schmelquir - Kommentare

Alle Kommentare von schmelquir

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    schmelquir 25.11.2020, 21:38 Geändert 11.11.2022, 11:37

    Glenn Close und Amy Adams in einem Film - die beiden ewigen "Fast-Oscar-Gewinnerinnen". Hohe Erwartungen sind dabei eigentlich mit vorgegeben. Leider ist dieser Film in sehr vielen Belangen ein herbe Enttäuschung.

    Ja Glenn Close ist wieder einmal wunderbar und wirklich atemberaubend gut in dem Film - wenn man ihr denn auch mehr Zeit und Raum gegeben hätte. Die Geschichte zentriert sich nämlich nicht, wie man beim Blick aufs Filmposter meinen könnte, um die Beziehung zwischen Mutter (Glenn Close) und Tochter (Amy Adams), sondern um den Enkel, seine Kindheit und sein Junges Erwachsensein als Yale Absolvent. Das ist schade, da da viel mehr Luft nach oben gewesen wäre, auch wenn ich natürlich weiß, dass der Film auf den echten Memoiren J.D. Vance beruht. Was dabei herausgekommen ist, ist ein mit Clichés, im filmtechnischen Sinne und im Storytelling Sinne, zugehäufter Film.
    Ron Howard mag ja sicherlich den ein oder anderen Klassiker gemacht haben; doch leider schafft er es hier einfach nicht etwas Besonderes und über das Normale und, so böse wie es klingen mag, Banale Hinausreichende zu inszenieren. Jeden Moment des Film hat man das Gefühl ihn schon mal gesehen zu haben - kurzum das einzig besondere am Film sind die relativ guten Leistungen von Close und Adams. Die Inszenierung und Kameraarbeit sind einfach 08/15-haft und klischéehaft, sodass das den tollen Performances der Schauspielerinnen einfach nicht gerecht wird. Leider konnte ich mich auch mit dem Schauspieler des Teenager-J.D. nicht so sehr anfreunden und empfand ihn eher als ein störendes Element - aber das ist meine persönliche Meinung. Das liegt aber vielleicht auch mehr an der Charakterzeichnung und am Drehbuch, die beide ohne Tiefe geschrieben worden zu sein scheinen. Vor allem aber waren es die Platzierungen der vielen Rückblenden und das Timing derer, was ich als noch viel schlimmer empfunden habe. Vieles war einfach fehl am Platz.
    Auch was hier über eine gesellschaftlich politische Studie des Trump-Phänomens geschrieben und erzählt wird, kann ich null nachvollziehen. Ja natürlich geht es um die typischen "White-Trash"-Hillbilly-Familien, die 2016 und auch dieses Mal Trump mit großer Mehrheit gewählt haben - jedoch wird der Film niemals politisch und spricht diese Themen nie an. Das alles ist also eher eine Interpretation des Zuschauers als eine wirklich gewollte Intention des Filmemachers dahinter.
    Es kann ja durchaus sein, dass im zugrundeliegenden Buch das mehr zur Sprache kommt. Sollte das der Fall sein, wurde das fast komplett aus dem Film genommen.
    Am Ende sitze ich auch hier und frage mich, was der Film jz eigentlich auch wirklich sein wollte. Ein intimes Familiendrama, ein betreffendes Sozialdrama, Biopic... Iwie hat er von allem was, aber nicht das richtige.

    Letztendlich lohnt sich der Film nur wegen der Schauspielleistungen von Amy Adams und Glenn Close, für die vielleicht ein langverdienter Oscar winken könnte. Inszenatorisch, filmtechnisch und drehbuchtechnisch kann man den Film jedoch nicht sehr empfehlen: Clichés über noch mehr Clichés ohne Tiefgang.
    Wieder einmal ein Film, der etwas besonderes hätte sein können, wenn man es doch ein wenig versucht hätte.

    Ernüchterndes Charakter-/Familiendrama, jedoch wenigstens mit mindestens einer richtig starken Performance: 4/10

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      schmelquir 20.11.2020, 23:16 Geändert 20.11.2020, 23:18

      "Best Actor" bei den Oscars - eine Kategorie, die auch das letzte Jahrzehnt wieder Superlative gesehen hat: Gary Oldman, Leo DiCaprio und Joaquin Phoenix haben endlich ihren wohlverdienten Oscar bekommen, ja sogar Jeff Bridges. Und natürlich Daniel Day-Lewis, brillant wie immer als Abraham Lincoln.
      Einer passt da nicht wirklich in die Reihe, wenn wir die Filme anschauen, die normalerweise diese Kategorie im letzten Jahrzehnt abgeräumt haben, historische Charakterstudien mit großen Namen, Hawking, Freddie, Lincoln, Joker... Ein Film sticht da so ein bisschen aus der Reihe: Manchester by the Sea

      Es geht um keine historisch legendäre Figur oder einen psychopathisch berüchtigten Bösewicht, den auch so wirklich jeder kennt. Nein, es ist eine Geschichte über jemanden, der wohl kaum normaler, alltäglicher sein könnte: einen Klempner und Hausmeister. Wie passt so ein Charakter in die Reihe der großen Namen der weiteren Gewinner? Die Antwort ist einfach, tut er nicht. Dieser Oscargewinn von Casey Affleck passt mal so gar nicht in die Reihe und widersetzt sich dem Trend, dass die Oscargewinner in dieser Kategorie sich entweder abmagern müssen oder es einfach längst verdient hätten einen zu bekommen. Dieser Oscar ist einzig und allein für die Schauspielleistung vergeben worden und für sonst nichts. Vielleicht deswegen ist dieser Gewinn der eindrucksvollste des letzten Jahrzehnts und ein Liebesbrief an die seltene Kunst des subtilen, leisen Schauspiels.

      Zum Film an sich: er ist mehr eine tragische Geschichte als ein Film, die sich und dem Zuschauer Zeit lässt und in die man eintaucht und sich in ihren Tiefen verliert. Die unheimliche Authentizität der Dialoge trägt dabei massiv dazu bei (Der Film hat vollkommen verdient auch den Oscar für "Best Screenplay" bekommen). Das zusammen mit den genialen Performances und der wunderbaren Kameraführung und Bildsprache macht diesen Film zu einem unfassbar berührenden Trip in die Seele des Menschen.

      Geschichtenerzählen kann nicht jeder, die Macher von "Manchester by the Sea" aber ohne Zweifel: 8,5/10

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        schmelquir 28.10.2020, 20:38 Geändert 28.10.2020, 20:38
        über Echo

        "Echo" ist ein wunderbares und kreatives Episoden-Experiment eines isländischen Regisseurs. In insgesamt 56 einzelnen, aneinandergereihten Szenen, die teils dokumentarisch, teils spielfilmartig inszeniert und geschrieben sind, zeigt er verschiedene Facetten der heutigen modernen Gesellschaft und erzählt gleichzeitig kleine Geschichten der "kleinen Leute" und Bewohner Islands. Von skurrilen bis hin zu ruhigen und persönlichen Szenen; vielseitiger könnten die vielen verschiedenen Teile gar nicht sein. Der einzige Zusammenhang zwischen den Episoden - sie alle spielen in der Weihnachtszeit.

        Überzeugen kann der Film jedoch besonders visuell, mit seinen Aufnahmen im ständigen Kontrast zwischen kühl und warm. Die Bilder wirken dabei so klar, wobei jede einzelne Szene etwas anderes ausstrahlt und auf eine andere Art und Weise wunderschön aussieht.
        (Den Film gibt es gerade bei MUBI)

        Ein kleiner, weihnachtlich künstlerischer Geheimtipp: 7,5/10

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          schmelquir 28.10.2020, 14:13 Geändert 10.11.2020, 23:38

          "Chernobyl" - eine der größten Tragödien der Menschheitsgeschichte bekommt endlich das Aufsehen und die Plattform, um die Wahrheit über was wirklich passiert ist an die breite Bevölkerung zu bringen. Zermürbend, schockierend und tief treffend... Erschütternde Bilder treffen auf eine stark und spannend dargebotene Geschichte.

          WHAT IS THE COST OF LIES?

          Lügen und stilles Verschweigen... das Auge vor Bedrohlichem sehend verschließen. Das Unglück von Tschernobyl ist dabei nur ein Beispiel in der Geschichte der Menschheit, doch könnte es kaum prägender und relevanter sein. Von vielen, u.a. Gorbatschow, als eine der treibenden Kräfte genannt, die zum Zerfall der Sowjetunion führten.
          "Chernobyl" schafft es all das, die Trauer, den Schock, die Angst, den Horror, die Arroganz der Männer in Führung und besonders den tödlichen Verfall und die todbringende, ja fast schon verfluchte Wirkung und Natur von Radioaktivität in Bilder zu verwandeln, die, einmal gesehen, so schnell aus keinem Gehirn mehr verschwinden werden.
          Das gepaart mit dem alles durchdringenden Soundtrack, komponiert von Hildur Guðnadóttir (Joker), und den ausgezeichneten Schauspielperformances ergibt ein intensives Meisterwerk.
          Wenn es so etwas, wie die Hölle auf Erden gibt, dann muss es wohl dieser Ort sein - haunted and abandoned.

