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Alle Kommentare von schmelquir

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    schmelquir 06.04.2023, 23:40 Geändert 06.04.2023, 23:56

    wer liebt es nicht dem sentimental hochgezogenen, mit den Jahren doch ein wenig eingesunkenen Näschen Matt Damons dabei zuzusehen, wie es sich dazu aufmacht, in guter alter amerikanischer Fasson, Sinn und Bedeutung in der Vergeldlichung eines Menschen und Revolution im Aufbau eines der aufgeblasendsten Markenimperien innerhalb eines anderen Markenimperiums, einzig zur Bekämpfung eines weiteren Markenimperiums, zu sehen...

    truly an all american masterpiece.

    also i dont like capitalist propaganda, even when it is brought to me by ben afflecks gorgeously curly tuft of hair

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      schmelquir 11.01.2023, 12:27 Geändert 11.01.2023, 13:50

      [Dies ist weniger als direkter Kommentar zum Film 'Aftersun' zu lesen, als eher ein Kommentar zu einer allzu weit verbreiteten Mentalität und Einstellung Filme zu schauen und dann zu verstehen und zu werten; eine Neigung, die sich besonders hier auf dieser Seite sehr leicht finden lässt]

      Ach ja, Menschen dabei zusehen wie sie ihr Menschsein ausleben, die Essenz des Films möge man meinen -- das mag banal klingen, doch scheint es, wie wenn sich diese simple, alltägliche Hoffnung auf den konzentrierten, reflektierenden Zuschauer, verleitet von einer Medien- und Unterhaltungsbranche, die Menschen mit unterhaltsameren, menschenähnlichen Schablonen verwechselt und die eine dem Menschen eigene Realität, so fehlerhaft wie sie auch sein mag, in mundgerechte, leicht zu verdauende Häppchen zuschneidet, resigniert von eben jenem abwenden sollte. Zu lange schon ist es her, dass er selbst einmal gedacht hat, und das ohne eine dienstbeflissene, hilfreich vergegenständlichende Erzählstimme.

      Wie es scheint sind einige Menschen nicht mehr, oder wahrscheinlich waren sie nie im Stande, dem Menschen wirklich dabei zuzusehen, wie er Mensch ist; oder, und es wirkt fast glaubhafter, sie haben kein Bedürfnis dafür, wollen es nicht, wenden ihren Kopf angstvoll ab, sobald dieser allzu vertraute menschliche Blick auf ihnen verweilt, um vielleicht der Anstrengung zu entgehen sich mit diesem komplexen Konstrukt 'Mensch', und dem 'Anderen' auseinanderzusetzen; lieber sind ihnen da die altbekannten, gleichförmigen, mechanischen, künstlich vertraulichen Hampelmänner aus Hollywood; kurz, sie verabscheuen es sogar.

      Wenn also diesem modernen Konsumenten, und nichts anderes als das scheint er zu sein, ein Werk wie 'Aftersun' über den Weg läuft, braucht man sich nicht wundern, wenn der ein oder andere verlegen zur Seite blickt, beschämt von dieser einzig großen Banalität, die dieser Film mit jeder Pore ausstrahlt. Man muss bedenken, dieser Film erdreistet sich sogar noch, sich in dieser Banalität und peinlichen Alltäglichkeit zu suhlen und sich so dem unschuldigen Zuschauer ungeniert und schamlos aufzudrängen, in all seiner Langweile und Ereignislosigkeit. Man braucht ja schließlich die großen Gesten, die sensationell romantischen Monologe, schließlich ist das hier ein Film, nicht wahr?

      Und das ist noch nicht alles natürlich, weit gefehlt! Nicht nur passiert nichts, es wird auch noch nichts erklärt -- wenn man einem arglosen Kinogänger schon ein Nichts vor die Füße wirft, dann solle man ihm das doch wenigstens erklären. Wo ist denn die sonst so heißgeliebte, allseits dankerfüllt begrüßte Erzählstimme, die all die unangenehmen Zweifel und Unsicherheiten über das eben Gesehene ausradieren sollte, um so auch den letzten Denkenden von seinem eigenen Handwerk abzubringen?

      Alles reale, und damit unausgesprochene ist zu subtil und damit langweilig, und alles fiktive, und damit ausgesprochene ist doch so wunderbar passend, da dann auch wirklich jeder letzte die einzige Wahrheit und die einzig richtige Interpretation verstehen kann, und das ohne den lästigen Vorgang des Denkens und Reflektierens, durch den die eine Wahrheit sowieso nur ihren despotischen Rang an der Spitze der Wertungsskala zu verlieren droht. Wenn das Fehlen von "Vielschichtigkeit" mit dem Fehlen von genaueren Angaben und offensichtlichen Hintergrundinformationen zu den Charakteren gleichgesetzt wird und dabei übersehen wird, dass all das bereits vorhanden ist, nur eben auf einer alltäglicheren, subtileren Ebene in den Dialogen und Entscheidungen und den folgenden Reaktionen, kann man schon erkennen, dass es hier wieder einmal um das rein kindliche Bedürfnis geht, unterhalten zu werden und die Welt erklärt bekommen — und nicht, um selbst aktiv zu reflektieren, denn das geht eben erst so wirklich, wenn all die so geliebten Informationen erst gar nicht genannt werden, und sich der mündige Zuschauer eher auf die wortlose, unausgeprochene, thematische Realität, als auf klar ausformulierte, ausbuchstabierte Fiktion verlassen muss.

      Nachdem also die flüchtigen Farben und Bilder der letzten Momente des Films über die Leinwand gehuscht sind und sich somit im beruhigende Schwarz des Abspanns versammelt haben, für ein letztes Encore der verweilenden Eindrücke, bleibt nichts anderes zurück als ein quengeliges, unzufriedenes Kind, das seiner Einschlafgeschichte beraubt wurde und zu müde und ängstlich ist, sich mit der unvertrauten, wortlosen Verschwiegenheit des eben Erfahrenen auseinanderzusetzen. Dann lieber zuhause doch nochmal den aktuellen Tatort zum dritten Mal inhalieren, um irgendwie diese unbefriedigende Erfahrung vergessen zu können.

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        schmelquir 22.08.2022, 03:05 Geändert 22.08.2022, 11:05

        Willkommen an alle hier versammelte Genossen:innen! Nehmen Sie Platz, lehnen Sie sich in Ihrem Sessel zurück, mit Ihrem Gläschen Wein und der Schachtel Schnapspralinen, die neben Ihrem Sitz schon für Sie bereitgestellt wurde. Genießen Sie die Chroniken des endlich bürgerlichen, domestizierten, stubenreinen Kängurus!

        Wenn es eines gibt, wofür die deutsche Filmbranche bekannt ist und wie eh und je so sehr geliebt wie gefeiert wird, dann ist es doch ihre Innovationslust, ihre unvergleichliche Freude am Experimentieren und dem Verlangen, ja fast schon dem ihrem tiefsten und unkompromottierten Selbstverständnis entsprechenden Pflichtbewusstsein, kontroverse Themen ohne Gedanken an Kommerz tiefgehend und für den Konsumenten herausfordernd zu behandeln. Die Kunst des modernen, kontemporären deutschen Films pulsiert regelrecht mit Ihrem Drang nach dem Nichtnennbaren, dem Unentdeckten, dem in der Gesellschaft Vernachlässigten und Vergessenen. Ihre Macher, so wie ihre Intentionen und Hintergründe sind Zeichen eines künstlerischen Marktes des Hinterfragens, eines Marktes, der unerbittlich jenseits des sonst alles einnehmenden konservativen, gewinnorienterten, kunstverachtenden Systems des elitären Kapitalismus als Kraft der Erneuerung und eines stetigen, kreativen Skeptizismus arbeitet.

        Nun haben sich die Künstler:innen und kreativen Köpfe des deutschen Films eines der berüchtigsten, literarischen Werke der letzten Zeit angenommen, den Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling, einem anthologischen Manifest über den alltäglichen Kommunismus und die täglich von einem Känguru und seinem Mitbewohner und Kleinkünstler Marc-Uwe geführte, endlose Kleinrevolution gegen die eiserne Faust des Kapitalismus. Die filmische Adaption ist nun nichts weiter als alles, was das Buch schon zu bieten hatte und natürlich noch so viel mehr.....

        [𝒏𝒆𝒆𝒅𝒍𝒆 𝒔𝒄𝒓𝒂𝒕𝒄𝒉]

        Ah fuck this, ich kann nicht mehr, das ist genug, es reicht. Nun mal ein paar ernsthafte Worte zu diesem letzten, einfallslosen Produkt der deutschen Filmrollendruckbranche, der größten aller deutschen Copy & Paste Fabriken.
        Aus der Kritik an den alltäglichen, bürgerlichen Gewohnheiten des kapitalistischen Spießertums und dem gleichzeitig all zu real satirischen Spiegelbild der heutigen kommunistischen Genossenschaft, wird die sicherste, spektakulär nichtssagendste Rechtskritik, die man auch nur schreiben könnte. Mit einem Antagonisten, der so überspitzt und lachhaft eindimensional geschrieben ist, dass sich das Wort Satire schon von Weitem schnell aus dem Staub macht, wird absolut nichts kritisiert, was auch nur ein bisschen an Kopfkratzen oder auch nur oberflächligsten Hinterfragen, geschweige denn Unbehagen beim Zuschauer auslösen könnte. Das System bleibt ungeachtet, unhinterfragt als unangreifbare Konstante, im Schatten der doch viel interessanteren, aufsehenerregenden rechtsextremen Trumpattrappe, über die es nur all zu leicht ist, herzlich zu lachen, um das tiefer liegende System dabei zu vergessen. Die alltägliche Eintönigkeit und Aussichtslosigkeit einer kommunistischen Revolution im heutigen Kapitalismus, die alltägliche Leere einer materialistischen Gesellschaft, jegliche Auseinandersetzung mit einem modernen Kommunismus und Anarchismus bleibt komplett aus.

        Doch nicht nur ideologisch und politisch ist diese Adaption ein risikoloses Vakuum, selbst der Charme, der unendliche Witz der literarischen Vorlage ist nirgends zu finden. Nicht nur dass man von ungefähr eineinhalb Stunden Laufzeit nur gut eine Handvoll von wirklichen, im Buch doch so wunderbar ausgearbeiteten Interaktionen zwischen Marc-Uwe und dem Känguru bekommt (man könnte meinen, dass der liebe Jörg Dwigs mehr Screentime hat als Marc-Uwe und das Känguru zusammen), während sich u.a. auch dadurch die spezielle Bindung und Chemie zwischen den beiden in der Masse an unnötigen, witzlosen, einfallslosen Charakteren verliert, auch auf einer narrativen Ebene bewegt sich der Film weit hinein in den Bereich eines abgedroschenen, gewöhnlichen aufmerksamkeitsheischenden Fernsehfilms. Von einer komplett belanglosen, plakativen Romanze, deren alleinige Daseinsberechtigung kommerzieller Natur ist, hin zu grandios schlecht geschnittenen Szenen, lächerlich uninspirierten Plotentwicklungen und einem faden Beigeschmack, den man als nichts anderes als Fremdscham bezeichnen könnte. Dass der Regisseur mit dem zugrundeliegenden Material zuvor kaum eine persönliche Verbindung hatte, die über die seiner Kinder hinausging und es sogar, wie er selbst so schön sagt, "ein[..] Film [wäre], von dem er eigentlich gar keine Ahnung habe", ist dabei nicht sehr überraschend, jedoch nicht weniger beschämend.

        Aus einer bunt originellen, kammerspielartigen, kreativ verspielten, chaotischen, unterhaltsamen, doch nicht weniger herausfordernden Auseinandersetzung mit der heutigen Gesellschaft, wird ein seelenloses, glattgebügeltes Produkt genau dieser Bürgerlichkeit, zurechtgeschnitten, um auch dem Allerletzten ihrer Bedürfnisse zu gehorchen. Sollte das Gespenst des Kommunismus diesen Film jemals zu Gesicht bekommen, bin ich mir sicher, dass es sich spätestens dann zur ewigen Ruhe niederlegen wird.

        2/10... und das ist noch nett gemeint.

