Vitellone - Kommentare
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Alle Kommentare von Vitellone
[...] Ti West ist wieder da – und macht weiterhin das, was er am besten kann. Waren die bisherigen Höhepunkte seines Schaffens beinahe ausschließliche gelungene Hommagen an das Horrorgenre, so dringt er nun in die Territorien des Westerns vor und erzählt mit dem überraschenderweise überaus passenden Ethan Hawke in der Hauptrolle die Geschichte eines Westernhelden auf der Reise. Doch nicht nur rein inhaltlich befindet sich die vernarbte und schief grinsende Hauptfigur auf einer Zwischenstation. Vor allem charakterlich stellt er den bisher selten porträtierten Übergang zwischen den unnahbaren und jungen Antihelden des Italowestern und dem für Spätwestern typisch gealterten und gebrochenen „Helden“ dar. Da passt es nur zu gut, dass sich der vormals namenlose Protagonist mit dem Allerweltsnamen Paul vorstellt. Dort wo er herkommt, war er ein gefürchteter Killer – dort wo er hingeht, wird er sich in Einsamkeit und Selbstmitleid wiegen. Aktuell bewegt er sich zwischen diesen zwei Welten, moralisch unentschlossen und in dieser Ambivalenz merklich vielschichtig für den genrebewussten Zuschauer. Denn Ti West selbst weiß nur zu genau um die moralische Zwickmühle des Westerns und so formuliert er abseits von der zugegebenermaßen sehr bekannten Rachegeschichte eines Fremden in einer gottverlassenen Stadt einen interessanten Beitrag zu ebenjener Fragwürdigkeit. Etwa indem er im final ausgiebig zelebrierten Showdown hauptsächlich die Gegenseite einfängt und so neben der Spannung des Ungewissen auch die Zuschauersympathien auf die Probe stellt. [...]
[...] „The Sect“ ist ein recht gemächlich erzählter Genrebeitrag, der durchaus mit seiner Ereignislosigkeit zu kämpfen hat, bevor er im surrealen Finale das Tempo endgültig anzieht. Die letzten 15 Minuten in denen Traum und Wirklichkeit immer mehr verschwimmen stellen durch ihre gelungene Giallo-Ikonographie einen späten Höhepunkt des italienischen Horrorfilms dar und überzeugen nicht zuletzt durch ihre suggestive Wirkung. Inwiefern es die gut 90 Minuten davor in dieser Ausführlichkeit gebraucht hätte, sei jedoch dahingestellt. [...]
[...] Aber warum scheitert der Film? Sind es die uninteressanten Figuren, die eher Funktionsträger als greifbare Charaktere sind? Oder die belanglose Handlung, die im Kontext der weiteren Filme wohl kaum mehr zum Tragen kommen wird? Nur bedingt, denn am schlimmsten wirkt das bereits angesprochene Fehlen der Magie. Wobei Fehlen vielleicht das falsche Wort ist, denn sie ist durchaus vorhanden, sogar deutlich omnipräsenter als in der Harry Potter-Reihe. Nur zur Geltung kommt sie nicht, geht verloren in den Mechanismen des heutigen Hollywoodkinos. Denn die Welt von Harry Potter hält der Globalisierung nicht stand, Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind ist eine Anekdote, die zu erzählen es nie galt. Die ursprüngliche Reihe hat indes funktioniert, weil sie auf sich selbst beschränkt war, und eben nie darauf bedacht war ein möglichst reibungsloses Universum zu generieren. [...]
Dieser Kommentar ist im Rahmen der User-Wichtel-Aktion 2016 entstanden und ist dem lieben lieber_tee gewidmet.
