Tobi_G93 - Kommentare

Alle Kommentare von Tobi_G93

  • 7
    Tobi_G93 12.07.2024, 11:44 Geändert 05.08.2024, 17:51

    Geradezu prototypischer Italowestern, der das allzubekannte Rachemotiv des Subgenres auf niederträchtig-destruktive Weise skrupellos durchexerziert. Nach einem erfolgreichen Raubzug wird Black Jack - Django von seinen Komplizen verraten und um seine Beute gebracht. Nachdem obendrauf seine Schwester vergewaltigt und skalpiert wurde, wird er anschließend brutal gefoltert zurückgelassen. Er schwört jedoch kompromisslose Rache...
    Regisseur Gianfranco Baldanello lässt uns in der Folge in dieser räudigen Western-Vorhölle episodisch einer gnadenlosen Rache-Odyssee beiwohnen, die klassische Gut-Böse Charakterisierungen komplett aufhebt und den zunehmend manisch-obsessiven Rächer-Django in sein blutiges Verderben stürzen lässt.
    Stabiler, erschreckend kaltschnäuziger Italowestern-Vertreter.

    7
    • 7 .5
      Tobi_G93 17.04.2024, 10:38 Geändert 17.04.2024, 10:42

      (Un-)Menschlichkeit und Tristesse.
      Bruno Dumonts "Humanité" ist ein spröder, zäher und zermürbender Brocken von Film. Der Film irritiert schon mit den ersten Szenen als zuerst unsere Hauptfigur Pharaon De Winter, Polizist in einer nordfranzösischen Kleinstadt, auf eine merkwürdige Weise desillusioniert-traumatisiert in einem Acker liegt. Im Anschluss zeigt uns Bruno Dumont die nackte Leiche eines elfjährigen Mädchens, die, wie wir später erfahren, vergewaltigt und ermordet wurde. In grausig-nüchterner Perspektive verharrt die Kamera in dem Blick auf den blutig verwundeten Unterleib des Mädchens. Radikale Bilder, die es auzuhalten gilt. Bilder, die später wieder symbolisch in neuem Kontext ähnlich irritierend aufgegriffen werden.

      Dumont setzt damit sogleich die wahrlich unbequeme Stimmung in Gang, die diese äußerst pessimistisch-trostlose Sozialstudie während der zum Teil qäulend langen zweieinhalb Stunden Laufzeit ausmachen werden. Der Film begleitet in der Folge den Alltag des Polizeiinspektors De Winter, der von Schauspiel-Laie Emmanuel Schotté irgendwo zwischen kindlich-regressiver Zurückhaltung und traumatisiertem Geist beeindruckend dargestellt wird. Wir verfolgen ihn bei unbeholfenen Ermittlungsversuchen, die ins Nichts führen. Sehen ihn Zeit mit seiner Nachbarin, in die er verliebt ist, und ihren rüpelhaften, unsympathischen Macho-Partner verbringen. Erfahren früh, das er vor einigen Jahren wohl Frau und Kind verloren hat.

      Dumont macht es dem Publikum alles andere als leicht, liefert uns keine dramaturgische Verdichtung, keine Spannungsmomente, auch scheint er nicht wirklich interessiert an der Auflösung des Kriminallfalls zu sein, auch wenn er final gewisse Auflösungen findet, die sich jedoch sogleich wieder in rätselhafter Ambivalenz auflösen. Was nach diesem in seiner zermürbenden Langsamkeit seltsam packenden, immersiven Film bleibt ist eine ungreifbare Leere, die der Film über sein dunkles Weltbild und die dennoch vorherrschende Ambivalenz erzeugt. Bilder von trostlos-entleert anmutenden Landschaften, die abweisend und unwirsch wirken und dennoch zugleich eine pittoreske Schönheit verkörpern. Mit solchen Ideen arbeitet Dumont auch inhaltlich permanent und erschafft damit eine fraglos sehr sperrige, aber auch eindringliche, nachhallende Filmerfahrung. Stark

      10
      • 6
        Tobi_G93 13.04.2024, 11:01 Geändert 13.04.2024, 11:04

        Tendenziell konfus erzählter, nichtsdestotrotz überaus kurzweiliger und großartig besetzter Thriller-Pulp aus den frühen 90ern. Regisseur Harold Becker legt in "Malice" andauernd neue, falsche Fährten, angefangen vom generischen Serienkiller-Psycho-Flick, über moralisch ambivalent konstruiertem Schuld-Drama bis zum hakenschlagenden Noir-Verwirrspielchen springt der Film teils im Minutentakt wild hin und her.
        Das wirkt in der Konsequenz definitiv ungelenk und hätte mit mehr Fokus auf die ambitionierteren Themen, die zwischendurch angerissen werden, ein deutlich besserer Film werden können. So lebt "Malice" auschließlich von seiner Unberechenbarkeit und der Vielzahl an mal mehr, mal weniger schlüssig konstruierten und vorhersehbaren Überraschungeffekten. Als unterhaltsamer, durchaus spannender 90er Jahre Edeltrash einmalig gut konsumierbar, mehr aber auch nicht.

        7
        • 7
          Tobi_G93 04.04.2024, 16:54 Geändert 04.04.2024, 16:57

          In den Jahren 1987 und 1988 kam eine (leider Gottes viel zu) kurze Hochzeit des okkulten Voodoo-Thrillers auf. Alan Parker drehte seinen grandiosen Okkult-Noir "Angel Heart" und Wes Craven lieferte mit dem sträflich unterbewerteten, schwül-psychedelischen Haiti-Fiebertraum "The Serpent and the Rainbow" eine seiner besten Arbeiten. Der dritte im Bunde kam von Thriller-Altmeister John Schlesinger, der mit "The Believers" (1987) den wohl unbekanntesten (und womöglich auch qualitativ schwächsten) Vertreter dieser kurzen Welle beisteuert.
          Im Zentrum steht Martin Sheen als verwittweter Psychologe Chris, der infolge des Todes seiner Frau mit seinem Sohn nach New York zieht und dort anschließend bei der Aufklärung rätselhafter Ritualmorde helfen soll. Einen vermutlich wahnsinnig gewordenen Polizisten solle er betreuen, welcher in Verbindung mit den bestialischen Morden steht und wohl Kontakte zum rätselhaften Santeria-Voodookult pflegte...
          John Schlesinger gelang hier locker ein kleiner Geheimtipp des 80er Jahre Thrillerkinos, der obgleich dramaturgisch etwas in die Jahre gekommen die knapp zwei Stunden Laufzeit anständig zu unterhalten weiß.

