Tobi_G93 - Kommentare

Alle Kommentare von Tobi_G93

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    Tobi_G93 24.12.2023, 11:52 Geändert 25.12.2023, 17:42

    Erinnerungsdetektiv
    Ein Mann erwacht nachts in einem düsteren Wald. Er schleppt sich zu einer nahegelegenen Hütte und findet dort die Leiche seines Chefs und seine schwer verletzte Freundin, die in seinen Armen stirbt. Er glaubt einen Mann zu sehen - den Mörder? Er folgt den Mann durch den Wald und wird anschließend auf einer Straße von einem Auto erfasst. Als er nach zwei Wochen aus dem Koma erwacht, gilt er als Hauptverdächtiger für einen Doppelmord...
    Stimmungsvolles, spannendes und durchaus faszinierendes Mystery-Kino, welches der südkoreanische Regisseur Il-gon Song mit "Spider Forest" initiiert.

    Nach einem bewusst verwirrenden, anstrengenden Beginn, welcher effizient die Weichen für dieses undurchsichtig-hypnotische Mindgame stellt, kippt Songs Film schnell in eine widerum herausfordernde Rückblendenstruktur, die die Geschichte von hinten aufrollen soll.
    Auf unkonventionelle, je nach Wahrnehmung evtl. auch sperrige Weise spielt Song in der Folge immerzu mit der Chronologie, springt in verschiedenen Zeitebenen hin und her, erzählt das Ganze als vage-elliptische, bisweilen fragmentarische Flashbacks, welche mit fortschreitender Laufzeit mehr und mehr mit mystisch-surrealen Elementen erweitert werden und das Geschehen zunehmend in einen tranceartigen Schwebezustand zwischen vermeintlicher Erinnerung, subjektiver Projektion und etwaigen Wahnzuständen seines Protagonisten fließen lässt.

    Song mutet seinem Publikum sehr viel zu und verlangt einiges an Eigenitiative, sich in dieser herausfordernden und bisweilen inhaltlich überfrachteten Erzählstruktur zurechtzufinden. Irgendwo zwischen einem Psychothriller über Untreue und Eifersucht, paranoider Erinnerungssuche, übernatürlicher Geistergeschichte sowie spirituell-mystischen, philosphisch angehauchten Fragen nach Leben und Tod werden hier unterschiedlichste Genre-Ansätze zu einem fiebrigen, bewusst wirr-undurchsichtigen Mysteryfilm zusammengebaut, bei dem einen zwischendurch schonmal schwindelig werden kann.
    Selbst nach einer je nach Vorerfahrung überraschenden oder altbekannten Doppelpointe, die zumindest einige Fragestellungen beantworten kann, bleibt hier ein unklarer, diffuser Nebel über dem Geschehen hängen, der ZuseherInnen unweigerlich dazu auffordert, in näherer Zukunft einen nochmaligen Ausflug in den koreanischen Spinnenwald zu wagen.

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      Tobi_G93 22.12.2023, 15:39 Geändert 22.12.2023, 15:47
      über Amuck!

      Sleaziger Erotik-Giallo, der mit erlesen-unheilvoller Bildsprache und einer Interesse weckenden Geschichte trotz sehr gemächlichem Erzählvortag zu weiten Teilen zu überzeugen weiß.
      In dieser sanft-morbiden Venedig-Imagination erforscht die bezaubernde Barbara Bouchet das Verschwinden ihrer besten Freundin, die in einer pittoresken venezianischen Villa für einen charismatischen Schriftsteller als Sekretärin arbeitete. Eingestellt als deren Nachfolgerin, verirrt sie sich zunehmend in Paranoia und den (vermuteten) Geheimnissen des dekandenten Schriftstellers und seiner nicht minder verdorbenen Ehefrau, die ein ausgeprägtes Faible fü sexuelle Orgien zu pflegen scheinen.

      Regisseur Silvio Amadio liefert zwar insgesamt kein Giallo-Glanzstück ab, dennoch kann sich dieser atmosphärisch stellenweise herausragende Beitrag absolut sehen lassen. Den eher langsam, aber unheilvoll voranschreitenden Plot präsentiert Amadio in betörenden Venedig-Impressionen, ausgefeilter Bildsprache, mit Slow-Mo-Lesbensex, ganz viel nackter Haut, dem typischen Italo-Sleaze und einigen anständig intensiven Suspense-Momenten.
      Zwar geht dem Film zum Ende hin merklich die Luft aus und die durchaus roughen finalen Entwicklungen sind nun wirklich nicht so überraschend oder eindringlich, wie es wohl intendiert war, aber insgesamt ist das ohne Zweifel stilvolles italienisches 70s-Genrekino, wie es heute in seinem groben Sleaze unmöglich umzusetzten wäre.

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        Tobi_G93 21.12.2023, 11:33 Geändert 21.12.2023, 13:57
        über Axiom

        Hinter dem unscheinbaren Titel verbirgt sich einer der besten und interessantesten deutschen Filme der letzten Jahre.
        In "Axiom" begleiten wir den Museumswärter Julius??, der sich alsbald als notorischer Lügner preisgibt. Der schwedische Regisseur Jöns Jönsson befördert uns in kühl-nüchternen Bildern wieder und wieder in unangenehme Situationen, in denen sich der anfangs gar nicht mal unsympathische Julius sukzessive in einem Drahtseilakt befindet, seine unwahren Lügen-Konstrukte so gut es geht aufrecht zu erhalten. Sein Leben als Performance, als Schauspiel, als unwirkliche Fassade.
        Das kippt jedoch zunehmend in ein zermürbendes Unbehagen und durch Moritz von Treuenfels subtil-nuanciertem Spiel auch latent in Tragik, wenn sich das Verhalten von Julius mit zunehmender Laufzeit als grausiger, pathologisch-zwanghafter Teufelskreis enpuppt. Zwischenmenschliche Nähe und Intimität scheinen dadurch utopisch, denn je mehr er sich anderen Menschen öffnet, desto eher mehren und offenbaren sich letztendlich die Widersprüche seiner Konstrukte.
        Seine einzige Lösung: Soziale Kontakte ab einen gewissen Punkt radikal kappen, um in anderem Umfeld, anderer Schicht, bei neuen Leuten diesselben Muster neu konfigurieren. Neue Falschheiten generieren. Wieder und wieder.