Ein lispelnder Sänger, ein linksseitig gelähmter Bassist, ein halbtauber Gitarrist und ein Schlagzeuger, der nicht Schlagzeug spielen kann. Was sich zunächst nach einem schlechten Scherz anhört, ist die zentrale Band des Films „Ex Drummer“. Selbst nennen sie sich The Feminists, und auch wenn das alles schon reichlich skurril klingt, so kann es den Zuschauer nicht ansatzweiße auf den 100-minütigen Wahnsinn vorbereiten, der darauf folgen sollte. Im Minutentakt werden Menschen misshandelt, gequält und gedemütigt, Babys unter Drogen gesetzt und Gliedmaßen abgetrennt. Hier läuft jemand ständig an der Decke seiner Wohnung herum, dort stehen zwei Figuren auf einmal in dem primären Geschlechtsmerkmal einer Frau. Dieser Irrsinn hätte fast schon etwas Amüsantes und auf eine exzentrische Art und Weiße Lustiges an sich, wäre das Gezeigte nicht so unheimlich bitter. „Ex Drummer“ findet ausschließlich in der untersten Gesellschaftsschicht statt und suhlt sich förmlich im gezeigten Elend.
Dabei geht es dem Film gar nicht darum etwas zu hinterfragen oder zu kritisieren. Es hat etwas Demütigendes, wie man die gezeigte Welt des Films als gegeben hinnehmen muss. Als Zuschauer kann man nicht intervenieren, nichts ändern…man kann die Elendsflut nur über sich ergehen lassen. „Ex Drummer“ ist kein Film der Spaß macht, kein Film, den man sich gerne ansieht. Er ist asozial, laut, unangenehm und ranzig. Er besteht beinahe ausschließlich aus Bildern, die kein Zuschauer überhaupt sehen will. Er ist so etwas wie der Gegenentwurf zu all jenen Filmen, die sich ein durchschnittlicher Kinogänger in seiner Freizeit auf die Netzhaut brennt. „Ex Drummer“ hat keine Botschaft, die über das Filmende hinausreicht. Er braucht sie aber auch nicht, weil er stattdessen eine Wirkung hat. Eine abstoßende und destruktive Wirkung, aber eine immens kraftvolle. Da ist es nur konsequent, dass alle Charaktere bis zu den Knochen unsympathisch sind. Belgisches Feel-Bad-Kino in meisterlicher Präzision.
[...] Schon bald entpuppt sich die Handlung als komplexer als zunächst angenommen, kleine Gesten und nebensächliche Erwähnungen finden sich plötzlich in zentraleren Rollen wieder und sorgen für ein undurchsichtiges Figurengeflecht. Ähnlich wie Sam Spade muss auch der Zuschauer ein Mosaik aus Fährten, Falschaussagen und zwielichtigen Gestalten zusammensetzen um letztlich die komplette Bedeutung der Geschichte zu entschlüsseln. Wer sagt die Wahrheit und wer lügt? Wer benutzt wen und in welcher Beziehung stehen diese lose verbundenen Ereignisse zueinander? Die Spur des Falken stellt diese Frage komplex genug um durchgehend Spannung zu erzeugen und nicht zu komplex um seine Zuschauer zu verwirren. Auch Sam Spade werden diese Fragen gestellt und in beinahe stoischer Ruhe scheint er die Antwort darauf zu suchen. Von Beginn an erweckt er den Eindruck bereits mehr von dieser Welt gesehen zu haben, als ihm lieb wäre. Zu viel um nicht daran zu zerbrechen. [...]
[...] „Entscheidung in der Sierra“ ist ein – nicht nur für seine Entstehungszeit – überraschend vielschichtiger Film Noir, der neben seinem erwartungsgerechten Kriminalmilieu vor allem die Frage verhandelt, was passiert, wenn die Welt sich weiterbewegt hat, aber man selbst dabei stehen geblieben ist. Griesgrämig aber stilvoll mimt Humphrey Bogart einen Mann zwischen zwei Fronten. [...]