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          schmelquir 23.10.2021, 20:19 Geändert 23.10.2021, 20:20

          Wes Anderson war immer schon bekannt für seine Liebe zur Literatur — THE FRENCH DISPATCH wurde schon seit seinem Debut in Cannes als "ein Liebesbrief für den Journalismus" beschrieben. Das ist sicherlich ein Weg dieses blumig überladene Stück Wes Anderson Kunst zu beschreiben, voll von seinen gewohnt eigentümlichen Figuren und fantastisch ausgeschmückten und charmanten Kulissen und Bildern. Aber nein, THE FRENCH DISPATCH ist keine Ode an den archetypischen Journalismus wie man ihn aus aus unserer heutigen Gesellschaft kennt — diejenigen, die mit Stift und Wort bewaffnet für unsere Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen oder zumindest kämpfen sollten. Es ist eine Ode an den Magazinjournalismus im Stil des New Yorker — die Geschichte lebt in der Vergangenheit, als eine schräg exzentrische Hommage in einer fiktionalen französischen Stadt namens ENNUI.

          Strukturiert wie ein altes Magazin — ein kurzer lebhafter Öffner, drei Hauptfeatures und ein bittersüßer Epilog zum Schluss — porträtiert THE FRENCH DISPATCH das Gefühl des Lesens so wie ich es noch nie in einem Film gesehen habe. Es ist nicht nur die Struktur. Es ist ein Zusammenspiel der Ästhetik und des wunderbar spielerischen Soundtracks von Alexandre Desplat, der die Klänge von Schreibmaschine und Stiften in seine musikalische Welt einarbeitet. Wes Anderson hat einfach den wahrscheinlich ikonischsten und einzigartigsten Stil der modernen Filmlandschaft — ob man ihn mag oder auch nicht, das hängt vom Geschmack ab und über den lässt ja nicht streiten...

          Seine Leidenschaft für Literatur überträgt sich direkt in sein charakteristisches Filmdesign — die Dialoge klingen wie lebhaft verspielt übergenaue Passagen aus einem Stefan-Zwei-Buch, die Untertitel erscheinen in alter Schreibmaschinenschrift auf der Leinwand und die Bildlichkeit ist vollgepackt mit zahlreichen Details und kleinen Hinweisen in dieser wimmelbuchartigen Erfahrung eines Films.

          The Kinematographie ist natürlich einzigartig — nichts sieht so aus wie eine Wes-Anderson-Picture. Von hellen, bunten Farben über bis ins kleinste Detail geblockten Shots zu wunderschönen Schwarz-Weiß-Passagen. Mit einem unglaublichen Cast — Timothée Chalamet, Frances McDormand, Bill Murray, Léa Seydoux, Tilda Swinton, Adrien Brody, Benicio Del Toro, Owen Wilson, Jeffrey Wright und sogar kleinen Auftritten von jemand wie Saoirse Ronan, Christoph Waltz, Edward Norton und Willem Dafoe (und das ist nicht mal alles) — wird dieser Film zu einem Wer-ist-Wer an tollen Performances. Es gibt einfach niemanden wie Wes Anderson.

          Allerdings ist THE FRENCH DISPATCH natürlich auch nicht perfekt — imo kommt er nicht an die Brillanz von GRAND BUDAPEST HOTEL heran, meinem Lieblingsfilm von diesem Regisseur. Das Pacing fühlte sich für mich an ein paar Stellen ein bisschen falsch an — besonders in der dritten großen Story. Jedoch ist das vielleicht auch ein "Erstes-Mal-Gesehen" Problem und legt sich nach einer zweiten Sichtung.

          THE FRENCH DISPATCH ist ein kreativer Overkill — exzessive Kreativität könnte man sagen. Es ist eine Ansammlung von unzähligen verrückten und gleichzeitig wunderbar lustigen wie spannenden Ideen, einer grotesk spielerischen Welt und dem Signature-Stil von Wes Anderson.

          Ein kreativer Exzess von Film: 8/10

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            schmelquir 08.10.2021, 13:26 Geändert 08.10.2021, 13:30
            über Titane

            TITANE n'est pas de ce monde — comme un matériau inconnu et incompréhensible pour l'esprit humain.

            TITANE ist nicht von dieser Welt — ein Film wie ein Material, das unserer Realität fremd ist und jenseits des menschlichen Verstandes liegt. Die Schale des Films ist genauso hart und undurchdringbar wie der Titel vermuten lässt. Man bekommt eine verstörend unzugängliche und bizarre Szene nach der anderen an den Kopf und in die Magengrube geworfen — ein Fremdkörper, der sich im Bauch eingenistet hat und immer größer und bedrohlich unangenehmer wird. Nichts ist wie es sein sollte. Grotesk, absurd, surreal und einem Albtraum gleich.
            Julia Ducournau verfilmt ihren eigenen verstörenden Traum - in ihrer eigenen, ganz eigenen Sprache.

            DAS LAND DER MUSIK AUS TITANE (d.h. Songs, die sich wie dieser Film anfühlen - quasi eine Playliste):
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            NO LOVE - Death Grips
            AIN'T IT FUNNY - Danny Brown
            SEND IT UP - Kanye West
            FOR HER - Fiona Apple
            FEMME FATALE - Velvet Underground & Nico
            HEROIN - Velvet Underground & Nico
            MASSEDUCTION - St. Vincent
            SHE'S NOT THERE - The Zombies
            ONE - Harry Nilsson
            SYMAPTHY FOR THE DEVIL - The Rolling Stones
            HEROES AND VILLAINS - The Beach Boys
            80808 - Death Grips
            COME AND GET ME - Death Grips
            DON, AMAN & GOOD MORNING, CAPTAIN - Slint

            Kompletter, ausführlicher Review: https://dasfilmsymposium.com/blog/titane

            Ein wahnsinniger Film jenseits jeder Genre-Grenzen: 8,5/10 (könnte aber auch eine vier oder 9 von 10 sein)

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            • schmelquir 21.09.2021, 23:52 Geändert 21.09.2021, 23:54

              ...ok also 15 ist schon ne Herausforderung

              GIRL - Standing on the Corner
              https://www.youtube.com/watch?v=zlRYWcPMYlE

              NIGHTS - Frank Ocean
              https://www.youtube.com/watch?v=r4l9bFqgMaQ

              REALLY LOVE - D'Angelo
              https://www.youtube.com/watch?v=mVsQwJfWzoI

              SHATTERED DREAMS - Earl Sweatshirt
              https://www.youtube.com/watch?v=twT1zz5GMfU

              AIN'T NO SUNSHINE - Bill Withers
              https://www.youtube.com/watch?v=CICIOJqEb5c

              FREE THE FRAIL - JPEGMAFIA
              https://www.youtube.com/watch?v=p1VaSEeD-Vk

              RUNAWAY - Kanye West
              https://www.youtube.com/watch?v=EMnQwBTJnMM

              CALIFORNIA DREAMIN' - The Mamas and Papas
              https://www.youtube.com/watch?v=N-aK6JnyFmk

              CALL IT FATE, CALL IT KARMA - The Strokes
              https://www.youtube.com/watch?v=Txn5-dKLFHg

              SEIGFRIED - Frank Ocean
              https://www.youtube.com/watch?v=RWgpBlz16-s

              WITH A LITTLE HELP FROM MY FRIENDS - The Beatles
              https://www.youtube.com/watch?v=0C58ttB2-Qg

              FEEL THE LOVE - KIDS SEE GHOSTS
              https://www.youtube.com/watch?v=rnZQvgWhM5s

              I THINK - Tyler, the Creator
              https://www.youtube.com/watch?v=rkRdgFvuiYk

              FUNNY THING - Thundercat
              https://www.youtube.com/watch?v=XwPB9FrhqjI

              EXIT MUSIC (FOR A FILM) - Radiohead
              https://www.youtube.com/watch?v=FapBH3j6WoA

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                Drei Uhr nachts, selbstgemachtes Popcorn vor uns ausgebreitet und die Oscarverleihung auf dem Fernseher — Kategorie “International Feature Film”, Regisseur Thomas Vinterberg tritt als Gewinner auf die Bühne und dann traf es uns eiskalt:

                “Vier Tage nach Drehbeginn passierte das Unmögliche. Ein Autobahnunfall nahm meine Tochter.”

                DER RAUSCH feiert das Leben — in allem seinem Exzess, in all seiner Langeweile und Eintönigkeit, in all seinem Genuss, in all seiner Härte. Darüber hinaus ist er eine sehr komische Mischung aus Arthaus und Mainstreamunterhaltung, so wie man es eigentlich nie zu sehen bekommt. Auf der Oberfläche ist er eine unterhaltsame Tragikkomödie über vier Männer, die sich einem Selbstexperiment unterwerfen, in dem sie die Prämisse untersuchen, ob der Mensch mit einem Promilledefizit von 0,5 ‰ geboren wurde — letztendlich geht es darum, ob man mit Alkoholkonsum seine Leistungsfähigkeit und Zwischenmenschlichkeit mit positiven Auswirkungen auf sein komplettes Leben verbessern kann. Unter dieser Rahmengeschichte geht es allerdings wirklich um Menschen, die sich in ihren Leben festgelaufen haben, stehen geblieben sind und wieder ihren Lebensgeist finden oder zumindest das versuchen, um ihrer monoton lethargischen Depression, die ihr Leben ist, zu entkommen. DER RAUSCH ist eine kraftvolle Geschichte darüber, Lebensenergie wiederzufinden, nach einer langen, leeren Zeit — vielleicht ist es in diesem Sinne und vor dem Hintergrund der tragischen Entstehungsgeschichte des Films auch die Geschichte von Thomas Vinterberg selbst.

                Allein wegen Mads Mikkelsen und seiner Performance ist dieser Film schon sehenswert — dazu kommen ganz gut besetzte Nebenrollen, allerdings war für mich die deutsche Syncro teilweise schon ein bisschen störend leider. Die Kamera und Kinematographie ist mit vielen expressiven und intensiven Einstellungen wirklich beeindruckend, besonders in der Schlussszene beispielsweise. Es ist darüber hinaus auch relativ leicht in die Geschichte abzutauchen und sich mit den Charakteren zu identifizieren. Dabei hilft natürlich auch das gute Drehbuch und die toll geschriebenen Dialoge — vielleicht hätte man den Charakteren ein bisschen mehr Hintergrund und Tiefe geben können, aber auf der anderen Seite ist das ja auch ein bisschen der Punkt des Films, da ist einfach nicht viel. Trotzdem ein bisschen mehr hätte sicherlich nicht geschadet. Es wird aber eigentlich nie langweilig, wenn auch die erste Hälfte der Geschichte im Nachhinein deutlich schwächer ist als die zweite. Der omnipräsente Alkoholkonsum, der von manchen Zuschauern als kontrovers empfunden werden kann — wenn du einer von denen bist, grow the fuck up man — spielt allerdings in Wirklichkeit nur eine oberflächliche Rolle, die als Rahmen für die wahren Motive der Geschichte dient. Nämlich davon, dass das Leben so schnell vorbeifließt, wenn man nicht aufpasst es wirklich zu leben und nicht nur zu durchleben.

                Es gibt keinen Moralzeigefinger, keinen predigenden Moralsprecher — DER RAUSCH zeigt die vielen Seiten, die das Leben haben kann. Er zeigt die lustigen Seiten des Alkohols genauso wie die zerstörerischen. Doch verhält es sich mit dem Leben nicht anders. Auch das kann schön sein und zerstörerisch zugleich. Mit einem legendären Ende und tollem Soundtrack gibt es wenig grundlegend schlechtes, was man dem Film anhängen kann. Vielleicht fühlt er sich teilweise doch zu sehr wie ein typisches Comedy-Drama an und nicht wie eine tiefgründige Lebensstudie, doch das muss dann eher jeder selbst für sich entscheiden. Auch ist das Drehbuch in manchen Teilen ein bisschen vorhersehbar — mir hat das aber kaum einen Abbruch getan. Mich traf der Film dann doch sehr persönlich.

                Der Rausch des Lebens auf Film: 8/10

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                  über Dune

                  "A beginning is a very delicate time.”

