Strackymandias - Kommentare
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Alle Kommentare von Strackymandias
https://youtu.be/QNzzJzdgUto
Wow, das sieht wundervoll düster, unheimlich aber auch verschroben und skurril aus. Als hätte Jeunet Hard to Be a God inszeniert. Bin sehr interessiert!
Ne sorry, der hat mir leider nicht besonders viel gegeben. Langsam, zu lang und recht antiklimaktisch. So ganz habe ich nicht verstanden, was mir der Film sagen wollte. Für eine Behandlung der Beziehung zwischen Ureinwohnern und Kolonisten war er ziemlich flach (und stellenweise auch klischeehaft), für eine Hommage an alte Abenteuerfilme fehlte mir die Abenteuerlichkeit. Etwas, das mich in Ehrfurcht und Staunen versetzt. Stattdessen fand ich den Film erschreckend öde (gerade auch im Vergleich zum deutlich besseren "Der Schamane und die Schlange"), trotz der hübschen Bilder von Darius Khondji und guten darstellerischen Leistungen von Charlie Hunnam und Robert Pattinson (den ich gar nicht erkannt hatte!).
PS: Was zur Hölle war denn die Ansprache in der Royal Geographic Society? Das sollte wohl mitreißend wirken und Leidenschaft entfachen, aber auf mich wirkte das ungeheuer kitschig und fast etwas peinlich. Da fällt mir wieder auf, wie viel besser ich in der Hinsicht Darkest Hour fand. Dort hat man auch einen Mann, der eine Rede in britischem Akzent hält/brüllt, aber da hat es für mich funktioniert.
Japanuary 2018, Teil 6:
Takeshi Kitano (Ja, der Takeshi von der Game-Show) kombiniert meditatives Drama mit Yakuza-Coolness und heraus kommt ein eigenwilliges, poetisches Werk von Bitterkeit, Poesie und leisem Humor. Takeshi spielt die Hauptrolle des kaputten Cops Nishi so stoisch und maulfaul, dass man anfangs beinahe von einer Verweigerung des Schauspiels reden könnte. Im Verlauf des Filmes gewöhnt man sich jedoch an den Charakter und beginnt auf minimale Gesichtsregungen und emotionale Reaktionen Acht zu geben. Der Protagonist wird zwar nicht jedermanns Sache sein, ich bin jedoch von Takeshi sehr beeidruckt. Ebenfalls nicht unbedingt massentauglich, jedoch in meinen Augen äußerst interessant, ist der Schnitt, welcher oft die Erwartungen des Zuschauers unterwandert und überraschende Zusammenhänge herstellt (Stichwort: Maler). Doch trotz aller Qualitäten würde der Film wohl kaum funktionieren ohne die (wie so oft) famose Filmmusik meines Lieblingskomponisten Joe Hisaishi. Tatsächlich dürfte die Musik zu Hana-bi sogar die Filmmusik aus seiner Feder sein, die ich bisher am häufigsten gehört habe. Großartiges Asia-Arthauskino.
Oscar-Special, Teil 5: Call Me By Your Name
„Right now, there's sorrow, pain. Don't kill it and with it the joy you've felt.“
1983, irgendwo in Norditalien: Der 17-jährige, hochintelligente Elio Perlman (Timothée Chalamet), Sohn eines amerikanischen Archäologieprofessors (Michael Stuhlbarg), verbringt den Sommer mit dem Lesen von Büchern und Transkribieren klassischer Musik. Abwechslung kommt in die Eintönigkeit, als der 24-jährige Promotionsstudent Oliver (Armie Hammer) vorübergehend bei den Perlmans einzieht, um an seiner Doktorarbeit zu arbeiten. Im Gegensatz zum introvertierten Elio, ist der gutaussehende Oliver ausgelassen, impulsiv und findet schnell Anschluss an die örtliche Bevölkerung. Während Elio anfangs wenig übrig hat für den neuen Mitbewohner entwickelt sich im Verlauf der folgenden Wochen zwischen den beiden zunächst eine Freundschaft und darauffolgend etwas noch viel stärkeres.
Das Queer Cinema boomt. In den letzten Jahren gehörten „Carol“, „The Handmaiden“ und „Moonlight“ zu meinen Lieblingsfilmen des jeweiligen Jahres und „Call Me By Your Name“ ist ebenfalls ein wunderschöner Film geworden. In der Darstellung der Liebesbeziehung unterscheidet er sich allerdings von den anderen genannten Filmen in der Hinsicht, dass die sexuelle Orientierung für den Handlungsverlauf kaum eine Rolle spielt. Der Film ist sehr ruhig, nostalgisch und feinfühlig erzählt. Die Charaktere werden nicht mit Verfolgung oder Ausgrenzung konfrontiert, Homophobie, HIV oder andere typische Handlungselemente des homosexuellen Filmes spielen keine Rolle. Hier werden aus der Sicht eines Heranwachsenden dessen erste Erfahrungen mit Liebe, Sexualität und Kummer geschildert, einfühlsam und empathisch, dennoch aber stets natürlich und kitschfrei.
Produktionsdesign, wie Bildgestaltung strahlen eine starke Wärme aus und zwischen verschlafenen Dörfern, grünen Wiesen und Grillenzirpen spürt man im Kinosaal förmlich den italienischen Sommer. Großen Respekt an den italienischen Regisseur Luca Guadagnino („A Bigger Splash“) der hier mit dem Kameramann Sayombhu Mukdeeprom („Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben“) Bilder schafft, in denen man am liebsten Urlaub machen würde.
