Vitellone - Kommentare

Alle Kommentare von Vitellone

    • 9

      Dies ist ein Wichtelkommentar im Rahmen der User-Wichtel-Aktion-2015 für Mackey.

      ------Dritter Advent------

      Es gibt viele gelungene Musikfilme, aber an die Genialität von „Almost Famous“ reicht keiner heran. Das liegt auch daran, dass sich der Film bei den unterschiedlichsten Elementen bedient und diese gekonnt zusammenfügt. Das sind neben offensichtlichen Einflüssen des Coming of Age Genres und des Roadmovies auch Anleihen des biografischen Dramas, des klassischen Feelgood Movies und der Tragikomödie. Kernstück der Handlung ist dabei William, der als optimale Proxy für den Zuschauer fungiert und stets der große Sympathieträger der Geschichte bleibt. Es ist vor allem seine Reise und seine Beziehung zur Musik, die im Vordergrund steht. Zwischen Leidenschaft und Profession hin und hergerissen gibt uns der Film damit einen einzigartigen Einblick in eine völlig andere Welt, weit entfernt von unserem Alltag, aber dennoch stets greifbar. Diese Welt ist bestückt mit kuriosen Geschichten und eigensinnigen Charakteren. Natürlich ist das Gezeigte überzeichnet dargestellt, in seinem Kern verkörpert der Film aber das echte Leben, stets schwankend zwischen bedrückender Melancholie und purer Lebensfreude. „Almost Famous“ ist ein vielschichtiger und komplexer Film, allein schon deshalb weil er es schafft die unterschiedlichsten Emotionen zu erzeugen. Ein magischer Film, der seine Zuschauer tief im Herzen trifft.

      „Almost Famous“ nutzt die Musik als Sprache. Das wird bereits zu Beginn deutlich, als Zooey Deschanel nämlich das Haus ihrer Mutter verlässt liefert sie die Erklärung dazu in Form eines Songs. Kein Brief, kein Gespräch, keine Nachricht...einfach nur eine Schallplatte. Crowe macht damit etwas deutlich, was viele Menschen schlichtweg übersehen. Musik kann Ausdruck unseres Wesens sein, unserer Hoffnungen und Ängste. Eine vereinfachte, aber doch sehr treffende Beschreibung unserer Gefühlslage, weil Musik oftmals genau dann gebraucht wird, wenn Worte und Gesten versagen. Genau das macht „Almost Famous“ so einzigartig, dieses Verständnis von Musik und der damit verbundene Einsatz. Natürlich ergeben die einzelnen Songs für sich genommen schon ein großartiger Mix, die Art und Weise wie sie die Szenen untermalen ist jedoch die Krönung. Crowe weiß wie er durch passende Musik die Aussage und Wirkung einzelner Szenen erhöhen und den Zuschauer dadurch auf eine unterbewusste und unnachahmliche Art erreichen kann. Eine Liebeserklärung an die Musik und an ihren Einfluss in unserem Leben.

      Man könnte noch so viel mehr über „Almost Famous“ schreiben, über Penny Lane und Russel Hammond, über Philip Seymour Hoffman und darüber, dass der Film gleichzeitig Loblied und Abgesang auf die Musikindustrie ist. Ein Film, den man sich stundenlang ansehen könnte, der dabei nie langweilig wird und über den man danach noch stundenlang nachdenken kann. Doch genau so wie man Musik am Besten einfach nur hören sollte, ist „Almost Famous“ ein Film, den man in erster Linie selbst erlebt haben muss.

      „I have to go home.“
      „You are home.“

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      • 6

        [...] Überhaupt kann man qualitativ recht wenig an den Werken Spielbergs meckern und hier ist auch „Bridge of Spies“ keine Ausnahme. Routiniert schickt er seine auf einem gewohnt hohen Level agierenden Darsteller (allen voran natürlich Tom Hanks) durch eine detailliert ausgeschmückte Welt, Kostüme und Kulissen passen wie die Faust aufs Auge und erzeugen ein authentisches Bild des Kalten Krieges. Man merkt dem Film an, dass an keiner Ecke gespart wurde, alles wirkt hochwertig, allgemein scheint das Budget bei einem Spielberg Film nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. „Bridge of Spies“ ist damit durch und durch ein typischer Spielberg, wo genau die Coen-Brüder im Skript mitgemischt haben erscheint auch nach der Sichtung noch etwas rätselhaft. [...] Nach einem etwas behäbigen Start findet Spielberg das perfekte Tempo für seinen Film. In Berlin angekommen spinnt er die Handlung langsam aber kontinuierlich weiter, nimmt sich Zeit für Gespräche ohne dabei langatmig zu werden und gibt auch den rasanteren Szenen genug Dynamik um ihnen Brisanz zu verleihen. „Bridge of Spies“ findet in Sachen Geschwindigkeit die goldene Mitte, die Verhandlungen sind langsam genug um allen relevanten Punkten folgen zu können und schnell genug um nicht langweilig zu werden, und das obwohl der Film zugegebenermaßen nie wirkliche Spannung aufbaut. Die Verhandlungen so wie der Austausch verlaufen einfach zu glatt, die Hindernisse, die Hanks in den Weg gelegt werden sind aller höchsten Stolpersteinchen, jedoch nichts was die Operation ernsthaft gefährden könnte. [...]

        http://diedreimuscheln.blogspot.de/2015/12/review-bridge-of-spies-der-unterhandler.html

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        • Suche noch nen Partner für den 3. Advent. Wer hat noch nicht, wer will noch mal?

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          • 3
            • 8

              Dies ist ein Wichtelkommentar im Rahmen der User-Wichtel-Aktion-2015 für (VINCENTVEGA). Genießt den zweiten Advent!