[...] Doch nicht nur Freunde des visuellen Kinos werden an Parks neuestem Film Gefallen finden, denn vor allem erzählerisch beweist der südkoreanische Filmemacher sein ganzes Talent. Ähnlich wie sich die beiden Protagonistinnen Schicht für Schicht entkleiden, tut es ihnen der in drei Akte unterteilte Film gleich – und unter jeder Schicht offenbaren sich neue Blickwinkel, Wendungen und Sichtweisen. Die zunächst simpel anmutende Geschichte wird dadurch zusehends interessanter und offenbart erst spät ihre komplette Tragweite. Dabei ist vor allem Parks Blick für Kleinigkeiten von Belang. Oftmals wird der Fokus nur für Sekunden auf ein Objekt gelegt oder eine scheinbar nebensächliche Aktion verläuft im Hintergrund der Szenerie. Die wahre Bedeutung des Gezeigten erschließt sich erst in einem späteren Kapitel und ermöglicht neue Blickwinkel auf vorangegangene Ereignisse. Vor allem der konsequent eingesetzte Perspektivwechsel trägt zu dieser behutsamen Erzählweise bei.
Wenn es gegen Ende des zweiten Aktes dann zur emotionalen Befreiung der beiden Frauen kommt, dann gehört dieser Moment zu den kraftvollsten der jüngeren Filmgeschichte. Von einem wunderbaren Soundtrack untermalt treibt die Kamera unaufhaltsam vorwärts, vermittelt spürbar die Euphorie und Kraft der Protagonistinnen und setzt damit klar ein emanzipatorisches Ausrufezeichnen. Denn neben seiner äußerst fein und behutsam konstruierten Thrillerstruktur ist The Handmaiden natürlich auch ein sehr emotionales Werk, welches sich mit der untergeordneten Rolle der Frau im Japan und Korea der 1930er beschäftigt. [...]
[...] Alles wirkt wie ein Klischee. Staubige Felder, ausgebrannt von der unbarmherzigen Sonne. Schnauzbärtige Männer in ausgewaschenen Hemden sitzen auf der Veranda, trinken ein kühles Bier und polieren ihre Waffen. Texas scheint einer dieser Staaten zu sein, in dem die Zeit einfach stillsteht. So still, dass selbst Banken noch keine Überwachungskamera haben und die verlässlichste Methode der Polizeiarbeit simples Warten darstellt. Ein von Nick Cave und Warren Ellis stammender Soundtrack eilt der trostlosen Optik voraus, wir hören die Klänge bevor wir unsere Protagonisten als unerfahrene, aber entschlossene Bankräuber kennenlernen. Was in den nächsten 100 Minuten folgt ist durchgehend stimmig (vor allem der texanische Dialekt trägt im Original viel dazu bei), aber nie sonderlich unvorhersehbar erzählt. [...] Hell or High Water vereint zahlreiche Einflüsse, bündelt Sozialdrama und Heist-Movie unter einer allgegenwärtigen Westernikonographie und besticht dadurch vor allem durch Atmosphäre und Optik. Erzählerisch scheint die altbekannte Brüderdynamik um einen kriminellen Hitzkopf und dessen vernünftigerem Pendent ebenso überholt wie die vorherrschend rückständige Mentalität in Texas. Der Geschichte um einige verzweifelte und schlecht organisierte Banküberfälle fehlt es an Substanz, Überraschung und Spannung. So ruhig und stimmungsvoll Mackenzies Film auch erzählt ist, für die kurz angeschnittene Tiefe scheint kein wirklicher Platz zu sein. Das ist schade, denn so verpufft ein Teil der Wirkung im leeren Raum und der Film lässt einem mit dem hohlen Gefühl zurück doch alles schon einmal gesehen zu haben. [...]
[...] Ken Loach macht es sich zu leicht. Vielleicht ist das die zentrale Erkenntnis des Films. Vieles an Ich, Daniel Blake wirkt überholt, so beispielsweise das schwarze Überblenden zwischen den einzelnen Szenen. In gewisser Weiße passt die Regie dadurch sehr zum Protagonisten Daniel, der fast schon klischeehaft den gutherzigen und technologiefremden Mitfünfziger gibt, der sich heroisch gegen die Behörden auflehnt, ganz einfach um nicht zu verhungern. Man muss ihn einfach mögen, diesen ehrlichen und aufrichtigen Daniel – und genau an dieser Stelle wird die Hauptproblematik des Films spürbar. Vieles ist banal und alltäglich, was für sich genommen kein Problem wäre. Doch das Drehbuch ist schlichtweg zu simpel, versucht alle Zuschauer am kleinsten gemeinsamen Nenner abzuholen und alleinig durch das tragische Schicksal einiger sozialer Verlierer zu bewegen. Das funktioniert, doch erkauft sich Loach diese Emotionen für einen hohen Preis. [...]