                  Das haben sich wahrscheinlich auch der Regisseur Denis Villeneuve und sein Team gedacht, als sie das Projekt DUNE angegangen sind — ähnlich wie bei BLADE RUNNER 2049, wenn auch nicht auf die gleiche unantastbare Art und Weise, steckte schon immer so viel in diesem potenziellen Film, der wahrscheinlich bereits seit der Veröffentlichung der Buchadaption von David Lynch im Jahr 1984 in der Luft hing und darauf wartete in die richtigen Hände zu gelangen. Es ist wieder an der Zeit für einen neuen Epos der absolut größten Größe — denn daran spart Denis Villeneuve nicht. DUNE ist ein filmisches Monumentalwerk, eine visuelle Wucht von weiten, endlosen Bildern der ewigen Wüste. Man wird regelrecht hineingesogen in die Welt erschaffen von Frank Herbert und gezeichnet von Villeneuve und seinem Team rund um Greig Fraser. Ich habe glaube ich selten zweieinhalb Stunden erlebt, die so schnell vorbeigegangen sind — das Ende kam für mich so plötzlich, ich hätte vermutlich auch noch zwei Stunden weitergeschaut ohne verwirrt umherzusehen.

                  Das nach der ersten Sichtung vielleicht beeindruckendste für mich ist, wie es Denis Villeneuve wieder einmal geschafft hat, eine komplett fremde und komplexe Welt so vereinnahmend und anziehend auf die Leinwand zu bringen. Man hat keine andere Wahl als von Anfang an in diese Welt und Geschichte einzutauchen — das Drehbuch nimmt sich Zeit, man bekommt die Möglichkeit langsam Teil der Narrative zu werden und seinen Fuß auf den sandigen Grund dieses Filmes zu setzen. Es ist kein hektisches, unruhiges Actiongewummer, das in jeder Szene neu nach Luft schnappt und irgendwann hyperventilierend im Lärm zu Boden kracht. Villeneuve versteht es einfach wie man eine Geschichte wirklich erzählt — das haben alle seine bisherigen Filme gezeigt und das unterstreicht auch dieser hier wieder. Das Pacing ist on-fucking-point! Ich habe jeglichen Zeitsinn verloren und war am Ende wie gesagt reichlich überrascht als der Film vorbei war und anscheinend gerade zweieinhalb Stunden vergangen waren…

                  Neben dem perfekten Pacing schafft es Villeneuve aber auch den visuellen Drahtseilakt zu begehen, nämlich das Gleichgewicht aus weiten, gigantischen und gewaltigen Megashots und auf der anderen Seite Szenen und Kameraarbeit, die das Charakterinnere zeigen, die Details, das Subjektive. Die Kameraführung wechselt andauernd zwischen genau diesen beiden Sphären — der epischen und der subjektiv intimen. Jeder Frame, jeder Shot, jede Szene ist für sich ein einzigartiges Gemälde fast unerreichten Ausmaßes. Die Farben sind im Gegensatz zur alten Achtziger Version sehr düster gehalten, dunkel, sehr minimalistisch sogar und gedeckt. Alles wirkt viel ernsthafter, erwachsener — das ist kein neues Star Wars, Sci-Fi für Erwachsene. Die Bildgewalt und Bildsprache des Films lässt sich vielleicht am besten mit dem Begriff “schlichte Vehemenz” beschreiben — in keinem Shot gibt es tausende Dinge zu sehen, die das Bild bedrängen würden oder alles ins bunte Chaos stürzen ließen. Der Film lebt von klaren Linien, von minimalistischem Blocking in kolossaler Größe, das oft im Staub des Sandes und der Wüste verhüllt wird. Die Lichteffekte und Flares sind wunderschön, die Bilder und besonders der Schnitt imitieren sehr oft die Bewegung rieselnden Sandes und des sich willkürlich bewegenden sandigen Wüstenuntergrundes. Alles fließt so wunderbar vor sich und in sich, die Story, die Kamera, der Schnitt, der Soundtrack, die Schauspieler — nichts hackt und nervt, nichts fühlt sich fehl am Platz oder wirkt wie ein Fremdkörper. Alles bewegt sich so natürlich wie Sand oder Wasser — oder wie das Leben und die Philosophie des Stammes der Fremen.

                  Die Dialoge sind dazu sogar überraschend authentisch — natürlich sehr dramatisch, episch und zurechtgeglättet, doch schaffen es die Schauspieler oftmals das mit ihrer Performance zu verhüllen. Nur sehr selten wirkt etwas ein wenig ungelenk. Das Drehbuch fließt wie die Bilder. Es ist wirklich beeindruckend wie das gute alte Expositionsproblem von Filmen mit einer derartig komplexen Rahmenhandlung hier umgangen worden ist, vieles ist in die Dialoge und das Drehbuch verwebt. Der starbesetzte Cast ist darüber hinaus durchweg eindrucksvoll überzeugend — Timothée Chalamet in der Hauptrolle als Paul Atreides ist absolut brillant, Rebecca Ferguson als Lady Jessica ist herausragend. Dazu kommen viele gute Performances von Jason Momoa, Stellan Skarsgaard, Zendaya, Oscar Isaac etc, die allerdings einfach nicht all zu viel Zeit hatten, jedoch das wenige sehr gut nutzen konnten.

                  Der Soundtrack ist von Hans “the-One-and-Only” Zimmer, da gibt es mittlerweile eigentlich keine Überraschungen mehr. Hans Zimmer does what he does best — epische, gewaltige Scores. Natürlich kann man den Soundtrack an manchen Stellen für zu laut oder zu aktiv in seiner Rolle empfinden, so kennen wir Hans Zimmer ja. Ich hätte mir tatsächlich da auch mehr wirklich stille Momente gewünscht und ein wenig mehr Variation in manchen Bereichen — obwohl der Dudelsackdrop schon ziemlich crazy war. Daneben gibt es eigentlich nichts komplett neu Innovatives oder Bewegendes, es ist einfach ein gewaltiger Soundtrack wie man ihn von Hans Zimmer kennt, mit seinen relativ typischen Soundelementen. Doch das sind nicht wirklich Beschwerden oder irgendetwas in diese Richtung, eher kleine Anmerkungen im Bild des Ganzen. Denn im Allgemeinen liefert Hans Zimmer wieder einmal ab — tolle Kompositionen, spannende Instrumentalisierung und Gesangsvariationen, natürlich das typische Actionbrummen und -schlagen, doch wird man auch hier in eine Welt der Wüste, in die Welt DUNE hineinkatapultiert. Die Wüste wurde vertont, auf Hans Zimmers Art und Weise.

                  Letztendlich fühlt sich DUNE tatsächlich wie ein halber Film an — ein Teil eins. Ich hätte den zweiten Teil auch direkt mitschauen können, ohne Pause oder Unterbrechung. Aber vielleicht ist es ja gut so wie es ist, gibt einem Zeit zum Reflektieren. DUNE ist eine audio-visuelle Sinnesüberflutung. Es ist ein Sci-Fi-Epos einer filmischen Größe wie man sie beispielsweise von HERR DER RINGE kennen könnte, doch auf eine künstlerisch ganz andere und vielleicht erwachsenere Art und Weise. Man muss dazu sagen, dass sehr oft vermieden worden ist, verstörende Szenen tiefgehend zu zeigen und zu behandeln, vermutlich, um die Altersbegrenzung niedrig zu halten. Das kann manche vielleicht ein bisschen stören, doch tut es das mich überhaupt nicht. Es wird nichts verschleiert, denn man bemerkt jedes Mal, was passiert — es wird einfach nicht im Close-Up zehnmal gezeigt und was ist daran schlecht? So wirkt alles ein wenig subtiler. Denis Villeneuve ist immun dagegen schlechte oder auch nur durchschnittlich mittelmäßige Filme zu machen — für jeden Einzelnen hat man das Gefühl, dass er alles seines kreativen Potenzials gibt, um das bestmögliche aus jedem Projekt herauszuholen. Ich habe am Ende des Tages eigentlich keinen einzigen wirklich auffallenden Makel gefunden, über den ich mich nach der ersten Sichtung am Donnerstag wirklich beschweren könnte — dazu war das ein zu einmaliges Kinoerlebnis. Und damit ein wichtiger, wichtiger Appell zu Schluss: Wenn man diesen Film wirklich erleben will, gehe ins Kino! Es gibt wenige Filme, auf die dieses Appell mehr zutreffen würde.

                  DUNE ist ein episches Sci-Fi-Magnum-Opus gewaltiger Größe: 9/10

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                    schmelquir 06.09.2021, 12:27 Geändert 10.09.2021, 23:49

                    "Promising Young Woman" ist der kontroverse, spaltende und eiskalt ehrliche Film des Jahres, der sich einem der Themen der Zeit zuwendet - egal ob man es jetzt MeToo nennen mag oder irgendetwas anderes. Intensiv, hart, umstritten, revolutionär, ohne Blatt vor dem Mund - nun ja, als all das wurde der Film vermarktet und geteasert. Als ich den Film gesehen habe, konnte ich nicht anders, als zu denken "hm... das war ja gar nicht so krass!"

                    -------- SPOILER (zumindest ein bisschen) -----------

                    Also wenn man ein bisschen in der kontroversen Rachewelt der Filme herumgräbt braucht man nicht lange um ein gut umstrittenes Stück Film zu finden. Egal ob "The Nightingale" oder "Kill Bill" - Rache ist immer wieder ein gutes Stilmittel um zu spalten. Für mich war "Promising Young Woman" nicht annährend der feuerspeiende Drache als der er verkauft wurde - eher ein kläffender Hund, der versucht zu schnappen und zu beißen, aber zu kleine Zähne dafür hat. Versteht mich nicht falsch, es gibt ein paar Szenen, die wirklich intensiv sind und einen tiefen Eindruck zurücklassen - doch nun ja, mehr als das ist es halt nicht und selbst von diesen Szenen gibt es vielleicht ein, zwei oder höchstens drei. Was der Film jedoch gut macht ist es mit Klischees zu spielen, wobei jedoch da auch gleich das Problem beginnt. Viel der Comedy landet für mich kaum und wenn nur im Moment, dazu sind die männlichen Charaktere so überzogen karikiert und unnatürlich gespielt (Sorry bo Burnham love your new show on netflix, but come on man... your acting was terrible) dass man teilweise nicht nur wegen den Persönlichkeiten cringt. Lol die Männer sind wieder das Problem... Carey Mulligan spielt natürlich hervorragend, auch wenn ich auch von ihr schon bessere Performances gesehen habe. Dazu kommen ein paar Plotlöcher - aber über die kann man leicht hinwegsehen.

                    Ja, der Film zeigt die Scheinheiligkeit und Heuchlerei des Systems immer und immer wieder. Er zeigt auch gut wie egal es ist, wie sich ein Mensch nach außen hin verkauft oder auf andere wirkt - man weiß nie, wer wozu im Stande ist. Aus der Geschichte weiß man allerdings, wir Menschen sind zu sehr vielen Grausamkeiten im Stande. Am Ende gibt es auch noch einen sehr gut inszenierten Schockmoment. Der Film macht sehr viel Richtig und eigentlich nichts an sich falsch - wieso trotzdem nur 6 Punkte? Für mich geht er einfach nicht weit genug - die Ernsthaftigkeit des Problems verliert sich oft selbst im sarkastischen Lachen der Protagonistin, wenn es um das Thema geht. Auch das Ende ist so... sicher und aalglatt gewaschen - am Schluss fühlt sich das alles sogar ein bisschen an wie ein Feel-Good-Film... Für mich ist das alles eine verlorene Chance einen wirklich harten, spaltenden Film zu schaffen, der das Thema bei seinen Wurzeln packt und nicht in seinem Gipfel. Denn so "spaltend" oder "kontrovers" dieser Film auch sein soll... ich höre die streitenden Meinungen nicht - eigentlich nur Lob, dass das Thema endlich in so einen Film übersetzt worden ist - nämlich keinen mit einem schlechten Nachgeschmack, der die Leute herausfordert. Gutes Filmpopcorn für alle! Wo ist da die Kontroverse? Einfach, es gibt keine. Der Film spaltet nicht, erzählt nichts neues oder "edgy"-ges. Er passt einfach zu gut in den heuchlerischen Zeitgeist, den man besonders in Hollywood sieht - MeToo ist cool gerade und deswegen ist auch dieser Film cool! Nichts an dem Thema hinter MeToo ist allerdings cool oder einfach zu behandeln - nach jahrelangem Schweigen und Vertuschen wird jetzt gefeiert. Und das ist das größte Problem des Films - die Männer kommen einfach viel zu einfach davon, denn "am Ende sind es ja einfach nur Arschlöcher". Und das ist eine wunderbar einfache Erklärung für sexuelle Gewalt jeglicher Art!

