YupYum - Kommentare
Die 5 meist diskutierten Serien
der letzten 30 Tage
-
Dept. QDept. Q ist eine Kriminalserie aus dem Jahr 2025 von Scott Frank mit Matthew Goode und Alexej Manvelov.+24 Kommentare
-
Star Wars: AndorScience Fiction-Serie von Tony Gilroy mit Diego Luna und Genevieve O'Reilly.+18 Kommentare
-
Das ReservatDas Reservat ist eine Drama aus dem Jahr 2025 von Ingeborg Topsøe mit Marie Bach Hansen und Danica Curcic.+16 Kommentare
Die 5 meist vorgemerkten Filme
-
28 Years Later390 Vormerkungen
-
The Fantastic Four: First Steps94 Vormerkungen
-
Jurassic World 4: Die Wiedergeburt93 Vormerkungen
-
Weapons - Die Stunde des Verschwindens87 Vormerkungen
Alle Kommentare von YupYum
"Ich hatte den Eindruck, als wäre das ganze Haus von einer schleichenden Paralyse befallen. Als wäre die Zeit hinter diesen Mauern stehengeblieben..." oder:
"Aber ich muss Mr. Gillis sprechen! Vielleicht kann mir ja irgendjemand anders Auskunft geben." - "Niemand kann Ihnen irgendwelche Auskunft geben. Und rufen Sie hier nicht wieder an!"
Die berühmtesten Sätze aus Billy Wilders Noir-Drama "Sunset Boulevard" (1950) sind jedoch zweifelsohne: “The greatest star of them all”, “I am big - it’s the pictures that got small”, “We didn’t need dialogue, we had faces” und “All right, Mr. DeMille, I’m ready for my close-up”, sie werden bis heute rezitiert. Ach, wie liebe ich die alternden Diven Hollywoods, ihr verblassender Glanz und ihre exzentrischen Allüren: Joan Crawford, Barbra Stanwyck, Olivia de Havilland, Joan Fontaine, Ava Gardner, Zsa Zsa Gabor, natürlich Marlene - und hier einfach glorios: Gloria Swanson! "Wie höflich Menschen doch mit einem umgehen, wenn man tot ist". Dieses Resumé erzählt uns der erfolglose Scriptwriter Joe Gillis (William Holden) aus dem Jenseits zu Beginn des Films - eine Szene, die tricktechnisch schon bald Geschichte schrieb (da damals keine Unterwasserkameras existierten, bediente sich Wilder eines Spiegels, um glaubhaft zu vermitteln, dass man Holden von unten treibend im Wasser sieht). Die zufällige Begegnung mit der ehemaligen Stummfilm-Queen Norma Desmond (Swanson mit unglaublicher Mimik und Augenaufschlag) und seine eigene Gier wurden ihm schliesslich zum Verhängnis. Seit die Ära des Tonfilms begonnen hat, hofft die Diva nämlich auf ein Comeback und lässt sich von Joe ein eigen entworfenes Script überarbeiten, dessen Qualität höchst zweifelhaft ist. Mit allen Mitteln versucht sie 50-jährige, den viel jüngeren Mann an sich zu binden. Doch dann erscheint die hübsche Betty (Nancy Olson) in Joe's Leben...
Swanson machte es nichts aus, quasi sich selbst zu spielen. Zwar hatten sie und ihre Filmfigur Desmond viel gemeinsam, doch im Gegensatz zu Desmond lebte sie nicht in der Vergangenheit ihres alten Ruhmes, sie wurde später erfolgreiche Geschäftsfrau und hatte eine eigene lokale Fernsehshow. Vor ihr wurden andere Grössen wie Mary Pickword, Pola Negri, Mae Murray und gar Mae West gecastet oder angefragt. Letztere sagte mit der Begründung ab, da sie sich sie mit Mitte 50 zu jung fühle, um einen ehemaligen Stummfilmstar zu spielen. Wests Absage hatte einen entscheidenden Einfluss auf Norma Desmonds Charakterisierung: Die Rolle, die ursprünglich viel lebensfroher und bodenständiger angelegt war, entwickelte sich nun allmählich zu einer tragischen und gebrochenen Figur, nahe am Wahnsinn. Cecil B. DeMille, der Anfang der 1920er Jahre mehrmals mit Gloria Swanson gearbeitet hatte und als ihr Förderer galt, spielt sich selbst. Auch sonst konnte Wilder viele (ehemalige und authentische) Grössen und Insider der Branche für den Film gewinnen: Buster Keaton, H. B. Warner, Anna Q. Nilsson, Klatschjournalistin Hedda Hopper und natürlich Erich von Stroheim als Butler (der seine Rolle immer verachtete). Andere wiederum untersagten ihm gar die Verwendung ihrer Namen im Film, wie de Havillard oder die Film-Tycons Goldwyn und Zanouk. Obwohl der Film ein Grosserfolg wurde, wurde Wilder auch als "Nestbeschmutzung eines Immigranten" angefeindet. Auch wenn der damals gänzlich unbekannte Holden (der erst spät für seine Rolle ausgesucht wurde) für mich hier eher etwas blass wirkt, ist und bleibt der "Sunset Boulevard" mit seiner giftigen Kritik einfach ein unangefochtener Meilenstein der Filmhistorie.
"Der Unschuldige" war Ruth Theiss' (Hauptdarstellerin Judith Hofmann) Jugendgeliebter. Vor 20 Jahren anscheinend zu Unrecht wegen Mordes verurteilt, wurde Andreas (Thomas Schüpbach) nun aus dem Gefängnis entlassen, sei nach Indien gereist und dort tödlich verunglückt. Doch Ruth scheint ihn hier gesehen zu haben. Er steht buchstäblich in ihrem Leben wieder auf, weckt "sündig" genossene Leidenschaft, bietet die gemeinsame Flucht an und löst so den Einsturz ihres zwiespältigen Moralgebäudes aus. Denn Ruth ist schon lange verheiratet, hat zwei Töchter und findet (trügerischen) Halt bei ihren Glaubensgenossen einer evangelikalen Freikirche. Diametral zum Sektenwahn arbeitet sie als rational denkende Wissenschaftlerin in einem Labor im Veterinärwesen. Das Auftauchen ihres ehemaligen Partners sorgt für handfeste Verunsicherung und weckt gleichzeitig unterdrückte Begehrlichkeiten. Bildet sich Ruth alles nur ein oder ist sie etwa vom Teufel bemächtigt worden, wie es ihr Ehegatte und die Sektenbrüder weismachen wollen?
Judith Hofmann (*1967) sehe ich eigentlich immer gerne, denn sie war eine gute Jugendfreundin von mir. Ich mag mich noch gut daran erinnern, wie wir sie damals, Ende Achtziger, in Graz besucht hatten, wo sie ihre Schauspielausbildung machte. Um in ihre Zimmer zu gelangen, musste man quer durch eine antiquiert wirkende Augenarztpraxis hindurch gehen. Zum Spass neckte ich sie mit dem Übernamen "Judlä-Fudlä". Auch im kammerspielartigen (Kunst-)Drama "Der Unschuldige" (2018; zweite Regiearbeit des Schweizers Simon Jaquemet) spielt sie quälend intensiv eine von Zweifel zerrissene und von den Umständen gebeutelte Frau. Der Film ist eine wahre Geduldsübung und braucht starke Nerven, um ihn zum durchzuhalten. Das Dekor ist eiskalt: Ein schneeweisses Interior im Eigenheim, das sterile Labor als Versuchswerkstätte, das unpersönliche Auditorium der Kirche versetzt mit einem bedrohlich wirkenden High Tech-Kruzifix, endlose Gänge, labyrinthische Gebäude, bedrohliche Tiefgaragen, anonyme Büros, dunkle Wälder, graue Himmel, unterkühltes Neonlicht, sonores Techno-Gehämmer als einzige Soundtrack-Beisteuerung und das alles natürlich in der frostigsten aller Jahreszeiten. Die ganze Darstellerriege ist unnahbar und scheint seelisch versteinert. Surreale Qualitäten erreicht "Der Unschuldige" spätestens dann, als es zu einer beklemmend-absurden Teufelsaustreibung kommt und sich die Frau danach in einem schwarzen Pool schwimmend wieder findet, der auch das endlose Meer sein könnte. Anyway, um Problemfilme wie diesen mache ich gewöhnlich einen weiten Bogen, dank Judith riskierte ich den Blick und wurde mit einer Odyssee belohnt, für die mein Durchhaltewillen und das Nervengewand eigentlich definitiv zu schwach sind. Der viel zu lang geratene Film passt nahtlos in die Abfolgen von "Das kleine Fernsehspiel" herein - für mich eigentlich eine Reihe des Grauens.