Und dann die Schauspieler. Wow, Armie Hammer schafft es nicht nur, selbst in kurzen beigen Hosen mit reingestecktem Hemd elegant auszusehen und in einer der vergnüglichsten Szenen herrlich 80s-mäßig zu „Love My Way“ (dessen erste Zeile passenderweise „There‘s an army on the dance floor“ lautet) zu tanzen, sondern spielt hier auch so gut, wie noch nie zuvor. Nachdem er in The Social Network in einer Doppelrolle erstmals positiv aufgefallen war, spielte er nach Flops, wie Lone Ranger und (dem recht unterhaltsamen) The Man from U.N.C.L.E. erst einmal kaum noch eine Rolle. Zu Unrecht, wie man hier sieht. Bei den Golden Globes wurde er als bester Nebendarsteller nominiert und demnächst dürfte er wohl keine Probleme mehr haben, Rollen zu finden. Noch besser fand ich unter den Nebendarstellern allerdings Michael Stuhlbarg. Dieser gehört in meinen Augen nach Performances in A Serious Man, Steve Jobs und Fargo sowieso schon zu den wandlungsfähigsten Darstellern und ist dieses Jahr sogar in drei Oscar-Kandidaten zu sehen (zusätzlich noch in The Post und The Shape of Water). Als liebevoller, leicht verschrobener Intellektueller hat er mich hier aber besonders begeistert. Insbesondere nach dem Schicksal seiner Figur in Fargo hat es mich enorm gefreut, ihn hier als durchweg positiven Charakter zu sehen und die Wärme, die er ausstrahlt hat mich sehr an einen Robin Williams in Good Will Hunting erinnert. Im Verlauf des Filmes spielt Prof. Perlman zwar eher eine untergeordnete Rolle (auch wenn seine Auftritte einfach toll sind), doch sein Monolog gegen Ende gehört für mich zu den besten Szenen des (letzten) Jahres. Großartig geschrieben („But feel nothing so as not to feel anything - what a waste!“ ♥) und so famos gespielt, dass ich etwas enttäuscht bin, dass Stuhlbarg dieses Jahr nicht nominiert wurde, dafür aber Woody Harrelson (der gut war, aber nicht unbedingt Oscar-reif) und Christopher Plummer (dessen Nominierung einen etwas politischen Beigeschmack hat). Wird echt mal Zeit, dass er die Anerkennung findet, die er verdient!
Doch die Entdeckung des Filmes ist zweifellos der, während des Drehs gerade einmal 20-jährige Timothée Chalamet (Matthew McConaugheys Sohn in Interstellar). Ich meinte letzte Woche noch, dass Gary Oldman den Oscar sicher hat und bin davon immer noch überzeugt, aber wenn es nach mir ginge, müsste Chalamet gewinnen. Alles an seiner Performance wirkt gleichermaßen natürlich, wie perfekt choreografiert. Chalamets Bewegungen, seine Körpersprache und seine subtile Emotionalität, all das spricht für ein enormes schauspielerisches Talent (und das erkenne selbst ich als kompletter Laie). Und dann sein Schauspiel im dritten Akt… absolut grandios! Wenn dieser Junge repräsentativ ist für die nächste Schauspielergeneration, dann ist das Kino in guten Händen. Chalamet erhielt zurecht Preise mehrerer Kritikergilden (u.a. LA, New York, London und Chicago) und wenn er im März wider erwarten doch bei den Oscars gewinnt, wäre das eine wunderbare Sensation. Die letzte Einstellung des Filmes, in welcher Chalamet nochmals eine große Bandbreite von Emotionen abrufen kann, wird mich wohl noch lange begleiten, auch wegen der melancholischen Musik vom gefeierten Indie-Musiker Sufjan Stevens, der zwei neu komponierte Lieder zum Film beisteuert, u.a. anderem das Oscar-nominierte „Mystery of Love“, derzeit mein Wunschsieger der Kategorie.
Bei allem überschwänglichen Lob muss allerdings auch etwas Platz für Kritik sein. Der Film ist mit 132 Minuten nicht nur der längste, für den Hauptpreis nominierte Film, sondern auch schlichtweg zu lang dafür, dass er so entspannt und arm an Dramatik ist. Andererseits braucht der Film auch gerade am Anfang die Zeit, die er sich nimmt, um Charaktere einzuführen und bis zum dritten Akt hat man auch bereits eine solche Bindung aufgebaut, dass man sehr mit diesen mitfühlt.
Ein weiteres Problem war es für mich, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel Zeit während des Filmes vergeht. In einer Szene spricht Oliver davon, wie bereits Monate vergangen wären, ohne dass man davon als Zuschauer wirklich etwas davon mitbekommen hat. Infolgedessen kommt auch der Beginn der Liebesbeziehung zwischen Elio und Oliver etwas überraschend und plötzlich.
Fazit: „Call Me By Your Name“ ist einer der wundervollsten Coming-of-Age-Filme, die ich seit langem gesehen habe. Stark gespielt (besonders vom Oscar-reifen Newcomer Chalamet), reich an tollen Zitaten, schöner Musik und mit einer sommerlichen, nostalgischen Stimmung. Zudem freut es mich, einen Film zu sehen, der homosexuelle Liebe so normal, klischeefrei und undramatisch darstellt. Nur die lange Laufzeit und Probleme im Pacing, welches an kritischen Stellen etwas übereilt wirkt, verhindern eine noch höhere Wertung und knapp einen Platz in meiner Jahres-Top-5. Dennoch ein Film, den ich beinahe uneingeschränkt empfehlen kann.
Oscar-Nominierungen (4):
Film
Hauptdarsteller
Drehbuch-Adaption (nach der Buchvorlage „Rufe mich bei deinem Namen“ von André Aciman)
Song („Mystery of Love“ von Sufjan Stevens)
Chancen (1)
Drehbuch-Adaption (James Ivory, Favorit)
möglich, aber unwahrscheinlich:
Hauptdarsteller (Oldman hat einfach durch Globes, SAG und Critic‘s Choice zu viel Buzz aufgebaut)
Song (geht wohl an „Remember Me“ aus Coco oder „This Is Me“ aus The Greatest Showman, Sufjan wird für die Oscars zu subtil, intellektuell und sanft sein)
Japanuary 2018, Teil 5 (ja, die geplanten 8 Filme schaffe ich nicht ganz):
Holy Shit, was für ein heftiger Mindfuck. Ein verwirrender, desorientierend und assoziativ geschnittener Trip durch die Psyche eines Idols, welches versucht als Schauspielerin Fuß zu fassen und beim Dreh einer Krimi-Serie ihren Verstand zu verlieren scheint. Gleichermaßen eine Abrechnung mit der japanischen Unterhaltungsindustrie und schlicht ein sauspannender Psychothriller, reich an unerwarteten Wendungen und raffinierten Metaebenen. Keine leichte Kost, aber für (erwachsene!) Anime-Fans sehr zu empfehlen.