              ------Zweiter Advent------

              Aufblende. Man sieht Aufnahmen von Paris, Eindrücke untermalt mit ruhiger Jazz-Musik. Wenige Augenblicke genügen und man wird sich bewusst, dass dies unverkennbar ein Film von Woody Allen ist. Eine der ganz großen Persönlichkeiten des amerikanischen Kinos, so etwas wie eine feste Konstante im Kinojahr. Seit knapp 50 Jahren beschenkt er uns mit seinen Filmen, jedes Jahr aufs Neue. Es gibt nur wenig Regisseure, die auf eine so umfangreiche Filmografie zurückblicken können und es gibt noch viel weniger Regisseure, die eine solche Kontinuität in Sachen Qualität besitzen. Fast schon einmalig, denn auch wenn nicht jeder Film von ihm ein Meisterwerk ist, so ist er doch zumindest sehenswert. Vergangene Woche wurde der Meister 80, ein beachtliches Alter und doch können wir uns darauf verlassen, dass auch nächstes Jahr ein Film von ihm in die Kinos kommen wird. Woody Allen, der vielleicht letzte Poet Hollywoods.

              „Midnight in Paris“ ist eine Liebeserklärung. Nicht nur an Paris, die Stadt der Liebe, sondern auch an die Künstler längst vergangener Tage. Doch Woody Allens Paris ist nicht einfach nur eine Stadt, sein Paris lebt und atmet. Was er uns zeigt ist keine neutrale Aufnahme, sondern eine personalisierte und romantisierte Darstellung. Paris, nicht so wie es ist, sondern so wie man es sich vorstellt, so wie Träumer, Romantiker und Künstler die Stadt sehen. Eben so wie Allen selbst sie sieht. Die Straßen dieser Stadt werden von Gil (herrlich unaufgeregt: Owen Wilson) durchwandert, er ist Autor, Träumer, Nostalgiker und fest davon überzeugt zur falschen Zeit zu leben. Paris in den 20iger Jahren, das war für ihn die goldene Ära und wir wären nicht im Kino, wenn er diese Reise nicht zugleich antreten würde. Es ist Mitternacht, Gil steigt in einen Wagen und kurz darauf befindet er sich in ebenjener Zeit. Zahlreiche Nächte kann er so mit seinen Vorbildern aus der Vergangenheit erleben, Inspiration und Lebensfreude zieht er gleichermaßen aus diesen Treffen. Einmalig ist dabei auch wie geschickt Allen durch die Zeit springt. Fast schon nebensächlich flechtet er dieses Element in die Handlung, und das obwohl es das entscheidende Bindeglied zwischen den Handlungsorten oder besser gesagt Handlungszeiten des Films ist. Allen macht die Zeitreise zu etwas Magischem, das man aber trotzdem zu keiner Sekunde anzweifelt. Hier muss nichts erklärt werden, es ist schlichtweg da.

              „Midnight in Paris“ lebt von seinen Figuren. Egal ob Pablo Picasso, Ernest Hemingway oder Luis Bunuel, Gil trifft sie alle und der Film präsentiert uns diese Begegnungen auf eine unnachahmliche Art. So sind alle Charaktere herrlich überzeichnet, wir lernen sie als verträumte Poeten, eigensinnige Künstler und selbstverliebte Wichtigtuer kennen. Hier ein Glas Champagner mit Scott und Zelda Fitzgerald, dort ein Schnaps mit Salvador Dali. Das alles zeigt uns Allen mit Hilfe von atmosphärischen Bildern und feingeschliffenen Dialogen, als Gesamtpaket wirkt der Film dabei unglaublich stimmig. Die einzelnen Elemente greifen perfekt ineinander und erzeugen dadurch ein enorm leichtfüßiges und kurzweiliges Filmerlebnis. Die Erkenntnis, die Gil gegen Ende des Films gewinnt ist zwar nicht sonderlich tiefgründig, dafür jedoch umso universell verständlicher. Schließlich waren wir alle schon einmal in Situationen in denen wir dachten früher war alles besser, bis wir schließlich den nostalgisch verklärten Blick ablegten und erkannten, dass dieser Gedanke nur eine Illusion ist. Wenn Gil letztendlich mit der Vergangenheit abschließt spannt das einen geschickten Bogen zum Beginn des Films und funktioniert dadurch optimal als versöhnlicher Abschluss. In erster Linie ist „Midnight in Paris“ aber ein Film den man erleben muss, ein Film zum Träumen und Mitfühlen. Durch seine unnachahmliche Art und Weise nimmt uns Allen mit auf eine magische Zeitreise, angefüllt mit purer Lebensfreude. Schlichtweg ein Film zum Wohlfühlen.

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              • 7

                [...] Bewusst gestaltet Strickland seinen Film sehr repetitiv, immer wieder zeigt er ähnliche Szenen und gibt dadurch einen Einblick in die Routine des sadomasochistischen Rollenspiels, welches für die beiden Protagonistinnen längst zur Gewohnheit wurde. Diese Wiederholung der Szenen streckt den Film zwar etwas in die Länge, macht dafür jedoch deutlich wie tief diese Szenarien im Alltag der Frauen verankert sind. Gerade dadurch schafft es „The Duke of Burgundy“ das Verhältnis der Frauen als sinnliches, fast schon mysteriöses Ritual darzustellen. Ohne explizite Szenen entwickelt sich daraus ein mehr und mehr verworrenes Psychodrama, ein intimer Einblick in das Für- und Gegeneinander einer Beziehung. [...] Die Kamera positioniert sich als stummer Begleiter, schafft es einen tiefgehenden Einblick zu geben ohne dabei voyeuristisch zu werden. Oftmals spielt sich der Film im Kopf seiner Zuschauer ab, zeigt bewusst nicht alles und lässt vieles offen. [...] Peter Strickland erzählt seine Symphonie aus Liebe und Schmerz nämlich in erster Linie durch gekonnt inszenierte Bilder. Auf das Nötigste beschränkt zeichnet er ein subtiles Porträt einer sadomasochistischen Liebesbeziehung, die gleichermaßen ekstatisch wie sinnlich ist. Oftmals sind es nur kleine Gesten oder Blicke, die etwas Verborgenes andeuten und das Kopfkino anregen, aber genau damit nimmt der Film den Zuschauer für sich ein und schafft es ihn über die komplette Laufzeit zu fesseln.

