohne Band.
                    “No hay banda.”

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                      Mind=Blown!
                      Meint man zu Beginn noch, es mit einer actionreichen Eskapisten-Anime-Serie mit Kampfrobotern und depressiven Untertönen zutun zu haben, dreht Hideaki Anno etwa nach der Hälfte der Episoden den Spieß um und entarnt den Wunsch des Zuschauers nach Realitätflucht, indem er die Seelen aller seiner Hauptcharaktere mit voller Wucht zerschmettert und deren Ängste, Wünsche, Bedürfnisse, Selbstzweifel und Traumatas brachlegt: Wer bin ich? Warum bin ich hier? Wie werde ich wahrgenommen? Wie sehen mich andere, wie ich mich selbst? Wie forme ich meine Realität, meine Identität, meine Beziehung zu anderen?
                      All Menschen, die ich kenne: Sind sie eine Teil von mir? Teile meines Verstandes, Teile meiner Seele? Wie stehen wir in Verbindung zueinander? Gibt es ein kollektives Bewusstsein, das uns alle vereint? Was macht MICH als Menschen aus?

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                        "I think this might just be my masterpiece."
                        Da hast du Recht, Quentin.

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                          SPOILER!!!

                          Für John Merrick ist das Leben ein Alptraum. Denn aufgrund seines Aussehen ist er nirgendwo zuhause. Er kann sich entweder den schamvollen Leben als Zirkusäffchen hingeben und die Misshandlungen seines "Ziehvaters" ertragen oder versuchen zu fliehen. Doch wohin?
                          Überall rennen die Leute vor ihm davon, sie erschrecken sich, sie glauben nicht, dass hinter seinen scheußlichen Aussehen ein Mensch stecken kann, der doch im Kern phantasievoll, liebenswürdig und tief verletzlich ist.
                          Als Doktor Treves ihn bei sich aufnimmt, erfährt John zum ersten Mal in seinem Leben was Menschlichkeit bedeutet. Er gewöhnt sich an sein neues komfortables Leben. Doch wieder sind es die sensations- und geldgeilen Menschen, die ihm von seinem kurzen Höhenflug in die Tiefe ziehen. Es wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. John Merrick, der Mann ohne Zufluchtsort, macht sich wieder aus dem Staub.
                          Als er auf einem Bahnhof in die Ecke gedrängt wird, gelangt er an die Grenzen seines Selbsts. Es gibt kein Entkommen. Entweder setzt er sich jetzt zu Wehr oder er lässt zu wieder wie ein Tier behandelt zu werden. Schließlich gelingt es ihm doch sich zu emanzipieren: " I am not an elephant! I am not an animal! I am a human being! I am a man! ", ruft er in die Menge. Ein Befreiungsschlag, aber gleichzeitig auch eine Verzweiflungstat.
                          John hatte kein schönes Leben, doch in seinem letzten Jahr gab es Momente von menschlicher Wärme, Freude, Mitgefühl, Zusammenhalt, Zuneigung und am wichtigsten - Akzeptanz.
                          Nachdem John seine Lebensgeister langsam verlassen, kann er sich wie jeder andere in sein Bett legen und friedlich den Tod entgegentreten. Denn im Sterben sind wir alle gleich, es bestehen keine Unterschiede mehr.
                          "Never. Oh, never. Nothing will die. The stream flows, the wind blows, the cloud fleets, the heart beats. Nothing will die. "
                          Doch das was niemals sterben wird, ist Johns Seele. Es spielt keine Rolle wie er ausgesehen hat, es macht keinen Unterschied wie es ihm ergangen ist, seine Lebensenergie, seine Seele wird sich einen neuen Wirt suchen und ihm hoffentlich ein Leben schenken, dass nicht zum größten Teil aus Leid und Erniedrigung bestehen wird. Es wäre ihm zu wünschen.

                          Ich muss sagen, dass kein Film mich je so niedergeschmettert und doch fasziniert zurückgelassen hat. Aus inszenatorischer, schauspielerischer, musikalischer und drehbuchtechnischer Sicht, zieht David Lynch hier alle Register und beweist Feingespür, indem er den Zuschauer John Merrick nicht bemitleiden, sondern ihm schrittweise immer mehr Mitgefühl entgegen bringen lässt.
                          Ein absoluter Klassiker, der für mich allerdings auf einem rein inhaltlichen Level schwer zu ertragen ist und mich aus emotionaler Sicht völlig auslaugt.
                          David Lynch spricht die Verlogenheit und Sensationsgeilheit des Durchschnittsbürgers an, die fehlende Zugehörigkeit aufgrund reiner Äußerlichkeiten, die Angst nicht geliebt zu werden, des "Nichtgenugseins" und er zeigt wie Einsatzbereitschaft und Nächstenliebe, das Leben eines einzigen Menschen komplett verändern können. Doch auch dahinter steht die Frage, ob wird nette Dinge nur tun um uns besser zu fühlen, um als der moralisch höhere dazustehen oder ob wir auch ohne egoistische Motive handeln würden.
                          Somit funktioniert "Der Elefantenmensch" nicht nur als hochemotionale (wahre!) Geschichte eines außergewöhnlichen Individiums, sondern auch als Plädoyer für mehr Toleranz, Akzeptanz und Selbstreflektion.

                          Hiermit ziehe meinen Hut vor David Lynch und danke ihm für dieses Meisterwerk!

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                            Gerade "Ozymandias" gesehen. Was bin ich froh, wenn die Serie zu Ende geht. Mein Herz und meine Nerven machen das echt nicht mehr mit. I mean: Holy Shit! Was für ein Meisterwerk!

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                              Wow, was für ein Traum von einem Film!
                              Wahrhaftig, ungefiltert und unvoreingenommen betrachtet Ozu seine Figuren und lässt sie für sich selbst sprechen und handeln.
                              Nachdem am Anfang alles nach "heiler Welt" aussieht, offenbaren sich dann doch kleinere und größere Abgründe im Zusammenspiel zwischen den Eltern und Kindern, doch hier gibt es keinen der nur im Recht oder Unrecht ist, sondern nur feine Zwischenräume, die der Zuschauer mit seiner eigenen Erfahrung und Weltansicht ausfüllen darf.
                              Mit fortschreitender Laufzeit und einem gewissen dramatischen Ereignis, schnürt es einem immer mehr die Kehle zu und man wird mit einem sanften Gefühl von Melancholie und Endgültigkeit entlassen, mit dem Wissen ein großes Drama gesehen zu haben und tief im Innersten berührt worden zu sein.
                              Ein universell ansprechendes Meisterwerk, das sicher mit jedem weiteren Lebensjahr ein wenig anders aussehen und wirken wird.

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                                Pyro 91 13.02.2017, 22:36 Geändert 13.02.2017, 23:00

                                Eine der besten Serienstaffeln, die ich je gesehen habe. Wie meisterhaft hier alle Handlungsstränge zusammenlaufen, scheinbar unwichtige Ereignisse aus der Vergangeheit wieder relevant werden und die politischen Ränkeschmiedereien und Machtspielchen sämtlicher Gesellschaftsschichten scheinbar mühelos behandelt werden, ist wirklich ein Bild für Götter.
                                Zudem ist die Serie nicht wie in Staffel 2 ständig pessismistisch und deprimierend, nein, hier finden sich auch einige Lichtblicke wieder (Carcetti/Cuttie/Calvin), die den Sehgenuss um einiges erleichtern und dadurch auch ein komplexeres und ausgewogeneres Gesellschaftsporträt von Baltimore zeichnen. Vor David Simon kann man wirklich nur den Hut ziehen, da ich mir nicht mal ansatzweise vorstellen kann wie man eine Serie wie "The Wire" überhaupt zu Papier bringen kann: Gefühlte 100 Handlungsstränge, unzählige relevante Figuren, ein thematischer Tiefgang der seinesgleichen sucht, ein Auge für puren Realismus und Kreditbilität, denkwürdige Monologe/Dialoge sowie eine einzigartige Unverfälschtheit durch den dokumentarischen Charakter der Serie, die dem Zuschauer eine Intelligenz zugesteht, von der viele Serien und Filme nur träumen können. Bravo!

