Vitellone - Kommentare

Alle Kommentare von Vitellone

  • 7

    [...] Was folgt ist ein Hin und Her, ein Mit- und Gegeneinander der Figuren. Ruhig inszeniert und mit pointierten Dialogen versehen gelingt es Rohmer ausgezeichnet deren Gefühle und Gedanken zu visualisieren. Die Sammlerin versteht sich selbst als vage gehaltene Charakterstudie, die es dem Zuschauer weitestgehend selbst überlässt ob beziehungsweise welche Erkenntnisse er daraus gewinnt. [...] Interessant bleibt vor allem wie geschickt Rohmer das Verständnis von richtig und falsch der einzelnen Figuren gegeneinander ausspielt und damit auch die Gedankengänge des Zuschauers in eine bestimmte Richtung lenkt, nur um diese Erkenntnis im nächsten Moment wieder zu revidieren. Rohmer drückt immer wieder aus, dass Gefühle, Meinungen und Ideen oftmals nur flüchtige Gedanken sind, die der Realität nicht standhalten. [...]

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    • 5

      Basierend auf dem damals sehr beliebten Bühnenstück inszenierte Alfred Hitchcock 1931 das Familiendrama „Bis aufs Messer“. Sein Dasein als bloße Auftragsarbeit, für die Hitchcock keine sonderliche Begeisterung aufbringen konnte, merkt man dem Film zu jeder Sekunde an. Auf dem Papier wirkt die Geschichte zweier Familien, einer alten Adelsdynastie auf der einen und neureicher Industrieller auf der anderen Seite, die über ein Stück Land streiten und dabei alte Geheimnisse ans Tageslicht fördern vielleicht noch ganz ansprechend. Im fertigen Film hingegen erzeugen die statischen Dialogfluten schnell Desinteresse und sorgen für einen sehr zähen Handlungsfluss. Gelegentlich kommt es zu Momenten, welche den vorgegebenen Trott etwas auflockern, so beispielsweise eine recht spannend inszenierte Auktionsszene, doch im Gesamtkontext des Films ist deren Wirkung verschwindend gering. Die Einschränkung kreativer Ideen, von Hitchcock bereits im Vorfeld befürchtet, machen „Bis aufs Messer“ zwar zu einem damals nicht unüblichen Film, der jedoch weit hinter den Möglichkeiten seines Regisseurs zurückbleibt. Dem Werk haftet eine gewisse Unaufgeregtheit an, die bei bestimmten Zuschauern durchaus einen Nerv treffen könnte, im Großen und Ganzen aber heutzutage schlichtweg nicht mehr funktioniert. Wenn die Figuren vor sich hinreden und die Kamera strikt in der Ecke positioniert ist, dann hat das wenig mit den narrativen und vor allem visuellen Fähigkeiten eines Alfred Hitchcocks zu tun. Durchschnittliche Filmkost, nach der heute kein Hahn mehr kräht und die gemessen an ihren Produktionsbedingungen eben das ist, was sie ist. In Anbetracht manch anderer Filme, die der Regisseur in seinem Frühwerk entgegen eigenem Interesse inszenieren musste, geht „Bis aufs Messer“ jedoch weitestgehend in Ordnung.

      7
      • 4

        [...] Auch humoristisch tritt Bad Neighbors 2 in die Fußstapfen seines Vorgängers und bietet die typischen Witze der Marke Rogen. Inwiefern man diesen Humor nun schätzt oder nicht ist erwartungsgemäß der essentielle Gradmesser dafür, ob man mit Bad Neighbors 2 letztlich etwas anfangen kann oder nicht. Möglichst neutral betrachtet, auch wenn das natürlich schwierig, wenn nicht sogar unmöglich ist, bedeutet das, dass eine gute Handvoll wirklich kreativer Lacher einer ähnlichen Anzahl an Gags gegenübersteht, die vom Film total gegen die Wand gefahren werden. Der Großteil der Witze bewegt sich jedoch zwischen gleichgültigem Schulterzucken und amüsanten Schmunzeln, was den Film wohl ins gesunde Mittelmaß der aktuellen Komödienlandschaft hievt. [...] Inhaltlich erzählt Bad Neighbors 2 ebenfalls nichts Neues, was der ganzen Produktion durchaus einen faden Beigeschmack verleiht. So springt der zweite Teil eben auf den Erfolgszug seines Vorgängers auf und zeichnet sich eher durch kalkulierte Gewinnerwartung und Mutlosigkeit, als durch neuartige Ideen und kreative Ansätze aus. In Sachen Figurenkonstellation bleibt alles beim Alten, Zac Efron (High School Musical) ist noch immer der feierwütige Junggebliebene ohne Perspektive, Seth Rogen (Das ist das Ende) und Rose Byrne (Spy – Susan Cooper Undercover) geben das selbstzweifelnde Elternpaar. Statt Zukunftsängste bei den Studenten gibt es dieses Mal emanzipatorische Selbstbestimmung bei den Studentinnen. [...]