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          Tobi_G93 10.12.2023, 10:37 Geändert 31.12.2023, 11:14

          Schon eine ganze Weile her, dass mich besonders ein recht aktueller Film derart nachhaltig beschäftigt und geplättet hat.
          In "Aftersun", dem Spielfilmdebüt! von Regisseurin Charlotte Wells, begeben wir uns in die Erinnerungen der 30-jährigen Frau Sophie, welche sich im Angesicht ihres damaligen Videotagebuchs an den Türkeiurlaub in den späten 90er Jahren mit ihrem Vater zurückerinnert. Sie, gerade mit elf Jahren kurz vor der Pubertät stehend. Callum, sehr früh Vater geworden und mittlerweile 30 Jahre alt.
          Regisseurin Wells inszeniert Sophies Reise in die Erinnerung als subjektiv verformte Flashbacks, denen Sophie gleichzeitig mit einem lachenden und einem weinenden Auge begegnet. Es ist eine Suche, nach dem Ungewissen, dem Wesen ihres Vaters und ihrer Beziehung zu ihm, welche in der Retrospektive mit einer sanften Wehmut und latenten Schuldgefühlen umschlossen ist.

          "Aftersun" versteht sich dabei nicht als dramaturgisches Suspense-Kino, sondern viel mehr als sinnliches Stimmungskino, welches insbesondere ein ganz spezielles Grundgefühl vermitteln möchte. Wir begleiten den anfangs locker-ausgelassenen Urlaubsalltag von Vater und Tochter, das Chillen am Pool, das Dinner zu musikalischem Entertainment, entspanntes Snookern mit anderen Resortgästen.
          Der fürsorgliche Vater Callum, der sich mit viel Engagement und liebevoller Hingabe um seine Tochter sorgt. Eine schöne, spaßige Zeit mit ihr im sonnigen Urlaubsambiente verbringen möchte, schließlich wohnt die Tochter ansonsten bei ihrer Mutter.
          Doch irgendetwas stimmt vom Beginn an in diesen strahlenden Urlaubsimpressionen nicht, denn "nach der Sonne" kommt die Dunkelheit, die Wells hier in den Tiefen des Bildes versteckt und zunehmend unter die Haut des Zusehers kriechen lässt.

          Hinter der strahlend-heiteren Fassade des Urlaubsfeelings erkunden die Flashbacks Sophies eine latente Melancholie und die versteckte Dunkelheit des Vaters, die Sophie zu verstehen versucht. Verborgene Zeichen für sich deuten möchte.
          Auf suggestiv-elliptische Weise inszeniert Wells so beiläufig wie unvermittelt kleine Ausbrüche aus der heilen Urlaubswelt, die sich vor allem in einigen nun gar gespentischen und gleichwohl tieftragischen Impressionen des Vaters manifestieren, die ihn plötzlich scheinbar grundlos bitterlich wimmernd alleine im Hotelzimmer zeigen. Oder zu dröhnenden Sounds von der Dunkelheit des nächtlichen Meeres regelrecht verschluckt wird.
          Zunehmend realisiert der Zuseher, dass dieser Urlaub wohl der letzte Kontakt von Sophie zu ihrem Vater sein wird. Der Abschied am Flughafen ein endgültiger. Die vagen Andeutungen zur Zukunft des Vaters von herzzerreißender Tragik.
          Ganz große Klasse, rätselhaft-düster funkelnd und im Grunde todtraurig.

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            Tobi_G93 03.12.2023, 10:36 Geändert 03.12.2023, 14:27

            Fish-Noir.
            Ein junger Dennis Hopper trifft in einer Küstenkneipe als einsamer Matrose Johnny auf die attraktive Mora (Linda Lawson), in die er sich nach einem ersten Date am nächsten Tag verliebt. Nachdem die ersten Treffen mit ihr harmonisch verlaufen sind, erfährt der von Glückshormonen beseelte Johnny nach und nach beunruhigende Geschichten über die mysteriöse Frau. Ihre vorherigen Liebhaber seien beide plötzlich spurlos verschwunden, ehe ihre Leichen vom Meer angespült wurden. Zusätzlich behauptet der verschrobene Ziehvater der als Meerjunfrau-Attraktion auftretenden Mora, sie sei eine Sirene, eine echte Meerjungfrau, und Johnny deshalb in großer Gefahr...

            Das Regiedebüt von Regisseur Curtis Harrington ist eine echte Entdeckung, welche mit seiner rätselhaften Geschichte und einer mysteriös-unbehaglichen Stimmung in betörenden S/W-Bildern enorm fesselt und eine ganz eigene, verschrobene Aura versprüht. "Night Tide" bewegt sich geschickt in den Schnittstellen zwischen unheilvoller Romanze, Mysteryfilm, Fantasy-Horror und spätem Film Noir, welcher in seinem undurchsichtigen Tonfall zwischen Psychologie und Mystik stark an die Kollaborationen von Jacques Tourneur und Val Lewton erinnert, besonders an den großartigen "Cat People".
            Hier wie dort wird eine anfangs klar in der Realität verankerte Geschichte auf suggestive Weise in expressionistischer Ästhetik mit fantastisch-surrealen Elementen verwoben, die auch hier trotz gewissen Auflösungen mit einigen Widersprüchen vieldeutig interpretietbar bleiben.
            Stark

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              Tobi_G93 29.11.2023, 16:59 Geändert 29.11.2023, 18:46

              In seinem letzten Schwarzweiß-Film "Le Deuxième Souffle" (1966) vermengt Meisterregisseur Jean-Pierre Melville einmal mehr die fatalistisch-destruktive Grundhaltung des amerikanischen Film Noir mit typisch französischen Stilismen, wer möchte auch Manierismen, zu einem eiskalten Gangster-Noir Meisterstück.
              In einer episch proportionierten Spielzeit von 150 Minuten erzählt Melville prinzipiell eine recht simple Geschichte: Lino Ventura als professioneller Gangster-Haudegen und Heist-Profi bricht in einem wahnsinnig intensiven Prolog, der ohne Dialog auskommt, aus dem Knast aus und muss in der Folge bestmöglich mit dem Status des Entflohenen umgehen. Dinge aus der Vergangenheit in Ordnung bringen, bevor er mit seiner Schwester Manouche endlich das Weite zu suchen hofft.
              Doch mit Paul Meurrise als obsessiv getriebenen Cop im Nacken und konkurrierenden Gangster-Gruppierungen im Clinch gestaltet sich dies schwieriger als gedacht...