"Es wird überall das Gleiche sein, ich brauche eine andere Atmosphäre und meine Atmosphäre bist Du!" - "Wenn ich eine Atmosphäre bin, bist Du ein komisches Kaff!"
Paris beim Canal Saint-Martin, Ende der dreissiger Jahre: Gebeutelt von der schweren Wirtschaftskrise, wollen Pierre (Jean-Pierre Aumont) und Renée (Annabelle) sich im Zimmer 16 des heruntergekommenen "Hôtel Du Nord" das Leben nehmen. Pierre schiesst auf seine Geliebte und flüchtet nach aufkommenden Zweifel des gemeinsamen Plans. Sie überlebt in einem Spital und er wiederum stellt sich am nächsten Morgen der Polizei. Als Renée ihn im Gefängnis besucht, weist er sie schroff ab. Sie kehrt zum Zimmer 16 zurück, um sich von ihm und ihrer gemeinsamen Geschichte zu verabschieden...
Es fällt mir generell schwer, nostalgische Filme und gar solche des französischen poetischen Realismus nicht positiv zu bewerten, aber das melodramatisch und komödiantisch angehauchte Drama "Hôtel Du Nord" (1938) von Marcel Carné wollte mich weder fesseln noch wirklich berühren, im Gegenteil: Ich musste mich hier regelrecht durchkämpfen. In vielen unscheinbaren Nebensächlichkeiten verzettelt sich die sehr antiquiert wirkende Geschichte nach dem dramatischen und vielversprechenden Auftakt, atmosphärisch hat der Film ebenso wenig zu bieten. Trotzdem ist es natürlich lobenswert, dass ARTE immer wieder auch lange verschollene Filme ausgräbt, die man kaum im TV zu sehen bekommt.
"Die Mitte der Welt ist für jeden woanders, je nachdem, wo man steht."
Das meint zumindest Mid-Vierzigerin Glass (Sabine Timoteo), die als Schwangere mit 18 Jahren allein aus den USA nach Deutschland gekommen ist und dort auch nach der Geburt ihrer Kinder noch immer ein unangepasstes Leben fernab jeglicher gesellschaftlicher Zwänge führt. Dementsprechend war die Kindheit der Zwillinge Phil (Louis Hofmann) und Dianne (Ada Philine Stappenbeck) turbulent und geprägt von den zahlreichen Männerbekanntschaften ihrer Mutter. Halt gibt dem 17-jährigen Phil immerhin seine beste Freundin Kat (Svenja Jung) und die prophezeit schon die Affäre mit Schönling Nicholas (Jannick Schümann) voraus, der frisch Einzug in deren gemeinsame Klasse genommen hat...
Director Jakob M. Erwas legt in seiner gelackten Kinoadaption "Die Mitte der Welt" (2016; basierend auf dem gleichnamigen 80s-Roman von Andreas Steinhöfel) hohen Wert auf durchaesthetisierte Bilder und schöne Menschen. Homosexualität ist in seiner Welt völlig selbstverständlich und ein Coming-Out sowieso kein Thema mehr. Bei einer Liebesbeziehung finde ich vor allem spannend, wie sie zustande kommt, doch auf eine Entstehungsgeschichte wird hier gänzlich verzichtet und ein Augenzwinkern allein reicht schon als Einladung für den ersten Sex unter der Brause im Sportclub aus - undenkbar für Jugendliche, sind doch keine Cruiser! Unglaubliche lange und träge 110 Minuten wird man hier mit Belanglosigkeiten überflutet, ein dramatisches Element gegen Ende sollen sie als Alibi-Übung kaschieren. Emotional will einem keine(r) der Figuren wirklich jemals abholen. Für mich sucht dieses durchschnittlich gespielte und mit einem 08/15-Soundtrack versetze Dramödchen als Fazit vorsätzlich nach Sympathien seines schon vorbestimmten Publikums - eines, dass sich selbst als proaktiv aufgeschlossen und weltverbesserungswütig empfindet und sich in diesem Kosmos seiner alten Thesen bestätigt fühlen kann.
Jared, 19 (Lucas Hedges), ist Sohn des Baptistenpredigers Marshall Eamons (Russell Crowe) und der wasserstoffblondierten Mutter Nancy (Nicole Kidman) und im Glauben erzogen worden, dass Homosexualität selbstgewählt und eine grosse Sünde ist. Als seine Eltern von Jareds eigener Neigung erfahren, drängen sie ihn zur Teilnahme an einer sogenannten Konversionstherapie. Jared, zutiefst verunsichert über seine Identität, lässt sich darauf ein. So reisen er und Nancy zur Institution "Love In Action", wo Jared mit anderen Jugendlichen einem eigentlichen Drillprogramm unterzogen wird. Wie in einem Gefängnis wird ihm zu Beginn alles Persönliche weggenommen, der Ton ist harsch, die Aufgabe klar: heterosexuell werden. Der Institutionsleiter Victor Sykes (Joel Edgerton, auch Regie) wacht mit Argusaugen über jeden Schritt seiner Zöglinge. Abends darf Jared während der Probezeit(!) ins Hotel zurück, wo seine Mutter mehr und mehr begreift, was sie ihrem Sohn antut.
Beruhend auf der Autobiografie des heutigen LGBTQ-Aktivisten Garrard Conley, der im sogenannten "Bible Belt" der USA aufgewachsen ist (in einer streng religiösen Familie, auch von Baptisten), wies mit seinem 2016 erschienen Buch darauf hin, dass noch in 36 US-Staaten unzählige Jugendliche in Konversions-"Therapien" geschickt werden, wo sie gegen ihre Gefühle ankämpfen sollen, um sich ihren fundamentalistisch christlichen (meist evangelikalen) "Gemeinschaften" einzuordnen - teils mit unsäglich traurigen Konsequenzen. Zwar wird diese Message im Drama "Boy Erased" (2018) klar und anprangert formuliert und macht es zu einem wichtigen Aufklärungsfilm. Trotzdem empfand ich den Film streckenweise konfus, schwerfällig und dramaturgisch zerhackt. Zu Beginn des Films wird Jared schon bei "Love In Action" "empfangen", doch sein Bekenntnis gegenüber den Eltern kommt erst viel später. Psychologisch wird der Switch vom verängstigten Jugendlichen zum selbstbewussten Schwulen nicht vermittelt, auch nicht das Umdenken der erst so strengen Mutter. Die Liebesszene mit dem (anonymen) Künstler kommt unverhofft, abrupt und bleibt gänzlich unerklärt. Crowe bleibt völlig farblos hängen und auf Gay-Role-Model Xavier Dolan hätte man verzichten können. Natürlich spielt Hedges auch hier ordentlich, doch immer wenn es gilt, einen mit Problemen beladenen Jugendlichen zu casten, greift man auf ihn zurück, und in jedem seiner Filme ist er eigentlich immer sich selbst, auch äusserlich. Vielleicht hätte man gerade hier auf ein neues Gesicht setzen sollen. An jede US-Schule gehört der Film dennoch als Pflichtstoff.
Der 17-jährige Simon (Nick Robinson, gut schon in "Being Charlie", 2015) wohnt wohlbehütet in einem Vorort von Atlanta, wo er die lokale Highschool besucht und mit seinen besten Freund/innen Leah (Katherine Langford), Nick (Jorge Lendenborg) und Abby (Alexandra Shipp) nach der Schule abhängt. Was weder seine Eltern noch die Freunde wissen: Simon ist gay. Als er eines Tages auf der Tumblr-Seite der Schülerschaft Kontakt mit einem Jungen aufnimmt, der ebenfalls schwul ist, aber anonym bleiben will, beginnen die (emotionalen) Turbulenzen. Er schreibt dem Unbekannten (der sich "Blue" nennt) regelmässig, seinen Freunden und Eltern sagt er nichts davon. Doch leider vergisst er eines Tages, sich am Schulcomputer aus seinem E-Mail-Account auszuloggen, und Mitschüler Martin (ziemlich bekloppt: Logan Miller) erpresst ihn von da mit Screenshots seiner E-Mails, da dieser umbedingt die selbstbewusste Abby will und als Gegenleistung Gefälligkeiten für den schlauen Plan von Simon verlangt. Die Katastrophe scheint vorprogrammiert...