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                                  Pyro 91 22.11.2017, 16:44 Geändert 24.11.2017, 15:52

                                  Coppolas Opus Magnum ist ein Film, der jeglichen Bewertungsrahmen sprengt und mich in Frage stellen lässt, was wir hier auf moviepilot eigentlich treiben.^^
                                  Oft sehe ich mir Filme an, die einige bemerkenswerte Bilder haben, eine Handvoll Szenen, die absolut großartig sind und über ihre Laufzeit hinweg einfach ziemlich gut unterhalten. Diese bewerte ich dann in der Regel mit einer recht hohen Punktzahl. Aber wie soll ich dann bitte mit "Apocalypse Now -Redux" verfahren? Ein Werk, welches mich sofort ab der ersten Minute in seinen Bann zieht, mich alle paar Sekunden durch seine audiovisuellen Reize vollkommen überwältigt und es schafft, dass ich alles, wirklich alles, um mich herum komplett vergesse und über drei Stunden total in diesem unkontrollierten Wahnsinn gefangen bin.
                                  Man wird von diesem Vietnam-Kriegsdrama so überrollt mit starken, unvergesslichen Eindrücken, dass es beim ersten Mal nahezu unmöglich ist, all die feinen Nuancen in der Erzählung, der Symbolik, der Dialoge, der Charaktermomente, unmittelbar wahrzunehmen. Es ist auch ein Film, der moralische Fragen aufwirft und aufgrund der meditativen und "raumgebenden" Inszenierung - vor allem im Schlussakt - vom Zuschauer verlangt sich eingehend damit auseinanderzusetzen und ins eigene Herz der Dunkelheit einen Lichtstrahl Einzug gewähren zu lassen.

                                  Die Schauspieler, die wohl durch ihre "art Imitates life"-Erfahrung am Set auch vollkommen in dem chaotischen Treiben aufgehen konnten, liefern verdammt glaubwürdige und improvisiert-wirkende Performances ab, die so realistisch und einmalig anmuten, dass sie kein Drehbuchschreiber wohl so hätte konzipieren können. Größtes Lob gebührt auch Martin Sheen, der doch trotz seines Tanzes auf der Klinge des Wahnsinns immer derjenige bleibt, mit dem wir uns identifizieren können, gleichwohl das natürlich bedeutet, dass wir sein Handeln nicht gutheißen und stets hinterfragen müssen. Doch wir verstehen, was ihm zu dem gemacht hat, was er ist und sehen seinen inneren Konflikt zwischen Gut und Böse, den er als entmenschlichter, entmoralisierter Soldat, der das unglaubliche Grauen erlebt hat, stets mit sich ausfechten muss und sich mental nur noch ganz knapp an der Grenze der Vernunft aufhält.
                                  Ihm gegenübergestellt und als Kontrahent zum zentralen moralischen Konflikt erhoben, wird General Kurtz, der seinen eigenen Wahnsinn schon längst zur Methode gemacht hat und dessen Verhalten - auch wenn es ihm wohl logisch und schlüssig erscheint - als Außenstehender keinen wirklichen Sinn mehr ergibt. Viel mehr fühlt es sich als Kulmination dieser abgedrehten Reise und wie ein drogenverseuchter Alptraum an, der nun zur undurchsichtigen Realität geworden ist und zeigt wie der Mensch sich verhält wenn jegliche Regeln und Normen des "normalen" Zusammenlebens und Umgang miteinander über Bord geworfen werden und ein skrupelloser, willkürlich agierender Diktator, der die Menschen geistig und emotional mit hochtrabender, ihnen rhetorisch-überlegener Poesie und Weltanschauungen manipuliert, das Sagen hat und sich sein eigenes, kleines Königreich bauen lässt.
                                  Kurtz war ein intelligenter, belesener, durchsetzungsfähiger und von vielen Institutionen hochgeschätzter Mann und Kriegsführer. Doch was sagt dies aus, wenn niemand wusste, was sich in seinem Inneren abspielte und wofür er seinen Rang, sein Wissen und seine Sprache letztendlich nutzte?

                                  Der Krieg ist hier ein Spielplatz für Verrückte. Soldaten werden entweder zum Krieg selbst und gehen dadurch in einer menschunwürdigen Umgebung vollkommen auf oder sie bewahren sich noch ein wenig Mitgefühl und Nächstenliebe, einen moralischen Kompass und generelle Zurechnungsfähigkeit. Doch egal für welchen Weg sie sich letztendlich entscheiden, als Soldat agieren sie letztendlich nur als ersetzbares Zahnrädchen in der megalomanischen und krankhaften Erobererfantasie ihres Befehlshabers, der irgendwo gemütlich am gut gedeckten Tisch sitzt und aus weiter Ferne über das für ihn wertlose Leben Tausender, wenn nicht sogar Millionen entscheidet.
                                  Blinder Gehorsam gegenüber Autoritäten: Der wahre "Horror" vergangener und leider auch noch heutiger Zeiten.

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                                    "I´m so fucked up."
                                    Seitdem ich mich hier auf moviepilot rumtreibe, habe ich viele neue, wunderbare Filme und Regisseure entdeckt, auf die ich wohl im Leben nie gekommen wäre. Ich habe auch schon unzählige Kommentare gelesen, in denen davon geschwärmt wurde, wie dieser und jener Film doch das Leben des Kommentarschreibers verändert habe, ihn das erste Mal vor Augen geführt hat, zu welchen intellektuellen und emotionalen Tiefgang dieses Medium doch fähig ist und genau das ausdrücken konnte, wozu er selbst nicht in der Lage war.
                                    Und obwohl es einige Filme gegeben hat, die meine Sicht auf die wohl schönste Kunstform der Welt drastisch verändert haben, hatte ich trotzdem nie das Gefühl etwas derartig aufwühlendes, provokantes, undurchdringbares, überwältigendes und verdammt geniales gesehen zu haben, wie die letzten beiden Folgen von "Neon Genesis Evangelion" und den Abschluss der Serie "The End of Evangelion".
                                    Hideaki Anno hat für mich das geschafft, was nicht einmal Bergman, Tarkovsky, Kurosawa, Hitchcock etc. geschafft haben: Die Serie und der Film haben mich derart tief getroffen, dass ich mich in seit einer Woche wie in einem Trance-Zustand befinde, mit dem Wissen etwas zutiefst menschliches und ungefiltertes gesehen zu haben. Auch jetzt stehe ich noch völlig neben der Spur.
                                    Es ist kein Geheimnis, dass Anno während der Produktion der Serie depressiv war und seinen Schmerz auf Zelluloid brennen wollte, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Zunächst wägt einen die Serie auch in Sicherheit und man glaubt einen Eskapisten-Action-Anime mit dunklen Vorzeichen zu sehen, in dem am Ende wahrscheinlich alles wieder gut wird. Doch halt, was passiert dann? Die Welt geht unter und unser Held sieht zu? Lügen, Intrigen, Verrat und Betrug dominieren das Geschehen? Jeder ist überwätigt von seinen Selbstzweifeln und Traumatas und wäre am liebsten tot?
                                    Wir kennen niemanden, nicht einmal uns selbst? Wer ist der Mann im Spiegel und in welcher Form existiert er in den Köpfen anderer Menschen? Ist diese Einsamkeit nicht überwältigend, der Gedanke nie wirklich eins mit jemanden zu sein? Die Schwere des Daseins, des täglichen Lebens, jeden Moments: Wann wird sie aufhören?
                                    Hat Anno in der Anime-Serie schon den Wunsch des Zuschauers nach Realitätsflucht entlarvt und - man könnte sagen - bestraft, lässt "The End of Evangelion" keine Zweifel zu, dass er sein Publikum nicht leicht davonkommen lassen und es stattdessen nur mit der kalten, unterträglichen Realität konfrontieren will.
                                    Wenn dann alle Mauern niedergerissen worden sind, sich der Schmerz aufgelöst hat und eine neue Zeitrechnung beginnt, ja dann, erst dann, taucht ein kleiner Hoffnungsschimmer in der unendlichen Dunkelheit auf. Und der Zuschauer atmet auf.

                                    "How disgusting."

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                                      Pyro 91 05.09.2017, 21:26 Geändert 05.03.2023, 00:44

                                      So, liebe Freunde, ich habe mal versucht meine monatelange Twin Peaks-Erfahrung adequat auf Papier zu bringen und bin mir nicht sicher, ob ich es geschafft habe. Wie dem auch sei: Das ist ein langer Kommentar also macht euch nen verdammt guten Kaffee und holt euch Donuts vom Händler eures Vertrauens.^^ Viel Spaß!