              Trotz einer gewissen Langatmigkeit, insbesondere im ersten Drittel, welches locker eine gewisse Straffung vertragen hätte, ist das großes französisches Gangsterkino von Melville. Nüchtern, mit sensibel herausgearbeiteten Figuren, allesamt zwielichtig bis verbittert-amoralisch, wo Polizisten sich als ähnlich durchtriebene Spiegelbilder der Gangster entpuppen, lässt Melville in stilvoll-erlesenen S/W-Bildern die Geschehnisse in trostlos-pessimistischer Unaufhaltsamkeit an uns vorüberziehen.
              Anfangs noch gemächlich und in einem tendenziell spannungsarmen bis zähen Erzählrythmus vorgetragen, ist das spätestens nach einer großartigen Heist-Sequenz zur Filmmitte, die die Karten aller Beteiligten auf fatalistische Weise nochmals neu konfiguriert, perfektes französisches Noir-Kino.
              Das es von nun an für niemanden mehr besonders positiv ausgehen wird, ist nun im Grunde klar, die Frage ist in der Folge in erster Linie das "Wie?" und noch mehr das "Wann?"
              Gnadenlos wird die stetig anschwellende Spannungskurve um kleinere Eckpunkte und Wendungen erweitert, ehe Melville das elektrisierende Katz-und-Maus-Spiel auf bittere Weise in einem nun beinah westernartigen Showdown so furios wie brachial kuminieren kässt. Große Klasse

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                Tobi_G93 20.11.2023, 20:30 Geändert 20.11.2023, 20:35

                Rauer Knastfilm, gehetzte Action-Sause, Rache-Thriller, Serienkillerfilm.
                Eric Valette baut sich in "La Proie" mit diversen Genre-Bausteinen aus der Mottenkiste einen straffen, energiegeladenen Genrefilm ohne jeglichen Firlefanz zusammen, der obgleich diverser Thrillerklischees und etlichen Unwahrscheinlichkeiten erstaunlich gut als atemloses, unterhaltsames Spannungskino funktioniert.
                Mit stilvollen Bildern und grimmigen Action - Set-Pieces im Schlepptau ist das hirnloser Thriller-Pulp ohne Anspruch mit B-Movie Charme, der einen verregneten Sonntagnachmittag ohne Frage bereichert. Nicht mehr, nicht weniger.

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                  Tobi_G93 18.11.2023, 11:57 Geändert 22.11.2023, 22:43

                  Allen Barons später, bedrückender Profikiller-Noir "Blast of Silence" (1961) beginnt in völliger Dunkelheit. Zu hören sind lediglich diffuse Eisenbahngeräusche, ehe ein Erzähler mit markanter Stimme, der das komplette Geschehen als Voice-Over aus dem Off in der zweiten Person begleiten wird, plötzlich in beiläufigen, abwertenden Worten von der Geburt des Protagonisten berichtet. Währenddessen nähert sich aus der Dunkelheit des Bildes ein Tunnelausgang in hell gleißendem Licht. Das Wunder der Geburt?
                  In diesem Fall wohl eher Fluch als Segen, denn wie uns der zynisch-nihilistische, verbitterte Kommentar aus dem Off wieder und wieder berichtet, war und ist das Leben von dem professionellen Auftragskiller Franky Bono viel mehr eine massive Bürde. Vermutlich nie mit Wärme und Liebe in Berührung gekommen, herrscht in Bonos Welt nur Kälte und Dunkelheit. Ein zu kaltem Stein erstarrtes, misanthropes Uhrwerk der Vernichtung, der in seiner tristen, leeren Existenz nur in dem Auslöschen Anderer einen Sinn gefunden hat.

                  Ausgerechnet an Weihnachten, der "schönsten Zeit des Jahres", der Zeit der Besinnung, erhält er nun den Auftrag, einen Mafiaboss aus New York zu liquidieren.
                  In der Folge schildert Baron, der seine Hauptfigur gleichzeitig selbst auf großartige Weise spielt, in seiner abgründig-rohen Charakterstudie durchaus kleinere Wandlungen, als eine Art Film-Noir - Weihnachtsgeschichte.
                  Dominiert anfangs noch der pure Hass auf die Menschen im winterlich-verschneiten, weihnachtlich dekorierten New York, erhält die harte Schale Bonos mit dem Auftauchen einer alten Freundin durchaus größere Risse, was das Ganze schlussendlich nur umso qualvoller werden lässt.
                  Blitzen nun doch eindeutige Hoffnungschimmer im Leben des eiskalten Killers auf, ob die ihm zunehmend übermannende Liebe zu seiner alten Bekanntschaft oder auch ein spontan-zufälliger Blick in eine Jugendheimeinrichtung, die etwas Sehnsüchtiges in ihm zu triggern scheint. Mehr und mehr wird im Zuge dieser Wandlung klar, dass dies sein letzte Job sein wird. So oder so.
                  Doch ganz im fatalistischen Geiste des Film Noir hält das Leben letzenendes doch wieder nur Bitterkeit bereit, wenn zwischen abgewiesenen Liebes-Avancen und dem Druck der Auftraggeber die Hoffnung auf Besserung jäh in Keim erstickt und sich sein erneut resignierend aufgezwungener Wunsch nach Einsamkeit schließlich auf zynischste Weise erfüllt. Die inneren Dämonen mögen nun zumindest auf ewig ruhen.
                  Beklemmendes Meisterstück des Post-Noirs.

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                    Tobi_G93 16.11.2023, 22:43 Geändert 16.11.2023, 22:47

                    Mit "Bottom of the World " (2017) versucht sich Regisseur Richard Sears als großer David Lynch - Epigone und inszeniert quasi ein eins zu eins "Lost Highway"-Remake in minimaler Variation, nur leider etliche Qualitätsstufen darunter.
                    Irgendwo zwischen fiebrigem Road-Movie und surrealem Psychothriller wird ein unmotiviert zusammengeschustertes, bedeutungsschwangeres Rätsel konstruiert, welches in stimmungsvoll ausgeleuchteten, bisweilen schummrig-irrealen Bildern, zu sphärischen Synthiesounds anfänglich durchaus Interesse weckt. Leider macht sich schnell bemerkbar, dass Regisseur Sears kein wirkliches Händchen für solch einen anspruchsvollen Stoff besitzt.
                    Die Figuren bekommen null Tiefe, sind von Anfang an total uninteressant, die Mystery-Elemente wirken eher befremdlich-albern als unheimlich oder gar gruselig und die hier und da sicherlich nicht uninteressanten Grundideen verpuffen komplett durch ein schludriges Drehbuch und einer viel zu hastigen, gehetzten Erzählweise. Da wird sich kaum mal Zeit gelassen, die stimmungsvollen Locations einfach wirken zu lassen, subtil eine Stimmung aufzubauen oder das Gefüge zwischen den beiden Hauptfiguren sorgfältig herauszuarbeiten. So ist das einfach total flach, zu Teilen nervig und besonders zumeist einschläfernd wie nochwas. Letztendlich gibt es von mir noch einen Bonuspunkt wegen kurzer interessanter Ansätze, einigen atmosphärischen Shots und der tollen Jena Malone.