...und wird natürlich durch ein Tränendrücker-Happy End à la Hollywood schön relativiert! Mehr Feel-Good wie hier geht wirklich kaum noch und einfach rührend, wie sie sich alle schlussendlich in den Hugy-Hugy-Armen liegen dürfen. Für das Selbstbewusstsein junger Gays macht die kurzweilige und mit tollen Szenenschnipsel versetzte (aber auch recht gelackte) Dramödie "Love, Simon" (2018) bestimmt dennoch vieles richtig und hat durchaus seine Daseinsberechtigung, aber wie wenn es denn beim Coming Out in Zeiten von TikTok & Co. wirklich immer so rund laufen würde (wie hier recht beschönigend gezeigt), dafür muss sich der Film auch durchaus Kritik gefallen lassen. Immerhin werden einige Belastungen an der Oberfläche angekratzt, wie z.B. der machoide Vater mit seinen üblichen Tunten-Witzen, die zickigen Comments gewisser weiblichen Mitschülerinnen oder die Häme junger Typen. Immerhin möchte man hier erleichtert feststellen, dass wir nicht mehr in dunklen Zeiten leben, als das Kino für Schwule lediglich Mitleid für sie übrig hatte (z.B. Viscontis "Morte a Venezia", 1971); Filme wie "Boy Erased" (auch 2018, mit Lucas Hedges) zeigen jedoch auch andere Realitäten im Post-Milleniums-Zeitalter von heute. Die Spin-off-Serie zu diesem Film (von Disney) «Love, Victor» (2020, in der Nick Robinson wieder als Simon diesmal aus dem Off spricht), folgte natürlich ohne Erbarmen. Wohlwollende (aber auch kritische) 7 Punkte.
Kolumbien 1968: Lange bevor der Name Pablo Escobar in aller Munde ist, legt eine Familie des matriarchalisch geprägten Wayuu-Stammes den Grundstein für den Drogenhandel, für den das Land später so berühmt-berüchtigt werden sollte. Der junge Rapayet (José Acosta) verkauft etwas Marihuana an gestrandete U.S.-Hippies. Das Geschäft boomt und er steigt bald zum reichsten Mann der abgelegenen Steppenregion auf. Doch der Reichtum ist mit einem hohen Preis verbunden: Ein brutaler Krieg um Macht und Geld bricht aus und setzt nicht nur das Leben des Stammes, sondern auch ihre Kultur und Traditionen aufs Spiel.
Andere Länder, andere Seh- und Dramaturgie-Gewohnheiten: Für Globetrotter und angehende Ethnologen mag "Birds Of Passage - Das grüne Gold der Wayuu" (2018) bestimmt eine bereichernde Erfahrung sein, der Film bietet interessante Einblicke in Kultur, Rituale und Brauchtum des nordkolumbischen Tribes und der Geschichte der República de Colombia (und streift drei Dekaden in fünf Kapitel), wer hingegen Drug- and Crimethrill à la Hollywood erwartet, wird hier von vornherein enttäuscht werden. Trotz aller positiven Replik, Kritik und Oscar-Einreichung für den besten fremdsprachigen Film 2018, tat ich mich mit dem schwerfälligen und zähen Epos und seiner schleppenden Erzählweise schwer. Vom indigenen Gegenstück zum "Paten" kann einfach keine Rede sein. Das staubige Wüstendrama, das ausschliesslich mit Laiendarstellern besetzt (und daher noch höher an Authentizität gewinnt), bedient letztendlich nur das üblich-typische Arthaus-Publikum.
"Ich bin doch nur so hysterisch, weil ich weiss, dass der sich eh nie wieder melden wird." - "War der denn wirklich so gut im Bett?"
Der verheiratete Wiener Werber John Gruber (Manuel Rubey) fliegt geschäftlich nach Zürich und trifft im Flugzeug auf eine She-DJ mittleren Alters (wie Vorlage-Lieferantin Doris Knecht), mit Namen Sarah (Bernadette Heerwagen). Nach dem schnellen Nümmerchen im Hotelzimmer öffnet der neue Flirt einen noch verschlossenen Brief, den Gruber vom Krankenhaus erhielt: Schockdiagnose Krebs. Wird die Dame seinem Leben einen neuen Sinn geben?
Eine ganze Stunde lang habe ich dieses sterile, humor- und emotionsfreie österreichische Lokal-Dramen-Geplätscher auf TV-Niveau "Gruber geht" (2015) durchgehalten, danach verliessen mich meine Nerven endgültig und ich lenkte mich mehr online ab, statt mich weiter aufmerksam mit dem Film zu langweilen. Kein Dialog oder Handlungsablauf will hier auf einen Punkt kommen, alles verliert sich in Banalitäten, Unwichtigkeiten und oberflächlichen Sentimentalitäten: Etwas lustloses 40+-Hetero-Fremdgeh-Sex-Gerammel, möglicher Schwangerschaftsabbruch in Konsequenz, eine weitere Einstellung des Chemo-Therapie-Bettes, übliche Beziehungs- und Ehe-Keilereien, Kinder-Brabbeleien, gepflegtes Alk-Kredenzen, das obligate Fitnessstudio, ein Kochrezept, ein Ausflug zu Oma und sentimentale Indie-Pop-Schnulzen, die gross Gefühl implizieren sollen. Ja, und mit plötzlicher Glatze nimmt man Hauptdarsteller Rubey auch den Krebs besser ab. Als roter Faden werden hier Zitate und Songs von Bob Dylan ohne Ende rezitiert und gespielt - immer John Lennon, Tom Waits, Patti Smith, Leonard Cohen, Nick Cave oder eben Dylan - abgegnudelte Statements von immer denselben überschätzten "Rock-Poeten", denen man sich gerne bedient, um künstlerischen Anspruch zu unterstreichen, jedoch von wenig vertiefter popkulturellen Bildung zeugt. Falls Frau Director Kreutzer uns allen gar eine Message mit ihrem drögen "Werk" (voller miesen Dialoge, siehe Beispiel oben) auf unseren weiteren Lebensweg mitgeben wollte, kann ich ihr nur antworten: Für mich war dieser Ausflug in unser Nachbarland an Konformität und Biederkeit kaum zu überbieten.
"Ich war ein Fremder unter Fremden. Warum war ich hier? Ich hab' eigentlich nie gewusst, warum ich da war, wo ich war."
Diese Gedanken (die mir zutiefst aus der Seele sprechen) hat der 24-jährige Xavier (Romain Durais) nicht etwa bei Ankunft im sonnigen Barcelona, sondern bei seiner Rückkehr ein Jahr später in Paris. Dieses Jahr als Erasmus-Programm-Student in einer wilden, multilateralen WG hat sein Leben und seine bisherigen (Berufs-)Ziele gehörig auf den Kopf gestellt. Sein Laufbahnplan, danach mit Staatsdiplom in Ökonomie als biederer, grauer Bürohengst für eine gutdotierte Firma zu arbeiten, scheint ins Wanken zu geraten und vielleicht bei dem einen oder anderen auch, der sich "L’auberge espagnole" (2002) angesehen hat. Nach gewissen prägenden Erlebnissen scheint manchmal nichts mehr wie früher - soviel darf hier verraten werden. Und dieser Film macht tatsächlich echt Fernweh. Es sind nicht nur die tollen Sights der spanischen Stadt mit ihren unzähligen Sehenswürdigkeiten, tollem Nightlife, Bars und Kneipen und scharfem Flamengo, es sind vor allem die liebevoll gezeigten Details des chaotischen WG-Alltags mit den (köstlich geschilderten) Situationen, Reibereien und Sorgen dieser bunt zusammengewürfelten Truppe. Immer wieder geschieht eine unverhoffte Überraschung oder ein unangemeldeter Besuch steht vor der Türe. Und schon bei seiner Ankunft am Airport trifft Xavier ein eher verhalten lebendes Paar, bei dem er einige Tage wohnen kann, ehe er die passende WG-Bleibe findet. Er wird die sensible und vernachlässigte Anne-Sophie (Judith Godrèche) auch wiedersehen...
