1937 - In der Cinecittà wird Film zur Waffe

11.03.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Ben Hur
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Was wäre der Film ohne spezialisierte Produktionsstätten? Nun, ganz ohne sähe er ziemlich alt aus. Markante Momente gibt euch heute einen Abriss über die wechselvolle Geschichte des berühmtesten italienischen Studios – die Filmstadt Cinecittà.

“Il cinema è l’arma più forte” – „Das Kino ist die stärkste Waffe“, so lautete das schmissige Motto, als Italiens Diktator Benito Mussolini am 28. April 1937 die Cinecittà eröffnete. Nun, dass der Film schon früh als modernes Medium schlechthin eine große Wirkung auf die Menschen erzielen konnte, hat Mussolini absolut richtig erkannt. Seine Intention hingegen war durchaus fragwürdig. Das Regime des „Duce“ fand 1945 glücklicherweise sein Ende – die Cinecittà gibt es noch heute, und könnten die Mauern sprechen, hätten sie sicher einige spannende Anekdoten zu berichten.

Der Plan von einer Propaganda-Filmstadt
‚Filmstadt‘ – so lautet die wörtliche Übersetzung des Wortes Cinecittà, denn tatsächlich beinhaltete das Konzept für die Anlage vor den Toren Roms mehr als nur ein ordinäres Filmstudio. Benito Mussolini, sein Sohn Vittorio und Luigi Freddi, der Filmbeauftragte des faschistischen Regimes, gründeten das Unternehmen zu vorrangig propagandistischen Zwecken, und ließen in dem Bau nicht nur Raum für zahlreiche Filmsets, sondern legten auch Gebäude an, in denen eine umfangreiche Postproduktion ganz auf der Höhe der Zeit stattfinden konnte. Quasi alle Abteilungen unter einem Dach, alle Fäden in einer Hand – das war der Plan.

Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Im Zweiten Weltkrieg bombardierten die Alliierten gezielt die prestigeträchtige Cinecittà, das faschistische Regime wurde abgelöst, und in den ersten Nachkriegsjahren nutzten die Gewinner die Bauten als Lager für sogenannte Displaced Persons – Menschen, die sich kriegsbedingt außerhalb ihres Heimatlandes befanden und auf Rückführung warteten. Erst gegen Ende der Vierziger Jahre fanden die Allround-Studios zurück zu ihrer eigentlichen Bestimmung – der Produktion von Filmen.

Amerikanische Monumentalfilme in Rom
Die Regisseure des Italienischen Neorealismus hatten die Straßen für sich entdeckt. Bei natürlichem Licht filmten Roberto Rossellini, Vittorio De Sica und Luchino Visconti on location – aufwendige Setbauten waren überflüssig. Brauchten sie aber doch einmal die professionelle Flexibilität eines bestens ausgestatteten Studios, so fiel ihre Wahl auf die Cinecittà. Und auch amerikanische Regisseure mit einem Hang zu spektakulären Kulissen entdeckten die italienische Filmstadt mit dem klangvollen Namen in den Fünfzigern für sich. Mervyn LeRoy drehte dort Quo Vadis und William Wyler die charmante Romanze Ein Herz und eine Krone mit Audrey Hepburn und Gregory Peck.

Gerade bei Wyler muss die Cinecittà dann auch bleibenden Eindruck hinterlassen haben, denn schon 1959 kehrte er zurück nach Rom, um in den heiligen Hallen einen der aufwändigsten Streifen der Filmgeschichte zu produzieren. Das Budget von Ben Hur überstieg die 15 Millionen Dollar, damals eine unglaubliche Summe. Der Monumentalfilm setzte Maßstäbe in Sachen Special Effects – so kam beispielsweise ein gigantischer Bluescreen zum Einsatz – und Personenaufwand. Allein 50.000 Komparsen waren nötig, um das Leben von Judah Ben-Hur glaubhaft darzustellen. Belohnt wurde der massive Aufwand mit ganzen elf Oscars, darunter für den Besten Film und die Beste Regie.

Ein historisches Studio rettet sich in die Neuzeit
In erster Linie wird die Cinecittà aber noch immer mit dem Namen Federico Fellini assoziiert. Für La dolce vita – Das süße Leben ließ der italienische Autorenfilmer 1960 Anita Ekberg im römischen Trevi-Brunnen baden und drehte ab sofort jeden seiner folgenden Filme in der Filmstadt. Weil er für einen seiner Hauptschauplätze, die pittoreske Via Vittorio Veneto, nur ab zwei Uhr nachts eine Drehgenehmigung erhielt, ließ er in der Cinecittà eben die komplette Straße detailgetreu nachbauen. Die bekannten Filmstudios wüssten außerdem von Produktionen italienischer Spaghetti-Western à la Für eine Handvoll Dollar von Sergio Leone zu berichten.

Als die Cinecittà allerdings das letzte Mal durch die internationale Presse ging, gab es keinen Anlass zur Freude. Eher ein großes Glück im Unglück, dass ein großer Brand im Jahre 2007 nicht historische Setbauten zerstörte. Trotzdem brannte eine riesige Halle mit Kulissen und Requisiten bis auf die Grundmauern nieder und riss einen Teil der Ausstattung der HBO/BBC-Serie Rom mit sich. Als letzte große Filmproduktionen entstanden Gangs of New York von Martin Scorsese und Die Passion Christi von Mel Gibson in der Cinecittà, die nach einem Beinahe-Bankrott während der Neunziger Jahre nun in privater Hand ist.

Was die Menschheit sonst noch im (Film)Jahr 1937 bewegte:

Drei Filmleute, die geboren sind
22. April 1937 – Jack Nicholson, der Verurteilte aus Einer flog über das Kuckucksnest
01. Juni 1937 – Morgan Freeman, der Detective aus Sieben
31. Dezember 1937 – Anthony Hopkins, Hannibal Lecter aus Das Schweigen der Lämmer

Drei Filmleute, die gestorben sind
Mai 1937 – Sven Berglund, schwedischer Tonfilmpionier
07. Juni 1937 – Jean Harlow, die blonde Eadie aus Millionäre bevorzugtMillionäre bevorzugtThe Girl from Missouri
11. Juli 1937, George Gershwin, Komponist der Rhapsody in Blue aus Manhattan von Woody Allen

Die großen Festival- und Award-Sieger waren unter anderem
Oscar – Der große Ziegfeld von Robert Z. Leonard (Bester Film, Beste Hauptdarstellerin,…)
Goldener Löwe – Spiel der Erinnerung von Julien Duvivier
New York Film Critics Circle Award – Das Leben des Emile Zola von William Dieterle

Die drei kommerziell erfolgreichsten Filme
Schneewittchen und die sieben Zwerge von David Hand
Saratoga von Jack Conway
100 Mann und ein Mädchen von Henry Koster

Drei wichtige Ereignisse der (Nicht-)Filmwelt
07. Juli 1937 – der zweite Japanisch-Chinesische Krieg bricht aus
08. November 1937 – Joseph Goebbels eröffnet in München die Schau „Der ewige Jude“
21. Dezember 1937 – Schneewittchen und die sieben Zwerge, der erste abendfüllende Animationsfilm von Walt Disney, feiert Premiere in Hollywood.

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