YupYum - Kommentare

Alle Kommentare von YupYum

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    YupYum 27.04.2023, 23:11 Geändert 28.04.2023, 15:10

    Als Akrophobiker (Höhenangst-Geplagter) habe ich halt von jeher eine besondere Affinität zu Filmen, die unter den luftigen Höhen immer so einen bedrohlichen Abgrund ins Nichts haben - Sachen, wie „Cliffhanger“ (1993), „The Ledge“ (2011) und natürlich auch diese Hommage an „The Towering Inferno“ (1974, mit Steve McQueen) hier. Obwohl ich natürlich ziemlich bezweifle, ob die Crew von „Skyscraper“ (2018) überhaupt jemals von diesem Klassiker was gehört hat. Ist dann noch so eine weibliche Killer-Amazone (Hannah Quinlivan) mit dabei, die eiskalt mit Taser und Waffe schnell und ohne mit der Wimper zu zucken alles grad kaltschnäuzig ausschaltet, schlägt mein Herz noch höher. Und Neve Campbell hab ich auch seit ewig nicht mehr gesehen, dachte eh, die wäre schon längst in Pension gegangen.

    Seit ihm sein guter Kumpel Jeff Glasbrenner vorgemacht hat, dass man auch mit einer Beinprothese locker auf den Mount Everest hochkommt, hat Dwayne kapiert, dass man damit auch die krasseste Action schieben kann: Er hat also daraufhin die Bewegungsabläufe von „Amputees“ genau studiert, und der Jeff war mit dem Ergebnis in der Folge auch sehr zufrieden. Hauptambition für all die waghalsigen Dinge, die der scheinamputierte Dwayne also hier rund ums Feuer macht sind natürlich wiedermal Frau und Kinder, doch am Schluss des Movies stehen alle mit ziemlich angekohlten Rüben da, dabei sollten sie eigentlich wissen, dass das „Black Facing“ (= mit angemalter Birne schwarzhäutige Zeitgenossen blöd imitieren) im Zeitalter von Woke und politischer Korrektheit eine höchst verpönte Sache ist.

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    • 7 .5
      YupYum 27.04.2023, 19:04 Geändert 28.04.2023, 00:33

      Werbetexter Sam (Jack Lemmon) steht ein Riesenauftrag für eine Plakat-Kampagne für Milch und Eier aus der Region ins Haus. Bedingung vom strengen Molkereiprodukte-Mogul Sam Nurdlinger (Edward G. Robinson): ein moralisch einwandfreies Image, auch des Texters! Janet (Romy Schneider), eine Freundin seiner Frau Minnie (Dorothy Provine), die soeben aus Europa zu Besuch gekommen ist („Die hat einen Wiener Akzent!“) hat ein anderes Problem: Sie soll Millionen erben - wenn sie eine glückliche Ehe nachweisen kann. Leider hat die sich gerade von ihrem Mann getrennt, und die spiessigen Erbschleicher Irene und Jack (also nicht unser Jack Lemmon!) sind ihr schon auf der Schliche. Als die dann in Janet’s gemietetem Bungalow unverhofft zur Überprüfung der Eheverhältnisse auftauchen, ist Sam gerade zufällig dort und muss zwangsläufig gleich mal spontan in die Rolle von Janet’s Ehegatten schlüpfen. Und das ist erst der Auftakt von unglaublichen Verkettungen in dieser turbulenten Verwechslungkomödie…

      „Good Neighbor Sam“ (1964) war der erste von fünf Hollywoodfilmen der damals 26-jährigen Romy, und kein Wunder, dass sie diese Premiere schon meisterlich schaffte - kein Genre war der bezaubernden und so talentierten Frau zu viel. Mit Jack und Dorothy an der Seite, schaffen es die drei, das Publikum mit ordentlich Witz und Slapstick rundum zu unterhalten. Viele witzige Details in der Ausstattung helfen dabei: Ein als von einer Vacuum Cleaner-Firma getarnter Überwachungs-Lieferwagen mit drehbarem Staubsaugerstiel-Monitor, Jack‘s eigene Kunst-Maschinen-Montagen à la Jean Tinguely oder quakende Enten als Haustiere. Immer wieder kommt in der Geschichte ein neuer Faktor dazu, den die ganze heikle Situation noch verzwickter ind brenzliger macht.

      Als Kind hab ich den Film mal am TV gesehen (er wird nur sehr selten gezeigt), und er macht mir auch heute noch viel Freude. Seine doch ungewöhnlich lange Laufzeit vergeht jedenfalls wie im Flug. Ihm etwa unhinterfragten kleinbürgerlichen U.S.-Mief vorzuwerfen, verfehlt seine unterhaltende Intention gänzlich. Jack Lemmon’s berühmter Verdutz-Mimik wird viel Zeit eingeräumt. Auch die deutsche Schnellsprech-Synchro ist top, Romy spricht sich (auch wieder) selbst.

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        YupYum 26.04.2023, 22:22 Geändert 05.05.2023, 00:04

        (Kurzkommentar:)
        Bei Home-Invasion-Thrillern weiss man immer schon der Beginn und das Ende und wie es zur Situation kommt, deshalb hofft man als Zuschauer/in natürlich auf möglichst originelle Einfälle dazwischen, wie eben die gebeutelten Opfer die brutalen Einbrecher dann auch schlagen werden. Diese „Panic Room“-Variante à la Jordan Peele ist zwar ordentlich, kompakt und spannend inszeniert, die grosse Raffinesse bleibt aber aus, und auf einen wirklichen Clou in der Action wartet man vergeblich. Mehr als ein Feierabend-Film zum vom Stress abzuschalten ist „Breaking In“ (2018) unterm Strich nicht geworden. Aber das ist er immerhin.

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          YupYum 23.04.2023, 22:45 Geändert 28.04.2023, 00:55
          über The Boy

          Kommt eine Amerikanerin mit ihrem oft gewohnt leichten Lebensstil über den Teich und nimmt eine Stellung (hier z.B. als Au Pair) bei einem älteren Paar von strengen Angelsachsen an, ist als oberste Voraussetzung erstmals eine grosse Sensibilität im interkulturellen Umgang gefragt. Und wenn der zu betreuende Junge dazu noch eine elegant gekleidete Porzellanpuppe ist, ist dann wirklich äusserstes Fingerspitzengefühl angesagt, denn schnell ist Greta (Lauren Cohan) klar, dass sie ihre bisherigen Ken- und Barbie-Mädchenerfahrungen gleich mal über Bord werfen kann. Denn die Puppe ist nicht etwa ein Spleen irgendwelcher Verschrobener, sondern dient ihnen psychologisch dazu bei, den frühen Kindstod ihres achtjährigen Sohnes Brahms zu verarbeiten. Und dann ja nicht etwa in Versuchung geraten, die strengen Erziehungsregeln zu vernachlässigen, wenn das Ehepaar Heelshire mal schnell zum Kurzurlaub wegdüst….

          „Lieben Sie Brahms?“ - Und wie ich das tue, denn mir sagen Horrorfilme eh mehr zu, wenn sie voll auf Mystery und subtile Elemente setzen - Gore und Splatter-Exzesse waren nie meins. Und hier erleben wir so eine perfekte Abstimmung und Synthese von Sound und Vision - der tolle Soundtrack und die äusserst originellen optischen Einfälle in den grossen Bildkompositionen ergänzen sich mit unglaublicher Raffinesse. Bei der liebevollen Ausstattung der spooky Mansion wurde zudem an alles gedacht, sogar ein verstimmtes Cembalo ist vorhanden, denn wie es sein Name schon impliziert, ist unser Klein-Brahms nämlich auch sehr musikalisch. Überhaupt, die creepy Ausstrahlung dieser Puppe mit ihren gläsernen, leblosen Augen ist einfach tausendfach unheimlicher, als jedes giftspeiende Supermonster!

          Die Auflösung von „The Inhabitant“ (2016) zum Schluss ist dann eine wirkliche Überraschung, die das kreative Potential von Director William Brent Bell und seiner Crew richtig schön abgerundet zum Besten gibt. Mich hat das als Fazit alles wunderbar unterhalten!

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            YupYum 22.04.2023, 21:47 Geändert 25.04.2023, 15:19

            „Diese Pseudo-Borderliner mit ihrem Leidensfetisch. Für die ist ihre Traumwelt vom Schmerz der Ausweg aus einem öden Leben… Fuck it!“

            Ach, wie sie mich nerven: Diese LGBTQ-Hipster-Snobs des Post-Millenniums, die sich z.B. hier in Canada um Sprachrohr Rick Mercer scharen. Obercoole, selbsternannte Poeten wie Rufus Wainwright, Luke McFarland, Douglas Copeland und natürlich Xavier Dolan.