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        • 7

          [...] Das alles inszeniert Rohmer sehr zurückhaltend und unscheinbar. Zwei Eigenschaften, die dem Film gerade in Hinblick auf Handlung und Figuren sichtlich guttun. [...] Seine Bodenständigkeit als fehlendes Können abzutun wäre schlichtweg falsch, manch einer redet vielleicht von technischer Versiertheit. Final erweist sich seine Inszenierung als äußerst zweckdienlich, bietet sie dem Protagonisten doch mehr als genug Raum für seine Aktionen und Gefühle. Nebenbei fängt er außerdem die Pariser Stadtkulisse und damit verbunden den damaligen Zeitgeist gekonnt ein und vermittelt eine angenehme Atmosphäre. [...] Hier zeigt Rohmer bereits eine seiner großen Stärken, nämlich eine glaubwürdige Charakterzeichnung. Pierre ist zu keinem Zeitpunkt unschuldiges Opfer oder arroganter Lebemann. Er ist stets beides, zeichnet sich durch ambivalente Züge aus und wird dadurch zu einem glaubhaften Protagonisten. Dadurch wirken seine Emotionen greifbar und echt, auch wenn sie niemals so intensiv wie in einem aufdringlich darauf ausgelegten Drama sind. Doch genau in dieser Zurückhaltung liegt das große Talent des Films.

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          • 8
            über Charade

            [...] Seinen größten Trumpf zieht der Film nämlich aus der wunderbar verflochtenen Mischung aus Thriller und Komödie. Wie selbstverständlich sprintet die Handlung von einer überraschenden Wendung zur nächsten, und das ohne dazwischen auf geschliffen feine und herrlich amüsante Dialoge zu verzichten. Trotz dieser humorvollen und charmanten Wortgefechte hält Charade ein angenehm hohes Tempo und hält seine Zuschauer durchgehend auf Trapp. Wer bei der bereits angedeuteten Vielzahl an Wendungen ein sinnloses Verwirrspiel vermutet, darf beruhigt sein. Jeder Haken und Schlenker liegt in der Geschichte begründet, wird sauber aufgebaut und verkommt nie zum reinen Selbstzweck. Gerade die finale Auflösung kann deshalb überzeugen, weil sie von Beginn an aufgebaut wird, immer greifbar erscheint und dennoch nie vollends vom Zuschauer durchschaut werden kann. [...] Natürlich funktioniert der Film nicht zuletzt auch wegen seiner genialen Besetzung. Vordergründig sind das natürlich Audrey Hepburn (Frühstück bei Tiffany) und Cary Grant (Der unsichtbare Dritte), zwei Darsteller, die einen Film auch im Alleingang tragen könnten. Wie beide ihren Figuren Leben einhauchen, sich in ihren charmanten Wortgefechten gegenseitig die Bälle zuspielen und dabei in ihrer Mimik und Gestik ihre wahren Gefühle durchschimmern, ist sensationell. Ergänzt von Walter Matthau (Extrablatt), George Kennedy (Der Unbeugsame) und James Coburn (Gesprengte Ketten) ergibt sich eine formidable Riege an Darstellern, die sich allesamt von ihrer besten Seite zeigen. Von Stanley Donen handwerklich unaufgeregt aber durchgehend auf hohem Niveau inszeniert, liegt die wahre Stärke des Films in Peter Stones (Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 1-2-3) feinfühligem Drehbuch. Wie dieses sich gleichermaßen für Handlung und Charaktere interessiert und dabei eine perfekt ausgeglichene Mischung der unterschiedlichen Elemente gelingt, ist mehr als nur sehenswert.

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            • 3

              [...] Überhaupt passiert über weite Strecken des Films so gut wie nichts. Die klischeebeladenen und zu großen Teilen auch sehr unsympathischen Protagonisten tuckern gemütlich durchs Land und wenn es überhaupt zu Problemen kommt, dann liegen diese hauptsächlich darin, dass einer der Gruppe am Vorabend zu viel getrunken hat. Das zieht sich über weite Strecken des Films und wenn es dann endlich zur ohnehin schon längst vorhersehbaren Konfrontation mit dem Bösen kommt, dann hat „Houses of Terror“ seine Zuschauer sowieso schon längst verloren. [...] Zwar scheint der Spielraum für kreative Ideen und visuelle Einfälle ohnehin stark eingeschränkt, doch gibt es dennoch Genrevertreter, die beweisen, dass sich auch durch Kameragewackel Atmosphäre und Intensität erzeugen lässt. Überhaupt suggeriert „Houses of Terror“ zu keinem Zeitpunkt eine Bedrohung oder wirkliches Konfliktpotential. Selbst gegen fehlt es dem Film an Spannung, selbst beim tragischen Ende der Protagonisten zwingt sich dem Zuschauer der Eindruck auf, dass diese es ja auch gar nicht anders verdient haben. „Houses of Terror“ hätte es bei all seiner Belanglosigkeit durchaus verdient als die x-te Found-Footage Katastrophe abgestempelt und anschließend konsequent ignoriert zu werden. Wer auch nur eine Handvoll Filme dieser Machart gesehen hat, wird hier nichts Neues erleben und selbst Fans des Subgenres müssen sich wohl eingestehen, dass Bobby Roes Regiedebüt bestenfalls ein unterdurchschnittlicher Vertreter seiner Zunft ist. [...]