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                      Tobi_G93 15.11.2023, 19:32 Geändert 15.11.2023, 20:08

                      Weird, aber genial.
                      Der Abstecher von Schauspielerin und Regisseurin Abigail (genial: Aubrey Plaza) in ein abgelegenes Landhaus am See, wo sie von einem Ehepaar, welches auf die Geburt ihres Kindes wartet, empfangen wird, gerät alsbald in unerwartet unangenehme Gefilde. Eigentlich wollte sie nur in malerischer Umgebung Inspiration für ein neues Drehbuch erlangen, doch hitzige, kontroverse Diskussionen über persönliche Weltbilder, Politik und philosphische Überzeugungen führen zwischen den drei Personen sukzessive zu einem angespannten Verhältnis. Insbesondere zwischen Abigail und der hochschwangeren Ehefrau, denn diese vermutet, dass ihr Mann höchst angetan und sexuell ganz und gar nicht abgeneigt von der attraktiven Erscheinung des neuen Gastes ist...

                      Mit seinem zweiten Spielfilm "Black Bear" (2020) bewegt sich Regisseur Lawrence Michael Levine mit einer vieldeutigen, enigmatisch-verrätselten Geschichte auf den eigenwillig-verqueren Spuren von Meistern wie David Lynch, Francois Ozon oder gar Ingmar Bergman. Man wähnt sich zu Beginn schnell in einem Film über eine toxische Dreiecksbeziehung, was bis zum Ende durchaus ein maßgebliches Motiv bleibt, doch die filmische Realität erhält schon früh über eine latent und vage entrückte Grundstimmung sowie einige manieriert-zwanghafte Verhaltensweisen der Figuren deutliche Risse. Wieso lügt etwa Protagonistin Abigail ununterbrochen, nur um im nächsten Moment diese Lügen auf zynische Weise preiszugeben?

                      Regisseur Levine vermeidet in der Folge ausformulierte Antworten, stattdessen bleibt sein eigenwilliges Genre-Mash-Up ein ganz und gar unberechenbares Stück Filmkunst, welches auch tonal nur schwer festzunageln ist. Mal bedrohlich und suspensehaltig als Eifersuchts-Kammerspiel, dann spontane Anflüge skurril-schwarzen Humors zu locker-lässigen Film-im-Film Dreharbeiten, dann wieder intim, verletzlich und melodramatisch. Nur um sich im nächsten Moment wieder rätselhaft-symbolisch zu geben, wenn auf lyncheske Weise Plotpoints vom Beginn vieldeutig gespiegelt in neuem Kontext auftreten.
                      Insgesamt sehr erstaunlich, wie smooth und unterhaltsam-packend der Film diese ganzen Elemente und Tonalitäts-Shifts unter einen Hut bekommt und damit eine zuweilen zermürbende Tour-de-Force initiiert, die letztenendes Wahrhaftigkeit im Schauspiel als notwendiges Übel ausmacht, um erst dadurch die benötigte, glaubwürdige Intensität eines Filmes zu vermitteln.
                      The most intense "movie about movie-making" since "Inland Empire".

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                        Tobi_G93 14.11.2023, 22:27 Geändert 14.11.2023, 22:28

                        "Jacob and the Silence of the Se7en Lambs and Ladders" würde als Titel dieses Pastiche-Overkills besser passen.

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                          Tobi_G93 12.11.2023, 09:53 Geändert 12.11.2023, 10:41

                          John Dahls Regiedebüt "Kill Me Again" (1989) ist ein kleiner, hinterhältiger Neo-Noir, der die typischen Noir-Motive und Tropes stilsicher bedient, ohne jedoch das Rad auf irgendeine Weise neu zu erfinden. Wie in den (noch besseren) Nachfolgewerken "Red Rock West" und "The Last Seduction" zitiert Dahl in seiner Geschichte fleißig Klassiker wie Jacques Torneurs Meisterstück "Out of the Past" oder auch Don Siegels Hinterland-Thriller "Charley Varrick", ohne jedoch daraus einen uninspirierten Abklatsch aufzubieten.
                          Der Neo Noir John Dahls nutzt alle bekannten Zutaten und setzt dabei auf Archetypen der schwarzen Serie. Joanne Whalley gibt die undurchsichtig-durchtiebene, opportunistische Femme Fatale, Val Kilmer ist der abgehalfterte Privatdetektiv mit tragisch-düsterer Vergangenheit, Michael Madsen der gewalttätige, kriminelle Ex-Freund mit pathologischen Zügen. Obendrauf noch brutale Casino-Mafiosi, bedrohliche Geldeintreiber und amoralische Cops in einer Welt ohne Werte und Orientierung.
                          Aus diesen allzu bekannten Zutaten baut Dahl eine spannende, wendungsreiche, gleichwohl auch niemals innovative oder groß überraschende Crime-Geschichte in exquisiter Bildsprache, von den glitzernd-funkelnden Großstadtnächten im Neon-Ambiente aus Reno und Las Vegas zu den staubig-verlassenen Wüstenregionen Nevadas.
                          Klasse gespielt, von einem bedrohlich-stimmungsvollen Score passend unterlegt fehlt es dem Film mitunter frappierend an Charaktertiefe, was so einen kleinen, kostengünstigen B-Film sicherlich zu einem gewissen Grad auch zugestanden werden kann.
                          Stabiles, oberflächliches Thrillerkino ohne Tiefgang auf erzählerisch breitgetretenen Pfaden.