            In seinem zweiten Film „Les amoures imaginaires“ (2010) will uns das Wunderkind aus Montréal also den Lifestyle seiner Twentysomething-Kollegen als Dreiecksgeschichte und Filmkunst ins Hirn schmettern. Er bedient sich dabei stilistisch irgendwelchen Vorbildern aus der Nouvelle Vague, wie Godard, Chabrol, Malle oder Truffaut, und meint mit seinem Langweil-Filmchen ein neuzeitliches „À bout de souffle“ oder „Jules et Jim“ zu erschaffen, um die bestimmt hellbegeisterte Kritikerschar präventiv hinter sich zu scharen.

            Leider vergisst er dabei das Publikum (aber wahrscheinlich ist ihm dieses auch herzlich gleichgültig), denn in diesen 100 Minuten herrscht storymässig komplette Leere: Zu irgendeinem aufgeschlossenen Paar (oder sind sie doch nur gute Freunde?) trifft so ein blondgelockter Tadizio-Schönling und irgendwie verguckt sich jeder Beteiligte gegenseitig in den andern/die andere und alles bleibt dann doch irgendwie platonisch, ist aber trotzdem so durchsetzt mit sexuellen Spannungen in der Luft. Aber keine Angst: Hier passiert gar nichts! Dann philosophieren aus dem Off auch noch welche junge Slackers über das unergründliche Sein der sexuellen Zugehörigkeit - man kommt einfach nicht vom Fleck hier!

            Bildtechnisch bedient sich Dolan einer Zoom- und Wackelkamera, die einem den letzten Nerv raubt, dazu taucht er seine Bilder der angedeuteten Erotik in Uni-Farbtöne, um das Ganze möglichst expressiv rüberkommen zu lassen. Die Frauen kaufen so 60s-Hypezeugs à la Mary Quant aus dem Second Hand-Shop und schauen Filme mit Audrey Hepburn. Die Kettenraucherei wirkt weder lasziv noch verrucht, sondern aufgesetzt und daneben. Am liebsten sieht Dolan aber wohl sich selbst auf der Leinwand - narzisstische Züge hat er ja zu Genüge, da stören ihn selbst auch nicht seine abgekauten Fingernägel. Dalida‘s italienische Coverversion von Nancy Sinatra‘s „Bang Bang“ nervt beim dritten Mal dann aber gehörig - und mit Bach und Wagner kann man mich eh jagen.

            Alles erinnert entfernt an Berolucci‘s „Die Träumer“ (2004), aber das war dann wirklich sexuell aufgeladen und erzählte ein tolles Stück (französischer) Zeitgeschichte. Nicht annähernd bringt uns Dolan in solche Gefilde, seine Langweil-Bestandesaufnahme ist nur das Zeugnis eines selbstverliebten Egos.

            Weitere kanadische LGBTQ-Vertreter/innen:
            Anne Cameron, author
            Spencer Chandra Herbert, politician
            Wayson Choy, author
            Douglas Coupland, author
            Toller Cranston, figure skater
            Libby Davies, politician
            Xavier Dolan, director and actor
            Timonthy Findley, writer
            Rex Harrington, dancer
            Claude Jutra, director
            Elvira Kurt, comedian
            k.d. lang, singer
            Anne-Marie MacDonald, writer
            Ashley MacIsaac, musician
            Brian Orser, figure skater
            Carole Pope, rock singer
            Luke MacFarlane, Brothers & Sisters actor
            Jay Manuel, reality TV show personality
            Svend Robinson, politician
            Patricia Rozema, I've Heard the Mermaids Singing director
            Jane Rule, author
            Shyam Selvadurai, author
            Bill Siksay, politician
            Mark Tewksbury, Olympic athlete
            Scott Thompson, Kids in the Hall star
            Rufus Wainwright, musician

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              YupYum 21.04.2023, 23:45 Geändert 27.04.2023, 00:39

              Wenn sich das Trainspotting-Böse-Buben-Duo Robert Carlyle und Jonny Lee Miller für einen Kostümschinken als Strassen-Pistoleros im 18.Jr. frisch macht, darf damit gerechnet werden, dass es dementsprechend schön derb-grotesk zur Sache geht. Zwischen prärevolutionärer Dekadenz und britischem Gossenrotztum geht die Pophistorienmär (nach wahren Begebenheiten) nach einigen Durchhängern im Mittelteil dann im letzten Drittel richtig zur Sache, wenn einem der beiden, also McLeane‘s absehbare Zukunft der baumelnde Galgen im Wind verheisst. Doch natürlich kämpft der lieber mit seinem Kumpel um die bestechend schöne Rebecca (lovely: Liv Tyler) und mit dem sadistisch-brutalen Thief Taker General Chance (Ken Scott) ist ebenso noch eine Rechnung offen…

              Recht gelungener Kutschenburner mit Musik vom schottischen Techno-Klassik-Papst Craig Armstrong.

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                YupYum 20.04.2023, 22:30 Geändert 22.04.2023, 01:36
                über Tesla

                (Kurzkommentar:)
                Leider lernen die Kleinen auch heute noch immer in der Primarschule, dass dem „grossen“ Thomas Edison beinahe jede Erfindung zu verdanken sei, dabei war dieser ein cholerischer und arroganter Machtbesessener, und der wahre Visionär war ohne Zweifel der von ihm verschmähte, aber geniale Nikola Tesla (emigriert aus Kroatien), der mit seinem Tesla-Transforming alles vorwegnahm. Performerin Laurie Anderson gebührte ihm schon 1981 in ihrem berühmten Zyklus „United States I - IV“ Zoll. Ein filmisches Denkmal für ihn wäre also längst überfällig, doch was Ethan Hawke & Co. hier abziehen, ist höchstens ein knallbuntes, aufgeblasenes und pseudo-philosophisches Langweil-Pop-Sammelsurium des gänzlichen Nichts. Nach diesem Film ist man nicht schlauer wie davor, höchstens verwirrter - und das kann es ja wirklich nicht sein bei einer geschichtlich so relevanten und ewig lange verkannten Figur.

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                • 7 .5
                  YupYum 19.04.2023, 21:44 Geändert 20.04.2023, 15:32

                  „Ich will euch ja nicht ausquetschen, aber wo sind denn eure Stecher? Bräute wie ihr, habt doch immer Stecher im Nacken!“ - „Kleiner, wir haben ihnen frei gegeben, sind runter zur Bronx. Die sind eh lahm, wahre Krüppel!“
                  (aus: „The Warriors“)

                  „Geh ans Telefon! Irgend’ne Mieze ist dran, quatscht wie ’ne Bibliothekstante. Hast du Bücher ausgeliehen?“
                  (aus: „The Wanderers“)

                  (Doppelkommentar:)
                  Beinahe zeitglich landeten sie im Kino („The Warriors“ im Februar 1979, „The Wanderers“ etwas später), beide geniessen sie Kultstatus und haben jeweils ihre Fans, und beide thematisierten das Gangwesen von Halbstarken im Big Apple, wobei ersterer in der Zeit spielt, in der der Film erschien, im anderen sind wir im Jahr 1963 - in dem Jahr also, in dem das Kennedy-Attentat verübt wurde und mit dem der Rock‘n‘Roll-Zeitgeist der Fifties zu Grabe getragen wurde (und damit eigentlich das Ende der Dekade bedeutete).

                  Die Filme standen natürlich in direkter Competition zueinander - wer hat (in meinen Augen) nun also nach über 40 Jahren die Nase vorn?

                  „The Wanderers“ kann eigentlich eher als Zeitportrait der Epoche und Coming-Of-Age verstanden werden, anstatt als direkte Konkurrenzierung von Jugendbanden. Diese rivalisierenden Gangs sind zwar vorhanden, aber nicht das wirklich dominierende Element des Films: Sie definieren sich hier über Ethnie und Herkunft - die „Ducky Boys“ sind irisch, die Afroamerikaner heissen „Del Bombers“, die „Wongs“ sind Asiaten, man staune, Vorläufer von Skinheads gab es auch, nämlich die „Fordham Baldies“, sowie die titelgebenden „Wanderers“, die den Italo-Hintergrund haben. Diese sind denn auch nicht gefeit vor der Berührung mit den örtlichen Mafiosis Galassos - vor allem dann nicht, wenn man die Tochter des Bosses (Synchronstimme: Arnold Marquis) schwängert. Der Einzug in die Army (hier: Marines) wird thematisiert, kaputte Elternhäuser, Begegnungen mit den Girls, Partys etc. - voll Coming-Of-Age eben. Schauwerte von New York sind indes rar. Die Musik der Zeit ist omnipräsent, ständig rattert irgendein Träller-Song der damaligen hippen Bands, von den Surfaris, den Shirelles, den Chantays, den Contours und Bob Dylan - wenn man es denn auch gerne hört.

