YupYum - Kommentare

Alle Kommentare von YupYum

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    YupYum 25.04.2021, 17:15 Geändert 10.07.2021, 03:03

    "Diesmal hast Du ihn verpasst, aber er kommt ja wieder..."

    Schon die erste Szene des Klassikers der britischen "New Wave" "Whistle Down The Wind" (1961) geht zu Herzen: Die Geschwister Kathy (Hayley Mills), Nan (Diane Holgate) und Charly (Alan Barnes) retten drei kleine Kätzchen vor dem Ertrinkungstod, die der ruppige Knecht Eddie (Norman Bird) soeben in einem Jutesack in den Fluss geworfen hat. Sie verstecken diese in einer nahe gelegenen Scheune und als Kathy später bei Nacht nachsehen will, ob es den Katzenbabys gutgeht, entdeckt sie im Stroh liegend einen offensichtlich geschwächten, bärtigen Mann (Alan Bates) und fragt ihn in ihrem ersten Schock, wer er denn sei. Der in Tat entflohene Häftling antwortet reflexartig mit "Jesus Christus" und bricht ohnmächtig zusammen. Wiederum weiht sie nur ihre Geschwister in das Geheimnis ein, denn die Kinder fürchten, dass man Jesus erneut abführen würde...

    Der grossartige und in stilisierten B/W-Bildern gehaltene Film von Meisterregisseur Bryan Forbes (nach einer Novelle von Mary Hayley Bell) ist ein akribisch beleuchtendes Sozialdrama dieser Kinder von Lancashire und ihrer allgegenwärtigen anglikalischen Gottesfürchtigkeit geworden, zudem wird das fortwährende Zerwürfnis von ihnen zu den Erwachsenen thematisiert. Viele Szenen erinnern allegorisch an Bibelstellen des Neuen Testaments, wie die Verleugnung des Petrus' im Lukasevangelium, die 12 eingeweihten Kinder als symbolische Jünger und natürlich das eindringliche Ende. Aber ein strenger Film ist "In den Wind gepfiffen" (deutscher Originaltitel) trotzdem nicht geworden, viele Szenen enthalten neben der Dramatik auch Leichtigkeit und gar Humor. Kinderstar Hayley Mills sticht mit ihrem jungen Charme heraus und Bernard "M" Lee spielt ihr autoritärer Vater. Besonders erwähnt sei hier die wundervolle Musik des grossen Komponisten Malcolm Arnold (der bei Rockfans insofern bekannt sein durfte, durch seine Zusammenarbeit mit "Deep Purple", auf "Concerto For Group And Orchestra", 1969 und deren Keyboarder Jon Lord's "Gemini Suite" von 1971) und es ist eine Schande, dass sie nie auf Platte erschien, denn schöner als hier, kann Filmmusik kaum sein.

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      YupYum 23.04.2021, 16:35 Geändert 26.04.2021, 23:56

      "Hitlerjunge Salomon/Europa Europa" (1990) erzählt die schier unglaubliche Geschichte eines deutsch-polnischen jüdischen Jugendlichen (Marco Hofschneider), der nach seiner Flucht aus dem elterlichen Exil Łódź, in einem Waisenhaus in Russland zuerst stalinistischen Drill lernt und danach durch zufällige Ereignisse an der Front inkognito in einer Elite-Nazi-Schule in Berlin landet und dort eben Hitlerjunge wird. Dabei begegnen ihm unzählige brenzlige Situationen, die ständig drohen, ihn (vor allem wegen seiner Beschneidung) zu verraten und aufzufliegen lassen (wie der Besuch vom Schularzt oder als die junge Leni (July Delpy) von ihm Geschlechtsverkehr verlangt). Irgendwann ist Sully Perel (mit Deckname Joseph Peters) den psychischen Belastungen nicht mehr gewachsen...

      Das Drama wurde bei seinem Erscheinen sehr kontrovers aufgenommen ("Comic und Agitation zum Agitpop", schrieb z.B. die Süddeutsche Zeitung), die deutsche Oscar-Jury untersagte es gar, den Film in der Vorentscheidung um den besten fremdsprachigen Film freizugeben. Das löste wiederum eine Welle von Entrüstung aus (vor allem in Amerika, wo der Film gut aufgenommen wurde). Schlussendlich gab es einen "Golden Globe" und trotzdem eine Nominierung für "bestes adaptiertes Drehbuch". Die gezeigte Odyssee (basierend auf Perels Autobiographie) ist zwar immer abwechslungsreich, packend und oft spannend gestaltet und hat viele unbekannte Insight-Views zu bieten: Gerade die Szenen im Waisenhaus von Grodno mit den ständigen Einflössungen von kommunistischer Ideologie zeigen, dass die Methoden der Indoktrination sich nicht gross von denen der Hitler-Schule unterscheidet hatten. Auch merkwürdig anmutende Details kommen zum Vorschein, wie der schnelle Sex in der Eisenbahn mit einer Hitler-ergebenen Grossmutti. Die Eindrücke der Szene, wie der Junge sich heimlich in der Strassenbahn Eindrücke vom Ghetto von Łódź verschafft, sind wiederum dramaturgisch sehr eindrücklich gestaltet und das Ende erscheint schlussendlich wie eine Erlösung. Aber der Zahn der Zeit von 30 Jahren hat am (strengen) Drama bestimmt auch seine Spuren hinterlassen, viele Leute schreiben hier, dass eine Neuverfilmung mehr als überfällig sei.

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        YupYum 22.04.2021, 18:47 Geändert 03.05.2021, 16:16

        "Die Restauration hat wiedermal die Revolution besiegt, wie so oft in Deutschland."
        Kritiker des Films "Der Staat gegen Fritz Bauer" (2015) bemängeln am meisten, dass hier der grösste Verdienst des Frankfurter Generalstaatsanwalts nur kurz im Film angesprochen wird und erst im Abspann berücksichtigt wurde, nämlich die Auschwitz-Prozesse ab 1963 (bis 1981), als er die Bevölkerung mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontierte. Vielen historischen Fakten wird der Film jedoch gerecht, und er ist auch als eigentlich gelungenes Sitten-Gemälde der BRD im Wirtschaftswunder zu betrachten. Lediglich die Figur vom jungen Staatsanwalt Karl Angermann ist fiktiv, basiert jedoch auf verschiedenen Freundschaften, die Bauer zu jüngeren Männern pflegte und für die er anscheinend so etwas wie ein Mentor war. Alle weiteren gab es (teilweise unter anderen Namen). Gelungen ist auch die Thematisierung des aus der NS-Zeit stammende Sitten-Paragraf 175, der - man staune - erst 1994 abgeschafft wurde. Für Bauer war es als "Nazi-Jäger" schlicht tabu, seine eigene Homosexualität auszuleben, auch nicht im Geheimen. Dass "Lothar Klement", Adolf Eichmanns Pseudonym in Argentinien, bei Mercedes angestellt war, ist wiederum unbelegt; das erste erscheinende Dokument, der Brief des KZ-Überlebenden Lothar Herrmann, den ihn überführen sollte und die Tonband-Interviews waren verbürgt in Bauers Besitz. Ebenso stimmt natürlich auch das Faktum, dass Bauer bewusst durch eine Falschinformation in die Irre geführt werden sollte, nämlich dass sich der gesuchte NS-Scherge in Kuwait aufhalte. Der Beginn des Films ist eigentlich der Schluss, denn der Mann starb tatsächlich in seiner Badewanne, 1968.