[...] Vornehmlich erzählt Miss Hokusai Abschnitte aus dem Leben der jungen O-Ei. Besuche und Ausflüge mit ihrer blinden Schwester, ein Abendessen mit der Mutter, ein Feiergelage mit Kollegen oder der Besuch in einem Bordell. Dadurch zeichnet der Film im wahrsten Sinne des Wortes ein schönes Bild von Edo (heute Tokio) um das Jahr 1814. Es gilt kleine Stände, belebte Straßen und Brücken sowie manches Original zu entdecken. Im Umkehrschluss kommt leider die dramaturgische Ebene des Films zu kurz, einen Spannungsaufbau oder eine Charakterentwicklung scheint es nicht zu geben und so kann man sich zwar im atmosphärisch dichten Bild des historischen Japans verlieren, bekommt aber darüber hinaus wenig geboten. [...]
[...] Femme Fatale leidet unter einigen sichtlichen Problemen, denn für einen Erotikthriller fehlt in letzter Konsequenz sowohl ein Stück weit Spannung als auch Erotik. Überzeugen kann hingegen de Palmas Regie. Mit gewohnten Stilmittel wie Close Ups, Splitscreens und Zeitlupenaufnahmen entwirft er eine sehr eigenwillige, aber durchaus ansprechende Optik. Beeindruckend ist dabei vor allem wie stark sich Femme Fatale auf die pure Kraft der Bilder und das visuelle Erzählen verlässt. Ja, wenn de Palma zu Beginn einen etwa 15-minütigen Raubüberfall komplett ohne Dialoge erzählt, dann ist man fast bereit über alle Schwächen des Films hinwegzusehen. Aber leider nur fast. [...]
[...] Natürlich könnte man sich das neueste Werk von Xavier Dolan ansehen, wenn es kurz nach Weihnachten in den deutschen Lichtspielhäusern anläuft. Stattdessen könnte man aber auch auf eine dieser unsäglichen Familienfeiern gehen, dort einen Streit lostreten und den Film noch ein Stück authentischer selbst erleben. Denn in "Einfach das Ende der Welt" wird primär diskutiert und gestritten, es herrscht eine konstante Divergenz zwischen allen Figuren. Auseinandersetzungen, welche mit Vorliebe lautstark und vor allem nervtötend verhandelt werden. Darunter schlummert, so viel muss man Dolan lassen, ein durchaus komplexes Charaktergeflecht mit ambivalenten Motiven und verständlichen Konflikten. Die verdient tiefgreifende Auseinandersetzung damit bleibt jedoch leider aus. [...]
Dieser Kommentar ist im Rahmen der User-Wichtel-Aktion 2016 entstanden und ist meinem Partner Big T. gewidmet. Einen schönen ersten Advent und auf gute mp-Freundschaft!
Vielleicht ist „Der Himmel über Berlin“ der ultimative Wenders-Film. Jenes Werk, welche die Essenz und den Stellenwert des deutschen Autorenfilmers am prägnantesten beschreibt. Der Kern, welcher in seinen anderen Filmen oftmals verschleiert wird, kommt hier vollends zur Geltung. Wenders war schon immer besser darin innere Konflikte und Zerwürfnisse darzustellen als deren zwischenmenschliches Pendant zu entwerfen. Der Mensch ist sich selbst am nächsten. Paradoxerweise erwächst aus dieser Erkenntnis auch ein unglaubliches Gespür für Beziehungen. Ganz einfach deswegen, weil Wim Wenders versteht, dass jedweder menschliche Zusammenschluss (sei es eine Freundschaft, Partnerschaft oder nur ein oberflächliches Gespräch) nie eine Einheit ist, sondern aus einer endlichen Anzahl eigenständiger Individuen entwächst. Das mag hart klingen, und vor allem egoistisch. Doch egoistisch ist nicht der, der zunächst an sich selbst denkt, sondern der, der dabei nicht berücksichtigt, dass es dem Anderen genau so ergeht. Eine Beziehung entsteht immer aus einer Eigenständigkeit, einem Gefühl, dem mit „Der Himmel über Berlin“ ein poetisches Denkmal gesetzt wird.