          Ähnlich den oben genannten Filmen zeigt sich Schlesinger durchaus interessiert, Voodoo nicht als oberflächlichen Kirmes-Hokuspokus, sondern als ernsthaftes, glaubwürdig von gewissen Bevölkerungsgruppen praktizierendes, zwischen Glaube und Okkultismus verortetetes Phänomen darzustellen. Anfangs noch mit einer lakonisch-zynischen Skepsis ausgestattet, muss Psychologe Chris zunehmend feststellen, dass es auf dieser Welt Dinge gibt, die sich rational-wissenschaftlicher Weltanschauungen und schlüssig-nachvollziehbarer Erklärungen ganz und gar entziehen.
          Spielend leicht entfacht der durchaus virtuose Regie-Handwerker Schlesinger eine fiebrig-beunruhigende Drohkulisse inmitten des dreckig-abstoßenden Großstadtdschungels New Yorks, welcher durchdrungen von exotischen, okkulten Praktiken und schwarzer Magie beizeiten wie eine von unserer bekannten Realität entrückte Zwischenwelt erscheint. Das ist zwar nicht immer dramaturgisch auf den Punkt, hängt zu Beginn fast etwas durch, doch spätestens ab Filmmitte findet Schlesinger ein ums andere Mal eindringliche Set-Pieces, die die ganze schauderhaft-suggestive Kraft der Voodoo Thematik offenbaren. Dazu gibts final einen intensiven und audiovisuell großartig arrangierten Showdown zu bestaunen, der allerdings doch wieder mehr in Richtung Kirmes-Hokuspokus abbiegt.
          Macht nix, schmissiges Thrillerkino

          9
          • 9
            Tobi_G93 01.04.2024, 11:35 Geändert 02.04.2024, 16:51

            Leben als traumatisierter Geist.
            Der tendenziell in Vergessenheit geratene "The Pawnbroker" ist locker einer der intensivsten wie radikalsten Arbeiten des großen Meisters Sidney Lumet. In dessen Oeuvre finden sich zwischen seinen im Mainstream bekannten und anerkannten Highlights immer wieder kaum beachtete, deutlich radikalere und unbequeme Glanzstücke wie später in den 70er Jahren "The Offence" oder "Equus".
            Hier reiht sich Lumets zermürbendes und erdrückend-intensives Charakterportrait nahtlos ein, welches den in New York als Pfandleiher arbeitenden Sol Nazerman begleitet. Dieser ist ein apathisch wie ein Gespenst umherwandelnder, kaltherziger und misanthroper Eisblock, der seine Gefühle metertief in sich vergräbt.
            Wir lernen schon in einer großartigen Slow-Motion Intro-Sequenz, allerdings noch diffus ohne konkrete Hintergründe, dass in seiner Vergangenheit schreckliches passiert sein muss. In der Folge wird bald klar, dass er Auschwitz-Insasse war und seine damalige Familie verloren hat.

            "The Pawnbroker" erweist sich in der Folge als bedrückendes Anti-Feelgood Erlebnis, welches das Trauma und all den Schmerz seines Protagonisten beinah viszeral fühlbar werden lässt. Über allem steht Rod Steigers unfassbar eindringliche Performance als Hauptprotagonist Sol, dessen Alltag Lumets Regie in superben, beklemmend-trostlosen Schwarz-Weiß-Bildern eines abstoßend-versifften New Yorks schildert. Ein wandelnder Toter in Harlem, dessen größtes Übel es im Grunde ist, nicht wie seine Familie schon gestorben zu sein. Er überleben "musste". Anschließend so gut es geht versucht, die unauschlöschbaren Bilder irgendmöglich in sich zu vergraben. Doch diese lassen sich nicht einfach verdrängen und suchen ihn zunehmend in Alltagssituationen heim, welche Lumet wiederholt in fiebrig-psychedelischen Flashbacks virtuos auf assoziative Weise in die Gedankenwelt seines Protagonisten verstörend einwebt.
            Meisterhafter Film, der einen ähnlich wie seine Hauptfigur ausgelaugt und unangenehm zermürbt zurücklässt.

            9
            • 9
              Tobi_G93 31.03.2024, 10:00 Geändert 31.03.2024, 10:05

              Who can kill a child? Wer würde ein Kind töten?
              Bitterböser, perfide-beklemmender Horror-Thriller aus Spanien.
              Das englische Ehepaar, Tom und seine schwangere Ehefrau Evelyn, reisen an die südliche spanische Mittelmeerküste, um auf einer kleinen, abgelegenen Insel Urlaub zu machen. Ein pittoreskes Urlaubsparadies, hitzedurchflutet von gleißender, subtropischer Sonne, weiße Gebäude in erhabener, mediterraner Architektur, fernab von überfülltem Massentourismus in entlegener Ruhe.
              Klingt nach einem wunderbaren Urlaubs-Szenario, doch schon der bedrückende Prolog, welcher diverse Kriegsszenarios dokumentarisch zeigt, in denen getötete und abgemagerte Kinder zu sehen sind, weist nachdrücklich auf das kommende Unheil hin.

              Serrador inszeniert in der Folge ein sich gemächlich entwickelndes, aber mit sukzessive anziehender Daumenschraube arrangiertes, schleichend-apokalyptisches Unbehagen. Die Insel als Urlaubs-Destination wirkt schon bei Ankunft wie eine merkwürdig entrückte Geisterstadt, mit menschenleeren Häusern und Straßenzügen, in welcher auschließlich einzelne junge Kinder anzuftreffen sind, welche sich jedoch rätselhaft bis erratisch verhalten. Erwachsenen Menschen sind dagegen überhaupt nicht zu finden...
              Mit kurzen Übergriffen und Schockmomenten verteilt Serrador erste Magentritte, doch mit welch boshafter Kompromisslosigkeit das ungemein beklemmende Szenario, welches den Prolog quasi invers umkehrt, bis zum unglaublich fiesen Finale bitterböse voranprescht, ist dann schon erstaunlich. Immer wenn man das Gefühl hat, schlimmer kann es nicht mehr kommen, zaubert Serrador eine weitere unerhörte Gemeinheit (Stichwort Schwangerschaft) aus dem Ärmel, das einem irgendwann Hören und Sehen vergeht. Indem Serrador dabei auf simple, rationale Erklärungsansätze komplett verzichtet, steigert sich das Grauen endgültig ins Unermessliche. Horror-Masterpiece

              11
              • 7
                Tobi_G93 28.03.2024, 15:40 Geändert 28.03.2024, 17:45

                Audiovisuell überaus reizvoll arrangierte Murder-Mystery nach der typischen italienischen Methodik des gelben Giallo-Krimis.
                In der ewigen Stadt Rom ereignen sich ausgesprochen sadistische Morde an jungen Frauen, die der ansässigen Polizei vor allem durch ihre ungewöhnliche Ausführung Rätsel aufgeben. Die Frauen werden zunächst mit einer Akupunktur-Nadel, die in die Wirbelsäule der Opfer gestochen wird, gelähmt und anschließend brutal mit gezielten Messerstichen getötet. Der ausgebrannte Inspektor Tellini (Giancarlo Giannini) nimmt in der Folge die Ermittlungen auf...
                Paolo Cavaras prinzipiell klassisch auf die subgenre-typische Mordserie und extravagant eingefangene, fetischisierte Mordsequenzen angelegte Film bedient zwar einerseits schon die Erwartungshaltung nach ausgiebigen Sleaze, viel nackter Haut und einigen blutigen Morden. Andererseits legt Cavara ungewöhnlich viel Fokus auf seine Hauptfigur und die privaten Umstände des Inspektors, was sich allerdings rückblickend durchaus als kalkulierter Schachzug bezogen auf weitere Plotentwicklungen erweist. Dennoch sorgt das Vorgehen hier und da für erstaunlich viel Charaktertiefe, wodurch das Motiv des PTSD erkrankten Polizisten zwar oberflächlich, aber nicht ungeschickt in den Film integriert wird und dadurch tendenziell auf interessante Weise die Subgenre-Grenzen des Giallos mit dem des Polizeifilms ausreizt.
                Formal, in seinen audiovisuellen Qualitäten ist der zwischendurch etwas gemächlich voranschreitende Film sowieso von Beginn an ein echter Reißer, der von einem merkwürdig befremdlich-faszinierenden Morricone-Fummel-Score betörend unterlegt ist.