                                      „Agent Cooper … listen to the sounds.
                                      It is in our house now.
                                      It all cannot be said aloud now.
                                      Remember 4, 3, 0.
                                      Richard and Linda.
                                      Two birds with one stone.
                                      You are far away.“

                                      Mit dieser kryptischen, nach dem Serienfinale aber deutlich aufschlussreicheren Botschaft des Giants - oder sollte ich lieber sagen Firemans – beginnt unsere 18-stündige surreale, tragikkomische, absurde und einzigartige Odysee mit Special Agent Dale Cooper.
                                      Seitdem vor ein paar Jahren angekündigt wurde, dass es wohl doch noch eine Fortsetzung meiner Lieblingsserie geben würde, wartete ich geduldig auf den 22. Mai 2017 und blieb soweit weg wie es nur ging von jeglichen Spoilern oder Spekulationen.
                                      Für diese 3. Staffel hatte ich eigentlich nur zwei Erwartungen: Ich wollte zum einem wissen wie Dale Coopers Geschichte – sein Festsitzen im Red Room sowie der freilaufende Doppelgänger - fortgesetzt werden würde und zum anderen, dass Lynch und Frost sich dank kreativer Freiheit bei Showtime so richtig austoben und ihre künstlerische Vision zu einhundert Prozent durchziehen können. Das heißt: Keine Kompromisse machen, keine Mysterien auflösen oder auf eine unkonventionelle Erzählweise verzichten, nur weil der Sender Panik bekommen könnte, dass das Publikum damit nicht umgehen und vergrault werden könnte. Das Endergebnis war wie erwartet eine Nischenserie für ein Nischenpublikum.

                                      In gewisser Weise ist für mich mit Lynchs Magnum Opus ein noch nicht realsierbarer Traum wahr geworden, der mich in den letzen dreineinhalb Monaten stetig begleitet hat. Kein Tag verging ohne dass mir zahlreiche einprägsame Bilder der Serie doch den Kopf gingen oder mich der Sound von knisternder Elektrizität wie ein Ohrwurm begleitete. Jede Woche wurden neue Mysterien aufgeworfen, Podcasts und Artikel sezierten jedes noch so kleine Detail und ich lehnte mich begeistert zurück und genoß die Tatsache, dass „Twin Peaks“ wieder voll im Rampenlicht stand. Damals bei der Originalserie saß ich leider noch nicht vor der Mattscheibe und deshalb war meine Erfahrung diese Serie in Zeiten von Social Media zu sehen höchst spannend und aufschlussreich.
                                      Was mir am meisten aufgefallen ist, war, dass es sehr viele Leute gab, die es nicht geschafft haben ihre Erwartungshaltung einmal beiseite zu lassen und zu warten wie sich die Geschichte wohl zukünftig entwickeln würde. Nein, Lynch und Frost sollen doch bitte einfach die üblichen Storymechanismen, den gewünschten Fanservice und die dramatischen Payoffs liefern, die wir heutzutage von anderen Serien und Filmen so gewohnt und auf die wir konditioniert worden sind. Und das alles soll natürlich auch relativ schnell von statten gehen und der Plot muss stetig vorangetrieben werden. Szenen, die nur eine gewisse Stimmung/Atmosphäre vermitteln oder thematische Tiefe beisteuern, sind außerdem unnötig und eine elende Zeitverschwendung.
                                      Ich nahm das Ganze eher belustigt war, schien es doch klar zu sein, dass wenn es sich hierbei wirklich um einen 18-stündigen Film handelte – wie David Lynch es vorgab – die großartigen Enthüllungen und Höhepunkte wohl ohnehin erst in den letzten Episoden stattfinden würden. Bis dahin: Just enjoy the ride!
                                      Als großer Fan von Lynchs Filmen überraschte mich das "langsame" Pacing nicht besonders, irrte doch schon Fred Madison in „Lost Highway“ wohl gute 40 Minuten in seinem grusligen Haus herum, bevor erstmals eine größere Storywendung einsetzte. Noch nie habe ich mir einen Lynch-Film angesehen und auf einen knackig-präsentierten, in sich abgeschlossen Plot gehofft, nein, viel mehr geht es bei seinen Filmen darum in eine fremde, surreale Welt einzutauchen und jede Gestik, jede Dialogzeile, jedes visuell aufregende Element langsam in sich aufzusaugen, um es dort wachsen und „reifen“ zu lassen.

                                      Nachdem wir die letzten zwei Jahrzehnten hochkaratige Prestige-Dramen genießen durften, seien es nun „Breaking Bad“, „Six Feet Under“, „The Sopranos“, oder „The Wire“, war es natürlich aufregend zu sehen, wie sich diese neue Serie von Lynch und Frost, die seit über 25 Jahren nicht mehr on the air waren, wohl präsentieren und optisch sowie erzählerisch in die heutige Serienwelt einfügen würde.
                                      Die erste „Twin Peaks“-Staffel lief Anfang der 90er-Jahre zu einer Zeit, in der Fernsehserien auf dramatischer Ebene keinesfalls mit dem heutigen Angebot mithalten konnten. Vorhersehbare, flache Soap-Operas oder unspektakuläre Copshows, waren da das übliche Feierabendprogramm und wenn man mal eine Folge verpassen sollte, war es auch nicht weiter schlimm, da am Ende ohnehin wieder der Reset-Knopf gedrückt werden würde.
                                      Doch als „Twin Peaks“ erstmalig ausgestrahlt wurde, sollte sich das alles ändern. Denn hier eine Folge zu verpassen, glich beinahe einem Todesstoß, was das Verständnis für die zahlreichen und komplizierten Handlungsstränge und Figurenkonstellationen anging. Auf einmal musste man aufhören beim Fernsehen seine Wäsche zusammenzulegen und stattdessen aufmerksam hinsehen und hinhören, denn jeder noch so kleine Hinweis, könnte Aufschluss über das Geschehen geben. Die ABC-Serie glich bei gewissen Handlungssträngen auch einer Soap-Parodie, in der damalige Hitserien wie „Falcon Crest“ oder „Dallas“ betont melodramatisch durch den Kakao gezogen wurden.
                                      Nun, 26 Jahre später ist „Twin Peaks“ zurück und wenn wir uns das Serienagenbot der letzen Jahre so ansehen, gibt es nun keinen Grund mehr über mangelnde Qualität zu jammern, geschweige denn sich darüber lustig zu machen.
                                      Dennoch wird schon in der ersten Folge von „The Return“ klar, dass „Twin Peaks“ in seiner jetzigen Reinkarnation immer noch die seltsamste und eigenwilligste Serie ist, die je auf irgendeinem Sender lief. Wenn wir zu Beginn sehen wie ein junger Mann geduldig auf eine mysteriöse Glasbox starrt und darauf wartet, dass sich ihm darin etwas Spannendes präsentiert, könnten genauso wir – das Publikum – gemeint sein, dass sich Lynchs surrealer Welt hingeben will, um seine zahlreiche Geheimnisse zu erforschen.