Allerdings in Punkto Animation und Musik nicht perfekt gealtert. Man sieht ihm die 90er-Jahre schon an.
PS: Darren Aronofsky hat sich bei Requiem for a Dream und Black Swan eindeutig hieran bedient, sowohl an Bildern (besonders bei Requiem) als auch an der Story (Black Swan).
Oscar-Special, Teil 4: Darkest Hour
Neben Spielberg/Hanks-Kollaborationen haben auch historische Biopics stets einen festen Platz bei den Oscars. Dieses Jahr füllt diese Lücke „Darkest Hour“, ein Film über Winston Churchills Amtsübernahme während des Zweiten Weltkrieges. Anders als die anderen acht Filme, die in der Hauptkategorie nominiert wurden, wirkt der Film allerdings recht unzeitgemäß in seiner Heroisierung einer nicht unumstrittenen Figur. Von allen Nominierten hat wohl ein britischer Historienfilm über einen ruppigen, oft unangenehmen Premierminister die geringsten Chancen zu gewinnen. Trotz allem muss ich sagen, dass ich überrascht war, wie gut mir der Film am Ende doch gefallen hat.
Die Story ist recht simpel: Die Deutschen marschieren in Frankreich ein und der Premierminister Neville Chamberlain wird seines Amts enthoben, da er als ungeeignet für den Krieg angesehen wird. Sein Nachfolger wird der nicht gerade subtile, aber beim Volk beliebte Winston Churchill (Gary Oldman), der sich von nun an in der Befehlszentrale der Streitkräfte gegen seine politischen Konkurrenten behaupten muss, welche auf Friedensbemühungen mit Hitler bestehen.
Was die Handlung des Filmes betrifft, überrascht er kaum. Die Struktur könnte nicht gewöhnlicher sein, Churchill ist genau die Figur, die man erwarten würde und es dürfte wohl kaum ein Spoiler sein, sein zu verraten, dass der Film mit Churchills berühmtester Rede endet. Insofern kann ich auch verstehen, wenn der Film von allen Nominierten die am wenigsten euphorischen Kritiken bekam. Dass er dennoch so gut funktioniert und mir hervorragend gefallen hat, liegt an seiner Inszenierung und den darstellerischen Leistungen.
Der Cast ist bis in die Nebenrollen vorzüglich besetzt. Sei es ein Ronald Pickup, der Nevill Chamberlain zum Verwechseln ähnlich sieht, Ben Mendelsohn als König George IV. (Colin Firths Rolle in The King‘s Speech), Kristin Scott Thomas als Clementine Churchill oder insbesondere die bezaubernde Lily James („Cinderella“, „Baby Driver“) als Churchills junge Sekretärin Elizabeth Layton. Doch alles überragend ist natürlich Gary Oldmans Performance als Churchill. Oldman hat sowieso schon wegen seiner Wandlungsfähigkeit den Ruf eines schauspielerischen Chamäleons, aber hier verschwindet er völlig hinter der Figur des Churchill. Zu keiner Sekunde hatte ich das Gefühl, einen Gary Oldman in Make-Up zu sehen. Das hier ist Churchill, genau wie man ihn sich vorstellt! Natürlich muss man auch das phänomenal lebensechte Make-Up hervorheben, welches die Performance kaum zu beeinflussen scheint und bestimmt mit einem Oscar prämiert werden wird, aber was Oldman hier abliefert ist eine Bestleistung für den ohnehin schon famosen britischen Charakterdarsteller. In der Vergangenheit lieferte er stets großartiges Schauspiel ab, in Genrefilmen wie „Dracula“, „The Fifth Element“ oder „The Dark Knight“, wie auch in Dramen, z.B. dem Spionagefilm „Tinker, Taylor, Soldier, Spy“ für den er 2012 erstmals für einen Oscar nominiert wurde. Und dieses Jahr wird er ihn definitiv gewinnen. Sein Churchill sieht nicht nur aus wie das Original, er trifft auch perfekt dessen Stimmlage und Sprechweise, samt Akzent, Nuscheln und Sprachfehler (im Original ist er daher auch nicht einfach zu verstehen). Darüber hinaus schafft er es jedoch auch dem Charakter eine Tiefe zu verleihen, die man nicht unbedingt erwartet hätte. Im Verlaufe des Filmes sieht man Churchill nicht nur als den großen Redenschreiber und Kriegsstrategen, sondern auch geplagt von Selbstzweifeln und Gewissensbissen aufgrund folgenschwerer Fehlentscheidungen.
Dass der Film toll gespielt sein wird, hatte ich erwartet, nicht jedoch dass er so vorzüglich inszeniert ist. Zunächst einmal ist der Film klassisches Ausstattungskino, mit Unmassen aufwändiger und detailgetreuer Kulissen und Kostüme. Doch was mich mit am meisten begeistert hat waren die ungeahnt kreativen Bildkompositionen, welche Regisseur Joe Wright („Pride and Prejudice“, „Atonement“, „Hanna“) hier mit Jean-Pierre Jeunets Stammkameramann Bruno Delbonnel („Amelie“, „Inside Llewyn Davis“) geschaffen hat. Allein schon wie in der ersten Szene die Kamera in einem schwindelerregenden Long Take ins House of Lords eintaucht und an mehreren Schlüsselfiguren des Parlaments vorbeigleitet, ist atemberaubend. Der Film ist voll solch wundervoller, visueller Ideen, sei es die Luftaufnahme eines Schlachtfeldes, welches nahtlos in das Gesicht eines gefallenen Soldaten überblendet oder Churchills Flugzeug, welches ein kleiner Junge (und somit wir als Zuschauer) durch ein Loch, welches er mit seiner Hand formt, betrachtet. Er schließt seine Hand und das Flugzeug wird von Schwärze verschlungen. Fantastisch! Solche Einfälle sind jedoch nicht nur visuelle Spielereien, sondern dienen dem tieferen Zweck, die scheinbare Aussichtslosigkeit der Situation zu verdeutlichen, in welcher sich Churchill und das gesamte britische Volk befindet. Der Zeitdruck verdeutlicht sich wohl am stärksten in den riesigen, leinwandfüllenden Datumsangaben, welche oft als Szenenübergang verwendet werden, sowie durch die mitreißende Filmmusik von Dario Marianelli („V for Vendetta“, „Atonement“), welche mit ihren Ostinati positiv an Alexandre Desplats Musik zur Alan-Turing-Biografie „The Imitation Game“ erinnert. Ich hätte mich auch sehr gefreut, wenn Marianellis Musik nominiert worden wäre, ich fand sie besser als z.B. John Williams‘ Musik zum letzten Star Wars.