                http://diedreimuscheln.blogspot.de/2015/12/review-duke-of-burgundy-schmerz-und.html

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                • 5

                  [...] Zu viele Szenen schaffen es weder die Handlung voranzutreiben, noch seine Charaktere weiterzubringen, weshalb sich der Film trotz seiner eher geringen Laufzeit auch ziemlich zäh und langatmig anfühlt. Allgemein ist „Louder Than Bombs“ kein sonderlich plotlastiger Film, im Zentrum stehen ganz klar die Charaktere und ihre Interaktion untereinander, das was sie sagen und tun, aber auch das was sie eben nicht ausdrücken können. Joachim Trier verpasst es aber immer wieder dem Zuschauer diese Figuren näherzubringen und wenn sie sich bei zunehmender Laufzeit annähern bleibt der Zuschauer dabei ausgeschlossen, was dem Film einiges an Intensität nimmt. [...] Laut eigener Aussage wollte Joachim Trier einen Film schaffen, der Emotionalität und Intellekt vereint. Genau hier liegt aber das größte Problem von „Louder Than Bombs“ begraben. Zwar versucht der Film durch Traum- und Kriegssequenzen einen gewissen Grad an Intellekt und Kunstfertigkeit zu präsentieren, wirkt dabei aber sehr platt und uninspiriert. Zum einen gelingt es nicht diese Szenen ordentlich mit dem restlichen Film zu verbinden, was immer wieder den Eindruck macht sie dienen lediglich dazu einen Eindruck von nicht vorhandener Tiefe zu vermitteln. Zum anderen wirken vor allem die Traumsequenzen in ihrer Umsetzung furchtbar prätentiös und fügen dem Film trotz guter Inszenierung nichts hinzu. Seine Stärken zieht der Film aus der Emotionalität des Zwischenmenschlichen, zwar sind Triers Charaktere bei weitem nicht so tiefgründig gezeichnet wie er dem Zuschauer gerne glauben machen will, trotzdem funktionieren manche Szenen, weil sie schlichtweg Situationen präsentieren in die sich jeder Zuschauer hineinversetzen kann. [...]

                  http://diedreimuscheln.blogspot.de/2015/11/review-louder-than-bombs-bild-einer.html

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                  • So, findet sich hier noch ein Wichtelpartner für den 2. Advent?

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                    • 8
                      über Her

                      Dies ist ein Wichtelkommentar im Rahmen der User-Wichtel-Aktion-2015 für Amarawish. An dieser Stelle wünsche ich euch allen eine schöne Adventszeit!

                      ------Erster Advent------

                      „Sometimes I think I have felt everything I'm ever gonna feel. And from here on out, I'm not gonna feel anything new. Just lesser versions of what I've already felt.“

                      „Her“ ist ein Film der Gegenteile. Sehnsucht, Trauer, Melancholie und Wut auf der einen...Euphorie, Glück und Wärme auf der anderen Seite. Das ganz normale Auf und Ab des Lebens, das Hin und Her einer Beziehung. Dass diese Beziehung keine körperliche ist, das spielt zunächst keine Rolle. Was Spike Jonze uns hier als vermeintlich fiktive Welt präsentiert ist nicht sonderlich weit von uns entfernt. Die Technik hat sich weiterentwickelt, der Kleidungsstil ist etwas anders und auch die Stadt, die Theodore Twombly (mal wieder unfassbar gut: Joaquin Phoenix) durchstreift wirkt einen Funken futuristischer. Nichts was uns in 10 bis 20 Jahren nicht auch bevorstehen könnte, abwegig wäre daran nichts. Auch künstliche Intelligenz rückt immer mehr in den Fokus, früher oder später ist man gezwungen sich damit auseinanderzusetzen. Jonze macht das auf seine ganz eigene Art, während oftmals auf rein logischer Ebene argumentiert wird, umgeht er diese geschickt und präsentiert uns die Thematik aus einer emotionalen Sichtweise. Das soll nicht heißen, dass sich „Her“ der Logik verwehrt, vielmehr schafft es der Film dadurch sogar noch einen Schritt weiter zu gehen. Denn was nutzt eine Debatte über die Menschlichkeit von Künstlicher Intelligenz wenn man sich in ein solches System verliebt? Nicht viel, denn Liebe folgt keinen Regeln und hört oftmals nicht auf die Vernunft. Insofern ist die emotionale Ebene auf der „Her“ agiert vielleicht sogar ein Stück tiefgehender als andere Arten der Auseinandersetzung.

                      „I think anybody who falls in love is a freak. It's a crazy thing to do. It's kind of like a form of socially acceptable insanity.“

                      Das schönste an „Her“ ist aber, dass er schlichtweg funktioniert. Abseits von gewohnten Klischees und unnötigem Kitsch geht es im Kern der Geschichte um Liebe. Um echte Liebe, aufrichtig und vielschichtig. Direkt und unwiderruflich brennt sich „Her“ in die Herzen seiner Zuschauer, lässt dabei kein Auge trocken. „Her“ funktioniert obwohl er eine Liebe zeigt, die wohl für viele von uns nicht vorstellbar ist. Zumindest nicht rational nachvollziehbar, aber trotzdem fühlen wir mit. Weil „Her“ echt wirkt, weil er ehrlich und aufrichtig ist. Theodore Twombly ist Romantiker und Beziehungsmensch, aber er ist allein und einsam. Die Welt scheint keinen Platz für einen Träumer wie ihn zu haben. Eine Welt, in der man sich romantische Briefe und Liebeserklärung von einer Firma schreiben lässt. Eine Welt, die scheinbar nur von Individuen durchstreift wird. Eine Welt, in der die Menschen um ihren Selbstzweck nach einer Beziehung streben. Da tritt Samantha in Theodores Leben, sie ist „nur“ ein Betriebssystem, aber dennoch gibt sie ihm genau das was er vermisst hat. Zuneigung, Nähe und aufrichtiges Interesse. Auf der anderen Seite findet auch Samantha in ihren Gesprächen das, wonach sie sich sehnt. Aus Sympathie wird Zuneigung, aus Zuneigung wird Schwärmerei und aus Schwärmerei wird Liebe. „Her“ nimmt uns mit auf diese Reise, lässt uns teilhaben und mitfühlen. Wahrscheinlich der schönste Liebesfilm der letzten Jahre.