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                            Tobi_G93 05.11.2023, 10:37 Geändert 15.11.2023, 09:54

                            Eiskalter Film Noir von Robert Siodmak, der die typischen Motive der schwarzen Serie präzise wie formvollendet auf den Punkt serviert, ohne jedoch für fachkundiges Publikum Überraschendes aufzubieten oder vorangegangenen Meisterwerken aus jener Ära wie "Double Indemnity" oder "The Killers" neue Facetten hinzuzufügen.
                            Burt Lancaster ist Hauptfigur Steve, Wachmann für Geldtransporte, der nach eineinhalb Jahren nach Los Angelos zurückkehrt. Zuvor hatte er sich von seiner attraktiven Frau Anna (Yvonne De Carlo) getrennt, der er allerdings trotz einer damals problematischen Ehe immer noch hoffnungslos verfallen ist. In der Hoffnung auf eine Versöhnung kommt er nun zurück in die Stadt der Engel, doch seine Frau ist mittlerweile mit Gangsterboss Slim Dundee (Dan Duryea) verheiratet...
                            "Cris Cross" erweist sich in der Folge als beinah prototypischer Film Noir, der alles aufbietet, was die Filme jener Strömung so spannend und faszinierend werden ließ.

                            Ein verzweifelter, obsessiv agierender Protagonist, der mit seiner Vergangenheit konfroniert wird, diese nicht abschütteln kann. Eine verhängnisvolle Liebe zu einer undurchsichtigen, mindestens mal zwielichtig agierenden Frau, in die der männliche Protagonist hoffnungslos verschossen ist. Geschichte, die sich in neuer Variante auf fatalistische Weise wiederholt.
                            Zum endgültigen Meisterwerk reicht es dann insgesamt jedoch nicht ganz, denn insbesondere in der ersten Stunde fehlt für mich die letzte Spannung und das gewisse "Etwas". Das ist alles interessant konstruiert und durchaus fesselnd umgesetzt, toll gespielt und in der unheilvollen S/W-Ästhetik betörend inszeniert, dennoch hat Siodmak im großartigen Vorgänger "The Killers" eine ähnliche Geschichte bereits deutlich faszinierender und dramaturgisch ausgefeilter präsentiert. Erst in den letzten 20-30 Minuten hievt Siodmak die Spannungskurve endgültig in elektrisierende Gefilde und liefert zwischen einer furios inszenierten Heist-Gone-Bad Sequenz, unheimlichen Krankenhaus-Suspense und einem tragisch-bitteren Finish einen ganz und gar hervorragenden, ungemein einnehmenden letzten Akt.
                            Tolles Noir-Kino

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                              Tobi_G93 04.11.2023, 10:54 Geändert 04.11.2023, 14:01

                              Zwischen einigen allseits bekannten Meisterwerken wie "Taxi Driver", "Raging Bull" oder "Goodfellas" verstecken sich im Oevre von Meisterregisseur Martin Scorsese immer wieder kleine, ungewöhnliche, untergegangene Juwelen, die darauf warten, entdeckt zu werden. Dieser Film ist hierfür sicherlich ein außerordentlicher Beweis, der zeigt, dass der sonst klassische Erzählstrukturen und Dramaturgien bedienende Scorsese auch abseitig-eigenwillige filmische Ansätze mühelos umzusetzen weiß.
                              "After Hours" entführt uns wie seinen Protagonisten, dem Programmierer Paul, in eine zermürbende nächtliche Odysse durch New York City. Was zu Beginn nur ein kurzes Date mit einer spontanen Frauenbekanntschaft sein sollte, verwickelt den unbeholfenen Paul sukzessive in die merkwürdigsten Begebenheiten...

                              "After Hours" folgt dabei keinem entwickelten Spannungsbogen oder einer echten Dramaturgie, stattdessen stolpern und irren wir genauso rastlos umher wie Hauptfigur Paul, der nach dem einigermaßen unbefriedigenden Date eigentlich nur schnellstmöglich nach Hause schlafen gehen möchte.
                              Scorsese findet dabei einen faszinierenden Mix aus (schwarzhumoriger) Situationskomik, durchaus auch melodramatischen Elementen und einer zunehmend bedrohlichen, irgendwann geradezu paranoid-irrealen Grundstimmung. In diffus beleuchteten Innenräumen, dunklen Straßenzügen mit spärlichen Neonlichtern und dem treibend-hypnotisierenden Score inszeniert Scorsese seinen Film als unberechenbare, latent enrückte Irrfahrt durch die Nacht, in der der zunehmend von seiner Müdigkeit (und seinem Drogenkonsum) benebelte Paul durchweg in die Fänge äußerst seltsamer, skurril-verschrobener Gestalten gerät, die in ihrem entrückten Verhalten und irren Manierismen tatsächlich an Figuren eines David Lynch - Films erinnern.
                              Lässiger Streifen

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                                Tobi_G93 02.11.2023, 13:37 Geändert 02.11.2023, 13:40

                                "Need for Speed" in der Hongkong-Edition.
                                Soi Cheangs fettreduzierter, formelhafter Actionthriller ist minimalistisches Kinetik-Kino zwischen einer besseren "Fast and the Furios"-Variante, Walter Hills "The Driver" und einem modernem Großstadtwestern auf vier Rädern. PS-Protzerei als Schwanzvergleich, Macho-Irrsinn und wahnhafter Geschwindigkeits-Fetisch.
                                Cheang schildert das Duell zwischen einem obsessiven Cop-Jüngling und einem kaltblütigen Profi-Driver in hitzig angetriebenen Bildern, kühlem Neon-Noir Ambiente und fiebrigen, geradezu berückend-atemlos inszenierten Verfolgungsjagden.
                                Minimalistisches Genrekino ohne jegliche Tiefe und echter Substanz, wenn stereotypische Copfilm-Archetypen obsessiv ihren eigenen Spiegelbildern hinterherjagen.
                                Macht dennoch tierisch Laune, der Streifen.

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                                  Tobi_G93 30.10.2023, 09:27 Geändert 30.10.2023, 16:52

                                  Nach seinen surreal-phantastischen Werken der Gates of Hell - Trilogie wagte Gore-Papst Lucio Fulci nochmals einen Abstecher in Giallo-Gefilde und machte mit "Lo squartatore di New York" (1982) seinem Namen alle Ehre. Mit dem in New York angesiedelten Film geht Fulci mal gar keine Kompromisse ein und bietet die typischen Giallo-Tropes allesamt in extremer Ausprägung auf.
                                  Enorm brutale, drastisch-stilisierte Mordsequenzen, extrem viel nackte Haut sowie Sleaze im Überfluss und eine Whodunit-Story, die dermaßen schlampig und mit offensichtlichen Anschlussfehlern unmotiviert zusammengeschustert ist. Dazu ein bizarrer Killer mit Donald Duck - Stimme, als wäre er direkt aus Entenhausen entsprungen. Das klingt alles völlig gaga und trashig wie noch was, kann man vielleicht vorschnell je nach Position und Vorliebe so sehen, aber da tut man Fulcis Film durchaus unrecht.
                                  Obwohl der Film in seinem Tonfall sehr ernst gehalten ist, wirkt das Ganze beizeiten durch die ins Extreme bedienten Tropes gleichzeitig wie eine Parodie auf das Subgenre. Darüberhinaus steht den ganzen schmuddeligen Elementen und der viehisch-exzessiven, übertriebenen Gewaltdarstellung eine dermaßen stilvoll-elegante Bildsprache gegenüber, die wieder einmal Fulcis virtuoses Regiehandwerk eindrucksvoll in seiner Gänze offenbart, ehe es final wieder einmal die subgenre-typische Quatschauflösung zu bestaunen gibt.