                  In „The Warriors“ hingegen geht es dann schon etwas härter zur Sache: Irrtürmlich durch den hinterlistigen Mord am Führer Cyrus der schwarzen „Gramercy Riffs“ beschuldigt (der eigentlich Luther von den „Rogues“ ausgeübt hatte, um einen allgemein beschlossenen Friedenspakt zu vereiteln), verlassen die „Warriors“ diese nächtliche Convention quer durch New York‘s pechschwarze Nacht (am Morgengrauen endet auch der Film). Eine schwarze DJ verkündet per illegalem Radiosender die Nachricht, dass die Hunt auf die „Warriors“ eröffnet sei. Nur wissen diese nichts von ihrem Glück, bis sie von der Girlgang „Lizzies“ mit Sex und Schnapps in eine Falle gelockt werden. Weitere ungemütliche Begegnungen mit bösen Buben von Gangs finden in jedem Quartier von nun an statt, denn jeder District wird immer von einer hiesigen Bande dominiert und kontrolliert (die auch immer schön gemein aus dem Hinterhalt aufkreuzen), auf ihrem nächtlichen Streifzug von der Bronx Richtung Coney Island: Die „Tumbull A.C.s“, die „Orphans“, die „Baseball Furies“ auf Rollschuhen 🛼 und schliesslich die „Punks“. Oftmals bilden kalte U-Bahn-Stationen den zentralen Schauplatz, immer wieder auch verlassene Strassen, ratternde Eisenbahnen und quietschende Metros (köstlich wie die Disco-Besucher einsteigen, ihre Rüschenhemden haben sie bei den Bee Gees selbst abgeschaut), in dieser bedrückenden Szenerie kämpfen die „Warriors“ um ihr Überleben und am Ende der Odyssee erwartet sie der gemeine Luther und seine „Rogues“ am Küstenstrand beim Aufgang der müden Sonne zum entscheidenden Showdown…

                  Fazit:
                  Der Director‘s Cut von „The Wanderers“ mit fast zwei Stunden ist in meinen Augen schon sehr lange geraten, immer wieder verzettelt sich der Film in langen Nebensächlichkeiten, und die Geschichte wirkt für mich doch recht angestaubt. „The Warriors“ hingegen ist ein tolles Abbild von New York aus einer ihrer kulturell spannendsten Zeitepochen, eingefangen auf dem Höhepunkt des Disco-Movements mit dem Studio 54 und den Punks mit dem GBCB. Für mich gewinnt also klar „The Warriors“ mit seiner tollen Dynamik, seinem trivialen Touch und der ganzen Kurzweil! (Beide Filme übrigens sind top-synchronisiert, wie eigentlich alle Filme zu dieser Zeit.)

                  „The Warriors“: 7,5 Punkte
                  „The Wanderers“: 5,5 Punkte

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                  • 5 .5
                    YupYum 19.04.2023, 21:43 Geändert 20.04.2023, 15:33

                    „Ich will euch ja nicht ausquetschen, aber wo sind denn eure Stecher? Bräute wie ihr, habt doch immer Stecher im Nacken!“ - „Kleiner, wir haben ihnen frei gegeben, sind runter zur Bronx. Die sind eh lahm, wahre Krüppel!“
                    (aus: „The Warriors“)

                    „Geh ans Telefon! Irgend’ne Mieze ist dran, quatscht wie ’ne Bibliothekstante. Hast du Bücher ausgeliehen?“
                    (aus: „The Wanderers“)

                    (Doppelkommentar:)
                    Beinahe zeitglich landeten sie im Kino („The Warriors“ im Februar 1979, „The Wanderers“ etwas später), beiden geniessen sie Kultstatus und haben jeweils ihre Fans, und beide thematisierten das Gangwesen von Halbstarken im Big Apple, wobei ersterer in der Zeit spielt, in der der Film erschien, im anderen sind wir im Jahr 1963 - in dem Jahr also, in dem das Kennedy-Attentat verübt wurde und mit dem der Rock‘n‘Roll-Zeitgeist der Fifties zu Grabe getragen wurde (und damit eigentlich das Ende der Dekade bedeutete).

                    Die Filme standen natürlich in direkter Competition zueinander - wer hat (in meinen Augen) nun also nach über 40 Jahren die Nase vorn?

                    „The Wanderers“ kann eigentlich eher als Zeitportrait der Epoche und Coming-Of-Age verstanden werden, anstatt als direkte Konkurrenzierung von Jugendbanden. Diese rivalisierenden Gangs sind zwar vorhanden, aber nicht das wirklich dominierende Element des Films: Sie definieren sich hier über Ethnie und Herkunft - die „Ducky Boys“ sind irisch, die Afroamerikaner heissen „Del Bombers“, die „Wongs“ sind Asiaten, man staune, Vorläufer von Skinheads gab es auch, nämlich die „Fordham Baldies“, sowie die titelgebenden „Wanderers“, die den Italo-Hintergrund haben. Diese sind denn auch nicht gefeit vor der Berührung mit den örtlichen Mafiosis Galassos - vor allem dann nicht, wenn man die Tochter des Bosses (Synchronstimme: Arnold Marquis) schwängert. Der Einzug in die Army (hier: Marines) wird thematisiert, kaputte Elternhäuser, Begegnungen mit den Girls, Partys etc. - voll Coming-Of-Age eben. Schauwerte von New York sind indes rar. Die Musik der Zeit ist omnipräsent, ständig rattert irgendein Träller-Song der damaligen hippen Bands, von den Surfaris, den Shirelles, den Chantays, den Contours und Bob Dylan - wenn man es denn auch gerne hört.

                    In „The Warriors“ hingegen geht es dann schon etwas härter zur Sache: Irrtürmlich durch den hinterlistigen Mord am Führer Cyrus der schwarzen „Gramercy Riffs“ beschuldigt (der eigentlich Luther von den „Rogues“ ausgeübt hatte, um einen allgemein beschlossenen Friedenspakt zu vereiteln), verlassen die „Warriors“ diese nächtliche Convention quer durch New York‘s pechschwarze Nacht (am Morgengrauen endet auch der Film). Eine schwarze DJ verkündet per illegalem Radiosender die Nachricht, dass die Hunt auf die „Warriors“ eröffnet sei. Nur wissen diese nichts von ihrem Glück, bis sie von der Girlgang „Lizzies“ mit Sex und Schnapps in eine Falle gelockt werden. Weitere ungemütliche Begegnungen mit bösen Buben von Gangs finden in jedem Quartier von nun an statt, denn jeder District wird immer von einer hiesigen Bande dominiert und kontrolliert (die auch immer schön gemein aus dem Hinterhalt aufkreuzen), auf ihrem nächtlichen Streifzug von der Bronx Richtung Coney Island: Die „Tumbull A.C.s“, die „Orphans“, die „Baseball Furies“ auf Rollschuhen 🛼 und schliesslich die „Punks“. Oftmals bilden kalte U-Bahn-Stationen den zentralen Schauplatz, immer wieder auch verlassene Strassen, ratternde Eisenbahnen und quietschende Metros (köstlich wie die Disco-Besucher einsteigen, ihre Rüschenhemden haben sie bei den Bee Gees selbst abgeschaut), in dieser bedrückenden Szenerie kämpfen die „Warriors“ um ihr Überleben und am Ende der Odyssee erwartet sie der gemeine Luther und seine „Rogues“ am Küstenstrand beim Aufgang der müden Sonne zum entscheidenden Showdown…

                    Fazit:
                    Der Director‘s Cut von „The Wanderers“ mit fast zwei Stunden ist in meinen Augen schon sehr lange geraten, immer wieder verzettelt sich der Film in langen Nebensächlichkeiten, und die Geschichte wirkt für mich doch recht verstaubt. „The Warriors“ hingegen ist ein tolles Abbild von New York aus einer ihrer kulturell spannendsten Zeitepochen, eingefangen auf dem Höhepunkt des Disco-Movements mit dem Studio 54 und den Punks mit dem GBCB. Für mich gewinnt also klar „The Warriors“ mit seiner tollen Dynamik, seinem trivialen Touch und der ganzen Kurzweil! (Beide Filme übrigens sind top-synchronisiert, wie eigentlich alle Filme zu dieser Zeit.)

                    „The Wanderers“: 5,5 Punkte
                    „The Warriors“: 7,5 Punkte

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                      YupYum 18.04.2023, 00:00 Geändert 18.04.2023, 16:14

                      Auch wenn dem deutschen Kino der 50er-Jahre bestimmt nicht der beste Ruf vorauseilt, ist „Die Zürcher Verlobung“ (1957) schon von daher positiv zu werten, da die charmante Komödie szenisch sehr abwechslungsreich ist: Hamburg, Berlin, Zürich und die verschneiten Alpen vom Engadin, dazu das unglaublich schöne Zeikolorit - die Einrichtungen, Mode, Karossen und Möbelstücke, die heute wieder voll chic und in sind und in so trendy 2nd-Hand-Edelboutiquen zu völlig überrissenen Preisen an irgendwelche Yuppies vertickt werden. Ja, damals war sogar die Welt in St. Moritz noch für Normalos erschwinglich, dann brachte Gunther Sachs in den 60ern den Jet Set hin und immer mehr Beton-Bausünden verschandelten die alpine Stadt - und heutzutage stehen russische Oligarchenweiber (sorry!) in Pelzmäntel von geschützten Tieren am Rand des White Turf und saufen Moet et Chandon. Damals hatte es gar noch richtige Unmengen von Schnee ❄️, wie man in diesem Film wehmütig feststellt, heute gibt es dank dem Klimawandel immer weniger davon und ohne ratternde Schneekanonen würde eh nichts mehr laufen.