                9
                • 9
                  Tobi_G93 26.03.2024, 09:23 Geändert 13.09.2024, 13:54

                  Sylvia in Wonderland.
                  Giallo-Masterpiece. Der erste von Francesco Barillis zwei meisterhaften Giallo-Grenzgängern bewegt sich im Fahrwasser des beklemmenden Großstadt-Horrors von Roman Polanskis legendärer Mieter-Trilogie (insbesondere "Repulsion" und "Rosemarys Baby" standen hier eindeutig Pate) und verbindet jene Ansätze geschickt mit den Stilmitteln der gelben Spielart des zu jener Zeit populären italienischen Psycho-/Horrorthrillers. Im Mittelpunkt steht die Chemie-Laborantin Sylivia, welche sich nach einem Treffen mit Bekannten, als schwarze Magie und Voodoo-Praktiken zur Sprache kamen, plötzlich permanent mit einem diffusen Gefühl der Bedrohung konfrontiert sieht...
                  Mit "Il profumo della signora in nero" inszeniert Barilli sicherlich einen der außergewöhnlichsten und zugleich experimentellsten Interpretationen des Giallo-Subgenres. Von Anfang an bewegt sich Barillis Film konsequent in surreal-enigmatischen Bahnen, indem vermeintliche Alltagssituationen Sylvias schnell wahnhafte Risse erhalten und ihre Wahrnehmung in irrational-paranoide Regionen abdriftet. Verängstigt von obskuren paranoiden Schüben und heimgesucht von unterdrückten Traumata. Freuds Rückkehr des Verdrängten in Form quälender Kindheits-Erinnerungen.

                  Das klingt sehr nach Polanskis "Repulsion", doch so einfach macht es uns Barilli dann nicht und geht stattdessen noch einige Schritte weiter, indem er der inneren Qual Sylvias noch eine vermeinlich äußere Bedrohung gegenüberstellt. Allerdings alles andere als konkret, sondern viel mehr diffus in Form von suggestiven, unheimlichen Andeutungen und rätselhaften Einschüben, die man durchaus auch als ihre verzerrte Wahrnehmung interpretieren könnte.
                  Unterlegt von Nicola Piovanis wunderschön erhabenen Score, der pittoresk-unheilvollen Bildästhetik und dem kaum dechiffrierbaren Spiel um Wahn und Wirklichkeit entfacht der Film trotz gemächlichen Erzähltempos eine konstant anschwellende Sogwirkung, die Barilli nach einem lange Zeit subtilen Spannungsaufbau im letzten Akt böse eskalieren lässt. Nun finden sich plötzlich auch die typischen, blutig-expliziten Mordsequenzen, wenn sich Sylvia endgültig in diesem labyrinthartigen Alptraum aus Angst, Paranoia und aufkommenden Wahnsinn verliert, ehe Barilli uns ein wahrlich verstörendes Finale serviert, welches zuvor aufgebaute Interpretationsansätze perfide zerschießt und jegliche rational nachvollziehbaren Antworten verweigert. Ein meisterhafter Film, wunderschön, zermürbend und bitterböse zugleich.

                  11
                  • 6 .5
                    Tobi_G93 22.03.2024, 08:31 Geändert 22.03.2024, 13:20

                    Durchaus stimmungsvolle, ausnehmend reizvolle Sci-Fi - Paranoia inmitten der pittoresken Kulisse Amsterdams. Ein amerikanischer Wissenschaftler, Dr. Land, gespielt von Fellini-Darsteller Hiram Keller, soll sich in Amsterdam für ein gemeinsames Projekt mit dem exzentrischen Forschungs-Kollegen Dr. Linden treffen. Problem: Dieser wirkt seltsam apathisch-desorientiert bei ihrer ersten Zusammenkunft, ehe er am nächsten Tag Suizid begeht. Dr. Land möchte die Hintergründe seines Suizids aufklären und stößt schnell auf dessen geheime Forschungen für ein Serum, welches den Alterungsprozess von Lebewesen stoppt und ewiges Leben verspricht...
                    Dieses ziemnlich vergessene B- respektive wahrscheinlich sogar C-Movie packt schnell mit einer geheimnissvoll-mysteriösen Grundstimmung, die die Nachforschungen des irritierten Dr. Lands in einen dunklen Schleier hüllt.

                    Die Kulisse Amsterdams formt der britische Regisseur Sandy Whitelaw geschickt zu einem unheilvoll-undurchsichtigen Labyrinth voller Rätsel und Verschwörungen, sodass der Film partiell eine ähnlich mysteriöse Aura wie zu ähnlicher Zeit entstandene Großtaten wie Aldo Lados "Malastrana" oder Nicolas Roegs "Wenn die Gondeln Trauer tragen" vermittelt. Diesen kann "Lifespan" jedoch bei weitem nicht das Wasser reichen, was unter anderem an der viel zu lange fehlenden Spannungskurve liegt, was den Film tendenziell etwas höhepunktarm dahinplätschern lässt.
                    Erst im finalen Akt, wenn Klaus Kinski als charismatischer, geheimnissvoller Gegenspieler, der zuvor schon wie ein diabolisches Phantom schier allmächtig über dem Film schwebte, explizit in die Handlung eingreifft und dem Geschehen zwischen Wahn und Wirklichkeit sukzessive an vieldeutigen Suspense zugeführt wird, gewinnt der Film schließlich merklich an Intensität und findet einen wunderbar uneindeutig-bitteren Schlusspunkt. Keineswegs ein schwacher Genre-Film, auch wenn hier noch einiges an Potenzial liegen gelassen wurde.