Mit tollen fotografischen Hat-Tricks (wie Zeitraffer, Split-Screen und eingeblendeten Details), mit Flashes von Rückblenden und Off-Comments, realistischen und witzigen (Multikulti-)Dialogen (der allgemeinen Schwierigkeiten von Sprachverständigung), und mit vielen abwechslungsreichen Inside-Views geht der flotte und kurzweilige Spass voran. Immer wieder wird eine Szene durch eine weitere relativiert oder ganz auf den Kopf gestellt. Wie im Flug vergehen die zwei Stunden jedenfalls und Audrey "Amélie" Tautou hat einen Gastauftritt. Besonders witzig aufgefallen ist mir hier der junge Brite Kevin Bishop, der als unflätiger Bruder William von der strengen urbritischen Wendy (Kelly Reilly) plötzlich auftaucht, beim Zwischenstopp seiner Interrail-Europa-Reise. Dieser schöne Film ist als Fazit ein echter Herzwärmer und eine Empfehlung für Fernweh-geplagte Weltenbummler und ein Antrieb solche, die es noch werden möchten. Zwei Fortsetzungen davon waren die Konsequenz für den französisch-spanischen Grosserfolg: "Wiedersehen in St. Petersburg" (2005) und "Beziehungsweise New York" (2013) - beide wieder vom gleichen Director.
Die 25-jährige Chloé (Marine Vacth), ein ehemaliges Model, lässt ihre psychosomatischen Bauchschmerzen vom Psychologen Paul (Jérémie Renier in einer Doppellrolle) therapieren, doch dieser gesteht alsbald Gefühle für sie ein. Und wie schön, bald ziehen die beiden auch zusammen in ein schickes Apartment (in einem Pariser Skyscraper) ein. Die hilfsbereite Kathy Bates-ähnliche Nachbarin passt auch schon mal auf Chloés grauen Kater auf und das ewige Herumsitzen in ihrem neuen Job als Museumsaufsicht scheint ihr zu gefallen. Aber au weia, aus Zufall sieht sie aus dem Fenster eines Buses heraus ein Mann, der Paul zu verwechseln ähnlich sieht und tatsächlich sein Zwillingsbruder ist: Auch der ist - welch ein Zufall - Psychotherapeut und mit falschen Namen erscheint die Dame dort zu einer Sitzung. Der zum Zynismus neigende Louis will natürlich auch nur (harten) Sex ohne Ende. Und die beiden (entfremdeten) Zwillinge hüten scheinbar das üblich platzierte Geheimnis aus der Vergangenheit...
Von François Ozon bin ich mir eigentlich ein hohes Niveau gewohnt, er verstand es für mich immer, seine Dramen fesselnd zu erzählen und Wendungen (auch des ganzen Genres im gleichen Film) gekonnt zu integrieren oder zu wechseln. Doch sein Ausflug zu Freud und Jung ist für mich völlig gescheitert. Hier in "L'amant double" (2017) werden die Grundsätze der Psychoanalyse schonmal zu Beginn weg mit Füssen getreten, das Lügen- und Verwirrspiel zwischen Sein und Schein ist höchstens konfus und die lahme Story (mit endlosen Sexszenen) dümpelt in pseudointellektueller Arthaus-Manier dahin. Für die Figuren will man partout keine Sympathie empfinden und gewisse Handlungsabläufe, Reaktionen und Beweggründe bleiben kaum nachzuvollziehen auf dieser dramaturgischen Durststrecke. Auch die Auflösung des Geheimnis' der Zwillinge liess mich gänzlich gefroren kalt. Ich mochte schon Cronenbergs überlanges "Dead Ringers" (1988) nicht besonders und diese Kopie davon ist wahrlich kein Höhepunkt von Ozons (eigentlich meist grossen) Schaffen geworden.
Nach Mutters Tod flüchtet die toughe Blondine Nancy (Blake Lively) aus Galveston, TX an denselben einsamen Strand in Mexico, der von ihrer damals schwangeren Mom einst besucht wurde. Die Medizinstudentin ist eine erfahrene Surferin. Doch unter Wasser zieht ein weisser Hai seine Bahnen (angezogen von einem treibenden Kadaver eines Buckelwals) und hat es auf das schmackhafte Wesen im sexy Bikini abgesehen...
Nochmals ein Flossen-Horror-Survival-Aufguss? Einzig weil der Film von Jaume Collet-Serra aus Barcelona ist (der mit seinen überzeugend gradlinigen Thrillers mit Liam Neeson Berühmtheit erlangte), wagte ich einen Blick in das totgeglaubte und von ihm reanimierte Genre. Doch welche originellen Ideen kann man sich mit dieser Ausgangslage eigentlich noch zusätzlich ausdenken? Der Trailer von "The Shallows" (2016) zeigt sie eigentlich alle schon und viel mehr wird hier auch nicht geboten. Immerhin ging die Rechnung auf: 17 Mio. Dollar betrug das Budget und das weltweite Einspielergebnis belief sich auf satte 119 Millionen. Der Geschmack eines anderen Publikums als die üblichen (Edel-)Trash-Fans, wird der Film wohl nicht wirklich bedienen können.
Zwischen (schaupielerischer) Routine und Bedächtigkeit sehen wir den ermittelnden Bill Nighy als Inspektor Kildare im Schauerstück "The Limehouse Golem" (2016), das im viktorianischen London 1880 spielt, und bei dem er quasi gleich zwei aufeinander treffende Fälle zu lösen hat: Zum einen hat er eine blutige Mordserie des (von Journalisten benannten) Killers "Golem" in der Gosse "Limehouse" aufzuklären, des weiteren will er als Herzensangelegenheit die junge Varieté-Schauspielerin Elisabeth Cree (Olivia Crooke) vor dem Galgen retten, die des Giftmords an ihrem Ehegatten beschuldigt wird. Die Hinweise verdichten sich, dass in ihrem Theater als Schauplatz mögliche Fäden zusammenlaufen. Immer wieder stagnieren die Ermittlungen, sein Assistent erweist sich als nicht besonders hilfsreich und der Wettlauf gegen die Zeit hat schon lange begonnen...
Ich bin sowohl Fan der Gaslight-Atmosphäre der Jahrhundertwende, der Cabaret-Kultur aus vergangenen Zeiten, verworrenen und verzwickten Krimirätseln, die eng mit der Biographie der Beteiligten zusammenhängen (und mit Vergangenheits-Recherche erst klarer werden) und komplexen Geschichten, die erst noch einen historischen Bogen schlagen. Zudem mag ich Gentleman Nighy sehr. Obwohl hier also eigentlich alle Vorzeichen gegeben waren, überzeugte mich dieser Ripper-Thriller nur bedingt: Die Ermittlungsarbeit der eigentlichen reizvollen Ausgangslage mit Einweben der Mystik des jüdischen Golems (aus dem mittelalterlichen Prag) und den rätselhaften Tagebucheinträgen wird immer wieder durch ausufernde Rückblenden und (Gesangs-)Einlagen unterbrochen, was an der narrativen Stringenz nagt und Spannung vermissen lässt. Nighy wirkte hier für mich eher blass, Drehbuch-Details erschienen mir teilweise zerhackt, der Lead des titelgebenden Golems zu oberflächlich integriert und Emotionen und Aha-Effekte blieben resümierend einfach auf der Strecke. Zwar empfinde ich die Auflösung nicht so vorhersehbar, wie die meisten hier beklagen, mich störte vor allem das letztendlich im Dunkeln stehend gelassene Motiv des wahren gefundenen Mörders und damit gewisse Ungereimtheiten der investigativen Fakten. Immerhin ist Szenenbild, Ausstattung und Schauspiel recht ordentlich ausgefallen und gewisse psychologische Abläufe (wie die der beiden Frauenrollen) sind auch durchaus nachvollziehbar geschildert.