                      Eine entzückende Lilo, zuvorkommende Gentlemen, ein ungezogener Bengel, ein witziger Pudel 🐩, viele gelungene Gags und ein Happy End, das man so nicht erwarten würde.

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                        YupYum 17.04.2023, 23:30 Geändert 20.04.2023, 02:03
                        über Hangman

                        (Kurzkommentar:)
                        All der kollevtiven Miesmacherei wiedermal hier drauf zum Trotz, ist „Hangman - The Killing Game“ (2017) für mich ganz anständige Thrillerware für den entspannten Feierabend geworden. Verzeiht man grosszügig die paar Ungereimtheiten, wird man mit unglaublicher Rasanz, einer Investigation unter mächtig Zeitdruck und exotischen Tatorten, wie einem creepy Mausoleum oder einem frostigen Schlachthof belohnt - die Atmosphäre ist durchgehend unterkühlt und bedrohlich. Natürlich wird das Rad nicht neu erfunden, aber muss es das denn auch immer? Neben dem Trio Pacino - Urban - Snow, fand ich hier Sarah Shahi als Chief Officer im Rollstuhl in ihrer bestimmenden Coolness besonders toll.

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                          YupYum 17.04.2023, 00:39 Geändert 20.04.2023, 15:42

                          Psychedelische Hippie-, Drogen-, Biker- und LSD-Filme der späten 60er- und frühen 70er-Jahre, wie „The Trip“ (1966), „Skidoo“ (1966), „Wonderwall“ (1968), „Psych-Out“ (1968), „Girl On A Motorcycle“ (1968), „More“ (1969) oder „Zabriskie Point“ (1970) haben vor allem eins gemeinsam: Sie sind kulturgesellschaftlich und -geschichtlich relevant, sind flashy und schön farbig anzusehen, werden verklärt und abgekultet - und sind allesamt ziemlich langweilig.

                          Auch in „Easy Rider“ (1969) ist das nicht anders, es wird unter Drogeneinfluss nur ziemlich wirres und zusammenhangloses Zeugs gelabert (die Schauspieler hatten sich auch echtes Dope reingepfiffen, so ging das auch easy von der Hand), sehen wir sie mal nicht auf der Strasse auf einem Road Trip mit Ziel „Mardi Gras“ in New Orleans. Dann mal in einer Hippie-Kommune, wo freie Liebe praktiziert wird, mal in der Kiste und mal im Bordell. Begleitet werden sie von einem unbestritten tollen Soundtrack, doch es gab weit interessantere Platten damals, denn gute Bands im Genre des U.S.-Psychedelic Rock waren unzählig. Vieles war schlecht und lief schief in dieser Zeit, nicht aber die unsterbliche Qualität der damaligen Musik*.

                          Das Filmende schliesslich kann hier gar nicht anders sein als desillusionierend, denn ein Happy End würde kaum zur Meta-Message passen. Irgendwie so, als wäre das „Altamond Speedway Free Festival“ schon zur Realität geworden, als im Dezember selben Jahres vier Personen im Publikum des Rolling Stones-Konzerts zu Tode kamen und das als der berühmte Schock-Event der Blumenkinder Geschichte schrieb und ein Abgesang darstellte auf die Formel „Peace, Love And Happinesses“. LSD war weiterhin sehr hip: Als Albert Hofmann (der übrigens ein entfernter Grossonkel von mir war) damals für Vorlesungen in die Staaten kam, wurde er am Flughafen wie ein Star empfangen, was für den bescheidenen Mann völlig überraschend kam.

                          „Easy Rider“ wird oft als Mutter aller Bikerfilme genannt, was natürlich kompletter Unsinn ist: In den 1950er Jahren entstand die Herausgliederung der Jugend- aus der nationalen Kultur. Gleich zu Beginn wurde die Motorradgruppe als besondere Lebensform Jugendlicher am Rande der bürgerlichen Normalität inszeniert. Marlon Brando spielte schon in „The Wild One“ (1953) den Anführer einer Motorradbande, die eine Kleinstadt unsicher macht. Auch einige der frühen Filme Russ Meyers wie „Faster Pussycat! Kill! Kill!“ (1965) gehören in den Umkreis der Bikerfilme, sowie einzelne von Roger Corman. In der Zeit der Spätsechziger entstanden dann eben so berühmte Filme wie eben „Easy Rider“ (1969) oder „Vanishing Point“ (1971), aber auch eine ganze Reihe von Exploitation- und Trash-Filmen wie „Satansengel von Nevada“ (1967), „Run, Angel, Run“ (1969) oder „The Losers - Verdammt, verkommen, verloren“ (1970), in dem Hippies und Rocker als Easy-Rider‑Hilfssoldaten Vietnam (!) aufmischen. Ja, der Fantasie waren damals keine Grenzen gesetzt.

                          *empfohlenes Buch dazu:
                          Vernon Joynson - „The Flashback - The Ultimate Psychedelic Music Guide“

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                            YupYum 16.04.2023, 23:06 Geändert 17.04.2023, 20:51

                            (Kurzkommentar):
                            Matthew McConaughey ist ja eigentlich eh schon ein ziemlich nervöser Ritalin-Fall für sich, aber wenn dazu noch das Drehbuch und der Schnitt so hektisch gestaltet sind, wird die ganze Angelegenheit einfach höllisch anstrengend. Zudem mag ich ihn eh lieber mit Kippe im Mund und Glas in der Hand, als im Gym und mit aalglatter Frise im Anzug. Ebenso wird wohl versucht, durch die ganze Hektik die inhaltlichen Schwächen einer Story zu kaschieren, die eigentlich unterm Strich so dünn wie Zeitungspapier ist. Pacino spult eine Rolle langweilig-routiniert ab, die nicht wirklich zu ihm passt, Rene Russo kanns auch nicht retten. Irgendwelchen geldgierigen Dödel mit Anlagen oder hier Wetten das Geld aus der Tasche zu ziehen, sah man schon um einiges besser in „Wall Street“ (1987) oder dann in „The Wolf Of Wall Street“ (2013).

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                              YupYum 15.04.2023, 18:39 Geändert 16.04.2023, 13:13

                              „Inter Meas Infantes Vivo.“
                              (= „Durch meine Nachkommen lebe ich.“)

                              Die Bewohner von Banfield, Massachusetts, sind schon mal auf einiges gewappnet, denn sie wissen nur zu gut von ähnlichen Wallfahrtsorten, wie Lourdes und Fatima, dass dort jährlich um 6 Millionen Pilger-Touris mit Tui-Pauschalreisen-Buchung und Vollpension einfahren, um Heilung von der heiligen Jungfrau Maria zu erfahren: Denn hier im nördlichen U.S.-Küstenort sprach diese soeben durch die Person der jungen Alice (Cricket Brown) und verschiedene TV-Stationen haben gleich die freudigen News der ganzen Rest-Nation, zwecks Quotenerhöhung, ausgeplaudert. Zum Fest der unbefleckten Empfängnis muss also noch einiges organisiert und bereitgestellt werden, wie das grosse Festzelt, der Wurststand, der Bierausschank und die blauen Toi Toi-Ein-Quadratmeter-Plastik-WCs - geschweige denn all die vorgängige „Hail Maria!“-Merchandising-Fabrikation von Tassen, T-Shirts, Rosenkränzen und anderen Souvenirs (meistens auch aus Plastik). Wenn die nämlich alle schon potenziell von ihren Leiden erlöst werden sollen, soll immerhin auch noch was rausspringen!

                              Doch es gibt auch berechtigte Einwände vor dem monströsen Spektakel: „Der alttestamentarische Gott ist erzürnbar, es gibt eh nur Ärger, wenn der mal auf die Erde herabsteigt!“ und „Wo Gott eine Kirche errichtet, ist auch die Kapelle vom Teufel nicht weit!“ Aber die Menschheit hat eben schon immer so getickt, dass wenn die mal erst drauf sind, sich nicht so leicht von einer kollektiven Besessenheit abbringen lassen.

                              Fazit: Herrlicher Edel-Trash mit gehöriger Portion Religionsfanatismus-Kritik und sympatischem Hauptdarsteller (Harry Dean Morgan) als Reporter, produziert von Sam Raimi.