                    Vom Filmerischen ist der Film tatsächlich überhaupt nichts besonderes, sorry. Keine der Einstellung geht über die bloße szenische Funktion hinaus und zeigt einfach oft nur genau das was passiert. Alles wirkt ziemlich random, was die Kameraführung angeht und ist kaum innovativ oder kreativ - meine Meinung.

                    Ein kaum (oh wie dieses Wort immer herumgeschrien wird) "bitterböser", aber dennoch guter Film: 6/10

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                      schmelquir 08.07.2021, 00:57 Geändert 08.07.2021, 01:03

                      Auf dem Heimweg vom Kino durch den Regen und die Stadt lag mir noch immer dieses Solo in den Ohren - diese einsame, elysisch klagende Violine... manche Momente würde ich einfach am liebsten in ein leeres Marmeladenglas stecken - zusammen mit der Musik, dem Regen und den roten im Wind flatternden Bilder, die sich langsam vor meinem Inneren Auge verfestigen können - und sie aufbewahren, um irgendwann, wahrscheinlich an einem regnerischen Abend, wieder eine Tropfen dieses Gefühls zu nehmen...

                      Melancholie - leider ein viel zu oft gebrauchtes und missbrauchtes Wort, wie so viele andere. Alles und jeder ist melancholisch - doch ist es auch eines, mit dem jeder Einzelne seine eigene Geschichte zu erzählen hat, mit dem jeder einzelne bestimmte Erinnerungen verbindet. Wenn man das alte Geschirr der Großeltern sieht und in Schweigen verfällt oder wenn man durch das Fenster des Nachbarn einen Hund sieht, der genauso aussieht wie den, den man mal früher hatte... oder wenn man diese einen Socken im Regal von H&M wiedererkennt, die man damals doch so geliebt hat... sofort verfällt man in tiefste Melancholie...
                      In manchen Momenten womöglich mehr und tiefgehender als in anderen... - dabei stellt sich allerdings auch die Frage was denn die Melancholie von der "bloßen" Nostalgie unterscheidet? Ich weiß es nicht, zumindest noch nicht, vielleicht ist es auch besser manche Sachen bloß zu fühlen ohne sie erklären zu wollen - vielleicht spricht dabei aber einfach nur meine Ignoranz.
                      Allerdings wüsste ich nicht was oder wer sonst, wenn nicht "In the Mood for Love" dieses so komplexe Geflecht aus Erinnerung und Gefühlen der Melancholie sofort und so leicht in den Kopf und das Herz eines jeden Zuschauers implantieren könnte. In diesem leicht wehenden, roten Vorhang eines Films, kann man sich nur zu gut für 98 Minuten verlieren. Die Bildkraft gibt einem die Leichtigkeit, mit dem Soundtrack kommt der Windstoß, der einen dann davonträgt.

                      Ich glaube zu der unglaublichen Bildgewalt und ästhetischen Brillanz von "In the Mood For Love" brauche ich nicht mehr viel hinzufügen. Jeder einzelne Frame wirkt, wie wenn er über Stunden ausgetüftelt und hundertmal bis zur Perfektion überarbeitet worden wäre. Kaum ein anderer Film besitzt eine so kraftvolle und expressive Bildlichkeit und Bildstärke. Neben der Kinematographie sind allerdings auch der Schnitt und die Regie auf einem so ungemein hohen Level. Viele Szenen sind so wunderbar unkonventionell geschnitten. Und um nur einmal eine brillante Regieentscheidung zu nennen: der Entschluss, die Gesichter der beiden Ehepartner:innen der Protagonisten nicht zu zeigen und sie ständig aus dem Bild zu lassen, sucht in seiner subtilen Brillanz seines gleichen. Das alles wird aber den meisten hier, die den Film noch nicht gesehen haben, auch nichts neues sein.
                      Was mich jedoch gestern Abend überrumpelt hat, war der unvergleichliche Soundtrack und wie die einzelnen Stücke in den Film eingesetzt worden sind. Nicht nur die Kamera trieft vor Melancholie, auch die Musik, die in Gestalt alter asiatischer Lieder, eines eindringlich, tief bewegend schönen und hypnotischen Streicherarrangement von Shigeru Umebayashi und den spanischen Jazz-Boleros gesungen von der Samtstimme Nat King Coles auf die Bühne tritt. All das zusammen zeichnet eine Stimmung, die ich bisher so auf diese Art und Weise noch nie in einem anderen Film angetroffen habe.
                      Besonders auf mich nachgewirkt hat das kurze, oft wiederholte Arrangement Umebayashis (wie bereits oben erwähnt...). Die melancholisch trauernde und wunderschöne Melodie der Solo-Violine komplementiert die vorgemalte Stimmung mit jeder Wiederholung ein bisschen mehr bis sie im Abspann zur Perfektion getrieben und einen Paukenschlag gleich zum Ende den Schlusston gibt.

                      All das bisher wird natürlich von vielen als nur ästhetische und filmtechnische Punkte abgestempelt werden, auch wenn sie doch so viel mehr sind als nur Nebenspieler zur Story. Gewiss haben die Dialoge, vor allem die deutsche Synchronisation, etwas ein wenig Kitschiges (allgemein der Film, besonders im Mittelteil, das will ich auch überhaupt nicht leugnen). Doch gleichzeitig ist das Drehbuch unfassbar subtil und nuanciert, besonders in der Hinsicht wie es große Plotpunkte offenbart. Nämlich niemals offensichtlich und sofort oder überstürzt - vielmehr dagegen eher leise, geschickt und fast spielerisch in die Bilder und Dialoge gewebt. Beide Protagonisten sind dazu einfach fantastisch geschrieben; außerdem bieten Maggie Cheung und Tony Leung Chiu Wai auch noch zwei wunderbare Performances.
                      Und schließlich das Ende... aus dem Farbenrausch in die plötzlich karge, graue, in der Vergangenheit liegende Welt der alten Steintempel Nepals, die Liebe versteckt in einem kleinen Loch in der Wand. Mir bleiben Worte fern... Genial wäre bei diesem Ende womöglich noch ungenügend. Herzzerbrechend, aber doch auch irgendwie wunderschön.

                      Ich habe jetzt seit der Sichtung noch einmal überlegt an welche Filme mich "In the Mood for Love" erinnert, denn dieses einzigartige Gefühl der Melancholie einer "verfluchten" Liebe habe ich bisher nur bei zwei weiteren Filmen in dieser emotionalen Stärke gefunden. Die zwei Filme waren "Lost in Translation" und "Her". Was mich jedoch dabei doch ein wenig verwundert ist, dass besonders der Soundtrack aller drei Filme nicht unterschiedlicher hätte sein können. "Lost in Translation" mit seinem dröhnenden, verzerrten Dream Pop - "Her" mit den leichten, traurigen Klavierstücken und futuristisch fließenden Klängen. Dazu sind sie zeitlich gesehen Jahrzehnte voneinander entfernt (Sechziger, Nuller Jahre, Zukunft). Und doch vermitteln alle drei das gleiche Gefühl der Melancholie, der verletzlichen, menschlichen Seele, der verlorenen Liebe, die genau in ihrer kurzen Existenz ihre komplette Stärke findet. Wie geht nochmal der Elton John Song... Like a candle in the wind, genau davon rede ich hier.

                      Wong Kar Wai meditiert mit "In the Mood for Love" in einem farbprächtigen, hypnotischen Traum über eine Liebe, die nie wirklich Hoffnung oder Zukunft außer sich selbst und einander in der Gegenwart und dem Hier-und-Jetzt zu haben schien, die sich langsam und unwissentlich entwickelte, um dann umso stärker zuzugreifen. Er erzählt damit auf seine meisterhafte Art und Weise eine ebenso grenzenlos traurige wie wunderschöne Geschichte und hat einen Film geschaffen, der ein absolutes Lehrstück ist, was Filmtheorie und Kinematographie angeht.

                      Melancholie auf Film eingefangen und auf die Leinwand projiziert: 9,5/10

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                        schmelquir 01.07.2021, 01:42 Geändert 22.05.2022, 10:11

                        Das waren lange 8 1/2 Monate seitdem ich zum letzten Mal in einem Kino gewesen bin... nun endlich ist diese Zeit gezählt, denn erst vor ein paar Stunden stand die Premiere von "Judas and the Black Messiah" in meinem Lieblingskino in München auf dem Plan. Und mehr "großes Kino" als diesen Film hätte ich mir eigentlich nicht aussuchen können - ein historisches, gesellschaftspolitisches Drama/Biopic.

                        I AM A REVOLUTIONARY! I AM A REVOLUTIONARY!

                        So wie die Titelmelodie des legendären Jazz-Saxophonists Rashaan Roland Kirk ("The Inflated Tear") in die Stille sägt und das leichte, schöne Gewand der Nacht zerreißt, dröhnen die resoluten Stimmen der hunderten Black Panthers und vibrieren und pulsieren durch jeden, der diese Appelle und Predigten hört. Ohne Hauch von jeglichem Idealismus (denn den könne sie sich nicht leisten), pocht der pure und oft auch gewaltsam harte Realismus der Black Panther Party durch die USA der 60er. Ohne Kompromisse gegen die Staatsgewalt eines tief-rassistischen, brutalen Staat, dem seine schwarzen Bürger ungefähr so egal wie ein Dorn im Auge zu sein scheinen.

                        Doch es geht nicht nur um Rasse, Hautfarbe... nein, es geht um eine amerikanische Klassengesellschaft, um Ausbeutung und Repression durch eine durch Vermögen und Vorurteil definierte Gesellschaft. Aus dem reinen "Rassenkrieg" wird ein Gesellschaftskrieg oder einfach nur "Krieg" wie es im Film heißt... nicht sehr ermutigend, aber da ist man bei diesem Film auch an der falschen Stelle angekommen. Das Bild, das der Film zeichnet ist eines, das einen, wenn die Credits rollen, mit einem erschlagenen, wütenden Gefühl im Kinositz verharren lässt.

                        Einen großen Teil tragen sicherlich die herausragenden Schauspieler zu diesem Filmerlebnis bei, allen voran natürlich Daniel Kaluuya und Lakieth Stanfield (beide nominiert für beste Nebenrolle bei den Oscars). Beide holen auch wirklich alles aus ihren Rollen heraus, wobei sie auch teilweise dank dem Drehbuch sehr viel Raum bekommen haben, um sich auch perfekt in Szene setzen zu können. Dabei hat dieses Jahr Daniel Kaluuya den Oscar mitgenommen, Stanfield wäre aber eine genauso gute Entscheidung gewesen. Allerdings sind auch alle weiteren Rollen bis in die kleinste Nebenrolle sehr gut besetzt.
                        Pacing, Kameraarbeit, Drehbuch... sehr viel an diesem Film funktioniert sehr gut. Die Spannungskurve ist stets hoch und ziemlich intensiv durch den kompletten Film hindurch. Und wenn man auf die Kinematographie und dann in die Credits schaut, ist man auch nicht überrascht, wenn da der Name Sean Bobbitt steht, der mit "The Place Beyond the Pines", "12 Years a Slave", "Hunger" und "Shame" ein paar der visuell interessantesten und ansprechendsten Filme der letzten Jahre gemacht hat.

                        Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass das Drehbuch noch ein wenig tiefer in den Charakter und den inneren Konflikt und die moralische Zerrissenheit William "Bill" O'Neals gegangen wäre. Besonders, wenn man das Paukenschlag Ende beachtet...

                        Dennoch ist "Judas and the Black Messiah" ein unglaublich erfrischender Hollywood Film (wenn man sich auf das Filmische konzentriert) und gleichzeitig jedoch natürlich eine absolut zermürbende Geschichte über Hass, Gewalt, Verrat, Selbstverrat und ein kaum zu retten scheinendes System.

                        Ein längst überfälliges Biopic über FRED HAMPTON: 8/10

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                          schmelquir 25.06.2021, 18:15 Geändert 08.08.2022, 18:02

                          Man muss A24 einfach für ihre Konstanz und ihre Hingabe zur Kunstform Film schätzen - ihre dauernden Versuche das Feld, besonders natürlich das Horror Genre, visuell wie inhaltlich voranzutreiben und innovativ zu gestalten. Irgendwie schaffen sie es auch stetig neue Gesichter in den Regisseurstuhl zu setzen und trotzdem so gut wie jedes Mal abzuliefern. Mit "Saint Maud" inszenierte nun Newcomerin Rose Glass einen kurzen, intensiven Horror-/Psychothriller.