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              • 7

                [...] Letztlich ist es wohl der Aspiration des Regisseurs geschuldet, dass der Film es nie vermag die Spannungsschraube bis zum Anschlag anzuziehen. Trotz der voyeuristischen Kameraführung und der düsteren Atmosphäre fühlt sich der Film ein Stück weit zu behäbig an. Da überrascht es nicht weiter, dass einem für die Haupthandlung zwar essentiellem, aber inhaltlich nicht sonderlich komplexem Nebenstrang zu viel Platz eingeräumt wird. [...] Final erweist sich Fahrstuhl zum Schafott deshalb als so gelungen, weil er seine aufgebauten Konflikte konsequent beendet. Auf jede Aktion muss eine Reaktion folgen und so bleibt der Film trotz des zuvor vermittelten Lebensgefühls und seiner konstruierten Geschichte ein herzlich bodenständiger Vertreter. Letztlich obsiegt die Moral und Vernunft, jede Figur muss für seine Fehler bezahlen. Einmal mehr ist der perfekte Mord zum Scheitern verurteilt, die jugendliche Liebe verliert sich im Streben nach Aufregung und dezent verrichtete Polizeiarbeit führt fast schon von selbst zum Erfolg. [...]

                7
                • 5

                  [...] Mit „Schrotten!“ wirft Regisseur Max Zähle seine Zuschauer in den Mikrokosmos der Schrotthändler und handelt damit verbunden familiäre Konflikte und den Drang nach Freiheit und Selbstständigkeit ab. [...] Seinen Humor trägt der Film ohne große Ausschweifungen herzlich direkt und nie übertrieben vor. Vor allem in den ernsthaften Szenen gelingt es „Schrotten!“ gut den Stellenwert der Lage nicht zu verharmlosen und dabei dennoch nie seine augenzwinkernde Art zu verlieren. Typische Genreelemente reichert Max Zähle gekonnt mit eigenen Ansätzen an und seine Regie überzeugt durch eine sehr charakterorientierte Basis. [...] Wenn er dann gegen Ende des Films die Bomberjacke überstreift, seinem ehemaligen Chef ordentlich die Meinung paukt und auch noch die Kaffeemaschine aus dem Büro mitnimmt, dann geht „Schrotten!“ damit einfach einen Schritt zu weit. Die anarchistische Scheiß-drauf Mentalität, die der Film seinen Zuschauern vorgaukelt dient letztlich doch nur dazu den anfänglichen Kontrast und die zugrundeliegenden familiären Werte effektiver wirken zu lassen. Dass ist ein Stück weit schade, hätte aus dem Film doch noch einiges mehr werden können, wenn er seine Komfortzone gelegentlich verlassen und seinen Charakteren ambivalentere Züge geben würde. [...]

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                  • 6

                    [...] Den Ausgangspunkt stellt die junge Delphine (Izia Higelin) dar. Am elterlichen Bauernhof mit konservativen Moralvorstellungen aufgewachsen flieht sie nach Paris, schließt sich schnell einer Frauenbewegung an und lernt dort die extrovertierte Carole (Cecile De France) kennen. Alsbald entbricht eine leidenschaftliche Liebesbeziehung, die von der Gesellschaft bestenfalls geduldet und meistens erst gar nicht verstanden wird. In ihrer Zweisamkeit sind die beiden solange glücklich, bis Delphine aufgrund familiärer Probleme nach Hause zurückkehren muss. Carole reist ihr zwar nach, doch auf dem rückständigen Land können sie ihre Liebe nicht offen ausleben. Schon bei ihrer Ankunft am Bahnhof fliegen die mitgebrachten Flugblätter im Wind davon, ihre Ideale und Wünsche sind von vorn herein zum Scheitern verurteilt. Zwischen beiden Welten hin- und hergerissen kracht kleinbürgerlich-konservative Moral gegen die weltoffene Sehnsucht nach Emanzipation.
                    Inszeniert ist die Geschichte mit spürbarem Eifer und großer Leidenschaft. Auch wenn die Regisseurin das Thema damit reichlich unreflektiert und ohne größere Aussagekraft angeht, spürt man zu jeder Minute wie sehr es ihr am Herzen liegt. So sucht man neuartige Einfälle oder vielschichtige Ansätze zwar vergebens, doch gelingt es dem Film durch seine gradlinigen Emotionen durchaus den Zuschauer zu bewegen. Auf eine stürmische und zu großen Teilen auch lebensbejahende Art versteht sich La belle saison selbst wohl am ehesten als eine Bestandsaufnahme des damaligen Lebensgefühls und dem Zwiespalt des damaligen Gedankenguts. Letztlich bleibt neben der gelungenen Stimmung jedoch nicht sonderlich viel hängen und es stellt sich ein fader Beigeschmack darüber ein, dass der Film doch nur an der Oberfläche kratzt. [...]

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                    • 4

                      [...] Stark gespielt und dank der skurrilen Figuren auch immer für einen Lacher gut, täuscht Die Kommune dennoch nicht darüber hinweg mit seiner klischeebeladenen Story komplett am Ziel vorbeizuschießen. Wer sich hier erneut auf den typisch dänischen, von Skurrilität geprägten, schwarzen Humor gefreut hat, wird zwangsläufig enttäuscht. Durchaus vorhanden schwingt er nur in den leisen Tönen mit, den lauten und aufdringlichen Teil übernimmt das Drama. Und zwar dermaßen überzogen, dass man sogar an der Ernsthaftigkeit des Filmes zweifeln muss.
                      Vinterbergs neusten Streich wirklich ernst zu nehmen fällt schwer, vielleicht sogar unmöglich. Zu hanebüchen ist der Handlungsverlauf, zu realitätsfern die Dialoge und viel zu schwachsinnig die Figuren. Dass der Tod eines kleinen Jungen formal als Happy End der Geschichte inszeniert wird, ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Dazwischen finden sich Momente, die den gefährlichen Balanceakt zwischen unbeabsichtigter Fremdscham und gewolltem Unwohlsein gerade noch so meistern und den Film damit vor dem Schlimmsten bewahren. Erst viel zu spät erweist sich Die Kommune als waschechte Groteske, aber was genau uns der Regisseur damit sagen will bleibt selbst nach dem Ende noch unklar. [...]