                    7
                    • 7 .5
                      Tobi_G93 01.03.2024, 18:41 Geändert 27.05.2025, 20:10

                      Eiskalter (Rache-)Engel in Milano.
                      In einem seiner stilistisch ausgefeiltesten Filme kreuzt Genre-Ass Duccio Tessari die ruppig-niederträchtige Gangart des italienischen Poliziottesco mit dem kühl-eleganten, nüchternen Fatalismus des französischen Gangster-Noirs. Daraus entsteht ein erzählerisch schlichter, nichtsdestotrotz fulminanter Italo-Thriller.
                      Die französische Ikone Alain Delon besetzt Tessari schlüssigerweise in seiner "Le Samourai"-Paraderolle als Mafia-Auftragskiller. Hier allerdings nicht als einsamer, stoischer Nihilist, sondern als verzweifelter Familienvater, der plant aus dem Geschäft auszusteigen, daraufhin Frau und Kind verliert und nun Rache schwört.
                      Tessari baut daraus einen schnörkellosen, durchaus vorhersehbaren Genre-Reißer, der in seiner rüde-nihilistischen Tonalität, der betörenden Ästhetik und mit einem gewohnt hervorragenden Delon als melancholischen Racheengel trotz, oder auch gerade aufgrund seiner straighten, minimalistischen Herangehensweise pure, fettreduzierte Genre-Kunst darstellt.

                      6
                      • 7
                        Tobi_G93 21.02.2024, 10:04 Geändert 21.02.2024, 10:13

                        Stimmungsvoller Neo-Noir-Pulp aus der frühen Schaffensphase von Paul Verhoeven, der teilweise wie eine Blaupause zu seinem späteren Thriller-Hit "Basic Instinct" wirkt und auf den ersten Blick einen prototypischen Film Noir - Plot aufbietet.
                        Der heruntergekommene, versoffene Schriftsteller Gerard Reve (so heißt im Übrigen auch der Drehbuchautor des Films), gespielt von Jeroen Krabbé, lernt auf einer Lesung die attraktiv-promiskuöse Christine (Renée Soutendijk) kennen, mit der er sich sogleich auf ein sexuelles Verhältnis einlässt. Schnell erfährt er jedoch auch, dass die bezaubernde Christine schon drei Ehemänner zuvor hatte, die allesamt unter ungeklärten Umständen zu Tode kamen. Ist er nun der "vierte Mann", der ihr zum Opfer fällt?

                        Unter einem weniger radikalen Regisseur wäre so ein Stoff schnell der typische 80er/90er Jahre B-Thriller, der eventuell ganz schick, aber letzlich doch uninspiriert die typischen Noir-Tropes ohne Überraschungen herunterkurbelt.
                        So könnte es zu Beginn von "De vierde man" auch wirken, doch Verhoeven erweitert seinen Neo-Noir mit einigen surrealen Elementen, rätselhaften Visionen, wiederkehrenden Deja-Vus, (etwas überpointiert eingesetzter) christlicher Symbolik und besonders homoerotischem Begehren. So ist das eigentliche Objekt der Begierde von Gerard nicht wirklich die bezaubernde Femme Fatale Renée Soutendijk, sondern ihr junger, muskulös-definierter Liebhaber, dem er unbedingt an die Wäsche will.
                        Feiner, untergegangener Thriller-Spaß von Verhoeven.

                        10
                        • 6 .5
                          Tobi_G93 20.02.2024, 15:11 Geändert 21.02.2024, 10:15

                          Eigenwilliger, seltsam unbefriedigender, jedoch gleichermaßen jederzeit faszinierender Low-Budget Mystery-Sci-Fi Thriller, der lange Zeit durch seine unberechenbare, rätselhafte Aura eine intensive, ungreifbare Wirkung entfaltet.
                          Im Zentrum des Geschehens stehen drei Computer-Nerds, die versuchen, einen gruseligen Chat-Partner aufzuspüren, der sie seit längerer Zeit mit ominösen Nachrichten konfrontiert und sich in ihre Computer hackt. Nach einer langen Fahrt meinen sie nun, die ermittelten Koordinaten des Ortungssignals erreicht zu haben. Dort verlieren sie jedoch plötzlich das Bewusstsein und erwachen einige Zeit später in einer unbekannten Forschungseinrichtung...

                          Road-Movie, steriles Forschungsstation-Kammerspiel, Area 51 - Paranoia-Flick. In seiner zweiten Regiearbeit baut sich Regisseur William Eubank aus unterschiedlichsten, altbekannten Genre-Ansätzen einen interessanten, fraglos faszinierenden kleinen B-Thriller im Retro-Stil des 70er-/80er-Jahre Verschwörungsthrillers zusammen. Über geschickt gesetzte Aussparungen, elliptisches Erzählen, bewusst bediente Paranoia- und Verschwörungstropes wie die öminose Forschergruppierung oder der Mensch als Versuchsobjekt, als Ratte im Labyrinth, setzt Eubank dabei besonders das Kopfkino beim Publikum in Gange.
                          Auch weil der Film Fragen über Fragen aufwirft, diese wenn überhaupt ganz am Ende teilweise lüftet, entsteht eine angenehm verrätselte, enigmatische Stimmung, die den Film lange Zeit alleine trägt. Erst gegen Ende bewegt sich das Ganze mehr und mehr in konventionellere Ausbruchs-Szenarien, mit Slo-Mo Action und latent unglaubwürdigem Superhelden-Gestus, wo dann zumindest final eine ganz nette Pointe nochmals vorsichtig überraschen darf. Nicht ohne Fehler, aber in seiner diffusen Herangehensweise sympathisch und erstaunlich mutig.

                          8
                          • 9
                            Tobi_G93 19.02.2024, 09:47 Geändert 19.02.2024, 13:49

                            Ein lebender Toter in Prag.
                            Fernab der gängigen Muster des Whodunit-Konzepts im Giallo-Kino zeigt sich Aldo Lados Regiedebüt und Meisterstück als un- und außergewöhnlicher Exot des italienischen Subgenres, der die typischen Zutaten des Schlitzerfilms weitestgehend ausspart und vielmehr verschiedene Motive aus Psycho- und Politthriller, okkultem Horror und gar Film Noir präzise wie extravagant zusammenführt.
                            Es geht um den in Prag stationierten, amerikanischen Jounalisten Gregory Moore (Jean Sorel), dessen vermeintlicher Leichnam im Prager Schlosspark identifiziert wurde. Die Krux: Der Mann ist trotz fehlender Vitalfunktionen gar nicht tot, sondern befindet sich in einer Art katatonischen Wachkoma. Während er irgendwie versucht, ein schwaches Lebenszeichen zu geben, erinnert er sich langsam an die Umstände seines Zustands...

                            Dementsprechend zeigt Aldo Lado nicht die typische Suche nach einem Täter, sondern begibt sich stattdessen mittels geschickter Flashback-Erzählung in subjektiv verformte Erinnerungen, quasi folgend der Fragestellung "What happened?".
                            Die Kulisse Prags ist dabei außerordentlich clever gewählt, die im historischen Kontext des kalten Krieges von Aldo Lado ähnlich unheilvoll wie labyrinthartig-desorientierend erscheint wie Nicolas Roeg zwei Jahre später Venedig in "Dont Look Now" einfängt. Prag wird zur undurchsichtigen, bedrohlich-feindselig anmutenden Stadt voller (politischer) Geheimnisse, okkulter Verschwörungen und Rätsel, mit denen sich unser Protagonist konfrontiert sieht.
                            Langsam baut Aldo Lado subtil aber doch stetig anschwellend in teils expressionistischen Bildern zu Morricones betörendem Score eine enorme Spannung auf, die sich lange nicht so recht entladen will, ehe der Film in einem wahrlich bitter-bösen Finale kulminiert, welches in seiner zynischen, unerhörten Boshaftigkeit einem gehörigen Schlag in die Magengrube gleichkommt. Ohne Frage einer der stärksten wie faszinierendsten Thriller des italienischen Genrekinos - period.