Fazit: Nach „Atonement“ ist es Regisseur Joe Wright wieder gelungen, einen mitreißenden, britischen Historienfilm zu schaffen, welcher dank eines phänomenalen Gary Oldman und einer durchdachten, kreativen Bildgestaltung über die vorhersehbare Handlung hinwegtäuscht. Nicht gerade der beste Oscar-Kandidat, aber ich hatte hiermit zumindest viel mehr Spaß als mit „The Post“.
Oscar-Nominierungen (6):
Film (Favoriten: The Shape of Water und Three Billboards Outside Ebbing, Missouri)
Hauptdarsteller (Favorit: Gary Oldman für Darkest Hour)
Kamera (Favorit: Blader Runner 2049)
Szenenbild (Favoriten: Blade Runner 2049, The Shape of Water)
Kostüme (Favorit: Phantom Thread)
Make-Up (Favorit: Darkest Hour)
Oscar-Chancen (2)
Hauptdarsteller
Make-Up
Hier ein paar Worte zu den heutigen Oscar-Nominierungen:
Ich bin wirklich zufrieden. Die Diversität, die wir dieses Jahr zu Gesicht bekommen ist beinahe unglaublich. Von Komödien, über Coming-of-Age, Action, Fantasy, Science-Fiction und den üblichen Geschichtsdramen bis hin zum Horrorthriller ist beinahe alles an hochwertiger Kinounterhaltung abgedeckt, was das letzte Kinojahr zu bieten hatte.
Insgesamt waren alle Kategorien größtenteils vorhersehbar, was aber natürlich nichts Schlechtes ist. Wenn sich im Vorfeld bereits viele Leute einig darüber waren, welche Filme eine Nominierung verdient haben, dann wird da schon etwas dran sein. Dennoch gab es aber auch ein paar kleinere Überraschungen, negative wie positive.
Fange ich mit den negativen an: Blade Runner 2049 ist zwar für 5 Oscars nominiert, jedoch in keiner Hauptkategorie. Nominierungen für Bester Film, Regie, Schnitt und evtl. Drehbuch-Adaption hätte ich hier gern gesehen. Allerdings hat der Film auch vorangegangenen Preisen wenig abräumen können, weshalb es nicht überrascht, dass er sich auch hier leider mit Technikkategorien begnügen muss. Hoffentlich gewinnt er wenigstens Beste Kamera, Roger Deakins ist einer der besten aktiven Kameramänner und dieses Jahr bereits zum 14. (!) Mal nominiert.
Des weiteren fehlt mir die Nominierung von James Franco, der in der Rolle des Tommy Wiseau in The Disaster Artist völlig verschwindet und eine oscarreife Leistung abgeliefert hat. Dass er fehlt und dafür Denzel Washington für Roman J. Israel, Esq. (einzige Nominierung für den Film) nominiert ist, halte ich (nach jüngsten Fehlverhaltens-Anschuldigungen) für eine politische Entscheidung, ebenso wie die Nebendarsteller-Nominierung für Christopher Plummer, welcher in Nachdrehs für All The Money In The World (ebenfalls einzige Nominierung) den gefeuerten Kevin Spacey ersetzte. Plummer verdrängt somit Armie Hammer und Michael Stuhlbarg, die Nebendarsteller aus Call Me By Your Name, ebenso wie es auch Woody Harrelsons Nominierung für Three Billboards Outside Ebbing, Missouri macht. Ich mag Woody enorm in Three Billboards, aber es ist eben auch Sam Rockwell in der selben Kategorie für selbigen Film nominiert und ich befürchte, dass sich die Stimmen dadurch aufteilen könnten und das Rockwell den Sieg kosten könnte.
Und noch ein dritter Aufreger: Bester Animationsfilm, das Sorgenkind der Oscars. Wieso nominiert man bitte einen Boss Baby und einen Ferdinand, wenn man auf der Shortlist auch mehrere Anime findet, wie z.B. den fantastischen Koe No Katachi - A Silent Voice oder In This Corner of the World, den Gewinner des japanischen Filmpreises. Wenn man unbedingt in Amerika bleiben will, hätte man ja auch The LEGO Batman Movie oder Captain Underpants: The First Epic Movie nominieren können! Naja, Coco wird eh gewinnen, von daher ist meine Aufregung wohl unbegründet. Dennoch schade!
Doch genug geärgert, schließlich sind die meisten Nominierungen superb und es gab ja auch ein paar positive Überraschungen. Z.B. dass Kumail Nanjiani und seine Ehefrau Emily V. Gordon für das Drehbuch zu The Big Sick nominiert sind. Die Kategorie zählt mit GDT für Shape of Water, Jordon Peele für Get Out, McDonagh für Three Billboards und Greta Gerwig <3 für Lady Bird sowieso zu den Stärksten! Ebenfalls sehr gut finde ich die Kandidaten für Beste Regie (GDT, Nolan, Peele, Gerwig und P. T. Anderson) und Hauptdarstellerin (McDormand für Three Billboards, Hawkins für Shape of Water, Saoirse <3 für Lady Bird und Streep für The Post). The Post gehört mit nur zwei Nominierungen übrigens zu den größten Verlieren. Im Gegensatz dazu konnte Andersons Phantom Thread mehr einheimsen, als ich für möglich gehalten hätte. Nach There Will Be Blood und Inherent Vice freue ich mich auf alles neuen Filme von Anderson!