                          Man weiß ja, dass Ästhetik bei A24 immer eine besonders große Rolle spielt. Moonlight, The Lighthouse, Midsommar, The Killing of a Sacred Deer, The Last Black Man in San Francisco, A Ghost Story... alles Filme, die sich u.a. für ihre herausragende Kinematographie einen Namen gemacht haben. "Saint Maud" kommt in seiner visuellen Brillanz natürlich nicht an die vorher genannten Filme heran, jedoch schafften sie wieder einen visuell wie ästhetisch sehr starken Film zu inszenieren, der gegen Ende hin richtig Fahrt auf nimmt. Die Kameraführung ist sehr subjektiv geprägt, verkünstelt sich jedoch gleichzeitig auch nicht.
                          Zur Story: keine komplizierte, komplexe Erzählung... "Saint Maud" ist dagegen viel eher eine sehr einfache und geradlinige Geschichte - straightforward... Aber trotzdem nicht banal, ideenlos oder langweilig. Sie behandelt Glauben, Fanatismus, Besessenheit, Zelotismus, Einsamkeit und viele weitere Themen.
                          Positiv auffallend ist ebenfalls das Sound Design des Films.

                          Und das Ende... wahrlich der Höhepunkt des Films, unglaublich gut.

                          Ein kleiner, verstörender, tiefgreifender Psychothriller: 7,5/10

                          Update: 8.5/10... wow, Saint Maud ist wirklich ein Meisterwerk und eine unfassbar tiefgreifende Auseinandersetzung mit der subjektiven Erfahrung von Religion und einer göttlichen Kraft.

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                            schmelquir 11.05.2021, 22:47 Geändert 11.05.2021, 22:55

                            Da dieser Film in Deutschland erst in Monaten erhältlich sein wird, er jedoch in den USA jetzt schon seit einiger Zeit auf der Plattform Hulu zu sehen ist, habe ich ihn mir jetzt so anschauen können. Meine Erwartungen waren natürlich unheimlich hoch - ein kleines Hoffen auf vielleicht das nächste "Portait de la jeune fille en feu" - bei dem Cast mit Saoirse Ronan und Kate Winslet in den Hauptrollen, dazu noch der Kameramann Stéphane Fontaine ("Jackie"), der in der Vergangenheit durchaus schöne und sehr ausdrucksvolle Bilder einfangen konnte, und am Ende noch Francis Lee im Regisseurstuhl, dessen Film "God's Only Country" auch schon die ein oder andere sehr gute Kritik bekommen hatte. Eins kann ich schon einmal vorwegnehmen - ein zweites "Portrait de la jeune fille en feu" ist es nicht geworden, sicherlich jedoch ein sehr gewagter Film, der einige Risiken eingegangen ist.

                            Es ist, glaube ich, mittlerweile sicher anzunehmen, dass die Abbildung und Porträtierung homosexueller Beziehungen in Filmen an sich kein revolutionäres, tollkühnes und avantgardistisch bahnbrechendes neues Unterfangen zu sein scheint. Dazu gab es von dieser Sorte nun schon zu viele Werke, die durchaus als Bravourstücke des Kinos angesehen werden können - etwa der schon oben genannte französische Film aus dem Jahr 2019 oder auch "Call me by your name" von dem italienischen Regisseur Luca Guadagnino. Allerdings so wirklich scheinen diese erotischen Liebesgeschichten im doch so prüden, amerikanischen Hollywood noch nicht angekommen zu sein. Nicht überraschend ist es also, dass dieser Film eine britische Produktion mit britischem Cast ist. Und ganz nach dem europäischen Weg der Filmerei, ist auch dieser Film in Sachen Freizügigkeit nicht gerade zurückhaltend und zeigt die Sexszenen auf eine sehr intime Art und Weise.
                            Eins der ersten Dinge, die einem sicherlich auffallen, wenn man zum ersten Mal mit diesem Film in Berührung kommen wird, sind seine zwei Darstellerinnen. Ronan und Winslet brillieren wieder einmal, besonders individuell. Die Chemie und das Zusammenspiel zwischen den beiden ist ebenfalls ziemlich gut, doch meinem subjektiven Gefühl nach nicht auf absolut perfekter Höhe, wie es bei diesem Film besonders wichtig gewesen wäre.
                            Denn "Ammonite" nimmt sich viel Zeit besonders für die kleinen Momente und die Beziehung der zwei Protagonisten. Es ist ein sehr leiser, ruhiger, subtiler Film, der die Stärke der Bindung der Beiden in kurzen Augenblicken und Momenten findet und auch finden will. Die Schwäche dieses Films ist daher nicht im Konzept, da ich besonders Subtilität und Nuancen im Erzählen einer Liebesgeschichte - eigentlich auch jeder anderen Form von Geschichte - als essentiell erachte. Sie liegt jedoch meiner Meinung nach in zwei Dingen. Zum Einen im Drehbuch und zum anderen in der Kamera, obwohl dieser ein ein wenig komplizierterer Punkt ist.

                            DREHBUCH: Der Film sucht die Momente, die eine Liebe aufbauen und ausmachen und findet sie leider nur teilweise. Es gibt eine Hand voll Szenen, deren Bedeutung mir tatsächlich schleierhaft sind. Weder haben sie teils eine geschichtsvorantreibende noch eine charakterdefinierende noch eine rein visuell schöne Bestimmung. Der Film ist natürlich auffallend ruhig mit einem äußerst langsamen Pacing, was ich grundsätzlich auch sehr gerne mag ehrlichgesagt. Allerdings nur dann, wenn die langsame Geschwindigkeit auch eine bestimmte literarische und visuelle Geschichte erzählt und nicht nur einfach existiert (ich hoffe man kann meinem Gedanken folgen). Auf der einen Seite bin ich begeistert, dass dieser Film das Risiko eingegangen ist, ein langsames, leises Drehbuch zu schreiben, jedoch muss ich mir eingestehen, dass viele Szenen einfach nur geschehen ohne emotionale, visuelle oder rein banal geschichtliche Wirkung. Vielleicht ist das ein bisschen hart von meiner Seite, jedoch habe ich den Film so empfunden.

                            KAMERA: Nun dieser Punkt ist wirklich tricky. Auf der einen Seite hat der Film wirklich ein ganze Hand voll wunderschöner und auch sehr emotional aufgeladener Shots. Vielleicht ist dieser Punkt auch eher etwas sehr Subjektives für mich persönlich. Die sehr triste, farblich sehr blasse Darstellung zusammen mit dem langsamen Pacing ist teilweise schön ein wenig schwierig zu folgen. Selbst die doch ziemlich emotionalen Szenen haben nicht diese kamera-technische und kinematografische Raffinesse wie andere Filme dieser Art sie vorweisen. Die oft handgehaltene (oder wenigstens auf einer kleinen Gimbal positionierte) Kamera wirkt in manchen Szenen einfach fehl am Platz, während sie in anderen Momenten wieder wunderbar funktioniert. Allgemein geht mir bei "Ammonite" die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit der Kameraaufnahmen und -bewegungen ab. Zum Teil liegt das vielleicht unter anderem beim Editing und auch daran, dass der Film gerne und oft Close Ups verwendet um einen Handlungsstrang zu erzählen. Man kann das alles auch kurz und banal fassen: Ich halte die Kinematographie von "Ammonite" leider für sehr inkonstant, nicht im Stil, sondern in der Umsetzung und Ausführung des Stils.

                            Dennoch ist "Ammonite" sicher ein Film, an dem man Gefallen finden kann - auch ich gehöre dazu, jedoch gab es zu viele Dinge, die mir ein bisschen an der Nase gejuckt haben.

                            Schauspielerischer Glanz in einem farblich blassen, welligen Meer: 7/10

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                              schmelquir 09.05.2021, 17:12 Geändert 09.05.2021, 17:36
                              über Shirley

                              Jetzt, da Künstler mit der Corona Pandemie zu kämpfen haben, keine Konzerte geben können, Festivals bis auf weiteres Geschichte sind und man ständig in den eigenen vier Wänden sitzt, kommt dieser Film zu einem "lustigen" Zeitpunkt. Die Autorin Shirley Jackson hat Quarantäne lange bevor wir alle gezwungenermaßen diese in unser Leben aufnehmen mussten, sie zu ihrer "Work-ethic" gemacht. Der Film handelt von ihrer anscheinend (!) eigenartigen, ambivalenten und schwierigen Persönlichkeit, von wahrem Genie - und alles mit einem Schuss Feminismus am Ende.

                              Biografische Dramen stellen oftmals besonders eins dar: eine Bühne für schauspielerische Exzellenz. Egal ob Leo als ein geldgeiler Broker, Daniel Day-Lewis als amerikanische Präsidentenlegende oder Denzel Washington als Black-Rights-Ikone... Biografien sind sehr oft die Geburt legendärer und allseits gefeierter Performances. Das wäre sicherlich auch hier das Potenzial gewesen. Ja, Elisabeth Moss sieht ihrem Vorbild sehr ähnlich, jedoch konnte ihre Performance mich nicht wirklich abholen. Moss bleibt für mich ein schwieriger Fall, durch ihr extremisiertes Schauspiel und ihre teils übertrieben und unnatürlich wirkenden Dialogfetzen und Interpretationen. Ich kann verstehen, wenn man ihr Schauspiel mag und auch ich muss objektiv zugegeben, dass sie sicherlich eine gute Charakterdarstellerin ist... jedoch ist sie einfach nicht mein Fall. Auf der anderen Seite stehen ihr Michael Stuhlbarg, der meiner Meinung nach die beste Leistung in diesem Film liefert und Odessa Young gegenüber, die auch wirklich gut spielt.

                              Auch bei der Kameraführung hatte ich gemischte Gefühle. Zum Einen, wie wunderschön dieser Film doch zwischenzeitlich aussehen kann und wie stark auch die Kameraführung gelegentlich ist, stets auffallend durch ihre Subjektivität und Bewegtheit, die wunderbar das Innenleben der Autorin widerspiegelt. Gleichzeitig gibt es Abschnitte, in denen zum Beispiel die Schärfe fehlt und ich mir jedoch nicht denken kann wieso oder dass es einen künstlerische Entscheidung sein soll.
                              Dazu kommt, dass das Drehbuch teils sehr auffallende und gleichzeitig unnötige Längen aufweist. Doch beim Drehbuch fangen die wirklichen Probleme mit diesem Film an...

                              Das wichtigste also zum Abschluss: dieses "Biopic" zeigt auf keinen Fall die wahre Geschichte der Shirley Jackson. Vielmehr ist es Fiktion als tatsächliche Biographie. Sehr viele Stimmen kamen nach dem Release hervor, die sich über die extreme Darstellung des Geisteszustands der Autorin Shirley Jackson beschwerten und zu Verstehen gaben, dass nichts davon der Wahrheit entspräche. Der Film habe aus kommerziellen Gründen den Namen Shirley Jackson für dieses Script beansprucht. Nur ein Beispiel ist, dass im Film der Fakt, dass Shirley und ihr Mann keine Kinder haben ein ziemlich zentraler Punkt ist, wohingegen die echte Shirley Jackson vier Kinder hatte und diese oftmals von einer liebenden Mutter erzählten... Da sich der Film jedoch als Biopic vermarktet, sind diese Fehlgriffe kaum zu erklären oder rechtzufertigen, da er weder das Leben der echten Shirley Jackson erleuchtet, noch eine wirklich freie Geschichte erzählt und dadurch nur den Namen missbraucht. Man fragt sich dann doch, was der Sinn dieses Filmes ist.
                              Ich von meiner Seite aus verstehe nicht, wieso man nicht einfach eine fiktionale Autorin genommen hat. Wäre sicherlich ethisch, wie auch story-technisch die bessere Entscheidung gewesen.