Nach allfälliger Sichtung des Alligator-Mampf-Horrors "Crawl" (2019) empfehle ich allen den Kommentar von "oMadMac" zu lesen, denn er listet akribisch alle unzähligen und unentschuldbaren Löcher auf und begründet in Ausführlichkeit die grossen Schwächen dieses leidlich interessanten Florida-Ausflugs inmitten eines stürmenden Hurricans, der das Land überflutet und die gefrässigen Biester gleich zur Stelle sind.
Eigentlich toll, so kann ich mir nämlich weitere Anmerkungen sparen und getrost den schönen Nachmittag am Sonntag mit einem kleinen Spaziergang am Lago Maggiore geniessen. Und vielleicht treibt dort bei möglichen Gefahren auch eine Wasserleiche umher, die natürlich noch eine Knarre bei sich hat. Das ist eben das Praktische bei gewissen Survival-Filmen, wie dem hier: Immer ist aus Zufall das zur Hand, was man gerade benötigt!
Harte maskuline Männer in Lack, Leder oder Uniformen, mit Schnauzer und schwarzen "Gay Fetish Ketten-Caps", Mega-Muckis und überdimensionierten Schw--zen waren sein Markenzeichen: Die Subversivkunst des "Tom of Finland", alias Touko Valio Laaksonen (1920 - 1991), die bereits ab 1957 in den U.S.A. in Bodybuilder-Magazinen im Miniformat (wie "Physique Pictorial") veröffentlicht wurde und ab den 70ern (mit Aufkommen der Lederszene) weltweit Furore unter schwulen Männern machte und massiv zu ihrer Identifikation und dem Selbstverständnis der Stonewall-Bewegung beigetragen hatte. Nach dem Krieg (er diente der deutschen Wehrmacht) beginnt Zeichentalent und Angestellter einer Werbeagentur Touko (Pekka Strang) heimlich seine erotischen Fantasien auf Papier zu bringen, vorerst inspiriert durch die Soldaten von damals an der Front, mit denen er seine ersten sexuellen Kontakte hatte. Seine Homosexualität (die erst 1971 in Finnland entkriminalisiert wurde) lebt er ab dann im Verborgenen, z. B. beim Cruisen im Park oder bei privaten Treffen in Wohnungen, unter der ständigen Gefahr von Sittenhütern verhaftet zu werden. Nicht mal die vertraute Schwester Kaija (Jessica Grabowsky) weiht er in seine Geheimnisse ein, und auch die Beziehung zu seinem Freund, dem Tänzer Veli Mekinnen (Lauri Tikanen), bleibt im Verborgenen. Dann kommt endlich die Einladung nach California, dort seine Bilder vor seiner massiv angewachsenen Fangemeinde ihres Idols auszustellen, bald auch tauchen die ersten Fälle der unerforschten "Schwulenseuche AIDS" auf...
Viel Zeit verplempert das (ja bestimmt gutgemeinte) Biopic "Tom Of Finland" (2017) mit allerlei in die Länge gezogenen Unwichtigkeiten, (harmlosen) Bilder aus der Kriegsvergangenheit und Nebenstranghandlungen - dem Film will es nicht gelingen, Parallelen zwischen der gelebten Realität von Laaksonen und den erotischen Bildern herzustellen. Viel zu brav und wenig expressiv erscheint mir die Darstellung Pekka Strangs, Laaksonen war im echten Leben viel verschmitzter und wagemutiger. Wenn es mal interessant würde, nämlich mit Inside-Views der amerikanischen Subkultur in den 70ern, streift der Film diese höchstens kurz. Das obszöne Bildmaterial des "Tom" sieht man nur in kurzen Flashes, familiengerecht verpackt. Viele biographische Details seiner einzigartigen Erfolgsgeschichte werden zu wenig erläutert oder ganz ausgeklammert, wie er z.B. die aufkommende Szene mied, da er hier fast nur auf feminine Männer traf, jenen Typus Homosexueller, der ihm nicht gefiel. Im Jahre seines Todes 1991 erschien ein weitaus spannender Dokumentarfilm als das hier: "Daddy and the Muscle Academy – The Art, Life, and Times of Tom of Finland".
POSSIBLE SPOILER ALERT:
Das psychodramatische Kammerspiel "The Lighthouse" (2019), das wahrscheinlich besser auf einer Theaterbühne funktionieren würde, habe ich lange vor mich hergeschoben und nun ist mir irgendwie auch klar weshalb. Um einen denkbar nihilistischen und vorhersehbaren Einweg-Plot, der dem Zuschauer schon vor der Sichtung allseits bekannt sein dürfte, bediente sich das junge Brüderpaar Robert und Max Eggers bei allerhand verworrenen und unverständlichen Symbolik-Metaphern, offensichtlich bei Poe und Lovecraft und einer doppelbödigen Erzählweise, was sie von ihrem Vorbild David Lynch (den ich übrigens auch nicht besonders leiden kann) anscheinend ausgiebig gelernt haben:
Zwei Männer unterschiedlichen Generationen geraten dank des berühmten Inselsyndroms (Einsamkeit, Isolation, sexuelles Manko, Schnaps ohne Ende und mit allem davon zunehmend resultierende halluzinogene Vorstellungen) in die seelischen und psychischen Abgründe und enden erwartungsgemäss im Wahnsinn. Hier wird unverschämt die griechische und nordische Mythologie zitiert (mit ihren Göttern Protheus, dem die Geier auch an seinem Leib herum knabberten, dem zornigen Zeus und seiner Büchse der Pandora und dem einäugigen Odin), den singenden Sirenen (versinnbildlicht in der gefundenen Nixen-Miniatur des toten Vorgängers und der Schreie der nackten Stastistin des Begehrens), das Licht des Leuchtturms als verbotene Frucht vom Garten Eden im alten Testament, etc. etc. Warum der Zuschauer nicht zu sehen bekommt, was im Licht tatsächlich ist, beantworten die Eggers besonders lapidar: "Weil wir nicht wollen, dass der Zuschauer das selbe Schicksal wie Ephraim erleidet." Was hier Fantasie, Realität, Manipulation oder gar Identität ist, wird im Laufe des Films immer diffuser und unverständlicher: Ist der alte Thomas gar der junge Thomas, da sie beide den selben Namen in echt tragen, ist er also eine Art Alter-Ego? Klar wird eigentlich nur die Bedeutung der erschlagenen Möwe im Film erläutert, die die ja Seele eines toten Seemanns tragen soll, und dass mit ihrem gewaltsamen Tod das Unheil über die Insel hereinbrechen wird.
Um die Zeitebene von 1890 glaubhaft zu vermitteln und die Enge der Situation auf der Insel zu unterstreichen, wurde im quadratischen 1, 19.1-Seitenformat in B/W gedreht, was genau den ersten realisierten Tonfilmen entsprach - dieses Stilmittel wirkte für mich weit hingezwungen und störte mich schon zu Beginn weg. Der Film lebt schlussendlich von der Interaktion zwischen Dafoe und Pattinson, ein schlechtes Schauspiel wäre hier schon vorgeblich undenkbar. Verstehen Sie mich resümierend nicht falsch, auch beispielsweise Jung-Talent Ari Aster bediente sich in seinen zwei Horrorerfolgen "Hereditary" und "Midsommar" allerhand Symbolik - wie Runen, Indikatoren aus Gemälden und traditionelle Rituale oder zitierte aus mittelalterlichen Werken (sodass sich die Dämonen den Schauspielern ermächtigen konnten) - aber der verstand es eben, diese gekonnt in fesselnde Geschichten einzuweben. Im Gegensatz zum Leuchtturm : Hier begräbt der ganze Interpretationsspielraum eine eigentlich ursimple Story mit seinem vornherein eindeutigen Ablauf, und es wird im Verlauf der Sichtung immer klarer, dass ohne solchem zu wenig Potential für 115 Filmminuten da gewesen wären. Das artverwandte "The Vanishing" (ein Jahr früher, aus England) hat mir jedenfalls um einiges besser gefallen.
"Just pretend it's a video game. Like you’re in a fucking movie!"