          Die unsichtbare Zerstörung, die die ganze Welt betrifft: 10/10

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            schmelquir 21.10.2020, 14:27 Geändert 18.02.2021, 16:50
            über Rebecca

            Remakes gehören mittlerweile an die Tagesordnung des Filmegeschäfts - nun ist also Rebecca dran. Der berühmte und allseits als meisterhafter Klassiker abgesegnete Roman von Daphne Du Maurier wie auch das archetypische Psychothriller-Meisterwerk Alfred Hitchcocks. Während sich Hitchcock in manchen Faktoren ein bisschen von der Romanvorlage distanzierte, um seine Idee der Verfilmung durchsetzen zu können, wie aber auch dem Studio zu gefallen, hält sich diese Neuverfilmung nun sehr stark an das Buch. Was dabei herausgekommen ist, ist etwas, was man im heutigen Filmgeschäft meiner Meinung nach viel zu häufig sagt: Ein Film, der eigentlich kaum einen Grund besitzt zu existieren - ein typischer passabler Film.

            Eines wird relativ schnell klar, wenn man den Film beginnt: Dieser Film hat weder die filmtechnische Raffinesse wie die 1940 Version vom Altmeister Hitchcock, noch schafft er es die Komplexität der Thematik zu porträtieren.
            Nun aber erst einmal zu den Schauspielern. Man kommt nicht umher, auch in diesem Aspekt den Film mit seinem Vorgänger zu vergleichen. Laurence Olivier und Joan Fountaine - zwei Schauspieler fast unvergleichlicher Größe mit einer Präsenz, die man selten findet. Während Armie Hammer meiner Meinung ein sehr guter Griff für Mr. de Winter war, obwohl ihm die Kostümabteilung mit den schweren, weiten, schlaffen und gelb- und braunfarbenen Cordanzügen kaum geholfen zu haben scheint, ist Lilly James doch leider sehr durchsichtig als die Protagonistin Mrs. de Winter. Oftmals wirkt sie sehr metallisch und unnatürlich, wobei man dennoch sagen muss, dass sie die Verzweiflung der Figur teilweise doch ganz gut auf die Leinwand bringen kann. Weder schafft sie es jedoch die schauspielerische Präsenz von Joan Fountaine zu erreichen, noch ihre komplett eigene Version zu spielen.
            Eins fällt dabei schnell auf - dem Film fehlt es an einer essentiellen Sache fast komplett: düstere und kalte Klasse.
            Obwohl der Film sich in den Trailern als dieser harte, kalte Psychothriller vermarktet hat, ist das Ergebnis doch auf sehr ernüchternde Weise eher das Gegenteil. Diese Version von Rebecca ist viel mehr eine Romanze über ein verlorenes Pärchen, als ein düsterer und zerstörerischer Psychothriller. Die Verschlossenheit und Geheimniskrämerei Mr. de Winters wirkt in diesem Film weniger beunruhigend, kalt und distanziert. Die dunkle Seite der Geschichte kommt dabei viel zu wenig in den Mittelpunkt und fühlt sich kaum bedrohlich an. Obwohl in manchen Szenen die Einsamkeit und Verzweiflung Mrs. de Winters ganz gut dargestellt wird, bleibt dennoch mit der wichtigste Punkt der Story auf der Strecke: das selbstzerstörerische Potenzial Mr. de Winters. Ja, er trauert und ist niedergeschlagen, aber ein wirkliches Gefühl vom Potenzial an Gewalt und Suizid kommt frühestens im letzten Drittel des Films auf und selbst da, nicht wirklich auf bedrohliche Art und Weise oder in vollem Ausmaß.
            Die Kameraarbeit und Cinematographie sind im Allgemeinen ganz gut - der Film sieht schön aus. Die Farben und Farbpaletten funktionieren meistens gut, jedoch ist der Film häufig zu warm, v.a. in der zweiten Hälfte - wieder einmal bleibt die düstere Natur von Rebecca auf der Strecke. Manderlay wird in manchen Einstellungen ganz schön eingefangen und ist einer der besseren Aspekte des Film. Zumindest hat dieses Haus, dieses Anwesen immerhin die Anzeichen eines gewissen Charakters, auch wenn es nicht einmal annähernd damit zu vergleichen ist, wie Hitchcock dieses Haus "zum Leben" erwecken konnte. Dennoch kommt das Gefühl davon, dass dieses Anwesen fast schon eine eigene Figur des Films ist, nicht wirklich auf. Da wurde sehr viel Potenzial, v.a. durch die heutige Technik, vergeudet.

            Letztendlich hat man am Ende das Gefühl eine Romanze gesehen zu haben ohne große Gefahr oder düstere Komplexität.
            Während im Hitchcock-Film das erste Aufeinandertreffen der Protagonistin mit dem am Leben zweifelnden Herrn de Winter an einem Felsvorsprung ist, von dem er in Gedanken hinabstarrt, ist es in diesem Film im Restaurant des Hotels, wo sie auch schon kurz danach zusammen beim Essen sitzen werden... Das sagt so ziemlich schon alles aus.
            Wenn man einen der größten Romane des 20. Jahrhunderts verfilmt, der zugleich auch einen der einflussreichsten Filme des Jahrhunderts darstellt, möchte man doch meinen, dass man einen besseren Grund dafür hat, als "der letzte Film ist schon so lange her"... Ein Remake macht doch nur dann Sinn, wenn man wirklich etwas neues beizutragen hat und etwas Meisterhaftes schaffen will. Leider schafft das dieser Film nicht. Handwerklich ganz gut, inhaltlich in einigen Aspekten jedoch am Ziel vorbei geschossen.

            Passables und dennoch genau deswegen enttäuschendes Remake: 5,5/10

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              schmelquir 17.10.2020, 17:49 Geändert 17.10.2020, 17:54

              Netflix ruft wieder einmal ein Star-Ensemble auf, um sich für das nächste große Ding zusammen zu tun und um vielleicht diesmal bei den Oscars mehr Glück zu haben als letztes Jahr mit "The Irishman" oder "Marriage Story". Eddie Redmayne, Joseph Gordon-Levitt, Sacha Baron Cohen, Mark Rylance... viele große und etablierte Namen. Die Thematik könnte kaum skandalöser, empörender und aufsehenerregender sein - der Schauprozess von 1968 in Chicago.

              Wie es zu erwarten war, sind die Schauspielleistungen mit das Highlight des Films. Normalerweise ist das auch unausweichlich bei so einem Cast - jede Rolle ist einfach bestens passend besetzt. Besonders aufgefallen ist mir jedoch - neben Redmayne und Rylance, die beide ebenfalls sehr stark waren - Jeremy Strong zusammen mit Sacha Baron Cohen als Hippie-Duo. Besonders Strong, den ich vor allem als den hochnäsigen Drogenboss aus "The Gentlemen" in Erinnerung hatte, habe ich erst überhaupt nicht wiedererkannt und das nicht nur wegen seiner neu gewonnen Haar- und Bartpracht.
              Trotzdem zum Großteil ist dieser Film nach einem altbekannten Schema aus dem Gerichts-/Justizdrama-Genre gemacht worden. Es gibt die großen Gesten und Reden mit Applaus und Jubelrufen - die jedoch sehr oft vom skandalös voreingenommenen Richter unterbrochen werden - die Ungerechtigkeit und den Kampf dagegen. All das kann nun auch funktionieren, wenn es gut gemacht wird. Und in diesem Film stimmen einfach viele Aspekte, denn er schafft es eben den Zuschauer zu bewegen und ihn in die Geschichte mit hinein zu ziehen.
              Und damit ist der Film genau das, als was er sich auch eigentlich vermarktet hat - das große Starbesetzte Historien-/Justizdrama des Jahres - nicht wirklich originell, aber bewegend, empörend und besonders eins: unterhaltsam.

              Ein unterhaltsames Gerichtsdrama/Historienfilm: 7,5/10

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                schmelquir 06.10.2020, 23:15 Geändert 07.10.2020, 10:45

                Ruhig, persönlich, berührend und bewegend: Mit "Never, Rarely, Sometimes, Always" hat die Regisseurin Eliza Hittman einen kleinen feinen Coming-of-Age-Film geschaffen, der große Themen behandelt und sie auf eine unheimlich persönliche und intim schmerzhafte Art und Weise thematisiert.