                              Fiktionales Biopic mit guten Schauspielern und schlechtem Script: 4/10

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                                schmelquir 05.04.2021, 14:25 Geändert 05.04.2021, 14:33

                                Ich habe gedacht, dass ich für mich bei Wes Anderson nach "Grand Budapest Hotel" und nach der Sichtung ein paar seiner weiteren Filme entdeckt habe, dass nichts mehr wirklich an das, was er in "Grand Budapest Hotel" geschafft hat, herankommen würde - "Rushmore" oder "Moonrise Kingdom" beispielsweise sind nicht annähernd an dieses einzigartige Gefühl herangekommen, das die Geschichte rund um Zero und Monsieur Gustave bei mir ausgelöst hat. Also habe ich nicht wirklich viel erwartet, als ich mich nun hingesetzt habe, um "Fantastic Mr. Fox" anzuschauen. Vor allem, da Stop-Motion noch nie wirklich mein Ding war, obwohl ich Animationsfilme allgemein liebe. Was ich aber dann gesehen habe, hat mich wirklich überrascht und der erworbene Eindruck wurde jetzt, da ein paar Tage vergangen sind, ein nur umso Bleibender.

                                "Fantastic Mr. Fox" macht besonders eins - Spaß. Man vergisst wirklich alles um sich herum und wird in diese schräge, tierische, "wilde" Welt aus Knete und Draht und Polyester und Plastik hineingesogen - ähnlich wie bei "Grand Budapest Hotel" nur diesmal auf eine komplett andere Art und Weise. Was jedoch gleich geblieben ist, ist Wes Andersons Liebe zum Detail, seine Raffinesse in den Dialogen und sein Geschick darin, phantasmogarische (wie er es vermutlich ausdrücken würde) und skurrile Charaktere authentisch werden zu lassen.
                                Dazu kommt, dass sein Kamerastil, seine charakteristische Kinematographie und Visualität, trotz des Stop-Motion-Stils nicht verloren gegangen ist. Vermutlich weil er sich dazu entschlossen hat, den Film in Oldschool-Fashion zu machen. Mit 12 Bilder pro Sekunde ohne Retuschen oder irgendeinem anderen "Post-Schnick-Schnack". Dadurch wirkt der Film schon an sich durch seine Machart viel rauer und ungeschliffener - jedoch gleichzeitig auch charmanter.
                                Das alles würde natürlich nichts bringen, wenn die Geschichte mich nicht abgeholt hätte. Denn bei Wes Anderson kann man sich grundsätzlich schon darauf einstellen, dass visuell und filmtechnisch alles auf seine Art und Weise "perfekt" sein wird. Das war eins meiner Probleme zum Beispiel bei "Moonrise Kingdom" - für mich hat die Story einfach nicht funktioniert (meine äußerst subjektive Meinung). Bei "Fantastic Mr. Fox" ist es jedoch genau das Gegenteil. Der Hauptgrund dafür, warum ich den Film so sehr mag, ist die Geschichte, sind die Charaktere. Und wenn, wie immer, eine so starke Schauspielerriege als Sprecher agieren... dann ist das das I-Tüpfelchen.

                                Stop-Motion-Film, eigentlich nicht meins, aber hier hat es irgendwie genau gepasst: 8,5/10

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                                  schmelquir 03.04.2021, 19:16 Geändert 30.04.2021, 22:35

                                  Ich habe vor gut einem Jahr mal ein Podcast gehört, in dem der Regisseur des Films Ricky Staub über die Dreharbeiten und seine Vorbereitungen darauf erzählt hat. Schön zu sehen, dass "Concrete Cowboys" nun auch in Deutschland herausgekommen ist, trotz des letzten Jahres und all der Hindernisse, die sich aufgetan haben müssen in der Zeit.

                                  Es ist sicherlich kein Meisterwerk, kein Meilenstein der heutigen Filmlandschaft und seit Corona, aber doch hat dieser Film etwas, was man nicht übersehen kann: Herz. Der Fakt, dass Ricky Staub teils echte "Concrete Cowboys" für den Film gecastet hat, zeigt wie viel Authentizität hierin steckt und das merkt man einfach. Es ist ganz einfach eine schöne und auch interessante Geschichte über echten Cowboys im Asphaltdschungel - Asphalt-Cowboys... hier aber wortwörtlich.
                                  Der Film hat auch einen wirklich schönen Look, besonders wie Licht und praktisches Licht eingesetzt wird, ist durchaus ansehnlich.
                                  Trotzdem ist und bleibt die Story sehr vorhersehbar - wie gesagt das Rad wurde hier nicht neu erfunden - es ist einfach ein gewöhnliche Geschichte über relativ ungewöhnliche Menschen. Eine Mischung aus Neo-Western und einfachem Drama/Gesellschaftsdrama. Für mich hätte man sich ruhig noch mehr und ausschließlicher auf das Leben der Concrete Cowboys beziehen können. Ich verstehe aber natürlich, warum man den "Smush-Charakter" und damit einen gesellschaftlichen Kommentar mit hineingebracht hat, denn das verkauft sich nun halt einmal einfach besser.

                                  Mehr traditionelles Drama als moderner Neo-Western, trotzdem durchaus interessant, besonders wegen der Thematik: 6,5/10

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                                    schmelquir 10.03.2021, 23:39 Geändert 10.03.2021, 23:44

                                    "Moonlight" ist ein Gedicht - Poesie in blau und gemalt in den Farben der all zu menschlichen und intimen Suche nach dem "Ich", der eigenen Identität, in einer Gesellschaft, die in so manchen Aspekten zu stagnieren scheint und in deren Strudel es sich nur zu leicht "das Selbst" vergessen lässt.

                                    "In Moonlight Black Boys Look Blue."

                                    Chiron zieht es abends zum Meer. Dort sitzt er, gehüllt in einen Mantel aus blauen Mondschein. Mit den Füßen und Händen im Sand kann er sich wenigstens für eine gewisse Zeit so fühlen, als wäre er jemand anderes, oder irgendwo sonst. Nicht in diesem aussichtlosen Sozialviertel umgeben von Kriminalität, Drogen und Gewalt. Vielleicht an einem Ort, wo er nicht ständig die scheinbare Härte der menschlichen und der männlichen Natur so offensichtlich heuchlerisch vorgespielt und mit voller Überzeugung ins Gesicht geschlagen bekommt. Vielleicht an einem Ort, an dem er nicht die Einsamkeit zu seinem besten Freund ernennen müsste, an dem er "der Mittelpunkt der Welt" wäre... oder ist er das schon lange. Das jedenfalls sagt ihm die wohl einzige Vertrauensperson, die einzige Vaterfigur, die er jemals hatte und haben werde, als er als kleiner Junge in den Armen des Drogendealers Juan über die Wellen gleitet. In den Armen seines einzigen Vorbilds - der jedoch gleichzeitig genau die traurige Hypokrisie dieses Milieus verkörpert.
                                    Seine Mutter verfällt dem Sog der Drogen, solange bis der Mensch, der einmal existiert haben muss, unter den Pillen und Joints endgültig vergraben zu sein scheint.
                                    Zwiegespalten zwischen den sozialen Konformitäten und doch seiner eigenen, persönlichen Identität, flüchtet sich Chiron später in eine Maske aus Gold, aus Muskeln und aus genau der Härte, die ihn doch als Kind so oft terrorisiert hat - bis er seine alte Liebe, seinen Jugendfreund wiedersieht.

                                    "Moonlight" ist einer dieser revolutionären Filme, oder wie man im Land der unendlichen Möglichkeiten sagen würde... truly game changing. So etwas gab es einfach noch nicht zuvor. Barry Jenkins schafft es, zusammen mit seinem Kameramann James Laxton, das sonst so oft klischeehaft erzählte Sozialdrama in eine poetische Reise in die Psyche und noch viel mehr in das Leben eines Menschen zu verwandeln, nicht in das eines sozialen Stilmittels. Die subjektive Kameraführung und -arbeit gepaart mit den wundervollen Bild- und Farbkompositionen, macht "Moonlight" zu einem visuellen Meilenstein und Meisterwerk.

                                    "Moonlight" zeigt die Macht des Kinos, doch auf eine ganz neue Art und Weise. Er verbindet künstlerische Ästhetik und menschliche Wärme und Schönheit genauso wie menschliche Kälte und Hässlichkeit - der ewige Dualismus und das ohne Hollywood-Glanz oder Happy-fucking-End.

                                    Wenn Poesie auf die harte und wunderschöne Realität des Lebens trifft: 9/10

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                                    • schmelquir 10.03.2021, 09:46 Geändert 10.03.2021, 09:58

                                      Bester Film (10 Nominierungen)
                                      --------------------------------------------------------------------------
                                      I'm Thinking of Ending Things
                                      Mank
                                      Uncut Gems
                                      Tenet
                                      Sound of Metal
                                      Never, Rarely, Sometimes, Always
                                      Soul
                                      Knives Out
                                      1917
                                      The Gentlemen

                                      Beste Regie (10 Nominierungen)
                                      ----------------------------------------------------------------------------
                                      David Fincher - Mank
                                      Charlie Kaufman - I'm Thinking of Ending Things
                                      Joshua & Benny Safdie - Uncut Gems
                                      Andrew Patterson - The Vast of Night
                                      Ladj Ly - Les Misérables
                                      Melina Matsoukas - Queen & Slim
                                      Sam Mendes - 1917
                                      Rian Johnson - Knives Out
                                      Christopher Nolan - Tenet
                                      Pete Docter - Soul

                                      Bestes Drehbuch (10 Nominierungen)
                                      -----------------------------------------------------------------------------
                                      Rian Johnson - Knives Out
                                      Charlie Kaufman - I'm Thinking of Ending Things
                                      David Desola - El Hoyo
                                      Guy Ritchie - The Gentlemen
                                      Eliza Hittman - Never, Rarely, Sometimes, Always
                                      Joshua & Benny Safdie - Uncut Gems
                                      Kata Wéber - Pieces of a Woman
                                      Pete Docter - Soul
                                      Aaron Sorkin - The Trial of Chicago 7
                                      Ruben Santiago-Hudson - Ma Rainey's Black Bottom

                                      Bester Darsteller (10 Nominierungen)
                                      ----------------------------------------------------------------------------
                                      Chadwick Boseman - Ma Rainey's Black Bottom
                                      Gary Oldman - Mank
                                      Adam Sandler - Uncut Gems
                                      Riz Ahmed - Sound of Metal
                                      Delroy Lindo - Da 5 Bloods
                                      Daniel Kaluuya - Queen & Slim
                                      Michael B. Jordan - Just Mercy
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                                      Beste Darstellerin (10 Nominierungen)
                                      ----------------------------------------------------------------------------
                                      Vanessa Kirby - Pieces of a Woman
                                      Sidney Flanigan - Never, Rarely, Sometimes, Always
                                      Jessie Buckley - I'm Thinking of Ending Things
                                      Ana De Armas - Knives Out
                                      Viola Davis - Ma Rainey's Black Bottom
                                      Elisabeth Moss - The Invisible Man
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                                      Kreativster/Ambitioniertester Film (5 Nominierungen)
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                                      I'm Thinking of Ending Things
                                      The Vast of Night
                                      Mank
                                      Tenet
                                      Soul

                                      Bester Independentfilm (5 Nominierungen)
                                      -------------------------------------------------------------------------------
                                      The Vast of Night
                                      Les Misérables
                                      - / -
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                                      Bester Animationsfilm (5 Nominierungen)
                                      ------------------------------------------------------------------------------
                                      Soul
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                                      Schlechtester Film (5 Nominierungen)
                                      ------------------------------------------------------------------------------
                                      Birds of Prey
                                      The Last Days of American Crime
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                                      Bestes Design (5 Nominierungen)
                                      ------------------------------------------------------------------------------
                                      Tenet
                                      I'm Thinking of Ending Things
                                      Queen & Slim
                                      Knives Out
                                      The Gentlemen

                                      Bester Ton (5 Nominierungen)
                                      -----------------------------------------------------------------------------
                                      Sound of Metal
                                      1917
                                      Uncut Gems
                                      - / -
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                                      Beste Musik (5 Nominierungen)
                                      ----------------------------------------------------------------------------
                                      Tenet
                                      Soul
                                      Mank
                                      1917
                                      Jojo Rabbit

                                      Bester Song (5 Nominierungen)
                                      -------------------------------------------------------------------------------
                                      The Plan - Tenet
                                      Boxes of Bush - The Gentlemen
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                                      Bester Schnitt (5 Nominierungen)
                                      -------------------------------------------------------------------------------
                                      1917
                                      Mank
                                      El Hoyo
                                      Tenet
                                      Uncut Gems

                                      Beste Effekte (5 Nominierungen)
                                      --------------------------------------------------------------------------------
                                      Tenet
                                      1917
                                      I'm Thinking of Ending Things
                                      - / -
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                                      Beste Kamera (5 Nominierungen)
                                      --------------------------------------------------------------------------------
                                      1917
                                      Berlin Alexanderplatz
                                      Mank
                                      I'm Thinking of Ending Things
                                      Tenet

                                      Beste Serie (5 Nominierungen)
                                      ---------------------------------------------------------------------------------
                                      Queen's Gambit
                                      Unorthodox
                                      Small Axe
                                      Dark (Season 3)
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                                      Bester Seriendarsteller (5 Nominierungen)
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                                      John Boyega - Small Axe
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                                      Beste Seriendarstellerin (5 Nominierungen)
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                                      Anya Taylor-Joy - The Queen's Gambit
                                      Shira Haas - Unorthodox
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                                        schmelquir 26.02.2021, 23:52 Geändert 27.02.2021, 08:22

                                        Aufmerksamkeit ist eine komische Sache. Wie schnell kann es gehen, vom gefeierten Helden zum verachteten, gehassten, verschmähten, (voreilig) verurteilten Terroristen... "Der Fall Richard Jewell" zeigt die Menschen von ihrer schlechtesten, traurigsten, egomanischten und widerlichsten Seiten, aber auch einen versteckten Helden, der eigentlich keiner sein wollte, der "nur seinen Job gemacht hat" - und diesen Satz auch meint, wortwörtlich und ehrlich.