                            6
                            • 8
                              Tobi_G93 18.02.2024, 10:11 Geändert 19.02.2024, 15:45

                              70 Minuten bis zur Apokalypse.
                              Faszinierende Melange aus verträumter, bitter-süßer Romanze und bedrohlicher, apokalyptischer Kalter-Kriegs - Paranoia in Echtzeit.
                              Harry (Anthony Edward) schwebt im siebten Himmel. Bei einem Museumsbesuch hat er gerade Julie (Mare Winningham) kennengelernt, die Frau seiner Träume. Das dritte Date zwischen den beiden steht vor der Tür, zur Mitternacht nach der Spätschicht von Julie haben sie sich verabredet.
                              Problem: Aufgrund eines Stomausfalls verschläft Harry das Date und begibt sich erst drei Stunden zu spät ins verabredete Diner. Dort angekommen, ist von Julie keine Spur mehr, also ruft er sie an - erfolglos. Doch plötzlich klingelt das Telefon, Julie ruft womöglich zurück - er nimmt ab, doch an der Leitung befindet sich ein aufgewühlter, fassungsloser Mann, der behauptet, in gut einer Stunde beginne ein nuklearer Krieg...

                              Die einzig nennenswerte Regiearbeit von Regisseur Steve de Jarnatt ist eine echte, untergegangene bis beinah vergessene Entdeckung des 80er Jahre Thrillerkinos, die in ihrer ungewöhnlichen Mischung eine ganz eigene, träumerisch-romantische und zugleich ziemlich unheilvolle, beängstigende Stimmung initiiert.
                              Aus der simplen, aber ungemein reizvollen oben beschriebenen Grundidee inszeniert der Regisseur die verbleibende Laufzeit zu einem hypnotisch-unheilvoll pulsierenden Tangerine Dream Synthwave-Score als fiebrig-atemlose, gehetzte Odyssee in Echtzeit durch das nächtliche Los Angeles im Neon-Ambiente.
                              Nach anfänglichen Zweifeln an der Geschichte des Anrufers schwankt Harrys Bauchgefühl schnell in Richtung Worst Case Szenario, da muss etwas dran sein an den Ausführungen des Anrufers. Also gilt es auf irgendeine Weise mit seiner angebeteten Julie aus der Stadt in Sicherheit zu entfliehen. Ohne zu viel zu verraten, dieser in großartigen, fiebrigen Bildern als sensorisches, treibendes Stimmungskino angelegte Film findet schlussendlich ein wahrlich eindringliches Finale, welches man in seinem ambivalentem Grundgefühl zwischen bitter-süßer Hoffnung und tragischem Fatalismus so schnell sicher nicht vergisst. Selten sah die Apokalypse so schön aus.

                              7
                              • 8
                                Tobi_G93 15.02.2024, 16:06 Geändert 16.02.2024, 13:22

                                Pittoresker Ausnahme-Giallo vom seit jeher sträflich unterschätzen Regie-Virtuosen Luigi Bazzoni, der mit "The Fifth Cord" den wohl konventionellsten seiner drei Subgenre-Beiträge liefert. Anstatt des verträumt-enigmatischen, charakterfokussierten und subjektiv verformten Mystery-Suspense aus seinen Großtaten "La Donna del Lago" und "Le Orme" greift Bazzoni hier auf den subgenre-typischen Who-Dun-It Plot zurück, den er Hitchcock-like mit dem Motiv des zu Unrecht des Mordes verdächtigen Protagonisten anreichert. Diesen spielt Franco Nero, einen versoffenen Jounalisten, der selbst im Fadenkreuz der Polizei befindend versucht, eine Mordserie aufzuklären.

                                Doch statt explizit ausgewählztem Sleaze und blutig-expliziter Morde setzt Bazzoni auf eine wirklich spannend wie schlüssig dargebotene Geschichte, die vor allem durch die sagenhafte, ausgeklügelte Bidsprache enorm packt. Bazzoni und Kamera-Legende Vittorio Storaro malen erlesene, begnadete im- und expressionistische Bilder aus Licht, Schatten und Architektur, die leichte Erinnerungen an den Film Noir wecken. Ein sinnlicher, feuchter Traum aus Gegenlichtaufnahmen, hypnotischen Blaustichen, symmetrischen Kadragen und atemberaubenden Licht-/Schattenspielen.
                                Zwischendurch dürfen zudem audiovisuell berauschend arrangierte, gleichwohl erstaunlich sanft-unblutig inszenierte Mordsequenzen den Suspense in Höhen treiben, die entweder suggestiv als Kopfkino in ihrer Wirkung angelegt sind oder gleich zu weiten Teilen ins Off verlagert werden. Dazu tönt obendrauf ein mal lässiger, mal schrill-unheilvoller Morricone-Score passend um die Ohren, sodass man am Ende einer plumpen, hanebüchenen und ganz und gar giallo-typischen Schlusspointe locker verzeihen kann.

                                8
                                • 7
                                  Tobi_G93 12.02.2024, 20:18 Geändert 13.02.2024, 09:00

                                  Spanisch-französischer Giallo-Grenzgänger, der fernab der typischen Subgenre-Merkmale sein ganz eigenes bizarr-bösartiges Süppchen kocht.
                                  Ein Mann wird aus einer psychiatrischen Klinik freigelassen, nachdem er vor einiger Zeit (womöglich fälschlicherweise) von seiner Tante und ihren drei Töchtern eingewiesen wurde. Schnell ist die Intention des tatsächlich sehr verschroben agierenden Mannes klar, er möchte Vergeltung üben, doch wie diese aussehen soll, bleibt vorerst unklar.
                                  Aus diesem gewöhnlich anmutenden Set-Up formt Regisseur Claudio Guerín einen ziemlich eigensinnigen, lange Zeit sehr gemächlich voranschreitenden Thriller, der bewusst die Subgenre-Grenzen ausreizt und dabei immer wieder aufs Neue irritiert. Von explizit ausgespielten, "echten" Schlacht-Tiersnuff-Momenten, merkwürdigen Tonalitäts-Shifts, zynisch-gesellschaftskritischem Humor und sexuellen Übergriffen springt der Film lange Zeit merkwürdig ziellos-niederträchtig in den einzelnen Vignetten umher. Lässt uns dem unangenehmen Treiben im Schauplatz der ländlichen Provinz Spaniens beiwohnen, ohne groß Spannung zu erzeugen oder einer klaren Dramaturgie zu folgen.
                                  Dennoch liegt hier von Beginn an eine Tragödie in der Luft, wie die Ruhe vor dem Sturm, die Guerín besonders über die großartige Kamera und der schon hier fesselnden Stimmung am Köcheln hält. Erst im letzten Drittel bricht das zuvor latent schwelende Unbehagen schubweise in mehreren Schlägen heraus, Gut und Böse verwischen vollständig und der Film schlägt einen plötzlich mit ungeahnter Kaltschnäutzigkeit und einer zynisch-bösartig grinsenden Fratze wieder und wieder in die Magengrube. Ein ganz schön perfides Stück.