                Das Thema Abtreibung teilt die Massen und Meinungen: Mutter oder Kind? Pro Life oder Pro Choice? Es gibt womöglich nur wenige Themen, bei denen die beiden Seiten so unvereinbar scheinen wie hier. Doch wie immer wird politisiert, gehetzt und angeklagt ohne zusammen zu reden oder sich zuzuhören. Oft werden dabei genau die vergessen, um die es geht: die Betroffenen.
                Dieser Film behandelt gerade einen dieser Extremfälle. Und egal wie man zu dem Thema stehen mag, eine Geschichte wie diese erschüttert und trifft tief ins Herz. Wer könnte mit hundertprozentiger Gewissheit denn sagen, wie man selbst in dieser Situation handeln würde? Zu schnell wird geurteilt und gerichtet.
                Eliza Hittman erzählt die Geschichte auf eine ruhige und sehr verletzliche, aber auch starke und tapfere Art und Weise. Man kommt einfach nicht umher mit der Protagonistin mitzufühlen und zu sympathisieren. Die Kameraarbeit hilft dabei mit vielen Close-Ups und ruhigen Aufnahmen, die keinen anderen Zweck zu dienen scheinen, als uns ein Bild in das Seelenleben der Protagonistin zu eröffnen, um eine kleine Tür in diese sonst verschlossene Welt für uns, die Zuschauer, aufzusperren.

                Natürlich kann man sagen, dass besonders die Porträtierung von Männern in diesem Film sehr extrem ist - es gibt keine einzige wirklich sympathische männliche Figur. Fast jede Interaktion der beiden Mädchen mit Männern grenzt entweder an oder ist definitiv sexuelle Belästigung oder spiegelt die augenscheinliche sexuelle Wollust dieser Personen wieder. Männern wird ein Spiegel vorgehalten, doch das Bild darin ist vorgezeichnet. Drei Plätze im Kino neben mir (Corona-Abstand...) saßen zwei Freundinnen, vielleicht Anfang 20, die sich, als der Film endete, genau darüber gewundert haben und sich skeptisch gefragt haben, ob es in der Realität denn wirklich so drastisch sei, dass sich Mädchen kaum bewegen können ohne auf ziemlich extreme Art und Weise belästigt zu werden. Das könnten sie nämlich nicht bestätigen. Nun ja, da gibt es bestimmt zwei Seiten dazu. Natürlich gibt es im echten Leben genug Schweine und einfach schlechte Menschen da draußen. Wer wäre denn bitte so naiv das zu leugnen? Außerdem gibt es in jedem Film stilistische Entscheidungen, die die Welt der Protagonisten oder bestimmte Motive einfacher verständlich und offensichtlicher machen und allein dazu dienen sollen.
                Trotzdem ist das nicht alles zu diesem Thema. Während alle Männer in diesem Film nur oberflächlich und einseitig dargestellt werden, gibt es wenigstens einen Charakter, der ein bisschen mehr Tiefe oder Ambivalenz zu haben scheint: Jasper, der den beiden Mädchen helfen will - aus welchen Gründen auch immer... Ständig wechselt er zwischen ehrlich und einfach freundlichem Verhalten zu sexuell getriebenen Verhaltensmustern, die nur zu einem Ziel führen sollen. Oberflächlich ist das zwar nicht, aber auch nicht gerade positiv für männliche Seite.
                Letztendlich halte ich all das nicht für ein großes Problem, da wahrscheinlich versucht wird langsam auf die Hintergründe von Atumns Schwangerschaft hinzudeuten. Trotzdem hätte es dem Film sicherlich gutgetan ein bisschen von der oberflächlichen und einseitigen Schiene wegzukommen, wobei der Charakter Jasper dabei wenigstens ein bisschen geholfen hat. Denn wenn einem das Leben eins lehrt, dann ist es doch wohl, dass es immer im Dualismus geschieht und es immer mindestens zwei Seiten gibt. So kommt das alles ein bisschen faul und eindimensional herüber und wird der Komplexität der Beziehung zwischen Männern und Frauen einfach nicht gerecht.

                Trotzdem ist das alles eigentlich nur zweitrangig, denn der Film schafft das, was ein derartiger Film schaffen muss und noch mehr: er bewegt und trifft ins Herz. Die Schauspielleistungen von allen Schauspieler*innen sind sehr überzeugend, besonders jedoch natürlich die von unserer Protagonistin Sidney Flanigan.
                Und letztendlich geht es auch viel mehr um die persönliche Geschichte, mehr als um einen gesellschaftlichen Kommentar oder Kritik.

                Ein sehr berührendes Coming-of-Age-Drama: 8/10

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                  schmelquir 06.10.2020, 14:47 Geändert 06.10.2020, 14:55

                  Nicht oft sieht man ein Debut wie diesen Film von einem der, vielleicht dem größten Namen in Hollywood im Moment, das auch vollkommen erhalten ist (vgl. Tarantino's 'My Best Friend's Birthday'). Ein Low-Budget Film (6.000 $) und zwar einer, der diesen Namen auch wirklich verdient. Das Bild und die Bildqualität hat nichts mit den hochpolierten Shots und Aufnahmen zu tun, die wir von Nolan kennen. Er hatte einfach noch kein Geld damals... Das Genie konnte man aber schon erkennen.

                  Nicht nur der Name 'Cobb' natürlich fällt auf und deutet auf spätere Erfolge und seinen erkennbaren Style hin, sondern auch der 'Soundtrack', wenn man ihn den einen Soundtrack nennen kann - das mechanische, hektische, energetische Geflimmer im Hintergrund mancher Szenen. Die mysteriösen, verzweigten Dialoge und das komplexe Drehbuch. All diese Punkte lassen einen damals schon aufhorchen, wer denn dieser Nolan ist und was aus ihm werden könnte.

                  Ein sehr eigenwilliges Debut, das ein Vorbote seiner unglaublichen Karriere sein sollte: 7,5/10

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                    schmelquir 04.10.2020, 23:53 Geändert 04.10.2020, 23:55

                    Von still und leise vergossenen Tränen bis hin zu echten Lachtränen. Liebevoll, unheimlich berührend und einfach unglaublich witzig - selten findet man Filme mit so viel Herz und Menschlichkeit, die es schaffen den schmalen Grad zwischen Leichtigkeit und emotionaler Tiefe zu finden und dies alles in eine Geschichte zu packen, die für Menschen aller Altersgruppen zu genießen ist.
                    Das Gefühl von solchen Filmen ist schwer zu beschreiben. Man muss sich jedoch nur an seine Kindheit erinnern, an einen verregneten Sonntagnachmittag mit Kakao und Keksen und diesen einen Film, den man dann immer angeschaut hat, um dieses Gefühl nachzuempfinden.
                    Jeder wird genau das in einem anderen Film wiederfinden - für mich war es allerdings dieser kleine, süße, niedliche Bär.

                    "Paddington" ist einfach einer der schönsten Kinder-/Familienfilme, die ich jemals gesehen habe.
                    Bei diesem Film kommen Erinnerungen hoch, von denen man geglaubt hat, sie gar nicht zu haben: 8/10

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                      schmelquir 21.09.2020, 09:29 Geändert 21.09.2020, 09:31

                      R.I.P Ruth Bader Ginsburg

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                        schmelquir 17.09.2020, 16:31 Geändert 30.09.2020, 15:01

                        "L'Armée des ombres" (1969) - ein dunkles, kaltes, realistisches Meisterwerk von Jean-Pierre Melville über die französische Résistance-Bewegung im zweiten Weltkrieg und dem Dualismus, der zeigt, dass man auch im Kampf fürs Gute und Rechte zum Verbrecher werden kann und es vielleicht sogar werden muss, um den Gedanken am Leben zu halten.

                        Die Kamera, das Blocking, die Farben - alles ist trist und dunkel. Ein Sinnbild natürlich für die Zeit und die Situation Frankreichs; keine Hoffnung, keine Zukunft für die französischen Widerstandskämpfer. Sie führen einen Krieg gegen einen scheinbar unbesiegbaren Feind und noch dazu gegen sich selbst. Wie Meville in diesem Film diese Geschehnisse, den bloßen Kampf ums Überleben auf die Leinwand bringt, ist atemberaubend offen, kühl und persönlich; persönlich deshalb, da er sehr viel auf eigenen Erfahrungen aus seiner Zeit in der Résistance basiert. Zugleich ist der Film aber auch unheimlich spannend, besitzergreifend und reißt einen direkt in die Tiefen der Geschichte mit hinein. Man fällt durch den niemals endenden Schatten - nicht alleine, mit vielen ebenfalls im freien Fall - eine Armee ohne Anfang und Ende und ohne Hoffnung.