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                      • 8

                        [...] Die 30 Jahre auseinanderliegenden Stränge verflechtet der kolumbianische Regisseur geschickt ineinander und so verleiht er der zunächst simpel anmutenden Geschichte zusätzliche Würze. Indem er beide Ebenen durch den Schamanen Karamakate verbindet und nach und nach die selben Stationen des Dschungel abklappert, macht der Film eindrucksvoll deutlich, wie wenig sich der Wald und wie sehr sich der Mensch verändert. Denn neben seiner charakterorientierten Erzählung und der Entwicklung Karamakates vermittelt „Der Schamane und die Schlange“ vor allem die Wichtigkeit traditioneller Werte. Völlig unaufgeregt und ohne mit der Moralkeule zu schwingen, erklärt der Film seinen Zuschauern die Bedeutung von Nachhaltigkeit, den Stellenwert von Natur und macht zugleich auch deutlich, dass Fortschritt keinesfalls negativ behaftet sein muss. In seiner formalen Prägnanz verteufelt der Regisseur nie eine der beiden Seiten, sondern stellt Veränderung final als etwas Unabwendbares und dadurch auch wichtiges heraus. [...] Die Reise ins Herzen des Urwalds wandelt sich zusehends zu einer Reise ins eigene Ich. Die Suche nach einer seltenen Pflanze ist gleichsam die Suche nach der eigenen Identität. Das funktioniert nicht bei allen Figuren auf die gleiche Art, und doch müssen alle Charaktere in sich gehen. Beim Schamanen Karamakate ist es die Interaktion mit anderen Individuen, jahrelang für sich allein zwingt ihn jeder Kontakt, jegliche Art von Kommunikation zur Selbstreflexion. Die Gesellschaft anderer Menschen hält ihm den Spiegel vor. Ganz anders bei den beiden Forschern. Während der eine vor allem aufgrund seiner schweren Krankheit und des immer wieder auftretenden Fieberwahns zur Auseinandersetzung mit sich selbst gezwungen wird, ist es bei dem anderen die omnipräsente Erscheinung des Urwalds, welche ihn tiefer in sich selbst führt. Interessant ist auch, wie sich beide zunächst an ihren Besitz, ihrer einzigen Verbindung zur Heimat festklammern und diesen dann bei wachsender Erkenntnis doch aufgeben. [...]

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                        • 6

                          [...] Wie so oft bei Godard scheint die eigentliche Rahmenhandlung in den Hintergrund zu verschwinden, Lemmy Cautions (Eddie Constantine) Jagd nach einem vermissten Agenten erscheint weit weniger wichtig als zunächst suggeriert. Viel mehr zählt seine Interaktionen, sein (Un)Verständnis der Stadt Alphaville. Dabei darf natürlich eine Frau nicht fehlen. Anna Karina verzaubert mit ihren Augen sowohl Protagonist als auch Zuschauer und dient zugleich als Schwachstelle im System, als dasjenige Glied der ansonsten so logischen Stadt, welches aus der Reihe tanzt. Um die Differenz zwischen der gefühlslosen Stadt und ihrem Ursprung zu visualisieren, arbeitet Godard nicht etwa mit futuristischen Kulissen, sondern verlässt sich auf eine inszenatorische Entfremdung. Durch sein Spiel mit Licht und Schatten (Film Noir lässt grüßen), den fragmentarischen Szenenaufbau und allerlei seltsam anmutender Schnitte kreiert er mittels eigensinnige Bildsprache eine ganz und gar andersartige Stadt. [...] Letztlich ergibt sich Godard jedoch einem romantisch naiven Weg. Die zuvor thematisierte Diskrepanz zwischen Mensch und Maschine, zwischen Logik und Emotion löst er durch einen Triumph der Liebe und Poesie. Ein, wie sollte es bei ihm auch anders sein, Siegeszug der Kunst. Was Alphaville jedoch bei aller Vielschichtigkeit und ästhetischen Raffinesse vergisst, ist die Interaktion mit dem Zuschauer. Dem Film deswegen seine Stärken abzusprechen wäre falsch, doch gibt sich Godard einmal mehr als Theoretiker, der sich nicht für seine Figuren interessiert und dabei ebenfalls übersieht den Zuschauer emotional an die Geschehnisse zu binden. Über weite Strecken des Films ist das noch verständlich, geht es ihm ja gerade um das Fehlen jeglicher Emotionalität. Doch wenn gegen Ende die Liebe obsiegt, spätestens dann sollte man als Zuschauer mitfühlen dürfen, mitfühlen können. [...]