                                  7
                                  • 7
                                    Tobi_G93 09.02.2024, 20:02 Geändert 09.02.2024, 20:07

                                    Gewohnt grimmig-niederträchtige Italowestern-Sause vom legendären Gore-Spezialisten Lucio Fulci, der hiermit einen ersten frühen Gehversuch ins italienische Subgenre wagte. Nicht zu verwechseln mit dem beinah zeitgleich entstandenem Meisterwerk von Sergio Corbucci, dem einzig "echten" Django, auch wenn Fulcis Django, wie er nur in der deutschen Fassung genannt wird, durchaus kleinere Ähnlichkeiten aufweist.
                                    Allen voran natürlich Charisma-Bolzen Franco Nero als Hauptdarsteller und in Schwarz gekleideter Racheengel, der jedoch, da kommen gleich die ersten Unterschiede, um einiges weniger abgebrüht, skrupellos und wahnhaft wirkt wie in Corbuccis Film. Stattdessen zieht er oftmals den Kürzeren, wird böse zugerichtet und muss anschließend von seinem apathischen Alkoholiker-Bruder und Sidekick, gespielt von George Hilton, dessen Figur ihn am Colt eindeutig die Show stielt, gerettet werden.

                                    Fulci liefert in dieser frühen Regiearbeit schon einen eindeutigen Vorgeschmack, in welche Richtungen es in Sachen räudiger Tonart und stilsicherer, atmosphärischer Präsentation später gehen sollte. Seine Regie ist zwar weitaus zurückgenommener, klassischer und weniger markant im Vergleich zu späteren Großtaten, dennoch sehr stimmungsvoll und durchaus schnörkellos auf den Punkt inszeniert. Auch Ansätze im Bezug auf seine skrupellose, explizite Gewaltdarstellung, die seinem Ruf vorauseilt, liegen schon latent in wenigen ruppig-gewalttätigen Momenten und im bleihaltigen Finale in der Luft, auch wenn einige weniger geglückte, humorvolle Einschübe das Geschehen mitunter etwas auflockern. Insgesamt ein mehr als solider, kantig-unterhaltsamer Italo-Western, dem zum echten Subgenre-Highlight noch das gewisse, individuelle "Etwas" abgeht.

                                    6
                                    • 7
                                      Tobi_G93 07.02.2024, 11:13 Geändert 05.05.2025, 18:32

                                      Der deutsche Titel verspricht einen womöglich elegant-altmodischen Mafia-Thriller, doch der reißerische, englische Titel "Cry of a Prostitute" trifft den Tonfall des Films doch deutlich besser, denn Andrea Bianchis eigenwillige Sleaze-Variante von Yojimbo ist ein echter Schweinefilm, im Guten wie im Schlechten.
                                      Henry Silva kommt als Killer und schweigsamer Einzelgänger in eine sizilianische Stadt und spielt zwei Gangster-Gruppierungen mehr schlecht als recht gegeneinander aus. Andrea Bianchi formiert dieses vielversprechende Set-Up anschließend zu einer Art modernen, extrem schmuddeligen Italo-Western - Variation. Nicht so derbe spannend, eher dramaturgisch ungelenk erzählt, bleibt der Film vor allem aufgrund seines extrem rüden, schmierigen und tendenziell frauenverachtenden Tonfalls, dem kompletten Verzicht auf jegliche Sympathieträger und einiger wirklich krasser Einzelmomente in Erinnerung. Und noch mehr aufgrund Henry Silva, der in seinem stoischen Wahnsinn eine mehr als erinnerungswürdige Darbietung liefert.
                                      Da wird die wunderschöne Barbara Bouchet von ihm einfach mal mit dem Gesicht voran in einer aufgehängten Schweinehälfte vergewaltigt, im Anschluss mit einem Gürtel halbtot geprügelt. Erschossene Gangster mit einer Raupe platt gefahren oder der Kopf eines Schergens mit der Stichsäge bearbeitet. Wahnsinn, was hier teilweise abgeht.
                                      Für Aficionados exploitativem Sleaze-Kinos eine helle Freude, die mäßig erzählte Geschichte verhindert jedoch höhere Wertungen.

                                      7
                                      • 7
                                        Tobi_G93 05.02.2024, 19:40 Geändert 20.08.2024, 09:47

                                        "Sweetly oh sweetly"
                                        Gewohnt harter und verstörender Tobak von Kannibalen-Maestro Ruggero Deodato, der mit "The House on the Edge of the Park" einen wahrlich abscheulichen Home-Invasion Alptraum initiiert. Unmittelbar nach seinem Kannibalen-Meisterstück "Cannibal Holocaust" entstanden, lässt einen dieses ungehobelte Exploitation-Miststück mit einem vergleichbar besudelten, angewiderten Grundgefühl zurück.
                                        David Hess, der hiermit seine Trilogie des Psychopathen-Widerlings aus "The Last House on the Left" und "Hitch-Hike" auf eine wahrlich abstoßende wie eindringliche Weise vollendet, und sein tumb-naiver Freund verirren sich zufällig mit einem Rasiermesser bewaffnet auf einer Schicki-Micki-Party, die, man ahnt es schnell, brutal aus dem Ruder läuft...

                                        Deodato kennt wie schon im weitaus bekannteren Mondo-Vorgänger mal so gar keine Hemmungen und entfacht in diesem fies-voyeuristischen Hybrid aus Home-Invasion und (fast beiläufigen) Rape-and-Revenge Einlagen eine knüppeldicke Grundstimmung, die trotz gar nicht mal so drastischem Bodycount und erstaunlich spärlich eingesetzter expliziter Gewalt vor allem durch den in aller Ausführlichkeit zelebrierten Sadismus ziemlich an die Nieren geht.
                                        Als (plakativ eingeworfene) Klassenkampf-Allegorie möchte Deodato diesen schamlosen Bolzen wohl verstanden wissen, aber machen wir uns nichts vor, das ist konzentrierte Exploitation in der maximal sadistischen Variante. Da ändert selbst die plump angehängte Schlusswendung nichts, die vielmehr so wirkt, als würde Deodato auf den letzten Metern noch eine Rechtfertigung für seine zuvor dargebotenen Grausamkeiten mitliefern wollen. Zwischen menschenverachtendem Schund und radikalem Horror-Meilenstein ist hier schlussendlich jede Position nachvollziehbar.