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                                    Tobi_G93 28.10.2023, 11:22 Geändert 28.10.2023, 13:41

                                    Schauriger, unheimlicher Horrorthriller, der geschickt unterschiedlichste Genretropes aus Haunted-House, psychisch fragiler Protagonistin, düsterer (Haus)-Vergangenheit und undurchsichtigem Erbschaftskrimi zu einem fiesem Suspense-Stück zusammenbaut. Die (leider) einzig nennenswerte Regiearbeit vom australischen Regisseur Tony Williams setzt auf eine ausführliche Exposition und einen gemächlich-subtilen Spannungsaufbau, wodurch sich von Beginn an eine Atmosphäre schleichenden Unbehagens entwickelt.
                                    Über allem steht der genial-bedrückende Synth-Wave Score von Tangerine Dream - Mitglied Klaus Schulze, der im Zusammenspiel mit der düster-unheilvollen Bildsprache jederzeit eine diffuse Bedrohung vermittelt, die lange Zeit kein klares Gesicht erhält bzw. große Teile der Laufzeit unklar bleibt, ob eine reale Bedrohung wirklich existiert oder ob unsere angeschlagene Protagonistin die bisweilen zweifelsfrei merkwürdigen Zwischenfälle überinterpretiert. Geschickt spielt der Film dabei mit der Wahrnehmung, hält das Geschehen subtil mit gruseligen Traumsequenzen, vage anskizzierter, traumatischer Vergangenheit und entrückten Slow-Motion Momenten ungreifbar zwischen Wahn und Wirklichkeit.
                                    Erst in den finalen 15 Minuten, wenn sich der Nebel lichtet, entfacht Tony Williams aus gefühlt heiterem Himmel plötzlich drastisch-blutige Gewaltmomente und bewegt sich kurzzeitig in grotesk-überdrehte Terrorgefilde irgendwo zwischen Dario Argento und Rob Zombie, auf die der Film zuvor allerdings im Nachinein erstaunlich schlüssig hingearbeitet hat. Schöner kleiner Geheimtipp

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                                      Tobi_G93 24.10.2023, 11:33 Geändert 24.10.2023, 17:46
                                      über Laurin

                                      Schaurig-stimmungsvolle Coming-of-Age - Schauermär, die gerade als Spielfilmdebüt von Robert Sigl unverschämt stilsicher in Szene gesetzt wurde und fraglos einen bemerkenswerten deutschen Genrefilm darstellt.
                                      Irgendwo in Deutschland im Jahr 1901 lebt das neunjährige Mädchen Laurin zusammen mit ihrer Großmutter und ihrem fast durchgehend auf See befindlichem Vater in einem kleinem Küstenort. Nachdem ihre Mutter gerade auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen ist und nach und nach kleine Jungen ermordet werden, erscheinen Laurin immer wieder Hinweise auf den Täter in Form von Visionen und Träumen..

                                      Zwischen düsterem Märchen, freudianischer Symbolik und betörender Bildästhetik erschafft Regisseur Stigl beizeiten ungemein einehmenden Gothik-Grusel, der mit den nebelverhangenen Landschaften, düsterer, bisweilen surrealer Farbgebung a la Argento und assoziativen Montagen zwischen Wahn und Wirklichkeit eine (alp)-traumhaft-bedrohliche Grundstimmung initiiert, die den Film größtenteils locker alleine trägt.
                                      Da stört spontan das zu weiten Teilen abstrakt-theatralische Spiel der Darsteller nur bedingt, auch wenn es sich Sigls Geschichte letztendlich in seiner dramaturgisch simplen, durchsichtigen Whodunit-Manier zu einfach macht und inhaltlich schnell stagniert. Nichtsdestotrotz erweist sich Sigl mit seiner erlesenen Bildsprache, den poetischen Stimmungsbildern und suggestiv arrangierten Angstmomenten als absoluter Könner des subtilen Stimmungskinos.

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                                        Tobi_G93 21.10.2023, 09:41 Geändert 21.10.2023, 09:49

                                        Ziemlich creepiger, kleiner Backwood-Thriller aus den späten 70ern, der sein zu Beginn frappierend an TCM erinnerndes, roh-authentisches Setting bizarr mit surreal-übersinnlichen Elementen, Telekinese, Horror-Mannequins, die zu Menschen werden (oder auch andersherum) und einer gespenstisch-entrückten Grundstimmung erweitert.
                                        Überraschend blutarm inszeniert, von einem psychedelischen Pino Donaggio - Score eigenwillig unterlegt, hängt der Film von David Schmoeller aber zwischenzeitlich auch ordentlich durch und weist trotz straffer Laufzeit von knapp 90 Minuten die ein oder andere Länge auf. Und dennoch hat dieses skurrill-verquere Horrorkabinett mit Chuck Conners als gruseligen Antagonist ein enormes Ass im Ärmel, der dem Publikum locker den ein oder anderen Schauer über den Rücken jagt, ehe der Film im großartig überdrehten Finale vollends in den Wahnsinn abdriftet.

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                                          Tobi_G93 19.10.2023, 10:43 Geändert 21.10.2023, 14:05

                                          Atmosphärischer britischer TV-Thriller, der bisweilen herrlich schaurigen Grusel-Suspense herausbeschwört. Im Mittelpunkt steht ein Rechtsanwalt aus London, der zu Zeiten des viktorianischen Englands beauftragt wird, sich in Folge des Todes einer alten Frau um ihren hinterlassenen Besitz zu kümmern. Dafür soll er für eine Woche in ein abgelegenes Küstenstädtchen reisen, dem ehemaligen Wohnort der verstorbenen Frau. Dort angekommen, häufen sich rätselhafte Vorkommnisse, die den Rechtsanwalt an seinem Verstand zweifeln lassen, insbesondere aufgrund beunruhigender Visionen einer schwarz gekleideten Frau, die sonst niemand zu bemerken scheint...