Doch zurück zum Drehbuch. In der Schwesterkategorie Drehbuch-Adaption schaffte es erstmals ein Superheldenfilm, nämlich der großartige Mutanten-Spätwestern Logan. Freue mich sehr! Hier ist auch Mudbound nominiert. Insgesamt 4 Nominierungen (dazu noch Nebendarstellerin, Kamera und Song) bekam der Film und ist somit die erste Oscar-nominierte Netflix-Produktion. Chapeau, sehr verdient!
Dieses Jahr ist übrigens auch eines der wenigen, in dem mir alle nominierten Songs gefallen: "Remember Me" aus Coco, "This Is Me" aus The Greatest Showman, "Mighty River" aus Mudbound, Sufjan Stevens' "Mystery of Love" aus Call Me By Your Name und Commons "Stand Up for Something" aus Marshall.
Eine kleinere Kuriosität gab es noch in der Kategorie des fremdsprachigen Filmes. Unser Landsmann Fatih Akin, der bereits Golden Globe und Critic's Choice Award für den NSU-Film Aus dem Nichts gewann, ist nicht einmal nominiert. Manch einen mag das wohl enttäuschen, aber der Film hat auch nicht die besten Kritiken bekommen, deshalb hatte ich kaum erwartet, dass er bei der Academy gute Karten hat. Dann doch eher Chiles Transsexuellen-Drama A Fantastic Women, Schwedens Kunstsatire The Square (Gewinner der Europäischen Filmpreises) oder Russlands Loveless.
Somit beschränkt sich die deutsche Beteiligung diesmal auf Hans Zimmer, Katja Benrath (Kurzfilm für WATU WOTE - All of us) und Jakob Schuh & Jan Lachauer (animierter Kurzfilm für Revolting Rhymes). Benrath hat bereits den Goldenen Studentenoscar für den Film gewonnen und hat tatsächlich nicht die schlechtesten Chancen.
Vorhersage Oscars 2017
Bester Film: Shape of Water vs. Three Billboards
Bester Regisseur: Guillermo Del Toro (Shape of Water)
Bester Hauptdarsteller: Gary Oldman (Darkest Hour)
Beste Hauptdarstellerin: Francis McDormand (Three Billboards)
Bester Nebendarsteller: Sam Rockwell (Three Billboards)
Beste Nebendarstellerin: Allison Janney (I, Tonya)
Bester Animationsfilm: Coco
Beste Kamera: Roger Deakins (Blade Runner 2049)
Bestes Kostümdesign: Mark Bridges (Phantom Thread)
Bester Dokumentarfilm: Visages, Villages (Agnès Varda und JR)
Bester Schnitt: Lee Smith (Dunkirk)
Bestes Make-Up: The Darkest Hour
Beste Filmmusik: Alexandre Desplat (The Shape of Water)
Bester Song: „Remember Me“ (Coco)
Bestes Szenenbild: Paul D. Austerberry (The Shape of Water)
Bester animierter Kurzfilm: Lou (Disney Pixar)
Bester Kurzfilm: kp, ich tippe mal auf unsere Landsleute von Watu Wote (Katja Benrath, Tobias Rosen)
Bester Kurzdokumentarfilm: kp, wie immer. Evtl. Edith+Eddie?
Bester Tonschnitt: Dunkirk
Bester Ton: Blade Runner 2049 (vmtl. Aber Dunkirk)
Beste visuelle Effekte: War for the Planet of the Apes
Bestes adaptiertes Drehbuch: James Ivory (Call Me By Your Name)
Bestes Original-Drehbuch: Jordan Peele (Get Out)
Bester fremdsprachiger Film: The Square
The Shape of Water: 3-4
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri: 2-3
Dunkirk: 2-3
Coco: 2
Blade Runner 2049: 1-2
The Darkest Hour: 1
Get Out: 1
Call Me By Your Name: 1
Phantom Thread: 1
War for the Planet of the Apes: 1
Visages, Villages: 1
The Square: 1
Oscar-Special, Teil 3: The Post
Wenn der legendäre Steven Spielberg, einer der angesehensten Regisseure der letzten 40 Jahre in Zeiten von „Fake News“ einen Film über Pressefreiheit dreht und in den Hauptrollen Tom Hanks und Meryl Streep besetzt, dann kann das doch nur einen wahren Regen an Filmpreisen bedeuten, oder? Nun ja, nicht ganz. Einerseits haben wir es dieses Jahr mit der wohl diversesten und herausragendsten Oscar-Saison seit Jahren zu tun und andererseits ist „The Post“ auch einfach nicht so gut.
Spielberg ist ein genialer Regisseur, Streep und Hanks dürfte wohl jeder gern auf der Leinwand sehen und wenn John Williams zur Feder greift, fließt Musik aus seinen Händen direkt aufs Notenblatt. Alle diese Qualitäten finden sich auch in „The Post“ wieder, doch leider ist der Film nicht mehr, sondern sogar eher weniger als die Summe seiner Bestandteile und konnte mich in letzter Konsequenz kaum mitreißen.
Der Film beginnt mit einer Einführungssequenz in Vietnam. Erstes Geräusch nach der Fox-Fanfare: Creedence Clearwater Revival. Kein Witz, der Meister beginnt seinen Film mit dem wohl größten Musikklischee der Kriegsfilmgeschichte. Naja, wenigstens ist es diesmal „Green River“ und nicht „Fortunate Son“. Nach der erschreckend billig aussehenden Vietnamszene geht es zurück nach Amerika, genauer gesagt nach Washington D.C., wo Katharine Graham (Streep), Herausgeberin der Washington Post, sich gezwungen sieht, mit ihrem Familienunternehmen (sie erbte die Zeitung von ihrem verstorbenen Ehemann) an die Börse zu gehen. Parallel dazu leakt der ehemalige Militärberichterstatter Daniel Ellsberg höchst brisante Regierungsdokumente bezüglich der Verwicklung der USA in den Ausbruch des Vietnamkrieges an Reporter der New York Times. Ben Bradlee (Hanks), Chefredakteur der Post, hat Lunte gerochen und möchte selbstredend auch teilhaben an den Geheimakten. Der Hype um die „Pentagon Papers“ missfällt natürlich der Nixon-Regierung enorm und das Weiße Haus droht Anklage zu erheben, sollten erneut Bestandteile der Akten publik gemacht werden. Katherine Graham steht vor einer folgenschweren Entscheidung: Soll sie die „Papers“ veröffentlichen und somit riskieren Sponsoren zu verlieren oder gar ins Gefängnis zu gehen oder schweigen und sich somit von der Politik zensieren lassen.