                        Ein wahres Meisterwerk: 9/10

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                          schmelquir 09.09.2020, 17:20 Geändert 10.09.2020, 12:04

                          Man mag es kaum glauben, man mag es kaum fassen. Ein Film wie dieser produziert von dem großen Serienstudio und dem Streamingdienst für leichte und anspruchslose Kost, wenn es um Filme geht: Netflix. Einen Film wie diesen hätte man so nicht erwarten können, erst Recht natürlich nicht von diesem Studio. Wenn ich ihn irgendwo anders gesehen hätte, hätte ich sofort gedacht, es wäre die neueste A24 Produktion gewesen, so sehr würde er in die künstlerische Filmographie dieses Studios hineinpassen. Aber nein, Netflix beschert uns diesmal ein wunderbares, gefühlvolles, anspruchsvolles, künstlerisches "Mindfuck"-Psychohorror-Drama... irgendwas. Es ist unheimlich schwierig diesen Film in ein filmisches Genre einzuordnen, jedoch ist es noch viel schwieriger ihn auf Anhieb zu verstehen.

                          Sofort und von Beginn des Films an bemerkt man die Handschrift zweier absoluter Filmvirtuosen: zum Einen der unverkennbare Regiestil und das Drehbuch von Charlie Kaufman und zum Anderen die wunderbare Kameraführung von Lukasz Zal hinter der Kamera, der auch schon die Rolle des DPs in zwei der am schönsten aufgenommen Schwarz-Weis-Filme der letzten Jahre ("Ida" und "Cold War" - beide von Pawel Pawlikowski) übernommen hatte. Die Kinematographie wie die Kameraführung ist herausragend und fast malerisch, was dem Film einen perfekt zu ihm passenden visuellen Ton gibt. Das sehr quadratische Format komplementiert dieses Gefühl und die bildliche Sprache. Dazu kommt das Blocking der Szenen, das zusammen mit der Kinematographie so gekonnt und genial Gefühle wie Einsamkeit, Isolation, Wehmut oder Melancholie vermittelt.
                          Neben diesen filmtechnischen Aspekten kommen noch die schauspielerischen Glanzleistungen, einmal natürlich von der scheinbaren Protagonistin gespielt von Jesse Buckley und ihrem Freund gespielt von Jesse Plemons. Die zwei Performances, die aber jedem sofort und unweigerlich ins Auge fallen werden, sind die der zwei Eltern der Protagonistin: Toni Collette und David Thewlis. Beide sind wunderbar verstörend, rührend, mitleiderregend, ekelerregend und bewegend zugleich - einfach grandios.

                          Nun zur Story/Drehbuch: neben Tenet kommt nun gleich der zweite sog. "Mindfuck"-Film innerhalb von ein paar Wochen heraus, und was für einer. Jeder, der die Story sofort auf Anhieb versteht ist entweder ein Genie, hat unheimliches Glück gehabt darauf zu kommen oder... keine Ahnung. Das Drehbuch und der Film sind ein buntes Gewirr aus verschiedenen Stilen (Musical, Tanz, Kammerspiel, Theater, Horror...) mit teils langen, ewigen, dunklen Gesprächen über Vergänglichkeit und das Eigene-Ich und dann wieder mit farbenfrohen, dramatischen Tanzeinlagen. Dabei behandelt der Film in so vielen Facetten Themen wie Alter, Identität, Sinn des Lebens, Einsamkeit, Isolation, Liebe und so vieles mehr... und das ohne prätentiös, selbstverliebt oder predigend zu wirken. Der Film ist ein komplettes Gefühlschaos im besten Sinne. Man muss dazu sagen, dass man dadurch und durch die zusammenhangslos scheinende Geschichte ab einem gewissen Zeitpunkt einfach nur noch wie vor dem Kopf gestoßen vor dem Bildschirm sitzt. Tipp: einfach genießen und nicht auf Teufel kommt raus versuchen alles zu verstehen. Dazu ist Kunst in erster Linie nicht geschaffen. Aber natürlich ist das auch wieder einer dieser Filme, über die man stundenlang diskutieren könnte.
                          Offensichtlich kann man die letztendliche Deutung des Films, die nicht unbedingt richtig sein muss, aber mir am wahrscheinlichsten und sinnvollsten erscheint, mögen oder nicht. Ich für meinen Teil fand sie genial.

                          Trotzdem sind manche Stellen, dieses Film ein bisschen langgezogen, wenn es mir auch nur vielleicht ein, zwei Mal für einen kurzen Moment so vorkam, vielleicht fühlen sich ein paar Szenen auch sehr willkürlich an (was nicht sofort schlecht ist), jedoch kann das dem Fluss des Films natürlich auch schaden. Auch kann einen die Extreme der Story zwischendurch ein bisschen ratlos werden lassen. Ich empfand den Großteil dieser Punkte als kaum störend, jedoch sollten sie aufgeführt werden. Außerdem will ich eine Zweitsichtung abwarten, um dann vielleicht auch über diese Punkte mehr im Klaren zu sein (wahrscheinlich würde es jedoch multiple Sichtungen benötigen). Vielleicht schafft der Film dann sogar die 9/10, wer weiß.
                          Dennoch alles in allem ein wunderbarer, ziemlich genialer Film.

                          Ein verwirrendes, verrücktes und chaotisches Wagnis, das Farbe in das eintönige Blockhaus von Netflix bringt: 8,5/10

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                            schmelquir 05.09.2020, 01:02 Geändert 09.09.2020, 00:10
                            über Tenet

                            Tenet - vermarktet als das spektakuläre Rießenprojekt des neuen Jahrzehnts, wurde es genau das und nicht weniger. Es gibt wohl kaum aufwendigere, bombastischere und eindrucksvollere Filme als diesen hier: Tenet ist der rießen Blockbuster, als der er inszeniert worden ist.

                            Mit diesem Kommentar wollte ich noch abwarten, da ich gemerkt habe, dass ich nach nur einer Sichtung einfach noch nichts adäquates schreiben konnte. Auch jetzt, wo ich ihn schon zweimal gesehen habe, bin ich mir immer noch nicht komplett sicher. Eins kann ich jedoch sagen, und zwar, dass ich den Film beim zweiten Kinobesuch viel mehr genießen konnte, ihn besser fand und danach einfach glücklich aus dem Saal hinausgegangen bin.
                            Nolan ist für komplexe Filme bekannt und wird dafür von so vielen geliebt und gepriesen. Filme, die man nicht sofort versteht und deren Welten, Prinzipien und Theorien so ausgeklügelt sind, dass es schwierig wird, gleich beim ersten Mal durchzublicken. Tenet macht auch hier keine Ausnahme. Während es in Inception Traumwelten waren und in Interstellar endlose Reisen durch Wurmlöcher und durch das Raum-Zeit-Kontinuum, ist es in Tenet nun gegenläufige Zeit und umgekehrte Entropie; genannt "Inversion". Doch nur das alleine ist es nicht einmal, was den Film wirklich kompliziert oder von Zeit zu Zeit (besonders beim ersten Mal) schwer zu folgen macht. Vielmehr sind es die Figurenkonstellationen und Interessen, die Hintergründe der Figuren und Beweggründe, die so undurchsichtig erscheinen.

                            Man kann sich wieder über die Story/das Drehbuch streiten, inwieweit die Geschichte gut bzw. meisterhaft geschrieben ist oder eben auch nicht. Eins jedoch ist nicht zu bestreiten: das ist, wenn man nur auf die Actionszenen, die Kampfszenen und die Cinematographie schaut, einer der besten Actionfilme aller Zeiten. Es gab selten so gut und komplex choreographierte Kampfszenen und das alles ohne jeglichen Green Screen oder CGI; das verdient jeden Lob, den der Film auch nur bekommen kann. Das Konzept der gegenläufigen Zeit, wodurch Personen, die "inverted" wurden gegen "normale" Menschen kämpfen, nur eben zeitgegenläufig, ist genial und wird visuell so unfassbar meisterhaft umgesetzt, dass einem wirklich die Luft wegbleibt. An dieser Stelle einfach mal wieder ein rießen Dankeschön und Lob an den Cinematographen Hoyte Van Hoytema; wieder einmal zeigt er, dass er zu den absolut besten seiner Zunft gehört.
                            Bei den wilden Stuntszenen und den kranken Fights fällt neben der Genialität hinter der Kamera noch etwas auf: die Genialität vor der Kamera. Jeder einzelne Schauspieler ist sehr gut. John David Washington, Robert Pattinson, Elizabeth Debicki und natürlich Kenneth Branagh liefern alle Glanzleistungen ab. Aber besonders der sog. "Protagonist", John David Washington ist beeindruckend. Seine physische Stärke, seine Hingabe bei den Stunts, seine Professionalität und gleichzeitig seine Coolness machen ihn genau zu dem perfekten Spy-Agenten-Schauspieler, den dieser Filme gebraucht hatte.
                            Jetzt wo wir schon bei den Stunts sind... Mit einem der größten Stunts aller Zeiten, den coolsten Fightszenen, einer der krassesten Autojagden jemals in einem Film und einfach rundum unglaublicher Action, ist "Tenet" mehr als nur ein weitere Blockbuster. Dieser Film schreibt Geschichte als einer der größten und waghalsigsten Filme aller Zeiten.