        Bestimmt hätte man die (Wort-)Duelle zwischen dem kämpferischen Protagonisten und seinen staatlichen Widersachern etwas pointierter und griffiger umsetzen und die Figur von Eichmanns geheimen Doppelleben vertiefen können. An dramaturgisch umgesetzter Spannungsmomente lässt der Film jedenfalls oft zu wünschen übrig. Das Schauspiel ist jedoch durchwegs gelungen, Burghart Klaussner in der Rolle von Fritz (der gar Zigarren auf Lunge rauchte) ist charismatisch und glaubwürdig gespielt und sein galliger Stockzahn-Humor kommt nicht zu kurz. Die oft jazzigen Klänge von Maas/Kaiser untermalen die Atmosphäre des Films angenehm. Als Geschichtsstunde ist der Film von Lars Kraume aus meiner Sicht jedenfalls ganz ordentlich ausgefallen.

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          YupYum 21.04.2021, 19:34 Geändert 20.02.2023, 02:50

          Juni 1968: Nachdem der Stiefvater den 14-jährigen Wolfgang (Louis Hoffmann, "Tom Sawyer") beim Anschauen eines Schmuddelhefts ertappt, ist für ihn das Mass voll und er steckt ihn als Konsequenz für sein aufmüpfiges Verhalten ins Erziehungsheim "Moorhort" der Diakonie Freisstatt, südlich von Bremen gelegen. "Weihnachten hol ich Dich raus", verspricht seine, von ihm über alles geliebte Mutter noch. Doch die Anstalt erweist sich als Hölle auf Erden und vorzeitig entlassen wird hier niemand. Statt Schulbildung, sieht man die "Zöglinge" ständig bei Sklavenarbeit, wie beim ewigen Torfstechen. Mit seiner unablässiger Rebellion gewinnt Wolfgang zwar Respekt der anderen Jugendlichen, doch die ständige Gewalt im Heim lässt ihn selbst verrohen...

          Das vielgelobte und mit Preisen unwichtiger Jurys überhäufte Drama hat mich leider auf der ganzen Linie enttäuscht. Psychologisch völlig plakativ inszeniert und ohne jegliche Tiefe gezeichnet, voller oberflächlichen Charakterzeichnungen, ohne geschichtlich erklärenden Hintergrund (der massgeblich beteiligten Kirche), mit ermüdenden Wiederholungen von den immer selben Gewaltabläufen, mit mässigem Schauspiel der Erwachsenen (wie Max Riemelt), vorsätzlich deprimierenden Violinklängen, bis hin zu völlig absurd anmutenden Handlungsabläufen.

          Vor allem eine Frage lässt einem nicht mehr los: Warum lässt gar seine Mutter Wolfgang im Stich, nachdem sie ihn nach seiner Flucht völlig abgemagert und mit Narben der ständigen Hiebe so sah? Und warum steigt Wolfgang überhaupt noch in das Auto ein, das ihn in die Anstalt zurückbringen sollte? Und als eigentliche Basis des Films sind die Gründe für seine Einweisung eigentlich gänzlich unerklärlich. Akustisch ist das Drama oft schwer verständlich und die flirrende Kamera im Super-8-Stil nervt irgendwann auch. Bestimmt gut gemeint als Aufklärungsfilm über das "gutbürgerliche" Deutschland der 60-er-Jahre, verpasst es das Regiedebüt von Marc Brummund (das auf der Grundlage des Buches "Schläge in Namen des Herrn" von 2006, basiert) schlussendlich, seine angeprangerten Zustände wirklich plausibel zu vermitteln und zu vertiefen. Emotional bleibt sein Film nur eisig kalt.

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            YupYum 20.04.2021, 18:54 Geändert 21.04.2021, 20:15
            über Sobibor

            Als Heinrich Himmler im Sommer 1943 (nach der Niederlage von Stalingrad) beschloss, das Vernichtungslager "Sobibór " (im Südosten Polens) in ein Konzentrationslager umzufunktionieren, wurde vielen Häftlingen klar, dass das für sie als Zeugen der grausamen Mordmaschinerie ihren sicheren Tod bedeuten würde. Unter der Führung vom inhaftierten Leon Feldhendler (Alan Arkin) gründete sich eine geheime Widerstandsgruppe von ca. 12 eingeweihten Personen. Am 23. September 1943 schliesslich, traf mit einem Transport eine Gruppe von 80 sowjetischen Kriegsgefangenen ein, darunter Alexander Petscherski (Rutger Hauer), ein Leutnant der Roten Armee. Die taktisch geschulten Soldaten waren in der Lage, militärische Aktionen präzise zu planen und diszipliniert durchzuführen. Feldhendler und Petscherski verbündeten sich...

            Weit über eine Stunde nimmt sich Director Jack Gold ("Der Schrecken der Medusa") Zeit, um die brutalen Zustände des KZ-Alltags zu zeigen. Dabei sind Szenen, die ans Eingemachte gehen. Mit der Planung der Flucht und den ersten gemeuchelten SS-Offiziere, nimmt der britische TV-Film "Escape From Sobibor" (1987) dann unglaublich Spannung auf. Das historisch genau beleuchtete Fluchtdrama lässt hie und da auch mal etwas Pathos durchschimmern, doch das stört die stringent erzählte Geschichte nicht wirklich, denn dafür ist die Inszenierung unterm Strich zu packend. Jack Gold wurde Emmy-nominiert und für Rutger Hauer gab es einen Golden Globe als Verdienst für diese wertvolle Geschichtslektion.

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              YupYum 19.04.2021, 23:31 Geändert 26.04.2021, 23:42

              Dem weltberühmten Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt, Schöpfer und Co-Drehbuchschreiber von "Es geschah am hellichten Tag" (1958), gefiel das Ergebnis davon überhaupt nicht. Das Ende wollte er desillusionierender, der Filmtitel missfiel ihm und Heinz Rühmann in der Rolle als Ermittler war ihm zu glatt und zu spiessig. Erst nachdem der Film fertiggestellt und in den Kinos war, schrieb er den Roman "Das Versprechen" und ganze fünf Remakes gab es schlussendlich von dem Krimiklassiker, von denen "The Pledge" (2001, mit Jack Nicholson) bestimmt die berühmteste ist. Mit schönen Aufnahmen einer unberührten Schweizer Landschaft - mit Dorfidyllen, Kneipen und Alpenpanoramas und angereichert mit namhaften Schauspielern wie Siegfried Lowitz, den drei Schweizer Grössen Heiri Gretler, Michel Simon und Emil Hegetschwiler und natürlich Gerd Froebe (der leider erst nach 70 Minuten im Film erscheint). Dem achtjährigen Mädchen Anita von Ow (als Annemarie) wurde seinerzeit verschwiegen, dass sie den Köder für einen Sexualstraftäter darstellt.