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                          • 6

                            „Mord – Sir John greift ein“ gehört neben „Der Mieter“ und „Erpressung“ zu den ersten Thrillern, die Alfred Hitchcock in seiner Karriere inszenierte. Entgegen der beiden letzteren Werke handelt es sich hierbei jedoch um einen Whodunit, eine filmische Form der Verbrechensaufklärung von der Hitchcock nie sonderlich angetan war und von der er sich später auch des Öfteren distanzierte. Gerade dann, wenn man den kompletten Film einer finalen Auflösung unterordnet verschenkt man einen großen Teil der Suspense, so Hitchcock. Entgegen seiner eigenen Meinung zu „Mord – Sir John greift ein“ ist der Thriller, obgleich sicherlich nicht das Glanzstück, zumindest ein sehenswerter Teil von Hitchcocks Frühwerk. Erstaunlich souverän agiert der Regisseur hier bereits mit einer komplexen Handlungsstruktur, die mehrere Ebenen umfasst und bereits einige spätere Motive des Meisters vorwegnimmt. Die anfängliche Szene vor Gericht erinnert in ihrem Aufbau (Der titelgebende Sir John Menier ist als einziger Geschworener nicht von der Schuld der Angeklagten überzeugt) an Lumets „Die 12 Geschworenen“, obwohl sie mit dem Nachgeben von Sir John zunächst deutlich düsterer endet. Von da an entwickelt sich eine durchaus spannende Jagd nach dem wahren Täter, in der Sir John als stereotypischer Detektivverschnitt das Verbrechen auflösen will. Ordentlich gespielt und gekonnt inszeniert ist „Mord – Sir John greift ein“ vor allem deshalb interessant, weil er entgegen einiger anderer Filme in Hitchcocks Frühwerk bereits eindeutig die Handschrift seines Regisseurs trägt und als früher Abstecher in seine spätere Paradedisziplin wiederkehrende Motive vorwegnimmt.

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                            • 4

                              Obgleich Hitchcock sehr von dem gleichnamigen Bühnenstück angetan war, gestand der Regisseur sich selbst ein bei der Adaption des Werkes keine adäquaten Mittel zur filmischen Umsetzung gefunden zu haben. Er ging sogar so weit zu behaupten, dass „Juno and the Paycock“ nichts mit Kino zu tun hätte und er sich selbst dafür schäme. Betrachtet man den Film, dann kommt man leider nicht umhin Hitchcocks Aussagen zumindest ein Stück weit zu bekräftigen. Mit einer Flut aus Dialogen, sehr monotonen Kameraeinstellungen und kaum Abwechslung in der Szenengestaltung entführt Hitchcock seine Zuschauer in den irischen Bürgerkrieg – oder versucht es zumindest. Das Für- und Gegeneinander einer gebeutelten Arbeiterfamilie soll den Betrachter bewegen, erzeugt durch nicht enden wollende Plapperei jedoch den gegenteiligen Effekt. Bemüht aber doch fehl am Platz wirken die Darsteller, die Zeile um Zeile ihres Textes runterrattern und dabei selbst nicht ganz an das glauben, was sie von sich geben. Hitchcocks Versuch die Stimmung durch einige visuelle Tricks aufzulockern ist zwar nett gemeint, doch sind die sporadisch auftretenden Einfälle kaum der Rede wert. „Juno and the Paycock“ ist letztlich ein Werk, welches auf Papier gebracht durchaus ein gewisses Potential suggeriert, als Film jedoch nie wirklich funktioniert.

                              6
                              • 6

                                [...] Eine tiefere psychologische Auseinandersetzung bleibt dabei jedoch auf der Strecke. Zwar sind im Gezeigten natürlich genügend Ansätze vorhanden, doch geht es Regisseur Alvarez niemals darum eine tiefere Bedeutung in sein Werk einzuflechten. Sein Ziel ist es eben nicht die Ergebnisse zu bewerten, sondern nur das Experiment möglichst detailgetreu nachzubilden. Ein Ansatz, der den Film von ähnlichen Werken wie „Das Experiment“ abweichen lässt und ihm somit auch als Remake des Remakes genügend Relevanz einhaucht. [...] Etwas ärgerlich wird es dann, wenn der Film von seinem klaren Aufbau abweicht und eine unbekannte Figur einbringt, die lediglich als moralische Instanz fungiert. Die ohnehin bereits mit vier nicht näher charakterisierten Figuren besetzte Riege aus Testleitern wird somit um einen weiteren Charakter ergänzt, dessen einzige Aufgabe darin besteht das Experiment in Frage zu stellen. Immer wieder sind es kleine Momente wie dieser, in denen der Film mit seiner authentischen Art bricht und unnötigerweise von den realen Begebenheiten abweicht. Auf den kompletten Film gesehen sind das zwar nur gelegentliche Aussetzer, die aber dennoch die Glaubhaftigkeit des kompletten Werkes verwässern. Final erweist sich „The Stanford Prison Experiment“ aber dennoch als sehenswerter Tatsachenbericht, der dank solider Schauspielleistungen und einer ordentlichen Atmosphäre einiges aus seinem kammerspielartigen Szenario herausholt. [...]