                            Wie gesagt, als ich als erstes aus dem Kinosaal kam, wusste ich noch nicht genau, was ich von dem Film halten sollte. War das Pacing einfach viel zu übertrieben schnell? Waren komplett irrelevante Szenen dabei, die einfach nur Zeit gestohlen haben? Und was ist eigentlich wirklich passiert?... Das alles änderte sich komplett bei der zweiten Sichtung. Figurenbeziehungen, Plot, Inversion... alles macht auf einmal Sinn.
                            Ich bin nun nicht mehr der Meinung, dass das Pacing auffallend zu schnell war (natürlich ist das aber auch Ansichtssache); es ist einfach ein schnell gepacter Action-geladener Thriller. Vielmehr lag meine zeitweilige Orientierungslosigkeit bei der ersten Sichtung am Sound-Mixing des Films. Das ist auch vielleicht der größte Makel, über den ich mich im Moment beklagen kann. Die Dialoge sind zeitweise viel zu leise, während Hintergrundgeräusche viel zu laut sind. Wenn dann sogar noch die Musik dazukommt (btw der Soundtrack ist wieder einfach bombastisch und genial), wurde es in manchen Szenen schon unheimlich schwer dem gesagten zu folgen (Das gilt übrigens für die OV des Films, keine Ahnung wie es bei der deutschen Synchro des Films aussieht)

                            Nolan, wie er das große Kinoerlebnis alleine am Leben erhält: 9/10
                            [Das ist eine momentane Bewertung. Bin super gespannt auf die nächste Sichtung, ob ich wieder nach unten gehen werde oder ob es so bleiben wird; kann mir schwer vorstellen noch weiter nach oben zu gehen, aber wer weiß...]

                            EDIT: Nach reiflicher Überlegung setze ich ihn nun vorerst (bzw. vielleicht nur bis zur nächsten Sichtung) auf 8,5/10 hinunter.

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                              schmelquir 02.08.2020, 13:07 Geändert 02.08.2020, 16:47

                              "Mrs. Robinson, you are trying to seduce me." - Eines der bekanntesten Filmzitate aller Zeiten. Das zusammen mit dem wunderbaren Soundtrack von Simon & Garfunkel, mit den kultigen Aufnahmen und Shots, dem Humor und der brillanten Schauspielleistung von Dustin Hoffmann machen "The Graduate" schon alleine zu einem Klassiker. Mit wenigen Ausnahmen ist dieser Film doch einer, der diesen Titel verdient und auch heute noch sehr viel Unterhaltungswert besitzt.

                              Dustin Hoffmanns Rolle als der peinlich unbeholfene Collegeabsolventen Ben Braddock ist Kultmaterial, wie er die Unbehaglichkeit seiner Figur in allen Szenen verkörpert ist genial. Das gibt dem Film eine sehr humorvolle und amüsante Note, an der man sich auch heute noch nach so vielen Jahren erfreuen kann. Die Geschichte ist oftmals wunderschön abstrus und verrückt, auch wenn am Ende der Kitschfaktor doch für meine Verhältnis ein bisschen hoch angesetzt wird und besonders eine Entscheidung sehr schnell und unvorhergesehen passiert, was sich für mich ein wenig komisch angefühlt hat (keine genaueren Angabe wegen Spoiler). Irgendwie passt diese Absonderlichkeit aber doch auch zu dem Charakter und dem Film, also kann man dem nicht zu böse werden.

                              Charmant, lustig und zeitlos: 8/10

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                                schmelquir 20.07.2020, 00:20 Geändert 20.07.2020, 13:08

                                "The Nightingale" schockiert, bestürzt, bewegt und trifft tief. Jennifer Kent hat mit diesem Film ein brutales Gefühlschaos geschaffen, dass mitreißt, verärgert und offensichtlich die Zuschauerschaft spaltet. Mir persönlich hat der Film sehr gefallen, obwohl "gefallen" in diesem Fall vermutlich nicht das richtige Wort ist.

                                Gewalt - das ist der Knackpunkt für viele. Wie viel davon und wie grafisch darf ein Film sein... Das muss jeder für sich subjektiv beantworten. Für mich ist die extreme Gewalt in "The Nightingale" nie verherrlichend, nie sinnlos, niemals selbstgefällig oder psychopathisch distanziert. Sie hat einen Zweck, nämlich den Zuschauer zu schockieren und mehr als das, die Realität zu zeigen und die Umstände der Protagonistin und ihr Handlungshintergründe darzustellen. Trotzdem gilt: wer eine eher schwächere Seele in Bezug auf Gewalt ist, für den ist dieser Film sicherlich nichts (Vergewaltigung, Kindsmord etc.). Der Punkt hierbei ist, dass die Gewalt nun einmal sehr realistisch ist und nicht, so wie in Kill Bill zum Beispiel, übertriebene, fast komische Dimensionen annimmt.

                                Aber der Film ist so viel mehr als ein brutales Gewaltfest wie es viele hier darstellen. Er ist eine tiefe Charakterstudie, ein Drama über Freundschaft und Liebe, Heimatverbundenheit, Vorurteile, Rache und Hass; Emotionen, die wir alle kennen... nur halt in diesem Film mit dem Exponenten 10...
                                Nennenswert ist außerdem, dass der Film so ziemlich die ekelhaftesten Antagonisten hat, die ich seit langem gesehen habe. Wow, du lernst es im Laufe des Films diese Soldaten einfach zu hassen.

                                Ein dreckiges, brutales, aber umso besseres Rachedrama: 8/10

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                                  "American Psycho" ist wieder so ein komplexer Film, den man wirklich hunderte Male anschauen kann ohne dass er langweilig wird. Er funktioniert einfach auf so vielen Levels, als Gesellschaftssatire über die "Yuppies" der Wall Street der Achtziger, als Slasher-Horror, als Psychothriller und natürlich als Komödie.

                                  Es gibt so viele legendäre und ikonische Szenen, die Business-Card-Szene, Paul-Allen-Szene usw... Dazu kommen dutzende Zitate. "American Psycho" ist einfach die Fundgrube für Kultmaterial in Sachen 00er-Jahre-Filme.
                                  Und das natürlich mit einem herausragenden Christian Bale. Niemand anderes hätte Patrick Bateman so gut spielen können wie er.

                                  Let's see Paul Allen's rating... : 9/10 Business Karten

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                                    schmelquir 29.06.2020, 01:01 Geändert 21.09.2020, 14:27

                                    "Interstellar" ist, egal wie man es nimmt, ein einmaliges Filmerlebnis. Es gibt kaum einen Film der auf diese meisterhafte Art und Weise bildgewaltige Aufnahmen mit einem der besten und einzigartigsten Soundtracks aller Zeiten vereint. Hans Zimmer und Christopher Nolan sind einfach ein Dream Team.

                                    Man kann sich am Ende des Tages noch so über die Story beschweren, über Casey Afflecks Charakter (lächerlichsten Argumente btw meiner Meinung nach) oder was auch immer. Letztendlich sind alle Argumente gegen den Film, die ich gehört habe, einfach viel zu schwach um das Erlebnis, das mir dieser Film gegeben hat, einfach so wegzuknipsen. Denn das ist was dieser Film primär ist: ein Erlebnis. Man erlebt und fühlt jede Minute dieses Filmes viel mehr als das man ihn anschaut. Man wird halt in einen Bann gezogen, aus dem man erstmal nicht entkommt.
                                    Es gibt Szenen, die selbst nach der x-ten Sichtung immer noch genauso emotional sind wie beim ersten Mal. Wer erwartet alles perfekt erklärt zu bekommen wird enttäuscht werden, das war aber auch zu erwarten bei einem Nolan-Film.