              Leider ist für mich der "Krimi-Meilenstein" mittlerweile arg antiquiert. Seine Gangart ist gemächlich, spröde und behäbig, und die etwas naiven psychologischen Erklärungen zeigen, dass man über Sexualverbrecher noch sehr wenig wusste und erforscht hatte. "Die Welt ist zu konfus, um sie mit detektivischem Denken in ein System zu bringen", kommentierte Dürrenmatt später.

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                YupYum 18.04.2021, 23:52 Geändert 27.04.2021, 01:36

                Endlich, nach einer Urzeit, habe ich wiedermal "Roman Holiday" (1953) gesehen und auch nach fast 70 Jahren, ist die beschwingte Romanze (mit einem Schuss Tragik) - voller Sensibilität, Witz und edlen Dialogen - toll gealtert und hat kein Gramm Staub angesetzt. Die rührende und zeitlose (Royal-)Geschichte mit der erst 24-jährigen Audrey als ausgebüxte Prinzessin in ihrer ersten richtigen und gleich Oscar-belohnten Hauptrolle (ihre Grazie sucht einfach seinesgleichen), dem Gentleman Gregory Peck (der bis anhin eher auf ernstere Rollen abonniert war) und seinem Kumpel Eddie Albert hält einem einfach durchgehend bei Laune. Die ganze Italianità der 50er-Jahre als Kulisse (im schönen Rom) lässt einem wehmütig an vergangene (und verpasste) Zeiten erinnern - gedreht wurde in den legendären Cinecittà-Studios.

                William Wyler und Donald Trumbo ist hier ein kleines Meisterwerk gelungen und die Musik von Georges Auric ("Schloss des Schreckens") zeigt alle Facetten, von Fröhlichkeit bis hin zu schwelgerischer Sehnsucht einer Liebe, die nie stattfinden kann. Der herzzerreissende Schluss lässt einem natürlich ein Tränchen über die Wange kullern.

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                  YupYum 18.04.2021, 18:34 Geändert 19.04.2021, 17:41

                  Der damals knapp 30-jährige Regisseur Andrei Tarkowski hatte seine eigene Kindheit selbst bei Kriegsbeginn erlebt und mit seinem Erstlingswerk "Iwanovo Detstvo" (1962) weiss er also, wovon er spricht. Im Gegensatz zu den üblichen Sowjet-propagandistischen und heroisierenden Darstellungen der "Tauwetter-Periode", stellte Tarkowski ein menschliches Schicksal den Kriegswirren entgegen, was ihm unter anderem scharfe Kritik von Abgeordneten der italienischen kommunistischen Partei einbrachte. Er meinte, dass eine gezeigte Kindheit sich am besten eigne, um seine Motivation (und der eigene Hass) der Sinnlosigkeit des Krieges darzustellen. Der Film gewann auf Anhieb viele Preise und Jean-Paul Sartre war grosser Fan davon. Der einzigartige Stil beeinflusste nachhaltig namhafte Regisseure, wie z.B. Ingmar Bergman. Hauptschauplatz ist der Fluss Dnjepr in der Ukraine - die Linie, die die Kriegsparteien getrennt hatte. Die Linearität der Erzählung wird immer wieder durch traumartige Sequenzen durchbrochen, die irgendwo zwischen Erinnerungen und (Tag-)Träumen des kriegsverwaisten Jungen hin- und herpendeln. Die Kamera von Vadim Jussow mit dem ständigem Hell/Dunkel-Kontrast ist jedenfalls eine Meisterleistung. Zum Schluss wird das zerbombte Hauptquartier der Nazis in Berlin und die Leichen der vergifteten Goebbels-Töchter (als Archivaufnahmen) gezeigt; somit weist der Director konsequent darauf hin, dass es Kindesopfer auf beiden Seiten gab. Das Finale wiederum besteht erneut aus einer impressionistischen Sequenz einer (verlorenen) Familienidylle.

                  Bestimmt hat der Film aus heutiger Sicht dramaturgisch auch gewisse Leerläufe und Längen zu verzeichnen, aber die anprangernde Wucht, die das russische Kriegsdrama damals auslöste, ist auch heute noch merklich erfassbar. Hauptdarsteller und Kinderstar Nikolay Burlyaev (*1946) blieb immer Schauspieler, sein letzter Film (aus ganzen 51) drehte er 2011.

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                    YupYum 18.04.2021, 00:08 Geändert 18.04.2021, 14:56

                    In nur 40 Tagen (wahrscheinlich wegen der Corona-Krise auch in Australien) abgedreht, wollte der junge Director Leigh Whannell eine zeitgemässe Variante von den B/W-Klassikern "The Invisible Man" (1933, mit Claude Rains) und dem Sequel "The Invisible Man Returns" (1940, mit Vincent Price) machen - und der Filmtitel seines Horrors ist auch derselbe geblieben. Der Plot bietet eine interessante Variations-Komponente der (üblich platzierten) Zerrissenheit seiner Hauptdarstellerin Elisabeth Moss und den Zweifel ihrer Begleiter/innen, denn ihre Verfolgungsgeschichte streut natürlich zuerst nur mal Zweifel an ihrer psychischen Gesundheit. Natürlich werden sie alle noch aufwachen.

                    Mit den ersten Szenen fragt man sich als Zuschauer schon, wie diese gezeigten Hat-Tricks denn story-technisch stattfinden können. Erst ein Besuch der geplagten Hauptdarstellerin in der High-Tech-Villa ihres vermeintlich toten Freundes bringt Licht ins Dunkel - und hierbei ist die Spannung kaum auszuhalten. Ein toller Twist wird später ebenso serviert. Nur das Ende hat mich nach dieser Tour-de-Force etwas enttäuscht, denn restlos aufgeklärt wird die Story dann doch nicht. Benjamin Wallfisch's bedrohliche Klänge sind wie immer toll und haunting - einen schlechten Soundtrack habe ich von ihm eh noch nie gehört. Für gute Unterhaltung ist der solid gespielte und niemals langweilige Reisser bestimmt geeignet.