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                      • 6
                        über Love

                        Auch Noés neuestem Streich eilt der Ruf als Skandalfilm bereits voraus, was sich jedoch in erster Linie auf den Regisseur und nicht auf das Werk selbst zurückführen lässt. Denn „Love“ ist zahm, geradezu harmlos, wenn man ihn mit Noés früheren Filmen vergleicht. Einzig die expliziten Sexszenen (von denen es erwartungskonform unzählige gibt) könnten als bedenklich eingestuft werden, aber sind wir darüber nicht längst hinaus? In einer Zeit, in der jede noch so ausgefallene Sexualpraktik nur einen Klick entfernt ist könnte man das auf jeden Fall meinen, doch in der Öffentlichkeit verkommt die Sexualität vom Alltäglichen zu einem Tabuthema. Auch die Tatsache, dass uns in „Love“ echter Sex präsentiert wird sollte keinen mehr schocken, das gab es mittlerweile des Öfteren (zuletzt vor einem guten Jahr in Lars von Triers „Nymphomaniac“) und subversiv ist daran nichts mehr. Mit der Qualität des Films hat das natürlich erst einmal gar nichts zu tun, denn die öffentliche Wahrnehmung macht diesen weder besser noch schlechter.

                        Was genau die Intention hinter „Love“ ist darf durchaus diskutiert werden. Auf eine Geschichte kam es Noé wohl nicht an, denn dafür ist der Film erzählerisch viel zu flach und redundant ausgefallen. Vielmehr war es das Ziel sein Bild von Liebe als audiovisuelle Symbiose auf die Leinwand zu bringen und für den Zuschauer greifbar zu machen. Kino als Erlebnis also, Film den man spüren kann. Dank seiner audiovisuellen Brillianz schafft es „Love“ auch immer wieder berauschende Szenen zu präsentieren, die den Zuschauer gefangen nehmen. Ob das nun Liebe oder nur Leidenschaft ist sei dahingestellt. Auch die Umsetzung in 3D erscheint ziemlich sinnlos, bis auf eine (sehr vorhersehbare) Abspritzszene ins Gesicht des Zuschauers nutzt Noé die Technik nämlich kaum. Das ist schade, gehört er doch zu den wenigen Regisseuren denen ich durchaus zutrauen würde einen Mehrwert aus der Dreidimensionalität zu ziehen. Auch die diversen Anspielungen fügen dem Film nichts hinzu. Zwar kann sich der aufmerksame Filmfan durchaus darüber freuen, wenn im Hintergrund Poster zu zahlreichen Klassikern hängen („Taxi Driver“, „Die 120 Tage von Sodom“ oder Fritz Langs „M“ sind nur ein paar davon) oder Noé seine Liebe zu Kubricks „2001“ deutlich macht, mit dem eigentlichem Film hat das aber wenig zu tun. Gleichermaßen verhält es sich mit den Selbstreferenzen, denn es ist kein Kunststück eigene Szenen wiederzuverwerten (z.B: Penetration von innen aus „Enter the Void“) oder seine Charaktere Gaspar oder Noé zu nennen. Das Traurigste an „Love“ ist jedoch die Gleichgültigkeit, die man nach dem Film empfindet. Gerade das kannte man von Noé eben noch nicht und auch wenn „Love“ kein schlechter Film ist, ist er zumindest ein enttäuschender.

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                        • 6

                          [...] Affären, Trennungen und die Suche nach Liebe sind ebenso präsent wie das Streben nach Macht, Geld und Ansehen. Dabei führen diese Sehnsüchte alle Charaktere tief ins eigene Unglück und lösen einen Klassenkampf angefüllt mit menschlichem Elend aus. [...] Stellenweise verkommt „Die süße Gier“ dadurch zu einer eindimensionalen Präsentation von menschlichem Elend ohne wirklich Substanz zu besitzen. Die gesellschaftskritischen Ansätze treten in den Hintergrund und werden mit Leid überspielt. [...] Als Episodenfilm funktioniert „Die süße Gier“ dabei sehr gut, so sind nämlich die einzelnen Geschichten gekonnt miteinander verwoben und decken mit zunehmender Laufzeit stets interessante Aspekte über die vorigen Geschehnisse auf. Der Film ist zwar nie wirklich spannend (und will es auch gar nicht sein), doch durch das stetige Aufdecken neuer Puzzlestücke für das Gesamtbild hält er den Zuschauer bei der Stange. Mit dem Konzept wäre aber durchaus eine bessere Umsetzung möglich gewesen, denn der Regisseur macht es sich stellenweise viel zu leicht und ruht sich auf dem Elend seiner Charaktere aus. Dennoch ein gelungenes Werk.