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                                YupYum 15.04.2023, 00:24 Geändert 22.04.2023, 01:01

                                Zwischen 2008 und 2009 brach eine Clique von Teenies aus Calabasas (grenznahe Ortschaft zu L.A.) regelmässig in die Villen von It-Celebrities ein, die sie eigentlich anhimmelten - namentlich Rachel Bilson, Audrina Patridge, Megan Fox, Orlando Bloom mit Miranda Kerr, Lindsay Lohan und eben auch Paris Hilton - und klauten denen Designer-Lümpen, Uhren, Schuhe und Klunker im Wert von 3 Millionen Dollar, die sie an Strassenständen und an Hehler vertickten (wäre eben schon grad etwas viel, das alles selbst zu behalten). Aber eben, wenn man dann so blöd ist und sich mit dem halben Karsumpel auf den sozialen Medien brüstet und damit in aller Unverschämtheit proaktiv prahlt, kriegt dann halt irgendwann auch noch der letzte verschlafene Cop davon Wind. Die dreiste Bande bekam von der Presse den Namen „The Bling Ring“…

                                Schon noch geil, wenn man sich mal an Paris Hilton‘s eigener Stripstange in ihrem hauseigenen Nightclub-Room austoben, ihr Lippenstift ins Gesicht schmieren, mit ihrem Schnee sich die Nase pudern und an ihrer Hausbar einen Vodka der besseren Sorte runterkippen darf - sowie dann zum Schluss grad noch ein paar Souveniers als Andenken mitnehmen kann. Sofia Coppola erhielt dafür die Genehmigung vom ollen Blondchen persönlich, in ihrer Villa drehen zu dürfen - die wahre Filmkennerin ist nämlich grosser Fan der Regisseurin („Sofia is one of the greatest movie directors in the world!“). Leider trägt die gelobte Regisseurin (deren kometenafter Abstieg schon mit der bekloppten Pop-Mär „Marie Antoinette“ von 2006 begann) keine gesellschaftskritischen Nuancen zur Generation Z bei, noch gibt es dramaturgisch irgendwie Momente, die hängen blieben: Diese Kids sind nämlich genauso materialistisch wie ihre Vorbilder, die sie beklauen und mit deren Zeugs sie eigentlich als psychologischen Faktor so sein wollen, wie diese selbst. Szenisch ist es allerdings schon in bizarrer Weise verblüffend, wie ein solch Inneres dieser Villen hier die Welt einer nicht annähernd von aussen zu vermutenden Dekadenz zur Schau stellt.

                                Aus genau diesem Grund sind auch die Extras auf der DVD 📀 um einiges interessanter anzusehen, wie der ganze Film selbst - allen voran der schöne Beitrag „Paris Hilton zeigt den Ort des Verbrechens“: Neben unzähligen kronenbeleuchteten Räumen, die bis an den Rand voll sind mit Gucci, Prada, Ray Ban, Rolex und Chanel, geizt sie auch nicht, uns u.a. die extra designte Minivilla (nein, nicht Hundehaus!) ihrer blöden Chihuahua-Kläffer zu zeigen, die solch illustre Namen tragen, wie Peter Pan, Stuart Little und Marilyn Monroe - durchgeknallter geht‘s wirklich kaum noch…

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                                  YupYum 10.04.2023, 21:57 Geändert 11.04.2023, 17:55

                                  „Wenn ihm Ihre Kunst gefällt, bekommen Sie eine Gallerie. Dann können Sie Ihrer Freundin ein Auto kaufen.“ - „Ich bin verheiratet.“ - „Dann können Sie Ihrer Ehegattin sowie Ihrer Freundin je ein Auto kaufen…“

                                  Kunst sei immer subjektiv, wäre sie das nicht, wäre sie einfach Handwerk, wird uns hier gelehrt. Und subjektiv ist auch, ob man mit den Skizzen, Zeichnungen, Abstraktionen und was auch immer vom hier portraitierten Gerhard Richter (*1932) überhaupt was anfangen kann - ich jedenfalls herzlich wenig. Nach seinem Überraschungserfolg und Oscar-Abräumer „Das Leben der anderen“ (2006) und dem darauffolgenden Total-Flop „The Tourist“ (2010; bei dem die Chemie von Jolie und Depp überhaupt nicht stimmte), serviert uns Florian Henckel von Donnersmarck nun das über dreistündige und explizit deutsche Mammutwerk „Werk ohne Autor“ (2018), das von wahren Begebenheiten inspiriert, aber auf fiktionalisierte Weise drei Jahrzehnte deutsch-deutscher Historie anreisst und vor diesem Hintergrund vom Werden eines Künstlers erzählt.

                                  Wir begleiten also Gerhard Richter (mit Pseudonym Kurt Banert, gespielt als Erwachsener von Tom Schilling) in dieser steifen Bildungslektion durch drei Städte in drei Jahrzehnten: Dresden, Berlin-West und Düsseldorf. Beginnen tut alles 1937, wie der kleine Kurt mit seinem geliebten Tantchen Elisabeth eine Nazi-Abschreck-Ausstellung für „entartete Kunst“ besucht und beide eigentlich an den gezeigten „schlechten Beispielen“ Gefallen finden. Diese Tante hat nicht nur musisches Flair, sondern auch psychische Borderline-Störungen, und der brutale Naziarzt Seeband (Sebastian Koch) besiegelt ihr Schicksal später denn auch in der berüchtigten psychiatrischen Klinik Pirna-Sonnenstein im Rahmen von Hitler‘s schrecklichem Euthanasie-Programm. Bald im DDR-Kommunismus angekommen und gefangen, lernt Kurt seine spätere Frau (Paula Beer) kennen. Sie heisst nicht nur ebenfalls Elisabeth, sondern ihr Vater ist kein Geringerer als der berüchtigte Dr. Seeband, der mittlerweile opportunistisch für das neue Regime praktiziert. Schliesslich fliehen die beiden in den Westen…

                                  „Werk ohne Autor“ ist Kino für intellektuell versierte Mehrbessere (oder solche, die sich als das sehen) mit starkem Durchhaltevermögen, denn die drei Stunden müssen zuerst mal hinter sich gebracht werden. Obwohl ich Tom Schilling eigentlich gut leiden kann, spielt er hier (ähnlich wie danach wieder den jungen Berthold Brecht) seine Rolle als sensibler Querdenker so entschlossen seriös, dass es mir fast zuviel wurde. Sebastian Koch ist nach dem (weitaus besseren) Drama „Nebel im August“ (2016) erneut wieder ein diabolischer Psychiatriearzt zur NS-Zeit. Die Szene, wie er seine eigene Tochter zwangsabtreibt, ist ein selterer dramaturgischer Höhepunkt dieses Films, sie lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Ansonsten gibt es hier viel zu überstehenden Leerlauf und Unwichtigkeiten, die die lange Laufzeit füllen und mich immer mehr geistig abdriften liessen. „Werk ohne Autor“ ist in meinem Augen nicht viel mehr, als eine kopflastige, kleinkarierte, akribische, emotional frostige und sich im Detail verlierende Abhandlung eines Lebenslaufes - Betroffenheitskino, das mich teilweise richtig nervte. (Gerhatd Richter selbst war übrigens gar nicht zufrieden mit diesem Ergebnis, etwas Dankbarkeit täte vielleicht nicht schlecht, wenn so ein grosses Team sich schon die Mühe dafür macht - aber lassen wir das.)

                                  Randnotiz: Leider waren dann doch nicht alle des hier anvisierten Zielpublikums so restlos begeistert. Ein Blog, der sich „artemis“ nennt, bekam kaum mehr Luft, was für ein absolut frauenfeindliches und sexistisches Frauenbild à la 50er-Jahre in diesem Film hier angeblich wieder zelebriert werde! In der Zeit der politischen Überkorrektheit, Woke und wie sich diese Bewegungen alle nennen, wäre es wohl am besten, überhaupt keine Filme mit Frauen, Schwarzen, Gays, blondhaarigen Rastas und anderen so geplagten Randgruppen mehr zu machen. Dann gäbe es halt in der Konsequenz nur noch so Filme von einem Michael Haneke, mit so Männern, wie Tom Hanks oder Robert Redford, damit niemand mehr gegen solche ungeschriebenen, aber langsam der Realität entsprechenden Gesetze dieser Wohlstandsverwahrlosungs-Gruppen verstossen würde.