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                      YupYum 17.04.2021, 18:28 Geändert 18.04.2021, 00:52

                      "A saint has a past but a sinner's got a future..." Das italienische Küstenstädtchen Amalfi (in der Campania gelegen, etwas nördlich von Napoli) gilt noch immer bei den Italienern als einer, mit den allerschönsten Stränden ausgestatteter Ort und einer der meist malerischen des ganzen Landes. In den 30er-Jahren galt Amalfi als ultimative Feriendestination für die britische Upper-Class, und genau in dieser Zeit spielt dort Oscar Wilde's Roman "Lady Windemere's Fan", nach dem "A Good Woman" (2004) die schöne Verfilmung dessen ist. Wer gerne gehobene Gesellschaftsdramen von James Ivory und Co. hat, sollte hier mal reinschauen. Sobald also die New Yorkerin Mrs. Erlynne (toll: Helen Hunt) in der Ortschaft im heissen Sommer ankommt, geht das Gerede los, denn die nicht mehr ganz junge Single-Frau, hat den schlechten Ruf, mit vielen einflussreichen Männern was gehabt zu haben ("If a man endows her wife jewellery, she will immediately ask herself, what are the presents he gives to his mistress?"). Als die junge Meg Windemere (Scarlett Johansson) eines Nachmittags die Quittungen des Scheckbuchs ihres Ehemannes Robert (Mark Umbers) findet, ist der Katastrophe perfekt, denn wiederholend wurde von ihm Geld an die ominöse Mrs. Erlynne überwiesen. Hat er etwa eine geheime Affäre mit ihr? Im Gegenzug wirbt der unverbesserliche Playboy (Stephen Campell Moore) mit seiner prunkvollen Yacht um die Gunst von Meg. Doch dann ist da auch noch Gentleman Lord "Tuppy" Augustus (Tom Wilkinson), der ebenso ein Auge auf die undurchschaubare Mrs. Erlynne geworfen hat, die zu guter letzt auch ein Geheimnis mit sich herum zu tragen scheint, dessen Offenlegung nochmals vieles auf den Kopf stellen würde...

                      Voller edler Dialoge (mit Witz und Weisheiten), mit Top-Schauspiel, tollen Kostümen und natürlich mit der einmaligen Kulisse ausgestattet, begleiten wir die erlesene Crew bei ihrem ständigen Intrigen- und Verwirrspiel. Wer hat da eigentlich was mit wem, diese Frage hält den Zuschauer bis zum Schluss bei Laune und die schöne Auflösung und das versöhnliche Ende enttäuschen nicht.

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                        YupYum 17.04.2021, 00:03 Geändert 18.04.2021, 18:40

                        1944 im Konzentrations - und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau: Aus Zufall zusammengeführt, plant der polnische Widerstandskämpfer Tomasz (Mateusz Damiecki) mit seiner dortigen geheimen Geliebten, der Jüdin Hannah von Berlin (Alice Dwayer) die Flucht, die auch gelingen sollte. Auch in vermeintlicher Sicherheit bei Tomasz' Mutter (Susanne Lothar), droht ständig Unheil. Als strenge Katholikin ist diese strikt gegen eine Heirat mit einer Jüdin. Als Tomasz plötzlich und kurzfristig das Haus verlässt, um bei einer Mission des polnischen Widerstands zu dienen, kommt dieser nicht mehr zurück. Zusammen dessen Bruder flieht Hannah zu seiner Frau in ein Bauernhaus auf's Land, doch die (ebenso gefährlichen) Russen sind schon in unweigerlicher Nähe.
                        32 Jahre später in New York, 1976: Verheiratet mit dem Psychiater Levine (Daniel Rasche), sieht die emigrierte Hannah (jetzt Dagmar Manzel) aus Zufall ein Interview am TV, in dem sie den totgeglaubten Tomasz wieder zu erkennen glaubt. Sie beginnt nach ihm zu suchen...

                        Dem deutschen Drama nach wahren Begebenheiten (aus reiner Frauenhand) "Die verlorene Zeit" (2011) fällt es schwer, die beiden Zeitebenen wirklich plausibel miteinander zu verknüpfen. Zu unterschiedlich kommen die Charakterzeichnungen der jungen und älteren Hannah beim Zuschauer an. Warum diese in ihrem jetzt wohlbehüteten und gutsituierten, amerikanischen Leben ständig ihren verständnisvollen Ehemann anzischt, bleibt ein dramaturgische Undurchschaubarkeit. Gewisse essentielle Fragen werden zudem zu wenig beleuchtet, andere wiederum sind viel zu lang ausgefallen. Bei allem Wohlwollen für die beleuchtete Thematik, der Film holt einem in Emotionalität schlussendlich kaum ab. Das abrupte (und nicht wirklich gelungene) Ende findet schliesslich genau dort statt, wo es den Zuschauer eigentlich am meisten interessiert, wie die Geschichte weitergehen würde.

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                          YupYum 16.04.2021, 17:27 Geändert 16.04.2021, 18:53

                          Die verruchte Komödie "200 Cigarettes" (1999) spielt in New York in der Silvesternacht 1981 und wer gern in die Era abtaucht, als die Stadt einen musikalischen und kulturellen Höhepunkt nach dem nächsten generierte, ist hier jedenfalls richtig. Der Film ist ohne Pause mit tollen Songs aus dem ganzen damaligen Spektrum untermalt, von Disco, Funk, New Wave und natürlich Punk (der Hip Hop stand erst in den Kinderschuhen). Monica (köstlich: Martha Pimpton) gibt also eine Party für all ihre Freunde in ihrem reich dekorierten Loftappartment in East Village, doch keine(r) scheint zu kommen - das, weil es einfach als uncool gilt, zu früh zu erscheinen. Lieber treiben diese sich (in vier separierten Pärchen) durch die Nacht herum; in Clubs, Bars, Absteigen, (indischen) Imbissstuben, Konzerten (natürlich eine Hommage an den legendären Punkschuppen CBGB) und immer im zufällig selben Taxi (bei Driver David Chapelle) - natürlich immer nach der Suche für den perfekten One-Night-Stand. Sie glauben nämlich, falls man keinen Sex an New Year's Eve hat, dass das ganze folgende Jahr dann verflucht sei. Doch die vielen Neurosen und Unfälle machen allen einen Strich durch die Rechnung. Erst gegen Mitternacht tauchen sie endlich alle bei Monica auf, doch die verpasst ihre eigene Party und das Hauskonzert (von keinem Geringeren als Elvis Costello in persona!), weil sie sturzbetrunken im Bett liegt. Der folgende 1. Januar erleben zwar alle höllisch verkatert, doch die gemachten Polaroidfotos von der wilden Nacht bezeugen, dass alle doch noch glücklich wurden...

                          Hier wird wirklich gefeiert, als gäbe es kein morgen, die vielen hin- und her-geswitchten Szenen sind immer abwechslungsreich, die Szenerien authentisch und die Dialoge recht spritzig. Leerläufe sind zwar immer wieder mal vorhanden, gewisse Abläufe scheinen sich auch zu wiederholen. Doch am Ende zählt hier das Panoptikum der schillernden Bestandsaufnahme dieser einmaligen Zeit. Die junge Darstellerriege kann sich sehen lassen: Courtney Love, Kate Hudson, die Affleck-Brüder, Christina Ricci und viele weitere sind mit dabei. Eine coole Sache alles!