Man spricht ja gerne davon, dass ein Film schlecht gealtert ist, seine Wirkung und Aktualität über die Jahre schlichtweg verloren hat. „Der Himmel über Berlin“ kann das nicht passieren, ganz im Gegenteil sollte dieses Werk mit der Zeit sogar noch größer und beindruckender werden. Denn mit welcher Präzision, Feinfühligkeit und Poesie Wenders den Zeitgeist und das Lebensgefühl der 80er Jahre in Berlin einfängt ist einmalig. Der Farb- und Perspektivwechsel zwischen der Sicht der Engel und Menschen trägt zu dem vielfältigen Eindruck bei und spielt mit den unterschiedlichen Sichtweisen. Natürlich ist der „Der Himmel über Berlin“ auch ein herausragender Stimmungsfilm, doch schwingen in seiner unaufgeregten Struktur die großen Fragen des Lebens mit. Das fängt schon mit Peter Handkes Gedicht „Lied vom Kindsein“ an, wird von den gedankenlauschenden Engeln präzisiert und findet seinen Höhepunkt, wenn Bruno Ganz sein Leben als Engel aufgibt um sterblich zu werden. Dieser ultimative Tausch symbolisiert die tragische Schönheit des Lebens wie selten zuvor. Ja, in aller Ambivalenz ist die Tatsache, dass wir alle früher oder später sterben sicherlich auch ein Faktor, der das Leben lebenswert macht.
[...] Jim Jarmusch kehrt zurück – und zweifelsohne bringt Paterson alles mit sich, was waschechte Fans der Independentikone an ihm schätzen. Sein neuester Film behandelt eine Woche im Leben des dichtenden Busfahrers Paterson, sieben Tage gefüllt mit den alltäglichen Abenteuern eines eigentlich ganz alltäglichen Menschen. Ja, Jarmusch beherrscht ebenso wie seine Hauptfigur die Kunst etwas scheinbar Banales mit allen probaten Mitteln der Kunst zu echter Poesie zu erheben. [...] Paterson liefert nicht mehr, aber auch nicht weniger, als einen einwöchigen Einblick in dessen Leben. In seiner repetitiven Struktur läuft er dadurch schnell Gefahr sich in Langeweile und Belanglosigkeit zu verlieren, doch Jarmusch gelingt es geradezu meisterlich die kleinen Momente im Leben hervorzuheben und dadurch immer wieder für Abwechslung zu sorgen. Wer bisher wenig mit dessen Schaffen anfangen konnte, wird sicherlich auch mit diesem Film keine Freude haben, denn anstelle einer nach allen gängigen Regeln der Dramaturgie aufgebauten Geschichte bekommen wir erneut einen wunderbar ruhig erzählten Film, der sich spannungstechnisch durchgehend auf dem Nullniveau befindet. Gerade das macht jedoch seinen Reiz aus, denn in nuancierten Augenblicken ergründet Jarmusch all jene Facetten, die ein Leben überhaupt erst lebenswert machen. [...]