                                      Über die dritte Staffel zu schreiben, kommt einer Herkulesaufgabe gleich, könnte ich mich doch auf so viele Dinge wie Inszenierung, Drehbuch, Figuren etc. konzentrieren und würde wahrscheinlich doch nicht wirklich den Kern erfassen, was mich hier so begeistert und mitgerissen hat.
                                      Allen Zweifel zum Trotz, würde hier das Unmögliche war gemacht und „The Return“ hat für mich die Originalserie sogar gleich noch einmal um ein paar Längen übertroffen.
                                      Der Fokus liegt hier noch mehr auf den seltsamen Vorkommnissen in einer anderen Dimension (Red Room/Black Lodge), die Natur der Geschichtenerzählung mit ihrem fragmentisierten Storytelling und vignettenartigen Einblicken in das Leben verschiedensten Figuren wird zum riesigen narrativen Spielplatz und scheinbar mühelos werden alte Lynch-Werke zitiert, in einen neuen Kontext gebracht und spielend in die DNA der Show eingebettet. Egal ob sich der blanke Horror auf der Leinwand zeigt oder absurde Slapstick-Einlagen präsentiert werden, man spürt jederzeit die Selbstsicherheit und damit einhergehende Leichtigkeit der Inszenierung, einen klaren Weg durch die dunklen Wälder.
                                      Zum Glück werden die Seifenoper-artigen und melodramatischen Elemente des Originals zurückgefahren und die Mythologie der Serie wirkt nicht mehr so wahllos wie noch in der zweiten Hälfte von Staffel 2, sondern auf den Punkt gebracht und inhaltlich geschlossen. Dies heißt im Umkehrschluss natürlich nicht, dass alles bis ins letzte erklärt und durchexerziert wird, bei weitem nicht, aber visuell sowie konzeptuell macht sich eine erfreuliche Kohärenz bemerkbar, die regelrecht ihresgleichen sucht. So werden unter anderem alte Szenen wieder aufgegriffen und bedeutsam gemacht wie etwa Lauras Szene im Wald mit James aus „Fire walk with me“, in der sie irgendjemand oder -etwas im Wald sieht und einen lauten Schrei von sich gibt. In Episode 17 wird Agent Cooper wie von Geisterhand in diese Szene eingefügt und es macht den Anschein, als wäre er schon immer dagewesen, denn der Effekt geht unbemerkt über die Bühne. Als ob sich diese neue Geschichte schon seit Jahrzehnten in Frost und Lynch´s Kopf befunden hätte und nun dank finanzieller sowie filmtechnischer Mittel endlich ihren Sprung auf die Leinwand geschafft hat.

                                      Es ist der Spaß am Geschichtenerzählen, der sich wirklich jede Minute bemerkbar macht, wenn Figuren versuchen ihre ungewöhlichen, traumähnlichen Erfahrungen zu erklären, zu verinnerlichen und anderen verständlich zu machen. Es sind Geschichten innerhalb Geschichten, die in einem schlafwandlerischen Rhythmus und dann doch wieder – wenn es erforderlich ist – auf einer rein emotionalen Ebene schonungslos real und packend erzählt werden. Eine kryptische, mehrdeutige Dialogzeile; eine elektrisches Flickern auf dem Soundtrack oder eine unerwartete Kamerfahrt oder -einstellung kann unsere Stimmung abrupt von einer Gefühlslage in eine andere umschlagen lassen.
                                      Es ist eine absurde Welt, die wir hier sehen, wenn wir in einer Folge eine fünfminütige Atombombenexplosion mit grandiosesten CGI-Effekten und verstörendsten Tönen erleben dürfen, während eine Episode zuvor jemand drei Minuten lang unheimlich ineffizient und langsam den Fußboden des Road Houses kehrt, während dabei an der Bar ein alter Rocksong läuft. Es ist eine Welt, in der alles möglich ist, in der aber gleichzeitig viele abstrakte Bilder einfach nur die emotionalen Zustände der Charaktere verkörpern und alles womöglich doch zugänglicher und simpler ist, als es zunächst den Anschein hat.
                                      Bis zur finalen Folge hatte ich gar keine Ahnung, in welche Richtung sich diese Geschichte noch entwickeln würde. Jedes Mal wurde es nach den Opening Credits für einige Sekunden schwarz und gespannt fragte ich mich wie die Episode wohl beginnen, ja, was ich denn diesmal für faszinierende Dinge vorgesetzt bekommen würde. Keine Fernsehserie zuvor hatte für mich jemals diese Art von Unberechenbarkeit, diese Gewissheit, dass hier wahre Künstler am Werk sind, die uneingeschränkt und von allen Konventionen befreit, gerade dadurch ihre beeindruckende Vision zum Serienerlebnis des Jahres machen können.
                                      Dieses Projekt nicht nur ein Triumph für das Kino an sich, nein, es ist auch ein hervorragendes Beispiel dafür wohin vollkommene Kontrolle über das Schaffen des eigenen Werks führen kann. Hier wirkt nichts erzwungen oder kalkuliert, nein, es wirkt für mich viel mehr wie die unmittelbarste Art wie ein Künstler genau die vage Idee, die im Kopf langsam Form annimmt, möglichst ohne Übersetzungsschwierigkeiten realisieren und verlustfrei auf die Leinwand bringen kann.
                                      In gewisser Weise hat mir die Serie auch wieder Hoffnung für das Medium Film gegeben, vor allem wenn ich mir den Rest des Kinoprogramm dieses Jahres so ansehe. Natürlich findet man immer wieder „kleine“, künstlerisch-hochwertige Filme, das stimmt schon, aber der ganze Prequel/Remake/Reboot-Wahn der letzten Jahre sollte wirklich einfach mal seine Ende nehmen. Es gibt so viele Geschichten, die es noch wert sind erzählt zu werden und keine Franchise sowie 36 Forsetzungen benötigen. Es ist dieser fade Einheitsbrei, der mich heute kaum noch ins Kino lockt, da das Prädikat „ganz nett“ nicht gerade eine berauschende Empfehlung dafür ist, wenn man gerade sein Geld und seine Zeit für irgendeinen Müll aus dem Fenster geworfen hat, der sich nach ein paar Stunden – wenn man Glück hat – ohnehin schon wieder aus dem Gedächtnis verflüchtigt hat.
                                      Dadurch sticht „Twin Peaks“ natürlich noch mehr hervor, da die Diskussionen unter den Fans und ihre Liebe zum Werk die Serie überhaupt erst all die Jahrzehnte am Leben erhalten und diese Fortsetzung möglich gemacht haben.
                                      Somit entstand kein Sequel, das nur alte Geschichten wieder aufwärmt und den Fans genau das gibt, was sie glauben zu wollen; sondern ein Werk, das die Erwartungshaltung des Zuschauers stets aufs neue in Frage stellt und zerschmettert, sowie denen, die sich einen Werk hingeben können ohne sofort alles rational verstehen und schön schubladenartig einordnen zu müssen, als als eine der befriedigendsten und bereicherndsten Serienerfahrungen überhaupt offenbart. Zudem werden die Wellen, die „The Return“ zukünftig in der Serienwelt schlagen wird, in den nächsten Jahren höchst interessant zu beobachten sein und ich bin schon auf neue, aufregende Projekte gespannt, die dank Twin Peaks als Vorreiter nun vielleicht doch eine Chance drauf haben, realisiert zu werden.

                                      Denn egal wie sehr Lynch und Frost die Vergangenheit wieder heraufbeschwören hätten wollten – was ganz klar nicht ihre Intention war – käme doch am Ende nur wieder ein fades Wiederkäuen von Altbekannten heraus. Cooper könnte nach zwei Folgen wieder zurück in Twin Peaks im FBI-Gewand sein, Kirschkuchen essen und Kaffee trinken und den neuen Mysterien der Stadt mit dem Sheriff auf den Grund gehen. Alte Beziehungen wie Norma/Ed, Shelly/Bobby etc. könnten wieder im Vordergrund stehen und wir könnten deren meldoramatischen Beziehungsgeschichten und seltsamen Vorkommnisse des Alltags auf die übliche verschrobene Art erzählt bekommen. Am Ende wäre Audrey auch noch beim FBI als Agentin und würde mit Cooper eine heiße Romanze haben und gemeinsam Fälle lösen. Es wäre somit der reinste Fanservice.
                                      Aber wäre das genug? Es wäre mich Sicherheit unterhaltsam geworden, aber es wäre auch unheimlich mutlos, repetitiv und einer Fernsehserie, die damals gerade wegen ihrer Andersartigkeit und Komplexität Geschichte schrieb, extrem unwürdig.