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                            YupYum 16.04.2021, 00:29 Geändert 16.04.2021, 01:32

                            Der junge Dwayne McLaren (Chris Hemsworth) ist Gelegenheitsarbeiter im titelgebenden Kaff "Cut Bank", irgendwo in der Pampa von Montana. Er und seine Freundin Cassandra (ziemlich naiv: Teresa Palmer) träumen schon lange davon, in eine Grossstadt (am liebsten in Kalifornien) zu ziehen und dort neu anzufangen. Doch dafür fehlt schlicht das Geld. Das könnte sich ändern, als die beiden bei einem Hobby-Videodreh auf einem Rapsfeld zufällig ein gerade geschehender Mord (am hiesigen Postboten) im Hintergrund mitfilmen und so bezeugen, denn die Belohnung für die Aufklärung beträgt stattliche 100 000 Dollar. Doch mit dessen plötzlichem Tod gehen einige Postsendungen verloren, was Konsequenzen hat: Der verschrobene, stotternde und einsiedlerische Derby Milton (toll: Michael Stuhlbarg) sucht nämlich verzweifelt ein ominöses Päckchen und plötzlich sieht sich der gutmütige Sheriff Vogel (John Malkovich) mit einer mehr als einfachen Geschichte konfrontiert, denn weitere und vordergründig unerklärliche Morde sind die Folge...

                            Ausser gerade John Malkovich in seiner Rolle als sensibler und charismatischer Gesetzeshüter, scheint Director Matt Shakman an all seinen Protagonisten kein gutes Haar zu lassen - alle haben sie charakterliche Defizite, wahrscheinlich ein Ergebnis als Konsequenz der gelebten Eintönigkeit dieses Country-Lebens (bei dem die örtliche Misswahl noch der einzige Höhepunkt des langweiligen Alltagtrotts zu sein scheint). Somit beinhaltet "Cut Bank" (2014) auch eine grosse (kritische) Sozial-Komponente. Das Schauspiel ist natürlich mit diesem Aufgebot durchgehend erlesen (Michael Stuhlbarg erinnert ähnlich gut an Paul Dano im tollen "Prisoneers", von 2013), die Kommunikation und Dialoge der Dorfbevölkerung sind in typischer Weise auf das Nötigste reduziert und die Musik ist angenehm verhalten. Der Plot ist schön doppelbödig und entlarvend (leider nicht ganz ohne Löcher), die Details sind zahlreich und die Spannung steigert sich langsam. Am Schluss steht man eigentlich wieder am Anfang, nämlich an einem Scherbenhaufen der Desillusionierung. Natürlich erfindet "Cut Bank" das Rad nicht neu, die ganzen Umstände und die verschachtelte Story darin haben jedoch eine durchaus faszinierende Note.

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                              YupYum 14.04.2021, 23:35 Geändert 16.04.2021, 00:48

                              "Gloria Bell" (2018) ist das Portrait und die soziale Bestandsaufnahme einer ziemlich desorientierten und psychisch doch recht labilen Frau in den Mittfünfzigern von L.A. (und ein US-Remake desselben chilenischen Autors von 2013). Unter uns gesagt, wäre ich nicht ein Fan von Julianne Moore, hätte ich diese ziemlich öden und in Belanglosigkeiten versinkenden Aneinanderreihungen des Alltags der titelgebenden Mrs. Bell kaum durchgestanden: Gloria ist mal in der Disco, Gloria geht zum Fitness für ältere Semester, Gloria geht zum Augenarzt, Gloria quält sich mit einem Nachbar und einer streunenden Mieze rum, Gloria kümmert sich um das Baby ihrer Sohnes, Gloria tauscht nette Oberflächlichkeiten mit Freund/innen aus, Gloria singt seichte 70er/80er-Popsongs im Auto mit, Gloria trinkt mal einen zuviel - und ohhh: Die Geschiedene trifft tatsächlich auf einen (ebenfalls getrennten) Mann (John Turturro) im Nachtclub und was zuerst nach einem One-Night-Stand aussieht, wird tatsächlich tiefer. Doch da beide noch in der einen oder anderen Weise an ihre früheren Partner/innen gebunden sind, sind die belastenden Probleme schon bald in Greifnähe - Missverständnisse und Eifersüchteleien sind die Folge. Wird die Beziehung das verkraften?

                              Leider passiert im Film über die ganze Lauflänge so gut wie gar nichts. Die Langeweile macht sich jedenfalls schnell mal breit - keine einzige Szene will dramatisch packen oder psychologisch mal auf einen Punkt kommen, die meisten Ausgangslagen versanden dramaturgisch einfach im Nichts. Man fragt sich einfach zu guter Letzt: Wird es in der zweiten späteren Lebenshälfte denn immer so schrecklich trist?

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                                YupYum 14.04.2021, 01:16 Geändert 15.04.2021, 14:56

                                Mit David Kross habe ich eigentlich noch nie einen schlechten Film gesehen (er begeisterte mich schon in seinem Debut "Knallhart" (2005) als Drogenkurier-Teenager), doch die englisch-deutsch-nordirische Fussballer-Bio "The Keeper"/"Trautmann" (2018) ist einfach (s)ein Glanzstück geworden. Dass das Drama so kurzweilig gestaltet ist, hält man aufgrund der Thematik kaum für möglich - die fast zwei Stunden Laufzeit vergehen jedenfalls wie im Flug. Vollgespickt und immer abwechselnd mit Versatzstücken von historisch recherchierten Fakten, hochdramatischen und sehr rührenden Momenten, viel britischem, kauzigem Humor und gelungener Romantik (ohne Kitsch), wird man hier in ein Aussöhnungsdrama entführt, das Grenzen und Vorurteile zu sprengen weiss. Selbst eingefleischte deutsche Fussballfans mögen sich kaum an ihn erinnern, doch für "Manchester City" ist Bernhard Carl "Bert" Trautmann (* 22. Oktober 1923 - † 19. Juli 2013) noch heute ein Held. Von 1949 bis 1964 hatte "Traut the Kraut" für den Verein gespielt und wurde zur Legende; er galt als bester Fussballer der Welt. Lange als feindlicher, sogenannter "Nazi-Feind" verpönt, wurde er für seine Verdienste um die deutsch-britische Verständigung mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt und erhielt 2004 von der Queen den "Order of the British Empire". Die Szene, in der "Bert" mit gebrochenem Genick weiterspielt, ist keine dramaturgische Erfindung, sondern tatsächlich so geschehen.

                                Der deutsche Director Marcus H. Rosenmüller holte gleich drei Schauspieler aus dem Ken Loach-Umfeld in die Crew; es sei für ihn ein wahr gewordener Traum gewesen. Herausstechen tut hier natürlich der unverwüstliche John Henshaw, der hier Trauts erster Coach und späterer Schwiegervater spielt, aber auch Freya Mavor als Ehefrau Margaret ist toll besetzt und ihre naive Mate Betsy (Chloe Harris) ist einfach zum Schiessen witzig. Doch die Show gehört natürlich David Kross, seine sensible Darstellung gibt ein Aha-Erlebnis nach dem nächsten. Der schnelle Schnitt, die vielen verschiedenen Perspektiven der Kamera und die schwelgerische Musik von Gerd Baumann sind zudem erste Sahne. Und bitte, nur im englischen Original schauen, der köstliche Brit-Humor kommt nur so zur Geltung. Anyway, vielleicht ist das Biopic für einige ja etwas zu glatt und versöhnlich ausgefallen, mir persönlich ging der packend erzählte Film gross zu Herzen.