                          http://diedreimuscheln.blogspot.de/2015/11/review-die-sue-gier-menschliches.html

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                          • 5

                            [...] Während die erste Hälfte eine sehr ruhige, fast schon dokumentarische Bestandsaufnahme einer Flüchtlingsfamilie in Frankreich darstellt, entwickelt sich der Film in Hälfte zwei zusehends zu einem plotgetriebenen Genrestreifen. Was sich zu Beginn noch sehr vielversprechend anhört, funktioniert im fertigen Film dann leider deutlich schlechter als geplant. Zwar ist es durchaus beabsichtigt, dass sich die Handlung gegen Schluss auf eine sehr übertriebene Art zuspitzt, trotzdem wirkt vieles dadurch zu gewollt dramatisch und verwässert die bisherige Wirkung des Streifens. „Dheepan“ versucht die Sympathien, die man in der ersten Hälfte für die Charaktere aufbaut, zu nutzen um den Zuschauer in einer rasanten Endsequenz zu schocken, scheitert dabei aber an seiner eigenen überzogenen Darstellung. Gerade dem Finale merkt man seine Künstlichkeit stark an, womit der Film seine geplante Wirkung auch weit verfehlt. [...] Dazu kommen kulturelle Unterschiede, die nur sehr schwerlich überschritten werden können. Auch hier macht der Film mit vielen kleinen Beispielen deutlich, dass oftmals nicht Widerwille, sondern Unverständnis der Grund für eine erschwerte Integration darstellt. „Dheepan“ schafft es vor allem in der ersten Hälfte viele Momente zu kreieren, die trotz ihrer schlichten Präsentation eine emotionale Intensität erzeugen, der man sich nur schwer entziehen kann. In ihrer Darbietung zutiefst menschlich verleihen diese Momente dem Film eine ehrliche und universell verständliche Aussage, die nie in simple politische Parolen abdriftet, sondern durch ihre Charaktere herrlich bodenständig (zumindest in der ersten Hälfte) bleibt. [...]

                            http://diedreimuscheln.blogspot.de/2015/11/review-damonen-und-wunder-dheepan.html

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                            • 2

                              „Larry Gaye: Völlig abgehoben“ bedient sich in erster Linie abgestandener Witze und altbekannten Klischees. Dass er dabei nicht sonderlich lustig ist überrascht wohl keinen, der es gewagt hat sich den Trailer anzusehen. Kontinuierlich versucht er Elemente von beliebten Komödien abzukupfern und erinnert nicht nur wegen des Schauplatzes an den Klassiker „Airplane!“. Immer wieder geben sich die Dialoge dabei dem puren Unsinn hin, statt eines Lachers ernten sie aber bestenfalls verwirrte Gesichter. Wen genau der Film ansprechen soll bleibt auch nach der Sichtung ein Rätsel, ebenso wie die Frage ob das alles absichtlich so trashig gefilmt wurde oder ob das Endprodukt einfach nur verdammt mies ausgefallen ist. Die Tendenz geht eher zu letzterem, denn abgesehen von einigen netten Gesichtern in den Nebenrollen (Stanley Tucci, Danny Pudi) hat der Film eigentlich nichts zu bieten. Die klischeebeladene Handlung präsentiert uns sichtlich unmotivierte Darsteller, die immer wieder dieselben unlustigen Gags aufsagen. Dass der Name des Protagonisten (Gaye) schon zu den besten Witzen des Films gehört ist dabei eigentlich schon aussagekräftig genug. Teilweise minutenlang versucht er seinen übertriebenen Humor an den Zuschauer zu bringen, was sich gerade bei zunehmender Laufzeit zu einer strapaziösen und fast schon ärgerlichen Angelegenheit entwickelt. Wenn ein Witz beim ersten Mal schon nicht funktioniert, dann stehen die Chancen nicht gerade gut, dass er nach fünf Wiederholungen auf einmal ein humoristisches Feuerwerk zündet. Wer sich davon selbst ein Bild machen will oder noch nicht genug abgeschreckt wurde sollte sich am besten ein paar Freunde und eine Kiste Bier schnappen, wenn man sich dann gemeinsam über den Film lustig machen kann schafft es „Larry Gaye: Völlig abgehoben“ wohl endlich auch zu einem Lacher.

                              Double-Review von stu und mir:
                              http://diedreimuscheln.blogspot.de/2015/11/review-larry-gaye-vollig-abgehoben-eine.html

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                              • Schön, dass sich auch dieses Jahr wieder jemand um die Aktion kümmert. Bin dabei und suche einen Partner, wer will?

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                                • 5

                                  [...] Wenn man sich die Prämisse von „Der kleine Soldat“ zu Augen führt, dann könnte man auf den ersten Blick durchaus meinen, dass es sich um einen rasanten Spionagethriller handelt. Wer das denkt, hat die Rechnung aber ohne Godard gemacht, denn wie schon sein erster Langfilm „Außer Atem“ ist auch „Der kleine Soldat“ vollgepackt mit ausschweifenden Stadtaufnahmen und philosophisch angehauchten Dialogen. Daran ist auch gar nichts auszusetzen, erst recht nicht wenn man die technische Perfektion betrachtet, mit der diese Szenen eingefangen wurden. Godard Stil ist zwar eigensinnig (manchmal wirkt es sogar so, als würde er seine technischen Fähigkeiten selbstverliebt zur Schau stellen), macht den Film jedoch zu einem optischen Leckerbissen. [...] „Der kleine Soldat“ ist vollgepackt mit Anspielungen und Zitaten. Unablässig verweist Godard auf bekannte Größen aus Literatur, Film und Musik. Exzessiv erwähnt er die Namen von Künstlern, das reicht von Bach bis Carl Theodor Dreyer. Dass ihn das Zitieren von Kunst nicht automatisch selbst zu einem Künstler macht scheint er dabei aber nicht zu verstehen. Überhaupt scheint der Protagonist lediglich dazu zu dienen die Ansichten seines Regisseurs wiederzugeben. So schwafelt er über Politik und Kunst, über seine Überzeugungen und Ansichten. In redundanten Mono- und Dialogen zwingt er den Zuschauern seine Meinungen förmlich auf. Wirklich auseinandersetzen kann man sich damit nicht, denn durch seine selbstverliebt wirkende Art wird es schwierig einen Dialog mit dem Film einzugehen. [...]