[...] Dass es sich bei diesem Werk um einen stilechten Neo-Noir handelt, kann Kurosawa kaum verbergen. Schon der Titel selbst könnte eine akkurate Beschreibung jener düsteren Welten sein, in denen sich die schwarze Serie, über Jahre hinweg, bewegt hat. Eine Welt, in der moralische Werte wie Treue, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit nichts wert sind. Eine Welt, in der Opportunisten obsiegen und hinter jeder Ecke Gefahr und Versuchung lauern. Eine Welt, in der nur die Bösen gut schlafen. Und was machen die Guten? Die scheint man in Kurosawas Film nur sehr vereinzelt anzutreffen. Yoshiko Iwabuchi (Kyoko Kagawa), die körperlich angeschlagene, aber unheimlich liebenswerte Tochter eines korrupten Großunternehmers scheint eine davon zu sein. [...] Angesiedelt im Japan der Nachkriegszeit schwingt eine nicht zu vernachlässigende Portion Sozialkritik mit dem Film mit. Korruption wird dabei vornehmlich als eine allgegenwärtige und nicht abwendbare Instanz verstanden, die längst alle Strukturen des gebeutelten Landes durchzogen hat. Man kann einzelne Vertreter beseitigen, doch bis zur Wurzel (falls es sie überhaupt gibt) wird man nie durchdringen. [...]
[...] Die Spatzen pfeifen es bereits von den Dächern und in der Tat ist Das Talent des Genesis Potini ein recht konventionelles Drama geworden. Das birgt gleichermaßen Stärken wie auch Schwächen. Natürlich hat sich die gegebene Struktur dramaturgisch bewehrt und schafft es auch hier mitreißende Momente zu generieren. Euphorisch werden sollte man dennoch nicht werden, denn auch wenn sich der Regisseur Mühe gibt bestimmte Stereotypen zu umschiffen, so kann er nicht verhindern, dass sein Film immer wieder mit fragwürdigen Klischees arbeitet. Sympathie über einen psychisch kranken, aber unheimlich hilfsbereiten Mann zu erzeugen ist nicht schwer, sicherlich effektiv, aber bereits furchtbar plattgetreten. Da mutet es angenehm an, dass spürbar Herzblut des Regisseurs in dieser wahren Geschichte steckt und er dadurch vor allem durch seine Aufrichtigkeit bewegen kann. [...]
[...] Schlingensiefs Blick auf die deutsche Filmlandschaft scheint deshalb sehr pessimistisch und abschließend. Getreu dem Motto früher war alles besser erweckt Die 120 Tage von Bottrop immer wieder den Eindruck als wolle er nicht dazugehören. Nicht zum deutschen Film, nicht zum Kino an sich. Diese verquere Art und Weise Fassbinder zu huldigen wirkt jedoch eher bemüht als wirklich reflektiert, so als würde man alle nur erdenklichen Missetaten gegen den guten Geschmack vereinen und einfach darauf hoffen, dass letztlich etwas Subversives herauskommt. Gewissermaßen tut es das ja auch, doch ist die Subversion in Die 120 Tage von Bottrop zu willkürlich und ungerichtet, als dass man dahinter eine Botschaft erkennen könnte. Natürlich entstehen hier und da interessante Gedanken zu Fassbinder, dem deutschen Film und dem Kino an sich (schließlich haben das Filme übers Filmemachen fast schon automatisch gegeben), eine wirkliche Aussage lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. [...]
[...] Dabei ist es vor allem angenehm zu sehen, dass der Film darauf verzichtet Oscars Verhalten krampfhaft zu psychologisieren. Seine Homosexualität wird nicht wie bei vielen anderen Filmen fälschlicherweise auf einen gewissen Auslöser zurückgeführt, sondern ist schlichtweg seit früher Kindheit ein Teil seiner Persönlichkeit. Dabei gibt es einen wirklich gelungenen und nur sehr unscheinbar eingefangenen Moment, der auf sehr subtile Art gängige Verhaltensklischees hinterfragt. In seiner Kindheit wird Oscar weißgemacht die Art und Weiße wie man seine Hand bewegt um auf die eigenen Fingernägel zu blicken attestiert Homo- bzw. Heterosexualität. Der junge Oscar glaubt daran und als er seinen Schwarm Jahre später damit testet ist er zunächst enttäuscht über dessen Handbewegung. Kurz darauf stellt sich das Ergebnis jedoch als falsch heraus und Oscar wird bewusst, dass die Sexualität allein keinen Einfluss auf das Verhalten einer Person hat. Ein Moment, der vor allem durch seine unscheinbare Art zu gefallen weiß. [...]