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                                  YupYum 12.04.2021, 23:28 Geändert 14.04.2021, 15:05
                                  über Diva

                                  *40 Jahre-Jubiläum von "Diva" (1981)*
                                  Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir als Teenies in den Film gelangten, von dem noch keiner von uns je zuvor gehört hatte. Er lief zu später Stunde als Nocturne in einem Indie-Kino in Zürich und genoss schon damals 1983 eine Art Kultstatus für abgehobene Freaks. Nachdem wir also schon ordentlich gebechert hatten, hatte der filmverrückte Gallus die Idee, den Film noch anzuschauen und schleppte uns alle mit da rein. Als Erinnerung blieb mir lediglich der einmalige Bilderrausch, die verschachtelte und komplexe Story fand ich im angetrunkenen Zustand doch recht schleppend und anstrengend. Und die Lehre daraus: Den Film immer zuerst nüchtern schauen und danach in die Bar - niemals umgekehrt!

                                  Und heute? Die (doppelt gegleiste) Thriller-, Erpressungs-, Musik- und Romantikgeschichte finde ich nach wie vor recht verwirrend gestaltet, der Hauptplot von den verwechselten Tonbandaufnahmen macht insofern etwas stutzig, da die illegal (in einem Konzertsaal) aufgenommenen Opernarien von der titelgebenden "Diva" Wilhelmenia Wiggins Fernandez auf Revox-Spulentonband vom jungen Jules (Frédéric Andréi) getaped wurden und das von Gangstern gesuchte Band, das den korrupten Polizeichef Jacques Fabbri entlarven sollte, ja eine 4-Spur-Musikassette ist. Angesichts den schönen, neongetränkten Bildern (die oft wie Fotografien wirken), der coolen Atmo vom (meistens nächtlichen) Paris, dem ganzen stilbildenden 80's-Zeit-Abbild - den Lofts, Künstlerateliers, Hotelzimmer, Spielsalons und natürlich Konzerthäusern, verzeiht man die etwas fahrige Geschichte (die viele eh als zweitrangig empfinden) eigentlich gerne. Die Dialoge sind auch in der liebevollen deutschen Synchro kurzweilig und mit der Asiatin Thuy An Luu und dem Airbrush-Künstler Richard Bohringer (der immer, auch in der Badewanne(!), eine blaue Gitane im Mundwinkel hat), stehen dem verfolgten Jules zwei ursympathische Schutzengel zur Seite. Und die Actioneinlage (eine Verfolgungsjagd durch die Pariser Métro-Station) wirkt noch immer recht verblüffend. Der New Wave-Film beinhaltet jedenfalls ein tolles Retro-Schwelgen an längst vergangene und schöne Zeiten, auch wenn er dramaturgisch bestimmt etwas zu lang(atmig) ausgefallen ist.

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                                    YupYum 29.03.2021, 01:07 Geändert 07.03.2023, 01:39

                                    "Un couteau dans le coeur" (2018) ist wie ein Trip auf Neon - mit Vanessa Paradis in der Hauptrolle, Muse von Serge Gainsbourg. Der Film birgt ein einmaliges Derivat aus Mystery, Zeitkolorit, etwas Giallo, und Beziehungsdrama; hat Slashermerkmale, schrägen Humor, Whisky und Zigaretten ohne Ende, coole Musik der Elekroband "M83" und vor allem gibt es das tolle Eintauchen in die schimmernde schwule Welt von damals, die 1979 den Höhepunkt von Subversivität erreichte. Und genau da spielt dieses bunte Panoptikum in Paris: Vanessa (als Anne) ist nämlich Regisseurin und Produzentin von Gay-Pornos, die soeben von ihrer Freundin und Cutterin Lois (Kate Moran) verlassen wurde. Um sie zurückzugewinnen, will sie ihren bislang besten Film abdrehen. Doch ein maskierter Mörder hat es auf ihre Modelle abgesehen und bei den aufgeschlitzten Toten wurde immer eine blaue Feder gefunden. Vanessa fährt deshalb zu einer Vogelzucht auf's Land, um Licht ins mysteriöse Ganze zu bringen und erfährt mitunter ein schauriges Geheimnis aus der Vergangenheit...

                                    Voller detailverliebten Einstellungen, mit schönen (teilweise in B/W-abgedrehten), surrealen Schnipseln, vielen schummrigen Nachtclub-, Disco und Cabaret-Szenen und Nummern, tollem und ziemlich verruchtem Schauspiel, überraschender und versinnbildlichter Auflösung, mit symbolträchtigen Gewitterstürmen beim Picknick und natürlich der allumfassenden Reminiszenz an damalige französische Pornofilmer (wie Jean-Daniel Cadinot, 1944 - 2008), die in ihren Filmen Elemente von Kunst, echt erzählten Geschichten und Ironie einfliessen liessen. Eine Gay-Welt, die es so heute nicht mehr gibt, mit Sex-Kinos, Saunas, hingekritzelten Telefonnummern auf Toilettenwänden und natürlich auch viel Naivität. Dieser Film entführt einem rauschartig in dieses Universum und dass er auf 16mm von Kodak gedreht wurde, unterstreicht den ganzen charmanten Retro-Anstrich noch zusätzlich. So und nun höre ich mir noch den grossen Song "Firmaman" (2000) von Vanessa an...

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                                      YupYum 28.03.2021, 00:13 Geändert 15.04.2021, 00:20

                                      "Hast Du Kondome dabei?" - "Nein, hab ich vergessen." - "Dann entgeht Dir etwas!" oder: "Die sexuelle Revolution ist wie jede Revolution, immer gibt es Opfer!" Na, merken Sie es schon? Es gibt Drehbücher, die sind so grottenschlecht, dass man echt nur rätseln kann, wie eine Produktionsfirma dafür gefunden wird. Die kanadische (in unzusammenhängenden Episoden erzählte) Highschool-Dramödie "Daydream Nation" (2010) ist im ganzen Ablauf so unglaublich idiotisch, bescheuert, langweilig und bar jeder Logik, dass einem der Unterkiefer vor Erstaunen zu Boden hängt. In der "Hargrove School" beginnt also die junge und soeben ins Kaff hergezogene Kat Dennings gleichzeitig Affären mit einem meistens bekifften Mitschüler und ihrem eigenen Literatur-Lehrer (ganz übel: Josh Lucas) - wenn das kein Fall für Aufsichtsbehörde oder Justiz wäre - und die geschiedenen Elternteile der beiden Teenager gönnen sich nach dem Whiskey auch noch ein Tänzchen: Hach, wenn einem hier nicht das Herz schmilzt! Aber auweia: Es geht dort gar noch ein Serienmörder um!