                                    Es geht also bei diesem Film, mehr als bei vielen anderen, um das Gefühl und die hunderten Emotionen, die "Interstellar" hervorruft. Der Film umfasst einfach zu viele davon, sodass man beim ersten Mal sehen einfach überwältigt wird. So ging es mir zumindest damals.
                                    Für mich persönlich wird dieser Film sowieso immer ein ganz besonderer bleiben, aber ich glaube, da bin ich nicht der einzige.

                                    Ein Sci-Fi Spektakel und Meisterwerk: 9/10

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                                      schmelquir 27.06.2020, 22:04 Geändert 06.04.2021, 16:11

                                      "Birdman or (The Unexpected Virtue of Ignorance)" von Alejandro Inárittu hat nicht nur einen sehr ungewöhnlichen Titel, er ist auch ein sehr außergewöhnlicher Film; einer, der mit jedem weiteren Anschauen an mir gewachsen ist.

                                      Inárritu ist wirklich ein Meister seines Fachs. Die Kameraarbeit und natürlich die "One-Shot-Technik" wird in diesem Film auf mit die originellste Art und Weise angewendet, wie ich es jemals gesehen habe. Die einzelnen Übergänge und die Kamerabewegung laufen fließend und elegant in einander über und fühlen sich einfach so mühelos an. Die intensiven Farben aus dem kompletten Farbspektrum, zusammen mit der wunderschönen Inszenierung machen "Birdman" zu einem kinematographischen und inszenatorischen Meisterwerk.

                                      Das Drehbuch macht den Film nun auch auf einer inhaltlichen Ebene zu einem originellen Meisterstück. Es ist also nicht nur die Ästhetik, sondern auch die Themen und behandelten Motive, die Dialoge und Struktur des Films, die ihn auf ein eigenes Level heben. Man spürt und fühlt einfach den Vibe des Broadways.
                                      Ohne gute Schauspieler und einem guten Casting ist auch das beste Drehbuch nichts wert. Und das wurde in diesem Film bis in die noch so kleinste Rolle hinein, perfekt gemeistert. Edward Norton, Naomi Watts, Emma Stone, Zach Galifianakis und noch viele weitere... Alle einfach weltklasse. Besonders Edward Norton; es tut einfach gut dem Typen beim Schauspielern zu zusehen.
                                      Aber allen voran: Michael Keaton. Wow, einfach wow. Was der da abgeliefert hat trifft die Seele des Schauspiels ganz genau. Ja, Eddie Redmayne war super als Stephen Hawking in "A Theory of Everything", aber der Oscar hätte für diese Performance, meiner Meinung nach, eindeutig an Michael Keaton gehen müssen.
                                      Neben der Ästhetik, dem Drehbuch und den Schauspielern, fällt eine Sache sofort und von Anfang an auf , etwas, was den Film einen nochmals eigenen Touch verleiht: das Sound Design. Die Schlagzeugsoli natürlich, aber allgemein wie Inarritu Geräusche und Töne einsetzt. Das gibt dem Film eine neue, auditive Ebene, die wunderbar mit den Bildern zusammenspielt.

                                      Letztendlich sind es aber auch die teils zynisch direkte Art, die Behandlung Hollywoods und des selbstverliebten Berühmtheitsanspruchs der kalifornischen Stars und die tief dramatische Selbstreflexion eines alten "Used-to-be", die aber ständig in einem bissigen und komödiantischen Ton bis hin zum krotesken behandelt werden.

                                      Ein Highlight des letzten Jahrzehnts: 9,5/10

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                                        schmelquir 12.06.2020, 22:30 Geändert 08.05.2021, 22:17

                                        Holy Shit... Was war das denn für ein Film? "Da 5 Bloods" ist ein vollgepacktes Spektakel und ein reiner Wahnsinn von einem Film. Bei dem Film hat Spike Lee einfach mal alles rausgehauen, was ihm so auf der Seele und im Kopf herumgelaufen ist. Und das musste eine Menge gewesen. Diese Fülle an Inhalten, Stilen und Themen ist gleichzeitig das beste und besondere am Film, kann aber auch schnell zu einem chaotischen Durcheinander werden, mit dem man erstmal umgehen muss.

                                        Von teils satirischen über dokumentarischen Elementen bis hin zu halluzinatorischen Träumen eines von einer posttraumatischen Belastungsstörung geplagten Vietnam-Veteranen. Man weiß wirklich in keinem Moment, was im nächsten passieren könnte. Alles verschwimmt in einer bunten Suppe aus Eindrücken und Emotionen. Man braucht eigentlich nur das Cover ansehen, das den Film in einem Bild perfekt wiederspiegelt: ein buntes Durcheinander. In mancher Hinsicht ist das aber auch nur ein scheinbarer Deckmantel. Denn im Kern ist diese Geschichte eine herzzerreißende, dunkle Tragödie und Erinnerung voll Schmerz und Terror des Krieges. Denn für manche Menschen endet der Krieg niemals und sie sind immer noch gefangen in den Schrecken des Kampfes, nur diesmal im Kampf mit sich selbst.
                                        "Da 5 Bloods" ist die lange schon überfällige, wirkliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der Schwarzen im Vietnam-Krieg. Die Wahl den Film im Nachhinein, also heute und nicht mitten im Krieg und in den Sechzigern spielen zu lassen, ist, finde ich, eine sehr kluge Entscheidung gewesen. Viel Zeit ist vergangen, aber es gibt immer noch tausende von Veteranen in den USA, die sich täglich mit ihren Erinnerungen von den Schrecken des Krieges auseinandersetzen müssen.
                                        Der Film erzählt endlich die Geschichte von über 30% der amerikanischen Soldaten, schwarzen Soldaten, die überrepräsentiert in der Armee waren und deren Geschichten trotzdem bis heute immer nur an zweiter Stelle gestanden sind. Ich meine, gehen wir einmal die großen Vietnam-Filme durch: Apocalypse Now, Platoon, Full Metal Jacket, The Deer Hunter, Rambo und und und... Kein einziger mit einer schwarz besetzten Hauptrolle. Ich will diese Filme nicht verurteilen, ich liebe diese Filme teilweise sogar (besonders natürlich Apocalypse Now). Nur ist es schon bezeichnend, dass eine der großen Tragödien der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, in der übermäßig viele Schwarze ihr Leben verloren haben, bis heute keinen signifikanten Film hervorgebracht hat bei dem ein Schwarzer im Vordergrund steht.
                                        Dafür danke, Mister Spike Lee.

                                        Ehrlich gesagt hätte sich Spike Lee auch keinen besseren Zeitpunkt zum Release dieses Films aussuchen können, gerade wo wortwörtlich die ganze Welt "Black Lives Matter" ruft. Aber genug dazu...
                                        Zusammenfassend schafft es "Da 5 Bloods" einfach mit seinen Charakteren, die von super Schauspielleistungen getragen werden, einen wirklich hineinzuziehen, in den Horror, den Krieg auch noch 40 Jahre später auslösen kann.

                                        So jetzt mal zu den weniger guten Punkten, von denen es auch ein paar gibt. Einmal die Story. Das ist nun wirklich Geschmackssache. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie dem ein oder anderen einfach zu verrückt und durcheinander ist. Für mich war das zum Großteil nicht der Fall, obwohl auch für mich an wenigen Stellen die Story mich ein wenig verlassen hat und ich erstmal den Kopf schütteln musste. Aber wer weiß, wie es beim zweiten Mal sehen aussieht. Das Pacing ist an manchen Stellen sehr chaotisch, besonders bei bestimmten Cuts. Manche Cuts auf der anderen Seite und besonders wie Spike Lee verschiedene Filmformate einsetzt, sind dafür wirklich filmtechnisch höchstklasse. Trotzdem ist manchmal das Pacing, die Storyline und speziell der Ton und die Atmosphäre des Films ziemlich inkonsistent. Vielleicht hätte die ein oder andere weitere Überarbeitung des Drehbuchs nicht geschadet.

                                        Trotzdem ansonsten ein wirklich gelungener, moderner Vietnamfilm, vielleicht der einzigartigste bisher. Und vielleicht geht es ja bei der chaotischen Natur des Films genau darum, nämlich um den Wahnsinn des Krieges, den mentalen Zustand der Überlebenden und damit den Krieg wiederzuspiegeln.
                                        Schwanke noch zwischen 7,5 und einer 8, muss eine zweite Sichtung einfach einmal abwarten, ob sich was ändert. Gebe ihm aber jetzt erstmal eine cleane 8.
                                        EDIT: Änderung auf 7 nach zweiter Sichtung.

