Stefan Ishii
Es war Winter. Mein Vater alarmierte uns. Sie hatten die Leiche meines Onkels unbekleidet auf dem Fußboden gefunden. Eine Menschenmenge stand herum. Die Polizei drängte die Neugierigen zurück. Meine Verwandten waren vor Ort. Sie baten mich, hineinzugehen und die Sachen auszuwählen, in denen er beigesetzt werden sollte. Ich öffnete seinen Schrank, er war leer. Als ich mich erkundigte, woran er gestorben war, bekam ich zu hören: an der Traurigkeit. Diese Antwort stellte alle meine Erinnerungen an sein Leben in Frage. Ich glaube, meine Eltern haben einen Fehler gemacht, als sie mir als Kind sagten: "Halt dich vom Haus des Onkels fern." Von diesem Augenblick an hat mich alles, was er tat, interessiert. Rodolfo war anders. Er trug schrille Sachen, hörte Elvis und tanzte auf jeder Geburtstagsfeier. Seltsam war nur, dass der Stuhl an seiner Seite immer leer blieb. Er war unter den Brüdern meines Vaters der Einzige, der kein Schmied wie mein Großvater werden wollte. Im Paraguay der 80er Jahre, unter der Stroessner-Diktatur, wollte er Tänzer werden. Mein Film berichtet von der Suche nach den Spuren seines Lebens und der Entdeckung, dass er damals auf einer der "108er Listen" gestanden hatte und verhaftet und gefoltert worden war. Wenn heutzutage in Paraguay jemand von einem "108er" spricht, ist damit immer noch "Stricher, Schwuler" gemeint. Während der gesamten Zeit der Diktatur, die eine ganze Generation lang währte, waren Männer, die in Verdacht gerieten, homosexuell oder gegen das Regime zu sein, die bevorzugten Opfer der Kollaborateure. Als sie ihn freiließen, zog sich mein Onkel in seine Ecke zurück, bis die Wunden verheilt waren. Seine Geschichte enthüllt einen verborgenen und verschwiegenen Teil der Geschichte meines Landes. Renate Costa
Simon, ein junger Arzt aus Deutschland, ist verschwunden. Seine Wohnung in Marseille, wo er zuletzt gelebt und gearbeitet hat, ist verlassen. Seine Mutter Valerie ist verzweifelt – sie kann sich keinen Reim auf das Verschwinden ihres Sohns machen. In ihrer Not bittet sie Jens, den ehemaligen Freund und Geliebten von Simon, um Hilfe. Gemeinsam machen sie sich in Marseille auf die Suche.
Nader und Simin ist das preisgekrönte Ehedrama vom Iraner Asghar Farhadi.
Japan, die Witwe Akiko beschlißt ihre junge Tochter Ayako zu vermählen. Ayako zeigt jedoch kein Intresse an einer Hochzeit. Akiko stellt Ayako mit der Hilfe von drei Freunden ihres verstorbenen Mannes einige Kandidaten vor. Ayako möchte jedoch nicht, dass Ihre Mutter nach einer Hochzeit alleine lebt. Also entschließen sich die drei Männer auch Akiko zu vermählen.
Der junge Domenico, der in einem Vorort von Mailand wohnt, bewirbt sich bei einer Großfirma in der Stadt. Während des Eignungstests lernt er die attraktive Antonietta kennen, die auch um eine Stelle bemüht ist. Beide werden tatsächlich genommen und geraten in eine Welt, die völlig grotesk und unwirklich erscheint...
Werner Herzog besucht die Karibikinsel Guadeloupe, wo der Vulkan La Soufrière kurz vor einer Explosion stehen soll, welche die Sprengkraft mehrerer Atombomben hat. Dort hat sich ein einsamer Bauer trotz Evakuierung geweigert, seine Heimat zu verlassen. Er durchstreift die verlassene Stadt, begibt sich an den Krater des Vulkans und spricht mit den wenigen Menschen, welche totz der immanenten Lebensgefahr geblieben sind.
In Steve McQueens preisgekröntem Drama Shame muss ein von Sexsucht geplagter Michael Fassbender mit dem Besuch seiner psychisch labilen Schwester Carey Mulligan fertig werden.
Das japanische Melodram Die Mädchen der Ginza von Mikio Naruse erzählt das Schicksal einer jungen Witwe, die in Tokio lebt.
In Satanstango (OT: Sátántangó) schildert Béla Tarr in 450 Minuten die verheerende Geschichte einer überschaubaren Dorfgemeinschaft im Ungarn der 1980er Jahre.
Im taiwanesischen Drama Millennium Mambo erinnert sich Vicky (Shu Qi) an ihre zwei Romanzen in den Clubs von Taipei: In den zehn Jahren vor 2000 führt die Bardame eine On-off-Beziehung mit Hao-Hao. Als sie seine Kontrollsucht nicht länger aushält, plant sie ihn zu verlassen, sobald sie eine bestimmte Summe auf dem Konto angespart hat. Zugleich trifft sie auf Jack, der zu ihrem Beschützer und Freund wird. Doch welche Erwartungen hat sie an sich und die zwei Männer? Und kann sie zur Jahrtausendwende das Steuer ihres Lebens herumreißen? (ES)
Submarino dreht sich um die zwei Brüder, die sich seit Jahren nicht mehr gesehen haben und beide mit Drogenproblemen zu kämpfen haben. Als ihre Mutter stirbt, sehen sie sich wieder und beschließen, einen Neuanfang zu starten.
"Otôto" erzählt die Geschichte eines durchgeknallten Bruders und seiner warmherzigen und fürsorglichen Schwester. Obwohl der Junge für die Familie nur ein Ärgernis ist, genießt er das Vertrauen seiner Schwester. Doch ein Unfall bringt einen Bruch für die Beziehung.