Die Geschichte von „The Post“ ist spannend und im aktuellen amerikanischen Politklima hochbrisant, leider wird der Film gerade in der ersten Hälfte stark ausgebremst durch Szenen, welche dem Zuschauer den Charakter von Meryl Streep näher bringen sollen. Alles rund um den Börsengang der Washington Post zeichnet Katherine Graham als verunsicherte Frau in einem eindeutig maskulin dominierten Business. Leider schaffte es der Film nicht, mir ihre Charakterentwicklung glaubhaft zu machen, wofür ich jedoch weniger Streep verantwortlich mache (welche mal wieder absolut fabelhaft spielt), als Drehbuch und Inszenierung. Spielberg war noch nie ein Mann von Subtilität und auch hier greift er des öfteren unnötigerweise zur Pathoskeule. Die Nebenhandlung über Geschlechterrollen am Anfang der 70er hätte es für mich nicht auch noch gebraucht, die „Pentagon Papers“ liefern alleine schon genug Zündstoff und das Material für einen packenden Politthriller. Während die eigentliche Haupthandlung in der ersten Hälfte noch etwas zu stark in den Hintergrund rückt, hat mich die zweite Hälfte umso mehr gepackt.
Hier schafft Spielberg mit seinem langjährigen Kameramann (bzw. -magier) Janusz Kaminski Bildkompositionen, wie man es von einem Film über Männer, die Akten hin- und hertragen (und teilweise auch sortieren) nie für möglich gehalten hätte und zeigt uns mal wieder allen, was für ein meisterhafter visueller Geschichtenerzähler er ist. Gegen Ende gibt es eine Szene, in der Druckmaschinen anlaufen und das Rütteln im Redaktionsraum darüber sichtlich spürbar ist. Die Zeitung setzt Sachen in Bewegung, metaphorisch wie physisch. Chapeau! Auch darüber hinaus ist der Film, abgesehen vom Vietnam-Anfang, unfassbar gut anzusehen: Das Setdesign strotzt vor Detailverliebtheit, Spielberg ist ein Meister darin Menschenmengen zu orchestrieren und perfekt zu arrangieren und die Kameraarbeit ist superb. Wie die Kamera schwerelos in teils endlos wirkenden Plansequenzen durch die Redaktion der Post schwebt und um Akteure kreist ist eine Augenweide. Und dann die Detailaufnahmen der Zeitungsmaschinerie von Schreibmaschinen über Setzmaschinen und Druck bis zum Falten der Zeitung... Ein Fest für Techniknostalgiker!
Wäre der Film doch nur erzählerisch so stark, wie er es technisch, inszenatorisch und schauspielerisch ist. Apropos schauspielerisch: Der gesamte Cast ist so stark mit talentierten Darstellern gefüllt, dass einem schwindelig wird vor Talent. Das hat allerdings auch zur Folge, dass niemand außer Streep und mit Abstrichen Tom Hanks (den man aber auch schon viel besser gesehen hat) und Bob Odenkirk wirklich in Erinnerung bleibt und zeigen kann, was er drauf hat. Sarah Paulson, Carrie Coon, Allison Brie, Jesse Plemons, David Cross (den ich z.B. gar nicht erkannt habe), Michael Stuhlbarg (kaum mehr als ein Gastauftritt) und die Liste geht noch viel weiter. Hier ist die Crème de la Crème der amerikanischen Film- und TV-Branche versammelt und beinahe jeder hat nur einen Kleinstauftritt und ist zumeist unterfordert. Schade z.B. um Plemons und Stuhlbarg, die mich beide in „Fargo“ aus den Socken geblasen haben mit ihren Performances.
Fazit: „The Post“ ist schwierig zu bewerten. Inszenatorisch ist er auf dem allerhöchsten Level, Meryl Streep spielt absolut wundervoll in der Hauprolle und hat eine Oscar-Nominierung voll verdient und die Handlung ist durchaus interessant. Leider reicht in meinen Augen die Summe der Teile am Ende nicht aus, um einen durchweg mitreißenden Film zu schaffen. Am Anfang lässt sich der Film zu lange Zeit, um in Fahrt zu geraten, verliert sich in Nebenhandlungen und Unmassen an Akteuren, bekommt jedoch in der zweiten Hälfte die Kurve und vermag es doch noch, Spannung aufzubauen. Die Schlüsselszenen des Filmes sind dann wieder kleine Meisterwerke, auch wenn der typische Spielberg-Pathos nicht jedem zusagen wird. Viel gewollt und nicht alles gelungen im diesjährigen Oscar-Prestigefilm und dem voraussichtlichen Oscar-Nominierten, der mir bisher am wenigsten zusagte.