                                      Neben der unsäglichen Story voller hundsmiserablen Dialogen, nerven die eingestreuten Billig-Songs vom Reissbrett noch dazu. Die Jugendlichen werden hier meistens nur als bekloppte Idioten oder als sexwillige Luder gezeigt, der Film besteht ja eigentlich fast nur aus Drogen und Sex. Dennings in der Hauptrolle sieht mit ihren Kusslippen zwar hübsch aus (und sie weiss es auch), doch schauspielern kann die Dame leider überhaupt nicht. Wie Andie MacDowell sich hier rein verirrt hat, bleibt ebenso ein unlösbares Enigma. "Juno im David Lynch-Stil oder ein lustiger, heiterer Donnie Darko" soll die Variety darüber geschrieben haben - wahrscheinlich war der Journalist selbst durch irgendwelche Substanzen benommen.

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                                        YupYum 25.03.2021, 00:39 Geändert 14.04.2021, 13:57
                                        über Farming

                                        "Farming" (2018), der Titel dieses Films, ist der Begriff eines Phänomens in England der späten 60ern, der den Umstand bedeutete, dass viele nigerianische Kinder damals von ihren eingewanderten Eltern in einheimischen Pflegefamilien untergebracht oder zur Adoption freigegeben wurden. Der Film beruht auf der Autobiografie des Schriftstellers und Juraprofessors Adewale Akinnuoye-Agbaje, der hier auch Regie führt und das Drehbuch dazu schrieb. Erzählt wird seine ungewöhnliche und schier unglaubliche Geschichte, wie er als schwarzer Ausgestossener Mitglied einer lokalen Skinhead-Schlägertruppe wurde.

                                        Nun, ein zweites Mal möchte man sich diesen desillusionierenden und streckenweise sehr beklemmenden Film bestimmt nicht antun, das harte Drama geizt nicht mit Brutalitäten und spart keine einzige davon in (zu) langen Szeneneinstellungen aus. Von Beleidigungen im deftigen Cockney-Slang, Drangsalierungen, primitiver sexueller Anmache, Beinahe-Vergewaltigungen bis hin zu brennenden Menschen ist alles mit dabei. Und das ist auch der grosse Haken: Psychologisch geht hier einfach viel zu wenig auf, als Zuschauer/in kann man bis zum Schluss nicht wirklich nachvollziehen, weshalb diese brutale Gang ihr eigentliches Feindbild - "den Nigger" - bei sich aufgenommen hat. In dieser Hinsicht sind viele Szenen dramaturgisch zu knapp gehalten und die ganze Szenerie kann auch deshalb nur bedingt packen. Kate Beckinsale als Pflegemutti aus der Unterschicht spielt ihre Rolle (mit ebenso gut gezeigtem, latent platziertem Rassismus) recht ordentlich (und für sie ungewöhnlich), Gugu Mbatha-Raw als Lehrerin ist in ihrer Empathie ebenso ganz gut, aber der Hauptdarsteller Damson Idris will mit seiner Verletzlichkeit und der weichen Stimme so gar nicht in sein Rollenbild als fehlgeleiteter (und zu immer mehr Gewalt bereiten) Jugendlichen passen. Das (nicht ganz kitschfreie) Happy-End wiederum kommt viel zu plötzlich und abrupt. Als (moralisches) Lehrstück mag der Film ja durchgehen, aber emotional will die Geschichte einfach nicht wirklich berühren.

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                                          YupYum 21.03.2021, 23:00 Geändert 22.03.2021, 14:46

                                          Das ruhige Autismus-Drama mit einigen Krimi-Elementen "The Night Clerk" (2019) hat durchaus positive Aspekte zu verzeichnen: Es ist schon mal top-gespielt (vor allem die junge Ana De Armas sticht heraus), die stete Annäherung an die ungewöhnlichen Charakterzeichnungen sind recht faszinierend gestaltet und man lernt einiges über Betroffene mit dem Asperger-Syndrom - dem Thema, das hier der rote Faden des Films darstellt. Die Story läuft zwar nicht immer ganz stringent und rund, hat aber durchaus immer wieder packende und rätselhafte Momente drin. Das eingewobene Kriminalelement tritt mit zunehmender Laufzeit immer weiter in den Hintergrund, der Film fokussiert vor allem auf die ungewöhnliche und wachsende Beziehung des jungen Darstellerpaars. Man bekommt auch Verständnis dafür, warum der Hotelportier (Tye Sherdian in der Hauptrolle) seine Gäste mit Kleinkameras in den Zimmern überwacht und darum in Konsequenz selbst Teil der polizeilichen Ermittlungen wird. Psychologisch lässt der Film jedenfalls kaum Mankos gelten.

                                          Gegen den Schluss wird es mit den eingewobenen Perma-Déjà-Vus leider etwas konfus, der Denkprozess beim Zuschauer wird jedoch bestimmt angeregt. Die musikalische Untermalung von Erik Hall ist angenehm verhalten und mit Helen Hunt und John Legiuzamo sind gar noch zwei grosse Namen in Nebenrollen mit dabei. Für Psychologie-Studenten bestimmt recht wertvolle Filmkost.

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                                            YupYum 20.03.2021, 23:01 Geändert 14.04.2021, 02:27

                                            Die Zockerkomödie "Lay The Favorite" (2012), die auf dem autobiographischen Buch "A Memoir Of Gambling" von Beth Raymer (hier recht witzig gespielt von Rebecca Hall) basiert, hat zwar einen tollen Start, doch nach der ersten halben Stunde lässt der Film in allen Belangen sträflich nach. Für wenig routinierte Nicht-Amerikaner ist die ganze Wetterei hier nicht wirklich verständlich, viele Finessen davon werden für den Laien gar nicht richtig erklärt. Von Las Vegas und seiner ungewöhnlichen Glitzer-Architektur und den kreativen Interiors sieht man auch zu wenig. Spätestens nachdem der Film den Schauplatz-Switch nach N.Y. und Curaçao vollzogen hat, wird die Geschichte fahrig, langweilig und packt einfach nicht mehr - kosmopolitischen Glanz sieht jedenfalls anders aus. Bruce Willis' Charakterzeichnung als Obergambler Dinky versinkt irgendwann in Blässe, Catherine Zeta-Jones (als seine durchgeknallte Ehefrau) bekommt viel zu wenig Raum und die weiteren Nebendarsteller sind nicht der Rede wert. Die letzten Szenen werden dann richtig nervtötend und es gibt im ganzen Film einfach nichts, was einem annähernd überraschen würde.

                                            Von Stephen Frears bin ich mir eigentlich ein höheres Niveau gewohnt und bin enttäuscht, dass er aus der Geschichte nicht mehr rausholen konnte. Aber mal ehrlich, nicht jedes Buch nach wahren Begebenheiten braucht eine Verfilmung und dieses leidlich interessante eigentlich schon gar nicht.

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                                              YupYum 18.03.2021, 23:15 Geändert 20.03.2021, 16:10

                                              Rachel Weisz gilt ja heute als Charakterdarstellerin für anspruchsvolle Rollen, aber diese üble schottische Kalauerklamotte (voller bekloppten Idioten und viel Kunstblut) würde sie heute - 20 Jahre später - wahrscheinlich aus ihrer Filmographie streichen. "Beautiful Creatures" (2000) ist so unsäglich verblödeter Sex- und Crime-Nonsense, dass man dafür kaum Worte findet. Die absurde Story ist derart hanebüchen und bescheuert, als existiere gar nicht wirklich eine. Von den Gags zündet kein einziger und die Männer darin sind allesamt lächerliche Armleuchter. Am besten kommt hier noch der Hund namens "Pluto" weg.