Jaja, und mit endlosem "Fuck", "Bitch" und "Motherfucker" erschöpft sich der Wortlaut schon schnell in dieser idiotischen Farce von 2012 und einer (Non-)Story, die in Wahrheit keine ist, was der Zuschauer spätestens nach 30 Minuten Leerlauf gelangweilt feststellen wird. Eigentlich ist das alles nur ein auf 90 Minuten ausgedehnter Videoclip mit den üblichen Schauwerten von Florida und ihren "Spring Breakers", die man neulich wieder in den News bestaunen konnte, wie die berüchtigt-partygeilen Student/innen keine einzige Sicherheitsmassnahme während der Covid-Krise eingehalten hatten. Nach dem Motto "Sex, Drugs and Britney Spears" (nein, eben nicht Rock'n'Roll!) wiederholen sich die immer selben möchtegern-schrillen und neongetränkten Bilder von Nightclubbing, Beach-Partys, teuren Karossen, angezoomten Po und Brüsten, Swimming Pools, zweideutigen Gesten, herumflatternden Dollarnoten, Arsenale von Waffen, Pot und Coke ohne Ende und Sex bis zur Verblödung - alles untermalt mit billigstem Plastic Pop, ausgelaugtem Techno und schon lange inflationär gewordenem Hip Hop. Die Dialogfetzen, die auf keinen Punkt kommen wollen, repetieren sich in endloser Schlaufe. Als schliesslich endlich der ultraharte James Franco mit silbernem Gebiss (mit Namen "Alien") auftaucht, denkt man, dass endlich etwas Schwung in das lahme Teenie-Panoptikum kommt, aber weit gefehlt! Es will einfach nichts annähernd Konkretes passieren und da half auch nicht, dass man sich noch einen "Alibi-Nigger" mit Lamborghini ins Boot holte, der sich mit Franco um die bandenkriminelle Vormacht auf den Strassen rivalisiert.
„Ein voyeuristisch-vulgäres, aber furios inszeniertes Drama, zugleich exploitativ-hedonistisches Manifest und ambitionierte Medienkritik, dessen forcierte Amoralität so sehr vor den Kopf stößt wie sie nachhaltig irritiert.“, schrieb das Lexikon des internationalen Films darüber. Videofilmer, Songtextschreiber, (Drehbuch-)Autor und nun (leider) auch Director Harmony Korine (*1973) ist zwar seit seinen Scripts für Larry Clarke's Teenager-Beinahe-Pornos (wie "Kids" oder "Ken Park") für "Amorialität" berühmt, um sich die Kasse mit abgestandener Sexploitation zu füllen, wer aber hier verklärt von einem "furios inszenierten Drama" labert, war wohl selbst von Substanzen benommen. Und nachhaltig ist hier gar nichts, sondern schneller vergessen wie die Konversationen Ihres letzten Betriebs-Weihnachtsessen.
Lese ich hier die allesamt verklärenden und ausschweifenden Comments und überdurchschnittlichen Punktebewertungen von 9+ zu Luis Buñuel's Episoden-Groteske "La fântome de la liberté" (1974) - von Leuten, die natürlich allesamt den verschachtelten Inhalt des Films verstanden zu haben schienen - kann ich mir ein leicht höhnisches Schmunzeln nicht verkneifen. Ich werde nämlich den Verdacht dabei nicht ganz los, dass sich hier einige als besonders "brighter lighter" und schwer gebildet hinstellen wollen, um einerseits ihre User-Freunde zu beeindrucken und um weiter einen intellektuellen Beweis ihres grossen Wissensfundus' als Motiv zu erbringen. Mal ehrlich: Ohne die erläuternden Erklärungen des Oxford-Professors Peter W. Evans (als Extra auf der DVD; Buch: "The Films of Luis Buñuel: Subjectivity and Desire") würde kein Mensch, der nicht über grosses Hintergrundwissen über den spanischen Regisseur und sein Schaffen verfügt, die unzähligen Bezüge und Referenzen des vordergründig sich ad absurdum darstellenden Films ausmalen oder verstehen können: Die erste (geschichtliche) Szene (die ein napoleonisches Erschiessungskommando zeigt und bei den dabei Exekutierten Buñuel selbst drin ist) sei also die Nachstellung eines Gemälde von Goya, danach werden Dichter der Jahrhundertwende als Inspirationsquelle zitiert, die ödipalen Komplexe und der Inzest sind anscheinend allgegenwärtig (in der hier erneut kritisierten, normkonformen französischen Bourgoisie), die religiös durchzogene Symbolik (die selbst im Kartenspiel der saufenden Mönche vorkommt) oder den Titel des Films selbst, der sich auf eine Schrift von Karl Marx bezieht, von dem Buñuel ein grosser Bewunderer war.
Sieht man mal über die ganze filmhistorisch begründete Relevanz und Anspruch des Werks des "Meisters des Surrealen" nüchtern hinweg, wird man mit einem Film belohnt, dessen Originalität der skurillen Einfälle für mich heutzutage eher bescheiden wirkt (lediglich an die WC-Szene erinnerte ich mich von der damaligen Sichtung vor Urzeiten noch), viele Längen zu beklagen hat und letztendlich ein Ganzes ist, das hoffnungslos antiquiert wirkt - da sind andere Filmwerke (auch von viel früheren Dekaden) einfach deutlich besser gealtert. Mein Filmgenuss hält sich einfach in Grenzen, wenn ich danach noch eine 20-minütige Erläuterung hinterher schieben muss, ähnlich der Sendung "1000 Gemälde" aus den 90ern. Und zu guter letzt: Auch mein Babyboomer Stiefvater hatte Marx und Mao in seiner Alt-68er-Idiologie immer blind verehrt. Schaue ich auf "ZDF Info" o.ä. Dokumentationen über Konsorten Lenin, Stalin, Mao und deren Heldentaten (mit zig Mio. von Toten) an oder sehe aktuelle Berichte über heutige Zustände und Menschenrechtsverletzungen in roten Regimes wie Nordkorea, China oder Venezuela, bin ich eigentlich der "bigotten Bourgoisie" ganz dankbar.
Der Zweiteiler "Human Trafficking" (2005) war wohl einer der ersten Filme, der organisierten Menschenhandel und Zwangsprostitution so konkret zum Thema machte und in Amerika dem Publikum sensibel und fundiert die Augen dafür öffnete. Das schreckliche Geschäft ist nach dem Drogen- und Waffenhandel weltweit die drittgrösste Einnahmequelle organisierter Kriminalität und ist deshalb so lukrativ, weil die betroffenen (meistens weiblichen) Menschen (man schätzt die Zahl jährlicher globalen Grenzgeschmuggelten auf 700 000) tagtäglich eine immer fortwährende Geldquelle für die Verbrecher sind und nicht eine einmalige, wie bei Waffen und Substanzen. Mit dem Zerfall des Ostblocks plus dem Yugoslawien-Krieg und der damit generierten wirtschaftlichen Not der Unterschicht wurde das Feld frei für die skrupellosen und straff organisierten Täterschaften, die ihre Opfer zu reinen Sklaven degradieren. Weitere Felder neben "Sex Traffiking" sind unbezahlte Hausarbeit, Pornographie, Zwangsbettelei und Organentnahme. Durch permanente Einschüchterung, Androhung von Gewalt gegen ihre Familienangehörigen und der Furcht vor einer Abschiebung in ihr Heimatland, trauen sich die meisten Opfer nicht vor der Behörde auszusagen - die Dunkelziffer ist dementsprechend riesig.
Mit diesem, dem Unrecht thematisierenden Thrillerdrama ist Director Christian Duguay ein wuchtiger Aufklärungsfilm gelungen, der es versteht, drei Schicksale betroffener und natürlich meist minderjährigen Mädchen gekonnt miteinander zu verbinden - aus der Ukraine (wo das 16-jährige Opfer mit den gängigen Versprechungen einer Model-Karriere geködert wird), aus Prag (mit Hilfe der "Loverboy-Methode", mit der ein Mann seinem Opfer eine Beziehung und Zukunft vorgaukelt) und auf den Philippinen (wo ein Touristen-Mädchen auf offener Strasse vor seiner Mutter in ein Auto gezerrt und gekidnappt wird). Gleichzeitig ermittelt ICE-Officer Kate Morozov (Oscar-Preisträgerin Mira Sorvino) im Sumpf dieser Verbrechen, und ihr Chef Monroe (Donald Sutherland) drückt auch bei ihren zeitweise kompetenzüberschreitenden Aktionen beide Augen zu. So kommen sie dem skrupellosen Drahtzieher der Organisation, Sergei Karpovich (gewohnt furchterregend: Robert Carlyle) immer näher. Und bis zum atemlosen Showdown fiebert der Zuschauer mit ihnen mit. Die Spannungskurve wird hier permanent gesteigert, das Schauspiel ist erlesen, die (internationalen) Schauwerte sind bis hin zu den Tatorten (wie Bars, Absteigen, Villen, Boots-Containern, Yuppie-Parties etc.) beeindruckend realistisch geworden, Korruption, Kinderhandel, ansteckende Krankheiten und Mittäter bis in die höchsten Kreise sind hier ebenso präsent. Ein toller Film, der leider nichts von seiner Aktualität eingebüsst hat.