                                        8
                                        • 6 .5
                                          Tobi_G93 04.02.2024, 16:11 Geändert 04.02.2024, 16:14

                                          Visuell überaus anschaulich arrangierte, sanft-hinterhältige Home-Invasion - Variante als typischer 90ies B-Movie-Pulp von Thriller-Veteran John Schlesinger.
                                          Melanie Griffith und Matthew Modine spielen ein junges Pärchen, die für ihre frisch erworbene Großstadtwohnung in den "Pacific Heights" San Franciscos anschließend einen neuen Untermieter suchen. Die (verheerende) Wahl fällt auf (einen noch jungen) Michael Keaton im Psycho-Creep-Mode, der ihnen von nun an das Leben zur Hölle macht.
                                          Schlesingers Film überzeugt in der Folge mit einem authentisch unangenehmen Grundszenario, welches man nicht einmal seinen schlimmsten Feind wünschen würde. Ein gruseliger, unberechenbarer Mietpreller, der ständig Lärm macht, Ungeziefer im Haus freisetzt und dies scheinbar gar als professionelle Betrugsmasche im großen Stil wiederholt aufzieht, bis das Leben der Vermieter irgendwann komplett in Schutt und Asche gelegt wurde. Schlesinger erschafft dadurch spielend leicht ein erschauderndes Kammerspiel-Unbehagen, welches den Film lange Zeit komplett alleine trägt.
                                          Allerdings verzettelt sich der Regisseur nach einer Zeit doch frappierend, wenn sich das zuvor konzentriert auf den Schauplatz des Hauses verdichtete Szenario ab einen Punkt konkret um die Hintergründe des wirklich hassenswerten Antagonisten bemüht, hanebüchene wie unglaubwürdige Aufdeckungen heraufbeschwört, welche den zuvor dichten Thrill erstmals stark untergraben, wo einem beizeiten das Gefühl beschleicht, dass Schlesinger auch nicht mehr wirklich wusste, wo er mit dem tollen Set-Up eigtl. hinmöchte. Zumindest gelingt dem Film letztenendes mit einem intensiven, wenn auch generischen Showdown nochmals ein vorsichtiger Umschwung.

                                          8
                                          • 6 .5
                                            Tobi_G93 18.01.2024, 16:31 Geändert 18.01.2024, 21:06

                                            Recht clever konstruierter Suspense-Giallo vom groben Genre-Haudegen Umberto Lenzi, dem hiermit einer seiner gelungeneren und vor allem subtileren Subgenre-Beiträge gelingt. Im Zentrum steht ein Hippie-Pärchen, welches gerade im Toskana-Urlaub verweilt und sich aufgrund des Handels mit pornographischen Photos nun auf der Flucht vor dem Gesetz befindet. Zufälligen Unterschlupf finden sie in einer luxuriösen Villa, wo sie die Besitzerin auf eine spontane Übernachtung einlädt. Diese läuft jedoch anders ab, als anfänglich geplant...
                                            Nach einem trügerisch-verspielten Beginn in heiter-ausgelassenem Urlaubsambiente verdichtet Lenzi seinen Film schnell in ein spannungstechnisch nun straff verdichtetes Kammerspiel-Setting der Luxusvilla, wo man schnell die typisch toxische Dreiecksbeziehung als sleazig-verruchte Erotikthriller-Variante vermutet, mit Untreue und Eifersucht als maßgebliche Tiebfedern.
                                            Ist es dann auch teilweise, doch die Dinge sind lange doch nicht ganz so, wie sie scheinen. Auch wenn der Film nie sein volles Spannungspotenzial ausschöpft, der Suspense eher latent mitschwingt, ist das dennoch ein wunderbar stilsicher arrangierter Italo-Thriller, der mit seiner finalen Schlusspointe boshaft-perfide ins Schwarze trifft.

                                            7
                                            • 7 .5
                                              Tobi_G93 10.01.2024, 22:09 Geändert 11.01.2024, 10:26

                                              Apokalypse L.A.
                                              "Sunset Boulevard", "Mulholland Drive", "Barton Fink". Allesamt (herausragende) Filme, die sich tief in die dunkle Kehrseite hinter der funkelnd-verheißungsvollen Fassade Hollywoods begeben. In dieser Tradition steht auch John Schlesingers vergleichsweise unbekannte Romanverfilmnung "The Day of the Locust", welche sich ähnlich pessimistisch wie desillusionierend mit Tinseltown auseinandersetzt.
                                              Schlesingers Film verfrachtet uns in das Los Angelos der 30er Jahre, wo der junge Bühnenbildner/Set-Designer Tod Hackett gerade ankommt und auf eine erfolgreiche Karriere hofft. Schnell verliebt er sich in die unerfogreiche Schauspielerin Faye, welche jedoch auschließlich freundschaftliches Interesse zeigt und bald den schwerreichen, aber zurückgebliebenen Homer (brilliant und ausnehmend beunruhigend: Donald Sutherland) heiratet. Trotz erster Erfolge in seinem Beruf sieht sich Tod Hackett zunehmend mit der kalten, dunklen Seite Hollywoods konfrontiert...

                                              Schlesingers trügerisch beginnender Film erweist sich in der Folge als wahrlich zermürbender Kraftakt. Mit der anständigen Laufzeit von knapp 150 Minuten, in einem nur langsam ansteigenden Spannungsbogen wirkt der bisweilen sperrige Film durchaus auch mal zäh, in seinem parodistisch-überdrehtem Stil aber auch auf eine seltsam angestrengente Weise außerordentlich unterhaltsam.
                                              Ein Film voller unsympathischer Figuren, die sich in ihrem getriebenen, toxischen Verhalten selbst ins Verderben stürzen. Besonders Tod und Faye wirken in ihrem gierig-maßlosen Verhalten durchweg unangenehm bis abstoßend, die den im Grunde gutmütigen, gleichzeitig in seinem infantil-regressiven, zurückhaltenden Habitus auch sehr gruseligen Homer sukzessive mit in den Abrund hineinziehen.

                                              Nachdem das Szenario lange Zeit sein Unbehagen mehr latent köcheln lässt, gleichzeitig aber auch schrullig-unterhaltsam bleibt, wenn auch einzelne Vignetten abseits des satirisch-grotesken Tonfalls beizeiten ins Melodramatische kippen dürfen, lässt Schlesinger das Geschehen im finalen Akt endgültig in einer verheerenden Spirale aus Dekadenz, Niedertracht und entfesselten Wahnsinn kulminieren.
                                              Besonders in den finalen 15 Minuten wird der Zuseher von einer voher niemals so absehbaren Radikalität überrollt, wenn das Ganze in einem nun fraglos verstörenden, apokalyptischen Alptraumszenario mündet, welches sich tatsächlich vor den weirdesten Szenen aus Lynchs "Mulholland Drive" nicht zu verstecken braucht.