                                          Regisseur Herbert Wise initiiert nach einer geduldigen, angenehm ausführlichen Exposition spielend leicht eine schaurig-unheilvolle Gruselatmosphäre, in der die vermeintlich übernatürlichen Begebenheiten weniger effekthaschend als klassische Hounted-House Tropes inszeniert werden, sondern diese viel mehr unvermittelt in banalen Alltagssituationen, oftmals auch im Hintergrund des Bildes, als irrationale Verzerrung des Vertrauten auftreten.
                                          Auch auf die typischen Fehler, Irrationales auszuformulieren und erklären zu wollen, verzichtet Wise glücklicherweise zu weiten Teilen, skizziert zwar vage Andeutungen einer unheilvollen Vergangenheit an, die nun die Gegenwart heimsucht, bleibt dabei aber genug ambivalent und uneindeutig. Stattdessen lässt der Film seine wahrlich gespenstischen Impressionen einfach wirken, lässt seinen Protagonisten davon infizieren und immer mehr zerbrechen, was final in einem hundsgemeinen Finish so perfide wie bösartig kulminiert.
                                          Überaus creepy.

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                                            Tobi_G93 17.10.2023, 09:26 Geändert 17.10.2023, 17:32

                                            Bizarrer psychosexueller Horrorthriller vom jungen Oliver Stone, und bis heute dessen einziger Abstecher ins Horrorgenre.
                                            Michael Caine ist Comiczeichner Jonathan Lansdale, der infolge eines Autounfalls seine Hand verloren hat. Dadurch ist die künstlerische Laufbahn im Eimer, genauso wie seine (wohl schon lange Zeit kaputte) Ehe mit seiner attraktiven Frau. Verbittert und voller unterdrückter Wut hat er in der Folge mit rätselhaften Black-Outs und womöglich sogar dissoziativen Schüben zu kämpfen.
                                            Seltsamerweise ereignen sich in diesen Phasen, an die er sich nicht erinnern kann, sukzessive unerklärliche, gewaltsame Zwischenfälle...

                                            Oliver Stone gelingt mit seiner zweiten Regiearbeit ein sehr anständiger Genrefilm, der trotz einigermaßen trashiger Prämisse und ordentlich Waschküchen-Psychologie erstaunlich ernsthaft erzählt wird. Größtenteils möchte Stone hier ein sorgfältig arrangiertes Psychodrama schildern, welches sich viel Zeit für seine Hauptcharakter nimmt. Der Verlust der Hand wird grob freudianisch umgedeutet, unterdrückte Triebe, Wut und Ärger manifestieren sich als externer, phantasmagorischer Schrecken, mit sanftem Body-Horror als Darstellung des Abjekten, als Rückkehr des Verdrängten.

                                            Mit seiner elegant-unheilvollen Bildsprache und der grundsätzlich stimmungsvollen Inszenierung entfacht Stone in den besten Momenten herrlich ambivalenten Suspense, denn so richtig klar wird nie, ob sich Michael Caine hier zunehmend im Wahn verliert, sich das Grauen letzendlich daraus speist oder ob es sich tatsächlich um eine real existierende, phantastische Bedrohung handelt.
                                            Leider gelingt Stone der Wechsel von psychologisch ausgefeiltem, ruhigem Psychothriller und den tendenziell pulpig-überdrehten Genre-Momenten nicht immer, diese Wirken zu weiten Teilen mehr wie ein optionales Angebot an den Zuseher, was der inhaltlichen Tiefe des Films nicht immer entgegen kommt. Wer die Frühwerke eines Brian de Palmas (insbesondere zu "Dressed to Kill" bestehen inhaltlich einige Ähnlichleiten, nicht nur wegen Michael Caine) oder David Cronenbergs zu schätzen weiß, sollte hier dennoch gut unterhalten werden.

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                                              Tobi_G93 09.10.2023, 09:33 Geändert 09.10.2023, 11:06

                                              Extrem sleaziger Mystery-Okkult - Giallo von Meister Sergio Martino, dem hiermit sicherlich eine seiner besten Beiträge zum italienischen Subgengre gelingt.
                                              Martino verlässt sich dabei weniger auf einen ausgefeilten Spannungsbogen, dieser scheint ihn in seiner ruckeligen Dramaturgie kaum zu interessieren, das ist viel mehr ein Film des Momenthaften, des Performativen und der Stimmung. Etwas, was man heutzutage wohl "Style over Substance" nennen würde.
                                              Aber genau darin ist der Film ein echtes Brett, denn inszenatorisch ist der teils frappierend dem Plot von "Rosemarys Baby" ähnelnde Film megastark. In exquisiter Bildsprache, mit latent psychedelischem Touch, hetzt Martino seine attraktive (und oftmals unbekleidete) Hauptdarstellerin Edwige Fenech durch einen fiebrigen Taumel aus Paranoia, Verfolgungswahn, wiederkehrenden Alpträumen und ekstatisch-okkulten Messen.
                                              Den Reiz und sein durchaus vorhandenes Spannunspotenzial bezieht der Film insbesondere aus dem Spiel von Wahn und Wirklichkeit, denn weder unsere Hauptfigur noch das Publikum können sich jemals (gut, ganz am Ende kommt doch noch der Erklärbär) sicher sein, ob die diffuse Bedrohung, die der Film immerzu vermittelt, realen Ursprungs ist oder ob sich unsere Hauptfigur sukzessive im Wahn und in ihren psychotischen Ängsten verliert.
                                              Ein echter Reißer, bisweilen sogar nah am Trash, durch seine betörende Inszenierung und einigen grandiosen Einzelsequenzen ist das ohne Frage ein richtig interessanter, hochklassiger Giallo-Beitrag.