                                  http://diedreimuscheln.blogspot.de/2015/11/review-der-kleine-soldat-godard-auf.html

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                                  • 5

                                    [...] Robert Zemeckis ist dabei der Name der die Zuschauer ins Kino treibt. Und wenn man ihn nicht als Robert Zemeckis kennt dann lockt der Regisseur von „Zurück in die Zukunft“, „Forrest Gump“ und „Cast Away“. Ebenjener, der es schafft eine riesige Portion Hollywood-Kitsch in wahre Kinomagie zu verwandeln, in Filme, die einfach nur sympathisch sind. Auch „The Walk“ hat das Herz am richtigen Fleck. Der Film ist nett, aber leider wird auch Zemeckis immer älter und schafft es nicht mehr zu Gänze die kitschigen Momente zu überspielen. Wenn der Protagonist auf dem Drahtseil eine mystische Begegnung mit einem Raubvogel hat dann ist das nicht etwa eine herrliche Entrückung in eine andere Welt, sondern schlichtweg seltsam. Von Momenten wie diesem ist „The Walk“ vollgestopft, mal funktionieren sie besser, mal schlechter und oft lassen sie den Zuschauer etwas ratlos zurück. [...] Er ist solide inszeniert, gut gespielt und auf eine kurzweilige Art auch stellenweise wirklich unterhaltsam. Gleichermaßen ist er aber auch vollgepackt mit seltsamen Momenten und präsentiert teilweise auch zu viel Leerlauf. Es hätte dem Film sicherlich geholfen die ein oder andere Szene zu streichen und dafür an anderer Stelle etwas mehr zu zeigen. So ist „The Walk“ aber nur ein durchschnittliches Kinovergnügen, dass sich irgendwo im Mittelfeld der breiten Filmwelt einordnet.

                                    http://diedreimuscheln.blogspot.de/2015/11/review-walk-balanceakt-oder-absturz.html

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                                    • 6

                                      [...] Nach gut dreißig Minuten kommt es jedoch zu einem heftigen Bruch, die innere Ungewissheit von Fergus spiegelt sich in der Handlung wieder, die nicht wirklich weiß in welche Richtung es weiter gehen soll. Es dauert etwas, bis „The Crying Game“ zurück auf die Spur findet, so gut wie in den ersten dreißig Minuten wird er aber leider nicht mehr. Ab diesem Zeitpunkt wirkt alles etwas unbestimmt und orientierungslos. [...] Was bleibt also letztlich noch übrig? Nur ein Sprung 20 Jahre in die Vergangenheit oder doch mehr? Fakt ist, dass gewisse Szenen von „Thy Crying Game“ zwar an Brisanz und Wirkung verloren haben, es aber gerade die damalige Herangehensweise noch immer zu einer interessanten filmischen Erfahrung macht. Denn der Film greift Themen auf, die man auf dieser Weise nur selten oder gar nie zu sehen bekam und auch wenn er zu großen Teilen vergisst seine Zuschauer emotional mit einzubinden, so beweist Neil Jordan doch stellenweise immer wieder Gespür für die richtige Stimmung.

                                      http://diedreimuscheln.blogspot.de/2015/11/review-crying-game-ein-mann-zwischen.html

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                                        Horrorctober 2015 #13:

                                        Zum Abschluss nochmal ein feines Schmankerl, ein Relikt des Tierhorrors, ein Triumph des B-Movies. Ein Film, der trotz oder gerade wegen seiner naiven Erzählung und seiner angestaubten Machart eine riesige Portion an Charme besitzt und völlig zurecht zu absolutem Kult erhoben wurde. Er nährt die Angst vor Spinnen, die Angst vor fehlgeschlagenen Experimenten und weiß dank seine liebevolle Inszenierung noch heute bestens zu unterhalten. „Tarantula“ ist geradlinig erzählter Tierhorror von seiner besten Seite. Schnell wird klar wo die Reise hingeht, der Film bezieht seine Wirkung nicht aus seiner flachen Spannungskurve, sondern aus der Art und Weise wie er seine Szenen präsentiert. Selbstbewusst zeigt der Film überholte Dialoge und flache Charaktere...und hat dabei enormen Spaß. Die Spezialeffekte sind noch immer ansehnlich und generieren gelungene Momente. Simpel, aber wirkungsvoll hat sich dieser Film in die Herzen der Tierhorrorliebhaber gebrannt.

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                                          über Kwaidan

                                          Horrorctober 2015 #12:

                                          Kobayashi überschreitet Grenzen und zeigt, dass vermeintliche Gegenteile oft gut zueinander passen. Schönheit und Grauen. Realität und Übernatürliches. Spuk und Ruhe. In vier märchenhaften Volkssagen siedelt er seine Erzählungen irgendwo zwischen humanistischem Drama und surreal angehauchtem Grusel an. Dabei scheint es stets zwei Ebenen zu geben, zum einen das Offensichtliche, das Greifbare und Reale. Zum anderen das Übernatürliche, das versteckte Grauen, dass einen Hauch von Dunkelheit und Horror in die Geschichte bringt. In Kombination baut „Kwaidan“ dadurch eine sehr spezielle und unheimliche Atmosphäre auf, dabei lässt er sich zwar sehr viel Zeit, verfällt aber trotzdem nie in einen Leerlauf. Überhaupt scheinen alle Elemente perfekt zueinander zu passen, die Figuren gehen in die expressionistisch gemalten Hintergründe über, Farben und Bilder verschmelzen. Für drei Stunden scheint die Zeit stillzustehen, Kobayashi nimmt seinen Zuschauer in eine völlig andere Welt mit. Eine Welt, die zum träumen einlädt. Eine Welt, in der man gerne länger verweilen würde, aber auch eine Welt, in die sich das Grauen schleicht und die langsam an der Psyche des Zuschauers nagt. Betrachten wir die einzelnen Episoden einmal etwas genauer:

                                          The Black Hair:
                                          Die erste Geschichte beginnt sehr bodenständig. Ein Samurai lässt sich von seiner Frau scheiden, da er genug von einem Leben in ärmlichen Verhältnissen hat und sich durch eine erneute Heirat einen höheren sozialen Stand aneignen will. Über weite Strecken bleibt das Grauen fast verborgen, wir erleben das Drama einer gescheiterten Ehe. Doch immer wieder scheint ein mysteriöser Hauch in die Geschichte zu wehen, wir wissen nicht um was es sich handelt, aber wir spüren eine Dunkelheit, deren Wurzeln tief in der Sage verankert sind und die sich gegen Ende auch in einer alptraumhaften Sequenz offenbart.