[...] Es ist vor allem Scott Walkers Score, der in seiner verstörenden Imposanz über jeder Einstellung zu thronen scheint. Schon bei den schiefen Geigen, basslastigen Drones und hohen Klaviertönen des Intros huscht einem unweigerlich eine leichte Gänsehaut über den Rücken - und auch fortan sollen jene lautstark untermalten Szenen die besten des kompletten Films bleiben. Das Gezeigte scheint beinahe irrelevant, wenn der kongeniale Soundtrack unaufhaltsam und in voller Lautstärke über die Szenerie wabert. Oftmals sind es auch nur lose Bildschnipsel, Traumsequenzen von düsteren Gängen und beunruhigend kontrastlosen Figuren, die uns ein Gefühl für die zerrüttete Psyche des jungen Prescott (hervorragend mit dem Jungschauspieler Tom Sweet besetzt) geben. Zu behaupten diese Momente liefern einen Einblick in dessen Gedankenwelt wäre bereits zu viel gesagt, denn The Childhood of a Leader verzichtet auf jedwede konkrete Art der Psychologisierung und nähert sich seiner Titelfigur auf rein emotionaler Ebene. Die durch den Titel bereits angesprochene Kindheit eines faschistischen Führers ist immer dann am stärksten wenn Regisseur Corbet lediglich Bild und Ton sprechen lässt – und kommt im Umkehrschluss bei politisch motivierten Mono- und Dialogen immer wieder an seine Grenzen. Besonders problematisch scheint das Ende, welches in seiner prätentiösen Machart nicht nur vorangegangene Motive des Films zerstört, sondern auch das wunderbar Ungewisse aus der Erzählung nimmt. [...]
[...] Zweifelsohne, und das ist wohl das Traurigste, hätte Stolz und Vorurteil und Zombies das Potential zu einem echten Kultfilm gehabt. Die zugrundeliegende Idee darf man guten Gewissens als vielversprechend bezeichnen, nur scheitert diese signifikant an der mangelhaften Umsetzung und dem fehlenden Wagemut des Regisseurs. Zu keinem Zeitpunkt kann sich der Film für eine Richtung entscheiden und so verkommen fast alle kreativen Elemente (allen voran natürlich die Zombies) zu einem reinen Gimmick inmitten einer banalen Liebesgeschichte ganz im Zeichen der omnipräsenten Vorlage. Da ist es zumindest ein geringer Lichtblick, dass so manche Darsteller etwas bemühter agieren als der restliche Film. [...]
Für den 3. und 4. Advent würde ich noch einen Wichtelpartner suchen. Jemand Interesse? Gerne auch ein mir (noch) unbekanntes Gesicht ;)
[...] Wirklicher Höhepunkt des Films ist jedoch der undurchsichtige Protagonist Mike (wunderbar zwiespältig: Ralph Meeker). Typisch für die schwarze Serie ist er Privatdetektiv und rutscht faktisch unverschuldet in die komplexe Handlung. Eindrucksvoll ist dabei vor allem wie ruhig und unnahbar er bleibt, nach Außen stets einen Eindruck von Kontrolle und Weitsicht evoziert. Tatsächlich ist er jedoch bereits gebrochen und desillusioniert, unter seiner Oberfläche hat er längst die Kontrolle verloren. Beinahe zynisch verschlägt es in von Spur zu Spur und damit immer tiefer ins Unglück. Neben einiger (Schein)Erkenntnisse resultiert seine Jagd aber vor allem im immer wiederkehrende Verlust seiner gewohnten Umgebung, seiner Bekannten und Geliebten. Zweifelsohne ist Mike wohl eine der tragischsten Figuren der damaligen Kinozeit, muss er doch trotz seines Scharfsinns konsequent Rückschläge in Kauf nehmen und kann final froh darüber sein mit seinem bloßen Leben zu entkommen. [...]