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                                    YupYum 09.04.2023, 22:38 Geändert 10.04.2023, 10:52

                                    „Ein Trafikant verkauft Genuss, Lust - und manchmal auch Laster, und da ist das oberste Gebot „Diskretion“…“

                                    Der 17-jährige Franzi (Simon Morzé) staunt nicht schlecht, als ein Kunde im Trafik (österreichisch für Tabakladen) „zärtliche Hefte“ - vom Chef persönlich aus der unteren Schublade gezogen - begutachtet. Vom Attersee im Salzkammergut ist er also 1937 nach Wien gekommen, um beim resoluten Kriegsveteran Trjsnek eine Lehre in seinem kleinen Geschäft hier zu absolvieren. Die Kundschaft ist interessant und illuster, unter ihnen befindet sich auch „Deppendoktor“ Professor Sigmund Freud (zum letzten Mal: Bruno Ganz) und zwischen den beiden entwickelt sich gar eine Art Freundschaft, weil der junge Franzi sich immer mehr für das Mysterium der Libido interessiert…

                                    Kritiker warfen der Literaturverfilmung nach Robert Seethaler vor, dass sie nicht den leichten Ton der Vorlage treffen würde. Andere wiederum bemängeln, dass sich die Schauspieler nur lediglich durch „eine perfekte Sepia-Kulisse vom alten Wien hindurch bewegen“ würden. Ich sehe das etwas anders: Schon an den Schauspielern gibt es für mich nichts auszusetzen, Bruno Ganz ist wie immer routiniert-meisterlich und der junge Simon Morzé (u.a. bekannt aus einigen SOKO Wien-Folgen) ist sehr sympathisch und agiert äusserst natürlich. Die Sprache ist wunderbar vorkriegszeitgemäss, die Dialoge geschliffen und unaufdringlich. Auch das Szenenbild finde ich im allgemeinen recht gelungen (bis auf die eine Nachtszene im Dezember, in der der Schnee wirklich nur wie hingeworfenes, weisses Pulver aussieht), die Symbolik der überall plötzlich hängenden roten Fahnen nach dem Einmarsch der Nazis in Wien, wirkt - als Kontrast zu einer eigentlich heilen Welt - gekonnt bedrückend und bedrohlich.

                                    Die Geschichte würde einem auch mit dieser eigentlich angestrebten Legèreness hindurchtragen, würde sie nicht ständig immer von diesen überflüssigen und schwerfälligen Traumsequenzen und -metaphern jäh unterbrochen werden. Diese modern und superdigital anmutenden Passagen stören die ganze eigentliche und einheitliche Ästhetik und den Flow des Films „Der Trafikant“ (2018) einfach erheblich - Träume an sich spielten bei C.G. Jung eh die wichtigere Rolle als bei Freud. Trotzdem empfinde ich das hier als die weitaus wärmere und zugänglichere Freud-Abhandlung, als - sagen wir mal - so ein oberroutiniertes und eiskaltes „A Dangerous Method“ (2011, mit Keira Knitghley).

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                                      YupYum 08.04.2023, 00:24 Geändert 15.04.2023, 02:44

                                      Jeden Karfreitag wieder haben wir ein ganz besonders Geschenk, das uns irgendwelche Privatsender frei Haus liefern: Es ist dies Mel Gibson‘s angeblich so martialisches Brutaloepos „The Passion Of Christ“ von 2004 (ein zweiter Teil ist indes schon konkret angedroht!). So zwei bis drei Jahre später hatte das dann - auch so um diese späte Stunde - Premiere bei Pro7, und das mehr oder weniger darauf unvorbereitete Publikum bekam damals gar eine persönliche Ansage als gewisse Vorwarnung einer hübschen Blondine dazu (wie feinfühlig!), und der Film wurde auch nicht etwa mit irgendwelchen Werbeblöcken unterbrochen.

                                      Das gab es bisher nur glaub gerade einmal bei denen, nämlich bei der Ausstrahlung von „Schindler‘s Liste“. Ab dieser Uhrzeit - also so eine Stunde vor Mitternacht - wurden bei Privatsendern Spielfilme ja immer mit so Busen-Spots unterbrochen, erinnern Sie sich noch? Diese Spots richteten sich vornehmlich an die Zielgruppe „notgeile Herren“, die von so oberheissen Bräuten, grünen Witwen oder einsamen Hausfrauen dazu animiert wurden, irgendeine eine gebührenpflichtige Telefonnummer zu wählen, die ihnen ausser einem niedrigeren Kontostand kaum was brachte. Diese Telefonnummern wurden übrigens immer mit einer Melodie unterlegt, damit sich beispielsweise ein tonales „223 223“ dann auch schön im Gedächnis einprägem konnte - mitsingen willkommen! Die Redaktion um die sensible Moderatorin dachte sich vor der Ausstrahlung wahrscheinlich, dass so ein Kontrast vielleicht dann doch etwas zuviel des Guten wäre, wenn also der geplagte Jim Caviezel dann so von dieser einen Domina (ja, die gab es wirklich!) unterbrochen wird, die ihm bei jedem Peitschenschlag „Ruf!“ „Mich!“ „An!“ ins Gesicht faucht. Heute wäre das sicherlich wieder anders, denn auch der gute Jim hätte bestimmt mittlerweile ebenso ein obligates Smartphone auf dem Weg nach Golgatha mit dabei.

                                      Ich dachte mir, wahrscheinlich kommt diese A-Moderation eh nur ab zuvor aufgezeichneten Videoband, weil besagte Dame sicher schon bereits am Nachmittag ins Osterweekend nach Italien gefahren ist und ziemlich sicher jetzt gerade wieder im Stau vor dem Gotthard-Tunnel beim Pass steht. Am Radio sagten sie vorhin, dass die Autoschlange nach Corona wieder so lang sei, dass die immergleichen Luftverpester über drei geschlagene Stunden in ihren Karossen festsässen würden - diesmal übrigens noch verlängert durch so neuzeitliche Anarcho-Klimaaktivisten, die ihre Hände mit Sekundenkleber am Asphalt festleimten. Für die „Schmierlappen“ (so nennen wir Polizisten im CH-Slang) ist das immer jeweils eine mega-mühsame Ernstübung, diese unverbesserlichen Chaoten unverwundet und unblutend von der Strasse sauber wegzutrennen und dann abzutransportieren, was wiederum ja einen Bogen zu diesem hier zu besprechenden Film schlägt.

                                      So, nun mache ich mir aber zuerst mal gebührend zu den Festtagen eine etwas bessere Flasche Wein 🍷 auf (billigen Fusel gibt’s schon genug oft) und zappe mich mal durch die Kanäle: Und siehe da, Bingo! Da verhören also grad irgendwelche kostümierten Sandalen-Römer auf Tele 5 oder so, tatsächlich den armen Jim in irgendeiner altertümlichen Fremdsprache - Authentizität muss bei Mel nämlich sein (viele Leute finden übrigens das Lesen von Untertiteln äusserst mühsam und anstrengend und beklagen sich auch gebührend darüber, wenn sie das mal tun müssen - genau so wie auch die Amis). Dabei fällt mir der stahlblaue Farbton als ästhetisches Merkmal des knallernsten Dramas mal als erstes auf - sehe ich da grad etwa „Blue Steel in Jerusalem“? Schauen wir mal, wie‘s so weitergeht, und das obwohl SpiceWeasel in ihrem Kommentar eigentlich ganz zu Recht bemerkt hat, dass ihr der damalige Konfirmationsunterricht ja schon die ganze Story hier gespoilert hätte.

                                      Ca. 3/4 Stunden später dann:
                                      Inzwischen geht hier im Altertum langsam die Brutalo-Post ab - sorry, aber das ist ja wirklich kaum zu ertragen, echt! War Ihnen eigentlich auch schon bekannt, dass diese wuchtigen Monumentalschinken zu Ostern bei vielen Leuten ein echtes Trauma auslösen können, vor allem wenn sie diese schon unbedarft in der Kindheit mitbekommen hatten? Eine Freundin von mir schaltete als kleines Mädchen mal zufällig am Karfreitag-Morgen den TV alleine ein (als ihre Eltern noch den Rausch vom Vorabend am ausschlafen waren) und bekam unweigerlich grad die volle Ladung Krezuigung vom Tschiises auf die Fresse ab. Das hatte sie so voll geschockt, seitdem meidet sie jegliche Kreuzsymbole, wann immer sie kann und übernachtet in keinem Raum, in dem so ein Tschiises am Kreuz auf sie runterschielt - also Reisen in bajuwarische Hotels sind für sie eh grad von vornherein mal ganz Tabu.

                                      Also, ich hab mich nun mal mit meiner Flasche aus Pietätsgründen in die Küche verzogen, höre den Jim aber weiterhin von da aus ächzen und stöhnen. Ich lese mich also etwas durch die Kommentare auf Moviepilot hindurch. Aha, da haben wir‘s ja schon: Dachte ich es mir doch zum voraus, dass dieser Mel wieder voll polarisiert, mittlere Bewertungen sind kaum vorhanden. Viele nennen den Film “einen ätzenden Gewaltporno eines besoffenen Antisemiten“, oder ziemlich cool auf english: „einen Torture Porn“. Eine findet ihn hingegen „ein recht geiler Snuffilm“, einem anderen ist er „viel zuwenig brutal“, ein anderer wiederum fürchtet, dass es „keine Karten für Oberammgau mehr gibt“ (ist das ein Fussballstadion, oder was?), einer dann schaut den „supergeilen Grindhouse-Film“, beziehungsweise „diese Explotationsperle“ erst dann an, wenn ihm jemand genügend Alk ins Haus bringt, denn das gehört ja einfach dazu. Intellektuelle Leute drücken sich da schon etwas dezidiert vornehmer aus: „Voyeuristische Ästhetik der verkapselten physischen Zerstörung“, oder „reaktioner Propagandafilm für U.S.-Evangelikale“ sind Statements, einer verglich die gleichzeitige Perfektion und Fragwürdigkeit gar mit Leni Riefenstahl. Doch wehe denen, die sich da zu abgehoben kritisch äussern! Einer dieser Hard-Die-Fans kundete untenhin gleich die Drohung an: „Viel Spass im Höllenfeuer, du Heide!“ Überhaupt ist mir aufgefallen, dass doch einige Fundis hier extra für den Film ein MP-Profil einrichteten, um explizit diesen einen Film zu promoten - wer fasst denn sowas, hallo?