Weitere Filme zur Thematik (U.S/Can., sofern nicht angegeben):
"Spartan" (2004), "Eastern Promises" (England, 2007), "Trade - Willkommen in Amerika" (2007), "The Jammed" (Australien, 2007), "Taken/96 Hours" (2008), "The Whistleblower" (2010), "Eden" (2012), "Las Elegidas" (Mexico, 2015) "Sold" (Indien, 2014), "Mardaani/Mardaani 2" (Indien, 2014/2019), "Carga" (Portugal, 2018), "I Am All Girls" (Südafrika, 2021)
POSSIBLE SPOILER ALERT:
"Wir sind Engländer, das Friendly Fire überlassen wir den Yankees!"
Tatsächlich? Ich dachte doch, der Film würde in Schottland spielen. Auch sonst ist dieser billige Kletterer-Entführungs-Mash-Up von Löchern, Ungereimtheiten und merkwürdigen Handlungsabläufen geradezu überzogen, und ich staune ab all den positiven Bewertungen für diesen B-Independent-Schund: Warum sind die Entführer immer in der Nähe der zersplitterten Survival-Gruppe und das ohne irgendwelche Ausrüstung? Warum töten diese zwei, nicht am Kidnapping beteiligten, unbedarften Wildjäger? Wie schafft es Alex (Gary Sweeney) in Nullzeit seinen Rucksack zu einer Puppe mit Beinen und Socken umzufunktionieren, um die Verbrecher auf eine falsche Fährte zu locken? Warum versteht das Mädchen dann doch plötzlich die Abseil-Instruktionen auf englisch, wo es zuvor angeblich nur "russisch" sprechen konnte? Weshalb unterschlägt der Polizei-Officer seine Pflichten und Hilfsbereitschaft? Die Liste kann so ewig fortgesetzt werden. Das Schauspiel (u.a. mit "Triangle"-Star Melissa George) mit lächerlicher Pseudo-Schock-, Erschöpfungs- oder Verdutz-Mimik ist hundsmiserabel, die Dialoge durchgehend zum fremdschämen und der Billig-Plot mit Einbindung des Yugoslawien-Krieges völlig lachhaft. Erfahrene Bergsteiger und Riverrafter würden sich ab den unbeholfenen Kletter- und Seilaktionen wohl an den Kopf greifen, und überhaupt sind die halbgaren Actioneinlagen fernab von was, das irgendwie annähernd Nervenkitzel auslösen könnte. Das idiotische Ende kann höchstens als kitschig bezeichnet werden und man fragt sich schlussendlich, was nun eigentlich mit dem entführten Mädchen geschieht - wird es einfach wieder bei seinem Vater, dem (von Den Haag unbescholtenen) serbischen Kriegsverbrecher und Folterer (gemäss Szene) leben?
Die wenigen Naturaufnahmen der schottischen Highlands entschädigen kaum für diese allesamt schwache Darbietung auf sehr tiefem Niveau - ein Machwerk notabene, das weder packt, noch irgendwie Spannungsmomente auslöst und ab dem ich schlussendlich nur ungläubig den Kopf schütteln konnte.
In einer Nacht wird die Leiche des Investors Colbert auf der Strasse im Kaff Sparta (im Bundesstaat Mississippi) aufgefunden, er wurde erschlagen. Für den hiesigen Polizeichef, den kernigen Gillespie (Rod Steiger) mit seinen Südstaaten-typischen Vorurteilen gegenüber Schwarzen ist schnell klar: Es war der dunkelhäutige Tibbs (Sidney Poitier), der im Bahnhof zur Tatzeit auf den Zug zurück in seine Heimat Pennsylvania wartete. Der entpuppt sich jedoch alsbald als Ermittler bei der Mordkommission in seiner Stadt Philadelphia ist und wird mit seinem fintenreichen Gespür bei der Aufklärung des Mordes Hilfreiches leisten.
Zwei Jahre später erschienen, nachdem Baptistenpastor und Bügerrechtler Martin Luther King den Friedensnobelpreis erhalten hatte, mag der Krimi "In The Heat Of The Night" (1966) gesellschaftspolitisch höchst relevant und für seine Zeit bahnbrechend gewesen sein und gar heute mit der "Black Lives Matter"-Bewegung neue Fans finden. Sieben Oscar-Nominierungen und fünf davon gewonnene Awards waren der Lohn für eine Lektion, die den Amerikanern die Augen öffnen sollte. Diese Merkmale sind natürlich unbestritten, doch mal ehrlich: Für mich schleppte sich die recht fahrige und wenig originelle Crimestory und ihre Ermittlungsarbeit bis zur kaum nennenswerten Auflösung dahin, ein Fall eigentlich wie ein durchschnittlicher Fernsehkrimi. Auf dramaturgisch herausragende Elemente wartete ich vergeblich, Spannung gibt es nicht, das Schauspiel ist höchstens passabel, die Schauwerte knapp, und der Film kam mir ewig lange vor. Alle Vorbehalte mit Betonung darauf, dass ich seine wichtige (antirassistische) Message keineswegs in Abrede stellen möchte.
Deutsches "Brokeback Mountain" - von wegen! Auch meine kürzliche Zweitsichtung konnte den Eindruck von damals nicht revidieren, das Langfilmdebüt "Freier Fall" (2013) von Stephan Lacant ("Auch wenn Homosexualität thematisch mitschwingt, geht es mir vorrangig darum, die dahinter liegenden archetypischen Konflikte aus Liebe, Hass, Verleugnung und Selbstfindung auszuloten") ist von altausgedienten Schwulen-Klischees nur geradezu übersät und kein einziges scheint zu fehlen: Der primitive, zu Gewalt neigende Macho an der Polizeischule (und die Institution per se als Konzentration streotypisierten Männlichkeitsidealen), das zerstörte Babyglück frisch gewordener Eltern, die Mutti aus erzkonservativem Nachkriegs-Haushalt ("So haben wir Dich nicht erzogen!"), eine von Drogen infizierte Pseudo-Subkultur mit Schnellsex in der Club-Toilette (wie man es sich in etwa von aussen so vorstellt), die junge, sich am Ende ihres bescheidenen Lateins befindende und zur Hysterie neigende Angetraute (Katharina Schüttler) mit Sätzen, wie "Bist Du schwul? Was sonst dann?" oder "Soll ich Dich auch mal von hinten nehmen?" und das sogenannte Gay-Paar - ein vermeintlich Heterosexueller (Hanno Koffler), der gefangen im Mikrokosmos seiner gutbürgerlichen Zielstrebigkeit ist und der andere, eben "richtige und draufgängerische Schwule" (Max Riemelt), der seine Fleischeslust nicht unter Kontrolle zu haben scheint ("Die Schwuchtel war hageldicht im Gayclub, muss wohl immer abficken!"). Schon die Ausgangslage ihrer gefundenen Liebe ist diffus und unverständlich gezeichnet, und man wird den Verdacht nicht los, dass es für beide Schauspieler wohl eine besondere Herausforderung war, zu ihrem Oevre auch einmal trendy die Rolle eines Schwulen hinzuzufügen. "Viele Schauspieler sagten das Casting aus Angst ab, danach immer auf schwule Rollen abonniert zu werden", meinte Lacant - an dieser Aussage manifestiert sich ja der "revolutionäre Mut" dieser einmaligen Crew und ihrem Filmprojekt auf der ganzen Bandbreite! Was aber am meisten Abzug für ein eigentlich psychologisches Drama gibt, sind die unentschuldbaren Konflikt- und miserablen Dialogabfolgen, die immer ins Leere laufen oder lange pausieren, keine einzige Szene wird jemals wirklich konkretisiert oder ausgetragen.