                                      Man kann nicht nicht zurück in die Vergangenheit gehen und nur in der Nostalgie von längst vergangenen, nicht mehr existierenden (NONEXISTENT!) Tagen leben, selbst wenn man sich innerlich sehr danach sehnt. Das was geschehen ist, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden und wenn man nicht aus seinen Fehlern lernt, keine Selbstreflektion betreibt, ist man dazu gezwungen mit unterschiedlichen Vorgehensweisen doch immer wieder das selbe Ergebnis - oder besser gesagt Erlebnis - zu bekommen und in der Zeit stecken zu bleiben: „The past dictates the future.“

                                      So trägt es sich auch mit unserem Lieblings-FBI-Agenten Dale Cooper zu, dessen Schuld über vergangene (Nicht-)Taten und Wunsch nach Wiedergutmachung eine Schneise aus fehlgeleiteten Handlungen nach sich zieht.
                                      Wir erinnern uns: Der minuziös-ermittelnde, hochintelligente und stets gut gelaunte FBI-Mann war seit Tag 1 unser Held, dessen großes Selbstvertrauen in seine Fähigkeiten auch sofort auf uns übertragen wurde und uns mit dem Mut erfüllte, dass er seiner Aufgabe gewachsen war und den Laura Palmer-Fall früher oder später mit Bravour lösen würde. Doch der Schein trog, denn im Grunde genommen sahen wir Cooper nur immer und immer wieder dabei zu wie er versagte.
                                      Er könnte Laura nicht vor ihren Tod retten, da seine Ermittlungen im Theresa Banks-Fall nicht die nötigen Hinweise lieferten; er versäumte es Madeleine Ferguson vor der Ermordung durch Leland zu bewahren; er brauchte zu lange, um Lelands wahre Identität zu entschlüsseln und ließ sich von BOB an der Nase herumführen und als er am Ende letztendlich hinter den roten Vorhang trat, um Annie zu retten, konnte er absolut nichts für ihre Sicherheit tun. Stattdessen flüchtete er, sobald er seinen Schatten, seinen Doppelgänger sah und musste zusehen wie BOB mit seinem dunklen Ebenbild wieder in die reale Welt flüchtete. Wie bei seiner ersten großen Liebe Caroline machte ihn seine Liebe blind für den wahren Schrecken, der sich vor seinen Augen abspielte und seinem detektivischen Gespür entging wieder einmal das wichtigste.
                                      Doch trotz seines Versagens sympathisieren wir mit Cooper, den er will ein guter Mensch, ein „damn fine lawman“ sein, der die Menschen in seinem Umfeld beschützen und meistens junge Frauen in Schwierigkeiten vor ihrem schrecklichen Schicksal bewahren will.
                                      Jedoch sollte es Coopers Beschützer- und Helferkomplex sein, der dazu beitrug, dass er sich mit Mächten anlegt, die er nicht vollkommen verstand, geschweige denn so lenken konnte wie er es gerne gehabt hätte. Er möchte auch die tragischen Geschehnisse in der Vergangenheit im Bezug auf Laura wiedergutmachen und übersieht dabei, dass sie seine Hilfe gar nicht gebraucht hätte.
                                      Denn in „Fire walk with me“ opferte sie sich, um damit den Kreislauf aus Missbrauch, der ihre Familie seit langer Zeit innewohnte, zu brechen und alledem, d.h. BOB, ein Ende zu machen. Sie wollte ihre Freunde schützen und es nicht zulassen, dass BOB auch sie korrumpieren und ihnen Schaden zuzufügen würde. Doch schon damals missinterpretierte Cooper ihre Geste und riet ihr nicht den Ring zu nehmen, der für ihren Tod sorgen sollte. Cooper ging es nämlich darum sein Versagen, seine verpasste Chance wieder ungeschehen machen und hätte sie dadurch mit seiner Bitte fast ihrer eigenen Handlungsfähigkeit beraubt.
                                      Er kann es einfach nicht sein lassen ein ritterlicher Pfadfinder zu sein und alles wieder gerade biegen zu wollen. Ein Kardinalfehler wie sich herausstellt, denn er versucht Laura quasi wiederzubeleben und nach Hause zu bringen. Doch Laura hatte bereits Absolution im Red Room erfahren, als ihr der Engel erschienen ist, der sie für ihren Mut und ihre Großherzigkeit belohnt und von ihrem Leiden erlöst hat.
                                      Cooper reicht das jedoch nicht und spielt deshalb mit dem Verlauf der Zeit, was für beide letztendlich desaströse Folgen hat. Er möchte nicht nur Laura retten, sondern auch ein Mittel finden um gegen Judy – das Experiment, die Mutter, die Kreatur die BOB erschaffen hat – vorzugehen: „Two birds with one stone.“
                                      Aber anstatt auf seiner Reise Laura Palmer vorzufinden und sie wieder nach Hause bringen zu können, findet er eine Frau namens Carrie Page (carry page, die letzte verschollene Seite des Tagebuchs?) vor, die in einer düsteren und deprimierenden Realität lebt und der nicht einmal eine erschossene Leiche auf dem Sofa noch eine Aufregung wert ist. Es ist als ob selbst hier der Geschmack von Missbrauch und Gewalt wieder in der Luft hängt.
                                      Trotzdem denkt er, sie müsse nur wieder in Twin Peaks, im speziellen vor ihren alten Haus, in Sarah Palmers Armen sein, damit sie sich wieder wohlfühlen würde und alles so werden könnte wie früher.
                                      Doch: Sarah Palmer doesn´t live here anymore.
                                      Stattdessen haben die Chalfonts und Tremonds das Palmer-Haus übernommen - in Staffel 2 noch Großmutter und Enkel, Agenten der Black Lodge – und verwirren, ja verunsichern damit Cooper auf Tiefste und stellen seine Kompetenz in fremden Realitäten effektiv zu agieren schwer in Frage: „What year is this?“
                                      Judy, die sich in der anderen Realität nun in Sarah Palmer eingenistet hat, wird immer und immer wieder versuchen Lauras Highschool-Foto zu zerstören, um damit die schützende Gegenmaßnahme des Firemans auszuradieren, doch sollte sie auch erfolglos sein sein, hätte sie immer noch genügend Macht, um ihr in einer anderen Realität das Leben zur Hölle zu machen.
                                      Laura hatte ihr altes Schicksal eigentlich schon längst transzendiert, doch Cooper konnte diese Chance nicht unverstreicht lassen und wollte ihren Tod gleich ganz ungeschehen zu machen. „I am dead, yet I live.“ Er missverstand ihre Botschaft und seine Bedeutung.
                                      Zudem setzte er mit seiner Rettung zu spät an, denn an dem Tag als Laura starb, hatte sie schon ein ganzes Leben voller Inzest, Drogensucht, bedeutungslosen, opportunistischen Sexualakten und tiefer, niederschmetternder Einsamkeit hinter sich. Wenn überhaupt hätte er das Einnisten von BOB in Leland verhindern müssen.

                                      Als Carrie dann langsam realisierte, wie groß der Schmerz und das Leid war, dass ihr in einer anderen Inkarnation zugefügt wurde, blieb ihr nichts anderes übrig außer ihre schreckliche Angst und Panik laut in die Welt hinauszuschreien.
                                      Scream-Queen Sheryl Lee liefert hier eine markerschütternde Performance ab, die mir eine intensive Gänsehaut beschert hat und in meinem Kopf noch lange nachhallen sollte.
                                      Laura wurde nun wieder an dem Ort gebracht, an dem der ganze Schrecken seinen Anfang fand. Im Haus ihrer Eltern, das selbe Haus in dem sie seit frühen Teenagerjahren regelmäßig sexuell missbraucht und emotional gefoltert wurde. Für Laura ist dies kein Ort der Sicherheit, Liebe und Zusammengehörigkeit, es ist vielmehr der Nexus zweier Welten, in der Schmerz und Leid hin- und herfließt.
                                      In diesem Moment durchlebte sie die schockierenden Erkenntnisse von längst vergangenen Tagen wieder: Ihr Vater begehrt sie, BOB will sie vereinnahmen und ihre Mutter schaut dabei untätig zu.
                                      Die Serie findet wieder zu ihrer ursprünglichen Thematik zurück: Was spielt sich hinter der schönen Fassade in den Häusern dieser gemütlichen Kleinstadt ab? Welche unentdeckten Leichen haben die Leute in ihrem Keller? Welche Folgen hat ein derart schreckliches Trauma für einen Menschen, sein tägliches Leben?