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                                • 6

                                  [...] Zwar verläuft die Handlung über weite Strecken sehr vorhersehbar, doch gelingt es „99 Homes“ durch die Konfrontation beider Parteien immer wieder für mitreißende und intensive Momente zu sorgen. Wenn der Protagonist beispielsweise am Parkplatz eines Motelkomplexes, einem Auffangbecken für Vertriebene, auf eine Familie trifft, die er selbst aus ihrem Haus geschmissen hat, dann sind das Momente in denen der Zuschauer ebenso wie die Hauptfigur gar nicht weiß, was genau er fühlen soll. [...] Trotz einiger gelungener Momente läuft „99 Homes“ nicht völlig rund. Der innere Konflikt des Protagonisten wird zwar glaubhaft und überzeugend ausgearbeitet, doch gerade in der zweiten Hälfte agieren einige Nebencharaktere auf nur schwer nachvollziehbare Weise. Dabei macht es sich der Regisseur zu leicht. Indem er den vorausgegangenen Charakteraufbau schlichtweg unter den Tisch kehrt, verstärkt er den zentralen Konflikt des Films, tut das aber zu Gunsten seiner eigenen filmischen Logik und erzeugt dadurch final auch einen Eindruck von Unglaubwürdigkeit. Auch das Ende kann nicht vollends überzeugen. So wird der moralische Zwiespalt der Hauptfigur zwar aufgelöst, die konkrete Situation in der er steckt jedoch nicht zu Ende gedacht. Dadurch hängt der Film gegen Ende seltsam in der Luft und wirkt beim Einsetzen der Credits ein Stück weit unabgeschlossen. [...]

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                                  • 6

                                    [...] Schnell entpuppt sich Betty als impulsiver und sprunghafter Mensch, was Zorg jedoch nur noch mehr anzieht. Die langsame Geschichte lebt zu großen Teilen von der gelungenen Chemie der beiden Hauptdarsteller, die über weite Strecken gemeinsam agieren und ein Gefühl von leichtlebiger Ungehemmtheit auf den Zuschauer übertragen. Auch wenn inhaltlich nicht sonderlich viel passiert, so schaffen es die beiden Figuren den Betrachter mit ihren ehrlichen Emotionen bei der Stange zu halten. Überhaupt lebt „Betty Blue – 37.2 Grad am Morgen“ nicht von der spärlichen Geschichte, welche erzählt wird, sondern von der völlig eigensinnigen Stimmung, die der Film zu jeder Sekunde ausstrahlt.
                                    Auch in der formalen Gestaltung gelingt es Beineix diese Stimmung einzufangen. Sonnengeflutete Bilder voller lebensbejahender Helligkeit stehen spärlich beleuchteten Wohnungsaufnahmen voll mit angestauten Emotionen gegenüber. Obwohl den Titelfiguren wenig gelingt, scheinen sie ihre Lebensfreude nie zu verlieren. Sie haben sich selbst und das scheint ihnen zu reichen. Bis kurz vor Schluss, denn dann bricht der Film plötzlich und bewegt sich in ein völlig anderes Terrain. Dahin sind die leichtfüßige Art und die eigensinnige Stimmung, die den Film über weite Strecken so sehenswert machten. Schade, denn mit einem anderen Ende hätte der Film durchaus das Potential als richtiger Klassiker zu gelten. So ist er jedoch nur ein sehenswerter Stimmungsfilm. [...]

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                                    • 9

                                      [...] Akira Kurosawa ("Die sieben Samurai") packt sein komplettes Können als Geschichtenerzähler aus und verschachtelt die für sich genommen simplen Teilaspekte so geschickt ineinander, dass eine deutlich komplexere Struktur entsteht. Doch damit nicht genug, durch geschickte Kameraperspektiven und Figurenkonstellationen setzt „Rashomon“ seinen Zuschauer oftmals selbst in die Rolle des Entscheiders, beispielsweise indem er die Szenen vor Gericht aus der Sichtweise des gar nicht erst zu sehenden Richters zeigt. Denn das ist eine weitere Stärke des inhaltlichen Aufbaus, obgleich komplex verschachtelt hält er sich in der Menge der auftretenden Charaktere angenehm zurück. Dadurch gelingt es dem Film den übrigen Figuren genügend Platz einzuräumen und diese tiefergehend zu charakterisieren. [...] Die restlichen Darsteller erreichen zwar niemals den Grad an überbordende Ausdruckskraft wie Mifune, doch auch sie bemühen sich redlich um plastische und bedeutungsvolle Darbietungen, was wohl zu großen Teilen Kurosawas gekonnten Regieanweisungen zu verdanken ist. Die suggestiven Schauspielleistungen tragen unverkennbar zur Klasse des Films bei, ermöglichen sie es doch auf unnötige Dialoge zu verzichten und einen Großteil der Emotionen, Reaktionen, Meinungen und Beziehungen auf rein bildlicher Ebene dazustellen. [...] Final erweist sich „Rashomon“ neben seiner inszenatorischen und technischen Qualität vor allem als ein unglaublich intelligenter Film. Die individuellen Aspekte von Wahrheit und Erinnerung reflektiert er ebenso feinfühlig wie er die tiefere Bedeutung dieser für den Zuschauer erfahrbar macht. Eindrucksvoll zeigt Kurosawa, dass es für alle Situationen unterschiedliche Sichtweisen gibt und dass sich die objektive Wahrheit im Gewirr der persönlichen Motivationen oftmals nicht ausmachen lässt. Denn letztlich stellt sich immer noch die Frage, ob die einzelnen Parteien absichtlich lügen oder ob ihre Version schon längst zur eigenen Wahrheit geworden ist. Fakt ist, dass jeder Charakter in seiner eigenen Geschichte als ehrenwerte Figur auftritt. Ob das nun beabsichtigte Selbstdarstellung oder bereits unterbewusste Einbildung ist bleibt offen. Und genau das macht „Rashomon“ auch so interessant. [...]