                                          The Woman of the Snow:
                                          Meine persönliche Lieblingsepisode. Von Beginn an beherrscht eine eisige Kälte die Geschichte, als zwei Männer während eines Schneesturms Unterschlupf in einer Waldhütte suchen. Der optisch überragende Film erlebt hier seine Höhepunkte, die seltsame Kombination aus Schönheit und Grauen wird bis zum Maximum ausgereizt. Es ist eine Geschichte über Liebe und Verlust, die Geister der Vergangenheit ziehen ihre Spuren bis in die Gegenwart, und wenn man sich endlich in Sicherheit wahrt schlagen sie erneut zu.

                                          Hoichi the Earless:
                                          Die längste und dadurch auch zentralste Geschichte erzählt gleich zu Beginn von einer wichtigen Schlacht, die einst in einem großen Krieg stattgefunden hat. Hoichi der Ohrlose, der zu Beginn lediglich Hoichi der blinde Musiker ist, rezitiert die Geschichte dieser Schlacht wie kein Zweiter. Andächtig lauschen wir seiner Stimme und seinem Instrument. Im Laufe der Geschichte werden wir mit deren Eleganz, aber auch mit ihrer Grausamkeit konfrontiert und einmal mehr gibt es kein Entrinnen.

                                          In a Cup of Tea:
                                          Die letzte und mit Abstand kürzeste Geschichte des Films bleibt etwas hinter seinen Vorgängern zurück. Natürlich greifen auch hier wieder die allgemeinen Stärken des Films, die gekonnte Inszenierung und die Atmosphäre. Das Gesamtpaket stimmt, aber es liegt wohl an der kurzen Laufzeit und der etwas substanzlosen Geschichte, dass „In a Cup of Tea“ nicht mehr als ein netter Abschluss ist.

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                                            Horrorctober 2015 #11:

                                            Wer an „Die Fliege“ denkt, der denkt wohl in erster Linie an die 86er-Version von Cronenberg, die zugegebenermaßen wahrscheinlich auch der bessere Film ist. Aber glücklicherweise muss man sich nicht immer entscheiden, denn auch dieser Film hat durchaus seine Stärken. Gerade weil beide Filme die selbe Grundgeschichte sehr unterschiedlich angehen und verpacken, kann man beide Versionen eigentlich gut nebeneinanderstellen. Dass die 30 Jahre ältere Version dabei natürlich die deutlich klassischere Auslegung hat sollte nicht weiter überraschen. Während Cronenberg seinen Film stark auf die zentrale Figur fokussiert, so ist Neumanns Film vielmehr handlungsgetrieben. Seine Stärke bezieht der Film grundsätzlich aus der ihm zugrundeliegenden Handlung. Ein schiefgegangenes Experiment vermischt den Körper eines Wissenschaftlers mit dem einer Fliege. Neumann konzentriert sich weniger auf das persönliche Leid des Wissenschaftlers, sondern stellt dessen Frau in den Mittelpunkt. Wir verfolgen ihre verzweifelte Jagd nach der Fliege, die einzige Möglichkeit ihren Mann zu retten. Trauer, Wut und Verzweiflung erleben wir durch ihre erfolglosen Versuche. Wirklich stark wird der Film leider erst dann, wenn sie ihren Mann damit konfrontiert die Fliege nicht gefunden zu haben. Es ist ihre fehlende Akzeptanz, die diesen Moment so intensiv macht. Denn während ihr Mann einsieht, dass er endgültig verloren hat und mit seinen Forschungen zu weit gegangen ist, wehrt sie sich dagegen ihren Mann zu verlieren. Es ist für den Zuschauer so schmerzhaft, weil er weiß, dass sie ihn nicht mehr retten kann. Leider ist der Weg bis zu diesem Punkt mitunter sehr holprig, die Idee ist gut, doch gibt nur bedingt Stoff für eine 90-minütige Erzählung und zurück bleibt ein Gefühl, dass hier doch einiges an Potential verschenkt wurde.

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                                              über Dracula

                                              Horrorctober 2015 #10:

                                              Die Geschichte des Grafen Draculas ist wohl einer der Grundpfeiler des Horrorgenres. Der berühmteste Vampir der Literatur- und Filmgeschichte ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht totzukriegen. Obwohl die Rolle des Grafen im Laufe der Jahre von einer Vielzahl an mehr oder weniger talentierten Darstellern gespielt wurde, so ist Bela Lugosi als erster Dracula der Filmgeschichte noch immer ein Höhepunkt, denn die Wirkung des Films hängt zu großen Teilen von seiner Leistung ab. Interessanterweise ist Graf Dracula fast schon ein Gegenentwurf zu dem einige Jahre zuvor entstanden Nosferatu (aus Rechtsgründen keine offizielle Adaption von Stokers Roman). Während Nosferatu nämlich ein sehr offensichtliche Bild des Todes symbolisiert und allein schon seine Erscheinung mit jeder Bewegung etwas unmenschliches offenbart, so liegt das bei Dracula alles tief verborgen. Er ist ein Gentleman, er repräsentiert das, was man sich unter einem Grafen vorstellt und er geht deutlich raffinierter vor als sein Gegenstück. Lediglich seine Augen offenbaren gelegentlich den Wahnsinn seines Charakters, wenn sie von Schatten umspielt tief ins Innere des Grafen blicken lassen. In erster Linie ist er keine Gestalt der Nacht, sondern ein Mann der Gesellschaft, er fügt sich mühelos ein und wirkt seinen Gegenspielern stets einen Schritt voraus. Es ist daher auch nicht erstaunlich, dass das Hauptaugenmerk der Inszenierung darauf beruht den Grafen möglichst gut zu porträtieren. Im Vergleich zu ihm wirken alle anderen Figuren blass, er scheint alle Szenen zu dominieren. Das Spiel mit Licht und Schatten scheint lediglich ihm zu gelten und er ist es, der alle Blicke auf sich zieht. Es ist sicherlich nicht mehr das pure Grauen, was die Geschichte des Grafen erzeugt, dafür ist die Erzählung zu bekannt, der dramaturgische Aufbau zu altbacken. Doch Lugosis Leistung ist zeitlos und trägt den Film noch immer mühelos, ohne Zweifel ein früher Höhepunkt eines herausragenden Charakters des Horrorgenres.

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                                                [...] Wir hatten große emotionale Momente. Wir hatten die unnahbare Bedrohung der allgegenwärtigen Leere. Wir hatten ernste und prätentiöse Dialoge und Thematiken. Nicht, dass daran etwas auszusetzen wäre, aber trotzdem ist es schön, dass „Der Marsianer“ in eine komplett andere Richtung steuert. Eine deutlich witzigere, seichtere und unbeschwerte Richtung. Wissenschaft ist cool. Das ist so ziemlich die einzige Message, die man aus „Der Marsianer“ mitnimmt. Denn seien wir mal ehrlich, wenn Mark Watney es schafft sich lediglich durch technische und biologische Kniffe eindrucksvoll von einer aussichtslosen Situation in die nächste zu retten und die lebensgefährliche Lage dabei wie ein lustiges Survivalcamp aussehen zu lassen dann macht das einfach Spaß. Unterlegt wird das Ganze mit fetziger Discomusik aus den 70er Jahren und einem optimistisch witzelnden Matt Damon, fertig ist der Blockbuster. [...]

                                                http://diedreimuscheln.blogspot.de/2015/10/review-der-marsianer-rettet-mark-watney.html

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                                                  über [REC]

                                                  Horrorctober 2015 #9:

                                                  Found Footage – Fluch oder Segen? Fakt ist, dass dieses Subgenre in den letzten Jahren schon fest mit dem Horrorfilm verwachsen ist und sich nur noch schwer wegdenken lässt. Der Vorteil liegt auf der Hand, denn natürlich lassen sich Filme in diesem Stil leicht mit einem geringen Budget realisieren. Dazu kommen (zumindest in der Theorie) weitere Vorteile, die zumeist darauf abzielen das Geschehen für den Zuschauer glaubhafter zu machen. Ob das nun funktioniert wird mittlerweile seit Jahren diskutiert, gerade die „Paranormal Activity“-Reihe ist dabei oft zentraler Punkt der Diskussionen. Auch „REC“ fällt genau in dieses Raster, mit den Vorwand einer Dokumentation über eine Feuerwehrstation folgen wir einem Einsatzteam zu einem routinemäßigen Einsatz, bei dem jedoch bald alles schief läuft. Die Story von „REC“ ist ziemlich simpel und vorhersehbar, es gibt ein paar typische Jump Scares und Schockmomente, die jedoch größtenteils wirkungslos bleiben. Das es dem Film zu keinem Zeitpunkt gelingt eine intensive Atmosphäre aufzubauen liegt wohl zum größten Teil an seinem niedrigen Budget. Die Darsteller agieren hölzern, die Dialoge werden forciert in eine möglichst realistische Richtung getrieben, erzeugen dadurch jedoch eher den gegenteilige Effekt und wirken unglaubwürdig. Dazu kommt die zu Beginn bereits angesprochene Problematik der Wackelkamera, die einen komplett aus dem Film reißt. Wenn alles hin und her schwenkt macht es den Film nicht intensiver, nein, es sperrt die Zuschauer schlichtweg aus. Es erzeugt weder Dynamik noch Immersion wenn das Geschehen wild verwackelt und man nicht mal weiß was gerade abläuft. Es ist mir klar, dass das sehr subjektive Reaktionen sind, die bei jedem anders ausfallen und deswegen will ich auch keinem von „REC“ abraten. Gerade Found Footage Fans kommen bei dem Film wohl voll auf ihre Kosten, doch auch jeder andere kann ruhig mal einen Blick riskieren...denn gerade im Horrorgenre ist die Grenze der Effektivität oft sehr verwaschen.

                                                  Hier geht's zur kompletten Liste:
                                                  http://www.moviepilot.de/liste/horrorctober-2015-vitellone

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                                                    [...] Es gibt Spitzen gegen das Fernsehen und gegen Youtube, gegen die aktuelle Regierung und die Opposition, gegen Rechte und Linke, aber vor allem auch gegen den durchschnittlichen Bürger. [...] „Er ist wieder da“ lässt seine Zuschauer oft ratlos zurück. Man merkt im Kinosaal, dass sich die Menge oft uneinig ist. Soll (beziehungsweise darf) ich hier noch lachen? Diese Frage schwebt allgegenwärtig durch den Raum und allein diese Tatsache beweist schon, dass es der Film satirisch in sich hat und dass er sich traut gewisse Komfortgrenzen zu überschreiten. „Er ist wieder da“ wird sicherlich nicht jedem gefallen, aber das ist auch gut so, denn sonst würde er wohl kaum funktionieren.

                                                    http://diedreimuscheln.blogspot.de/2015/10/review-er-ist-wieder-da-hitler-kann-das.html

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