                                              Der Film ist einfach eine Synopsis des schlechten Geschmacks. Wenigstens hat man diesen Mülltonnen-Garbage nach 82 Minuten hinter sich, so bleibt noch Zeit, ein gutes Glas Rotwein (oder mehr) zu trinken und den Abend angenehm ausklingen zu lassen.

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                                                YupYum 17.03.2021, 22:37 Geändert 08.05.2021, 23:10

                                                Wahrscheinlich liegt es auch an der deutschen Synchro (nicht mal den Namen der Stadt Edinburgh wurde richtig ausgesprochen) und es ist ärgerlich, dass ARTE diese Whiskey-Klau-Sozialkomödie nicht im Original und untertitelt ausgestrahlt hat. So bleibt der Witz grösstenteils auf der Strecke. Die Geschichte von "Angels' Share" (2012) empfand ich ebenso als recht überraschungsarm, wirkliche Aha-Erlebnisse gibt es einfach nicht. Das Portrait der kleinkriminellen Underdogs ist hier viel zu harmlos und zu oberflächlich gezeichnet. Wenigsten lernt man einige Facts über die Kunst des Destillierens, wie z.B. dass "Angels' Share" (=Anteil der Engel) die verdunstete Flüssigkeit aus dem Eichenfass bedeutet (in so einem 250 Liter-Fass gehen jeweils bis fünf Liter des edlen Whiskeys über die Jahre verloren). Als grosser Schottlandfan fehlten mir zudem die schönen Views von den Städten Glasgow, Edinburgh und den Highlands - Schauplätze, die der Film streift. Ken Loach (mit Jahrgang 1936) ist halt nicht mehr der Jüngste und dieser Film hier ist richtig altersmilde und eckt kaum jemals wirklich an.

                                                Der abgegnudelte Hit "I'm Gonna Be (500 Miles)" von den "Proclaimers" (von 1988) darin hat mich ebenso leicht genervt - man hätte auch unbekanntere schottische Musik einweben können, wie z.B. von den punkigen "Shop Assistants", von "Aztec Camera", den "Altered Images" oder der tollen 70er-Jahre-Folksängerin Shelagh McDonald, deren zwei wundervolle Platten heute von Vinyl-Junkies teuer gehandelt werden.

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                                                  YupYum 17.03.2021, 00:25 Geändert 19.03.2021, 00:06

                                                  "The Children Of Huang Shi" (2008) erzählt die Geschichte vom britischen Kriegsreporter George A. Hogg (toll wie immer: Jonathan Rhys Meyers) - nach wahren Begebenheiten (in China, ab 1937) - den gefeierten Mann, der über 60 Waisenkinder vor den japanischen Invasoren und den faschistisch-ähnlichen Nationalisten rettete; das in einer spektakulären, 1000 Kilometer langen Pferde- und Wagen-Odyssee entlang der Seidenstrasse bis zur Wüste Gobi. Die US-Krankenschwester Lee Pearson (Radha Mitchell) begleitet ihn dabei...

                                                  Mit stimmungsvollen und authentischen Bildern fühlt man sich gut in die damalige Zeit versetzt, die Geschichte ist (praktisch) ohne Längen kompakt mit vielen rührenden Momenten erzählt und Rhys Meyers in seiner Rolle auch glaubwürdig. Die Mankos auf der Habenseite: Ohne Pathos geht so ein Film natürlich nicht, aber hier ist es oft fast zuviel des Guten und die triefende Musik von David Hirschfelder unterstreicht solches in vielen Einstellungen. Radha Mitchell ist auch nicht gerade die allerbeste Schauspielerin und die Herausforderung der chinesisch/englischen Zweisprachigkeit ist zudem dramaturgisch sehr schwierig zu meistern und scheitert hier auch oft - aber das verzeiht man dieser lehrreichen und historisch wertvollen Lektion ja eigentlich gerne.

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                                                    YupYum 16.03.2021, 00:55 Geändert 17.03.2021, 23:01

                                                    Zwischen Milieu-Studie, Sozialdrama, Coming-Of-Age und Kunstfilm nimmt uns Director Jean-Claude Brisseau in die Banlieue und Betonwüste von Paris mit (hier wahrscheinlich in St. Denis, an der städtischen Nordgrenze). Frisch in einen Plattenbau zu seiner (immer abwesenden Mutter) hergezogen, freundet sich der 14-jährige Bruno (Vincent Gasperitsch) mit dem älteren Jean-Roger (François Negret) an, dessen Streiche aus Langweile alles andere wie harmlos sind. In dessen Familie lernt er relativ apathisch die widrigen Umstände der allesamt kaputten und durchgedrehten Angehörigen von Jean-Roger kennen. Diese Szenen zu Beginn sind so überzogen, dass der Zuschauer zuerst noch darüber lachen mag, doch je weiter es geht, je krasser werden die Brutalitäten dieses psychisch verwahrlosten "Freundes" und damit gibt der Film ein immer trostloseres Abbild. Einziger Halt erfährt Bruno wenigstens von seiner empathischen Lehrerin (Fabienne Babe) und seinem kleinen Singvogel im Käfig. Leider verliert "De bruit et de fureur" (1988) mit zunehmender Lauflänge immer weiter seinen roten Faden, den er zu Beginn noch versprach - die (übertriebene) Geschichte verzettelt sich je länger je weiter und die immer wieder surreal gestalteten Erotik-Tagtraum-Einspielungen des Jungen stören die Stringenz des Films. Als geschichtliche Lektion kann man das mit Vorbehalten mal ansehen.

                                                    Bei meinem längeren Aufenthalt in Paris vor einigen Jahren besuchte ich viele herunterkommende Quartiere und erlebte dort auch brenzlige Situationen. Nach Einbruch der Dunkelheit sind die Gebiete von der Polizei gemiedene Zonen. Viele Architekten liessen ihrer Kreativität freien Lauf und bauten dort monströs-absurde Gebäude in ihrer "künstlerischen Vollendung", die jedoch völlig Bewohner-unfreundlich sind (imposant zu sehen z.B. in "Noisy Le Grand" mit den sogenannten "Camembert"-Häusern). Was heute noch viel problematischer wie vor 30 Jahren ist, deutet der Film schon bedrückend an: Bandenkriminalität, 80% Arbeitslosigkeit, Ghettoisierung, grassierende Gewalt gegen Bewohner/innen und Polizei, radikaler (politischer) Islamismus und allgemeine Perspektivlosigkeit prägen das Bild der Banlieue von Paris - und eine Besserung ist bei weitem nicht in Sicht: Eine konstante Fehlleistung von Politik, Städteplanung und Sozialwesen mit all ihren Konsequenzen.

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