                                        Es gibt guten Journalismus, den, der die Seele einer Demokratie darstellt und sie am Leben hält - und es gibt den "BILD-Journalismus", den Aufmerksamkeitsheischenden und Verachtenswerten, den nichtsnutzig Anklagenden und Diffamierenden. Ohne Kunst, ohne Respekt, ohne Selbstachtung und ohne Beachtung jeglicher menschlicher Würde. Derjenige fanatische Journalismus, der nur auf eine Story aus ist, der nur auf seinen Moment im Scheinwerferlicht wartet, dem es nicht um die Wahrheit geht und der, selbst wenn er sie zu hören bekäme, diese sofort in die nächste Mülltonne kippen würde, wenn er daraus mehr Profit schlagen könnte.
                                        Olivia Wild spielt eine der unsympathischten und unausstehlichsten Figuren, die ich seit langem gesehen habe und sie spielt ihre Rolle mit einer solchen Überzeugung, dass es manchmal wirklich schwer ist, nicht die nächste Tasse an die Wand zu werfen. Zu sehen, wie diese Person, die die Frechheit besitzt sich selbst "Journalistin" zu nennen, ihren erlogenen, erschlafenen Zeitungsartikel stolz in die Luft streckt und sich dafür von der Masse ihrer Kollegen feiern lässt, kann einem nur übel machen.

                                        Aber genug zu denen, die es nicht Wert sind. Der Film handelt von einem ungewöhnlichen Helden. Paul Walter Hauser hätte keinen besseren Job machen können, Richard Jewell zu porträtieren. Richard Jewell ist nicht die Persönlichkeit unter der man sich einen Helden vorstellt. Er lebt zuhause bei Mama, ist übergewichtig und nicht der charismatischte Mann der Welt... noch würde er in die heutige und moderne Sympathieschiene fallen. Law and Order... das ist eins seiner wichtigsten Prinzipien, Respekt vor Autoritäten. Der klassische republikanische Wählertyp, könnte man sagen. Konservativ im Denken wie im Handeln. Zu einfach lassen sich auch hier die Vorurteile aus der Luft pflücken.

                                        Natürlich erfüllt der Film dabei sehr viele Hollywoodklischees vom großen Leinwanddrama, hier wurde das Rad nicht neu erfunden. Aber, hey, Clint Eastwood ist dafür jetzt auch nicht mehr die richtige Anlaufstelle und mit diesem Film hat er nun wieder einen richtig guten Film herausgebracht.

                                        Sehr bewegendes Drama über einen wahren Helden: 7,5/10

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                                          schmelquir 20.02.2021, 10:44 Geändert 20.02.2021, 10:45
                                          über Soul

                                          "Disney präsentiert - eine Pixar Produktion"... das sagt schon ziemlich alles aus. Disney als vermarktende Geldmaschine, Pixar als kreative Geschichten- und Filmschmiede. "Disney ain't your friend" - so heißt es seit Jahren in Animationskreisen, Pixar offenbar schon.

                                          Das offensichtlichste und das was wahrscheinlich viele dazu bewegt hat, sich diesen Film anzuschauen, ist vermutlich die bisher unvergleichbare Animation, besonders natürlich der Gebrauch von virtuellem Licht und Shading. Noch nie gab es einen animierten Film, der Licht so perfekt und so lebensnah und gleichzeitig wunderschön auf die "Leinwand" (eher auf den eigenen Fernseher) gebracht hat. Licht wird nun endlich auch in der Animationswelt zu einem echten künstlerischen Mittel und nicht nur wie so oft zu einem essentiellen Werkzeug, was halt stimmen muss. Dabei trifft "Soul" direkt in den momentanen Zeitgeist, die Welt in starken und satten RGB Farben darzustellen gleichzeitig aber auch diesen warmen, soften Look vieler heutiger Filme für sich zu gewinnen. Doch was diesen Film dann doch von den vielen "Real Life"-Cinematography-Wundern abgrenzt, sind natürlich die unendlichen Möglichkeiten, die Animation mit sich bringt. Die Welten (z.B. "The Great Before" etc.) ähneln Träumen, in denen man sich ohne großes Zutun verlieren kann.
                                          Doch "Soul" ist mehr als reine Kinderunterhaltung fürs Auge. Die Story handelt vom Sinn des Lebens, Tod, Träumen, Leidenschaft, purem Lebensrealismus und fast schon nihilistischen Einstellungen gegenüber dem Selbst und der Welt um einen herum. "Soul" ist der Weg zur Selbstfindung des Protagonisten. Und ja ich war am Ende vielleicht nicht in Tränen auf dem Sofa gelegen, wie es doch bei so mancher Pixarproduktionen vorkommen mag - doch das Gefühl war etwas anderes. "Soul" ist kurzum eine sehr intime, erwachsene Erzählung über das Leben und was es lebenswert macht. Und obwohl Pixar sowieso schon immer den Hang dazu hat, mehr als nur einen Kinderfilm zu machen, haben sie sich hiermit doch nochmals übertroffen und einen Film geschaffen, der nicht einmal in erster Linie ein Kinderfilm sein will und vielleicht nicht einmal vorrangig für Kinder gedacht ist. Denn ich könnte mir vorstellen, dass so manches Kind seine Schwierigkeiten haben könnte, diesen Film zu genießen.

                                          "Soul" ist eine Erinnerung daran, dass Animationsfilme so viel mehr sein können als bloße Kinderunterhaltung und daran, dass diese anspruchsvollere Unterhaltung sogar auch aus den Staaten kommen kann.

                                          Eine Reise in die eigene Seele: 8/10

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                                            schmelquir 18.02.2021, 20:45 Geändert 30.04.2021, 22:32

                                            "Euphoria" mit allen Sinnen, im Rausch ohne Verstand - eine Generation, der das Morgen ziemlich egal zu sein scheint. Sie mögen arrogant, eigensinnig, egoistisch, gefühlskalt, ekelhaft oder brutal wirken... doch am Ende "nobody's perfect".

                                            Jede Generation hat so seine besonderen Serien und Filme, die ihr aus dem Herz sprechen, ihre radikalsten Seiten zeigen. Gen X, die Snowflakes - "Euphoria" erzählt ihre Geschichte auf schonungslose und unverhüllte Art und Weise, wie man es kaum aus den USA kennt. Sam Levinson, der vieles aus eigener Erfahrung heraus schrieb, begibt sich in den Mantel der heutigen Highschoolkids der Vororte in Kalifornien. Er nimmt die eingesessenen, altbekannten amerikanischen Stereotype des Highschoollebens und wirft sie in einen ungeschönten, unromantisierten RGB-Trip des Sex und der Drogen und der Gewalt.
                                            Im Fieber aus blau, roten Bildern und in den Ohren der geniale Soundtrack pochend, sieht man die traumatischen Geschichten der Jugendlichen ablaufen, ihre Vergangenheit und die verhängnisvolle Gegenwart ihrer Entscheidungen. Die Serie wirft ein Licht auf Sucht und zieht einen mitten hinein, lässt einen teilhaben, was es heißt süchtig zu sein, keine andere Chance oder Wahl zu haben, als sich tagtäglich Massen an weißen Pulver in die Nase zu jagen, wieder und immer wieder - bis es plötzlich schwarz wird. Die Kamera, die Kinematographie ist dabei so subjektiv, so nahe und intim, im wabernden Moment der Euphorie und des Fiebers. Dazu kommen die hervorragenden Schauspielperformances von Zendaya, Hunter Schafer ...

                                            Vor kurzem hab ich in "Malcolm & Marie" schon gesehen, was Sam Levinsons mit einem Stift alles aufs Papier zaubern kann, wie authentisch er die Charaktere sprechen lassen kann und wie vereinnahmend und packend seine Dialoge sind. Das galt für "Malcolm & Marie" und das gilt auch für "Euphoria". Die Dialoge, das Voiceover Zendayas... alles passt zusammen, die komplette Serie hindurch. Doch was er da in diesen zwei Spezialepisoden gemacht hat, übertrifft all das noch einmal. Zwei Episoden, zwei Stunden, zwei Gespräche - ich habe jede Sekunde davon genossen. Das ist Drehbuch- und Dialogkunst auf aller höchstem Level.

                                            Ein wabernder Trip und der Abgrund der Euphorie des Moments: 9,5/10

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                                              schmelquir 09.02.2021, 20:29 Geändert 10.02.2021, 09:42

                                              Es bröckelt hinter der schwarz-weißen Fassade - der gefeierte Newcomer-Regisseur Malcolm und seine Freundin Marie kommen nach der Premiere seines ersten Smash-Hits nach Hause. Eine Nacht des Triumphes und des Feierns - doch hinter dem makellos glänzend scheinenden Vorhang schlummert eine tiefeingesessene Aversion und Abneigung gegenüber einander. Aus der Nacht des Zelebrierens wird die Nacht der unverblümten Wahrheit, der uferlosen Beschimpfungen und des gemeinsamen Abwendens jeglicher Gemeinsamkeit. Wunden werden aufgerissen, an das Licht gezerrt - Unsicherheiten werden schamlos dem anderen ins Gesicht geworfen und ausgenutzt. Aber...

                                              "But I love him. And there's nothing I can do."

                                              Ausufernde Monologe, hassverzerrtes Fauchen, ruhiges, kaltes Verschmähen und doch das Gefühl von Nähe und Liebe, das zart und nur manchmal in der Luft schwebt, jedoch dann umso stärker.
                                              Sam Levinson, Writer/Director, hat mit diesem Film eine wunderschöne, in schwarz-weiß Bilder gehüllte Bühne geschaffen. Eine Spielfläche für zwei wirklich großartige Schauspieler, die es beide bisher schon bewiesen haben, wozu sie in Stande sind, nun aber aus dem Vollen schöpfen können. In diesem Kammerspiel der Emotionen liefern beide eine so umwerfende Performance ab, dass die 100 Minuten des Films in ihren Monologen verfliegen. Dabei hilft natürlich das von Sam Levinson eigens geschriebene Drehbuch, das die "His Girl Friday" Art der Dialoge teilweise auf perfekte Art für sich verzaubert. Demgegenüber sind die Monologe ebenso temporeich und rasant geschrieben, gleichzeitig aber auch so herzergreifend wie erschütternd zugleich - vollgepackt und einfach unheimlich geschickt und brillant. Wie beide Darsteller es schaffen, dies dann vorzutragen, ist natürlich noch einmal eine ganz andere Geschichte.