                                      Exkurs Originalserie: Nachdem der Laura Palmer-Fall abgeschlossen war und darin eine sehr erschüttende und überraschend grausame Thematik behandelt wurde (sexueller Kindesmissbrauch) schienen entweder Mark Frost & Co. oder der Sender selbst, alles in ihrer Macht stehende tun zu wollen, um vor diesem Grauen ein wenig Abstand zu nehmen und danach eher auf leicht verdauliche und „unterhaltsamere“ Geschichten zu fokussieren. Dies macht sich eigentlich schon nach den Opening Credits in Episode 15 ("Spazierfahrt mit einer Toten") bemerkbar, wenn wir Maddys Angstschreie und Ihre Ermordung noch einmal - allerdings nur aus der Ferne - hören, während das Palmer-Haus dieses Unheil versteckt und wie ein Spukschloss vor unseren Augen thront.
                                      Ich bin auch nicht wirklich von Episode 16 ("Selbstjustiz") überzeugt, obwohl mir viele einzelne Elemente in dieser Folge gefallen (Cooper muss eine nicht-weltliche Methode zur Lösung des Falls nutzen; Laura klärt ihren eigenen Mord auf; Lelands Geständnis und Tod; die letzte Szene im Wald), bin ich doch sehr mit der extrem wortwörtlichen Auflösung des Falls unzufrieden (Kaugummi erklärt "That gum you like is going to come back in stlye", BOB ist Robertson, Lelands weiße - nicht graue - Haare weisen auf BOB hin?), aber am meisten stört mich, dass es den Anschein hat, dass Leland am Ende vollkommen unschuldig ist und all seine destruktiven Taten nur wegen BOBs Einfluss begangen hat. Zum Glück wird diese extreme Verunglimpfung einer tragischen Geschichte in „Fire walk with me“wieder korrigiert, denn hier scheint Leland durchaus mehr Veranwortung zu tragen und sich der Mittäterschaft schuldig zu machen und er „vergisst“ nicht plötzlich alles, nur weil BOB mal für ein paar Minuten erneut die Kontrolle hat. Denn was ist interessanter? Eine simple Geistergeschichte, in der ein besessener Mann von einer Entität dazu gebracht wurde schreckliche Dinge zu tun, die außerhalb seines bewussten Handelns liegen oder ein komplexeres Figurenporträt eines Familienvaters, der seine Tochter missbraucht und insgeheim darüber Bescheid zu wissen scheint, sich aber dennoch erlaubt seinen perversesten Trieben nachzugeben und dadurch mit BOB eine dunkle Partnerschaft eingeht?
                                      Und über den Rest der zweiten Staffel müssen wir gar nicht reden, da die Palmers, im speziellen Laura Palmers Leidensweg, nicht einmal mehr den Hauch einer Rolle spielen. Selbst nach Lelands Tod findet unter den Stadtbewohnern keinerlei (!) Diskussion darüber statt, was sich da gerade in den letzten Wochen so zugetragen hat. Bis heute weiß ich grundsätzlich nicht, wie viel das FBI den Bürgern von Twin Peaks über Lelands Besessenheit oder BOB erzählt hat.
                                      Dies war definitiv der Zeitpunkt, an dem die Geschichte, der Hauptplot den größten Schlag erleiden musste und für eine handvoll Episoden einfach mal in sich zusammenfiel. "The Return" korrigiert auch hier auch wieder den Kurs bzw. setzt den vorgegebenen von "Fire walk with me" fort und konzentriert sich wieder deutlich mehr auf das menschliche Drama und ein psychologisch-spannendere Figurenzeichnung.
                                      Gut, so viel nur dazu.

                                      Im starken Gegensatz zu Cooper und Carrie, die – zumindest was den heutigen Stand angeht – nicht mehr nach Hause zurückkehren können, steht der naive, kindliche und leicht trottelige Douglas Jones, der sich schnell im gemütlichen Nest einer liebevollen Familie einfindet.
                                      Wir verbringen gute dreizehn Episoden mit Dougie und sein Handlungsstrang ist wohl der mutigste und am meisten kritisierte der ganzen neuen Serie. Cooper kommt zurück, doch er stolpert einsilbig, ja scheinbar gedankenlos durch die Gegend und nimmt sich seeeehr viel Zeit für alles, was er tut.
                                      Diese Inkarnation steht nicht nur im krassen Gegensatz zu Mr. C, Coopers bösen Doppelgänger, nein, seine Zeit als Dougie stellt alles in allem wohl auch Coopers schönste Zeit in der gesamten Serie dar.
                                      Nach 25 Jahren im Red Room ist er nämlich total von der Rolle. Es ist, als ob das Verweilen in dieser fremden und unerklärlichen Dimension emotional so sehr an ihm gezehrt hat, dass er nun nur noch ein leeres Gefäß ist, dessen Energie total aufgebraucht ist und Zeit zur Heilung benötigt.
                                      Dies führt wohl zum herzerwärmendsten, absurdesten und auch witzigsten Geschehnissen der gesamten dritten Staffel, denn wir sehen dabei zu wie Cooper das Leben wieder ganz neu mit kindlichen Augen entdeckt. Er findet Liebe im Kreis seiner Famlie mit Sonny-Jim und Janey-E, er schließt Freundschaft mit dem Mitchum-Brüdern, er rettet eine alte Frau vor der Obdachlosigkeit, deckt einen Versicherungsbetrug auf und hilft einem Mann sich zu bessern und mit seinen kriminellen Aktivitäten aufzuhören. Kurzum: Er bereichert das Leben jedes Einzelnen, mit dem er in Kontakt kommt. In seinem kindlichen Zustand scheint er auch unbesiegbar zu sein, schlagen doch alle Anschläge auf ihn fehl und jegliche intuitive Eingebung führt ihn genau dorthin, wo er zu sein hat.
                                      Auf dem Gebiet der reinen Sinneserfahrung lernt er Kaffee und Kuchen zu genießen, hat zum ersten Mal Sex, feiert eine Party und spürt die Liebe von all den Leuten, denen er im Leben weitergeholfen hat.
                                      Mit der Zeit entwickelt er auch immer mehr seinen eigenen Willen, als er sich beispielsweise von Bushnells Griff losreist, um Kirschkuchen zu kaufen; Ike, den Killerzwerg überwältigt oder schlussendlich die Gabel in die Steckdose steckt, um wieder der Alte zu werden (Ich glaube einen seltsameren Satz habe ich in meinem Leben nie geschrieben.)
                                      Erst als ihn sein Schöpfer wieder zurück in den Dienst ruft („Get Gordon Cole.“) und er sein Herz wieder durch die Liebe, Zuneigung und Anerkennung seines Umfelds gefüllt hat, ist er bereit wieder zurückzukehren: „You´ve made my heart so full.“

                                      Und was es für eine Rückkehr war! Als Cooper - wieder im schwarzen Anzug - das Krankenhaus verließ und Bushnell mit der üblichen Selbsticherheit verkündete: „I am the FBI“, war es komplett um mich geschehen. Ein wahrlich perfekter Moment wie man ihn selten findet und einen wahnsinnig befriedigenden emotionalen Payoff darstellt, nach all der Zeit, die wir auf "unseren" Cooper warten mussten. Es war fast zu schön, um wahr zu sein, wie sich dann auch im Finale herausstellen würde.
                                      Coopers irrsinnige Odysee als Dougie Jones ist wohl am ehesten mit einem Märchen vergleichbar und scheint sich von den Motiven und den Figuren auch stark am „Zauberer von Oz“ zu orientieren, einer von Lynchs Lieblingsfilmen.
                                      Als im Krankenhaus alle um Coopers Bett standen, kam mir sofort die „You where there “-Szene vom Ende des Films in Gedächtnis. In gewisser Weise ist auch auffällig , dass nur der Dougie-Charakter ein positves Ende bekommt, da er am Schluss wieder zu seiner Familie zurückkehren kann und somit Zuhause ist. Doch selbst er ist nur eine weitere Tulpa von Cooper, die nur gewisse postive Aspekte von ihm verkörpert und eine Kopie von ihm darstellt.

                                      Und ganz ehrlich, so befriedigend wie die finale Konfrontation im Büro des Sherrifs zwischen BOB und Hulk-Smash Freddie auch war, ging mir die Auflösung der gesamten Handlung von dem Punkt an schon viel zu glatt über die Bühne und ich erwartete jeden Moment einen unglaublichen Mindfuck. Und siehe da, ich musste nicht lange warten, denn was sich nur wenige Minuten danach abspielte sorgte dafür, dass ich alles was ich in den vergangenen 16 Stunden gesehen hatte, noch einmal überdenken musste.