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                                                Tobi_G93 07.10.2023, 09:30 Geändert 07.10.2023, 14:42

                                                Straffes, fettreduziertes Terror-/Survivalkino als perfide umgedrehte Home-Invasion, garniert mit ordentlich Suspense und drastisch-expliziter Gewalt im Stile der New French Extremety.
                                                Aufgrund finanzieller Schieflage bricht ein kleinkrimineller Handwerker in ein Anwesen ein, um dort einen wertvollen Diamanten zu entwenden. Erfolgreich in das Haus eingebrochen, muss er feststellen, dass eine weitere Person in das Anwesen eingedrungen ist und weitaus finsterere Absichten verfolgt. Das Haus wurde von der phantomartigen Gestalt in einen schier unmöglich zu entkommenden Kerker umgebaut, Fenster mit massiven Brettern vermauert, Türen mit zig Schlössern verriegelt. Dazu wurden alle Räume mit tödlichen Fallen präpariert und die ansässige Familie beinah zu Tode gefoltert.
                                                Begründung? Weil Isso

                                                Genau darin liegt die größte Schwäche von Marcus Dunstans Film, denn so fies und effizient sein bitterböses Setting letztendlich auch sein mag, so wild herbeikonstruiert, beliebig und Plot-Hole - durchdrungen wirkt das Geschehen zugleich.
                                                Klar, die fehlenden Gründe des Täters können genauso gut als Stärke angesehen werden, denn banale Psychologisierungen, die die Wirkung verwässern, werden so vermieden, was das Setting prinzipiell umso unheimlicher erscheinen lassen könnte. Ein irres Phantom, das wahllos Menschen foltert und tötet (wie z.B. im deutlich besseren "The Strangers"). Der Ansatz funktioniert hier leider nur bedingt, denn dafür wird die enorm drastische Gewaltdarstellung zu wenig reflektiert inszeniert, wirkt effekthascherisch, willkürlich, auf möglichst hohen Shock-Value aus. Nicht wirklich als Resultat vorangegangener Entwicklungen begründet.
                                                Schade, denn ansonsten funktioniert Dunstans nihilistische Gewaltorgie als reduziertes, elektrisierendes Spannungskino wahnsinnig gut. Das Setting wird genial ausgereizt, ist extrem spannend und beklemmend. Nur hinterfragen sollte man das Ganze halt nicht, sonst wirds ärgerlich bis albern.

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                                                  Tobi_G93 04.10.2023, 17:18 Geändert 04.10.2023, 17:43

                                                  Im positiven Sinne unberechenbarer, im negativen Sinne mit einigen abrupten Modi-Wechseln hantierender, dramaturgisch unausgegorener Psycho-Thriller aus den späten 70ern. "When A Stranger Calls" (1979) startet dennoch fulminant als beklemmender Stalker-/Home Invasion - Alptraum, in dem eine Babysitterin von einem mysteriösen Fremden mit Anrufen terrorisiert wird. Der Anrufer fordert sie unentwegt auf, sie solle doch unbedingt nach den Kindern sehen. Zusätzlich lässt er sie wissen, dass er in unmittelbarer Nähe zum Haus über die Lage im Wohnungsinneren jederzeit informiert ist. Danach wird sofort wieder aufgelegt...
                                                  Sehr verblüffend, wie Regisseur Fred Walton in den Anfangsminuten vor allem über die filmische Form ein solch minimalistisches, gleichwohl beunruhigendes Bedrohungsszenario initiiert, in dem der simple Babysitting-Auftrag für eine junge Frau zur puren Terrorerfahrung mutiert. Die Wohnung transformiert sich zum klaustrophobischen Gefängnis, das schwingende Pendel der Standuhr zählt den todbringenden Countdown, das heischend-schrille Klingeln des Telefons steigert die Angst ins Unermessliche.

                                                  Mit kompromissloser Boshaftigkeit bringt Walton sein infernales Anfangs-Set-Up schnell zu einem perfiden Höhepunkt, nach dem das Geschehen leider einhergehend mit einem harten Zeitsprung erstmal deutlich abflacht.
                                                  In der Folge formiert Walton seinen Film zu einem tendenziell drögen Suspense-Thriller, vermengt ein uninspiriertes "Cop sucht entflohenen Killer"-Szenario mit oberflächlicher Psychopathen-Studie a la "Maniac" oder "Henry", ohne auch nur annähernd an deren Qualität heranzureichen.
                                                  Leider fehlt dem Drehbuch hier lange Zeit der letzte Feinschliff, das ist zwar alles ganz nett konstruiert, keineswegs uninteressant und formal jederzeit sehr anständig in Szene gesetzt, jedoch mangelt es dem Film lange Zeit an Intensität und Spannung. Erst auf den letzten Metern gelingt Walton dann nochmals der Turnaround, zieht plötzlich die Brücke zum verstörenden Beginn, initiiert quasi eine ähnlich intensive Variation der Anfangszene.
                                                  Durch den neuen Kontext und der Kenntnis des Täters ist das zwar nicht mehr ganz so beklemmend, die Bedrohung hat nun schließlich ein klares Gesicht, wird aber immer noch unheilvoll und sauspannend umgesetzt.
                                                  Kein uninteressanter, zuweilen sehr beunruhigender Thriller, der jedoch teils deutlich an seiner schwankenden Qualität und inhomogenen Erzählstruktur krankt.

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                                                    Tobi_G93 28.09.2023, 16:56 Geändert 28.09.2023, 16:58

                                                    Tote in Venedig.
                                                    Mit "Solamente nero" (1978) gelang Regisseur Antonio Bido ein überaus schmucker Vertreter des in den 70er Jahren so populären, italienischen Giallo-Kinos.
                                                    Bidos Film geht es dabei weniger extrovertiert-reißerisch an als viele Subgenre-Kollegen, verzichtet bis auf zwei großartige Momente zur Filmmitte beinah gänzlich auf die typischen, graphisch-fetischisierten Tötungssequenzen.
                                                    Stattdessen gibt Bido seiner Interesse weckenden Geschichte in einem gemächlich-stimmungsvoll voranschreitenden Erzählvortrag viel Zeit, der durchaus unheilvollen Atmosphäre Raum zum Atmen zu lassen, was allerdings genauso die ein oder andere erzählerische Ausschweifung mit seichterer Spannungsintensität zur Folge hat. Was dem Seherlebnis im Gesamten allerdings kaum abträglich ist, dafür gelingt es Bidos Film einfach zu gut, das atmosphärische Potenzial seines Schauplatzes auszuschöpfen.
                                                    Ähnlich wie in Nicolas Roegs Meisterstück "Dont Look Now" ist die schaurige Kulisse der Lagunen-Stadt mehr eigenständiger Charakter als reiner Schauplatz, der symbolhaft den verirrten Weg unseres Protagonisten spiegelt, welcher sich mit zunehmender Laufzeit unübersehbaren Wirrungen aus düsterer Vergangenheit, rätselhaften (Familien-)Geheimnissen und brutalen Morden konfrontiert sieht.
                                                    Nicht ohne Schwächen (v.a. Laufzeit), deshalb ist "Blutige Schatten" kein absolutes Giallo-Highlight, aber ein sehr sehenswerter Vertreter.

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