                                              Der Film hat nicht viel Spielraum, eine limitierte Location, nur zwei Dartsteller... doch das braucht er auch nicht. Er findet seinen Raum in den Motiven der beiden Charaktere, im Background, in den Beweggründen, in ihren Argumenten, in ihren Emotionen und in ihren Persönlichkeiten. Das genügt völlig, um ein meisterhaftes Filmerlebnis zu liefern. Das betont nur nochmals die Kunst, die in diesem Drehbuch und im Schauspiel liegt.

                                              Doch neben diesen zwei Aspekten ist einer bisher noch viel zu kurz gekommen: die Kinematographie. Der Look des Films ist atemberaubend und stellt allein den Grund und Boden für alles was sonst noch folgt dar. Die Szenen sind so überlegt und hervorragend geblockt und aufgenommen, dass es komplett egal ist, dass man sich die ganze Zeit nur in einer Location befindet. Sam Levinson und sein Kameramann Marcell Rév haben wirklich alles aus diesem Haus herausgeholt und lassen es zu dem dritten Charakter der Geschichte werden. Es entsteht im Laufe des Films ein fast klaustrophobisches Gefühl, das sich wunderbar in der Geisteshaltung der beiden Hauptcharaktere widerspiegelt.
                                              Aber letztendlich bin ich auch einfach ein "Sucker for Black and White Movies".

                                              Bewegendes und tieftreffendes Kammerspiel und eine Erinnerung an die Macht des Schauspiels: 9/10

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                                                schmelquir 12.01.2021, 10:06 Geändert 09.02.2021, 20:30

                                                Die Verfilmung des bekannten Buches "Beale Street Blues" von James Baldwin ging zum Glück an Barry Jenkins, im Drehbuch wie in der Regie. Ich glaube, dass niemand sonst dieses Buch so nahe und persönlich auf die Leinwand hätte bringen können. Um einem herausragenden Künstler wie James Baldwin Ehre zu tun, braucht man einen ebenso großartigen... Und Barry Jenkins hat mit "Moonlight" und nun auch mit "If Beale Street could talk" bewiesen, dass er zu den talentiertesten Regisseuren dieser Generation gehört. Was er hier zusammen mit seinem Kameramann James Laxton nach der unvergleichbaren visuellen Schönheit von "Moonlight" wieder geschaffen hat, mag vielleicht auf der Oberfläche ein ein wenig konventionellerer Film als das Coming-of-Age-Drama Moonlight sein, jedoch ist "If Beale Street Could Talk" in genauso schönen Bildern eingefangen und erreicht ähnliche emotionale Tiefen und Höhen wie "Moonlight".

                                                Eines was man dem Film sofort anmerken wird ist sein besonderes Pacing und Ton, die Langsamkeit mancher Szenen, die sich in ihrer Schönheit und Intimität verlieren. Im Kontrast dazu stehen dann wieder herzzerbrechende Szenen. Doch eins haben beide gemeinsam: Barry Jenkins hält immer ein wenig länger drauf als man es doch erwartet. Bei Ersterem hat das zur Folge, dass man noch tiefer in die Liebe, die Beziehung und die Verbindung der beiden Protagonisten eintauchen kann; man erlebt die Liebe der beiden so viel näher und auf eine sehr feinfühlige Art und Weise. Bei Zweitem hat es eher zur Folge, dass man sich teilweise schon unwohlfühlt in seiner Haut.
                                                Wie immer ist eine Geschichte dieser Art sehr schwierig - ein rassenbezogenes Kriminaldrama. Ja, im Grunde ist das "If Beale Street Could Talk". Die Geschichte hört sich dabei auch kaum neu an. Ein schwarzer Mann wird zu Unrecht für die Vergewaltigung einer Frau hinter Gitter gebracht. Doch wie dieser Film inszeniert ist - das ist es, was diesen Film aus der Masse der Gerichts- und Justiz- und Kriminaldramen mit ähnlichen Themen herausstechen lässt. Er fühlt sich nicht an, wie einer der oben genannten Filme. Vielmehr ist es ein Liebesfilm, ein Drama um Familie, jedoch auch um die Gesellschaft. Er schafft es dabei alle großen Themen und Emotionen- Liebe, Hass, Freundschaft, Einsamkeit... - unterzubringen und ihnen gerecht zu werden.
                                                Dazu kommt natürlich die visuelle, unübertreffliche Schönheit des Filmes. Die Kinematographie ist, so wie bei "Moonlight", einer der stärksten Aspekte. Die Bildkomposition, die Farbenwahl, die Kameraführung... Besonders fällt auf, dass sich Laxton und Jenkins für sehr viele Handheld-Aufnahmen entschieden haben. Das macht den Film nur umso greifbarer und echter und realistischer. Man fühlt sich, wie wenn man neben Tish und Fonny auf der Straße stehen würde.

                                                Und wenn neben der Kamera und dem Drehbuch auch noch die Schauspiel so gut passen und spielen, wie es hier der Fall ist, dann gibt es wenig zu meckern. Regina King hat meiner Meinung nach hochverdient den Oscar in der Kategorie "Best Supporting Actress" bekommen, selbst wenn die Konkurrenz sehr groß war - allein schon durch die zwei Darstellung aus "The Favourite" und natürlich, wie immer, Amy Adams. Was aber den Film funktionieren lässt, ist die Chemie zwischen Kiki Layne (Tish) und Stephan James (Fonny). Ihr Zusammenspiel fühlt sich einfach richtig an. Mehr muss man dazu auch nicht sagen.

                                                "If Beale Street Could Talk" ist ein sehr herzergreifendes Drama, das sich die Zeit sich in seinen Szenen zu verlieren und Momente zu genießen. Barry Jenkins hat mit diesem Film, einen geschaffen, den man unbesorgt neben Moonlight in seine Filmographie übernehmen kann.

                                                Lebensnahes, herzergreifendes Liebesdrama: 8/10

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                                                  schmelquir 11.01.2021, 22:41 Geändert 11.01.2021, 22:45

                                                  Ein Leben im Lärm und der pochenden Sinnesüberwältigung im Dröhnen der Musik - was, wenn nun alles auf einmal still wird...
                                                  Für viele Musikliebenden ist es der Albtraum schlecht hin - Taubheit. Wie wird man damit fertig, wenn quasi das komplette eigene Leben aus Klängen und Tönen und dem Brausen der Musik besteht und auch dadurch definiert wird? Ein Schicksalsschlag könnte kaum härter treffen, als wie es in "Sound of Metal" dargestellt wird. Es gibt wohl kaum Schmerzlicheres als etwas, was dich davon abhält, das zu tun, wofür du "geboren bist" - besonders dann, wenn du selbst keine Kontrolle mehr darüber hast und du auch nichts mehr wirklich dagegen aus eigener Kraft unternehmen kannst.

                                                  "Sound of Metal" - die Ironie und der Gegensatz könnte nicht größer sein. Doch dieser Film ist nicht nur einfach ein weiteres Drama mit einem catchy Titel. Darius Marder nimmt den Zuschauer bei seinem Regiedebut mit in die Psyche und vielmehr in das subjektive Empfinden des Protagonisten 'Ruben'. Wir lernen die Welt wahrzunehmen und mit ihr fertig zu werden, so wie es Ruben schmerzhafterweise lernen muss - im dumpfen und matten Pochen und Pulsieren der Welt um einen herum ohne klare Konturen, wie wenn sich der morgendliche Nebel auf den weiten Feldern des Ohres einfach nicht auflösen wollen würde.
                                                  Getragen wird der Film jedoch nicht nur durch die starke und sehr intime Inszenierung, das gute Drehbuch oder die schöne Kinematographie, sondern besonders von seinen unheimlich guten Schauspielern, allen voran Riz Ahmed (Nightcrawler). "Sound of Metal" ist für ihn womöglich bisher sein schauspielerischer Höhepunkt; da sollten die von der Academy mal genauer hinschauen. Er schafft es einfach die Rage, die Verzweiflung, die Resignation und auch die Trauer seines Charakters unglaublich lebensnah und lebensecht auf die Leinwand zu bringen. Doch nicht nur er sticht heraus - auch Olivia Cooke ist wirklich gut in ihrer Rolle.

                                                  Letztendlich ist das doch einer der Lichtblicke des letzten Jahres gewesen und er hätte sicherlich mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt.

                                                  Ein starkes und sehr emotionales Charakterdrama: 8/10

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                                                    schmelquir 06.12.2020, 11:43 Geändert 06.12.2020, 12:13
                                                    über Mank

                                                    Die Goldene Ära Hollywoods in grau, im Rauch der Zigarren und hinter zwielichtigen Deals verborgen. Film ist Geschäft, in Zeiten der Geldnot zwischen Depression und Weltkrieg noch viel mehr - Kreativität steht dabei wie so oft nicht an der Spitze der Pyramide, viel mehr sind es die Scheine und die Macht der Produktion und Politik. In "Mank" zeichnet David Fincher in dunklen, grauen Farben ein glanzlos nostalgisches Bild vom alten Hollywood mit all dem Prunk und gleichzeitig mit all den im Qualm eingehüllten Sünden und Begierden.

                                                    Herman "Mank" Mankiewicz, Legende und Genie der Kunst des Drehbuchschreibens, ist in der Mitte all dieser Heuchelei und Scheinheiligkeit in goldenen Lettern und im mächtigen Gebrüll des MGM Löwen. Er ist Meister und ein Fehler, gleichzeitig auch Hoffnung und MGM ein Dorn im Auge. Man will seine Schreibkünste, seinen leicht stechend riechenden und verspielten Charme und Charisma; man will seine gewitzten und tiefgründigen Worte hören - doch wirklich zuhören will man nicht, ihm Credit für sein Werk geben, ja ihn sogar zum Aushängeschild der literarischen Seite Hollywoods machen... davon wird schnell und kopfschüttelnd abgesehen.
                                                    Mank ist ein ambivalentes Phänomen, wie man es nur zu oft in Künstler seiner Ranghöhe trifft - zwischen sturzbetrunkenen Eskapaden, ersoffen im Alkohol und seinen komplexen Drehbuchmeisterstücken. Wenn das kein perfekter Filmstoff ist... Dazu kommt der eigenwillige Geist Orson Welles und der schöpferische oder doch eher politische Fanatismus der Produktionsfirmen der 30er und 40er Jahre.
                                                    Fincher bettet dieses ganze Konstrukt an obskuren Namen und Geschäften in den schwarz-grau-weißen Look dieser Zeit - und wie perfekt er das zusammen mit seinem Kameramann Messerschmidt geschafft hat. Doch ist es nicht nur das rein visuelle Erlebnis, das einen in die damalige Zeit katapultiert, sondern mindestens genauso ist es die audiovisuelle Erfahrung und der Stil, in dem der Ton, so wie das Bild dargeboten ist.
                                                    Ein "Love-Letter" (wie es hier viele nennen), der eigentlich gar keiner ist oder nur zu einem gewissen Ausmaß. Fincher blickt nostalgisch in die Vergangenheit des Films, jedoch zeigt er die zynisch selbstgerechte und machtverliebte Seite Hollywoods schon damals. Es ist kein geklärtes Bild der Goldenen Ära, so wie auch die Kinematographie des Film nur selten ein perfekt ungetrübtes Schwarz-Weiß Bild zeigt, sondern viel eher ein komplex geschachteltes System an Korruption und Macht - jedoch auch dem genialen Potenzial in den Köpfen der teils angetrunkenen Legenden und Koryphäen.
                                                    Eigentlich hat Gary Oldman seinen Oscar ja schon - jedoch frage ich mich, ob es nicht doch dieser Film hätte sein müssen, für den er seinen ersten bekommen hätte sollen. Egal, niemand hätte diese Rolle besser verkörpern können als er. Wieder einmal wird er zum Chamäleon und verschwindet im Geist des Herman Mankiewicz. Vielleicht wird das ja nun sein zweiter Goldjunge - wie passend.

                                                    Diesmal hat Fincher keinen schnellen, spannungsgeladenen, mystisch verzweigten Thriller inszeniert, auch wenn man bei nochmaligen Blick doch noch so einige Elemente davon auch hier findet. "Mank" ist ein Biopic der besonderen Art, wie man es bisher wohl noch nicht gesehen hat, eine Charakter- und Milieustudie, eine wahrheitsgemäße Satire und ein Kommentar und trotzdem gleichzeitig auch eine Liebeserklärung an die alte Kunst des Filmemachens.

                                                    Ein goldenes Meisterwerk in grau und Rauch und Alkohol: 9/10

                                                    10