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                                      • 8

                                        [...] Inszenatorisch entlockt Pasolini dem altbekannten Stoff jedoch eine ungeahnte Wirkungskraft, durch seine überlebensgroßen Bilder entfaltet der Film die wahre Tragkraft seiner Geschichte. In Kombination mit den vielen Nahaufnahmen entsteht ein expressionistischer Eindruck, welcher dem Werk zu seiner bildgewaltigen Wirkung verhilft. Dabei liegt Pasolinis Aspiration zu großen Teilen darin, die soziale Botschaft aus den Lehren Jesu herauszukristallisieren und damit unabhängig von religiösem Eifer eine allgemeingültige Lehre aus der Geschichte zu extrahieren.
                                        Verankert man diese humanistische Botschaft nun in einem weltlichen Kontext, so steuert der Film zwangsläufig auf eine weitere Erkenntnis zu. Pasolini trennt Religion weitestgehend in zwei Kategorien. Zum einen die Kirche als weltliche Institution, verbunden mit Ritualen, Traditionen und final natürlich auch dem Glauben an ein höheres Wesen, die er nicht nur ablehnt, sondern sogar verabscheut. Zum anderen die zugrundeliegenden Inhalte und Werte, die zwar in der Praxis nicht ohne Glauben funktionieren, die Pasolini jedoch auf theoretischer Ebene herausarbeitet und somit als zwischenmenschlich wichtige Botschaft von jeglicher übermenschlichen Komponente befreit. So gelingt es dem Regisseur entgegen dem klassischen Narrativ dennoch indirekt Kritik an der Kirche zu üben, indem er aufzeigt, wie weit sich diese bereits von ihren ursprünglichen Werten entfernt hat. [...]

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                                        • 6

                                          [...] Als Hobbyastronom und in Leopardenfell gekleidet markiert er gar einen Paradiesvogel, den man auf diese Art noch nicht gesehen hat. Sein Auftreten ist dennoch, dem typischen Protagonisten eines Italowesterns entsprechend, abgebrüht, unnahbar und dauercool. Schweigsam dezimiert er die Verbrecherbande, körperlich wie geistig immer eine Sekunde voraus.
                                          Wer in seinem Leben auch nur eine Handvoll Italowestern gesehen hat, der wird in „Requiem für Django“ nicht sonderlich viel Neues erleben. Wer das Genre jedoch schätzt, der weiß auch, dass Kreativität und inhaltliche Raffinesse nicht zu den essentiellen Elementen des Spaghettiwestern zählen. Vielmehr, und hier kann auch Merinos Film zumindest mit Abstrichen überzeugen, liegen die Schauwerte in der formalen Gestaltung. Intensive Schießereien, dreckige Bilder, karge Landschaften, abgebrühte Verbrecher und ein wortkarger (Anti)Held. All das lässt sich auch in „Requiem für Django“ finden. Stellenweise treibt er typische Stilmerkmale des Subgenres sogar soweit auf die Spitze, dass ihr Einsatz fast schon überzeichnet und parodistisch wirkt. Im Sekundentakt wechselt die Kamera von einer Totalen in eine Nahaufnahme, unaufhaltsam springt die Aufmerksamkeit zwischen den Figuren hin und her. Was zunächst merkwürdig anmutet, zeigt bald Wirkung als effektiver Spannungserzeuger. [...]

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                                            [...] Mit „Dirty Games“ holt Best gewissermaßen zum Rundumschlag aus. Von Ergebnismanipulation in den höchsten Kreisen des Profisports (NBA, Süper Lig) über kalkulierte Wettmanipulation im Profiboxen bis hin zur Korruption und den illegalen Machenschaft von Organisation wie der FIFA oder dem olympischen Komitee bleibt kein Themengebiet unberührt. Wie viel Zeit den unterschiedlichen Themen dabei eingeräumt wird, kann man sich bei einer 90-minütigen Dokumentation ja bereits denken. Mal etwas ausführlicher, mal nur angeschnitten stürzt sich der Journalist auf die verschiedensten Sportarten und kratzt dadurch leider nur an der Oberfläche. [...] Zu jedem Thema präsentiert die Doku Meinungen, Ansichten und Schicksale von Betroffenen und Ankläger. Für die Angeklagten scheint es jedoch keinen Platz zu geben, kein einziges Mal gibt es eine offizielle Stellungnahme oder ein Interview mit einem Zuständigen. In Hinsicht auf die emotionale Wirkung der Films ist das natürlich effektiv. Indem stets der Kampf eines Einzelnen gegen ein milliardenschweres Kollektiv porträtiert wird, erzeugt die Dokumentation gleichermaßen Sympathien wie Empörung. An dem Wahrheitsgehalt der Aussagen soll keinesfalls gezweifelt werden, dennoch wäre es interessant gewesen die Fälle aus unterschiedlichen Blickwinkel zu beleuchten und auch einen Sprecher der durchgehend angeklagten Sportindustrie zu hören. [...]

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                                            • 7

                                              [...] Sich mit dem Film auseinanderzusetzen bedeutet gleichsam sich mit deutscher Kultur und Geschichte zu beschäftigen. Primär natürlich mit der Nazi-Zeit, ihrer Entstehung gleichsam wie ihrer Folgen, sekundär jedoch auch mit dem gesamtdeutschen Gedankengut. Viele Werke nehmen sich diesem Thema an, doch kaum einem gelingt eine so feinfühlige Auseinandersetzung wie „Die Blechtrommel“. Das liegt zu großen Teilen an der perspektivischen Betrachtung des Films, so bietet die Figur des Protagonisten Oscars (David Bennent, „Legende“) die ideale Position um einen abwechslungsreichen Blick auf diese Zeit zu werfen. Allen Naturgesetzen zum Trotz beschließt der Junge fortan nicht mehr zu wachsen, geistig ist er bereits seit seiner Geburt ausgereift und so bewegt er sich stets zwischen kindlicher Naivität und erstaunlich ernster Weltanschauung.