                                        Eine tief tragische Geschichte im Mantel des bunten Dschungels: 7/10

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                                          schmelquir 07.06.2020, 21:54 Geändert 07.06.2020, 23:49
                                          über Hass

                                          Mit dem Blick auf die Situation in den USA gerade hätte ich mir eigentlich keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können "La Haine" anzuschauen.

                                          Es geht um die Abgründe und Hoffnungslosigkeit der Vororte von Paris und der Hass (La Haine), der daraus entstehen kann. Aber eben auch, um ein System, dass sich nicht um diese Menschen kümmert, nein, vielmehr sogar diese Menschen verabscheut und Gewalt mit Gewalt bekämpft; wie so oft in Gestalt der Polizei.
                                          Ein Leben voller Gewalt, das schon zu lange unverändert vor sich hin wütet. Ein Leben ohne Gewinner. Irgendwie kommt mir das bekannt vor, wenn ich an die momentane Situation in Amerika denke.
                                          "La Haine" ist ein einzigartiger Film, schonungslose und unverblümt.

                                          Ein europäisches Meisterwerk und relevanter als je zuvor: 9/10

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                                            schmelquir 04.06.2020, 22:54 Geändert 04.06.2020, 22:57

                                            "The Vast of Night" ist das Debut des Regisseuren Andrew Patterson und ein Low-Budget-Film der besonderen Sorte, der aus sehr wenig unheimlich viel macht.

                                            Lange Kamerafahrten, lange Szenen und trotzdem eigentlich keinen Moment langweilig oder langatmig. Patterson nimmt die vermeintliche Schwäche des Films, das niedrige Budget, und benutzt es so, dass es zu einer Stärke wird. Die langen Szenen mit langen Dialogen funktionieren im Umfeld und Thema des Films sehr gut: eine kleine Stadt im Nirgendwo wird mit etwas unvorstellbaren konfrontiert, während die ganze Stadt beim lokalen Basketballspiel ist, nun ja fast die komplette Stadt.
                                            Oft ist das Problem dieser Low-Budget-Filme die Optik, die fehlende Möglichkeit dem Film Tiefe zu verleihen oder einfach bestimmte Ideen umsetzen zu können. In diesem Fall passt die leicht verrauchte, dunkle Cinematographie wunderbar und versetzt dem Film genau in die richtige Stimmung. Man bemerkt zwar, dass einfach nicht viel Spielraum für den Regisseur dar war. Was er jedoch aus dem gegebenen macht, ist meistens sehr gut umgesetzt. Das Produktionsdesign vermittelt überhaupt nicht den Eindruck eines niedrigen Budgets und wird vom Regisseuren fantastisch in Szene gesetzt. Er hat es einfach geschafft das beste aus dem zu machen was ihm gegeben ist. Die Fahrt durch das ganze Dorf beispielsweise, die anscheinend von einem Go-Kart aus gefilmt worden ist, ist sehr atmosphärisch und sieht auch sehr gut aus.

                                            Damit ist das beste am Film wahrscheinlich seine tolle Atmosphäre, aber auch die zwei Hauptdarsteller sind wirklich gut und leisten eine tolle Performance. Das Drehbuch und die Story sind auch gut geschrieben und erinnern sehr an Serien wie "X-Files" oder ähnliches. Damit sieht man schon, dass das ein Film ist, den man heute kaum noch so sieht, eigentlich kaum noch. Dadurch wirkt er teilweise sehr nostalgisch, teilweise sogar melancholisch, besonders im Angesicht der Thematik des kleinen Dorfes und den damit verbundenen Wünschen dieser Kleinstadt zu entkommen und in das weite Leben aufzubrechen.
                                            Letztendlich merkt man dem Film jedoch manchmal sein sehr niedriges Budget an, v.a. wenn es um die Beleuchtung geht, aber das sind nur Kleinigkeiten, die kaum stören.

                                            Es ist sehr schön zu sehen, wie auch heute noch so Filme gemacht werden.

                                            Ein sehr besonderer, seltener Film: 7,5/10

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                                              schmelquir 22.05.2020, 23:42 Geändert 24.05.2020, 00:01
                                              über Get Out

                                              Die Komiker und Horror - ein Trend, den man jetzt noch öfter sehen wird. Auch wenn "Get Out" kein Horror-Film der klassischen Art ist und ich ihn eher als Mischung aus Psychothriller und Horrorsatire klassifizieren würde, ist dieser Film vielleicht genau deswegen ein perfektes Beispiel dafür, warum das Horrorgenre im Laufe des letzten Jahrzehnts wieder so richtig interessant geworden ist.

                                              Also den "Best Screenplay Oscar" hat Peele schon einmal absolut verdient bekommen. Die Details und wie er das Thema Rassismus von einem komplett neuen Blickwinkel behandelt, so wie man es bisher noch nie gesehen hat, ist fantastisch. Der KKK wurde ausgetauscht durch die scheinbar nicht-rassistischen, "farbblinden" weißen Linksliberalen in Amerika. Er behandelt, wie die Glorifizierung von Diversität und teils fanatische Faszination mancher Weißen mit dem "Schwarz-Sein" und "Black-Culture" letztendlich nur dazu führt, die Differenzen und Unterschiede zwischen den Kulturen nur noch weiter zu verfestigen und zu zementieren. Wenn die Bewunderung für "Black Culture" zu einer Objektivation von Schwarzen und einem seltsamen Fetisch führt, wodurch sie wieder nur auf ihre Hautfarbe reduziert werden. Wer kennt nicht den Satz "Viele meiner besten Freunde sind schwarz...". Oder wenn Weiße extra aus ihrem Weg gehen, um Schwarzen zu sagen, wie sehr sie Barack Obama, Tiger Woods oder Jessie Owens vergöttern. Grundlegend ist da ja erstmal nichts problematisch daran. Wenn jedoch diese Persönlichkeiten nicht wegen ihren Leistungen, aber vielmehr wegen ihrer Hautfarbe zum Vorteil mancher Weißen genannt werden, um deren Antirassismus zu bezeugen, ist natürlich genau das Gegenteil der Fall.
                                              Tiefgehender ist das alles noch in dem Video "The Philosophy of Get Out" von Wisecrack behandelt, in dem das alles nochmal genauer geschildert und erklärt wird. Würde ich an dieser Stelle sehr empfehlen. Besonders da wir Deutsche mit diesen Ausmaßen dieser speziellen Problematik einfach nicht so viel zu tun haben und vertraut sind wie die netten Amis von nebenan.
                                              Grundlegend hasse ich es meistens, wenn Filme sehr politisch werden, besonders dann wenn alles gezwungen wirkt und wenn der Film als einziges Sprechrohr des Regisseurs funktioniert, dessen einziges Interesse es ist, die Zuschauer zu belehren und keinen Wert darauflegt einen guten Film zu machen (vgl. Black Christmas (2019) oder Captain Marvel... meine Meinung). Das ist bei "Get Out" überhaupt nicht der Fall. An erster Stelle stehen der Film und die Story und die Charaktere. Außerdem gibt es einen Unterschied zwischen einen politischen Film, der in Richtung Propaganda geht und einem gesellschaftlichen Kommentar. Es ist nämlich nichts falsch daran seinen Film gesellschaftskritisch aufzubauen, solange jedoch der Film darunter nicht leidet. Film ist und wird immer eine wichtige Stimme für soziale Themen sein. Das war schon immer so und wird auch immer so sein.

                                              Wenn es zum filmischen Handwerk kommt, ist dieser Film einwandfrei. Die Cinematographie ist wunderbar gemacht und effektiv verstörend oder aufwühlend in bestimmten Szenen. Daniel Kaluuya ist unglaublich in diesem Film. Eine Top-Performance des letzten Jahrzehnts im Horror-Genre. Der Soundtrack ist sehr gut und Redbone in den Opening Credits ... allgemein die Opening Credits ... yesss
                                              Es ist immer wieder schön einen Regisseur zu sehen, der Wert auf die Opening Credits legt und sie so in ein kreatives Fest verwandelt und damit den Film perfekt vorbereitet.

                                              Eins muss man am Ende trotzdem sagen, Angst hatte ich kaum während dem Film. Öfter habe ich wegen der weißen Familie und Freunden gecringet und war wütend. Wenn es also um den Horrorfaktor geht, gab es deutlich bessere in den letzten Jahren, die mich mehr erwischt haben. Trotzdem geht es dem Film auch nicht wirklich darum. Es ist eher "Mindfuck" als purer Angst-Horror. Mit dem Charakter "Rod Williams" konnte ich mich über den ersten Teil des Films weniger anfreunden, gut Geschmackssache. Ich mochte aber, dass er eine wichtigere Rolle im Verlauf erhielt und nicht so wie oft einfach nur der komödiantische Faktor des Films war, sondern einen wirklichen Sinn hatte.