                                      Jaja, dieser all um sich greifende Oster-Kasteiungswahnsinn immer: Auf diesen Nachrichtensendern, wie CNN etc., machen die jeweils just heute am Karfreitag immer wiedermal eine unkommentiere Schaltung in die Philippinen 🇵🇭. Dort lassen sich so halbnackte Männer richtige Metallnägel mit schweren Hämmer aus dem örtlichen Do-It-Yourself-Geschäft in die Handflächen und Füsse meisseln, und die restlichen Mitglieder der Gruppe ziehen dann das besagte Holzkreuz mit allerlei rituellem Gejohle hoch. Ich habe echt mal gehört, dass das bei gewissen Dödelsäcken noch eine gewisse erotische Stimulation bewirken soll. Der Papst seinerseits teilte übrigens diesen Philippinos schon lange mal in scharfem Tonfall mit: „So verdammt nochmal, jetzt hört endlich mal auf mit diesem kranken Scheiss!“, aber wie Sie richtigerweise erahnen, kümmert die das doch einen feuchten Hundedreck. Papst Franziskus hat jetzt eh wichtigers zu tun, als sich mit solch ignoranten Hinterwäldlern auseinanderzusetzen: Nachdem er also grad aus dem Spital entlassen wurde, muss nämlich noch - schneller wie sonst jeweils - der Soundcheck auf dem St. Petersplatz gemacht werden, damit das „Urbi Et Orbi“ am Sonntag dann auch soundmässig so richtig vollgeil abdröhnt.

                                      So, jetzt ist der Film durch und ich schön angetrunken - frohe Ostern allerseits!

                                      (ohne Wertung)

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                                        YupYum 07.04.2023, 17:52 Geändert 09.04.2023, 00:41

                                        „Do you believe in God, Joe? - „When I see a sunrise or a thunderstorm or dew on the ground, yes, I think there's a God. When I see all this here, I think he's long past giving a shit.“

                                        Was für ein merkwürdiger Thriller, was für eine diffuse Auflösung!

                                        In über zwei Stunden verfolgt der Zuschauer hier den desillusionierten Cop Deke vom Outland von California (Denzel Washington) zusammen mit dem geschliffenen Baxter der Grosstadt (Rami Malek) in der sich mühsam gestaltenden Aufklärung von Meucheleien von jungen Frauen - so Fälle eben, wie man sie immer zu später Stunde am TV in so True Crime-Dokus wie „Medical Detectives“ oder „Autopsie“ zu sehen bekommt. Im Unterschied spielt der staubige Film jedoch 1990, und sowas wie DNA ist hier denn auch kein Thema. So vergleicht Denzel denn auch die Polizeiarbeit mit den endlosen Observationen mit dem Angelsport - man wartet zwar tagelang geduldig, doch plötzlich hat man den dicken Fisch an der Angel. So weit, so gut.

                                        Was bei mir jedoch definitiv den Haussegen schiefhängen lässt, ist dass es hier in der Folge nicht eine einzige Szene gibt, die einem irgendwie mal halbwegs zu catchen scheint. Als dann zu guter letzt noch der dritte gestandene Oscarpreisträger, nämlich Jared Leto, seine dürftige Vorstellung als potentieller Serientäter gibt, gibt auch der diesem schläfrigen Film nicht den nötigen Pep: So schlau wie der sich bei diesen Verhören vorgibt zu sein, sind seine Drehbuch-Linien nämlich nicht - auch mit ihm will es den Zuschauer nicht ein einziges Mal annähernd mal packen oder mit Furcht erfüllen. Als dann ein Inspector quasi noch dazu aufgefordert wird, sein eigenes Grab zu schaufeln, wird es dann ganz lächerlich und vergeblich.

                                        Man sieht dem Film an, dass er viel gekostet hat: Teure Schauspieler, edle Musik und schicke Kamerabilder - also teure Karosserie, aber kein guter Motor. Es kommt mir irgendwie vor, wie wenn damals der spiessige Robert Redford auch mal einen echten Thriller drehen wollte und dann das Ergebnis genauso so bieder wie er selbst blieb. Ich kann diesen schwerfälligen und langfädigen Film „The Little Things“ (2020) mit seiner merkwürdigen Plot-Auflösung als Fazit nicht wirklich zur Empfehlung weitergegeben.

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                                          YupYum 06.04.2023, 22:08 Geändert 09.04.2023, 16:27

                                          „Missing people is a part of this world. Without that sadness you can’t taste the sweet…“

                                          Terrence Malick lässt schön grüssen: Mit mehr, nochmals mehr und immer wieder sich auch wiederholenden pseudo-lebensphilosophischen Sprüchen (und Anleihen an die griechische Mythologie), die auch auf dem „Gut-in-den-Tag-Weisheiten“-Kalender meiner Grossmutter von damals hätten gestanden sein können, begleiten wir also Hugh Jackson auf seiner dystopischen Reise in diesem eigentlichen Noir-Thriller: Der Klimawandel liess also die Scyscrapers an der Coast von Miami (und später New Orleans) bis an das dritte Stockwerk versinken, was visuell ein doch neuartiges und recht beeindruckendes Setting einer Waterworld ist. Eine mysteriöse Nachtclub-Sängerin (Rebecca Ferguson) erscheint überraschend aus dem Nichts und verschwindet alsbald auch wieder ziemlich schnell - und das hinterlässt beim armen Hugh also eine ziemliche Testosteron-Lücke. Die Suche nach ihr lässt ihm zwielichtige Gestalten über den Weg laufen und konfrontiert ihn mit einer Verschwörung…

                                          Die Amis sind besessen von den futuristischen Maschinen, die Erinnerungen oder Träume manifestieren können, auch im Film „Reminisence - Die Erinnerung stirbt nie“ (2021) sind sie wieder der Lead und eignen sich besonders dafür, geheimnissvolle und verborgene Gegebenheiten ans Licht zu bringen. Dieser Trip ist bis zum letzten Drittel auch sehr interessant illustriert und mit allerlei Überraschungen garniert, doch ab dann wird es unglaublich verwirrend bis zum grossen Loch (mit den verlegten Schlüsseln) im Drehbuch. Wahrscheinlich verlor Director Lisa Joy selbst den Überblick über die Story - das hat man einfach davon, wenn man sich zu sehr auf die visuellen Gadgets und den Look eines Filmes konzentriert.

                                          Fazit: Optisch berückend, inhaltlich überladen.

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                                            YupYum 03.04.2023, 22:08 Geändert 04.04.2023, 15:55

                                            Das Indie-Möchtegern-Drama „το ξυπνημα τησ ανοιξησ“/„The Awakening Of Spring“ (2015) ist nicht etwa ein Erwachen im übertragenen Sinn, noch ist es eine Anlehnung an die berühmten amerikanischen Spring Breakers-Partystudenten, sondern hat sich selbsternannt zur Aufgabe gemacht, wirtschaftlich perspektivlose Frühzwanziger in Griechenland in ihrer Abwärtsspirale zu zeigen und will so gar nicht griechisch sein, eher modern französisch: Graue Himmel, kahler Beton, nächtliche Strassen der Grossstadt, Interieurs von kalten Gebäuden, etc. sind die ästhetischen Merkmale, um dem Zuschauer gleich mal zu zeigen, was hier der Anspruch ist: Nämlich Kunstkino zum wegzappen.

                                            Eine Geschichte will sich auch nach 50 Minuten nicht herauskristallisieren, es sind lediglich immer nur lose Alltags-Szenenfragmente, die immer wieder von deprimierenden Verhörszenen und pseudo-styligen Nacht- und Neonfotografien à la Nan Goldin oder agressiven Tag-Sprüchen, beziehungsweise zweitklassigen Graffities unterbrochen werden, bis es auch den Letzten nervt. Mit der Knarre wird ständig herumhantiert, Sex gibt es natürlich auch noch auf die Vollen als richtiges Ingredient im Kunstdrama - der wird dann so richtig kalt, bleich und bewusst antierotisch gezeigt, wie z.B. der Kuss während an der Zigarette gezogen wird, der schnelle, seelenlose Oralsex im fahrenden Auto, Masturbation der inneren Leere oder dann gar eine orale Vergewaltigung, um vorsätzlich schockierend und verstörend zu sein. Der Soundtrack besteht aus Synth-Tönen des Ekels - das passt immerhin.