                                              Aus dieser einmaligen Sicht erzählt der Film fast schon episodenhaft die Stationen von Oscars bewegtem Leben. Mit seiner kleinen Blechtrommel im Schlepptau zieht es ihn stets zu gesellschaftlichen Brennpunkten, die der Film auf die gleiche hintergründige Art zeigt, wie Oscar sie wahrnimmt. Dabei schlummert in den bizarren, zum Teil gar surreal angehauchten Szenen stets eine zutiefst menschliche Wahrheit. Zwischen den humoristisch absurden Momenten dringt der dramatisch gefühlsvolle Kern bei zunehmender Laufzeit immer stärker in den Vordergrund, glich Oscars Leben zu Beginn noch einem turbulent chaotischem Jahrmarkt, so verwandelt es sich bald in ein brodelndes Schlachtfeld. Seine augenzwinkernde Art verliert der Film dabei jedoch nie. [...]

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                                                Bereits bei den ersten Tönen des Soundtracks beginnt „Halloween“ seine Wirkung zu entfalten. Und auch wenn nach der grandiosen Eröffnungssequenz zunächst für lange Zeit auf eine vordergründige Bedrohung verzichtet wird, so baut der Film doch niemals Spannung ab. Denn noch mehr als bei anderen Filmen Carpenters kann das Böse hier nicht besiegt, geschweige denn getötet werden. Man kann nur entkommen, es lediglich vertreiben, aber niemals vernichten. Denn nach dem Film (und damit sind nicht die unzähligen Fortsetzungen gemeint) lebt es weiter, schleichend verfolgt es uns. Michael Myers ist nicht einfach nur ein Psychopath, nicht einfach nur ein maskierter Killer. Seine Figur ist das personifizierte Böse, Szene für Szene manifestiert sich dieses Bild in unseren Köpfen. Allgegenwärtig symbolisiert er Bedrohung und Gefahr. Auch wenn der Film gerade damit beschäftigt ist, seine eigentlichen Protagonisten zu etablieren, lauert das Böse dennoch an jeder Ecke. Man mag das naive Gebrabbel der Jugendlichen vielleicht als nervig und belanglos abstempeln, doch das spielt eigentlich keine Rolle. Was zählt ist die Bedrohung, und die ist immer vorhanden. John Carpenters kultisch verehrter Genrebegründer kommt ohne übertriebene Gewalt, ja sogar ohne Blut aus. Erstaunlich, betrachtet man sich die Fülle an gescheiterten Kopien bei denen Blutfontänen das einzige Qualitätsmerkmal zu sein scheinen. Und dennoch ist „Halloween“ härter als ein Großteil dieser Trittbrettfahrer, ganz einfach deswegen, weil es hier noch wirklich um etwas geht, weil etwas Größeres hinter den Dingen zu stehen scheint. Und nicht zuletzt auch wegen der Kunstfertigkeit mit der Carpenter seinen Film umsetzt. Angefangen beim unheimlichen Score über die wirkungsvollen Kameraeinstellungen bis hin zur beißenden Atmosphäre. Gerade die ist, wie bei vielen Filmen Carpenters, der heimliche Star des Films. Der Leim, der alle Teilaspekte zusammenhält.

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                                                  Nicht umsonst beginnt der Streifen mit einem alten Seebären, der einer verschreckten Gruppe Kinder am Lagerfeuer eine Gespenstergeschichte erzählt. „The Fog“ gleicht einer solchen Geschichte und Carpenter trägt diese mit sichtlicher Begeisterung und einem erstaunlichen Gespür für das richtige Timing vor. Dadurch setzt er schon zu Beginn den Ton für den restlichen Film und wie bei echten Lagerfeuergeschichten kann „The Fog“ nicht etwa durch fein ausgearbeitete Figuren oder einer raffinierten Handlung punkten, sondern vermag es schlichtweg durch seine unheimliche Atmosphäre zu überzeugen. Aller Vorhersehbarkeit zum Trotz weiß er genau wie und vor allem wann er seine Zuschauer erschrecken kann. Dem titelgebenden Nebel ganz ähnlich, umschlingt auch die unheimliche Atmosphäre den Betrachter und hält ihn für die Dauer des Films gefangen. Die Bedrohung und damit einhergehend die Furcht vor dem Grauen, das im Unbekanntem lauert, zieht sich durch Carpenters Filmografie und findet im Nebel einen ihrer Höhepunkte. „The Fog“ ist ein dermaßen effektiver Film, weil er sich sehr genau darauf versteht die richtigen Knöpfe zu drücken. Er bedient sich einer simplen Sehnsucht und bietet jedem der Materie zugeneigten Zuschauer stimmungsvollen und kurzweiligen Grusel. Ein Film, den man am liebsten in einer nebligen Herbstnacht eingekuschelt in einer warmen Decke schaut. Der Inbegriff von schaurig schöner Gruselromantik.

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                                                  • Im Anschluss an "Lawrence von Arabien" läuft auf 3sat noch Pasolinis "Das 1. Evangelium - Matthäus". 23:45 ist zwar relativ spät, hätte man aber dennoch unter den Klassikern aufzählen können.

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