In den französischen Drama Rückkehr ans Meer wird eine junge Drogenabhängige mit der Verantwortung konfrontiert, ein Kind von ihrem toten Partner auszutragen.
Taiwan im Jahre 2000. Der Staat hat mehrere Quarantänegebiete eröffnet, aufgrund der Taiwan-Grippe. Das Wasser ist giftig, der Himmel trüb und einige Wenige weigern sich ihre Wohnungen zu verlassen und Leben in Einsamkeit. Als eine Frau den Klempner bestellt, hinterlässt dieser ein risieges Loch in ihrer Decke, in das sich prompt ein Nachbar übergibt.
In Sofia Coppolas Drama Somewhere versucht Stephen Dorff als berühmter Hollywood-Star die Beziehung zu seiner Tochter Elle Fanning zu kitten.
Mit Pina setzt Regisseur Wim Wenders der titelgebenden Tänzerin Pina Bausch ein mitreißendes, inspirierendes sowie kraftvolles Denkmal des Tanzes.
In Robert Bressons Ausbruchs-Drama Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen bleibt einem Resistance-Kämpfer nur ein Versuch, um vor seiner Hinrichtung aus einem Wehrmachtgefängnis zu entkommen.
In Yasujiro Ozus Drama Weizenherbst steht die Vermählung der Tochter im Mittelpunkt.
Der verwitwete Professor Shukichi Somiya hat eine Tochter im heiratsfähigen Alter namens Noriko. Der möchte sie verheiraten. Allerdings will Noriko lieber bei ihrem Vater leben, da sie ihn nicht allein lassen möchte. Um ihr das Verlassen des väterlichen Hauses zu vereinfachen, täuscht Somiya eine Beziehung zu einer jüngeren Frau vor.
Nach Babel, 21 Gramm und Amores Perros zeichnet Alejandro González Iñárritu in seinem neuen Film das Porträt eines Mannes, der anderen versucht zu helfen, um sich selbst zu retten. Biutiful ist ein Film voller Poesie, ein Gedicht über Liebe, Glaube, Hoffnung und Vergebung – kürzlich gleich zweifach für den Oscar nominiert (Bester Hauptdarsteller, Bester ausländischer Film).
Biutiful erzählt die Geschichte von Uxbal (Oscar-Gewinner Javier Bardem): Hingebungsvoller Vater, verzweifelter Liebhaber und Kleinganove im Untergrund. Ein Mann, den die Last seines Lebens und immer neuer Herausforderungen erdrücken würde, hätte er nicht die Liebe zu seinen Kindern Ana und Mateo. Sie hält ihn aufrecht, wenn es nicht weiterzugehen scheint, gibt ihm Kraft, wenn er das Licht am anderen Ende des Tunnels aus den Augen verliert. Für ihr Leben gibt Uxbal alles, während er mit nicht immer legalen Mitteln versucht, zu überleben. Wie ein Wanderer bewegt sich Uxbal zwischen den Welten am Rande eines modernen, unbekannten Barcelona, auf der Suche nach Versöhnung mit seiner Frau Marambra, seinen Kindern und doch letztendlich mit sich selbst.
Tsai Ming Liangs Durchbruchsfilm erzählt in stilisierten Bildern eine bittersüße Geschichte aus dem modernen Taiwan über Liebe, Eifersucht und Zurückweisung. 1994 gewann das Drama den Goldenen Löwen in Venedig.
In Engel in Amerika müssen sich drei homosexuelle Männer mit HIV und Aids im Amerika der 1980er Jahre auseinandersetzen.
Tokio 1945. In seinem Luftschutzbunker empfängt der japanische Kaiser Hirohito über das Radio die neuesten Kriegsnachrichten. Es sind ausnahmslos Schreckensmeldungen über den Verlust japanischer Soldaten an der Kriegsfront. Japan steht kurz vor der Besetzung durch die amerikanischen Streitkräfte, doch das Volk scheint entschlossen, weiter zu kämpfen. Die antiamerikanische Propaganda stößt auf fruchtbaren Boden und die Soldaten leisten erbitterten Widerstand gegen die Eindringlinge. Auch Hirohitos Kriegsminister setzt trotz auswegloser Lage weiter auf den Patriotismus der Militärs; er werde die unzureichende technische Ausstattung der Armee schon kompensieren. Das japanische Volk werde schließlich von einem Kaiser göttlicher Abstammung geführt. Dieser Kaiser aber wird es nicht müde, gegenüber seinem Kabinett, aber auch seinen Dienern zu betonen, dass er einen Körper habe wie sie auch. Hirohito verlässt den Bunker nur, um sich seinen Forschungen in Meeresbiologie zu widmen. Versunken in das Studium kleiner Tierchen, die man nur in Japan findet, reflektiert Hirohito die Ursachen des Kriegs und die Auswirkungen, die die Niederlage auf sein Volk haben wird. Wieder zurück im Bunker formuliert er in einem Brief an seinen Sohn ein erstes Eingeständnis der Niederlage. Schon kurz darauf stehen die Amerikaner vor der Tür und der Kaiser wird durch die Ruinen Tokios ins Hauptquartier der Siegermacht gefahren - zu General Douglas MacArthur. Ihre Begegnung ist ein Schock der Kulturen: Das siegreiche Militär mokiert sich offen über einen "infantilen" Kaiser, der wie aus einer anderen Zeit zu kommen scheint. In ihren darauffolgenden Gesprächen geht es vor allem um die Zukunft Hirohitos - entweder als konstitutioneller Monarch oder als Kriegsverbrecher.