[...] Francofonia ist so etwas wie eine völlig chaotische Geschichtsstunde aus der man letztlich zwar nichts wirklich Greifbares mitnimmt, sich aber dennoch nicht dem Eindruck verwehren kann, etwas gelernt zu haben. Aber worüber? Über die Geschichte selbst wohl kaum, denn Sokurovs Werk besticht weniger durch historisch korrekte Fakten, als vielmehr durch seine poetische Annäherung an den Menschen selbst. Wenn es bei Sokurov um Kunst geht, dann geht es nie um das Kunstwerk und seine handwerklichen Qualitäten selbst, sondern immer um dessen ästhetische Bedeutung für den Menschen. Bei Francofonia verhält es sich ähnlich, nur erschließt sich die genaue Bedeutung des Werkes zwischen dem einzigartigen Ideengemisch nicht zur Gänze – zumindest nicht nach einer Sichtung. [...]
[...] Doch seine Schlüsselrolle als Blaupause für einen stilechten Film noir sieht man Laura nicht nur an den offensichtlichen Stilelementen der Inszenierung und Erzählung an, sondern spürt man vor allem in seiner düsteren Atmosphäre. Selbst aufrechte Liebe muss einer destruktiv konnotierten Besessenheit weichen und so geht es vornehmlich um die lauernden Abgründe im Schatten des menschlichen Begehrens. Natürlich formt Preminger daraus einen höchstfunktionalen Film, der trotz seiner vergleichsweise ruhigen und investigativen Art nie auf Spannung verzichten muss, aber darunter schlummert durchaus noch eine tiefere Ebene. Denn obwohl wir uns in den höheren Schichten befinden, scheint der Film nicht weit von den Abgründen der Gesellschaft entfernt zu sein. Schließlich sind auch diese Menschen schon hüfthoch durch den Morast gewandert und in ihrer überheblichen Engstirnigkeit vielleicht sogar für immer in diesem Sumpf aus Oberflächlichkeit gefangen. [...]
Horrorctober 2016 #13:
Andrzej Zulawskis Meisterwerk unterwandert konsequent alle gestellten Erwartungen und überschreitet ungerührt die Grenzen des guten Geschmacks. Schon nach wenigen Minuten ist der Film dort angekommen, wo viele Zuschauer am liebsten die Reißleine ziehen und den Filmen vorzeitig beenden würden. „Possession“ ist anders, brachial und roh brüllt er dem Zuschauer seine destruktive Weltsicht ins Gesicht und nimmt dabei auf nichts und niemanden Rücksicht. Dass der Film dafür von vielen Seiten Unverständnis und Ablehnung erfährt ist ebenso verständlich wie schade, schlummert unter der provokanten Oberfläche doch ein ebenso vielschichtiger wie auch feinfühliger Kern, den es eher emotional als logisch zu begreifen gilt. In seinen gut zwei Stunden huldigt der Film dem Wahnsinn und der Exzentrik, vollführt eine stetige Ambivalenz zwischen aufrichtiger Authentizität und kompletter Übertreibung und findet immer wieder wirkungsvollste Bilder. Erwähnenswert sind auch die aufopfernden Schauspielleistungen von Isabelle Adjani und Sam Neill, die sich über alle gängigen Regeln der Schauspielkunst hinwegsetzen und ebenso entfesselt wie der restlichen Film agieren. Faktisch natürlich völlig übertrieben wurde selten, wenn nicht sogar nie so leidenschaftlich auf der großen Leinwand geliebt und gelitten. „Possession“ ist im besten Sinne des Wortes einzigartig und sicherlich nicht für jeden geeignet, wendet Zulawski doch einen nicht geringen Aufwand auf, den Zuschauer vor den Kopf zu stoßen. Mich zieht das jedoch nur noch tiefer in den Film, schließlich ist „Possession“ auch ein Werk, welches alle gängigen Grenzen sprengt und eindrucksvoll präsentiert wozu die Kunstform Film fähig ist.