Voraussichtliche Nominierungen (3-6):
Film (Favoriten: „Shape of Water“, „Three Billboards“)
Hauptdarstellerin (Favoritin: Frances McDormand für „Three Billboards“)
Filmmusik (Favorit: Alexandre Desplat für „Shape of Water“)
nicht sicher, aber durchaus möglich:
Regie (Favorit: Guillermo del Toro für „Shape of Water“)
Hauptdarsteller (Favorit: Gary Oldman für „Darkest Hour“)
Drehbuch (Favorit: Jordon Peele für „Get Out“)
weniger wahrscheinlich:
Schnitt (Favorit: „Dunkirk“)
Szenenbild (Favorit: „Blade Runner 2049“)
Japanuary 2018, Part 3:
Während der Film als knuffige Stummfilmkomödie über zwei Geschwister, die sich mit den Rabauken in der neuen Nachbarschaft arrangieren müssen beginnt, schafft es Meister Ozu im späteren Verlauf Themen wie Maskulinität und soziale Ungleichheit im Japan der 30er subtil einzubringen, ohne dass der Film an Kurzweiligkeit und Spaß einbüßt. Darüber hinaus ein Meisterstück an visueller Erzählkunst und mit wundervoller Schwarzweiß-Kameraarbeit. Meine Lieblingseinstellung: Vater und Söhne sitzen vorm Haus und essen gemeinsam Reisbällchen ♥
Oscar-Special, Teil 2: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
Martin McDonagh, einer der berühmtesten irischen Theaterautoren der Gegenwart, ist hierzulande hauptsächlich für „Brügge sehen… und sterben?“ bekannt. Die Gangstergroteske avancierte dank tiefschwarzem, gewalttätigem Humor, guten Darstellern und messerscharfen Dialogen zum Kultfilm und brachte McDonagh Nominierungen für Oscar und Golden Globe, sowie einen BAFTA fürs beste Drehbuch ein. Wegen der Thematik, der Dialoglastigkeit und des Blutgehaltes des Filmes, wurde der Regisseur unter anderem mit Quentin Tarantino verglichen. Anders als diesem, geht es McDonagh jedoch nicht nur um Coolness und Filmzitate. Ähnlich wie die Coen-Brüder erschafft er überzeichnete, jedoch zumeist glaubhafte, tragische Charaktere, welche im Laufe der Handlung in bizarre Situationen geraten. Klar, „Brügge“ ist auch stellenweise schreiend komisch, aber im Kern dennoch eine bittere Geschichte über Schuld, Sühne und Suizidgedanken. Sein Nachfolgewerk, der etwas konfuse „Seven Psychopaths“, konnte dem vielversprechenden Langfilmdebüt nicht gerecht werden und verlor sich etwas in Metaspielereien, machte aber dank Colin Farrell, Christopher Walken und Sam Rockwell dennoch Spaß.
Sam Rockwell, der nie wirklich die Aufmerksamkeit bekommen hatte, die er eigentlich verdient, spielt auch in McDonaghs neustem Werk mit dem unhandlichen Titel „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ eine entscheidenden Rolle und ist – wer hätte es gedacht – absolut großartig.
Doch beginnen wir mit der Handlung: Mildred Hayes (Frances McDormand) hat ihre Tochter verloren, welche vergewaltigt und ermordet wurde. Da die Polizei keine Fortschritte bei der Suche des Mörders zu machen scheint, mietet Mildred kurzerhand drei Werbetafeln um dort Chief Willoughby (Woody Harrelson) anzuklagen. Ein Akt von Wut und Verzweiflung, der nicht ohne Folgen bleibt und die Kleinstadt Ebbing in Aufruhr versetzt.
Eine tragische, schwarzhumorige Geschichte über Zorn und Gewalt, angesiedelt im ländlichen Amerika? Diesmal könnte man tatsächlich meinen in einem Coen-Brothers-Film gelandet zu sein, nicht nur weil die eingängige Filmmusik vom Coen-Stammkomponisten Carter Burwell stammt und Joel Coens Ehefrau Frances McDormand die Hauptrolle spielt. Abgesehen von gewissen stilistischen Überschneidungen ist dies jedoch ein sehr origineller, eigenständiger und alles in allem fantastischer Film.
Eine der größten Stärken von „Three Billboards“ ist, wie sollte es bei McDonagh auch anders sein, das Drehbuch des Filmes. Zugegeben, seine Herkunft im Theater merkt man ihm an und der Hang zum Ausufern und die, für eine ländliche Kleinstadt etwas seltsam anmutende Eloquenz der Charaktere, wird nicht jedem zusagen, für mich jedoch waren die verbalen Schlagabtausche der Figuren das reinste Vergnügen. Wie bei „Brügge“ ist der Kern der Handlung zwar tieftraurig, dennoch bietet der Film aber wundervoll abgefuckte Nebencharaktere, herrliche Dialoge und bitterböse Handlungsentwicklungen. Klar, subtil ist in McDonaghs Parabel auf Trauerbewältigung und Polizeigewalt wenig und in den Händen eines weniger begabten Regisseur als ihm selbst und mit anderen Darstellern hätte das auch leicht in die Hose gehen können.
Denn die Rolle der vulgären, ruppigen, aber dennoch irgendwie liebenswerten Mildred Hayes wirkt Frances McDormand wie auf den Leib geschrieben. Tatsächlich hat McDonagh in Interviews gesagt, dass der Film ohne die Oscar-Preisträgerin (1997 für „Fargo“) nicht hätte entstehen können. Durchaus nachvollziehbar, schließlich liefert Frances hier nicht nur eine der besten Leistungen ihrer Karriere ab, sondern auch in meinen Augen die beste Leistung einer Schauspielerin im letzten Jahr. Ich habe zwar noch nicht „The Shape of Water“ gesehen und kann daher nicht beurteilen, wie gut ihre Konkurrentin Sally Hawkins spielt, aber von mir aus kann Frances dieses Jahr ihren zweiten Oscar einsacken. Den Globe als beste Drama-Darstellerin gab es ja bereits.
Doch Frances‘ Leistung ist nicht die einzige herausragende des Filmes. Woody Harrelson ist zwar fast immer eine sichere Bank, darf hier jedoch in der, für ihn ungewöhnlichen Rolle des Chief Willoughby, gegen sein Typecasting als Macho anspielen und ohne näheres über seinen Charakter verraten zu wollen: Er ist großartig. In Nebenrollen können Caleb Landry Jones („Get Out“, „Twin Peaks“) und Lucas Hedges („Manchester by the Sea“, „Lady Bird“) überzeugen, die zwar jeweils noch eher am Anfang ihrer Karriere stehen, aber beide ein großartiges letztes Jahr hatten und das absolut verdient.