                                      Ich sah mir das Finale natürlich sofort an, sobald es auf Sky verfügbar war und alles es dann fünf Uhr morgens war und alles vorbei war, rauchte mir der Kopf und ich war unfähig auch nur ein Auge zu zutun. Vor allem die letzte Stunde dieses Films fühlte sich wie ein endloser Alptraum an. Diese langen Autofahrten, diese seltsamen und vor allem kaum vorhandenen Dialoge und diese grauenhafte Stille. Es fühlt sich so an, als ob eine drohende Verdammnis über all den Geschehnissen hängen würde, als ob die Realität, in der sich Cooper und Laura bewegten, jederzeit einstürzen und alles aus dem Ruder laufen könnte. Ich war angespannt und sah immer wieder auf die Uhr, nur um zu wissen, wie lange ich diese ausufernde Tortur noch ertragen musste. Dies ist natürlich positiv zu werten.
                                      Nach den Endcredits und Angelo Badalamentis großartigen, hypnotisierenden "Dark Space Low" wollte ich mit anderen Leuten über das Gesehene reden, konnte aber nicht. Ich war viel zu verwirrt und konnten keinen klaren Gedanken fassen. Ich konnte mir auch keine Diskussionen ansehen/anhören, driftete ich doch mental immer wieder ab und überlegte wie sich diese ganzen Puzzlestücke wohl zusammenfügen würden. Irgendwann schlief ich dann aus Erschöpfung ein und hatte einen lynchigen Alptraum. Nicht besonders überraschend, aber nachdem ich aufgestanden war und meinen normalen Tagesablauf nachgegangen bin, lichtete sich der Nebel in meinem Kopf plötzlich immer mehr und alles schien mehr oder weniger Sinn zu ergeben. Das letzte mal als ich solche eine intensive und prägende Filmerfahrung hatte war 2009, als ich mir zum ersten Mal „Inland Empire“ ansah und danach nicht mehr wusste, wie ich hieß.^^ Auch da war der selbe Übeltäter am Werk.
                                      Doch dieses Finale war sogar noch um Einiges besser, da ich noch stärker in diese Welt und die darin stattfindenden Geschehnisse involviert war und eher nachvollziehen konnte, worum es ging und was es bedeutete.
                                      „Twin Peaks“ begleitet mich insgesamt nun schon seit 8 Jahren und diese dritte Staffel war eines der größten Highlights für mich, was Film als audiovisuelles Medium angeht. Über 100 Tage voller anregender Gedanken, spannender Diskussionen und unterhaltsamen Podcasts/Videos. Es war einfach nur grandios.
                                      Auch wenn es schade und etwas traurig ist, dass die Reise hier ihr Ende nehmen muss ("There´s some fear in letting go."), spielt es letztendlich keine so große Rolle für mich, da diese gesamte Erfahrung absolut genial war und die Serie für die nächsten 25 Jahren ohnehin wieder von allen Seiten seziert und analysiert werden wird. Nicht zuletzt von mir.

                                      Daher bleibt mir nur noch zu sagen: Danke an David Lynch und Danke an Mark Frost für diesen (alp-)traumhaften Twin Peaks-Sommer!

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                                        Spoiler

                                        Hab das Serieinfinale nun wohl schon zum vierten Mal gesehen und doch wird es mit den Jahren nicht leichter. Nachdem ich die letzte Folge erfolgreich eine Woche vor mir hergeschoben habe, war es nun doch wieder an der Zeit mich von Familie Fisher zu verabschieden und dem Ende entgegenzutreten. Es ist schon erstaunlich, wie sehr mir diese Figuren seitdem ich sie zum ersten Mal entdeckt habe ans Herz gewachsen sind und ich mit zunehmenden Alter das Gefühl habe sie immer mehr zu verstehen und dementsprechend emotional noch mehr involviert bin, als damals 2008, als ich mir die Serie im Alter von siebzehn Jahren das erste Mal ansah.
                                        In der Zwischenzeit habe ich natürlich auch nahezu alle großartigen Qualitätsserien gesehen und doch muss ich wieder konstantieren, dass mich nichts auch nur annähernd so vom Hocker gehauen hat wie Six Feet Under, im speziellen die letzten sechs Minuten.

                                        Es ist spannend, dass zwischen jeder Sichtung der Serie für mich immer drei, vier Jahre liegen, weil ich das Gefühl habe erst noch eine Weile Lebenserfahrung sammeln zu müssen, um mich wieder ganz neue darauf einlassen und viele Handlungen und Entscheidungen der Figuren wieder aus einem ganz anderen Blickwinkel heraus betrachten zu können.
                                        Als Zuschauer bin ich im ständigen Dialog mit der Serie, hinterfrage das Leben, den Tod, den Sinn und Unsinn von Beziehungen, wie man zum Glück findet, ob man sich als Mensch jemals grundlegend ändern kann, wie viel mehr man manchmal doch aus seinem Potential und Träumen machen könnte und wie sehr wir uns mit Drogen, Sex und Alkohol betäuben, nur um die innere Leere zu füllen.

                                        Am Ende bleibt jedoch die Erkenntnis, dass all die guten und schlechten Seiten zum Leben gehören und es jeden von uns nun einmal so geht und wir das Beste aus der Zeit machen sollten, die uns gegeben ist. Sich dem eigenen Tod vor Augen zu führen, rückt viele Dinge wieder in Relation und umso mehr man sich von dieser Angst befreit, desto mehr ist man gewillt gewisse Dinge in Angriff zu nehmen und einen Absprung zu wagen. Verloren im alltäglichen Leben kann diese Bewusstheit der eigenen Sterblichkeit verloren gehen und man schiebt Dinge vor sich her in den Glauben noch unendlich Zeit dafür zu haben und sich irgendwann in der Zukunft darum zu kümmern.
                                        Vielleicht sollten wir alle hin und wieder den weisen Worten von Nathaniel Fisher sr. folgen, der David im Zwiegespräch an eine einfache Tatsache erinnert:

                                        Nathaniel Fisher:" You hang onto your pain like it means something, like it's worth something - well let me tell ya, it's not worth shit. Let it go. Infinite possibilities and all he can do is whine.

                                        David Fisher : "Well, what am I supposed to do?"

                                        Nathaniel Fisher : "What do you think? You can do anything, you lucky bastard, you're alive!"

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                                        • 9 .5

                                          Wow, ein Film wie eine Urgewalt!
                                          Ich kann gar nicht fassen, dass Fritz Lang dieses Stummfilm-Meisterwerk vor 86 (!) Jahren gedreht hat!
                                          Die Themen, die er dabei anspricht, sind heute immer noch so brisant wie damals, seien es nun die Ausbeutung der Arbeiter, die Kluft zwischen Reich und Arm, die Entmenschlichung durch Industrialisierung, Machtmissbrauch durch Massenkontrolle und Produktivitäts- und Wachstumssteigerung um jeden Preis.

                                          „Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein“

                                          Eine Revolution muss gestartet werden, um eine gesunde Verbindung zwischen "denen da oben" und "denen unter der Erde" zu schaffen.
                                          Lang nimmt sich deshalb die erste Stunde Zeit, um uns die Schlüsselfiguren vorzustellen und uns ihre Motive klarzumachen. Dabei gibt es beinahe jede Minute etwas Neues zu entdecken. Die Welt von "Metropolis" ist ein wahres Wunderland für jeden, der für kunstvolle, raffiniert abgelichtete Miniaturbauten, kreative, futuristische Sets/Kostüme und für seine Zeit sehr ambitionierte und beeindruckende Spezialeffekte etwas übrig hat.
                                          Im letzten Akt findet dann das Spektakel statt und man wird mit den Menschenmassen förmlich mitgerissen. Der Dreh dieser Szenen muss ein wahrer Albtraum gewesen sein. Das Set wird geflutet, hundert Leuten rennen hin und her, alles zerbricht ringsherum und dann muss auch noch das Timing für die Effekte stimmen. Ich saß mehr als einmal mit großen Augen und voller Bewunderung vor den Fernseher und nachdem der Film zu Ende war, wollte ich aufstehen und klatschen.
                                          Ich muss auch sagen, dass dies - abgesehen von zwanzigminütigen Laurel & Hardy-Kurzfilmen - mein erster Stummfilm war. Doch gerade deshalb funktioniert der Film so gut! Ich finde sogar, dass es eine weitaus einladendere Art ist Filme zu sehen, weil man ständig Mimik und Gestik interpretieren und sich die Dialoge selbst zusammenreimen muss. Das ist weitaus involvierender als ein Film, der einen alles vorkaut und dem Zuschauer nichts abverlangt.
                                          Doch das wäre natürlich alles nichts ohne die großartige Filmmusik von Gottfried Huppertz!
                                          Wenn sich am Ende das "Herz" zwischen "Händen" und "Hirn" stellt und ein Neuversuch für friedliches Zusammenleben in die Wege geleitet wird, dann ist das absolut ergreifend und glaubwürdig.