                                              Toller und sehr gut geschriebener Horror/Satire/Psychothriller: 8/10

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                                                schmelquir 08.05.2020, 00:27 Geändert 10.09.2020, 12:18

                                                "The Wrestler" - die ultimative Geschichte über Ruhm und Erfolg, über Stärke und Leidenschaft, über Helden und Gewinner ... zumindest war es das einmal, weit in der Vergangenheit im Leben des Randy "The Ram" Robinson. In der harten Gegenwart und Wirklichkeit, ist jedoch kein Funken an Glanz mehr im Leben des alten Wrestlers zu erkennen. Irgendwie ist das aber auch die Story von Mickey Rourke. Denn man sieht nicht so wirklich einen Schauspieler in diesem Film, der eine gewisse Rolle übernimmt, sondern einen Mann, der seine eigene Lebensgeschichte spielt.

                                                Der sensible, große Bär - ein Motiv, das immer wieder in Geschichten auftaucht. Ich glaube aber nicht, dass es einen Film gibt, der dieses Motiv menschlicher, vielschichtiger, authentischer und bewegender herüberbringt als "The Wrestler" von Darren Aronofsky. Man tritt ein in das Leben eines physisch wie psychisch gebrochenen Mannes, der seiner körperlichen und sportlichen Blütezeit schon lange hinterherschaut. Nun, da er sich nicht mehr in den Ruhm, in den Glanz der Menge flüchten kann, wird er wieder konfrontiert mit dem, was er so lange Zeit vernachlässigt hat und versucht hat zu vergessen und mit dem, was es heißt nicht nur zu leben, sondern zu überleben.

                                                Das was den Film dabei so genial macht ist der Fakt, dass Mickey Rourke eben nicht einfach ein weiterer Schauspieler ist, der eine Figur, einen bloßen Charakter verkörpert, der nur auf dem Blatt existiert. Er spielt sich selbst und reflektiert. Und das gibt uns allen die Möglichkeit auch uns selbst in Randy "The Ram" Robinson zu sehen und zu einem gewissen Grad zu erkennen. Vielleicht gibt es da mehr Parallelen als man es vielleicht wollen würde.
                                                Die Geschichte ist eine dieser Art, die einen traurig, glücklich, hoffnungsvoll und gleichzeitig gebrochen zurücklassen wird. Zumindest war es bei mir so.

                                                Darren Aronofsky ist ein Mann mit vielen Gesichtern. Mit Black Swan, Pi oder Requiem for a Dream hat er absolute Meisterwerke herausgebracht. Es ist aber genau dieser Film über den schäbigen, gebrochenen Randy, der bei mir einfach Klick gemacht habe. Micky Rourke hat mit diesem Film etwas geschaffen, das vor ihm so noch wirklich niemand geleistet hat. Man muss sich nur einmal vorstellen, wie es gewesen sein muss, in seiner Position diese Rolle zu übernehmen.

                                                Ich kann mir vorstellen, dass "The Wrestler" einer dieser Filme wird, die an einem über die Zeit wachsen und sich verändern. Denn genau darum geht es hier: um Veränderung und wie man damit zurecht kommt.
                                                'Cause that's Life...

                                                Wenn man mit dem Leben und sich selbst wrestlet: 9/10

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                                                  schmelquir 07.05.2020, 00:03 Geändert 13.04.2021, 00:05
                                                  über Her

                                                  Vor 17 Jahren, 2003, brachte Sofia Coppola "Lost In Translation" heraus, im gleichen Jahr ihrer Trennung und Scheidung von Spike Jonze. Genau zehn Jahre später kam dann "Her", u.a. wieder mit Scarlett Johansson im Cast, in die Kinos. Zwei Filme, ein Gefühl und eine Verbundenheit. "Her" erzählt genau wie "Lost in Translation" eine melancholische, aber tief berührende Geschichte über eine Liebe, die nie wirklich hoffnungsvoll scheint oder Aussicht auf eine glückliche, vereinte Zukunft hat, jedoch genau in dieser kurzen Zeit der tiefen Verbundenheit seinen Sinn, seine Kraft und Bedeutung findet.

                                                  Sci-Fi und Romance, das funktioniert oftmals nur annäherungsweise. Bisher war das beste Beispiel für ein wirklich gelungene Geschichte dieser Art "Eternal Sunshine of a Spotless Mind" mit Jim Carrey und Kate Winslet. Mit "Her" hat dieser nun mehr als nur einen ebenbürtigen Konkurrenten gefunden.
                                                  Mit wunderschönen, warmen Farben und dem authentischen und sanft poetischen Protagonisten schließt der Film einen von Anfang in die Arme. Ich weiß nicht wie oft ich hier nun schon über Joaquin Phoenix geschwärmt habe. Egal ob als machthungriger Imperator, als verwirrtes Opfer einer religiösen Ideologie, als Legende der Country-Musik oder als brutaler Antiheld (nicht nur in Joker, sondern auch in "You Were Never Really Here"), er kann irgendwie nie etwas falsch machen. Nun ist er eben der einfühlsame Theodore Twombly und spielt diesen mit einer wunderbaren Hingabe und Authentizität.
                                                  Auch hätte ich nicht für möglich gehalten, was für einen Eindruck jemand nur mit seiner Stimme machen kann. Aber so wie Phoenix ist auch Scarlett Johansson einfach nur beeindruckend, und das nur mit ihrer Stimme. Unglaubliche Schauspielkunst.

                                                  So eine herzerwärmende und gleichzeitig traurige, wie angsteinflößende (der ewige Dualismus der Liebe) Geschichte entsteht halt besonders dann, wenn derjenige, der sie schreibt, diese auch von ganzem Herzen verfasst, was bei "Lost in Translation" damals und nun auch bei "Her" eindeutig der Fall war.

                                                  Her - wenn ein Liebesfilm aus dem Klischeefeld des Genres herausbricht: 9,5/10

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                                                    schmelquir 06.05.2020, 23:24 Geändert 06.05.2020, 23:26

                                                    Manchmal gibt es so Filme, die treffen einem einfach ganz tief ins Herz. "Whiplash" schafft es wie kaum ein Film, Musik und Film zu verbinden und eins werden zu lassen.

                                                    "Whiplash" funktioniert auf so vielen Ebenen. Der große Punkt ist natürlich die Visualisierung der Musik und des Jazz im Film. Damien Chazelle ist ein Meister, wenn es darum geht, Musik in eine visuelle Form zu bringen und durch Kamerabewegungen und durch das Editing den Rhythmus und das "Feeling" der Musik perfekt zu unterstreichen und auch wiederzugeben, was er dann auch in "La La Land" noch einmal eindrucksvoll bewiesen hat.

                                                    "There are no two words in the english language more harmful than 'good job'."

                                                    Zum Schauspiel, ein Name: J.K. Simmons. Wenn die Oscars jemals so wirklich Recht mit einer unterstützende Rolle hatten, dann ist es sicherlich diese hier. Der Wahnsinn, die abgrundtiefe Besessenheit und das ewige, egoistische Verlangen und Suchen nach dem nächsten Buddy Rich oder Charlie "Bird" Parker. Absolut eine meiner Lieblingsperformances des letzten Jahrzehnts. Neben J.K. Simmons und seiner Paukenschlagleistung vergisst man aber gerne mal wie stark auch Miles Teller in der Rolle des Protagonisten Andrew Neiman ist. Seine Vorstellung ist sehr authentisch, wobei er dieses selbstverletzende Besessenheitsgefühl und den Ehrgeiz nach dem ewigen besser und besser Werden sehr gut auf die Leinwand bringt.
                                                    Auch erwähnenswert ist meiner Meinung nach das Ende: "Boom, so beendet man einen Film", hab ich mir damals beim ersten Mal Ansehen gedacht.

                                                    Aber neben diesen ganzen filmtechnischen Faktoren sind es vor allem die Storyelemente und die Thematik und wie sie behandelt wird, die den Film so stark macht. Auch wenn nicht jeder vielleicht etwas mit Jazz anfangen kann, glaub ich kann doch jeder nachvollziehen und nachfühlen, eine Leidenschaft zu haben, für die man alles in der Welt machen und geben würde, auch wenn es irgendwann zu einem schmerzhaften, fast krankhaften Fanatismus wird. Aber ab wann ist es denn selbstverletzender Fanatismus und bis wann "nur" eine selbstaufopferungsvolle Bereitschaft alles für seine Leidenschaft und seine Ziele zu tun? Die Antwort bleibt jedem selbst überlassen, so wie im echten Leben.

                                                    Ein Film wie ein Peitschenhieb... : 9/10

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