Neben Frances gehört jedoch die herausragende Leistung des Filmes eindeutig Sam Rockwell. Ich mag den Typen, sei es als verrückter Space-Präsident Zaphod Beeblebrox in „The Hitchhiker‘s Guide to the Galaxy“, als einsamer Astronaut in „Moon“ oder als Gameshow-Host und angeblicher CIA-Killer in „Confessions of a Dangerous Mind“. Rockwell liefert stets interessante, unterhaltsame Performances ab und es wundert mich, dass er bisher bei Preisverleihungen nie eine Rolle gespielt hat. Für seine Rolle als rassistischer, fauler, inkompetenter Provinzpolizist Dixon in „Three Billboards“ räumte er nun bereits einen Critic‘s Choice Award und (erstmals nominiert!) einen Golden Globe ab. Man mag es am Anfang des Filmes kaum glauben, aber diese Karikatur Dixon wird im späteren Verlauf des Filmes einer der interessanteren Charaktere und die Trophäen, die er bisher einsacken konnte, hat er sehr verdient. Bisher hat Willem Dafoe (für „The Florida Project“) in dieser Filmpreissaison öfter gewonnen, aber da sein Film bei Critic‘s Choice Awards und Globes tüchtig an Rückenwind verloren hat, wäre es gut möglich, dass Sam Rockwell dieses Jahr seinen ersten Oscar gewinnt. Verdient hätte er es in meinen Augen, ich habe allerdings in der Kategorie Nebendarsteller noch keinen der Mitbewerber begutachten können.
Fazit: „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ ist ein großartiger Film, welcher in bester Coen-Brothers-Manier eine bittere, tragische Geschichte um tiefschwarzen Humor und denkwürdige Charaktere anreichert. Regisseur, Produzent und Drehbuchautor Martin McDonagh kann hier sein Talent für starke Dialoge voll ausspielen und liefert einen Film, der in Erinnerung bleibt, vor allem auch wegen großartiger darstellerischer Leistungen von Frances McDormand und Sam Rockwell.
Mein Oscar-Tipp (auch wenn eine Prognose dieses Jahr schwierig scheint):
Chancen (2-3):
Film (gegen „The Shape of Water“ und „Lady Bird“)
Hauptdarstellerin (gegen „The Shape of Water“)
Nebendarsteller (gegen „The Florida Project“)
weniger wahrscheinlich, aber möglich:
Drehbuch (gegen „Get Out“)
Voraussichtliche Nominierungen (7):
Film (Favoriten: keine eindeutigen dieses Jahr, evtl. „Shape of Water“, „Lady Bird“, „Three Billboards“)
Regie (Favorit: Guillermo del Toro für „The Shape of Water“)
Hauptdarstellerin (Favoritinnen: Frances McDormand und Sally Hawkins für „The Shape of Water“)
Nebendarsteller (Favoriten: Sam Rockwell und Willem Dafor für „The Florida Project“)
Drehbuch (Favorit: Jordan Peele für „Get Out“)
Schnitt (Favorit: Lee Smith für „Dunkirk“)
Filmmusik (Favorit: Alexandre Desplat für „Shape of Water“)
Würde mich sehr für Del Toro freuen. Was ich dieses Jahr bemerkenswert finde, ist dass alle nominierten Regisseure (und Regisseurin) die Filme selbst geschrieben und (bis auf Gerwig) auch selbst produziert haben. Hier sehen wir fünf Menschen, die mit vollster Leidenschaft hinter einem Produkt stehen, welches sie selbst aus eigener Kraft auf die Welt gebracht haben. Nichts gegen Spielberg, Scott, Villeneuve (den ich sehr bewundere und gerne unter den Nominierten gesehen hätte) oder Guadagnino, aber ich freue mich für die Nominierten und haben großen Respekt vor der Leistung, dass sie ihre Vision so unverfälscht und eigenständig umgesetzt haben. Und wer die Siegesrede von GDT bei den Globes gesehen hat, der wird mir wohl zustimmen, dass hier ein passionierter, aber dennoch sehr liebenswerter Mensch gewonnen hat.
Bilder, einige der Musikstücke (generell alles in den Zwanzigern) und die beiden Jungdarsteller in den Hauptrollen sind wundervoll. Die Story leider nicht, lange wartet man darauf, worauf das alles hinaus laufen soll und das Ende ist dann doch leicht peinlicher und vorhersehbarer Kitsch. Schade, Haynes' letzter Film "Carol" hat mir da deutlich besser gefallen.
Wow, Tonya Harding ist auch da? Interessant!
Ich gehe dann mal pennen. Bisher 9/12 korrekt, bin zufrieden ^_^
Viel Spaß noch!!!
Alter, wie mir gerade wieder bewusst wird, dass sie lieber Ferdinand und Boss Baby nominieren, als nicht-amerikanische Animationsfilme. Coco hat den Sieg aber verdient.
Jetzt kommt Tommy!
Joah, der Song ist nicht so schlimm, aber ohne Justin Hurwitz finde ich Benj und Pasek nicht mehr so toll. Etwas sehr poppig. Wäre eher bei Remember Me gewesen.
Oh Mann, mir tut Tommy Wiseau schon etwas leid, wie sein Leidenschaftsprojekt immer gedisst wird. Aber schön, ihn bei den Globes zu sehen. The Disaster Artist fand ich jetzt nicht so klasse, wie viele, aber James Franco ist eine Offenbarung.
Dafoe being Dafoe: https://i.imgur.com/FBVk7cI.png ♥
Mudbound hätten sie mal für ein paar mehr Preise nominieren können. Z.B. Jason Mitchell!
#StablePresident
Und The Handmaid's Tale. Aaah, so viele interessante, vielversprechende Serien und so wenig Zeit :(
The Marvelous Mrs. Maisel. Und noch eine Serie, auf die ich Bock habe, wenn ich dann mal mit Twin Peaks durch bin ^^
Oh Mann, Weistein runterziehen und jetzt P.T. Barnum preisen. Das hat schon einen seltsamen Beigeschmack :/
Uh, das hatte ich nicht erwartet. Ich dachte, den hätte Dafoe in der Tasche. Aber geil, Sam Rockwell ist super! Schade nur für Dafoe.