                                              11
                                              • 6
                                                Tobi_G93 09.01.2024, 19:46 Geändert 10.01.2024, 16:01

                                                Etwas zahmer und gemächlich erzählter, nichtsdestotrotz ausnehmend stimmungsvoller, übersinnlicher Tier-Horror vom italienischen Horror-Veteran Lucio Fulci. Zwischen Großtaten wie "Woodoo"/"Zombi 2"und "The Beyond" drehte Meister Fulci diesen in erlesenen Bildern fotographierten, untergegangenen Horrorflick, in dem irgendwo in der englischen Pampa eine schwarze Katze von einem bösen Medium dazu gezwungen wird, grauenvolle Morde zu begehen.
                                                Für den Regisseur ungewöhnlich blutarm ausgefallen, setzt die krude Geschichte von "Il Gatto nero" auf einen eher langsamen Spannungsaufbau mit subtilen Spitzen, eine exquisite Bildsprache und sehr viel Atmosphäre, was diesen sympathischen Genrefilm letztenendes für Fulci-Komplettisten locker zu einer kleinen erfreulichen Entdeckung werden lässt.

                                                9
                                                • 9
                                                  Tobi_G93 04.01.2024, 16:18 Geändert 23.01.2024, 17:34

                                                  "I looked into the eye of God.[...] It was beautiful... like a black rainbow."

                                                  Sinnliches Kino at its best.
                                                  Panos Cosmatos Regiedebüt "Beyond the Black Rainbow" soll sich laut Aussagen des Regisseurs so anfühlen wie die Cover von Horror- und SCI-FI - Filmen aus den 80ern, die ihn als Kind in ihrer optischen Gestaltung neugierig gemacht hatten, er aber zu jung war sie selbst zu sehen. "Beyond the Black Rainbow" ist also eine Zeitreise in die 80er Jahre, wie wenn man als Kind durch ein Schlüsselloch einen verbotenen Film sieht, den die Eltern gerade ansehen, man jedoch aufgrund des kindlichen Alters die verstörende Handlung nur vage-verschwommen und unklar-unheimlich wahrnimmt.
                                                  Verblüffend, wie gut Cosmatos exakt seine beschriebene Vision des Film umzusetzen weiß. "Beyond the Black Rainbow" ist einer dieser Filme, die einen von Anfang an in eine komplett fremde, andersartige, unheilvolle aber doch faszinierend-immersive Welt einsaugen. Setting ist das ins Jahr 1983 verortete Institutsgebäude einer sektenartigen Forschungseinrichtung, welche ihren Kunden respektive Patienten in einem Werbe-Video die Erlangung von Ruhe und Glückseligkeit verspricht.
                                                  Doch die Realität sieht dann doch anders aus: Die junge Frau Elena wird in dem steril-labyrinthartig anmutenden Gebäudekomplex gegen ihren Willen von dem derangiert agierenden Dr. Nile festgehalten. Beide Personen scheinen zudem über telekinetisch-übernatürliche Kräfte zu verfügen...

                                                  Cosmatos befördert einen in diesem kryptisch-verschwommenen Alptraum auf einen einzigartigen Trip. Stilistisch in seinem Retro-Feeling eindeutig inspiriert von "2001", Ken Russells "Altered States" oder auch Saul Bass "Phase IV", ausgeleuchtet mit argentoesker Farbgebung und dem alptraumhaft-desorientierenden Grundgefühl eines David Lynchs ausgestattet, ist das rein sensorisch zu konsumierendes Stimmungskino. Die vage wie schlichte Handlung bleibt bei Cosmatos durchweg unklar, verzerrt, findet wenn überhaupt auf suggestiv-irreale Weise zu einer Art von Logik.
                                                  Entscheidender ist die audiovisuelle Form, über die Cosmatos seine Faszination schöpft und in seiner düsteren Psychedelik durchaus ins Irreal-Horrorhafte findet. Unangenehme Verzerrungen, Slow-Motion, entrückte Farbgebungen und die unheilvolle Präsenz von Dr. Nile mitsamt dessen kühler, stechender, alienhafter Mimik schaffen dann schonmal schnell ein Gefühl von Klaustrophobie und Unbehagen.
                                                  Über allem schwebt jedoch der unfassbare Score der Band Sinoia Caves, der so wirklich gegen alle bewusstseinerweiternden Hypnosegesetze verstoßen dürfte und den Zuseher locker in einen unheilvollen Trancezustand befördert, der dann auch mal so verängstigend wirkt wie ein "Bad Trip" hinter den schwarzen Regenbogen.
                                                  So genial wie deranged.

                                                  9
                                                  • 8
                                                    Tobi_G93 30.12.2023, 17:04 Geändert 30.12.2023, 17:21

                                                    "I want to wake up now! Can you hear me? "Are you there?"
                                                    "I really want to wake up now!”

                                                    Lars von Triers Regiedebüt "Forbrydelsens element" (1984) ist schon ein zermürbender, unbequemer und auslaugender Kraftakt.
                                                    Die Geschichte handelt von dem Polizisten Fisher, welcher zu Beginn in Cairo mittels Hypnose in die Erinnerungen der letzten Wochen seiner Zeit in Europa eintaucht. Dort wurde er auf den Fall einer Mordserie junger Mädchen angesetzt. Mithilfe des Buches seines ehemaligen Mentors, "The Element of Crime", welches nahelegt, um einen Mörder zu fassen, muss man dessen Persona annehmen, sein Leben rekunstruieren, mit dem Mörder verschmelzen, begab er sich auf die Spur des Täters...

                                                    Von Trier formiert das vermeintliche Mörder-Mysterium als unscharf begrenztes, diffus-labyrinthartiges und subjektiv verzerrtes Neo-Noir-Monstrum, welches in seiner beklemmenden, gold-gelben Bildästhetik und der verfremdet-entrückten, lebensfeindlich anmutenden Kulisse eines fiktiven Europas eine außerordentlich befremdliche Grundstimmung irgendwo zwischen düsterer Dystopie und surrealem Alptraumkino vermittelt.
                                                    Erinnerungen, Fragmente einer Geschichte, die zu unserer wird, die sich so fremd wie gleichzeitig seltsam vertraut anfühlt. Die Sicht auf die Welt eine subjektiv ins Extrem verfremdete. Die Suche nach dem Mörder die unausweichliche Konfrontation mit dem eigenen Abgrund.

                                                    Auch wenn von Trier seinen zweifellos sperrigen Film wenig dramaturgisch vorantreibt, dieser sich mehr wie eine mäandernde, zunehmend ziellose Odyssee anfühlt, geht von "The Element of Crime" schnell eine ungemein einehmende Faszination aus, besonders durch seine sehr einzigartige Stimmung, die in ihren Grundzügen ein ähnlich durchdringendes, erdrückendes Grundgefühl evoziiert wie die apokalyptisch-fremdartigen Welten aus "Eraserhead" oder auch "Seven".
                                                    Komprimisslos mit gewohnt nihlistischer Weltsicht bringt von Trier seinen finsteren Trip zu einem perfidem Höhepunkt, wenn er Friedrich Nietzsches legendärem Zitat „Wenn du lange genug in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein“ schließlich eine destruktive Wahrhaftigkeit abgewinnt.
                                                    Beklemmender Neo-Noir-Alptraum. Aufwachen ungewiss.

                                                    8