Dass dieses Kabinett der Klischees durchwegs überschlagendes Echo von Kritikern bekam, lässt sich wahrscheinlich so erklären, dass eine weitere Aufarbeitung des Themas vor weit über 10 Jahren eine Modeerscheinung war, die erst noch das Potential für einen echten Problemfilm hatte und natürlich im (vorhersehbaren) "Freien Fall" enden muss.
Nach dem Unfalltod ihrer Eltern kommen Teenie-Girl Ruby (Leelee Sobieski) und ihr 11-jähriger Bruder Rhett (Trevor Morgan) bei neuen Pflegeeltern in einer imposanten Villa in Malibu unter - dem Geschäftsmann Terry Glass (Stellan Skarsgård) und seiner Ehefrau Erin (Diane Lane), die Ärztin in einem L.A.-Hospital ist. Zu Beginn scheint bis auf den Umstand, dass Ruby das Zimmer mit ihrem Geschwister (vorläufig) zu teilen hat, alles paletti zu sein. Doch immer mehr ungereimte Vorfälle und Merkwürdigkeiten lassen Ruby langsam stutzig werden - hat das vordergründig so freundliche und gutsituierte Paar etwas zu verbergen oder schmieden die beiden gar einen hintersinnigen Plan? Ruby fährt per Autostopp kurzentschlossen in die Stadt zur Kanzlei des hilfsbereiten Advokaten und Vermögensverwalter Dr. Begleiter (Bruce Dern), der vorläufig wenigstens mal die Wogen des aufgebrachten Teenagers zu glätten scheinen weiss.
Das Grauen steigert sich in immer schnelleren Schritten, bis sich die Ereignisse schliesslich überschlagen. Hauptschauplatz ist die gläserne orwell'sche Villa der kompletten Überwachung, die stahlblauen Bilder sind dabei höchst unterkühlt atmosphärisch, besonders wenn die Nacht durch die Blitze eines fegenden Gewittersturms und des prasselnden Regens auf die Glasscheiben durchzogen wird. Die Szenen sind kurz(weilig), der Schnitt schnell. Sobieski spielt ihre Hauptrolle für ihr damaliges Alter atypisch emanzipiert und unzickig, Skarsgård ist herrlich diabolisch und die Rolle schien ihm viel Spass zu bereiten. Die damals 17-jährige hatte ein schräges Hobby: Sie sammelte Haarsträhnen von männlichen Co-Stars, Skarsgård liess es zu. Neu ist die Geschichte zwar nicht, aber für die Spannung ist unerträglich hoch.
Per Autostopp geht es im Spät-Sixties-Sommer nach Rügen an die Ostsee. Dabei kreuzen sich die Wege von elf Oberschülerinnen aus Leipzig und zehn Oberschüler aus Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz). Schließlich landen alle in dem kleinen Dorf im Strandparadies, wobei eine resolute Landlady den Twens schon mal die Regeln in ihrem Haus aufzeigt. Gegenseitig spielen sich die Gruppen immer wieder Streiche, und auch die ersten Liebeleien lassen nicht lange auf sich warten.
Die naiv-harmlose DDR-Musical-Kabelei "Heisser Sommer" (1968; mit dem damaligen Traumpaar Doerk/Schöbel) mag mit ihren Schauwerten aus alten Zeiten (wie Mode, Karossen und Architektur) bestimmt auch heute noch ihre vielen Fans haben - vor allem solche, die den Folgen der Wiedervereinigung wenig abgewinnen konnten. Die Non-Story (mit 6 Mio. Kinobesucher wahrscheinlich grösste DEFA-Erfolg aller Zeiten) wird immer wieder mit lüpfig-beschwingten Träller-Schlager-Songs im Stil von Wencke Myhre unterbrochen und erinnert irgendwie an eine Beschäftigungstherapie der Jungspunden und Ablenkung vom DDR-Alltag. Trotzdem, auch der deutsche Osten hatte damals eine Rockszene im Untergrund, von einem Hippie-Feeling spürt man hier rein gar nichts, doch wer die Lieder ja mag, für den gibt's eine Schallplatte vom AMIGA-Label davon.
"Wir wollen keinen Krieg!
Wir wollen keinen Sieg!
Wir wollen unser Österreich
und eine schöne Führerleich!"
Das deutsch-österreichische Historiendrama "Ein Dorf wehrt sich" (2019) spielt im kleinen Bergort Altaussee (im Salzkammergut) im Winter 1944/45: Im Bergungsort Salzbergwerk wird Raubkunst für das geplante Führermuseum in Linz eingelagert. Die Bewohner des Dorfes schleppen bewacht von Soldaten Skulpturen und Gemälde in die Stollen. Hoch in den Bergen verstecken sich Partisanen und Deserteure, die von Franz Mitterjäger und seiner toughen Frau Elsa (Harald Windisch und Brigitte Hobmeier) regelmässig versorgt werden - eine gefährliche Lage für alle Beteiligten. Als kurz vor der Kapitulation Gauleiter Eigruber (Philipp Hochmair) die Sprengung der Stollen mit amerikanischen Blindgängerbomben befiehlt, widersetzen sich die Dörfler: Nicht nur das Kulturerbe würde vernichtet, sondern auch ihre jahrhundertalte Erwerbsgrundlage. Sepp Rottenbacher (Fritz Karl), ein Freund der Mitterjägers, heckt einen Plan aus und seine heikle Mission führt direkt ins Quartier zum gefürchteten Chef des Sicherheitsdienstes Dr. Ernst Kaltenbrunner (Oliver Masucci)...
Zugegeben, auch ich tat mich mit dem rauen Dialekt schwer, ohne eingeblendete Untertitel wäre nichts gegangen. Eine (trügerische) Idylle voller wundervoll verschneiten Naturaufnahmen der Berge und des Dorfes kontrastieren mit der allgegenwärtigen Bedrohungslage der anwesenden Nazis, Soldaten und Kollaborateuren, die auch nach der Radiomeldung über Hitlers Tod weiter obrigkeitshörig-blind den Befehlen gehorchen. Die (atmosphärisch gross inszenierte) Geschichtsstunde nach Fakten von Regisseurin Gabriela Zerhau ("Tannenbach") nimmt gegen ihr Ende mit dem gezeigten finalen Nazi-Irrsinn unglaublich Spannung auf. Der Film will schlussendlich nicht Österreich für seinen Widerstand feiern, sondern seine stillen Helden davon. Das Schauspiel ist erlesen, psychologisch ist der Film dicht und packend, und Ausstattung, Szenenbild, Schnitt und Kamera sind ohne Makel. Und ich höre: Auch George Clooney's "Monuments Men" (2014) spielt teilweise im Salzbergwerk Altaussee.
Paris: Jung-Agent Reese (Jonathan Rhys Meyers) langweilt sich immer mehr mit seiner trockenen Arbeit als Assistent des U.S.-Botschafters. Da wird ihm für einen brisanten Auftrag plötzlich der hartgesottene CIA-Veteran Wax (John Travolta, mal mit Glatze) zugeteilt. Der macht schon bei seiner Einreise die Zollbeamten kirre und stellt Reese und seine Freundin Caroline (Kasia Smutniak) mit seinen unorthodoxen und wenig zimperlichen Methoden immer weiter auf die Probe...
Nachdem dem durchschlagenden Erfolg des schnörkellosen, gradlinigen und kompakten (aber auch umstrittenen) Thrillers "Taken/96 Hours" (2008) waren die Erwartungen an den jungen französischen Regisseur Pierre Morel und seinen Nachfolgefilm "From Paris With Love" (2010) dementsprechend hoch, doch sein Partner Luc Besson dachte sich einen dermassen schwachen Plot in seinem Script aus, den weder der Director selbst, noch die beiden gestandenen Schauspieler ausbügeln konnten. Besteht die Action nur aus öden Ballereien (im Sinne von: Toll, treffen die Schlechten nie), wird es einfach schnell mal langweilig. Travolta ist von seiner Obercoolness wiedermal selbst am meisten überzeugt, Smutniak bleibt farblos und Rhys Meyers wirkt in seiner anspruchslosen Rolle gelangweilt. Immerhin gibt es einige schöne Views von Paris zu sehen.