                                          Hier stimmt die epochale, optimistische Filmmusik hervorragend mit der Positionierung der Darsteller und deren Mimik und Gestik überein und gemeinsam formen sie eine symbolhafte Schlussszene, die anbetungswürdig und unvergesslich ist.
                                          Ein Bild sagt mehr als tausend Worte und was "Metropolis" betrifft, sind es viele schöne Bilder.

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                                          • 9 .5

                                            Der beste Bond aller Zeiten.

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                                            • 9 .5

                                              Verdammt guter Film. Das Traumtrio Scorsese, DeNiro und Pesci arbeiten wieder wunderbar zusammen und erschaffen ein Meisterwerk.
                                              Jake LaMottas Aufstieg und Fall im Ring und im Privatleben wird von Scorsese gnadenlos und ungeschönt auf die Leinwand gebracht. Schon zu Beginn sieht man einen Mann, der sich nur mit Fäusten gegen seine Mitmenschen zur Wehr setzen kann. Im Zwischenmenschlichen verhält er sich paranoid und abgestumpft, worunter seine Frau Vickie und sein Bruder Joe auch zu leiden haben.
                                              Heftig wurde es, als er beide verdächtig miteinander geschlafen zu haben.Zuerst verprügelt er seinen Bruder vor seiner gesamten Familie und schlägt schließlich auch seine Frau mitten ins Gesicht.
                                              Von da an geht es nur noch abwärts. Er kann nicht mehr Boxen und verdient sein Geld mit Auftritten in schäbigen Nachtclubs. Zuletzt verlässt ihn seine Frau und sein zukünftiges Verhältnis zu seinen Bruder bleibt ungewiss.

                                              Folgende Szenen fand ich am besten:

                                              - Er zeigt Vickie seine Wohnung. *aufvogelkäfigzeig* "Ja und das ist ein Vogel. Das heißt dort war einer. Jetzt ist er tot.

                                              - Als Jake seinen Bruder und Frau verkloppt und total in seiner Paranoia aufgeht.

                                              -Als er einen Kampf aufgibt und danach weint.

                                              -Er soll seinen Bruder anrufen. Dieser geht ran, aber Jake ist nicht fähig sich bei ihm zu entschuldigen.

                                              -Die Schlussszene mit DeNiro vorm Spiegel inkl. Zigarre und das darauffolgende Bibelzitat: "... All I know is this: Once I was blind and now I can see."

                                              Fazit: Bewegendes, tiefgehendes Charakterdrama, das es schafft, den Zuschauer trotz ambivalenten, hassenswerten Protagonisten tief zu berühren. Die Schwarz-Weiss-Optik sorgt obendrein für Zeitlosigkeit und lässt den Film episch wirken.

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                                              • 9 .5
                                                Pyro 91 21.02.2017, 21:45 Geändert 21.02.2017, 23:55

                                                Ich empfinde gerade tiefe Ehrfurcht vor dem, was David Simon und Co. hier über die letzten 60 Folgen auf die Beine gestellt haben. Gleichwohl: "The Wire" als Seherfahrung in Worte fassen? Schwierig.
                                                Zahlreiche Lobeshymnen wurden doch bereits von allen Seiten gesungen und ich bin mehr oder weniger sprachlos. Dass eine Serie, die sich derart den modernen Sehgewohnheiten verweigert und nichtsdestotrotz so unterhaltsam ist, grenzt schon an ein kleines Wunder. Eigentlich hätte ich direkt Lust wieder von vorne anzufangen, ein Wunsch den ich selten bei Serien hege, aber aufgrund der erinnerungswürdigen, vielschichtigen Figuren, der stets im Vordergrund stehenden thematischen Dichte, der komplexen sozio-ökonomischen Darstellung der Stadt Baltimore, dem ausufernden aber dennoch durchgehend dynamischen Plot sowie der spannenden, epischen Erzählweise, die "The Wire" wie einen verdammt guten amerikanischen Roman wirken lässt, mich schon fast dazu nötigt. Obwohl ich schon zahlreiche "große" Serien hinter mir habe, hat David Simons Meisterwerk meine Geschmacksparameter doch wieder entschieden erweitert und die Serien, die jetzt darauf folgen werden, haben ein schweres Erbe zu tragen. Denn seien wir mal ehrlich: Viel besser geht es doch wirklich nicht, oder?

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                                                • 9 .5

                                                  Nachdem Ti Wests Meisterstück zu Ende war, atmete ich erstmal tief aus, da es mir so vorkam, als ob ich gut eine Stunde lang mit angehaltenen Atem vor dem Fernseher saß. Das kann nicht gesund sein, sage ich euch!
                                                  Schon zu Beginn merkt man, dass sich hier jemand viel Mühe gibt, endlich mal wieder einen guten Horrorfilm zu machen, der nicht ein Boring-as-hell-big-brother-survelliance-camera-Bullshit oder suffering-for-the sake-of-it-Folterfilmchen ist.
                                                  So dauert es gut 20 Minuten bis unsere Hauptfigur Samantha im Haus des Teufels ankommt und wir haben genügend Zeit sie kennenzulernen und - in meinem Fall - bereits ins Herz zu schließen. Ihre finanzielle Situation ist nachvollziehbar und obgleich ihre gute Freundin sie warnt, dass hier irgendwas nicht stimmt, wird sie nicht als Idiotin dargestellt, die nur scharf auf die Kohle ist und ansonsten den IQ einer Pizza hat.
                                                  Was dann im Haus von sich geht, ist nahezu spektakulär. Was geht vor sich? Nun, im Grunde nichts. Ti West spielt die ganze Zeit mit den Erwartungen der Zuschauer und jemand der sich im Genre auskennt, wird feststellen, dass es in "The house of the devil" zahlreiche Momente geben würde, die förmlich nach einen "Jump-Scare"-Moment schreien, bei dem einen irgendwas entgegenspringen würde.
                                                  Wenn unsere Heldin das Haus erkundet, dabei knarzige Türen öffnet, dunkle Gänge entlangläuft, aus dem Fenster sieht, dann ist das so spannend wie schon lange nichts mehr, nicht zuletzt, weil zu 99% der Zeit Totenstille herrscht. Nur selten gibt es ein wenig Klaviergeklimper zu hören, das sich allerdings so schnell wie es kam auch wieder verabschiedet und den Zuschauer wieder mit dieser unerträglichen, spannungsaufgeladen Stille zurücklässt. Hinzu kommen noch gut getimte Schockeffekte, die mich böse überrascht haben und mir fast einen Termin beim Kardiologen eingehandelt hätten.
                                                  Das letzte Drittel ist dann Wahnsinn pur und ich staunte nicht schlecht, wie Samantha sich trotz dieser extremen Situation durchschlug. Hier wird der aufgestaute Terror wieder entladen und der Zuschauer freut sich. Das Ende hat mich stark an "Rosemarys Baby" erinnert und funktioniert gerade wegen seiner Abpruptheit und deprimierenden Konsequenz als hervorragender Abschluss.

                                                  Nächstes Ziel: "The Inkeepers" ;)

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                                                  • 9 .5
                                                    Pyro 91 29.01.2017, 02:45 Geändert 29.01.2017, 02:48

                                                    Gerade die erste Episode gesehen. Bin schon ziemlich gehookt muss ich sagen! Es hat jetzt doch einige Zeit gedauert, bis ich mich an die Serie rangetraut habe, aber letztendlich war´s dann doch nicht so sperrig wie ich gedacht hatte. Solange man aufmerksam bei der Sache ist, kann man allem problemlos folgen. Es gibt zwar eine Flut an Namen, Departments etc. , doch die Darsteller und deren Dynamik miteinander gefallen mir jetzt schon. Vor allem Dominic West als McNulty hab ich gleich ins Herz geschlossen.
                                                    Finde es auch gut, dass wir von den Gesetzlosen genauso viel sehen wie von den Gesetzeshütern. Fühlt sich momentan so an, als ob man einen richtig guten Roman lesen würde. Nein, ich bin wirklich begeistert!

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