                                            Meine Mutter lebte bis zu ihrem Tod 30 Jahre lang auf der griechischen Insel Andros, nicht unweit vom überteuerten Party-Mekka Mykonos entfernt. Ich bin echt dankbar, dass ich bei meinen Besuchen damals ein ziemlich anderes Griechenland kennengelernt hatte, als was man hier Prätentiöses bekommt. Es gibt es wirklich kaum jemals, dass ich ein Kommentar schon während der Laufzeit eines Filmes am schreiben bin, aber das hier ist so öde, dass es mir gerade richtig passt. Aha, und jetzt, 15 Minuten vor Schluss gibt‘s ja noch ein richtig brutaler Überfall auf eine unbedarfte Famile - also echt Zeit für mich mal ein verdientes Bier zu zischen nach solcher dramaturgischer Durststrecke…

                                            PS: DVD kommt übeigens vom Verlag „Pierrot Le Fou“, der eigentlich nur schlüpfrige Softsex-Spielfilmchen „mit künstlerischem Anspruch“ verlegt.

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                                              YupYum 03.04.2023, 19:19 Geändert 04.04.2023, 17:00

                                              „Wo ist denn meine Flasche Cognac geblieben?“ - „Ich habe sie in Ihrem Interesse ausgetrunken…“

                                              Von daher eigentlich schon recht progressiv für das Jahr 1945, dass Meisterregisseur Robert Siodmark in seinem spooky Gaslight-Thriller „The Spiral Staircase“ quasi eine Stimme für Menschen mit einem Handicap erhebt - sie werden hier nicht etwa ausgegrenzt, sondern geraten gleich ins Visier eines soziopathischen Serienkillers.

                                              Gefilmt in edlem, kontrastreichem B/W mit allerlei visuellen Kniffs, dient ein vornehmes Haus mit illustren Bewohnern als Schauplatz: Die kauzige, von geheimnisvollen Visionen heimgesuchte und ans Bett gefesselte Mutter (Broadway-Star Ethel Barrymore, verwandt mit Drew), ein stilvoller Hausherr, sein in Ungnade gefallener Stiefbruder (der dem Lebemann-Dasein frönt), die frustriert wirkende Hausfreundin, eine dem Cognac nicht abgeneigte Köchin, eine burschikose Schwester mit hübscher Haube, und eben die stumme Helen (Dorothy McGuire), die - man ahnt es - bald heimgesucht wird von dem lauernden Close-Up-Auge des Mörders. Wundervoll gotisch, noir und altmodisch alles und mit toller Auflösung, während das Gaslight in den gläsernen Haltern schön vor sich am hinflackern ist….

                                              PS: (Fast) genauso toll, wie das stilistische Vorbild „Das Haus der Lady Alquist“ (1944).

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                                                YupYum 01.04.2023, 21:13 Geändert 02.04.2023, 14:16

                                                (Kurzkommentar):
                                                Gegen Ende der Neunzigerjahre waren sie höllisch in Mode: Naturkatastrophen-Thriller, in denen sich wahre „Helden“ gegen Feuer, Wind oder Wasser aufbäumten und sich davon nicht lumpen liessen - mit so Sachen wie „Twister“ (1996), „Dante‘s Peak“ (1997), „Volcano“ (1997) oder dem noch akzeptablen „Hard Rain“ (1998). Natürlich kann man immer wiedermal ein Aufguss als Renaissance des altbackenen Genres wagen, wenn aber die Dramarurgie dann derart holprig ist wie hier in „Those Who Wish Me Dead“ (2021), wirds halt müssig: Als Zuschauer verliert man schnell den (auch geografischen) Überblick, die Verfolgungsgeschichte im lodernden Feuer in den Wäldern von Montana will nicht zünden, Spannungsmomente sind keine vorhanden, auswegslose Momente werden für den Zuschauer diffus überwunden, und emotional lässt einem der Überlebenskampf und die (psychologische) Interaktion von Jolie zu dem zu rettenden Kind komplett kalt.

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                                                  YupYum 31.03.2023, 14:05 Geändert 31.03.2023, 17:27
                                                  über La Luna

                                                  1979: Nach dem Herztod ihres Ehegatten siedelt Caterina (Jill Clayburgh) mit ihrem Sohn Joe (Matthew Barry) von Brooklyn nach Rom über, wo sie sich ganz der Karriere als Opernsängerin widmet. Zu seinem 15. Geburtstag organisiert sie für Joe eine Geburtstagsfeier unter freiem Himmel. Von der Terasse aus sieht sie, wie Joe sich eine Fixe Heroin in den Arm jagt. Um ihn von der Sucht loszubringen, greift sie zu Mitteln, die gängige Mutterliebe bei weitem übersteigen…

                                                  Immer wieder war Director Bertolucci getrieben, dem in seinem Augen kleinbürgerlichen Publikum Schockmomente zu verpassen: In „Il Conformista“ (1970) wird ein Schriftstellerpaar im Wald von Faschisten brutal hingerichtet, in „L’ultimo tango a Parigi“ (1972) zeigt er kalten, emotionslosen Endlossex (Darstellerin Maria Schneider bezichtigte dabei später Marlon Brando der Vergewaltigung), im Epos „1900“ (1976) wird ein Kind zu Tode geschlagen, und hier im darauffolgenden „La Luna“ (1979) geht es um eine inzestuöse Mutter-Sohn-Beziehung.

                                                  Das Thema Heroinsucht benutzt Bertolucci in meinen Augen nur als Zubringer für sein Hauptmotiv „Inzest“, und es wird hier denn auch völlig verharmlost, auch sieht man dem jugendlichen Schauspieler Barry im Laufe des Films keine äusserlichen Spuren der Sucht an. In diesen Jahren um 1980 war Heroinsucht jedoch ein alles dominierendes Thema: Die Jugend von damals wurde konsequent angefixt. Ich mag mich gut daran erinnern, wie unschuldige, hübsche Mädchen sich an der „Riviera“ in Zürich gegenseitig Spritzen in den Arm stachen, wie die Raucherabteile der Eisenbahn regelrecht zu Fixerräumlichkeiten wurden, wie der Stern-Schocker „Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ einschlug wie eine Bombe, und an den Schulbesuch im „Ulmenhof“, einer der ersten Rehazentren der Schweiz. Viele meiner Schulfreunde überlebten die Droge nicht. Für Bertolucci ist sie hingegen nicht viel mehr als nur gerade ein Gadget.

                                                  In seinen Augen haben Frauen auch nicht wirklich intellektuelle Ansprüche, „sie leben für Instinkte und sinnliches Vergnügen“, sagte er einmal, und dass es ihnen schwerfallen würde, Beruf und Famile unter einen Hut zu bringen. Dass die Operndiva wegen ihrer Karriere den Sohn vernachlässigt, wie es sein Resumée des Films vermittelt, kann ich nicht nachvollziehen: Immerhin sieht man ihn ausgerechnet an seiner von ihr organisierten Geburtstagparty erstmals die Droge konsumieren. Im zweiten Teil des Films machen sie dann zusammen einen Roadtrip nach Parma, um Joe‘s leiblichen Vater zu finden.

                                                  Irgendwie hat mir Jill Clayburgh in der Rolle als überforderte und verletzliche Mutter manchmal auch sehr leid getan, auch mit welcher Naivität sie in an das Thema Heroinsucht herangeht. So sehen wir sie am Schluss nochmals an einer Probe zu Verdis „Maskenball“ in den Caracalla-Thermen singen, ein konkretes Ende der Geschichte wird dem Zuschauer in letzter Konsequenz vorenthalten. Als Zeitdokument trotz vielen Mankos nicht wirklich uninteressanter Film, auch wenn er streckenweise doch recht schleppend inszeniert und mit 135 Minuten auch überlang ist. Matthew Barry arbeitet heute übrigens als Casting Director in Hollywood.

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                                                    Dass es sich bei dieser russischen Luftseilbahn 🚠 nicht gerade um eine moderne Garaventa-Doppelmayr-Konstruktion handelt und die Bahn wohl eher ins Verkehrsmuseum gehört, sei mal dahingestellt, dass junge Leute in der Ära vom Smartphones, TikTok, Emojs, Stories und Selfies nur noch hundsmiserablen Plastik Pop reinziehen und sich auf diesem Niveau auch die Dialoge hier gestalten, fällt schon mehr ins Gewicht - von den unzähligen Logik- und Storyablauflöchern ganz zu schweigen: Kurz, die wären schon ziemlich schnell durch den Erfrierungstod hingeschieden, aber als die Dame am Schluss auf dem Rettungsschragen liegt, sieht sie eher aus, als wäre sie grad aus dem Solarium im schicken Alpin-Hotel gekommen, wo die Crew residierte.

                                                    Fazit: Lieber das um Welten bessere, artverwandte „Frozen“ (2010) anschauen, statt sich ab diesem B-Schrott nur ständig ungläubig an die Birne greifen und am eigenen Verstand zweifeln zu müssen!

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